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TITELTHEMA<br />
39<br />
„Jedes Jahr kaufe ich einen goldenen<br />
Stift und verbringe bis<br />
Weihnachten so einige Abende<br />
damit, die Wunschzettel zu beantworten.<br />
Man braucht Muse dazu,<br />
das geht nicht so nebenbei. Wir<br />
haben zwar einen vorgedruckten<br />
Text, aber ich schreibe immer<br />
etwas Persönliches dazu, zum<br />
Beispiel: ‚Vielen Dank für dein<br />
schönes Bild‘. Dieser Dialog sollte<br />
stattfinden, denn den Kindern ist<br />
es sehr wichtig, dass das Christkind<br />
zurückschreibt. Einmal stand<br />
in einem Brief ,Liebes Christkind,<br />
du hast mir letztes Jahr nicht geantwortet‘.<br />
Wahrscheinlich stand<br />
damals keine Adresse dabei, das<br />
tut mir dann natürlich sehr leid,<br />
und ich kann verstehen, dass die<br />
Kinder traurig sind. Für sie ist das<br />
Christkind ja eine reale Person. Man sieht das<br />
auch, wenn man auf unserem Weihnachtsmarkt<br />
die Begegnungen der Kinder mit dem Christkind<br />
und seiner Engelschar beobachtet. Da kriegen<br />
sie Gänsehautmomente. Da kann man wirklich<br />
dieses Leuchten in den Augen sehen. Sie haben<br />
dann einen Blick, der ist ganz anders, als wenn<br />
sie etwa in einem Kaufladen stehen und sich was<br />
anschauen. Man sieht, sie glauben wirklich dran,<br />
das ist für mich Weihnachtszauber!<br />
Die Klassiker bei den Spielzeug-Wünschen sind<br />
oft immer noch Puppen, Autos oder Bausteine.<br />
Was häufig kommt, und mich wundert, sind<br />
Stifte, schöne Stifte zum Malen. Man denkt ja<br />
immer, Kinder wünschen sich heute alles hochtechnisiert,<br />
aber in dem Alter kommt noch kein<br />
Handy, das hatte ich tatsächlich noch nicht. Manche<br />
haben ganze Kataloge ausgeschnitten, und<br />
dann schreibe ich schon ein bisschen mit erhobenem<br />
Zeigefinger, aber liebevoll, dass nicht alle<br />
Wünsche erfüllt werden können, weil das Christkind<br />
schließlich alle Kinder der Welt beschenken<br />
muss. Das finde ich wichtig zu vermitteln: Dass<br />
man auch an andere denken und was abgeben<br />
muss.<br />
reichelsdorf.de<br />
Ute LIngl (71)<br />
Die berührenden Momente sind die, wenn Kinder<br />
etwas schreiben, was sie ganz arg bewegt.<br />
Ein Sechsjähriger schrieb mal, ‚liebes Christkind,<br />
lass meine zwei Uromas noch lange leben.‘ Ein<br />
anderer Junge wünschte sich, dass sein Papa<br />
wieder gesund wird. Oder ein kleines Mädchen,<br />
dass die Mama mehr Zeit für sie haben soll. Da<br />
merkt man, dass den Kindern durchaus bewusst<br />
ist, dass nicht alles selbstverständlich ist. Sie machen<br />
sich viele Gedanken und beschäftigen sich<br />
sehr mit solchen Dingen. Ich versuche dann immer<br />
etwas Tröstendes zu antworten. Von Weihnachten<br />
trägt man ja seine ganz eigenen Vorstellungen<br />
und die Traditionen aus der Kindheit<br />
in sich. Für mich war und ist diese Zeit immer eine<br />
besondere. Ich denke schon und wünsche mir,<br />
dass ich diesen Zauber durch die Beantwortung<br />
der Wunschzettel in Teilen weitergeben kann.“<br />
© Manuela Prill © Manuela Prill