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Schwarz!Strom<br />
Klangkultur für Hörer.<br />
Vinyl only<br />
by Christian Prenger<br />
Universal!Strom<br />
Black Sabbath<br />
„Reunion“ - (Epic Legacy/Sony)<br />
Hinter dem inflationär erhitzten Legenden-Begriff<br />
verbirgt sich zu oft korrumpierende Eleganz, angesiedelt<br />
abseits von Applaus und Absatzrealität.<br />
Black Sabbath hingegen sind über jeden Zweifel<br />
erhabene Größen der Larger than life-Kategorie.<br />
„Reunion“ reflektiert nun auf drei LPs ihre gefeierte<br />
1997er-Comebacktour in Orginalbesetzung.<br />
Die Könner zeigen sich in Topform auf dem aufwendig<br />
und würdig gestalteten Vinyl-Set. Beste<br />
Retro-Reinsubstanz.<br />
Hidden By The Grapes<br />
„Opus“ - (Kruse Kontrol Digital<br />
www.krusekontroldigital.com)<br />
Das Öffnen neuer Türen ist zuweilen mit Weiterbildung<br />
verknüpft. In der Soundgarage von Hidden<br />
By The Grapes trifft die Community auf heimische<br />
Hoffnungsträger, die mit gekonnter Eleganz<br />
Indie-Alternative-Rock bieten, errichtet auf dem<br />
Fundament der Eigenständigkeit. Dort treffen sich<br />
erdiger Drive mit eingängigen Tunes, was auf dieser<br />
Vinyl-Auflage klangtechnisch ansprechend zur<br />
Geltung gelangt. Kommt aus dem Versteck, greift<br />
zu diesem Hopeful-Opus.<br />
Lakecia Benjamin<br />
„Phoenix“<br />
(Whirlwind Recordings/375 Media)<br />
Fortschritt lässt sich selten in absoluten Zahlen<br />
messen. Das subjektive Metermaß betreffend<br />
Lakecia Benjamin kündet jedoch<br />
vom künstlerischen Schritt nach vorne.<br />
Die Altsaxofonistin steht für pulsierenden,<br />
vorausdenkenden Jazz<br />
mit offenen Eingängen für neue<br />
Einflüsse, bereit für unerwartete Abzweigungen.<br />
Jene ästhetisch aufbereitete Doppel-LP ist auch<br />
als sehr coole DeLuxe Edition erhältlich und rundet<br />
jene Performance perfekt ab. Ein Höhenflug.<br />
Meshuggah<br />
„Chaosphere“<br />
(Atomic Fire Records/Warner)<br />
Die Stille nach dem letzten Ton verfügt über<br />
zusätzliche erklärende Wirkung. Es ist der eindringliche<br />
Kontrast zu Intensität und Komplexität,<br />
die den ausgefeilten, oft am Limit kratzenden<br />
Tech Metal kennzeichnen. „Chaosphere“ zählt<br />
zu den Highlights von Meshuggah, jetzt steht<br />
das 25-Jahre-Jubiläum bereit für bekennende<br />
Gourmets. Jene Doppel-LP mit Booklet in mehreren<br />
limitierten Farben klingt exquisit und ist<br />
bestens gefertigt. Bis hin zu dieser Stille.<br />
Mezzrow<br />
„Keep It True - Live“<br />
(Fireflash Records/Warner)<br />
Konzertdokumente beinhalten in ihrer DNA einen<br />
Hebel für das Anhalten der Zeit. Solche<br />
Momentaufnahmen liefern Klangfotografien,<br />
geeignet zur Reproduktion von wertvollen<br />
Augenblicken. Jene Veröffentlichung konserviert<br />
nicht nur das starke Mezzrow-Gastspiel beim Keep<br />
It True-Festival, es ist ein geeignetes Thrash Metal-<br />
Sammelobjekt: Limitiert auf 300 Stück, Schwarz-<br />
Weiß-Marbled, 180 Gramm, Beiblatt, erhältlich<br />
nur in Mailorder-Shops.<br />
Buy it, keep it.<br />
Ozric Tentacles<br />
„Lotus Unfolding“<br />
(KScope/Edel)<br />
Solche Klänge dienen als Präparat gegen viele leere<br />
Emotions-Akkus der freudlosen modernen digitalen<br />
Seelenkältezone. Ozric Tentacles liefern vitale<br />
Impulse mit ihrem unverwechselbaren psychedelisch-hypnotisch<br />
groovenden Space Rock. Der<br />
neue bewusstseinserweiternde Trance-Trip wartet<br />
als schwarzes sowie blaues Vinyl. Diese edle Blüte<br />
bringt eure Augen rasch wieder zum Leuchten.<br />
Ruthless<br />
„The Fallen“<br />
(Fireflash Records/Warner)<br />
Ein Gegenentwurf zum Marktmechanismus<br />
der gehypten Trends ist strikter Pragmatismus.<br />
Ruthless folgen klaren Vorgaben: 80er-US-<br />
Power Metal ohne Kurskorrektur. Wer puren<br />
Traditionalismus mit allen Zutaten präferiert,<br />
sollte andocken. Geboten werden zwei limitierte<br />
Farbtonträger zu je 300 Stück auf 180 Gramm,<br />
inhaltlich geprägt von einer kantigen Produktion.<br />
Old School-Fans dürfte dies geFallen.<br />
Special:<br />
Karrierekreativkontinuität<br />
Der Erfolg von Amorphis beweist<br />
die elementare Kraft von evolutionärer Kontinuität im Kreativschaffen.<br />
„Privilge Of Evil“, „The Karelian Isthmus“, „Tales From The Thousand Lakes“ sowie<br />
„Elegy“ markieren ihre starke Entwicklung vom rüden Underground-Death Metal hin zu<br />
melodischen Extrem-Klassikern mit Folk-Einflüssen und 70er-Flair. Jetzt sind jene vier<br />
Scheiben als gelungene farbige Neuauflagen erhältlich und eine Investition wert.<br />
Der Sound passt, auch die Pressqualität stimmt. Globale Work-Success-Balance.<br />
Mädchen<br />
f ü r a l l e s<br />
Ein Blick über den Tellerrand. Alle Genres,<br />
hauptsächlich femme und queere Künstler*innen,<br />
persönliche Vorlieben der letzten Monate.<br />
HANNAH DIAMOND<br />
Perfect Picture (PC Music 2023)<br />
Electropop | Bubblegum Bass | Dance-Pop<br />
Süß und endorphinproduzierend wie der liebste<br />
Softdrink, allerdings ohne Zuckerschock oder lästige<br />
Zahnbeschwerden. HANNAH DIAMOND, die sich im illustren<br />
Kreis der PC Music – Clique um A.G. COOK und<br />
neben Hyperpop-Ausnahmekünstlerinnen wie SOPHIE<br />
und CHARLI XCX seit den frühen 2010ern im Bereich<br />
der queeren elektronischen Popmusik einen Namen<br />
machen konnte, enttäuscht auch auf dem verflixten<br />
zweiten Studioalbum nicht. Wie eine sanfte Umarmung,<br />
wie ein über die Wagen streicheln, in den Arm nehmen<br />
und „alles wird gut“ ins Ohr flüstern, umschließen,<br />
wärmen und stärken die 12 Electropop-Nummern,<br />
die auf „Perfect Picture“ geboten werden. Nahezu alle<br />
weisen akutes Ohrwurmpotential auf, und ausnahmslose<br />
jede einzelne Anspielstation bietet den PC Musictypischen<br />
Pop-Appeal. Thematisch besingt die gebürtige<br />
Britin Identität, Selbstfindung, Veränderung und<br />
Konstanzern, Themen, die gerade Personen mit turbulenten<br />
Biografien wohl aus der Seele sprechen. „The best<br />
version of me is myself … the girl who’s anything she<br />
wants to be“, wird uns auf der Leadsingle ,,Affirmations”<br />
vorgetragen, eine Aussage, die auch ich mir gerne mehr<br />
zu Herzen nehmen würde. Ein Album für alle Menschen,<br />
die auch nur das entfernteste Interesse an Pop-Musik<br />
haben, und ganz besonders für die, die gerade etwas<br />
Wärme und Trost in ihrem Leben brauchen.<br />
REVEREND KRISTIN MICHAEL HAYTER<br />
SAVED! (Perpetual Flame Ministries 2023)<br />
Hymns | Southern Gospel | Singer-Songwriter<br />
LINGUA IGNOTA ist tot, lange lebe REVEREND KRISTIN<br />
MICHAEL HAYTER. Hayters Soloprojekt LINGUA<br />
IGNOTA, welches an Härte und Boshaftigkeit ausnahmslos<br />
ALLE Extreme Metal-Veröffentlichungen<br />
des neuen Jahrhunderts problemlos in den<br />
Schatten stellt und mit sämtlichen Black Metal-<br />
Möchtegerns den Boden wischt (Zweiflerinnen<br />
mögen bitte „All Bitches Die“ (2017) und „Caligula“<br />
(2019) auf Dauerschleife hören, bis sie ihre musikalischen<br />
Irrlehren bereuen), ist Geschichte. Dass<br />
die US-Amerikanerin ihre talentierten Finger dennoch<br />
nicht stillhalten würde, schien wie ein unausgesprochenes<br />
Versprechen. Das Wann und Wie stand<br />
allerdings auf einem anderen Blatt.<br />
Knapp zwei Jahre nach ihrem finalen LINGUA Opus,<br />
„Sinner Get Ready“ (2021), steht „Saved!“ als natürliche<br />
und „logische“ Kontinuation des Sounds, der bereits<br />
auf „Sinner“ angedeutet wurde. Verschwunden sind<br />
die dröhnenden Noise-Soundwälle und verzerrten<br />
Schreie von Hayters Frühwerk, und machen endgültig<br />
den sanfteren und (wie der Name des neuen Projektes<br />
nahelegt) religiös-hymnisch beeinflussten Folk-<br />
Klängen Platz. Ganz besonders kommt die klassisch<br />
ausgebildete Stimme der Künstlerin zum Ausdruck,<br />
der die sanften Instrumente wenig entgegenzusetzen<br />
hätten, würde sie ihre volle Stimmgewalt nutzen.<br />
Passend zur sanfteren Instrumentation stimmt auch<br />
die Multiinstrumentalistin allerdings sanftere Töne<br />
an, mal wird im rhythmischen Gebetstenor vorgetragen,<br />
mal klingt es nach Trauer und Tragik, manchmal<br />
brechen auch stimmliche Lichtblicke der Hoffnung<br />
durch die düstere Soundwolkendecke.<br />
Auch wenn das generelle Klangerlebnis auf den<br />
ersten Blick etwas sanfter und gesetzter wirkt, hat<br />
Hayter nichts an unheilvoller Atmosphäre und enormer<br />
Kreativität eingebüßt, welche sich nicht zuletzt<br />
in Aufnahmetricks wie doppelte Soundspuren<br />
und bewusst eingesetzten elektronischen Defekt-<br />
Geräuschen äußern. Die klangliche Untermalung<br />
eines Südstaaten-Exorzismus, nichts für schwache<br />
Nerven, aber wohl eine der besten Platten des Jahres.<br />
Mehr in der nächsten Ausgabe!<br />
<br />
Luna Niederberger<br />
42<br />
43