28.12.2012 Aufrufe

Walter Moroder - Zeit Kunstverlag

Walter Moroder - Zeit Kunstverlag

Walter Moroder - Zeit Kunstverlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

wahrste Körperform geworden ist. Nicht dass die Figuren<br />

ihre Motive verrieten, von denen sie herrühren. Aber eine<br />

Ahnung von den fragilen, verletzlichen Innenbildern, die<br />

in ihr gespeichert sind, geben sie wohl.<br />

Ist es in dem Zusammenhang bedeutsam, dass es<br />

zumeist Frauenfiguren sind, die der Künstler zeichnet,<br />

von denen er kleine Ton-Bozzetti modelliert, um sie dann<br />

lebensgross in Holz zu schnitzen? Wohl gibt es auch ein<br />

paar Jünglinge in der Galerie. Aber sie sind deutlich in<br />

der Minderzahl und stehen ein bisschen verloren herum<br />

und ziehen keinen Vorteil aus ihrem Geschlecht. Er wisse<br />

das auch nicht so genau, sagt <strong>Walter</strong> <strong>Moroder</strong>, warum<br />

ihm unter den Händen immer wieder Frauen erwüch-<br />

sen. Ein Vorsatz sei das eigentlich nicht. Und Widerstand<br />

gegen die Tendenz sei völlig zwecklos. Vielleicht<br />

läge es ja daran, dass Hosen und Hosenbeine so schwer<br />

zu machen seien. Schwer, sagt der Bildhauer, dem man<br />

jede handwerkliche Problemlösung zutrauen möchte.<br />

Schwer, man kann »schwer« gut stehen lassen. Die<br />

Kapitulation vor Hose und Hosenbein hat den Vorzug, den<br />

Künstler bei der Arbeit beobachten zu können, über die<br />

er nicht restlos gebietet. Immer scheint er in einer Art<br />

Kumpanei ins ungeklärte Schicksal seiner Figuren mit<br />

verstrickt. Und wenn aus den Lärchen und Zirbelkiefern,<br />

aus Gips und Sägemehl Frauen werden wollen, dann ist<br />

das eben so und hat nichts weiter zu bedeuten. Oder<br />

doch? Es ist ja nicht verboten, in der Galerie femininer<br />

Eleganz auch ein Hohelied auf die Schönheit herauszuhören.<br />

Die figurbetonten Kleider, die tiefen Ausschnitte,<br />

die dünnen Träger, das summiert sich schon zum auffälligen<br />

Chic. Aber was diese Figuren in Wahrheit alle<br />

zum gleichen Geschlecht gehörig aussehen lässt, das ist<br />

doch ihre Herausgenommenheit aus dem Leben. Eine<br />

modische Trendmeldung, eine existentielle Botschaft<br />

ist weder dem weiblichen Liebreiz noch dem weiblichen<br />

Untersichsein zu entnehmen. Das Bedeutsame an diesem<br />

Werk ist ja, dass es gerade ohne Bedeutung auskommt.<br />

Es waltet in <strong>Walter</strong> <strong>Moroder</strong>s bildhauerischer<br />

Arbeit eine wunderbare Weltbildlosigkeit. Und die frische<br />

6<br />

Es ist immer beides, wenn man den Schleier der <strong>Moroder</strong>schen<br />

Figuren berührt: Verführung und Verunsicherung,<br />

Ruhe und Beunruhigung.«<br />

Modernität seiner Figuren liegt nicht zuletzt in der Leichtigkeit<br />

und Entlastetheit, mit der sie leise stolz auf sich<br />

selber zeigen und auf nichts über sich hinaus, auf nichts,<br />

wofür sie Zeichen oder Chiffre wären.<br />

Gesichter, Augen ohne Ich<br />

Heldin oder Antiheldin kommen nicht vor, Täterinnen<br />

oder Opfer auch nicht, und zum Vorbild taugen sie so<br />

wenig, wie sie irgendjemandem nachgebildet wären.<br />

Dass Bilder von Menschen nicht gleich zum Menschenbild<br />

verschmelzen, das macht einen Gutteil ihrer eigentümlich<br />

unverbrauchbaren Faszination aus. Immer wieder<br />

steht man vor ihnen und blickt in Augen, die den<br />

Blickkontakt verweigern,<br />

und weiss auch nicht mehr<br />

und weiss nur dies: Nie<br />

ist die armselige Philosophenfrage,<br />

warum überhaupt<br />

etwas ist und nicht<br />

vielmehr nichts, anrührender anschaulich geworden als<br />

hier. Es hat auch etwas Bewegendes, diese abwesende<br />

Anwesenheit, die somnambule Versponnenheit in einem<br />

Kokon, der nicht Ich heisst. Alles, was zur Selbstermächtigung<br />

der Subjekte zählt, scheint den Figuren zu fehlen.<br />

Und wie da scheue Selbstergriffenheit den Drang und<br />

Zwang nicht kennt, sich noch einmal zu grosser symbolischer<br />

Individualität aufzuwerfen, das ist wie Magie, die<br />

vom Figurenkern-Inneren ausstrahlt.<br />

Dabei steht doch jede Figur für sich und hat nichts mit<br />

der anderen zu tun. Es gibt kein Untereinander, kein Miteinander,<br />

weder Anführung noch Subordination, auch<br />

keine Partnerschaft. Es ist keine Figur, der man nachsagen<br />

könnte, sie sei die gute Nachbarin, die Freundin<br />

der Anderen. Wenn <strong>Walter</strong> <strong>Moroder</strong> in seiner »Werkstatt«<br />

Figurenbesuche macht, wenn er von der einen zur<br />

anderen läuft und der einen die Hand auf die schmale<br />

Schulter legt und der anderen über das glatt gezogene<br />

Holzkleid streift, dann ist es, als ginge er von der einen<br />

zur anderen wie durch einen unsichtbaren Vorhang und<br />

beträte jedes Mal ein eigenes Territorium, eine strahlenden<br />

Schutzzone. Und wenn die eine Schutzzone auch die<br />

andere sanft berührt, so gibt es doch keine Schnittmenge<br />

zwischen ihnen.<br />

Dazu ist die andere Erfahrung kein Widerspruch, dass<br />

man diese Figuren im Raum nicht platzieren kann, ohne

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!