immobilia 2024/03 - SVIT
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IMMOBILIENRECHT<br />
IMMOBILIARSACHENRECHT<br />
sei wegen öffentlich rechtlichen Gebäudeabstandsvorschriften<br />
die Nutzbarmachung<br />
seines Näherbaurechts verwehrt.»<br />
Mit anderen Worten: Es profitiert der<br />
Erstbauende. Im vorliegen Fall somit derjenige,<br />
der über das bewilligte Bauprojekt<br />
verfügt. Der Zweitbauende muss bei einem<br />
allfälligen Bauprojekt von der Grenze abrücken,<br />
damit der Gebäudeabstand eingehalten<br />
werden kann. Somit konnte das konkrete<br />
Bauvorhaben realisiert werden 12 .<br />
H. DIENSTBARKEIT (AUSLEGUNG<br />
BAUBESCHRÄNKUNG)<br />
Im Grundbuch ist eine Dienstbarkeit<br />
«Baubeschränkung» aus dem Jahr 1933 mit<br />
folgendem Wortlaut eingetragen:<br />
«Auf dem belasteten Grundstück darf<br />
im Rahmen der jeweiligen Bauordnung der<br />
Gemeinde X nur eine freistehende Ein- und<br />
Zweifamilienvilla mit Garage erstellt werden,<br />
bestehend aus höchstens Erdgeschoss,<br />
1. Stock und ausgebautem Dachgeschoss.<br />
Der Neubau, der kein spitzwinkliges Giebeldach<br />
(maximale Dachneigung 45 Grad)<br />
erhalten darf, hat sich vom architektonisch-ästhetischen<br />
Gesichtspunkt aus der<br />
landschaftlichen Umgebung vorteilhaft anzupassen.<br />
Gilt als Recht gegenüber den berechtigten<br />
Grundstücken.»<br />
Der belastete Grundeigentümer ersuchte<br />
das Gericht um Feststellung, dass sein<br />
vorgesehenes Bauprojekt nicht im Widerspruch<br />
zu dieser Dienstbarkeit steht. Im<br />
Rahmen der Auslegung wurden die Begriffe<br />
«freistehend» und «Villa» in Verbindung<br />
mit dem Neubauprojekt näher definiert.<br />
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch<br />
wird als «freistehend» betrachtet, dass ein<br />
Haus nicht mit einem Nachbarhaus zusammengebaut<br />
oder verbunden ist. Die Qualität<br />
einer «Villa» weist ein freistehendes<br />
Gebäude von einer gewissen Grösse mit geringer<br />
Wohndichte (regelmässig ein Einfamilienhaus)<br />
und Garten auf, das vornehm<br />
und anspruchsvoll ist, d. h., sich durch seine<br />
Ausstattung und Gestaltung vor dem<br />
Gewöhnlichen auszeichnet und eine gewisse<br />
individuelle Gestaltung aufweist (keine<br />
Wiederholung eines verbreiteten Modells).<br />
Im Endergebnis wurde festgestellt, dass<br />
der geplante Neubau nicht im Widerspruch<br />
zur Dienstbarkeit steht 13 .<br />
I. DIENSTBARKEIT (NOTLEITUNG)<br />
Gemäss Art. 691 ZGB ist jeder Grundeigentümer<br />
verpflichtet, die Durchleitung<br />
von Röhren und Leitungen zur Versorgung<br />
und Entsorgung gegen vollständige Entschädigung<br />
zu gestatten, wenn ein anderes<br />
Grundstück sonst nicht oder nur mit unverhältnismässigen<br />
Kosten erschlossen werden<br />
kann (Notleitungsrecht).<br />
Im konkreten Fall verfügt das in der<br />
Landwirtschaftszone gelegene Grundstück<br />
über keinen Anschluss an die Trinkwasserversorgung<br />
der Gemeinde; es besteht bloss<br />
ein Quellenrechtsanteil, der für die Wasserversorgung<br />
nicht genügt.<br />
Nach Prüfung der Verhältnisse wurde<br />
gerichtlich verfügt, dass ein Durchleitungsrecht<br />
im Grundbuch einzutragen sei, wobei<br />
es keine Rolle spielt, ob für den Bau der<br />
Wasserleitung eine Baubewilligung nach öffentlichem<br />
Recht vorliegt oder nicht. Beide<br />
Verfahren sind unabhängig voneinander;<br />
eine Koordination ist nicht notwendig 14 .<br />
Der Papier-Schuldbrief<br />
als Sicherheit<br />
für eine Hypothek.<br />
J. ÜBERBAU<br />
Ist ein Überbau (auf ein Nachbargrundstück)<br />
unberechtigt, und erhebt der Verletzte,<br />
trotzdem dies für ihn erkennbar<br />
geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch,<br />
so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen,<br />
dem Überbauenden, der sich in gutem<br />
Glauben befindet, gegen angemessene<br />
Entschädigung das dingliche Recht auf den<br />
Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen<br />
werden (Art. 674 Abs. 3 ZGB).<br />
Konkret ging es um eine Aussentreppe zu<br />
einem Gebäude, die der seinerzeitige Bauherr<br />
erstellen liess. Dieser war nicht gutgläubig,<br />
da er den Grenzverlauf kannte und<br />
somit wusste, dass er auf fremdem Boden<br />
baute. Sein Rechtsnachfolger und heutiger<br />
Beschwerdeführer muss sich das Wissen<br />
seines Rechtsvorgängers anrechnen lassen,<br />
da die Ansprüche aus Art. 674 Abs. 3 ZGB<br />
real obligationenrechtlicher Natur sind.<br />
Hinzu kommt, dass der Zugang zum Gebäude<br />
nicht zwingend auf das Überbaurecht angewiesen<br />
ist, da noch andere Möglichkeiten<br />
auf dem eigenen Grundstück bestehen. Aus<br />
diesen Gründen hat die Vorinstanz (Obergericht<br />
des Kantons Appenzell Ausserrhoden)<br />
das Begehren abgewiesen, sodass weder das<br />
Überbaurecht noch das Eigentum am Boden<br />
zugesprochen werden konnte. Das Bundesgericht<br />
hat im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde<br />
dieses Urteil als nicht<br />
willkürlich beurteilt 15 .<br />
K. NACHBARRECHT<br />
(GRENZVORRICHTUNGEN)<br />
Stehen Vorrichtungen zur Abgrenzung<br />
zweier Grundstücke, wie Mauern, Hecken,<br />
Zäune, auf der Grenze, so wird Miteigentum<br />
der beiden Nachbarn vermutet (Art.<br />
670 ZGB).<br />
BILD: ROLAND PFÄFFLI<br />
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IMMOBILIA / März <strong>2024</strong>