Inspiration Nr 01 - 2024
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Expert Grenzen im Leichtbau<br />
Die schwarzen Schafe, die es in allen<br />
Produktsegmenten gibt, sortieren<br />
Schmid, Liss und ihre Kolleginnen und<br />
Kollegen vom Bächli Bergsport Einkauf<br />
vorab aus. «Es ist eher selten,<br />
dass Produkte so leicht sind, dass die<br />
Sicherheit leidet», so Schmid. «Hier<br />
würden wir aber definitiv die Grenze<br />
ziehen und ein solches Produkt nur<br />
bedingt in unserem Sortiment anbieten.»<br />
Aus dem Textilbereich berichtet<br />
Liss vom Trend der vergangenen Jahre,<br />
vom üblicherweise dreilagigen Laminat<br />
einer Funktionsjacke einzelne<br />
Lagen und damit Gewicht einzusparen.<br />
«Es gab sogar 1,5-Lagen-Laminate,<br />
bei denen die Membran direkt auf ein<br />
Trägermaterial aufgebracht wurde. Die<br />
sind wegen ihrer geringen Haltbarkeit<br />
aber mehr oder weniger wieder verschwunden<br />
vom Markt», schildert Liss.<br />
Eine ähnliche Entwicklung diagnostiziert<br />
sein Kollege Matthias Schmid im<br />
Bereich der Seile. «Bei den Seilen für<br />
alpine Touren geht der Trend aktuell<br />
wieder etwas in Richtung dickere Seile.<br />
9 bis 9,5 mm bewähren sich gut in<br />
alpinem Gelände. Bei den ultradünnen<br />
Seilen war der Verschleiss letztlich<br />
doch zu hoch und auch die Sicherheitsreserve<br />
etwas zu knapp.» Den Experten<br />
Liss und Schmid fällt jeweils auch eine<br />
Sackgasse in ihren Produktbereichen<br />
ein, in denen die Grenzen des Leichtbaus<br />
mehr oder weniger erreicht sind:<br />
Im Klettersport etwa bei Schlaghaken<br />
und Hammer, im Textilbereich bei der<br />
Naturdaune. «Da ist mit Imprägnierung<br />
und allerfeinster 1000-cuin-Auslese<br />
das Maximum ausgereizt», glaubt Liss,<br />
«und gleichzeitig kommen synthetische<br />
Daunen immer näher.»<br />
Und wo geht die Reise hin in Sachen<br />
Leichtbau? Textileinkäufer Liss<br />
glaubt, dass das Thema Lightweight<br />
seinen Zenit langsam erreicht habe,<br />
und zwar aus Gründen der Nachhaltigkeit.<br />
«Niemand akzeptiert Löcher nach<br />
drei oder vier Tagen am Berg, nur weil<br />
die Jacke 200 Gramm leichter ist», so<br />
Liss. Der alpinistische Kunde schaue<br />
schon aufs Gewicht, «aber der Topseller<br />
bei Bächli war traditionell immer<br />
die robusteste Dreilagenjacke», schildert<br />
Liss – und zeichnet damit ein fast<br />
schon beruhigend konträres Bild zum<br />
eingangs zitierten «modernen Alpinisten»,<br />
der jedes Ausrüstungsstück auf<br />
Der Scarpa Denali XT (links) war um die Jahrtausendwende ein beliebter Schuh, besonders bei<br />
abfahrtsorientierten Freetourern (was man damals noch nicht so genannt hätte). Je nach Schuhgrösse<br />
brachte er im Paar zwischen dreieinhalb und vier Kilo auf die Waage. Pin-Inserts gab es<br />
nicht. Sein Nach-Nach-Nachfolger, der 4-Quattro SL von Scarpa, schlägt anno 2023 mit deutlich<br />
weniger als drei Kilogramm zu Buche und dürfte den Denali in Sachen Steifigkeit und Abfahrtsspass<br />
um Längen schlagen.<br />
die Goldwaage legt. Für Hartwarenfachmann<br />
Schmid ist die Reise noch nicht zu<br />
Ende: «Der Bergsport war immer schon<br />
im Wandel. Neue Materialien oder Konstruktionen<br />
bieten auch neue Chancen.»<br />
Aber auch Schmid rät zu gesunder<br />
Skepsis, wenn ein besonders leichtes<br />
Produkt auch in allen anderen Disziplinen<br />
punkten soll. «Das beste Material<br />
muss nicht für jeden Bergsportler<br />
zwingend das leichteste sein.» Und genau<br />
dort liegt die wohl wichtigste Grenze<br />
in Sachen Leichtbau im Bergsport:<br />
beim Menschen selbst.<br />
«Niemand akzeptiert<br />
Löcher nach<br />
drei oder vier Tagen am<br />
Berg, nur weil<br />
die Jacke 200 Gramm<br />
leichter ist.»<br />
Marcus Liss<br />
Produktmanager<br />
#ShowYourSkins<br />
IM JAHR 1933 GEGRÜNDET IST POMOCA<br />
DER WELTMARKTFÜHRER DER SKIFELLE<br />
SCARPA DENALI XT<br />
20<strong>01</strong><br />
SCARPA 4-QUATTRO SL<br />
2023<br />
48<br />
#AlwaysForward 49