Herbert Brandl B - Zeit Kunstverlag
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Farbe, in die man gerne fällt<br />
Hans Gercke<br />
Der österreichische Pavillon, im ruhigen Randbereich<br />
der Giardini jenseits des Kanals gelegen, ist einer der<br />
schönsten im venezianischen Biennale-Gelände. Der<br />
1934 von Josef Hoffmann errichtete Bau gilt als wichtiges<br />
Spätwerk der Wiener Sezessionsarchitektur. Bei der vorigen<br />
Biennale war er von einem monströsen Kunst-Gebirge<br />
verschüttet worden, zur zweiundfünfzigsten wurde er<br />
dann wieder freigelegt, sorgfältig restauriert, mit einer<br />
beruhigten Eingangssituation versehen und einem neuen,<br />
hellgrauen Boden, »um das venezianische Licht und die<br />
Wand- und Bilderfarben besser zur Wirkung kommen zu<br />
lassen« 1 .<br />
Zu sehen war tatsächlich Malerei – am Ende eines<br />
anstrengenden Biennale-Rundgangs ein fast anachronistisch<br />
anmutendes, im konkreten Fall aber ausgesprochen<br />
erfrischendes Kontrasterlebnis. Künstler und Kommissär<br />
(wie es auf österreichisch heißt) hatten ein faszinierendes<br />
Fest des Lichtes und der Farben in Szene gesetzt,<br />
oszillierend zwischen Beinahe-Monochromie und teilweise<br />
gewagter Buntheit, zwischen Opulenz und prägnanter<br />
Kargheit, Spontaneität und Kalkül, Gegenstand und Abstraktion,<br />
Bewegung und Ruhe, Fläche und Raum.<br />
Es lohnt, diese Gegensatzpaare etwas genauer zu<br />
betrachten. Dabei wird sich herausstellen, dass sie eng<br />
miteinander vernetzt sind und dass es in allen Fällen<br />
nicht nur Kontraste, sondern vor allem auch nahtlose<br />
Übergänge gibt. Beginnen wir mit dem zuletzt genannten,<br />
wobei sowohl vom Zusammenspiel der Bilder mit<br />
dem realen Raum – dem architektonisch vorgegebenen<br />
und der diesen umfassenden Natur – die Rede sein muss<br />
als auch von der für <strong>Brandl</strong>s Schaffen spezifischen bildimmanenten<br />
Räumlichkeit. Da aber Raum immer auch<br />
mit <strong>Zeit</strong> und Bewegung zu tun hat, liegt hier zugleich der<br />
Schlüssel zur angesprochenen Koinzidenz von Bewegung<br />
und Ruhe.<br />
»Ich habe mich für <strong>Herbert</strong> <strong>Brandl</strong> entschieden«, erläutert<br />
Kommissär Robert Fleck, »weil er sich seit Jahren<br />
ein Werk von Weltrang erarbeitet hat und eine große Risikobereitschaft<br />
zusammen mit einem überaus sicheren<br />
künstlerischen Gefühl besitzt. Das volle Risiko, das ich<br />
insgeheim von ihm erwartete, ist <strong>Herbert</strong> <strong>Brandl</strong> auch<br />
bei der Umsetzung des Pavillons eingegangen. Es ist in<br />
gewisser Weise völlig verrückt und gewagt, eine Ausstellung<br />
in diesem Pavillon über derart unterschiedliche Bilder<br />
und Formate anzugehen. Dies zeigt aber die Dimension,<br />
die <strong>Brandl</strong> seiner künstlerischen Arbeit gibt. Das<br />
2<br />
Ergebnis ist eines der dichtesten, vielfältigsten und in<br />
der Erinnerung nachwirkenden Erlebnisse der Malerei,<br />
denen ich überhaupt begegnet bin.« 2<br />
Bilder, Sonne, Wind<br />
<strong>Herbert</strong> <strong>Brandl</strong> hat seine dreizehn Bilder für Venedig<br />
eigens für die Biennale gemalt und dabei Anzahl, Maße<br />
und geplante Anordnung sorgfältig bedacht, einschließlich<br />
einiger kleiner, aber wesentlicher Eingriffe: In den<br />
beiden Haupträumen wurde das »Velum«, die weiße Textilfläche,<br />
wieder angebracht, die bereits Hoffmann in seiner<br />
<strong>Zeit</strong> als österreichischer Biennale-Kommissar (1948-<br />
1956) verwendet hatte, und der offene Skulpturenhof<br />
wurde durch eine temporär aufgerichtete freistehende<br />
Wand optisch nach hinten geschlossen. Auf diese Weise<br />
entstand unter freiem Himmel, durch eine Art weißes<br />
Passepartout von der umgebenden Natur getrennt, ein<br />
faszinierender Ort für ein eigens hierfür gefertigtes 250 x<br />
501 cm großes Bild.<br />
Wie alle anderen trägt es keinen Titel, ist 2007 entstanden<br />
und wurde als Ölmalerei auf Leinwand ausgeführt. Mehrere<br />
Monate lang wurde es, noch nicht einmal durch eine<br />
Firnis-Schicht geschützt, Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt.<br />
Das Bild hat die Biennale trotz etlicher Regentage<br />
gut überstanden und wurde auch von der Tierwelt der<br />
Gärten einigermaßen pfleglich behandelt. Es hat, sagt<br />
<strong>Brandl</strong>, dabei sogar noch gewonnen: Manches Detail<br />
habe der Regen ausgewaschen, wodurch die Transparenz<br />
und Leuchtkraft des Ganzen merklich gesteigert<br />
worden sei. Bemerkenswert ist daran nicht nur <strong>Brandl</strong>s<br />
nonchalante Haltung zum Ewigkeitsanspruch der Kunst,<br />
sondern auch seine Lust am Experimentieren. Davon,<br />
dass das partielle Zerstören, das Wegnehmen, Auslöschen,<br />
Teil seiner künstlerischen Strategie ist, wird noch<br />
die Rede sein.<br />
In seiner geradezu klassisch komponierten Aufteilung in<br />
Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund lässt sich das<br />
erwähnte Bild eindeutig als Landschaft, ohne Schwierigkeit<br />
aber auch als eine Art postminimalistische Farbfeldmalerei<br />
lesen. Dem dunkleren chromoxydgrünen Vordergrund<br />
sind durch zugefügte und weggenommene Farbe<br />
grafische Strukturen eingeschrieben, die als Vegetation<br />
interpretiert werden können. Der mit helleren Grün-,<br />
Gelb- und Brauntönen angelegte Mittelgrund zitiert die<br />
Duftigkeit eines typisch venezianischen Sfumato, der<br />
lichte blaugraue »Himmel« darüber schließt das Bild in