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Strom-kreis<br />
MANTICORA<br />
Mycelium<br />
(Mighty Music / Target / SPV)<br />
Da die Dänen im Vorfeld verlauten<br />
haben lassen, es dieses Mal verhältnismäßig<br />
unspektakulär anzugehen,<br />
verwundert es schon ein wenig, dass sie abermals ein in<br />
sich geschlossenes Konzeptalbum erschaffen haben. Da die<br />
letzten beiden Dreher die Vertonung einer von Sänger Lars<br />
Larsen geschriebenen Novelle darstellten, relativiert sich die<br />
Ansage der Formation jedoch, schließlich lässt sich ein solches<br />
Mammutprogramm auch nicht ganz so einfach übertrumpfen.<br />
Deshalb also hat man beschlossen, auf „Mycelium“ ein wenig<br />
reduzierter und entschlackter loszulegen. Allerdings gilt das<br />
tatsächlich „nur“ für die konzeptionelle Geschichte.<br />
Musikalisch haben MANTICORA nämlich sogar noch zugelegt,<br />
und präsentieren ein stilistisch abermals um diverse Facetten<br />
erweitertes Programm. Zu den - im Vergleich zum Frühwerk<br />
schon auf den letzten Drehern überraschend harschen - Thrash<br />
Metal-Fragmenten, hat das Quartett dieses Mal sogar Zutaten<br />
aus dem Black und (Melo) Death Metal in das Gebräu zu<br />
integrieren versucht.<br />
Mit Erfolg, lässt sich festhalten! Denn auch wenn man sich<br />
an den üblicherweise eher in glasklaren „Höhenregionen“<br />
agierenden Gesang erst einmal gewöhnen muss, hat das<br />
Songmaterial nichts von seiner Faszination eingebüßt. Im<br />
Gegenteil, selbst Songs wie 'Necropolitans' oder 'Mementopolis',<br />
die zunächst sperrig und bisweilen gar zu verschachtelt wirken,<br />
entpuppen sich doch als jene Ohrwürmchen, für die wir diese<br />
Band seit fast 25 Jahren schätzen. Hut ab!<br />
https://www.facebook.com/ManticoraBand/<br />
<br />
Walter<br />
MELANCHOLIC<br />
SEASONS<br />
Past Seasons Pt. 1 –<br />
The Early Days<br />
(Eigenveröffentlichung 2023)<br />
Ich stehe ja auf Melodeath-Coverversionen<br />
von Nicht-Metal-Songs. CHILDREN OF BODOMs<br />
„Sleeping In My Car“ und „Oops!...I Did It Again“ (R.I.P. Alexi<br />
Laiho), GRAVEWORMs „I Need a Hero“, BLACK THERAPYs ,,Mad<br />
World”, FLESHGOD APOCALYPSE ,,Blue (Da Ba Dee)”, selbst<br />
MORS PRINCIPIUM ESTs ,,Livin’ La Vida Loca”. Warum ich<br />
mir diese Tortur antue? Für mich ist die Fähigkeit und der<br />
Wille einer Melodic Death Metal-Band, einen radiofreundlichen<br />
Pop-Song zu covern einerseits eine Selbsterkenntnis,<br />
dass Melodeath sich im Grunde der exakt gleichen Elemente<br />
wie „Mainsteam“-Pop bedient (und diese durch den Metal-<br />
Fleischwolf jagt) und demnach ohne<br />
weiteres radiofreundlich sein könnte, andererseits dass die<br />
Künstlerinnen auch Spaß verstehen – in meinen Augen sehr<br />
sympathisch. Pop-Appeal, vor dem leider auch heute noch<br />
viele Szeneveteranen angewidert die Nase rümpfen, ist eine<br />
Stärke, die eine hervorragende Melodeath-Band ausmacht.<br />
Die Swedish Death Metal-Szene rund um die Gothenburger<br />
Clique, der wird die Melodeath-Genre-Titanen IN FLAMES, AT<br />
THE GATES und DARK TRANQUILITY verdanken, erkannten<br />
das bereits in den 90ern. Umso erfreuter war ich also, als<br />
ich die letzte Nummer auf dem neuen Werk der deutschen<br />
MELANCHOLIC SEASONS erblickte – „Sieben Tage Lang“, nicht<br />
nur ein Song mit Pop-Appeal, sondern sogar auf deutsch! Ich<br />
schummelte, skippte zum Ende der Platte, und wurde nicht<br />
enttäuscht. Pop-Cover-Check gelungen! Doch wie steht es um<br />
die restlichen 14 Titel? Tatsächlich sind die hier präsentierten<br />
Titel hauptsächlich neu aufgenommene Nummern aus vergangenen<br />
Tagen (1995 – 2000, um genau zu sein), aus der eigenen<br />
Bandgeschichte. Die Tracks der ersten vier Demos wurden<br />
hier von MELANCHOLIC SEASONS geschmackvoll und dezent<br />
modernisiert. Besonders Freunde der düstereren, härteren<br />
Variante des Melodeath – Pop-Appeal raus, härtere Riffs rein,<br />
siehe etwa CARCASS post- „Heartwork“ (1993) – dürfte „Past<br />
Seasons Pt. 1“ zusagen. Hier wird Death großgeschrieben und<br />
Melodic in die Fußnoten gepackt, der Synthie hält sich großteils<br />
im Hintergrund und reckt nur ab und an sein Köpfchen (auf<br />
späteren EPs deutlich mehr als auf den früheren Nummern),<br />
die Riffs sind näher bei AUTOPSY, BOLT THROWER, MORBID<br />
ANGEL und anderen Old-School-Death-Metal-Banden als in<br />
Goethenburg zu Hause. Gerade aber aufgrund des sporadischen<br />
Synth-Einsatzes sind einerseits die raren Melodie-<br />
Passagen umso erfüllender, andererseits bekommen die fetten<br />
Percussions und Riffs den ihnen gebührenden Raum zu atmen.<br />
„Past Seasons Pt. 1“ erinnert ein wenig an ein Museum, in<br />
dem man von Titel zu Titel, von Riff zu Riff, der (damals noch<br />
jungen) Band beim Wachsen und Gedeihen über die Schulter<br />
blicken kann. Ein höchst spannender Einblick in die Frühphase<br />
einer Melodic Death Metal-Band, ein Werk, das ohne weiteres<br />
mit Genregrößen Schulter and Schulter stehen kann.<br />
https://melancholic-seasons.jimdofree.com/<br />
<br />
Luna<br />
ORPHANED LAND<br />
A Heaven You May Create<br />
(Century Media / Sony Music)<br />
Als diese Formation vor mittlerweile 30<br />
Jahren in der Szene auftauchte, wurde<br />
sie zunächst eher milde belächelt, im<br />
besten Fall aber zumindest als „exotisch“ betrachtet. Der Mix<br />
aus knackigen Metal-Riffs, (zunächst) zumeist recht derben<br />
Gesängen, und wohldosierter Portion orientalischer Folklore<br />
fand jedoch bald auch bei uns regen Zuspruch. Die aus Tel<br />
Aviv stammende Truppe hat sich in den ersten Jahren ihr<br />
Publikum zwar regelrecht erkämpfen müssen, wurde jedoch<br />
mit jedem veröffentlichten Album und jeder Tournee bekannter.<br />
Gratulation – und wenn das mal kein Grund zum Feiern<br />
ist, was dann?<br />
Eben. Auch wenn sich an der Kompromisslosigkeit, der<br />
Arbeitseinstellung und an der Dankbarkeit ihren Fans gegenüber<br />
bis heute nichts geändert hat, wissen Sänger Kobi Fari<br />
und seine Kolleg:Innen längst auch, wie man Feste inszeniert,<br />
und auch wie ein Jubiläumsalbum strukturiert werden muss.<br />
Da man sämtliche Studioscheiben berücksichtigt hat, bekommt<br />
man mit „A Heaven You May Create” eine ebenso umfassende<br />
wie formidable Retrospektive geliefert. Diese gibt es zu hören<br />
und auch zu sehen, da dieses Live-Dokument, aufgenommen<br />
im Juni 2021 in Tel Aviv, auch als DVD erhältlich ist. Feine<br />
Sache!<br />
Das gilt auch für Kobi, dessen Charisma noch immer unfassbar<br />
ist, und die spezielle Kooperation an jenem Abend mit einem<br />
60-köpfigen Orchester und einem Chor. Dadurch wurden<br />
Tracks wie 'Brother' oder 'All Is One' (momentan leider wieder<br />
sehr, seehhrr aktuell…) zu einem wahren Erlebnis!<br />
https://orphaned-land.com/<br />
<br />
Walter<br />
PANZERCHRIST<br />
All Witches Shall Burn<br />
(EP, Emanzipation)<br />
Für schwache Nerven ist das nichts, so<br />
viel sei einmal gesagt.<br />
Denn die geneigte Hörerschaft erwartet<br />
ein undurchdringliches Soundgeflecht irgendwo zwischen<br />
Großbaustelle und einem Tornado, der in Begriff ist, einen<br />
beliebigen Vorort zu zerlegen. Mit Gitarrensolo. Exzellentem<br />
Gitarrensolo. Und Sonja Rosenlund Ahl, die dazu tobt und poltert,<br />
dass es eine wahre Freude ist! „All Witches Shall Burn“ ist<br />
quasi nach dem Produktionsprozess von „Last Of A Kind“ übrig<br />
geblieben – aber wahrlich gut genug, um ein eigenständiges<br />
EP-Leben zu führen.<br />
Es hat etwas von einer Naturgewalt, wie hemmungslos hier<br />
gewütet wird. Tatsache: Es gibt kein Morgen mehr, wozu<br />
auch? Jedenfalls ist das die lyrische Ausrichtung, mit der<br />
PANZERCHRIST bis heute gut gefahren sind. Abseits davon<br />
wird aber durchaus mit Geschäftssinn agiert und so wird<br />
„All Witches Shall Burn“ am 5. Jänner das Jahr miteingeläutet<br />
haben mit ordentlich Krawall, der noch mindestens bis<br />
Frühlingsbeginn in den Ohren nachhallen wird.<br />
www.facebook.com/panzerchristofficial<br />
Jay<br />
THE WANTON BISHOPS<br />
Under The Sun<br />
(Kartel Music Group)<br />
Blues Rock verspricht allein mit dem<br />
Genre, Wow-Momente in Sachen<br />
Gitarren-Soli oder zumindest allgemein<br />
tolle Spielereien mit dem Saiten-Instrument anzustellen. Und<br />
mit diesen Vorschusslorbeeren weiß die Band THE WANTON<br />
BISHOPS gekonnt umzugehen. Doch dieses Album ist weit<br />
mehr als „bloß“ Blues Rock. Denn auf dieser Scheibe passiert<br />
so einiges durchaus Unerwartetes. Wenn auf einmal mit<br />
elektronischen Sounds fernab von der Instrument-Section vorkommen,<br />
ist eine gewisse Verwunderung durchaus angebracht.<br />
Doch diese Verwunderung löst sich bei näherem Zuhören.<br />
Hier wird gekonnt und sehr pointiert mit Genregrenzen<br />
gespielt. Psychedelic und Surf Rock sind hier genauso vertreten.<br />
Vielleicht ist diese Genre-Fluidität für Puristen eine<br />
Herausforderung, welcher man sich wirklich gerne stellen<br />
darf und eigentlich auch sollte... Diese Vielfalt, welche in das<br />
Album verwoben ist, gibt dem Ganzen einen authentischen<br />
modernen Touch. Nader Mansour, das Mastermind hinter<br />
der Band, bezeichnet diese Mischkulanz als „no fusion, it’s<br />
confusion.“ Und doch bleibt bei diesem Abtauchen in mehrere<br />
Richtungen ein stark erkennbarer roter Faden bestehen. Die<br />
Songs sind rund, gewinnen durch ihre jeweilige Struktur, die<br />
das Hörerlebnis noch auf ein weiteres Level heben lässt. Ob das<br />
Ganze jetzt eine chaotische Ordnung ist oder ein geordnetes<br />
Chaos dürfen andere bewerten. Der Gehörgang wird jedenfalls<br />
absolut verwöhnt.<br />
https://thewantonbishops.com/<br />
<br />
Patrick<br />
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