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30 TITELTHEMA<br />
„Meine Familie kommt aus Südafrika und ich habe den Großteil<br />
meines bisherigen Lebens dort Weihnachten gefeiert. Am Strand,<br />
bei Temperaturen um die 35 Grad und mit bunten Lichterketten<br />
auf Affenbrotbäumen. Auch bei uns kam die Familie in der<br />
Weihnachtszeit zusammen, zum Beispiel zum Braai, dem südafrikanischen<br />
Barbecue, aber das Ganze war mit Musik und Tanz<br />
verbunden, es war irgendwie viel leichter als hier. Die Figur des<br />
Christkindes kannte ich zwar von meiner deutschen Oma, genau<br />
wie den Weihnachtsmann. Besonders sympathisch war der mir<br />
aber ehrlich gesagt nicht, dieser dicke, für meine Verhältnisse viel<br />
zu warm gekleidete, von Coca-Cola inszenierte Mann mit seiner<br />
rot-weißen Zipfelmütze. Und das ist auch so geblieben, obwohl<br />
ich seit einigen Jahren in Deutschland lebe. Vor drei Jahren bat<br />
mich eine befreundete Familie, den Weihnachtsmann zu spielen<br />
für ihre drei kleinen Kinder. Ich ließ mich breitschlagen und von<br />
der Mama der Kinder zum Weihnachtsmann umstylen – inklusive<br />
weiß angesprühtem Vollbart. Ich habe selbst keine Kinder und<br />
bin davon ausgegangen, dass die Kleinen vor Schreck ganz starr<br />
sein würden, wenn ich hereingepoltert komme. Dass ich nur laut<br />
genug hohoho sagen müsste,<br />
ein paar Säckchen austeilen<br />
würde und dann die Freude so<br />
groß wäre, dass keiner merken<br />
würde, wie ich mich schnell<br />
wieder aus dem Staub mache.<br />
Eines aber war mir sofort klar,<br />
als ich durch die Tür kam und<br />
die skeptischen Blicke des<br />
Siebenjährigen sah: Ich hatte<br />
ein Problem. Er hatte eindeutig<br />
einen starken Verdacht und<br />
würde alles daran setzen, mich<br />
zu entlarven. Ich wusste keine<br />
Antwort auf die Frage, wo denn<br />
mein Rentierschlitten sei, ich<br />
konnte kein einziges Weihnachtsgedicht, um das ich gebeten<br />
wurde, und auf die Frage, wie ich denn gleichzeitig hier und bei<br />
ihren Freunden sein konnte, wusste ich auch keine Antwort. Die<br />
Einzige, die ich beeindrucken konnte, war die kleinste Tochter.<br />
Allerdings auch nicht so, wie ich mir das vorher vorgestellt hatte.<br />
Denn sie weinte bitterlich bei meinem Anblick. Vor lauter Schreck<br />
hab ich beim Versuch, sie zu trösten, Afrikaans gesprochen und<br />
war damit endgültig aufgeflogen. Der große Sohn triumphierte,<br />
der Kleine wusste ganz offensichtlich nicht so recht, wie er mit<br />
seinem geplatzten Kindertraum umgehen soll, und die Kleinste<br />
weinte immer noch bitterlich – und findet mich leider nach wie<br />
vor genauso gruselig wie vorher den Nikolaus. Eines weiß ich<br />
seitdem genau: Als Weihnachtsmann bin ich an diesem Tag direkt<br />
in die wohlverdiente Rente gegangen.”<br />
W E I H N AC H T S M A N N<br />
IN RENTE<br />
Xander Cronje ist 24 Jahre alt und auf dem<br />
besten Weg, Elektriker zu werden. Die Berufswahl<br />
fiel ihm – wie den meisten jungen<br />
Menschen – nicht leicht. Eines wusste er aber<br />
ganz genau: Als Weihnachtsmann will er sein<br />
Geld nicht verdienen.<br />
Text Simone Blaß<br />
© privat<br />
© cottonbro