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PDF 31 - Deutsche Sprachwelt

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<strong>Deutsche</strong> <strong>Sprachwelt</strong>_Ausgabe <strong>31</strong>_Frühling 2008 Sprachpflege<br />

Seite 7<br />

Von Diethold Tietz<br />

a berichtete unlängst die<br />

D „Märkische Allgemeine“ über<br />

einen „Robin Hood der deutschen<br />

Sprache“, der „Wortgeschenke“ unters<br />

sprachentwöhnte Volk bringt.<br />

Das läßt Sprachpfleger natürlich<br />

aufhorchen. Schnell steht der Entschluß<br />

fest: An einem sonnenverwöhnten,<br />

gar nicht winterlichen Februartag<br />

geht es auf ins Märkische.<br />

Im beschaulichen Wildenbruch<br />

atmet eine kopfsteinbepflasterte<br />

Dorfstraße bereits den Scharm vergangener<br />

Zeiten. Ein anheimelnder<br />

Vierseithof ist unser Ziel. Dort empfängt<br />

uns Reinhard Risch.<br />

Das Vorurteil, das man Freunden<br />

und Verfechtern einer gepflegten<br />

Muttersprache oft entgegenbringt,<br />

versagt. Wir stehen keinem verkalkten<br />

und verknöcherten Dorfschulmeisterlein<br />

gegenüber, sondern<br />

einem Mann in den besten Jahren,<br />

voller Energie und Überzeugungskraft.<br />

Der schnörkellos und zweckmäßig<br />

umgebaute frühere Kuhstall<br />

strahlt gemütliche Sachlichkeit aus.<br />

Diethold Tietz / DEUTSCHE<br />

SPRACHWELT: Herr Risch, wie<br />

Von Thomas Paulwitz<br />

egen die Absicht der Lan-<br />

G desregierung Nordrhein-<br />

Westfalens, mit einem englischen<br />

Erkennungsspruch für das Land zu<br />

werben, hatte sich Ende 2007 großer<br />

Protest geregt. Wirtschaftsministerin<br />

Christa Thoben hatte zwei Vorgaben<br />

für den noch zu findenden Werbespruch<br />

gemacht, die sich gegenseitig<br />

widersprachen: Erstens sollten sich<br />

alle Bürger des Landes damit identifizieren<br />

können, zweitens sollte<br />

möglichst ein englisches Wort darin<br />

vorkommen. „Europe’s creative<br />

Anzeigen<br />

Fremde Melodien für Millionen<br />

Nordrhein-Westfalens Bürger sollen sich mit Englisch identifizieren<br />

Die DSW in der Presse<br />

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“<br />

schrieb am 16. Dezember 2007 in seiner Netzausgabe:<br />

N-R-Wer?<br />

Von Carolin Jenkner<br />

D<br />

heartbeat“ – so oder so ähnlich sollte<br />

der Spruch für die Standortkampagne<br />

lauten, die zehn Millionen Euro<br />

kosten soll.<br />

Der Jurist Menno Aden, Vorstandsmitglied<br />

im Verein <strong>Deutsche</strong> Sprache<br />

(VDS), drohte der Landesregierung<br />

sogar eine Klage auf Unterlassung<br />

an. Auch die DEUTSCHE SPRACH-<br />

WELT rief zum Widerstand auf und<br />

machte mit dem Wort „Land mit<br />

Energie“ einen eigenen, kostenlosen<br />

Vorschlag. Wieder einmal erreichten<br />

ie nordrhein-westfälische Landesregierung pumpt zehn Millionen Euro<br />

in eine Standortkampagne, die ausländische Investoren anlocken soll.<br />

Doch ein einheitlicher Slogan für das diffuse Bindestrich-Land ist schwer<br />

zu finden – und ein Konzept fehlt bislang auch. […] Die Düsseldorfer Werbeagentur<br />

Grey schlug „Europe’s Creative Heartbeat“ vor. Zuschauer des<br />

WDR-Fernsehens schickten „My NRWay!“, „NRW – Numberone Region.<br />

Worldwide“ oder „No Run aWays“ ins Rennen. Den Bürgern macht es Spaß,<br />

die Opposition, der Koalitionspartner und Hüter der deutschen Sprache sind<br />

aufgebracht. Der Verein für Sprachpflege e.V. ruft auf seiner Website dazu<br />

auf, sich bei der Landesregierung über den englischen Spruch zu beschweren,<br />

und zwar bei „Sprachsünderin“ NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben<br />

(CDU). Englische Wörter in einem Spruch für NRW? Undenkbar. […]<br />

Kleinanzeige<br />

900 Jahre Zisterzienser –<br />

900 Jahre literarisches Schaffen<br />

Für Sie als Autor die besondere Gelegenheit,<br />

uns Ihr Manuskript anzuvertrauen,<br />

denn unser bewährtes<br />

Verlags-Management wird Ihr Werk<br />

bekannt und absatzfähig machen!<br />

Bernardus-Verlag in der Verlagsgruppe<br />

Mainz, jetzt beheimatet in der<br />

Abtei Mariawald: 52396 Heimbach,<br />

Tel. 02446 95 06 15;<br />

Zentrale: Süsterfeldstr. 83,<br />

52072 Aachen, Tel. 0241 87 34 34;<br />

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Im Lustgarten der Wortspiele<br />

Gespräch mit dem „Robin Hood der deutschen Sprache“<br />

kamen Sie eigentlich dazu, der Sprache<br />

in doch recht ungewöhnlicher<br />

Art zu huldigen?<br />

Reinhard Risch: Die Liebe zur<br />

Muttersprache vermittelte mir mein<br />

Deutschlehrer in der Rostocker<br />

Schulzeit. Als ich in den Nachwendejahren<br />

an einem Bonner Rhetorikinstitut<br />

arbeitete, erkannte ich,<br />

daß die Sprache wert ist, mit allen<br />

Sinnen entdeckt und wahrgenommen<br />

zu werden. Das bedarf natürlich<br />

spezieller Ausdrucksformen. So entwickelte<br />

ich Gestaltungsideen, die<br />

Kopf, Bauch und Hand, also Denken,<br />

Fühlen und Tun herausfordern.<br />

Das schließt die Lust zu Sprachspielereien<br />

ein und entwickelt obendrein<br />

Schlagfertigkeit.<br />

Das klingt sehr interessant, wenngleich<br />

ein wenig abstrakt. Können<br />

Sie Ihre Ideen konkretisieren?<br />

Schauen Sie hinaus in meinen<br />

„Wortspiellustgarten“. Dort sehen<br />

Sie verschiedene Installationen, wie<br />

zum Beispiel das „Sprachgrab“, den<br />

„Wortkreis“ und weitere künstlerische<br />

Objekte. An ihnen bleibt man<br />

hängen, geht auf Gedankenreise, entdeckt<br />

ungewöhnliche Blickwinkel,<br />

und das alles aus der Bewegung des<br />

Spaziergängers heraus.<br />

Haben Sie Ihre Arbeiten auch schon in<br />

einem größeren Rahmen vorgestellt?<br />

In Ahrenshoop habe ich vor einiger<br />

Zeit die Kunstaktion „Wörter und<br />

Zeichen“ präsentiert, die vier Wochen<br />

lang vor der Kunsthalle zu sehen<br />

war. Das Interesse der kunstsinnigen<br />

Besucher war beträchtlich.<br />

Diese Werke verdienen es gewiß,<br />

nicht nur zeitweise zugänglich<br />

zu sein. Vor einem Jahr wurde in<br />

Köthen/Anhalt die „Fruchtbringende<br />

Gesellschaft“ neugegründet,<br />

eine Sprachgesellschaft, die in der<br />

Barockzeit wesentliche Impulse zur<br />

Wahrung und Entwicklung unserer<br />

Sprache hervorbrachte. Könnten Sie<br />

sich eine Zusammenarbeit mit diesem<br />

Verein vorstellen, zum Beispiel im<br />

Zusammenhang mit dem dort geplanten<br />

„Haus der deutschen Sprache“?<br />

Ja, sehr gut sogar! Die Stadt Köthen<br />

ist überschaubar und zugleich reich<br />

zahlreiche Schreiben die Staatskanzlei.<br />

Die rückte daraufhin von der Vorgabe<br />

ab, daß sich alle Bürger Nordrhein-Westfalens<br />

mit dem Spruch<br />

identifizieren können, und nannte nur<br />

noch Geldgeber aus dem Ausland als<br />

ausschlaggebende Zielgruppe.<br />

In einer Antwort schrieb das Wirtschaftsministerium:<br />

„Bereits heute<br />

hängen mehr als 500 000 Arbeitsplätze<br />

in Nordrhein-Westfalen von<br />

ausländischen Direktinvestitionen<br />

ab […]. Sie werden verstehen, daß<br />

wir ausländische Investoren in deren<br />

jeweiligen Heimatländern nur über<br />

eine Weltsprache wie Englisch erreichen<br />

können. […] Deshalb suchen<br />

wir zunächst auf englisch nach Botschaften,<br />

Argumenten und Sachverhalten,<br />

mit denen wir die Attraktivität<br />

unseres Bundeslandes […] glaubhaft<br />

machen können.“ Einen besorgten<br />

Bürger, der telefonisch nachhakte<br />

und darauf hinwies, daß der Spruch<br />

laut Ausschreibung doch auch für<br />

alle Bürger gedacht gewesen sei,<br />

fertigte eine Sprecherin des Ministeriums<br />

wenig bürgernah ab, er glaube<br />

wohl, daß am deutschen Wesen die<br />

Welt genesen solle. Deutlicher kann<br />

man die Frage, für wen Politik gemacht<br />

wird, nicht beantworten.<br />

an kultureller und wissenschaftlicher<br />

Tradition. Ein idealer Ort,<br />

meine Visionen von einem „Wortspiel-Lustgarten“<br />

zu realisieren.<br />

Vieles wäre denkbar: vielleicht ein<br />

Wortspiel-Labyrinth, ein Garten mit<br />

Blumen und Pflanzen, versehen mit<br />

anspruchsvoller Poesie und vieles<br />

mehr. Das wäre doch ein „Knaller“<br />

für Köthen.<br />

Unter dem Motto „Wortgeschenke“<br />

haben Sie viele Ideen entwickelt,<br />

die in Ihrem Potsdamer Atelier und<br />

Schauraum bewundert und auch erworben<br />

werden können.<br />

Meine „Kunst, Worte zu schenken“<br />

kann man bei einem Besuch in der<br />

Potsdamer Hegelallee 52 oder unter<br />

www.wortgeschenk.de erleben. Da<br />

gibt es zum Beispiel die „Wortretter“,<br />

die mir sehr am Herzen liegen.<br />

Das sind auf Leinwand festgehaltene,<br />

vom Aussterben bedrohte Wörter.<br />

Ein beliebtes Geschenk für sprachinteressierte<br />

Freunde oder sich selbst.<br />

Immer mehr Sammler füllen damit<br />

inzwischen ganze Wände. Dann gibt<br />

es da noch die Paar- und Familienbilder,<br />

die Wortpostkarten, Wortdau-<br />

Nun sind es nur noch 497 700 Arbeitsplätze,<br />

die von ausländischem<br />

Kapital abhängig sind, denn der<br />

ausländische Investor Nokia („Connecting<br />

People“) hat, nachdem er<br />

reiche staatliche Fördergelder eingestrichen<br />

hatte, Mitte Januar mitgeteilt,<br />

sein Werk in Bochum stillzulegen<br />

und ins Ausland zu verlagern.<br />

2 300 Arbeitsplätze gehen verloren.<br />

menkinos und alle Wörter, die Sie<br />

gern auf Leinwand festhalten lassen<br />

möchten. Für Ihre kleine oder große<br />

Liebe, für Eltern und Kinder, für gute<br />

Freunde und Geschäftspartner.<br />

Wäre das nicht auch ein tolles Angebot<br />

im künftigen Haus der deutschen<br />

Sprache?<br />

Natürlich, man könnte einen Sprach-<br />

Shop ...<br />

Aber, aber, Herr Risch!<br />

... klar, einen SprachLADEN errichten,<br />

der den zahlreichen Besuchern<br />

ungewöhnliche und zugleich anspruchsvolle<br />

Mitbringsel anbietet.<br />

Als Erinnerung an Köthen und an<br />

unsere schöne Muttersprache. Übrigens<br />

ist „Laden“ ein wunderschöner<br />

Begriff, den Erwin Strittmatter so<br />

überzeugend dem Vergessen entriß.<br />

Ich danke Ihnen für das Gespräch,<br />

Herr Risch, und ich wünsche Ihnen<br />

weiterhin einen erfolgreichen Schulterschluß<br />

mit allen Menschen, die<br />

ihre Sprache lieben.<br />

Ob Nokia geblieben wäre, wenn die<br />

nordrhein-westfälische Regierung<br />

sich als „creative heartbeat“ angebiedert<br />

hätte? Wohl kaum. Die Stadt<br />

Berlin plant übrigens ebenfalls für<br />

zehn Millionen Euro einen englischen<br />

Werbefeldzug. Dem Vernehmen<br />

nach soll der Erkennungsspruch<br />

„Be Berlin“ lauten. Bebeschränkter<br />

geht’s ninimmer …<br />

Die DSW in der Presse<br />

Zum selben Thema hieß es am 23. November 2007 in der Netzausgabe der<br />

„Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ):<br />

NRW:<br />

Ein Land sucht (s)einen Spruch<br />

Von Walter Bau<br />

[…] Auch professionelle Werbe-Experten meldeten sich zu Wort. „Europe’s<br />

creative Heartbeat“ – etwa: „Europas kreativer Herzschlag“ – schlug ein Düsseldorfer<br />

Werbe-Experte vor. Das erinnert an den nicht minder sperrigen Lieblingsspruch<br />

des früheren Ministerpräsidenten Wolfgang Clement: „Germany’s<br />

economic Powerhouse“. Chancen dürften beide nicht haben.<br />

Das findet auch Thomas Paulwitz. Er ist Chef der „<strong>Deutsche</strong>n <strong>Sprachwelt</strong>“<br />

und versteht sich als letzte Bastion gegen die Überflutung des <strong>Deutsche</strong>n<br />

durch Anglizismen. Vielen Bürgern sei „fast das Herz stehengeblieben“, als<br />

sie von dem „Heartbeat“-Vorschlag gehört hätten, schreibt Paulwitz empört.<br />

Er verlangt, die Regierung müsse ihre Englisch-Pläne fallenlassen: „Schließlich<br />

ist Deutsch die Landessprache.“ Paulwitz hat auch eine Alternative parat:<br />

„Land mit Energie“. Der Spruch sei einprägsam und leicht übersetzbar.

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