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STARK!STROM #35

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Schwarz!Strom<br />

Klangkultur für Hörer.<br />

Vinyl only<br />

by Christian Prenger<br />

Universal!Strom<br />

Black Sabbath<br />

„Reunion“ - (Epic Legacy/Sony)<br />

Hinter dem inflationär erhitzten Legenden-Begriff<br />

verbirgt sich zu oft korrumpierende Eleganz, angesiedelt<br />

abseits von Applaus und Absatzrealität.<br />

Black Sabbath hingegen sind über jeden Zweifel<br />

erhabene Größen der Larger than life-Kategorie.<br />

„Reunion“ reflektiert nun auf drei LPs ihre gefeierte<br />

1997er-Comebacktour in Orginalbesetzung.<br />

Die Könner zeigen sich in Topform auf dem aufwendig<br />

und würdig gestalteten Vinyl-Set. Beste<br />

Retro-Reinsubstanz.<br />

Hidden By The Grapes<br />

„Opus“ - (Kruse Kontrol Digital<br />

www.krusekontroldigital.com)<br />

Das Öffnen neuer Türen ist zuweilen mit Weiterbildung<br />

verknüpft. In der Soundgarage von Hidden<br />

By The Grapes trifft die Community auf heimische<br />

Hoffnungsträger, die mit gekonnter Eleganz<br />

Indie-Alternative-Rock bieten, errichtet auf dem<br />

Fundament der Eigenständigkeit. Dort treffen sich<br />

erdiger Drive mit eingängigen Tunes, was auf dieser<br />

Vinyl-Auflage klangtechnisch ansprechend zur<br />

Geltung gelangt. Kommt aus dem Versteck, greift<br />

zu diesem Hopeful-Opus.<br />

Lakecia Benjamin<br />

„Phoenix“<br />

(Whirlwind Recordings/375 Media)<br />

Fortschritt lässt sich selten in absoluten Zahlen<br />

messen. Das subjektive Metermaß betreffend<br />

Lakecia Benjamin kündet jedoch<br />

vom künstlerischen Schritt nach vorne.<br />

Die Altsaxofonistin steht für pulsierenden,<br />

vorausdenkenden Jazz<br />

mit offenen Eingängen für neue<br />

Einflüsse, bereit für unerwartete Abzweigungen.<br />

Jene ästhetisch aufbereitete Doppel-LP ist auch<br />

als sehr coole DeLuxe Edition erhältlich und rundet<br />

jene Performance perfekt ab. Ein Höhenflug.<br />

Meshuggah<br />

„Chaosphere“<br />

(Atomic Fire Records/Warner)<br />

Die Stille nach dem letzten Ton verfügt über<br />

zusätzliche erklärende Wirkung. Es ist der eindringliche<br />

Kontrast zu Intensität und Komplexität,<br />

die den ausgefeilten, oft am Limit kratzenden<br />

Tech Metal kennzeichnen. „Chaosphere“ zählt<br />

zu den Highlights von Meshuggah, jetzt steht<br />

das 25-Jahre-Jubiläum bereit für bekennende<br />

Gourmets. Jene Doppel-LP mit Booklet in mehreren<br />

limitierten Farben klingt exquisit und ist<br />

bestens gefertigt. Bis hin zu dieser Stille.<br />

Mezzrow<br />

„Keep It True - Live“<br />

(Fireflash Records/Warner)<br />

Konzertdokumente beinhalten in ihrer DNA einen<br />

Hebel für das Anhalten der Zeit. Solche<br />

Momentaufnahmen liefern Klangfotografien,<br />

geeignet zur Reproduktion von wertvollen<br />

Augenblicken. Jene Veröffentlichung konserviert<br />

nicht nur das starke Mezzrow-Gastspiel beim Keep<br />

It True-Festival, es ist ein geeignetes Thrash Metal-<br />

Sammelobjekt: Limitiert auf 300 Stück, Schwarz-<br />

Weiß-Marbled, 180 Gramm, Beiblatt, erhältlich<br />

nur in Mailorder-Shops.<br />

Buy it, keep it.<br />

Ozric Tentacles<br />

„Lotus Unfolding“<br />

(KScope/Edel)<br />

Solche Klänge dienen als Präparat gegen viele leere<br />

Emotions-Akkus der freudlosen modernen digitalen<br />

Seelenkältezone. Ozric Tentacles liefern vitale<br />

Impulse mit ihrem unverwechselbaren psychedelisch-hypnotisch<br />

groovenden Space Rock. Der<br />

neue bewusstseinserweiternde Trance-Trip wartet<br />

als schwarzes sowie blaues Vinyl. Diese edle Blüte<br />

bringt eure Augen rasch wieder zum Leuchten.<br />

Ruthless<br />

„The Fallen“<br />

(Fireflash Records/Warner)<br />

Ein Gegenentwurf zum Marktmechanismus<br />

der gehypten Trends ist strikter Pragmatismus.<br />

Ruthless folgen klaren Vorgaben: 80er-US-<br />

Power Metal ohne Kurskorrektur. Wer puren<br />

Traditionalismus mit allen Zutaten präferiert,<br />

sollte andocken. Geboten werden zwei limitierte<br />

Farbtonträger zu je 300 Stück auf 180 Gramm,<br />

inhaltlich geprägt von einer kantigen Produktion.<br />

Old School-Fans dürfte dies geFallen.<br />

Special:<br />

Karrierekreativkontinuität<br />

Der Erfolg von Amorphis beweist<br />

die elementare Kraft von evolutionärer Kontinuität im Kreativschaffen.<br />

„Privilge Of Evil“, „The Karelian Isthmus“, „Tales From The Thousand Lakes“ sowie<br />

„Elegy“ markieren ihre starke Entwicklung vom rüden Underground-Death Metal hin zu<br />

melodischen Extrem-Klassikern mit Folk-Einflüssen und 70er-Flair. Jetzt sind jene vier<br />

Scheiben als gelungene farbige Neuauflagen erhältlich und eine Investition wert.<br />

Der Sound passt, auch die Pressqualität stimmt. Globale Work-Success-Balance.<br />

Mädchen<br />

f ü r a l l e s<br />

Ein Blick über den Tellerrand. Alle Genres,<br />

hauptsächlich femme und queere Künstler*innen,<br />

persönliche Vorlieben der letzten Monate.<br />

HANNAH DIAMOND<br />

Perfect Picture (PC Music 2023)<br />

Electropop | Bubblegum Bass | Dance-Pop<br />

Süß und endorphinproduzierend wie der liebste<br />

Softdrink, allerdings ohne Zuckerschock oder lästige<br />

Zahnbeschwerden. HANNAH DIAMOND, die sich im illustren<br />

Kreis der PC Music – Clique um A.G. COOK und<br />

neben Hyperpop-Ausnahmekünstlerinnen wie SOPHIE<br />

und CHARLI XCX seit den frühen 2010ern im Bereich<br />

der queeren elektronischen Popmusik einen Namen<br />

machen konnte, enttäuscht auch auf dem verflixten<br />

zweiten Studioalbum nicht. Wie eine sanfte Umarmung,<br />

wie ein über die Wagen streicheln, in den Arm nehmen<br />

und „alles wird gut“ ins Ohr flüstern, umschließen,<br />

wärmen und stärken die 12 Electropop-Nummern,<br />

die auf „Perfect Picture“ geboten werden. Nahezu alle<br />

weisen akutes Ohrwurmpotential auf, und ausnahmslose<br />

jede einzelne Anspielstation bietet den PC Musictypischen<br />

Pop-Appeal. Thematisch besingt die gebürtige<br />

Britin Identität, Selbstfindung, Veränderung und<br />

Konstanzern, Themen, die gerade Personen mit turbulenten<br />

Biografien wohl aus der Seele sprechen. „The best<br />

version of me is myself … the girl who’s anything she<br />

wants to be“, wird uns auf der Leadsingle ,,Affirmations”<br />

vorgetragen, eine Aussage, die auch ich mir gerne mehr<br />

zu Herzen nehmen würde. Ein Album für alle Menschen,<br />

die auch nur das entfernteste Interesse an Pop-Musik<br />

haben, und ganz besonders für die, die gerade etwas<br />

Wärme und Trost in ihrem Leben brauchen.<br />

REVEREND KRISTIN MICHAEL HAYTER<br />

SAVED! (Perpetual Flame Ministries 2023)<br />

Hymns | Southern Gospel | Singer-Songwriter<br />

LINGUA IGNOTA ist tot, lange lebe REVEREND KRISTIN<br />

MICHAEL HAYTER. Hayters Soloprojekt LINGUA<br />

IGNOTA, welches an Härte und Boshaftigkeit ausnahmslos<br />

ALLE Extreme Metal-Veröffentlichungen<br />

des neuen Jahrhunderts problemlos in den<br />

Schatten stellt und mit sämtlichen Black Metal-<br />

Möchtegerns den Boden wischt (Zweiflerinnen<br />

mögen bitte „All Bitches Die“ (2017) und „Caligula“<br />

(2019) auf Dauerschleife hören, bis sie ihre musikalischen<br />

Irrlehren bereuen), ist Geschichte. Dass<br />

die US-Amerikanerin ihre talentierten Finger dennoch<br />

nicht stillhalten würde, schien wie ein unausgesprochenes<br />

Versprechen. Das Wann und Wie stand<br />

allerdings auf einem anderen Blatt.<br />

Knapp zwei Jahre nach ihrem finalen LINGUA Opus,<br />

„Sinner Get Ready“ (2021), steht „Saved!“ als natürliche<br />

und „logische“ Kontinuation des Sounds, der bereits<br />

auf „Sinner“ angedeutet wurde. Verschwunden sind<br />

die dröhnenden Noise-Soundwälle und verzerrten<br />

Schreie von Hayters Frühwerk, und machen endgültig<br />

den sanfteren und (wie der Name des neuen Projektes<br />

nahelegt) religiös-hymnisch beeinflussten Folk-<br />

Klängen Platz. Ganz besonders kommt die klassisch<br />

ausgebildete Stimme der Künstlerin zum Ausdruck,<br />

der die sanften Instrumente wenig entgegenzusetzen<br />

hätten, würde sie ihre volle Stimmgewalt nutzen.<br />

Passend zur sanfteren Instrumentation stimmt auch<br />

die Multiinstrumentalistin allerdings sanftere Töne<br />

an, mal wird im rhythmischen Gebetstenor vorgetragen,<br />

mal klingt es nach Trauer und Tragik, manchmal<br />

brechen auch stimmliche Lichtblicke der Hoffnung<br />

durch die düstere Soundwolkendecke.<br />

Auch wenn das generelle Klangerlebnis auf den<br />

ersten Blick etwas sanfter und gesetzter wirkt, hat<br />

Hayter nichts an unheilvoller Atmosphäre und enormer<br />

Kreativität eingebüßt, welche sich nicht zuletzt<br />

in Aufnahmetricks wie doppelte Soundspuren<br />

und bewusst eingesetzten elektronischen Defekt-<br />

Geräuschen äußern. Die klangliche Untermalung<br />

eines Südstaaten-Exorzismus, nichts für schwache<br />

Nerven, aber wohl eine der besten Platten des Jahres.<br />

Mehr in der nächsten Ausgabe!<br />

<br />

Luna Niederberger<br />

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