11.03.2024 Aufrufe

immobilia 2024/03 - SVIT

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

IMMOBILIENRECHT<br />

IMMOBILIARSACHENRECHT<br />

sei wegen öffentlich­ rechtlichen Gebäudeabstandsvorschriften<br />

die Nutzbarmachung<br />

seines Näherbaurechts verwehrt.»<br />

Mit anderen Worten: Es profitiert der<br />

Erstbauende. Im vorliegen Fall somit derjenige,<br />

der über das bewilligte Bauprojekt<br />

verfügt. Der Zweitbauende muss bei einem<br />

allfälligen Bauprojekt von der Grenze abrücken,<br />

damit der Gebäudeabstand eingehalten<br />

werden kann. Somit konnte das konkrete<br />

Bauvorhaben realisiert werden 12 .<br />

H. DIENSTBARKEIT (AUSLEGUNG<br />

BAUBESCHRÄNKUNG)<br />

Im Grundbuch ist eine Dienstbarkeit<br />

«Baubeschränkung» aus dem Jahr 1933 mit<br />

folgendem Wortlaut eingetragen:<br />

«Auf dem belasteten Grundstück darf<br />

im Rahmen der jeweiligen Bauordnung der<br />

Gemeinde X nur eine freistehende Ein- und<br />

Zweifamilienvilla mit Garage erstellt werden,<br />

bestehend aus höchstens Erdgeschoss,<br />

1. Stock und ausgebautem Dachgeschoss.<br />

Der Neubau, der kein spitzwinkliges Giebeldach<br />

(maximale Dachneigung 45 Grad)<br />

erhalten darf, hat sich vom architektonisch-ästhetischen<br />

Gesichtspunkt aus der<br />

landschaftlichen Umgebung vorteilhaft anzupassen.<br />

Gilt als Recht gegenüber den berechtigten<br />

Grundstücken.»<br />

Der belastete Grundeigentümer ersuchte<br />

das Gericht um Feststellung, dass sein<br />

vorgesehenes Bauprojekt nicht im Widerspruch<br />

zu dieser Dienstbarkeit steht. Im<br />

Rahmen der Auslegung wurden die Begriffe<br />

«freistehend» und «Villa» in Verbindung<br />

mit dem Neubauprojekt näher definiert.<br />

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch<br />

wird als «freistehend» betrachtet, dass ein<br />

Haus nicht mit einem Nachbarhaus zusammengebaut<br />

oder verbunden ist. Die Qualität<br />

einer «Villa» weist ein freistehendes<br />

Gebäude von einer gewissen Grösse mit geringer<br />

Wohndichte (regelmässig ein Einfamilienhaus)<br />

und Garten auf, das vornehm<br />

und anspruchsvoll ist, d. h., sich durch seine<br />

Ausstattung und Gestaltung vor dem<br />

Gewöhnlichen auszeichnet und eine gewisse<br />

individuelle Gestaltung aufweist (keine<br />

Wiederholung eines verbreiteten Modells).<br />

Im Endergebnis wurde festgestellt, dass<br />

der geplante Neubau nicht im Widerspruch<br />

zur Dienstbarkeit steht 13 .<br />

I. DIENSTBARKEIT (NOTLEITUNG)<br />

Gemäss Art. 691 ZGB ist jeder Grundeigentümer<br />

verpflichtet, die Durchleitung<br />

von Röhren und Leitungen zur Versorgung<br />

und Entsorgung gegen vollständige Entschädigung<br />

zu gestatten, wenn ein anderes<br />

Grundstück sonst nicht oder nur mit unverhältnismässigen<br />

Kosten erschlossen werden<br />

kann (Notleitungsrecht).<br />

Im konkreten Fall verfügt das in der<br />

Landwirtschaftszone gelegene Grundstück<br />

über keinen Anschluss an die Trinkwasserversorgung<br />

der Gemeinde; es besteht bloss<br />

ein Quellenrechtsanteil, der für die Wasserversorgung<br />

nicht genügt.<br />

Nach Prüfung der Verhältnisse wurde<br />

gerichtlich verfügt, dass ein Durchleitungsrecht<br />

im Grundbuch einzutragen sei, wobei<br />

es keine Rolle spielt, ob für den Bau der<br />

Wasserleitung eine Baubewilligung nach öffentlichem<br />

Recht vorliegt oder nicht. Beide<br />

Verfahren sind unabhängig voneinander;<br />

eine Koordination ist nicht notwendig 14 .<br />

Der Papier-Schuldbrief<br />

als Sicherheit<br />

für eine Hypothek.<br />

J. ÜBERBAU<br />

Ist ein Überbau (auf ein Nachbargrundstück)<br />

unberechtigt, und erhebt der Verletzte,<br />

trotzdem dies für ihn erkennbar<br />

geworden ist, nicht rechtzeitig Einspruch,<br />

so kann, wenn es die Umstände rechtfertigen,<br />

dem Überbauenden, der sich in gutem<br />

Glauben befindet, gegen angemessene<br />

Entschädigung das dingliche Recht auf den<br />

Überbau oder das Eigentum am Boden zugewiesen<br />

werden (Art. 674 Abs. 3 ZGB).<br />

Konkret ging es um eine Aussentreppe zu<br />

einem Gebäude, die der seinerzeitige Bauherr<br />

erstellen liess. Dieser war nicht gutgläubig,<br />

da er den Grenzverlauf kannte und<br />

somit wusste, dass er auf fremdem Boden<br />

baute. Sein Rechtsnachfolger und heutiger<br />

Beschwerdeführer muss sich das Wissen<br />

seines Rechtsvorgängers anrechnen lassen,<br />

da die Ansprüche aus Art. 674 Abs. 3 ZGB<br />

real obligationenrechtlicher Natur sind.<br />

Hinzu kommt, dass der Zugang zum Gebäude<br />

nicht zwingend auf das Überbaurecht angewiesen<br />

ist, da noch andere Möglichkeiten<br />

auf dem eigenen Grundstück bestehen. Aus<br />

diesen Gründen hat die Vorinstanz (Obergericht<br />

des Kantons Appenzell Ausserrhoden)<br />

das Begehren abgewiesen, sodass weder das<br />

Überbaurecht noch das Eigentum am Boden<br />

zugesprochen werden konnte. Das Bundesgericht<br />

hat im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde<br />

dieses Urteil als nicht<br />

willkürlich beurteilt 15 .<br />

K. NACHBARRECHT<br />

(GRENZVORRICHTUNGEN)<br />

Stehen Vorrichtungen zur Abgrenzung<br />

zweier Grundstücke, wie Mauern, Hecken,<br />

Zäune, auf der Grenze, so wird Miteigentum<br />

der beiden Nachbarn vermutet (Art.<br />

670 ZGB).<br />

BILD: ROLAND PFÄFFLI<br />

30<br />

IMMOBILIA / März <strong>2024</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!