immobilia 2024/03 - SVIT
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langfristigen demografischen Trends derzeit deutlich,<br />
was zu einer etwas paradoxen Situation führt:<br />
hohe Nachfrage, keine Anzeichen für Angebotsausweitung.<br />
Was die Allokation in den Immobiliensektor<br />
betrifft, bin ich aber sehr zuversichtlich.<br />
Dieser bildet für langfristig orientierte Anlegerinnen<br />
einen Sockel mit stabilen Erträgen.<br />
Ist es vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund<br />
illusorisch zu glauben, die Politik<br />
könne mit einem Massnahmenkatalog den<br />
Wohnungsbau ankurbeln?<br />
Es ist die Summe verschiedener Faktoren. Wer an<br />
guter Lage mit vernünftigen Erfolgsaussichten und<br />
einer korrekten Entschädigung Immobilien realisieren<br />
kann, wird immer eine Finanzierung finden.<br />
Voraussetzung ist, dass die Fundamentaldaten<br />
stimmen. Wenn je nach Studie jährlich zwischen<br />
15 000 und 20 000 Wohnungen fehlen, stelle ich<br />
aber fest, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
tatsächlich nicht optimal sind und die Raumplanung<br />
teilweise versagt. Namentlich die erste<br />
Revision des Raumplanungsgesetzes wird nicht<br />
schnell und konsequent genug umgesetzt. Viele<br />
Eingriffe sind gut gemeint, führen aber in der Tendenz<br />
zu längeren Verfahren und einer Verteuerung<br />
des Bauens. Das zahlen am Schluss die Mieter.<br />
Stichwort Mieter: Sie messen die Mieterzufriedenheit<br />
regelmässig. Mit welchen<br />
Erkenntnissen?<br />
Es ist für uns wichtig zu erfahren, ob unser Angebot<br />
den Bedürfnissen von Mieterinnen und Mietern<br />
entspricht. Darum gehen wir in den Umfragen<br />
sehr ins Detail, beispielsweise mit Fragen zur Ausstattung,<br />
zu Mobilität, Ökologie, Aussenräumen<br />
und zur Kommunikation. Das sind für uns auch<br />
Anhaltspunkte für Investitionsentscheide. Veränderungen<br />
geben uns Hinweise, worauf wir verstärkt<br />
achten müssen. Auch die Dienstleistungsqualität<br />
der Bewirtschaftung wird abgefragt. Mit den<br />
jüngsten Ergebnissen konnten wir uns erstmals an<br />
einem Benchmark messen. Ergebnis ist, dass wir in<br />
wichtigen Aspekten über den Benchmarks liegen.<br />
Das ist für unsere Mitarbeitenden eine zusätzliche<br />
Motivation.<br />
Nachhaltigkeit ist derzeit in aller Munde und<br />
wird auch von Ihnen besonders herausgestrichen.<br />
Wie verstehen Sie Nachhaltigkeit?<br />
Alles, was heute im weitesten Sinn unter Nachhaltigkeit<br />
fällt, ist bei uns seit jeher Thema. Darum<br />
fühlen wir uns im ESG-Modell mit seinen<br />
drei Dimensionen Umwelt, Soziales und Governance<br />
zu Hause und haben sie für unsere Tätigkeit<br />
mit der Ökonomie als vierte Dimension für die gesamte<br />
Pensimo-Gruppe zu einem ganzheitlichen<br />
Ansatz fusioniert. Die Erkenntnis, dass keine der<br />
Dimensionen langfristig ohne die anderen funktioniert,<br />
leitet uns bei allen Handlungen. Das gilt es<br />
vor allem gegenüber all jenen zu betonen, die behaupten,<br />
Investoren wären nur an der kurzfristigen<br />
Rendite interessiert. Es braucht eine ständige<br />
Güterabwägung und Gewichtung, alle vier Dimensionen<br />
müssen einen positiven Wertschöpfungsbeitrag<br />
leisten.<br />
Warum haben Sie sich für ESG als Modell<br />
entschieden?<br />
Weil sich dieses Konzept in der Branche national<br />
und international mehr und mehr durchsetzt und<br />
Portfolios so vergleichbar macht. Für einen Investor<br />
mit einer Multi-Asset-Allocation ist dies entscheidend.<br />
Wir sind nach wie vor zurückhaltend<br />
gegenüber Labels, bekennen uns aber zu einer klaren<br />
Ausrichtung auf mess- und beschreibbare ESG-<br />
Kriterien in unseren Portfolios.<br />
Sie blicken auf eine langjährige Führungstätigkeit<br />
im Bereich der Immobilieninvestitionen<br />
zurück. Wie haben sich Umfeld,<br />
Anforderungen und die Tätigkeiten verändert?<br />
Wir stehen am Ende eines Superzyklus. Das hat<br />
einen grossen Einfluss auf die Wahrnehmung der<br />
jüngeren Menschen in unserer Branche. Bis 2022<br />
hatten wir 20 Jahre lang mit kurzen Unterbrüchen<br />
in gewissen Segmenten praktisch nur positive<br />
Wert entwicklungen. Das war wirklich eine ganz<br />
aussergewöhnliche Konstellation. Wir kamen gegen<br />
Ende der 1990er-Jahre aus einer tiefen Immobilienkrise.<br />
Immobilien waren als Anlageklasse<br />
verpönt. Die Branche galt als eher langweilig.<br />
… und auch weitgehend intransparent.<br />
Ja, das ist so. Der Druck nahm aber in jeder Beziehung<br />
zu – Einführung der Raumplanung, schwankende<br />
Energiepreise, verschärfte Rechnungslegung<br />
und der Zusammenbruch vieler Investoren und<br />
auch Banken trugen dazu bei, dass der Bau- und Immobiliensektor<br />
ab den 2000er-Jahren eine enorme<br />
Professionalisierung erlebte. Die Ökonomie und<br />
strenge Governance-Vorschriften hielten Einzug.<br />
Das verlangte neue Fachkräfte. So wurden neue<br />
Ausbildungsformate wie die Masterstudiengänge<br />
geschaffen. Etwa ab den 2010er-Jahren kamen<br />
wiederum «neue» Themen dazu: soziale, ökologische,<br />
prozessuale Aspekte – beispielsweise in der<br />
Erkenntnis, dass grosse Bauprojekte ohne partizipative<br />
Prozesse nicht mehr realisierbar sind.<br />
Gleichzeitig hat auch die Regulierung stark<br />
zugenommen.<br />
Das gilt für die Anlagestiftungen ganz besonders.<br />
Die Verordnung über die Anlagestiftungen trat<br />
erst 2011 in Kraft – im Vergleich zu Fonds relativ<br />
spät. Ich bin überzeugt, dass die Immobilienwirtschaft<br />
immer die nötigen Lehren aus Krisen<br />
und Verwerfungen gezogen hat. In der Branche ist<br />
das Bewusstsein für Verantwortung, Qualität und<br />
Langfristigkeit weit entwickelt.<br />
WIR SCHAUEN<br />
AM IMMOBI-<br />
LIENMARKT<br />
ZURÜCK AUF<br />
EINEN SUPER-<br />
ZYKLUS.<br />
*IVO CATHOMEN<br />
Dr. oec. HSG, ist<br />
Verleger der<br />
Zeitschrift Immobilia.<br />
IMMOBILIA / März <strong>2024</strong> 9