Inspiration Nr 01 - 2024
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Expert Grenzen im Leichtbau<br />
Expert<br />
Das Limit der<br />
Leichtigkeit<br />
Heutige Bergsportprodukte sollen nicht nur leicht sein,<br />
sondern auch allen Anforderungen von Sicherheit und<br />
Haltbarkeit gerecht werden. Ob diese Rechnung aufgeht<br />
und zu welchen Kompromissen wir Kunden bereit sind,<br />
haben wir unsere Materialeinkäufer gefragt.<br />
Die gute alte Zeit?<br />
In Sachen Bergsportausrüstung war früher sicher<br />
nicht alles besser. Noch vor wenigen Jahrzehnten<br />
stand für die meisten alpinen Zwecke genau<br />
ein Produkt zur Auswahl, das einer entsprechend<br />
breiten Anwenderschaft dienen musste. Erst<br />
die moderne Kunststoffverarbeitung ermöglichte<br />
Annehmlichkeiten wie reissfeste Kernmantelseile,<br />
wind- und wasserdichte Dreilagenjacken oder<br />
hydrophob behandelte Daunenfüllungen, die uns<br />
am Berg das Leben leichter machen.<br />
Text Thomas Ebert<br />
Die Internationale Sportartikelmesse<br />
hat sich vom Corona-Einbruch noch<br />
nicht wieder ganz erholt, führt mit Fug<br />
und Recht aber weiterhin den inoffiziellen<br />
Titel «Leitmesse», auch im Bereich<br />
Outdoor- und Bergsport. Wer Ende November<br />
– wie etliche namhafte Hersteller<br />
auch – nicht in München zugegen<br />
war, kann sich anhand der vergebenen<br />
ISPO Awards ein Bild davon machen,<br />
welche Innovationen gerade preisverdächtig<br />
sind. Es folgen Zitate aus den<br />
Pressetexten der ausgezeichneten Produkte<br />
im Bereich «Mountaineering &<br />
Hiking»: Von einem Schlafsack ist da<br />
die Rede, der «ultraleicht und äusserst<br />
strapazierfähig» sei, von einer Jacke,<br />
die «vor allem ihr minimales Gewicht<br />
in Kombination mit höchster Funktionalität<br />
von anderen unterscheidet»,<br />
von einem Unterhemd aus einem Stoff,<br />
der «maximale Wärme bei minimalem<br />
Gewicht und ein angenehmes Gefühl<br />
auf der Haut» biete. In einer weiteren<br />
Schlafsack-Laudatio bestätigt die Jury<br />
schliesslich das Gefühl, das sich beim<br />
Leser längst breitgemacht hat: «Aussergewöhnliche<br />
Innovationen sind erforderlich,<br />
um dem Trend und der Kategorie<br />
Lightweight interessante Produkte<br />
beizusteuern.»<br />
Wer nun stutzig wird und glaubt,<br />
dass weiterer Fortschritt nur noch in<br />
Form heliumgefüllter Karabiner möglich<br />
ist, dem sei Entwarnung gegeben:<br />
Wenige Dinge haben im Bergsport<br />
mehr Tradition als eine Produktwerbung,<br />
die vermeintlich Gegensätzliches<br />
in Einklang bringt. Schon 1930 bewarb<br />
ein Dresdner Sporthaus seinen «Akademikerpickel»<br />
mit dem Slogan «rassig<br />
– leicht – wuchtig», wobei jeder,<br />
der schon einmal ein Stück Metall im<br />
Eis versenkt hat, zum Thema «leicht»<br />
und «wuchtig» seine eigene Meinung<br />
haben wird. Aber zurück zur Sportartikelmesse<br />
ISPO. Viel aufschlussreicher<br />
als die jährlich mehr oder minder identischen<br />
Versprechen war ein Satz, der<br />
scheinbar beiläufig im Juryurteil einer<br />
weiteren preisgekrönten Jacke zu lesen<br />
war: «Die Zielgruppe für die Jacke<br />
ist der moderne Alpinist, der bei seiner<br />
Ausrüstung ein paar Gramm einsparen<br />
möchte, sich aber gleichzeitig bei jedem<br />
Wetter geschützt fühlen will.»<br />
Sparen bei vollem Schutz, oder:<br />
Aufstieg ohne Mühe, Genuss ohne Reue,<br />
Gewinn ohne Verzicht – das ist ganz offensichtlich<br />
die Richtschnur für heutigen<br />
Leichtbau im Bergsport. Aber geht<br />
diese Rechnung auch auf? Welche positiven,<br />
welche negativen Entwicklungen<br />
hat der Megatrend «Lightweight»<br />
in den letzten Jahren und Jahrzehnten<br />
der Bergsportbranche beschert? Anlässlich<br />
50 Jahre Bächli Bergsport haben<br />
wir zwei unserer Produkteinkäufer<br />
zu diesem Thema befragt.<br />
Illustration: Saija Sollberger<br />
Leichter, aber auch besser?<br />
Die gute Nachricht für Bergsportler: Dank Kevlar, Aramid,<br />
Carbon, Grilamid, Dyneema & Co. specken Schuhe, Gurte,<br />
Rucksäcke und viele andere Ausrüstungsgegenstände<br />
Jahr für Jahr ab. Aber: Bisweilen gehen mit den Pfunden<br />
(bzw. Gramm) auch Robustheit und Vielseitigkeit verloren.<br />
Der Einsatzbereich von Ultraleicht-Produkten wird immer<br />
schmäler, ihre Lebensdauer kürzer. Hat der Lightweight-Trend<br />
seinen Zenit erreicht?<br />
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