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18<br />
CINÉMA<br />
BIEL BIENNE 6. FEBRUAR <strong>2024</strong> BIEL BIENNE 6 FÉVRIER <strong>2024</strong><br />
VON<br />
LUDWIG<br />
HERMANN<br />
Historiendrama<br />
mit einer grossartigen<br />
Juliette Binoche<br />
in der Hauptrolle.<br />
Schade, gibts nicht den<br />
Geruchsfilm. Die meisten<br />
Szenen spielen in einer alten<br />
Schlossküche, und was hier<br />
mit unendlicher Liebe und<br />
Sorgfalt gekocht und angerichtet<br />
wird, ist speziell, verführerisch<br />
– exquisit. Wir sind<br />
zurück im 19. Jahrhundert.<br />
Die Passion des Titelhelden<br />
Dodin Bouffant: der Herd<br />
und alles Drum und Dran –<br />
von den Kräutchen aus dem<br />
Schlossgarten bis hin zu den<br />
auserlesenen Gerichten, den<br />
Saucen, den uralten Weinen.<br />
Napoleon. Ein Gast aus<br />
der vornehmen Tafelrunde<br />
lobt Dodin Bouffant, den<br />
Gastgeber: «Du bist der<br />
Napoleon unter den Küchenchefs!»<br />
Der hört nur<br />
mit halbem Ohr zu. Sein<br />
Königreich, das ist nicht<br />
das Schlachtfeld, das ist die<br />
Küche, wo man sich ohne<br />
viel Worte zur Hand geht,<br />
die Köstlichkeiten vorbereitet,<br />
und nur ein höfliches<br />
«s’il te plaît» und «merci»<br />
die Stille unterbricht. Der<br />
Ort, wo neben dem Chef die<br />
Köchin Eugénie das Zepter<br />
führt. Eine Angestellte? Eine<br />
Vertraute? Oder mehr?<br />
Ein seltsames Duo, der<br />
Gourmet-Virtuose Dodin<br />
Bouffant (charmant: Benoît<br />
Magimel) und seine<br />
langjährige Mitstreiterin<br />
Eugénie (betörend: Juliette<br />
Binoche). Zwei, die<br />
sich siezen, scheinbar nur<br />
ans Kochen denken, nur<br />
La Passion de Dodin Bouffant HHH<br />
selten einander einen Moment<br />
zu lange in die Augen<br />
schauen. Tràn Anh Hùng<br />
(«Der Duft der grünen Papaya»),<br />
der französische<br />
Drehbuchautor und Regisseur<br />
mit vietnamesischen<br />
Wurzeln, hat dem verkappten<br />
Liebespaar Leben eingehaucht.<br />
In einem Filmstil, zu<br />
dem das Prädikat «Lob der<br />
Langsamkeit» passt.<br />
Verständnis gefragt.<br />
Tràn Anh Hùng nimmt sich<br />
Zeit. Die Eingangs-Sequenz,<br />
Dodin und Eugénie beim<br />
Kochen, dauert 20 Minuten,<br />
kommt fast ohne Worte aus<br />
und verlangt vom Zuschauer<br />
einiges Verständnis. Die Festival-Jury<br />
von Cannes war begeistert:<br />
Für «Geliebte Köchin»<br />
(deutscher Titel) wurde Tràn<br />
Anh Hùng 2023 als bester Regisseur<br />
ausgezeichnet.<br />
«La Passion de Dodin<br />
Bouffant» ist eine bewunderungswürdige<br />
Hommage<br />
an die französische Küche,<br />
gewürzt mit dem Spiel von<br />
Juliette Binoche und Benoît<br />
Magimel. Neben den<br />
Stars darf nicht vergessen<br />
werden ihre 12-jährige Kollegin<br />
Bonnie Chagneau-<br />
Ravoire, bezaubernd in<br />
der Rolle als Küchenhilfe<br />
Pauline; ein Mädchen, das<br />
sich in der Gastronomie<br />
als Genie erweist. Unentbehrlich:<br />
Pierre Gagnaire,<br />
Chef des gleichnamigen<br />
Pariser Nobel-Restaurants<br />
unweit vom Arc de Triomphe.<br />
Gagnaire war bei den<br />
Dreharbeiten verantwortlich<br />
für die Auswahl der Speisen<br />
und ihre Vorbereitung. Sein<br />
Honorar? Ein Kurzauftritt:<br />
Mann mit Kochhut präsentiert<br />
den Menüplan. n<br />
Chef Dodin,<br />
Köchin Eugénie<br />
und ihre Gehilfin<br />
Pauline (links):<br />
ein eingespieltes<br />
Team.<br />
Le chef Dodin,<br />
la cuisinière<br />
Eugénie et son<br />
aide Pauline<br />
(à gauche):<br />
une équipe<br />
bien rodée.<br />
Darsteller/Distribution:<br />
Juliette Binoche, Benoît Magimel,<br />
Bonnie Chagneau-Ravoire, Pierre Gagnaire<br />
Buch & Regie/Scénario & réalisation:<br />
Tràn Anh Hùng (2023)<br />
Dauer/Durée: 134 Minuten/134 minutes<br />
Im Kino/Au cinéma: REX 1 (LUNCH’KINO)<br />
Drame historique avec une excellente<br />
Juliette Binoche dans le rôle principal.<br />
PAR LUDWIG HERMANN<br />
Dommage qu’il n’y ait<br />
pas le film olfactif. La plupart<br />
des scènes se déroulent<br />
dans une ancienne cuisine<br />
de château, et ce qui y est<br />
mitonné et dressé avec un<br />
amour et un soin infinis est<br />
spécial, séduisant – exquis.<br />
Nous sommes de retour au<br />
19 e siècle. La passion de<br />
Dodin Bouffant,héros en<br />
titre: les fourneaux et tout<br />
ce qui va avec – des petites<br />
herbes du jardin du château<br />
aux plats choisis, aux<br />
sauces, aux vins anciens.<br />
Napoléon. Un invité de<br />
la noble table ronde fait<br />
l’éloge de Dodin Bouffant,<br />
l’hôte: «Tu es le Napoléon<br />
des chefs de cuisine!»<br />
Celui-ci n’écoute qu’à moitié.<br />
Son royaume, ce n’est<br />
pas le champ de bataille,<br />
c’est la cuisine, où l’on se<br />
donne la main sans trop<br />
de mots, où l’on prépare<br />
les délices, et où seuls des<br />
«s’il te plaît» et des «merci»<br />
polis viennent rompre le<br />
silence. L’endroit où, outre<br />
le chef, c’est la cuisinière<br />
Eugénie qui tient les rênes.<br />
Une employée? Une confidente?<br />
Ou plus?<br />
Un étrange duo, le gourmet<br />
virtuose Dodin Bouffant<br />
(charmant: Benoît Magimel)<br />
et sa compagne de longue<br />
date Eugénie (envoûtante:<br />
Juliette Binoche). Deux personnes<br />
qui se vouvoient,<br />
ne pensent apparemment<br />
qu’à cuisiner et ne croisent<br />
que rarement leurs regards.<br />
Tràn Anh Hùng («L’Odeur<br />
de la papaye verte»), le scénariste<br />
et réalisateur français<br />
d’origine vietnamienne, a<br />
donné vie à ce couple<br />
d’amoureux cachés. Dans<br />
un style cinématographique<br />
auquel convient le qualificatif<br />
d’«éloge de la lenteur.»<br />
Compréhension exigée.<br />
Tràn Anh Hùng prend son<br />
temps. La séquence d’introduction,<br />
Dodin et Eugénie<br />
en train de cuisiner, dure<br />
20 minutes, se passe<br />
presque de mots et exige<br />
du spectateur une certaine<br />
compréhension. Le<br />
jury du festival de Cannes<br />
a été enthousiasmé: Tràn<br />
Anh Hùng a reçu le prix<br />
du meilleur réalisateur<br />
en 2023 pour «La Passion<br />
de Dodin Bouffant».<br />
Son œuvre est un hommage<br />
admirable à la cuisine<br />
française, pimenté par le<br />
jeu de Juliette Binoche et<br />
Benoît Magimel.<br />
Outre les stars, il ne<br />
faut pas oublier leur collègue<br />
Bonnie Chagneau-<br />
Ravoire, 12 ans, adorable<br />
dans le rôle de Pauline, la<br />
commis de cuisine; une<br />
fillette qui se révèle être<br />
un génie de la gastronomie.<br />
Indispensable: Pierre<br />
Gagnaire, chef du restaurant<br />
parisien de luxe du même<br />
nom, non loin de l’Arc de<br />
Triomphe. Pierre Gagnaire<br />
était responsable du choix<br />
des plats et de leur préparation<br />
lors du tournage.<br />
Ses honoraires? Une brève<br />
apparition: l’homme à la<br />
toque de cuisinier présente<br />
le plan du menu. n<br />
Ein präziser<br />
Blick in ein<br />
französisches<br />
Collège.<br />
VON MARIO CORTESI<br />
«Das Lehrerzimmer», der<br />
deutsche Spielfilm aus dem<br />
letzten Jahr, ist jetzt, nach<br />
zahlreichen deutschen und<br />
europäischen Film-Preisen,<br />
auch für den Oscar als bester<br />
fremdsprachiger Film nominiert.<br />
Das Drama handelt<br />
von einer jungen Lehrerin,<br />
die eine Diebstahlserie an ihrer<br />
Schule zu beenden versucht.<br />
Die überraschende Entlarvung<br />
der vermutlichen Täterin führt<br />
bald zu Denunziantentum,<br />
Streit und Ausgrenzung am<br />
Gymnasium.<br />
Jetzt kommt ein französischer<br />
Film, wiederum<br />
aus einer Schule und einem<br />
Lehrerzimmer, der aber kein<br />
Pendant zum ausgezeichneten<br />
deutschen Film darstellt. Dramatisch<br />
ist dieser Film kaum,<br />
sondern er erzählt behutsam<br />
und einladend vom alltäglichen,<br />
trivialen Leben in einer<br />
Vorstadt-Schule. Beleuchtet<br />
die kleinen Probleme, mit<br />
denen Lehrer und Schüler zu<br />
kämpfen haben.<br />
Aushilfslehrer. Benjamin<br />
(Vincent Lacoste) ist ein<br />
junger, schüchterner Doktorand<br />
und tritt im Collège<br />
als Vertretung eine Stelle als<br />
Aushilfslehrer in Mathematik<br />
an. Dieses Praktikum benötigt<br />
der angehende Doktorand<br />
für sein Stipendium. Er stösst<br />
allerdings schnell an seine<br />
Grenzen, was nicht nur bei<br />
seinem fehlenden Wissen und<br />
seiner Zurückhaltung liegt, sondern<br />
auch am Desinteresse der<br />
zum Teil impulsiven Schüler.<br />
Doch dank dem Zusammenhalt<br />
der Lehrerschaft, darunter<br />
der vor der Pension stehende<br />
Der Aushilfslehrer Benjamin<br />
(Vincent Lacoste) stösst<br />
an seine Grenzen.<br />
Pierre (François Cluzet), überwindet<br />
er seine anfängliche Skepsis<br />
und Orientierungslosigkeit.<br />
Leidenschaftliche Lehrer.<br />
Die typischen Lehrerfiguren<br />
bilden fast eine Verschwörer-<br />
Clique, sie helfen sich gegenseitig<br />
bei schulischen und<br />
privaten Problemen, essen in<br />
der Schulkantine, verbringen<br />
die Freizeit miteinander, lieben<br />
ihren Job mit Leidenschaft,<br />
wollen die Kinder motivieren<br />
und kreativ unterrichten. Als<br />
Benjamin von einem widerspenstigen<br />
Schüler wegen<br />
einer schlechten Note im<br />
Hausgang seiner Wohnung<br />
angegriffen wird, öffnet sich<br />
ein Konfliktherd. Doch zu<br />
einer Katastrophe lässt es der<br />
48-jährige Filmemacher Thomas<br />
Lilti nicht kommen. An<br />
Un métier sérieux HH(H)<br />
Benjamin (Vincent Lacoste),<br />
professeur remplaçant,<br />
se heurte à ses limites.<br />
dieser Schule regelt man alles<br />
ohne viel Brimborium.<br />
Ausser den Schulkonflikten<br />
gibt es auch im Privatleben<br />
Feuerstellen. Das Schöne an<br />
diesem leisen Film: Es ist ein<br />
eher banaler Alltag, der da<br />
beobachtet wird, ohne viel<br />
Höhepunkte – und doch fühlt<br />
man mit dieser Lehrerschaft<br />
und ihren Schwierigkeiten,<br />
Freuden und Leiden mit. Ein<br />
merkwürdiger Film ohne wirkliche<br />
Höhepunkte, und doch<br />
ein Stück unterhaltende Alltags-Realität<br />
dieser Lehrer. n<br />
Darsteller/Distribution:<br />
Vincent Lacoste, François Cluzet<br />
Regie/Mise en scène: Thomas Lilti (2023)<br />
Länge/Durée: 101 Minuten/101 minutes<br />
Im Kino/Au cinéma: LIDO 2<br />
Un regard précis<br />
sur un collège<br />
français.<br />
PAR MARIO CORTESI<br />
«Das Lehrerzimmer», le<br />
long-métrage allemand de<br />
l’année dernière, est maintenant<br />
nominé pour l’Oscar<br />
du meilleur film en langue<br />
étrangère, après avoir reçu<br />
de nombreux prix du cinéma<br />
allemand et européen. Ce<br />
drame raconte l’histoire<br />
d’une jeune enseignante qui<br />
tente de mettre fin à une<br />
série de vols dans son école.<br />
La découverte surprenante<br />
de la coupable présumée<br />
entraîne bientôt la délation,<br />
les disputes et l’exclusion au<br />
sein du lycée.<br />
Voici maintenant un film<br />
français, à nouveau dans une<br />
école et une salle des maîtres,<br />
mais qui ne fait pas pendant à<br />
l’excellent film allemand. Ce<br />
film n’est guère dramatique,<br />
mais raconte prudemment et<br />
de manière accueillante la vie<br />
quotidienne et triviale d’un<br />
lycée de banlieue. Il met en<br />
lumière les petits problèmes<br />
auxquels sont confrontés les<br />
enseignants et les élèves.<br />
Remplaçant. Benjamin<br />
(Vincent Lacoste) est un<br />
jeune doctorant timide qui<br />
prend un poste de remplaçant<br />
au collège comme professeur<br />
de mathématiques. Le<br />
futur doctorant a besoin de ce<br />
stage pour obtenir sa bourse.<br />
Il se heurte cependant rapidement<br />
à ses limites, non seulement<br />
par son manque de<br />
connaissances et sa réserve,<br />
mais aussi par le manque<br />
d’intérêt des élèves, parfois<br />
impulsifs. Mais grâce à la cohésion<br />
du corps enseignant,<br />
dont Pierre (François Cluzet),<br />
proche de la retraite, il surmonte<br />
son scepticisme initial<br />
et son manque de repères.<br />
Enseignants passionnés.<br />
Les personnages typiques des<br />
enseignants forment presque<br />
une clique de conspirateurs,<br />
ils s’entraident en cas de problèmes<br />
scolaires et privés,<br />
mangent à la cantine scolaire,<br />
passent leur temps libre<br />
ensemble, aiment leur travail<br />
avec passion, veulent motiver<br />
les enfants et enseigner<br />
de manière créative. Lorsque<br />
HHHH ausgezeichnet / excellent<br />
HHH sehr gut / très bon<br />
HH gut / bon<br />
H Durchschnitt / médiocre<br />
– verfehlt / nul<br />
Benjamin est agressé par<br />
un élève récalcitrant dans<br />
l’entrée de son immeuble à<br />
cause d’une mauvaise note,<br />
un foyer de conflit s’ouvre.<br />
Mais le cinéaste Thomas<br />
Lilti, 48 ans, ne veut pas en<br />
arriver à une catastrophe.<br />
Dans cette école, tout se règle<br />
sans trop de chichis.<br />
Outre les conflits scolaires,<br />
il y en a aussi dans la vie<br />
privée. La beauté de ce film<br />
paisible: c’est un quotidien<br />
plutôt banal qui est observé,<br />
sans beaucoup de moments<br />
forts – et pourtant, on ressent<br />
de l’empathie pour ce corps<br />
enseignant et ses difficultés,<br />
ses joies et ses souffrances.<br />
Un film étrange, sans véritables<br />
moments forts, et<br />
pourtant un morceau de réalité<br />
quotidienne divertissante<br />
de ces enseignants. n<br />
AUF EINEN BLICK … EN BREF…<br />
Mario<br />
Cortesi<br />
Ludwig<br />
Hermann<br />
l The Holdovers (Rex 1) HHHH HHHH<br />
l Perfect Days (Apollo, Lido 1) HHHH HHH(H)<br />
l Joan Baez – I am Noise (Rex 2) HHHH HHH<br />
l Poor Things (Beluga) HHH(H) HHH(H)<br />
l Retour en Alexandrie (Lido 1, Rex 2) HHH HHH<br />
l Jakobs Ross (Lido 1) HHH HHH<br />
l Eine Million Minuten (Beluga) HH(H)<br />
l Bon Schuur Ticino (Apollo, Lido 1+2) HH HH<br />
l Anyone But You (Apollo, Lido 2) HH<br />
l Argyle (Rex 1)<br />
HH<br />
Biel Bienne-Bewertung / Cote de Biel Bienne: HHHH ausgezeichnet / excellent HHH sehr gut / très bon HH gut / bon H Durchschnitt / médiocre – verfehlt / nul