hinnerk Heft 333
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14 stadtgespräch<br />
DISKRIMINIERUNG<br />
FOTO: STEFAMERPIK/FREEPIK.COM<br />
Wer darf spenden?<br />
Blutspenderegeln im Wandel<br />
Blutspenden sind nicht nur<br />
in Deutschland von enormer<br />
Bedeutung, da sie Leben retten<br />
können. Trotz des medizinischen<br />
Fortschritts und umfassender Aufklärung<br />
über HIV und AIDS herrscht bei<br />
der Blutspende nach wie vor das Problem<br />
der Diskriminierung gegenüber schwulen<br />
Männern und Trans*menschen.<br />
Deshalb verpflichtete die Regierung die<br />
Bundesärztekammer (BÄK) und das Paul-<br />
Ehrlich-Institut (PEI) zu einer Neuerung<br />
der Blutspenderegelung, die keine<br />
Ausschlüsse aufgrund der sexuellen Orientierung<br />
oder geschlechtlichen Identität<br />
mehr zulässt. Nun schlägt die Deutsche<br />
Aidshilfe im Hinblick auf die neuen Regeln<br />
Alarm und kritisiert, dass diese ihr Ziel<br />
verfehlt hätten, die Diskriminierung zu<br />
beenden.<br />
Der größte Kritikpunkt der Aidshilfe<br />
betrifft die Einführung einer Vier-<br />
Monats-Frist für Menschen, die<br />
Analverkehr mit neuen Partnern hatten.<br />
Diese Frist sei weder nachvollziehbar<br />
noch wissenschaftlich begründet. Im<br />
Gegensatz dazu kann ein HIV-Labortest<br />
bereits nach sechs Wochen eine Infektion<br />
ausschließen. Warum also diese lange<br />
Wartezeit? Eine klare Antwort bleibt die<br />
Bundesärztekammer schuldig.<br />
Unter den neuen Regeln erfahren Menschen<br />
zudem Stigmatisierung aufgrund<br />
ihrer bevorzugten sexuellen Praktiken.<br />
Das ist problematisch, da Analverkehr<br />
an sich, insbesondere bei Ergreifung von<br />
Schutzmaßnahmen wie Kondomen und<br />
der HIV-Prophylaxe PrEP, kein Risiko<br />
darstellt. Ebenso werden heterosexuelle<br />
Menschen, die Sex mit mehr als zwei<br />
Partner*innen in vier Monaten hatten<br />
oder Analverkehr mit nur einer Person,<br />
unabhängig von ihrem tatsächlichen HIV-<br />
Infektionsrisiko ausgeschlossen.<br />
Auch die Regelung, Menschen, die<br />
Geschlechtsverkehr mit HIV-positiven<br />
Personen hatten, auszuschließen, ist<br />
nicht mehr zeitgemäß. Unter einer<br />
wirksamen HIV-Therapie gibt es bei<br />
Geschlechtsverkehr kein Übertragungsrisiko,<br />
wie von der Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) bestätigt wurde.<br />
Ebenso sollte Sexarbeit oder die Inanspruchnahme<br />
sexueller Dienstleistungen<br />
nicht als Diskriminierungsfaktor gelten.<br />
Unter Sexarbeiter*innen kommt HIV<br />
nicht häufiger vor als in der Gesamtbevölkerung.<br />
Die Bezahlung für sexuelle<br />
Aktivitäten hat keinen Einfluss auf das<br />
Risiko einer HIV-Infektion.<br />
Die Deutsche Aidshilfe betont, dass ein<br />
Missverständnis vorliegt, nämlich die<br />
Annahme, dass Monogamie eine sichere<br />
Schutzmaßnahme darstellt. Auch innerhalb<br />
langfristiger Beziehungen zwischen<br />
Nicht-Infizierten bestehen Risiken, wenn<br />
nicht beide Partner*innen ehrlich sind<br />
und regelmäßig auf sexuell übertragbare<br />
Infektionen getestet werden. Die einzige<br />
verlässliche Angabe über den Schutz<br />
vor STIs kann nur durch Erfragen des<br />
individuellen Verhaltens der beteiligten<br />
Personen erfolgen.<br />
Die Deutsche Aidshilfe fordert schon<br />
lange einen neuen Ansatz, der die Diskriminierung<br />
bei der Blutspende beendet.<br />
Die aktuellen Regelungen zeigen ihrer<br />
Auffassung nach allerdings, dass alleiniges<br />
Handeln der BÄK und dem PEI nicht<br />
ausreicht, und es an der Zeit ist, einen<br />
öffentlichen Diskurs mit Transparenz<br />
zu führen. Ziel sei es, eine Lösung zu<br />
erarbeiten, welche die Gesundheit und<br />
Sicherheit aller fördert und gleichzeitig<br />
Diskriminierung im Rahmen der Blutspende<br />
beendet. *mk