Herbert Brandl B - Zeit Kunstverlag
Herbert Brandl B - Zeit Kunstverlag
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und dabei wie von selbst Analogien zu Naturerfahrung<br />
und Naturprozessen hervorruft. Pinselschläge unterschiedlicher<br />
Richtung und Geschwindigkeit, manche<br />
eher tektonisch gesetzt, andere orgiastisch wirbelnd,<br />
bilden eine dichte, dann wieder offene Textur, wobei die<br />
Materialität der Farbe das Bildgeschehen entscheidend<br />
mitbestimmt. Auf die Frage von Hans Ulrich Obrist, welche<br />
Rolle dabei der Zufall spiele, antwortet <strong>Brandl</strong>: »Den<br />
gibt es im Detail, aber nicht im Großen und Ganzen. Ich<br />
arbeite sehr oft nur mit den physikalischen Gegebenheiten<br />
der Farbe: dass sie herunterrinnt oder -tropft,<br />
dass sie Batzen macht und man sie wegspachtelt. Dieses<br />
ganze Repertoire spiele ich durch und versuche, einen<br />
absichtslosen Zustand zu erreichen (was immer das auch<br />
sein mag!).« 5<br />
Die Bildwerdung selbst ist bei <strong>Brandl</strong> ein langwieriger<br />
Prozess mit ganz unterschiedlichen Vorgeschichten und<br />
Anläufen, Unterbrechungen zur Distanzgewinnung, Wiederaufgreifen,<br />
Abstand nehmen, Wiederannäherung, und<br />
dies alles im Kontext von Bildfamilien mit höchst eigen-<br />
willigen Mitgliedern, wobei jedes Mal das ultimative, das<br />
vorläufig letzte Bild entsteht, das später jedoch keineswegs<br />
zwangsläufig zum Vorläufer des nächsten, wiederum<br />
neuen und ersten, wird. Denn <strong>Brandl</strong> dokumentiert<br />
seine Bilder in Atelierbüchern, in Fotoalben, die er immer<br />
wieder durchblättert, und es kann sein, dass das jeweils<br />
neue erste Bild nicht an das unmittelbar zuvor entstandene,<br />
sondern an ein wesentlich älteres anknüpft.<br />
Der eigentliche Malprozess ist dann ein heftiger, spontaner<br />
Akt, eine direkte Malerei ohne Vorzeichnung, ein<br />
immer neues Abenteuer, ein irreversibler Prozess, der<br />
selten länger dauert als zwanzig Minuten, dessen Resultat<br />
nicht korrigierbar ist, und in dem es darum geht, die<br />
ursprüngliche Bildidee »herauszumalen«, nicht herauszuarbeiten,<br />
sondern ganz im Gegenteil zu tilgen, um<br />
dem Neuen, Authentischen, auch für den Künstler selbst<br />
Überraschenden, Platz zu machen. Manchmal beginnt<br />
<strong>Brandl</strong> mit einer Art Karikatur, einer Zeichnung auf der<br />
leeren Fläche, die anschließend zugemalt wird. <strong>Brandl</strong><br />
ist im übrigen ein exzellenter Zeichner, neuerdings betä-<br />
4<br />
Der Malprozess ist ein heftiger, spontaner Akt,<br />
eine direkte Malerei ohne Vorzeichnung, ein immer<br />
neues Abenteuer. «<br />
tigt er sich nach längerer Pause wieder häufiger auch auf<br />
diesem Gebiet.<br />
Man hat dieses Zumalen mit der Übermaltechnik von<br />
<strong>Brandl</strong>s Landsmann Arnulf Rainer verglichen, was vor<br />
allem für eine Phase in den 80er Jahren zutrifft, in der<br />
<strong>Brandl</strong> seine Bilder mit Chromspray teilweise abdeckte,<br />
doch in den neuen Bildern spielt eher das Gegenteil<br />
eine Rolle: Das Wegnehmen von Farbe, das Hineingreifen<br />
in das noch feuchte Bild mit den Fingern, das Freilegen<br />
des weißen Grundes, wodurch ein Leuchten entsteht, wie<br />
es in der traditionellen Ölmalerei auf umgekehrte Weise<br />
durch das sogenannte Höhen mit weißer Farbe zustande<br />
kam. Hier kommt in <strong>Brandl</strong>s Malerei, die nach seinen<br />
eigenen Worten nicht von der Form, sondern der Farbe<br />
ausgeht, im Nachhinein ein grafisches, ein lineares<br />
Moment zum Tragen.<br />
Bilder, Gräser, Grün<br />
Neue und unkonventionelle Wege geht <strong>Brandl</strong> auch in<br />
der Farbwahl: Eine erstmals im November 2007 in der<br />
Frankfurter Galerie Bärbel<br />
Grässlin unter dem Titel Grün<br />
riecht übernatürlich vorgestellte<br />
Serie grüner Bilder zeigt, dass<br />
<strong>Brandl</strong> sich nicht scheut, sich<br />
dieser lange <strong>Zeit</strong> als schwierig<br />
angesehenen, wegen ihres allzu eklatanten Naturbezugs<br />
gemiedenen und mitunter sogar als langweilig und phantasielos<br />
geschmähten Farbe anzunehmen. Und wenn er<br />
dies tut, so tut er es wie alles, was er in Angriff nimmt,<br />
mit engagierter Intensität.<br />
Der Bezug zum Gegenstand Gras – einem nicht erst seit<br />
Dürers »Rasenstück« in der Kunstgeschichte relevanten<br />
Thema – ist evident, allerdings könnte man auch an in<br />
klaren Bächen unter der Oberfläche flutende Wasserpflanzen<br />
denken. <strong>Brandl</strong> selbst fühlt sich an das Ballett<br />
im Licht aufblitzender Schwärme kleiner Fische erinnert,<br />
die sich in geschlossener Formation mit faszinierender<br />
Eleganz, wie ein einziges Wesen, unter Wasser fortbewegen.<br />
Thomas Kellein äußert sich geradezu hymnisch über<br />
diese Bilder: »Ein duftendes, ein leuchtendes Grün! Fast<br />
eine Schlangengrube, die voll ›lebender‹ Pinselstriche<br />
steckt. Wir sehen Farbe, in die man gerne fällt. Als hätten<br />
William Turner, Claude Monet und Clyfford Still in kühnen<br />
Träumen einen weiteren Zyklus zur Natürlichkeit von<br />
Bildräumen aufgesetzt«. Kellein nennt weitere Bezugs-