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MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
„Nichts geht über Mutters<br />
Käsekuchen!“<br />
Singen wird Cher an Weihnachten<br />
nicht, das stellt sie ziemlich<br />
unmissverständlich klar bei<br />
unserem Gespräch in einem<br />
Pariser Nobelhotel. Und ob sie tanzt, sei<br />
situationsabhängig. Ausgeschlossen<br />
jedoch gewiss nicht.<br />
„Vielleicht wage ich ein Tänzchen, vielleicht<br />
hänge ich auch den ganzen Abend in der<br />
Küche fest und klatsche Kartoffelpüree<br />
auf sämtliche Teller. Wir haben ganz gewiss<br />
aber immer eine Party und schmücken das<br />
Haus innen wie außen. Ich stehe einfach<br />
auf dieses traditionell ame<strong>rik</strong>anische<br />
Weihnachtsfest, das ja dem deutschen<br />
Weihnachten ziemlich ähnlich ist. Wir<br />
haben zum Beispiel auch immer einen<br />
Baum.“ Die Urgroßmutter der als Cherilyn<br />
Sarkisian in Kalifornien zur Welt gekommenen<br />
Legende hatte deutsche Wurzeln,<br />
das Weihnachtsessen, das Cher für Familie<br />
und Freunde anbiete, sei indes ein typisch<br />
ame<strong>rik</strong>anisches. „Es gibt von allem viel:<br />
viel Truthahn, viele Kürbispasteten, viele<br />
Dressings.“ Chers Mutter Georgia, die kurz<br />
vor Weihnachten 2022 im gesegneten<br />
Alter von 96 Jahren verstarb, habe ihrer<br />
Tochter zwei Rezepte hinterlassen, die<br />
sie nun selbst zubereite. Okay, zubereiten<br />
lässt, denn Cher koche nicht selbst, gibt<br />
sie zu. „Das ist zum einen ihr Maisbrot,<br />
das wir füllen. Maisbrot ist eine typische<br />
Südstaatenspeise, meine Mutter stammt<br />
ja aus dem Süden. Und das zweite ist<br />
Mutters Käsekuchen. Der ist die Wucht. Ihr<br />
Käsekuchen war immer schneller aufgegessen<br />
als die ganzen Pasteten, also fing<br />
ich an, erst zwei und dann drei zu backen.<br />
Und als auch das nicht reichte, ging ich<br />
dazu über, den Käsekuchen zu verstecken.<br />
Das mache ich auch dieses Jahr wieder.“<br />
Cher lacht herzlich. „Die Leute sollen erst<br />
mal die Pasteten essen, die sind schließlich<br />
auch sehr lecker.“<br />
Das Fest der Liebe hat für Cher in diesem<br />
Jahr eine noch größere Bedeutung als<br />
sonst. Denn mit 77 Jahren hat die Sängerin,<br />
Schauspielerin und<br />
Vollblutentertainerin,<br />
die schon Mitte der<br />
Sechziger im Duett<br />
mit ihrem damaligen<br />
Ehemann Sonny<br />
(„I Got You Babe“)<br />
berühmt wurde und<br />
es trotz oder gerade<br />
wegen zahlloser<br />
Stilwechsel (in den<br />
Achtzigern sang sie<br />
„If I Could Turn Back<br />
Time“-Hardrock, in<br />
den Neunzigern Dance – „Believe“) bis<br />
heute blieb, das erste Weihnachtsalbum<br />
ihrer langen und wendungsreichen<br />
Karriere aufgenommen. Und warum auch<br />
nicht? Chers 27. Studioalbum, einfach<br />
„Christmas“ getauft, ist eine poppige und<br />
topgelaunte Angelegenheit geworden.<br />
„Es ist nicht das Weihnachtsalbum<br />
deiner Oma“, so Cher fröhlich. „Es ist ein<br />
Cher-Weihnachtsalbum.“ Neben ein paar<br />
Standards wie „Run Run Rudolph“ singt die<br />
US-ame<strong>rik</strong>anische LGBTIQ*-Ikone auch<br />
ein paar neue Songs, liefert sich Duette<br />
mit Michael Bublé (dessen Hit „Home“ die<br />
beiden neu eingesungen haben), Stevie<br />
Wonder, Cyndi Lauper und Darlene Love.<br />
Letztere sang 1963 schon denselben<br />
Song, „Christmas (Baby Please Come<br />
Home)“ und die damals 17-jährige Cher<br />
war in der Produktion von Phil Spector<br />
im Hintergrund zu hören. Außerdem<br />
versucht sie sich gar gemeinsam mit<br />
ihrem aktuellen Freund, dem 37-jährigen<br />
Produzenten Alexander Edwards, an einer<br />
Hip-Hop-Nummer, „Drop Top Sleigh Ride“,<br />
Gastrapper ist Tyga.<br />
„Ich dachte immer,<br />
Alexander hätte seinen<br />
Kumpel ganz schön<br />
bequatschen müssen,<br />
den Song mit mir zu<br />
machen, doch jetzt<br />
meinte er, nein, nein,<br />
Tyga hätte richtig Lust<br />
auf die Nummer mit<br />
mir gehabt.“<br />
Und wer noch nicht in<br />
Weihnachtsfeierstimmung<br />
ist, möge sich<br />
umgehend die Single „DJ Play A Christmas<br />
Song“ zu Gemüte führen. „Wir brauchen<br />
ein bisschen Freude und ein bisschen<br />
Ablenkung“ singt Cher in der Uptempo-<br />
Nummer. „Ich glaube felsenfest, dass<br />
Weihnachten die Stimmung hebt. Weil die<br />
Menschen netter sind in dieser Zeit. Weihnachten<br />
bringt die Leute dazu, ihr bestes<br />
Benehmen hervorzuholen. Zumindest<br />
bei den grundsätzlich guten Menschen<br />
ist das so.“ Also auch bei Menschen wie<br />
der zutiefst freundlichen, wohltätigen<br />
und einfach hochsympathischen Cher.<br />
„Den Geist des Guten, den fühle ich an<br />
Weihnachten immer besonders stark.“<br />
*Interview: Steffen Rüth