08.04.2024 Aufrufe

wasistlos April 2024

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

KURZKRIMI<br />

EINFALLSREICH - WITZIG - ANDERS<br />

DER FLUCH DER FÖRSTER-LIESL<br />

E I N E K R I M I - S A T I R E V O N E L L A W . A N D E R S<br />

Der füllige Max verschloss um 19 Uhr sehr sorgfältig die Eingangstür<br />

zu seinem vollgepferchten Trödel-Laden, der in einem malerischen,<br />

niederbayerischen Forsthaus integriert war. Max hatte das Holzhaus<br />

erst vor wenigen Jahren spottbillig vom Freistaat erworben, nachdem<br />

die hochbetagte Förster-Liesl den Löffel abgegeben hat. Das<br />

Häuschen auf der Waldlichtung passt zu ihm wie die Faust auf´s<br />

Auge. Max ist sechzig Jahre alt und nicht besonders groß. Aber seine<br />

mentale Größe gleicht das aus. Bei diesem Einfallsreichtum kann<br />

ihm keiner so schnell das Wasser reichen. Er ist ein Original und man<br />

huldigte ihm sogar schon im Fernsehen, im Dritten Programm.<br />

Bevor er nun die knarrende Treppe zur Privatwohnung in das obere<br />

Stockwerk hinauf stieg, riss er hinter der Verkaufstheke das Blatt<br />

des Wandkalenders ab und lachte laut auf. Morgen ist der 1. <strong>April</strong>!<br />

Und das ist seit Jahren sein Tag. Da foppt er Freund und Feind. Und<br />

immer wieder fallen sie alle aufs Neue auf ihn herein. Er weitet seinen<br />

jeweiligen <strong>April</strong>scherz meist nicht nur auf seine Bekannten und auf die<br />

geplagte Ehefrau aus, sondern auch auf seine ahnungslose Kundschaft,<br />

die von überall herbei strömt. Sie kramen im Trödel und suchen nach<br />

unentdeckten Kunst- und Wertgegenständen, bevor sie die angeblichen<br />

Schnäppchen mitsamt den dazu passenden, von Max frei erfundenen<br />

Legenden, sündteuer erstehen. Dann ziehen sie beglückt von dannen<br />

und empfehlen ihn als Geheimtipp weiter. So kann das Verkaufsgenie<br />

sehr gut leben. Max ist auch nicht zimperlich. Regelmäßig manipuliert er<br />

die an den Waldbäumen angebrachten Wegweiser für die Wanderwege<br />

und leitet die ortsunkundigen Urlauber über Umwege an seinem<br />

Forsthaus vorbei.<br />

Dort sitzt er schon erwartungsvoll in einem Schaukelstuhl direkt<br />

neben der weit offen stehenden Eingangstür zum Trödelladen. Eine<br />

Schnapsflasche steht auf dem verwitterten Baumstumpf neben ihm<br />

allzeit bereit. Und Max gibt sich leutselig. Er verfügt über eine gut<br />

trainierte Menschenkenntnis. Max erkennt sofort, wem er zusätzlich<br />

diesen selbstgebrannten Fusel als Medizin verkaufen darf und bei wem<br />

Vorsicht geboten ist. Da passt er höllisch auf. Denn damals, vor fünf<br />

Jahren, saß er einmal als U-Häftling wegen dringenden Mordverdachts<br />

für zwei Monate im Bau. Dann hatte sich durch glückliche Umstände<br />

seine Unschuld erwiesen. Aber das hat ihn geprägt.<br />

im Schlafzimmer auf das Ehebett und rief nach seiner Frau, die im<br />

Wohnzimmer ein Kreuzworträtsel löste: »Geh sei so gut, Roserl! Reib<br />

mir wieder den Rücken ein.« »Aber freilich, Max. Wo hast du denn die<br />

Rheumasalbe?«<br />

Nachdem dieser Wunsch erfüllt war und sein Rundrücken so brannte,<br />

als hätte er Feuer gefangen, fragte das etwas unscheinbar aussehende<br />

Roserl scheinheilig: »Was hast du dir denn diesmal zum 1. <strong>April</strong><br />

einfallen lassen, Maxl?« »Das wirst du schon sehen, Roserl.« »Aber<br />

mich klammerst du morgen aus, Max. Sonst kannst du dir den Rücken<br />

künftig selbst eincremen.« »Ah geh, Roserl. Wie soll ich denn das<br />

machen?« »Da fällt dir dann schon was ein, Max. Aber jetzt rück raus<br />

mit der Sprache. Was hast du morgen vor?« Max begann zu lachen.<br />

Er ließ sich vor Vergnügen seitwärts auf die Kissen fallen und japste:<br />

»Ich habe meinen Stammkunden auf Facebook geschrieben, dass die<br />

originale Kappe von Rotkäppchen in meinem Fundus entdeckt worden<br />

ist und ich sie morgen vormittags, um zehn Uhr, unten im Trödelladen<br />

an den Meistbietenden versteigern werde. Mindestgebot: 80 Euro.«<br />

Das Roserl war beeindruckt und fragte mit ernster Miene: »Und wenn dir<br />

das niemand glaubt?« »Dann zeige ich ihnen ein Echtheitszertifikat der<br />

Brüder Grimm.« »Woher nimmst du denn das künftige Corpus Delicti,<br />

Maxl?« Er bekam vor Lachen kaum noch Luft. Sein Bauch bebte und er<br />

kreischte: »Erinnerst du dich an den wurmstichigen Koffer, den wir beim<br />

Kauf des Hauses am Dachboden entdeckt haben? Da lag das Ding drin.<br />

Ich habe es mir probeweise über den Kopf gezogen und direkt gespürt,<br />

wie mir die Motten das Haar gerauft haben.« »Schäm dich Max! Das<br />

war der Koffer mit dem Mantel und der roten Wollkappe der seligen<br />

Förster-Liesl!«<br />

Max keuchte: »Ich weiß, Roserl! Den Rest verscherble ich ein<br />

andermal.« Das Roserl lächelte. »Bewahre die Mütze gut auf, Max.<br />

Man könnte sie stehlen.« »Bin ich blöd, Roserl? Ich habe sie der alten<br />

Schaufensterpuppe übergestülpt, die unten im Laden neben der<br />

Verkaufstheke steht.« Roserl ging zurück ins Wohnzimmer, zog ihr<br />

Smartphone aus der Schürzentasche, hielt es eng an die schmalen<br />

Lippen und flüsterte: »Hast du alles gehört, Arthur?« »Ja, Roserl. Dem<br />

zeigen wir es morgen! Und jetzt leg´auf.«<br />

»Da willst du nie wieder hin! So was möchtest du nicht mehr erleben! Das<br />

merkst du dir für alle Zeiten.«, schwört er dem örtlichen Gesetzeshüter<br />

Arthur immer wieder, wenn dieser ihm nach Dienstschluss gelegentlich<br />

Gesellschaft leistet und sich beide mit dem Fusel viel zu oft zugeprostet<br />

haben. Der ledige Arthur und Max sind beste Kameraden. Sie haben<br />

zur gleichen Zeit dieselbe Schulbank gedrückt und gemeinsam beim<br />

Militär in Mittenwald gedient. Sie können sich unbedingt aufeinander<br />

verlassen.Aber Schwamm drüber über die vergangenen Zeiten: Jetzt<br />

ging Max in das Badezimmer und entkleidete sich. Dann setzte er sich<br />

Im Morgengrauen des 1. <strong>April</strong> krähte ein Hahn aus dem Smartphone,<br />

das Max auf seinem Nachtschrank abgelegt hatte. Er schrak auf, tastete<br />

nach seiner Lesebrille, warf einen Blick auf das Display und knurrte:<br />

»Was ist los, Arthur?« »Ein Mord ist passiert!« Max empörte sich: »Und<br />

deswegen reißt du mich aus dem Schlaf, Arthur?« »Die Ermordete trägt<br />

eine rote Wollkappe. Unser Kriminallabor hat menschliche Haare aus<br />

der Wolle sichergestellt. Die Kollegen haben sie unter anderem auch<br />

mit deiner DNA abgeglichen. Und jetzt ist klar, dass du etwas mit dem<br />

Mordopfer zu tun hast.« Max kratzte sich am Kopf. »Nicht gut möglich,<br />

12

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!