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STARK!STROM #35

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Strom-kreis<br />

MANTICORA<br />

Mycelium<br />

(Mighty Music / Target / SPV)<br />

Da die Dänen im Vorfeld verlauten<br />

haben lassen, es dieses Mal verhältnismäßig<br />

unspektakulär anzugehen,<br />

verwundert es schon ein wenig, dass sie abermals ein in<br />

sich geschlossenes Konzeptalbum erschaffen haben. Da die<br />

letzten beiden Dreher die Vertonung einer von Sänger Lars<br />

Larsen geschriebenen Novelle darstellten, relativiert sich die<br />

Ansage der Formation jedoch, schließlich lässt sich ein solches<br />

Mammutprogramm auch nicht ganz so einfach übertrumpfen.<br />

Deshalb also hat man beschlossen, auf „Mycelium“ ein wenig<br />

reduzierter und entschlackter loszulegen. Allerdings gilt das<br />

tatsächlich „nur“ für die konzeptionelle Geschichte.<br />

Musikalisch haben MANTICORA nämlich sogar noch zugelegt,<br />

und präsentieren ein stilistisch abermals um diverse Facetten<br />

erweitertes Programm. Zu den - im Vergleich zum Frühwerk<br />

schon auf den letzten Drehern überraschend harschen - Thrash<br />

Metal-Fragmenten, hat das Quartett dieses Mal sogar Zutaten<br />

aus dem Black und (Melo) Death Metal in das Gebräu zu<br />

integrieren versucht.<br />

Mit Erfolg, lässt sich festhalten! Denn auch wenn man sich<br />

an den üblicherweise eher in glasklaren „Höhenregionen“<br />

agierenden Gesang erst einmal gewöhnen muss, hat das<br />

Songmaterial nichts von seiner Faszination eingebüßt. Im<br />

Gegenteil, selbst Songs wie 'Necropolitans' oder 'Mementopolis',<br />

die zunächst sperrig und bisweilen gar zu verschachtelt wirken,<br />

entpuppen sich doch als jene Ohrwürmchen, für die wir diese<br />

Band seit fast 25 Jahren schätzen. Hut ab!<br />

https://www.facebook.com/ManticoraBand/<br />

<br />

Walter<br />

MELANCHOLIC<br />

SEASONS<br />

Past Seasons Pt. 1 –<br />

The Early Days<br />

(Eigenveröffentlichung 2023)<br />

Ich stehe ja auf Melodeath-Coverversionen<br />

von Nicht-Metal-Songs. CHILDREN OF BODOMs<br />

„Sleeping In My Car“ und „Oops!...I Did It Again“ (R.I.P. Alexi<br />

Laiho), GRAVEWORMs „I Need a Hero“, BLACK THERAPYs ,,Mad<br />

World”, FLESHGOD APOCALYPSE ,,Blue (Da Ba Dee)”, selbst<br />

MORS PRINCIPIUM ESTs ,,Livin’ La Vida Loca”. Warum ich<br />

mir diese Tortur antue? Für mich ist die Fähigkeit und der<br />

Wille einer Melodic Death Metal-Band, einen radiofreundlichen<br />

Pop-Song zu covern einerseits eine Selbsterkenntnis,<br />

dass Melodeath sich im Grunde der exakt gleichen Elemente<br />

wie „Mainsteam“-Pop bedient (und diese durch den Metal-<br />

Fleischwolf jagt) und demnach ohne<br />

weiteres radiofreundlich sein könnte, andererseits dass die<br />

Künstlerinnen auch Spaß verstehen – in meinen Augen sehr<br />

sympathisch. Pop-Appeal, vor dem leider auch heute noch<br />

viele Szeneveteranen angewidert die Nase rümpfen, ist eine<br />

Stärke, die eine hervorragende Melodeath-Band ausmacht.<br />

Die Swedish Death Metal-Szene rund um die Gothenburger<br />

Clique, der wird die Melodeath-Genre-Titanen IN FLAMES, AT<br />

THE GATES und DARK TRANQUILITY verdanken, erkannten<br />

das bereits in den 90ern. Umso erfreuter war ich also, als<br />

ich die letzte Nummer auf dem neuen Werk der deutschen<br />

MELANCHOLIC SEASONS erblickte – „Sieben Tage Lang“, nicht<br />

nur ein Song mit Pop-Appeal, sondern sogar auf deutsch! Ich<br />

schummelte, skippte zum Ende der Platte, und wurde nicht<br />

enttäuscht. Pop-Cover-Check gelungen! Doch wie steht es um<br />

die restlichen 14 Titel? Tatsächlich sind die hier präsentierten<br />

Titel hauptsächlich neu aufgenommene Nummern aus vergangenen<br />

Tagen (1995 – 2000, um genau zu sein), aus der eigenen<br />

Bandgeschichte. Die Tracks der ersten vier Demos wurden<br />

hier von MELANCHOLIC SEASONS geschmackvoll und dezent<br />

modernisiert. Besonders Freunde der düstereren, härteren<br />

Variante des Melodeath – Pop-Appeal raus, härtere Riffs rein,<br />

siehe etwa CARCASS post- „Heartwork“ (1993) – dürfte „Past<br />

Seasons Pt. 1“ zusagen. Hier wird Death großgeschrieben und<br />

Melodic in die Fußnoten gepackt, der Synthie hält sich großteils<br />

im Hintergrund und reckt nur ab und an sein Köpfchen (auf<br />

späteren EPs deutlich mehr als auf den früheren Nummern),<br />

die Riffs sind näher bei AUTOPSY, BOLT THROWER, MORBID<br />

ANGEL und anderen Old-School-Death-Metal-Banden als in<br />

Goethenburg zu Hause. Gerade aber aufgrund des sporadischen<br />

Synth-Einsatzes sind einerseits die raren Melodie-<br />

Passagen umso erfüllender, andererseits bekommen die fetten<br />

Percussions und Riffs den ihnen gebührenden Raum zu atmen.<br />

„Past Seasons Pt. 1“ erinnert ein wenig an ein Museum, in<br />

dem man von Titel zu Titel, von Riff zu Riff, der (damals noch<br />

jungen) Band beim Wachsen und Gedeihen über die Schulter<br />

blicken kann. Ein höchst spannender Einblick in die Frühphase<br />

einer Melodic Death Metal-Band, ein Werk, das ohne weiteres<br />

mit Genregrößen Schulter and Schulter stehen kann.<br />

https://melancholic-seasons.jimdofree.com/<br />

<br />

Luna<br />

ORPHANED LAND<br />

A Heaven You May Create<br />

(Century Media / Sony Music)<br />

Als diese Formation vor mittlerweile 30<br />

Jahren in der Szene auftauchte, wurde<br />

sie zunächst eher milde belächelt, im<br />

besten Fall aber zumindest als „exotisch“ betrachtet. Der Mix<br />

aus knackigen Metal-Riffs, (zunächst) zumeist recht derben<br />

Gesängen, und wohldosierter Portion orientalischer Folklore<br />

fand jedoch bald auch bei uns regen Zuspruch. Die aus Tel<br />

Aviv stammende Truppe hat sich in den ersten Jahren ihr<br />

Publikum zwar regelrecht erkämpfen müssen, wurde jedoch<br />

mit jedem veröffentlichten Album und jeder Tournee bekannter.<br />

Gratulation – und wenn das mal kein Grund zum Feiern<br />

ist, was dann?<br />

Eben. Auch wenn sich an der Kompromisslosigkeit, der<br />

Arbeitseinstellung und an der Dankbarkeit ihren Fans gegenüber<br />

bis heute nichts geändert hat, wissen Sänger Kobi Fari<br />

und seine Kolleg:Innen längst auch, wie man Feste inszeniert,<br />

und auch wie ein Jubiläumsalbum strukturiert werden muss.<br />

Da man sämtliche Studioscheiben berücksichtigt hat, bekommt<br />

man mit „A Heaven You May Create” eine ebenso umfassende<br />

wie formidable Retrospektive geliefert. Diese gibt es zu hören<br />

und auch zu sehen, da dieses Live-Dokument, aufgenommen<br />

im Juni 2021 in Tel Aviv, auch als DVD erhältlich ist. Feine<br />

Sache!<br />

Das gilt auch für Kobi, dessen Charisma noch immer unfassbar<br />

ist, und die spezielle Kooperation an jenem Abend mit einem<br />

60-köpfigen Orchester und einem Chor. Dadurch wurden<br />

Tracks wie 'Brother' oder 'All Is One' (momentan leider wieder<br />

sehr, seehhrr aktuell…) zu einem wahren Erlebnis!<br />

https://orphaned-land.com/<br />

<br />

Walter<br />

PANZERCHRIST<br />

All Witches Shall Burn<br />

(EP, Emanzipation)<br />

Für schwache Nerven ist das nichts, so<br />

viel sei einmal gesagt.<br />

Denn die geneigte Hörerschaft erwartet<br />

ein undurchdringliches Soundgeflecht irgendwo zwischen<br />

Großbaustelle und einem Tornado, der in Begriff ist, einen<br />

beliebigen Vorort zu zerlegen. Mit Gitarrensolo. Exzellentem<br />

Gitarrensolo. Und Sonja Rosenlund Ahl, die dazu tobt und poltert,<br />

dass es eine wahre Freude ist! „All Witches Shall Burn“ ist<br />

quasi nach dem Produktionsprozess von „Last Of A Kind“ übrig<br />

geblieben – aber wahrlich gut genug, um ein eigenständiges<br />

EP-Leben zu führen.<br />

Es hat etwas von einer Naturgewalt, wie hemmungslos hier<br />

gewütet wird. Tatsache: Es gibt kein Morgen mehr, wozu<br />

auch? Jedenfalls ist das die lyrische Ausrichtung, mit der<br />

PANZERCHRIST bis heute gut gefahren sind. Abseits davon<br />

wird aber durchaus mit Geschäftssinn agiert und so wird<br />

„All Witches Shall Burn“ am 5. Jänner das Jahr miteingeläutet<br />

haben mit ordentlich Krawall, der noch mindestens bis<br />

Frühlingsbeginn in den Ohren nachhallen wird.<br />

www.facebook.com/panzerchristofficial<br />

Jay<br />

THE WANTON BISHOPS<br />

Under The Sun<br />

(Kartel Music Group)<br />

Blues Rock verspricht allein mit dem<br />

Genre, Wow-Momente in Sachen<br />

Gitarren-Soli oder zumindest allgemein<br />

tolle Spielereien mit dem Saiten-Instrument anzustellen. Und<br />

mit diesen Vorschusslorbeeren weiß die Band THE WANTON<br />

BISHOPS gekonnt umzugehen. Doch dieses Album ist weit<br />

mehr als „bloß“ Blues Rock. Denn auf dieser Scheibe passiert<br />

so einiges durchaus Unerwartetes. Wenn auf einmal mit<br />

elektronischen Sounds fernab von der Instrument-Section vorkommen,<br />

ist eine gewisse Verwunderung durchaus angebracht.<br />

Doch diese Verwunderung löst sich bei näherem Zuhören.<br />

Hier wird gekonnt und sehr pointiert mit Genregrenzen<br />

gespielt. Psychedelic und Surf Rock sind hier genauso vertreten.<br />

Vielleicht ist diese Genre-Fluidität für Puristen eine<br />

Herausforderung, welcher man sich wirklich gerne stellen<br />

darf und eigentlich auch sollte... Diese Vielfalt, welche in das<br />

Album verwoben ist, gibt dem Ganzen einen authentischen<br />

modernen Touch. Nader Mansour, das Mastermind hinter<br />

der Band, bezeichnet diese Mischkulanz als „no fusion, it’s<br />

confusion.“ Und doch bleibt bei diesem Abtauchen in mehrere<br />

Richtungen ein stark erkennbarer roter Faden bestehen. Die<br />

Songs sind rund, gewinnen durch ihre jeweilige Struktur, die<br />

das Hörerlebnis noch auf ein weiteres Level heben lässt. Ob das<br />

Ganze jetzt eine chaotische Ordnung ist oder ein geordnetes<br />

Chaos dürfen andere bewerten. Der Gehörgang wird jedenfalls<br />

absolut verwöhnt.<br />

https://thewantonbishops.com/<br />

<br />

Patrick<br />

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