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Ökologische Aspekte der Gewässerentwicklung - HYDRA-Institute

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<strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Alpenrheinzuflüsse und Bäche im Rheintal<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein<br />

Projektgruppe Gewässer- und Fischökologie<br />

2004


<strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Alpenrheinzuflüsse und Bäche im Rheintal<br />

Auftrag:<br />

Autor: Peter Rey, <strong>HYDRA</strong><br />

Begleitende Arbeitsgruppe<br />

Gewässer- und Fischökologie <strong>der</strong> IRKA<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein (IRKA),<br />

Aktenplan-Nr. 8703. 05. 12<br />

Guido Ackermann, AJF St. Gallen<br />

Emanuel Banzer, TBA Liechtenstein<br />

Dietmar Buhmann, Umweltinstitut Vorarlberg<br />

Michael Eugster, AfU St. Gallen<br />

Jakob Grünenfel<strong>der</strong>, ANU Graubünden<br />

Gerhard Hutter, Umweltinstitut Vorarlberg<br />

Theodor Kindle, AfU Liechtenstein (Vorsitzen<strong>der</strong>)<br />

Stefanie Leibfried, AfU Liechtenstein<br />

Heinz Meier, TBA St.Gallen<br />

Marcel Michel, AJF Graubünden<br />

Sigurd Mönch, IRKA, (Programmbeauftragter)<br />

Walter Peyer, Amt für Raumentwicklung St.Gallen<br />

Roland Rie<strong>der</strong>er, AJF St.Gallen<br />

Hermann Wirth, Landeswasserbauamt Vorarlberg


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein (IRKA)<br />

Projektgruppe Gewässer- und Fischökologie<br />

Autor, Grafik und Gestaltung:<br />

Peter Rey, <strong>HYDRA</strong><br />

e-mail: p.rey@hydra-institute.com, Internet: www.hydra-institute.com<br />

Bezugsadresse:<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein, Programmbeauftragte<br />

Aurelia Spadin, Eichweg 2, CH–7430 Thusis, Tel. +41 / 81 / 2573234<br />

e-mail: info@alpenrhein.net, Internet: www.alpenrhein.net<br />

Projektgruppe Gewässer- und Fischökologie:<br />

Vorsitz: Theodor Kindle, Amt für Umwelt, Fürstentum Liechtenstein<br />

Städtle 38, FL-9490 Vaduz<br />

Tel. +423 / 23 66190<br />

e-mail: theodor.kindle@aus.llv.li<br />

Preis: EUR 10.– / CHF 15.–<br />

Design / Umschlag:<br />

Medienbüro Oehri & Kaiser AG, Kommunikation, PR und Design, FL–9492 Eschen


Vorwort<br />

Vorwort<br />

Übergeordnetes Ziel <strong>der</strong> Kooperationsvereinbarung (1998) <strong>der</strong> Internationalen Regierungskommission<br />

Alpenrhein (IRKA) ist eine sichere und nachhaltige Entwicklung des Alpenrheingebietes. Ein<br />

Schwerpunktbereich des Aktionsprogrammes Alpenrhein 2000 + <strong>der</strong> IRKA sieht vor, das Ökosystem<br />

Alpenrhein samt seiner Zuflüsse und Kanäle mit Blick auf ursprünglich vorhandene natürliche Zustände<br />

zu verbessern.<br />

Mo<strong>der</strong>nes Gewässermanagement denkt einzugsgebietsbezogen. In diesem Sinne behandelt das Entwicklungskonzept<br />

Alpenrhein den Alpenrhein als Teil des gesamten Flusssystems Rhein und als<br />

Hauptzufluss des Bodensees. Als Grundlage für ein integriertes Flussgebietsmanagement werden für<br />

die Alpenrheinzuflüsse eigene, auf die Bedürfnisse des Hauptflusses abgestimmte Entwicklungskonzepte<br />

erstellt. In diesen Entwicklungskonzepten müssen Fragen des Gewässerschutzes, <strong>der</strong> nachhaltigen<br />

Nutzung und des Hochwasserschutzes international abgestimmt und behandelt werden.<br />

Wie <strong>der</strong> Alpenrhein als Hauptfluss, so erstrecken sich auch dessen Zuflusssysteme oft über Län<strong>der</strong><br />

und Kantone, zumindest aber über Gemeindegrenzen. Die Zusammenarbeit aller politisch und fachlich<br />

Betroffenen o<strong>der</strong> Interessierten ist daher Voraussetzung einer erfolgreichen Maßnahmenfindung<br />

und <strong>der</strong>en Umsetzung. Dabei ist die Öffentlichkeit laufend über den Stand <strong>der</strong> Planungen, die umgesetzten<br />

Maßnahmen, <strong>der</strong>en Auswirkungen und Erfolge zu informieren. Gewässer „zu entwickeln“<br />

heißt in den meisten Fällen, ihnen insbeson<strong>der</strong>e wie<strong>der</strong> mehr Raum zur Verfügung zu stellen. Gerade<br />

dieser politisch wichtige Aspekt verlangt nach einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit und Akzeptanz <strong>der</strong><br />

Bevölkerung.<br />

Einen guten ökologischen Zustand, die Hochwassersicherheit und die nachhaltige Nutzbarkeit <strong>der</strong><br />

Flussgebiete gemeinsam zu erhalten o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> herzustellen ist eine Neuausrichtung <strong>der</strong> Wasserpolitik.<br />

Sie soll zusammen mit dem Alpenrhein nun auch an seinen Zuflüssen und den an<strong>der</strong>en Bächen<br />

im Rheintal zügig umgesetzt werden.<br />

Die bisherigen menschlichen Eingriffe in das Flusssystem Alpenrhein haben zu einer massiven Beeinträchtigung<br />

<strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit geführt. Darin liegen die <strong>der</strong>zeit noch größten,<br />

ungelösten Probleme in diesem Bereich. Vor diesem Hintergrund wurden im vorliegenden Handbuch<br />

neben den grundsätzlichen, den schutzwasserbaulichen und raumplanerischen, vor allem die ökologischen<br />

<strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> in den Vor<strong>der</strong>grund gestellt.<br />

Als <strong>der</strong>zeitiger Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> IRKA danke ich allen, die an <strong>der</strong> Entstehung dieser Handlungsanleitung<br />

beteiligt waren und empfehle <strong>der</strong>en Anwendung im Sinne <strong>der</strong> Zusammenarbeitsvereinbarung<br />

allen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Internationalen Regierungskommission Alpenrhein.<br />

Dr. Herbert Sausgruber<br />

Landeshauptmann Vorarlbergs<br />

Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Internationalen Regierungskommission Alpenrhein<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

3


4<br />

Inhalt<br />

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

Karte des Alpenrhein-Einzugsgebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

1 Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

1.1 <strong>Gewässerentwicklung</strong> als Handlungserfor<strong>der</strong>nis im Alpenrheingebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

1.2 <strong>Gewässerentwicklung</strong> als integriertes Flussgebietsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

1.3 Ökonomische Relevanz <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

1.4 Flussgebietseinheiten - Systemarer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

1.5 Anlass für eine <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

1.6 Prioritäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

1.7 Indikatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

1.8 Abstimmung <strong>der</strong> Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

A1 Arbeitsmaterialien zu Kapitel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

A1.1 <strong>Ökologische</strong> Funktionsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

A1.2 Beispiele für integrietes Flussgebietsmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

A1.2.1 Die EU-Wasserrahmenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

A1.2.2 Kooperationsvereinbarung <strong>der</strong> IRKA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

A1.2.3 Rhein 2020-Programm zur nachhaltigen Entwicklung des Rheins . . . . . . . . . . . . 22<br />

A1.3 Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

A1.4 Prioritätensetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

A1.5 Weiterführende Begriffserläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

2 Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

2.1 Schematischer Ablauf <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

2.2 Ökosystembausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

2.1 Fließgewässerzonierung und Gewässertypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

A2 Arbeitsmaterialien zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

A2.1 Vorüberlegungen, Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

A2.2 Ökosystembausteine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />

A2.3 Fließgewässerzonierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

A2.4 Gewässertypen im Alpenrheingebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

A2.4.1 Kategorisierung <strong>der</strong> Gewässertypen im Alpenrheingebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

A2.5 Gewässerabschnitte von beson<strong>der</strong>er Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

A2.5.1 Mündungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

A2.5.2 Perioden (Riffle-Pool-Abfolgen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

A2.5.3 Erosions-, Alluvionszonen (Akkumukationszonen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

A2.5.4 Totholzstrecken, Totholzverklausungen, Sturzbäume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

A2.5.5 Laufgabelungen (mit und ihne Inselbildung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

Inhalt<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Inhalt<br />

A2.5.6 Laufverengungen / Laufweitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

A2.5.7 Strukturen <strong>der</strong> Laufkrümmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

A2.6 Weiterführende Begriffserläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

3 Abklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

3.1 Ist-Zustands-Erhebung (Inventarisierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

3.2 Referenzzustände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

3.2.1 Visionäres Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

3.2.1 Potenziell natürlicher Gewässerzustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

3.3 Indikatoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

3.3.1 Äußerer Aspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

3.4 Defizitanalyse und Entwicklungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

3.2.1 Defizitanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

3.2.2 Entwicklungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

3.5 Rahmenbedingungen, Restriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

3.6 Entwicklungspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63<br />

3.7 Entwicklungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64<br />

3.8 Handlungserfor<strong>der</strong>nisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

A3 Arbeitsmaterialien zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

A3.1 Prinzipielle Defizite, Probleme und Entwicklungsbedarf im Alpenrheingebiet . . . . . 67<br />

A3.1.1 Gewässerverschmutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

A3.1.2 Allgemeine strukturelle Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67<br />

A3.1.3 Funktionelle Entwertung <strong>der</strong> Mündungsbereiche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

A3.1.4 Unterbrechung <strong>der</strong> Durchgängigkeit (Fließwasserkontinuum) . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

A3.1.5 Absinken des Grundwasserspiegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71<br />

A3.1.6 <strong>Ökologische</strong> Defizite durch Wasserkraftnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72<br />

A3.1.7 <strong>Ökologische</strong> Defizite durch Kiesbewirtschaftung und an<strong>der</strong>e Trübstoffe.. . . . . . 75<br />

A3.1.7 Erfassung <strong>der</strong> Gewässerdefizite im Alpenrheingebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

A3.2 Hinweise zur Istzustands-Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

A3.2.1 Bioindikatoren für Alpenrheinzuflüsse und an<strong>der</strong>e F. im Rheintal. . . . . . . . . . . . 80<br />

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

4 Maßnahmenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

4.1 Ergänzende Abklärungen, Instrumente und Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

4.2 Planungsorganisation, Projektierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

4.3 Maßnahmentypen und entsprechen<strong>der</strong> Raumbedarf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

4.3.1 Raumbedarf verschiedener Fließgewässer-Lauftypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

4.3.2 Pendelband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />

4.3.3 Gewässerrandflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />

4.4 Varianten und Variantenentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

4.4.1 Erstellung und Auswahl von Planungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />

4.4.2 Konfliktpotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.5 Räumlich-zeitliche Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.5.1 Projektperimeter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.5.2 Baulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.5.3 Zeitplan (Meilensteinplan). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

5


6<br />

4.6 Grenzen <strong>der</strong> Eigendynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.6.1 Diskussionslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

4.6.2 Interventionslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

4.7 Erstellung <strong>der</strong> Situationspläne, GIS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

4.7.1 Übersichts- und Situationspläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

4.7.2 Einsatz eines GIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

4.8 Öffentlichkeitsarbeit und Visualisierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

4.8.1 Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

4.8.2 Visualisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

A4 Arbeitsmaterialien zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

A4.1 <strong>Ökologische</strong> Prinzipien <strong>der</strong> Maßnahmenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

A4.1.1 Prinzipien <strong>der</strong> Nachhaltigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

A4.1.2 Prinzipien <strong>der</strong> Systemaufwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103<br />

A4.1.3 Betrachtungsebenen bei <strong>der</strong> Maßnahmenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104<br />

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108<br />

5 Maßnahmenumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />

5.1 Maßnahmentypen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Eigendynamik von Fließgewässern . . . . . . . . . . . 111<br />

5.1.1 Gerinneaufweitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111<br />

5.1.2 Geschiebemobilisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

5.2 Gestaltende Maßnahmentypen, Ersatzmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

5.2.1 Erhöhung <strong>der</strong> Gerinnebreiten- und Tiefenvariabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114<br />

5.2.2 Sicherungsbauwerke als Elemente <strong>der</strong> ökologischen Aufwertung . . . . . . . . . . . . . 116<br />

5.2.3 Lebendverbau, Bestockung, Erhaltung wertvoller Vegetationselemente . . . . . . . . 119<br />

5.2.4 Fischaufstiegshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />

5.2.5 Totholzeintrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

5.2.6 Wie<strong>der</strong>bewässerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

5.2.7 Bestandesbergungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

5.3 <strong>Ökologische</strong> Baubegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

5.3.1 Stellenwert und Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

5.3.2 Aufgaben <strong>der</strong> ökologischen Baubegleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

5.4 <strong>Ökologische</strong> Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />

5.4.1 Ist-Zustands-Erhebung nach Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />

5.4.2 Monitoring <strong>der</strong> ökologischen <strong>Gewässerentwicklung</strong>. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129<br />

A5 Arbeitsmaterialien zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

A5.1 <strong>Ökologische</strong> Prinzipien bei <strong>der</strong> Maßnahmenumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

A5.1.1 Verhältnismäßigkeit wasserbaulicher Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

A5.1.2 Verwendung gewässertypischer Materialien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

A5.1.3 Modifikation gegenüber <strong>der</strong> Maßnahmenplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

A5.2 Fotografische Visualisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />

Weiterführende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133<br />

Beilagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137<br />

Beispiele für die Dokumentation und Archivierung von Maßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138<br />

Stand <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahmen im Alpenrheintal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Inhalt<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Vorbemerkung<br />

Vorbemerkung<br />

Zielsetzung<br />

Mit dem vorliegenden Handbuch stellt die IRKA eine Sammlung wichtiger Grundlagen für die Planung<br />

und Durchführung von <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahmen an Alpenrheinzuflüssen und an<strong>der</strong>en<br />

Fließgewässern im Alpenrheintal vor. Im Vor<strong>der</strong>grund stehen die ökologischen Gesichtspunkte,<br />

doch werden auch schutzwasserbauliche und raumplanerische Ziele berücksichtigt. Gemeinsam sollen<br />

sie einen Beitrag zu einem integrierten Flussgebietsmanagement leisten. Das Handbuch versteht sich<br />

als Informationssammlung und “Checkliste” für eine systematische Herangehensweise an die wichtigsten<br />

ökologischen Inhalte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung, beginnend mit den ersten Vorüberlegungen<br />

bis hin zur Erfolgskontrolle umgesetzter Maßnahmen. Die meisten hier aufgeführten Beurteilungs-,<br />

Planungs- und Umsetzungsvorschläge lassen dem Nutzer jedoch einen Handlungsspielraum.<br />

Damit wird <strong>der</strong> Tatsache Rechnung getragen, dass Fließgewässer stets individuelle Objekte sind, die<br />

auf <strong>der</strong> Basis allgemeiner Prinzipien auch jedes für sich betrachtet und entwickelt werden müssen.<br />

Aufbau des Handbuchs<br />

In <strong>der</strong> Arbeit werden zunächst die grundsätzlichen <strong>Aspekte</strong> (Kap. 1) sowie die Ebenen und Schritte<br />

<strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> (Kap. 2) vorgestellt. Diese beiden Kapitel sind mit einer grauen Randleiste<br />

versehen. Der folgende gelbe Teil (Kap. 3) behandelt den Komplex <strong>der</strong> Abklärungen. Im roten Teil<br />

(Kap. 4) wird die Maßnahmenplanung beschrieben und im blauen Teil die Umsetzung <strong>der</strong> Maßnahmen<br />

und die Erfolgskontrolle (Kap. 5).<br />

Das Handbuch enthält keine Arbeitsvorlagen zur Bestimmung des Ist-Zustands (beispielhafte Protokolle,<br />

Arbeitshilfen und Facharbeiten). Dieses Feld ist bereits durch umfangreiche Literatur abgedeckt.<br />

Maßgebliche Quellen und weiterführende Arbeiten sind im Literaturanhang aufgeführt.<br />

Das Handbuch ist auf dem Kenntnisstand des Jahres 2003 verfasst. Neue Entwicklungen und Rechtsgrundlagen<br />

müssen daher in Zukunft stets berücksichtigt werden.<br />

Peter Rey<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

7


8<br />

4<br />

Karte des Alpenrhein- Einzugsbebiets<br />

1 Alpenrhein 36 Ehbach<br />

2 Vor<strong>der</strong>rhein 37 Alter Rhein<br />

3 Hinterrhein<br />

4 Medelserrhein<br />

38 Alter Rhein /<br />

Hohenemser Kurve<br />

St. Gallen<br />

5 Somvixerrhein 39 Koblacher Kanal /<br />

6 Ferrerabach<br />

Rheintal-Binnenkanal V<br />

7 Tscharbach 40 Dornbirnerach<br />

8 Frisalbach 41 Schwarzach<br />

9 Valserrhein 42 Bregenzerach<br />

10 Glogn<br />

43 Rotach<br />

11 Rabiosa<br />

44 Weissach<br />

12 Flemsbach 45 Bolgenach<br />

13 Averserrhein<br />

14 Albula<br />

15 Julia<br />

16 Landwasser<br />

17 Flüelabach<br />

18 Dischmabach<br />

19 Sertigbach<br />

20 Tuorsbach<br />

21 Plessur<br />

22 Landquart<br />

46 Subersach<br />

23 Tamina<br />

24 Saarkanal<br />

25 Liechtensteiner Binnenkanal<br />

26 Esche<br />

27 Werdenberger Binnenkanal<br />

28 Rheintaler Binnenkanal SG<br />

29 Spirsbach<br />

30 Ill<br />

31 Samina<br />

32 Meng<br />

33 Lutz<br />

Sargans<br />

34 Alfenz<br />

35 Frutz<br />

12 Reichenau<br />

2<br />

6<br />

Disentis<br />

5<br />

8<br />

Ilanz<br />

Vals<br />

Splügen<br />

Das Gewässernetz des Alpenrheins.<br />

Blau: Alpenrheinzuflüsse und Bäche im Talgrund<br />

(Basismaßstab 1:50 000);<br />

grün: Einzugsgebiet <strong>der</strong> Alpenrheinzuflüsse<br />

(Basismaßstab 1:200 000)<br />

7<br />

10<br />

9<br />

11<br />

3<br />

Thusis<br />

3<br />

37<br />

Rorschach<br />

27<br />

24<br />

23<br />

Vaduz<br />

1<br />

Lindau<br />

Feldkirch<br />

Landquart<br />

Chur<br />

21<br />

Inner- Ferrera<br />

13<br />

25<br />

14<br />

29<br />

26<br />

31<br />

28<br />

Arosa<br />

Lenzerheide<br />

Rankweil<br />

Tiefencastel<br />

15<br />

39<br />

35<br />

36<br />

38<br />

32<br />

30<br />

43<br />

Bregenz<br />

44<br />

42<br />

41<br />

Dornbirn<br />

40<br />

22<br />

16<br />

14<br />

33<br />

Bludenz<br />

20<br />

30 Km<br />

42<br />

Schruns<br />

17<br />

Davos<br />

45<br />

46<br />

34<br />

30<br />

Klosters<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein<br />

19<br />

18


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

1 Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Fließgewässer und ihre Auen stellen ein komplexes Wirkungsgefüge dar und bilden ein zusammenhängendes<br />

Netz von Lebensräumen und den sie nutzenden Lebensgemeinschaften. Dieser Biotopverbund<br />

bedeckt und durchdringt die gesamte Landschaft und bezieht damit auch die dazwischen liegenden<br />

terrestrischen Lebensräume und kleinere Stillgewässer mit ein. Die Biozönosen sind nur ein<br />

Kompartiment des gesamten Ökosystems Fließgewässer. Weitere Kompartimente o<strong>der</strong> Ökosystembausteine<br />

(Kap 2.2) sind die Morphologie (Ökomorphologie, Strukturökologie) und die davon abhängige<br />

Vernetzung <strong>der</strong> Landschaftselemente (z.B. Gewässer – Aue – Vernetzung, Fließwasserkontinuum),<br />

<strong>der</strong> qualitative und quantitative Zustand des Wasserkörpers (Wasserqualität und Wasserhaushalt)<br />

sowie <strong>der</strong> Stoffhaushalt (Massetransport). Funktionelle Defizite in einem dieser Kompartimente<br />

haben immer mehr o<strong>der</strong> weniger große Auswirkungen auf die an<strong>der</strong>en und damit letztlich auf das gesamte<br />

System.<br />

1.1 <strong>Gewässerentwicklung</strong> als Handlungserfor<strong>der</strong>nis im Alpenrheingebiet<br />

Auf Grund <strong>der</strong> schutzwasserbaulichen Eingriffe seit <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts und <strong>der</strong><br />

Einflüsse des dynamischen Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums knapp hun<strong>der</strong>t Jahre später ist<br />

heute ein Großteil <strong>der</strong> Gewässer im Alpenrheingebiet in ihrer ökologischen Funktionsfähigkeit (Kap.<br />

A1.1) massiv beeinträchtigt. Fließgewässer im Alpenrheintal wie auch im ganzen Einzugsgebiet mangelt<br />

es vor allem an struktureller Vielfalt und entsprechendem Lebensraumangebot für ursprüngliche<br />

Tier- und Pflanzengesellschaften. Einige an Gewässer und Feuchtgebiete gebundene Arten sind akut<br />

vom Aussterben bedroht o<strong>der</strong> verschwunden. Auch ist die heutige Struktur <strong>der</strong> Fließgewässersysteme<br />

wesentlich für den Ablauf von Hochwasserereignissen<br />

im Rheintal verantwortlich.<br />

Defizitärer Zustand<br />

Fehlende Struktur bedeutet darüber hinaus<br />

auch Verlust an Selbstreinigungskraft<br />

<strong>der</strong> Gewässer und stört das Bild und den<br />

Erholungswert <strong>der</strong> Landschaft. Schmutz<br />

Revitalisierung<br />

und Schadstoffe werden nicht mehr ausge-<br />

Erhaltung und/o<strong>der</strong><br />

aktive Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

filtert, Nährstoffe nicht mehr gebunden.<br />

ökologischer Funktionsfähigkeit<br />

Dieses Defizit hält an, auch wenn wesentliche<br />

Probleme <strong>der</strong> Abwasserentsorgung<br />

bereits gelöst sind.<br />

(ökologische Funktionsfähigkeit ist beeinträchtigt o<strong>der</strong> durch Maßnahme gefährdet)<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Angestrebter Zustand<br />

Reifung des Systems<br />

Eigenstrukturierungen<br />

Sukzessionen<br />

relative Stabilisierungen<br />

Alterung<br />

System ist nachhaltig ökologisch funktionsfähig<br />

Abb. 1-1:<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong> als Impuls für natürliche Prozesse<br />

zur Wie<strong>der</strong>herstellung ökologischer Funktionsfähigkeit<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

1.2 <strong>Gewässerentwicklung</strong> als integriertes<br />

Flussgebietsmanagement<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong> gewinnt zunehmend<br />

an Bedeutung in <strong>der</strong> europäischen<br />

Umweltpolitik. In Österreich sind Gewässerbetreuungskonzepte<br />

Bestandteil <strong>der</strong><br />

Richtlinien für die Bundeswasserbauverwaltung<br />

und dienen schon seit 1994 zur<br />

Prioritätensetzung und För<strong>der</strong>ung gleichermaßen<br />

schutzwasserbaulicher als auch<br />

gewässerökologischer Ziele. Mit <strong>der</strong> seit<br />

Juli 2000 geltenden EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />

(Kap. A1.2.1) wurde dafür nun<br />

auch die internationale Basis gelegt.<br />

9


10<br />

Gleichzeitig wurden in <strong>der</strong> Schweiz Konzepte erarbeitet, die ebenfalls eine zielgerichtete, prozessorientierte<br />

Planung unter Beteiligung aller relevanten Fachgebiete för<strong>der</strong>n und ermöglichen (z.B. VSA-<br />

Richtlinie). Der Begriff <strong>der</strong> “ökologischen <strong>Gewässerentwicklung</strong>” steht dabei synonym für eine vom<br />

Menschen angestoßene Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit von Gewässern unter Berücksichtigung<br />

schutzwasserbaulicher und raumplanerischer Vorgaben. Betrachtet man <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

als Prozess (Abb. 1-1), so wird deutlich, dass nicht alle angestrebten Verän<strong>der</strong>ungen aktiv<br />

beeinflusst werden können. <strong>Gewässerentwicklung</strong> ist dann beson<strong>der</strong>s effizient und nachhaltig, wenn<br />

nicht versucht wird, einen Zielzustand in einem einzigen Schritt herbeizuführen, son<strong>der</strong>n vielmehr<br />

dem System einen entscheidenden Impuls zur natürlichen Eigendynamik und Reifung verleiht.<br />

Hochwasserschutz<br />

Raumplanung<br />

Gewässerschutz<br />

Gewässerökologische Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

Gewässer -<br />

entwicklung<br />

Abb. 1-2:<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong> als integriertes Flussgebietsmanagement<br />

aller zuständigen Verantwortungsträger und Interessensgruppen.<br />

Grün sind die im Handbuch zentral behandelten<br />

gewässerökologischen <strong>Aspekte</strong>.<br />

Nutzungsansprüche<br />

Gewässernutzung<br />

Schutzwasserrbauliche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung ist eine<br />

nachvollziehbar begründete, durchgehende<br />

und fachliche Leitlinie für die Behandlung<br />

<strong>der</strong> Gewässersysteme unter o.g. Gesichtspunkten.<br />

Sie ist damit einer Planung wasserbaulicher<br />

und gewässerpflegerischer Einzelmaßnahmen<br />

überzuordnen. Die Notwendigkeit<br />

einer nachhaltigen <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

für das Alpenrheingebiet im Konsens zwischen<br />

ökologischen, schutzwasserbaulichen<br />

und raumplanerischen Anfor<strong>der</strong>ungen ist aus<br />

diesen Ausführungen klar ersichtlich. Damit<br />

ist sie als integriertes Flussgebietsmanagement<br />

im Umgang mit den Gewässern anzusehen.<br />

Verantwortungsträger <strong>der</strong> Fachgebiete<br />

Schutzwasserwirtschaft, Gewässerschutz<br />

und Raumplanung sowie alle Nutzergruppen<br />

im und am Gewässer sind - je nach Objekt -<br />

in unterschiedlichem Maße an <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

beteiligt (Abb. 1-2).<br />

Die aktuellen Rechtsgrundlagen aller Alpenrheinanlieger<br />

(Kap. A1.3) lassen keinen<br />

Zweifel bezüglich <strong>der</strong> zentralen For<strong>der</strong>ung,<br />

im Rahmen jeglicher Maßnahmen im Bereich<br />

von Gewässern <strong>der</strong>en ökologische Funktionsfähigkeit<br />

zu erhalten bzw. wie<strong>der</strong> her-<br />

zustellen. Die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung ist ein starkes Handlungsinstrument, das positive Auswirkungen<br />

auf ganze Gewässersysteme zeigt. Punktuelle Verbesserungsmaßnahmen beinhalten dagegen<br />

nur mehr o<strong>der</strong> weniger große Teile <strong>der</strong> für den Gewässer- und Artenschutz benötigten planerischen<br />

Inhalte.<br />

Revitalisierungen (Maßnahmen zur Wie<strong>der</strong>belebung verloren gegangener ökologischer Funktionsfähigkeit)<br />

sind zweifellos die entscheidenden Werkzeuge des Gewässer- und Landschaftsschutzes, wenn<br />

es darum geht, Impulse für eine nachhaltige <strong>Gewässerentwicklung</strong> zu setzen.<br />

Natürliche Gewässersysteme unterliegen in beson<strong>der</strong>em Maße einer Eigendynamik und Reifung.<br />

Ökologisch funktionieren sie stets besser als vom Menschen beeinflusste Systeme, weil sie genügend<br />

Raum und Zeit zur Verfügung haben, sich selbst zu strukturieren und sukzessive besiedeln zu lassen.<br />

Ihre charakteristische ökologische Funktionsfähigkeit bleibt auch dann erhalten, wenn sich die dynamische<br />

Reifung in einer Alterung verlangsamt (z.B. Entwicklung von Mooren, Auenlehmbildung).<br />

Die natürlicherweise ablaufenden biotischen und abiotischen Vorgänge sind dabei sehr unterschiedlich<br />

und spezifisch, je nachdem, wo sich dieses Gewässersystem befindet, wie groß es ist und aus wel-<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

chen Gewässertypen es sich zusammensetzt. Diese Spezifität eines Gewässersystems kann im Rahmen<br />

von <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahmen niemals konstruiert werden.<br />

Impulse, die <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> durch geeignete Revitalisierungen gegeben werden, lassen sich<br />

am ehesten mit einer erfolgreichen medizinischen Behandlung vergleichen (Abb. 1-3). Revitalisierungen<br />

sind dabei nichts an<strong>der</strong>es als Therapien, die an einem kranken Organ (Gewässerabschnitt)<br />

durchgeführt werden und bei denen die individuellen Beson<strong>der</strong>heiten des jeweiligen Objektes Bach,<br />

Fluss o<strong>der</strong> See Berücksichtigung finden. Wie bei <strong>der</strong> medizinischen Behandlung muss man darauf achten,<br />

dass eine lokale therapeutische Maßnahme sich möglichst positiv auf den gesamten Organismus<br />

auswirkt (ganzheitlicher, systemarer Ansatz, Kap. 1.4 und S. 33).<br />

Medizinische Behandlung <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Patient<br />

Organ<br />

Anamnese<br />

Diagnose<br />

Behandlungsziel<br />

(anzustreben<strong>der</strong> Zustand)<br />

Therapie<br />

spezifisch<br />

ganzheitlich<br />

Gesundheit<br />

(angestrebter Zustand)<br />

gesunde Alterung<br />

Gewässersystem<br />

Gewässer<br />

Inventarisierung<br />

(Bestandsaufnahme)<br />

Defizitanalyse<br />

Entwicklungsziel<br />

(anzustreben<strong>der</strong> Zustand)<br />

Entwicklungsmaßnahme<br />

punktuell<br />

systembezogen<br />

1.3 Ökonomische Relevanz <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Koordinierte und problembezogene <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung kann zeitraubende Arbeiten im<br />

Rahmen an<strong>der</strong>er Abklärungen überflüssig machen. An Objekten, für die ein <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzept<br />

vorliegt, können Gel<strong>der</strong> für wissenschaftliche Abklärungen gezielter eingesetzt werden als im<br />

Rahmen unzusammenhängen<strong>der</strong> Fragestellungen (vgl. Kap. 1.6, Prioritäten):<br />

■ Erfasst werden müssen nur für die <strong>Gewässerentwicklung</strong> als notwendig erachtete Inhalte auf<br />

einem entsprechenden Niveau;<br />

■ die Durchführung <strong>der</strong> Ist-Zustands-Erhebung kann von einer o<strong>der</strong> wenigen Stellen aus gelenkt<br />

werden;<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

ökologische Funktionsfähigkeit<br />

(angestrebter Zustand)<br />

nachhaltige Reifung<br />

Abb. 1-3:<br />

Analogie zwischen medizinischer Behandlung und <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Impuls<br />

(Revitalisierung)<br />

Eigendynamik und<br />

Reifung<br />

11


12<br />

■ darüber hinaus gehende, detaillierte und damit auch kostspielige Abklärungen müssen nur dann<br />

vorgenommen werden, wenn sie in hohem Maße von wissenschaftlichem Interesse (z.B. geologischen/<br />

geografischen Beson<strong>der</strong>heiten, Vorhandensein gefährdeter Arten etc.) o<strong>der</strong> von aktueller umweltpolitischer<br />

Brisanz (z.B. Neozoenproblematik, fischereiliche Probleme etc.) sind; Gel<strong>der</strong> für Abklärungen<br />

von rein wissenschaftlichem Interesse können aus <strong>der</strong> Budgetierung <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

herausgenommen werden;<br />

■ die Recherche und Berücksichtigung bereits vorhandener Inventare im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

verhin<strong>der</strong>t Redundanz bei <strong>der</strong> Zustandsbewertung (Defizitanalyse).<br />

1.4 Flussgebietseinheiten - Systemarer Ansatz<br />

Analog zu <strong>der</strong> in <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinien verwendeten Einteilung ist auch für das Alpenrheingebiet<br />

in kleinerem Maßstab eine Bearbeitung <strong>der</strong> Gewässer nach Flussgebietseinheiten, also mit<br />

einem Systemaren Ansatz (vgl. S. 33 unten) zielführend (Abb. 1-4). Einige dieser Einheiten sind län<strong>der</strong>-<br />

bzw. kantonsübergreifend; die Planung muss hier über Verwaltungsgrenzen hinweg koordiniert<br />

werden. Ein beson<strong>der</strong>er Stellenwert in diesem Kontext kommt dem Alpenrhein selbst als Hauptgewässer<br />

des Systems zu. Das für ihn erstellte “Entwicklungskonzept Alpenrhein” hat sowohl systemintegrativen<br />

als auch in beson<strong>der</strong>em Maße koordinativen Charakter. Es ist daher als Herzstück<br />

aller <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzepte im Alpenrheingebiet zu betrachten. Alle an<strong>der</strong>en Planungen<br />

müssen auf dessen Zielsetzungen hin abgestimmt sein, werden aber auch ihrerseits die Entwicklung<br />

am Alpenrhein beeinflussen.<br />

Ob und inwieweit in ein Gewässersystem in Form einer Revitalisierung o<strong>der</strong> durch an<strong>der</strong>e Masnahmen<br />

<strong>der</strong> Sanierung eingegriffen werden kann, hängt davon ab, wie weit sich das System vom natürlich<br />

funktionierenden Zustand entfernt hat (Grad <strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit) und welche<br />

begrenzenden Rahmenbedingungen (Restriktionen, Kap. 3.5) eine Rückführung in einen natürlich<br />

funktionierenden Zustand verhin<strong>der</strong>n. Der entscheidende Begriff bei dieser Frage ist das Entwicklungspotenzial<br />

(Kap. 3.6). <strong>Gewässerentwicklung</strong> kann immer nur innerhalb verän<strong>der</strong>barer Komponenten<br />

eines Systems ablaufen. Die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung muss diesen Aspekt stets berücksichtigen,<br />

damit ein realistischer Zielzustand angestrebt werden kann.<br />

1.5 Anlass für eine <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Es ist nur selten möglich, alle Schritte einer systematisch aufeinan<strong>der</strong> aufbauenden <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

(vgl. Kap. 2) vollständig und in <strong>der</strong> idealen zeitlichen Abfolge durchzuführen. Es<br />

kommt vielmehr darauf an, was <strong>der</strong> Anlass für allfällige Eingriffe in die Gewässer ist.<br />

Es gibt zumindest drei prinzipielle Szenarien, die – jede für sich – eine zielgerichtete <strong>Gewässerentwicklung</strong>planung<br />

nötig machen können:<br />

1. Am Gewässer o<strong>der</strong> in Gewässernähe ist eine bauliche Maßnahme nötig/geplant. Dabei kann es sich<br />

sowohl um schutzwasserbauliche, siedlungswassertechnische als auch raumplanerische Maßnahmen<br />

handeln. Aber auch bei <strong>der</strong> Bebauung und Nutzung des Gewässerumlandes und <strong>der</strong> Gewässerrandstreifen<br />

entsteht Schutz- und Entwicklungsbedarf für das jeweils benachbarte Gewässer.<br />

2. Ein <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan wird als Element eines bereits bestehenden <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogrammes<br />

(Kap. A1.2.1) o<strong>der</strong> vergleichbarer Instrumente des integrierten Flussgebietsmanagements<br />

durchgeführt.<br />

3. Ein neues <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzept (Kap. A1.2.1) wird auf Grund auffälliger ökologischer<br />

Defizite und damit aus einem ausschließlich ökologischen Entwicklungsbedarf heraus erstellt.<br />

Je nach dem, welcher <strong>der</strong> hier aufgeführten Punkte eine <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung initiiert,<br />

können zeitliche und räumliche Prioritäten gesetzt werden (Kap. 1.6). Im Alpenrheingebiet werden<br />

diese von <strong>der</strong> internationalen Koordination mitbestimmt.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

1 Alpenrhein<br />

2 Vor<strong>der</strong>rhein<br />

3 Hinterrhein<br />

4 Medelserrhein<br />

5 Somvixerrhein<br />

6 Ferrerabach<br />

7 Tscharbach<br />

8 Frisalbach<br />

9 Valserrhein<br />

10 Glogn<br />

11 Rabiosa<br />

12 Flemsbach<br />

13 Averserrhein<br />

14 Albula<br />

15 Julia<br />

16 Landwasser<br />

17 Flüelabach<br />

18 Dischmabach<br />

19 Sertigbach<br />

20 Tuorsbach<br />

21 Plessur<br />

22 Landquart<br />

23 Tamina<br />

23b Saarkanal<br />

24 Liechtensteiner Binnenkanal<br />

25 Esche<br />

26 Werdenberger Binnenkanal<br />

27 Rheintaler Binnenkanal SG<br />

28 Spirsbach<br />

29 Ill<br />

30 Samina<br />

31 Meng<br />

32 Lutz<br />

33 Alfenz<br />

34 Frutz<br />

35 Ehbach<br />

36 Alter Rhein<br />

37 Alter Rhein / Hohenemser Kurve<br />

38 Koblacher Kanal / Rheintal-Binnenkanal<br />

39 Dornbirnerach<br />

40 Schwarzach<br />

41 Bregenzerach<br />

42 Rotach<br />

43 Weissach<br />

44 Bolgenach<br />

45 Subersach<br />

2<br />

4<br />

Tessin<br />

6<br />

5<br />

Staatsgrenze<br />

Kantons- /<br />

Län<strong>der</strong>grenze<br />

8<br />

7<br />

N<br />

a<br />

10<br />

h<br />

e<br />

n<br />

b<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

9<br />

St. Gallen<br />

12<br />

Appenzell<br />

Italien<br />

g<br />

f<br />

Vaduz<br />

Graubünden<br />

3<br />

11<br />

23b<br />

13<br />

23<br />

26<br />

14<br />

24<br />

28<br />

25<br />

1<br />

36<br />

27<br />

35<br />

c<br />

k<br />

30<br />

1<br />

Chur<br />

15<br />

37<br />

21<br />

38 39<br />

l m<br />

j<br />

34<br />

31<br />

22<br />

16<br />

29<br />

d<br />

Bregenz<br />

i<br />

o<br />

Vorarlberg<br />

Liechtenstein<br />

14<br />

41<br />

40<br />

20<br />

19<br />

42<br />

43<br />

32<br />

18<br />

45<br />

33<br />

17<br />

44<br />

40<br />

29<br />

40<br />

Flussgebietseinheiten<br />

Alpenrhein<br />

direkte Zuflüsse:<br />

a = Vor<strong>der</strong>rhein<br />

b = Hinterrhein<br />

c = Plessur<br />

d = Landquart<br />

e = Tamina/Saarebene<br />

f = Binnenkanal FL<br />

g = Spiersbach<br />

h = Werdenberger BK<br />

i = Ill<br />

j = Frutz<br />

k = Ehbach<br />

Bodenseezuflüsse:<br />

l = Vorarlberger BK<br />

m = Dornbirnerach<br />

n = Rheintaler BK<br />

o = Bregenzerach<br />

Abb. 1-4:<br />

Bisherige Aufglie<strong>der</strong>ung des Alpenrhein-Einzugsgebietes und des südöstlichen Bodensee-Einzugsgebietes in Flussgebietseinheiten.<br />

Im Rahmen von <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzepten größerer Flussgebiete (z.B. Ill, Vor<strong>der</strong>- und Hinterrhein) wird<br />

dort eine weitere Differenzierung erfolgen.<br />

13


14<br />

1.6 Prioritäten<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Die Bestimmung von Prioritäten für Programme und Maßnahmen steht in unserer heutigen Gesellschaft<br />

vor dem Hintergrund eines Konsenses zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz <strong>der</strong> Lebensgrundlagen<br />

(Nachhaltigkeitsprinzip). Dies schlägt sich sowohl in den Zweckartikeln nationaler<br />

Gesetzgebung als auch in internationalen Konventionen (z.B. Rio-Konvention) und Richtlinien (z.B.<br />

EU-Wasserrahmenrichtlinie) nie<strong>der</strong>.<br />

Dieser Konsens bedeutet für die <strong>Gewässerentwicklung</strong>, dass eine Gewichtung ökologischer, ökonomischer<br />

und sozialer Ziele erfolgen muss. Diese kann übergeordnerter Art sein und sich in einem<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramm nie<strong>der</strong>schlagen. In diesem Fall bestimmt eine Prioritätensetzung die<br />

Auswahl <strong>der</strong> für eine weitere Bearbeitung vorgesehenen Objekte (z.B. Flussgebietseinheiten). Prioritätensetzung<br />

kann aber auch objektbezogen erfolgen, um den Umfang und die Qualität einzelner<br />

Maßnahmen zu bestimmen. Dieser Schritt hängt dabei eng mit <strong>der</strong> Erfassung von Restriktionen (einschränkenden<br />

Rahmenbedingungen) und <strong>der</strong> Bestimmung von Entwicklungspotenzialen zusammen.<br />

Ausgehend von dieser Prämisse lässt sich genereller und spezifischer Konsens auf <strong>der</strong> Basis unterschiedlicher<br />

Prioritätenstufen finden (Tab. 1-1). Die jeweiligen Ziele können gegeneinan<strong>der</strong> gewichtet<br />

und mit dem Systemzustand zu einer Matrix verbunden werden (Kap. A1.4). Diese Gewichtung wird<br />

in zwei Konkretisierungsstufen <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> vorgenommen. Sie erfolgt zunächst, um die<br />

Notwendigkeit einer Maßnahme zu verdeutlichen. Nach <strong>der</strong> Inventarisierung (Kap. 3.1) führen die<br />

anhand von Indikatoren (Kap. 1.7) ermittelten Defizite und <strong>der</strong> daraus abgeleitete Entwicklungsbedarf<br />

(Kap. 3.2.2) noch einmal zu einer Modifikation und Konkretisierung <strong>der</strong> Schwerpunkte.<br />

Interessensgruppen<br />

oberste<br />

Priorität<br />

2. Priorität<br />

3. Priorität<br />

UMWELT<br />

"ökologische" Ziele<br />

und Werte<br />

Natur-/Gewässerschutz<br />

Gesundheit <strong>der</strong> Biozönosen<br />

Prioritäten<br />

WIRTSCHAFT<br />

ökonomische Ziele<br />

und Werte<br />

Wasserversorgung<br />

Trinkwasser/Brauchwasser<br />

Wasserqualität Schadensminimierung<br />

Naturnähe<br />

Struktur und Abfluss<br />

Lebensraumqualität<br />

Gewässer- und<br />

Raumnutzung,<br />

Energie<br />

(z.B. Wasserkraft)<br />

Artenvielfalt Rentabilität<br />

GESELLSCHAFT<br />

soziale Ziele<br />

und Werte<br />

Gesundheit<br />

Hochwassersicherheit<br />

Zukunftsperspektive<br />

Kulturerhaltung und<br />

Landschaftsästhetik<br />

Erholung und<br />

Freizeit<br />

Tab. 1-1:<br />

Prioritätensetzung berücksichtigt grundsätzliche ökologische, ökonomische und soziale Ziele (Interessen). Für die <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

ergeben sich unter an<strong>der</strong>em die hier aufgeführten Inhalte. Je nach Objekt o<strong>der</strong> Region können sich diese<br />

Prioritäten verschieben o<strong>der</strong> müssen erweitert werden.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

1.7 Indikatoren<br />

Indikatoren können sowohl Systemzustände als auch Stoffe, Strukturen, <strong>Aspekte</strong> o<strong>der</strong> Organismen<br />

sein. Sie eignen sich beson<strong>der</strong>s gut zur Bewertung <strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit eines Systems.<br />

Der Begriff des Indikators beschreibt ein Werkzeug, mit dessen Hilfe die Beurteilung eines ökologischen<br />

Zusammenhangs o<strong>der</strong> Ökosystems vereinfacht wird. Indikatoren liefern durch ihre Anwesenheit,<br />

ihr Fehlen o<strong>der</strong> ihren Zustand bereits eine indirekte Information über den Zustand des Systems.<br />

Da sie für die Prioritätensetzung (Kap. A1.4) bei <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung entscheidend<br />

sind, müssen sie zu jedem Zeitpunkt <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> in <strong>der</strong> jeweils möglichen Erhebungstiefe<br />

berücksichtigt werden (Tab. 1-2).<br />

Als Bioindikatoren werden alle Organismen o<strong>der</strong> biozönotische Einheiten bezeichnet, die in beson<strong>der</strong>em<br />

Maße auf Verän<strong>der</strong>ungen des Lebensraums reagieren und/o<strong>der</strong> eine Retrospektive erfolgter<br />

Belastungen o<strong>der</strong> -verbesserungen ermöglichen. In <strong>der</strong> heutigen Praxis wird vermehrt mit einer Kombination<br />

von Bioindikatoren und Indikatoren an<strong>der</strong>er Ökosystembausteine (Kap. 2.2) gearbeitet, um<br />

dem individuellen Charakter eines jeden Gewässers bei seiner Beurteilung Rechnung zu tragen.<br />

Indikatoren<br />

(ökologischer Fließgewässerzustand)<br />

Indikator Anzeiger für z.B. Erhebung Aussagewert<br />

Äußerer Aspekt<br />

Nährstoffe,<br />

Schadstoffe<br />

Temperaturen,<br />

pH-Wert<br />

Fischpopulation<br />

Fischgesundheit<br />

Artenvielfalt<br />

Fische<br />

Benthosbesiedlung<br />

Taxazahl Benthos<br />

Kontinuums-<br />

Unterbrechungen<br />

Uferstrukturen<br />

Ökomorphologie<br />

Strukturökologie<br />

Algenaufwuchs<br />

Makrophyten<br />

Verschiedenes, z.B.<br />

organolept. Beurteilung<br />

direkte und diffuse<br />

Einträge<br />

Lebensraum-<br />

Grenzbereiche<br />

Qualität <strong>der</strong><br />

Lebensräume<br />

chemische<br />

Wasserqualität<br />

Qualität <strong>der</strong><br />

Lebensräume<br />

Wasserqualität,<br />

vornehmlich Saprobie<br />

Qualität <strong>der</strong><br />

Lebensräume<br />

Durchgängigkeit<br />

Ufer-Gerinne-<br />

Verzahnung<br />

Qualität <strong>der</strong><br />

Lebensräume<br />

Trophie,<br />

Lichexposition<br />

bisherige Eindrücke,<br />

Aussehen, Geruch u.a.<br />

Konzentrationen<br />

Verläufe,<br />

Minima/Maxima<br />

Fangzahlen, Bestand,<br />

Altersstruktur<br />

Biometrie,<br />

veterinärbiol. Kontr.<br />

Artbestimmungen<br />

Saprobienindex,<br />

Makroindex etc.<br />

Artenvielfalt<br />

Lokalisierung<br />

Charakterisierung<br />

Lokalisierung<br />

Charakterisierung<br />

Beurteilung<br />

Charakterisierung<br />

Beurteilung<br />

Tab. 1-2:<br />

Beispiele für Indikatoren des ökologischen Fließgewässerzustands. Diese Liste muss je nach Zielsetzung <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

und Objekt modifiziert, ergänzt o<strong>der</strong> durch Indikatorarten spezifiziert werden.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

für Basisbeurteilung<br />

sehr hoch<br />

hoch<br />

hoch<br />

sehr hoch<br />

hoch<br />

hoch<br />

mittel<br />

sehr hoch<br />

sehr hoch<br />

hoch<br />

hoch<br />

15


16<br />

1.8 Abstimmung <strong>der</strong> Maßnahmen<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Aus einer Formulierung dieses Zielzustandes und <strong>der</strong> danach erwarteten Eigendynamik des Systems<br />

leitet sich das Spektrum <strong>der</strong> Maßnahmen ab, die für die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung vorgesehen<br />

werden. Die Maßnahmen dürfen im System keine falschen Impulse setzen. Revitalisierungen, die dem<br />

jeweiligen Gewässertyp (Kap. A2.4) nicht entsprechen, unterbrechen den Systemcharakter und<br />

schränken das Potenzial <strong>der</strong> Vernetzungen ein. Meist beson<strong>der</strong>s kostspielige “kosmetische” Maßnahmen,<br />

bei denen <strong>der</strong> angestrebte Zustand in einem einzigen Schritt erreicht werden soll, werden in <strong>der</strong><br />

Regel durch die danach einsetzende Eigendynamik des Gewässers verän<strong>der</strong>t (überprägt) o<strong>der</strong> benötigen<br />

zumindest einen unangemessenen Unterhaltsaufwand.<br />

Auch wenn sie nicht von Anfang an als Handlungserfor<strong>der</strong>nisse (Kap. 3.8) erkennbar sind, müssen bei<br />

<strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung alle in Frage kommenden Maßnahmen aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt<br />

werden. Nur so lässt sich <strong>der</strong> maximale Aufwand (arbeitstechnisch und finanziell) abschätzen, <strong>der</strong> eine<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong> begleitet. Für die Praxis heißt dies, dass vorbereitende o<strong>der</strong> zusätzliche Arbeiten<br />

stets als Bestandteil aufwändiger Maßnahmen in <strong>der</strong> Planung berücksichtigt werden sollten. Auch<br />

wenn sich die Entwicklungsprozesse in erwünschtem Maße einstellen, werden doch immer wie<strong>der</strong><br />

unvorhersehbare Unterhalts- und Pflegemaßnahmen nötig, um z.B. die Hochwassersicherheit und<br />

Umlandnutzung nachhaltig zu gewährleisten.<br />

Zunehmen<strong>der</strong> Revitalisierungsaufwand<br />

Wasserbauliche Neugestaltung<br />

Meist aufwändige, wasserbautechnische Eingriffe zur naturnahen und gewässertypischen Umgestaltung<br />

von degradierten Fließstrecken, z.B. großräumige Gerinneaufweitungen<br />

Gewässer-Instandhaltung, Instandsetzung (Unterhaltsmaßnahmen)<br />

Über einfache Gewässerpflege und Ausscheidung von Gewässerraum hinausgehende, teilweise technische<br />

Eingriffe zum Erhalt und zur Verbesserung bestimmter natürlicher Funktionen des Fließgewässers.<br />

Strukturierung von Fließgewässern ohne aufwändige wasserbauliche Neugestaltung.<br />

Raum für die Gewässer, Reaktivierung <strong>der</strong> Gewässerrandflächen,<br />

Ausscheidung ökologisch wertvoller Flächen<br />

Extensivierung o<strong>der</strong> Beendigung <strong>der</strong> Bewirtschaftung (Ausscheiden / Landaufkauf) von<br />

Gewässerrandflächen. Passive Maßnahme zur Aufwertung des Lebensraums Fließgewässer,<br />

mit o<strong>der</strong> ohne weitere Revitalisierungsmaßnahmen.<br />

Naturnahe Gewässerpflege<br />

Einfache Eingriffe, die das Wachstum und die Entwicklung von standorttypischen<br />

Floren- und Faunenelementen begünstigen. Vermeidung nicht zwingen<strong>der</strong> Pflegemaßnahmen<br />

und bewirtschaftungsähnlicher Vegetationsschnitte.<br />

Abb. 1-5:<br />

Verschiedene Stufen von <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahmen. Aufwändigere Maßnahmen integrieren dabei stets Inhalte<br />

weniger umfangreicher o<strong>der</strong> vorbereiten<strong>der</strong> Maßnahmen (nach REY & ORTLEPP 2000).<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

A1. Arbeitsmaterialien zu Kapitel 1<br />

A1.1 <strong>Ökologische</strong> Funktionsfähigkeit<br />

Jedes naturräumliche System besitzt eine ihm eigene optimale Funktionsfähigkeit. So funktioniert<br />

z.B. ein Fließgewässersystem in seinem Naturzustand immer im Zusammenspiel zwischen einem spezifischen<br />

Spektrum an landschaftlichen Komponenten (Gerinne, Auen, Begleitgewässer, unterschiedliche<br />

Gefälle und Abflüsse etc.) mit seinen jeweiligen Lebensgemeinschaften. Im nicht anthropogen<br />

beeinflussten Urzustand zeigt es bezüglich seiner abiotischen und biotischen Komponenten eine optimale<br />

ökologische Funktionsfähigkeit. Von ökologischer Funktionsfähigkeit spricht man also immer<br />

dann, wenn ein System einer für seine topographische und klimatische Lage charakteristischen<br />

Dynamik unterworfen ist und die dort typischen Lebensgemeinschaften mit sich selbst erhaltenden<br />

Populationen beherbergt.<br />

Ökologisch funktionsfähige Fließgewässersysteme sind geprägt durch die naturräumlichen Eigenarten<br />

ihrer Einzugsgebiete, <strong>der</strong> Geologie, <strong>der</strong> Gefälle (Reliefs) und <strong>der</strong> klimatischen Gegebenheiten,<br />

einschließlich <strong>der</strong> Vegetation. Sie steuern das Abflussgeschehen und die Feststoffführung eines Bacho<strong>der</strong><br />

Flusssystems und somit die Gewässermorphologie (KERN 1994). Abhängig von <strong>der</strong> hydraulischen<br />

Schleppkraft des fließenden Wassers verlagert das Gewässer seinen Lauf. Diese gewässerdynamischen<br />

Prozesse bewirken eine stetige Erneuerung des gewässertypischen Strukturangebots. Sie steuern<br />

die Eigenentwicklung von Gewässern und sind Kennzeichen für die ökologische Funktionsfähigkeit<br />

von Flüssen und Bächen. Fließgewässer, welche eine natürliche o<strong>der</strong> naturnahe ökologische<br />

Funktionsfähigkeit innehaben, tragen darüber hinaus zum Hochwasserschutz, zur Gewässerreinhaltung<br />

(Selbstreinigungskraft) und zur Sicherung bzw. Verbesserung <strong>der</strong> Grundwasserverhältnisse und<br />

damit auch <strong>der</strong> Trinkwasserqualität bei.<br />

Ökologisch funktionsfähige Gewässer wirken sich dabei nicht nur positiv auf ihre Lebensgemeinschaften<br />

aus, son<strong>der</strong>n auch auf die Ästhetik des Landschaftsbilds und besitzen daher hohen Erlebnisund<br />

Erholungswert für die Bevölkerung.<br />

Vernetzung<br />

Lebensraumvielfalt<br />

sich selbst<br />

erhaltende<br />

Populationen<br />

gewässertypische<br />

Ufer- und Sohlendynamik,<br />

gewässertypisches<br />

Nahrungsangebot<br />

gute chemische<br />

Wasserqualität<br />

<strong>Ökologische</strong><br />

Funktionsfähigkeit<br />

gewässertypische<br />

Auendynamik<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

gewässertypisches<br />

Artenspektrum<br />

Durchgängigkeit<br />

gewässertypische<br />

Produktion<br />

gewässertypische<br />

Morphologie<br />

biologische<br />

Selbstreinigungskraft<br />

Abb A1-1:<br />

Wichtige abiotische (gelb) und biotische (blau) Charakteristika zur Erfassung <strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit von<br />

Fließgewässersystemen<br />

17


18<br />

A1.2 Beispiele für integriertes Flussgebietsmanagement<br />

A1.2.1 Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL)<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

“Wasser ist keine übliche Handelsware, son<strong>der</strong>n ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend<br />

behandelt werden muß”. So lautet die Grundüberlegung dafür, dass es nach vielen Jahren<br />

intensiver Koordinationsarbeit und ebenso vielen Rückschlägen im Juli 2000 endlich zur Verabschiedung<br />

<strong>der</strong> ersten internationalen Richtlinie kam, die das Oberflächenwasser, das Grundwasser und<br />

alle damit korrespondierenden Räume, Funktionen und Prozesse unter gemeinsame Schutzziele stellt.<br />

An das in diesem Handbuch angesprochene Alpenrheingebiet (Abb. A1-2) grenzen 3 EU-Staaten<br />

(Österreich, Deutschland und Italien), ein EWR-Beitrittsstaat (Liechtenstein) und die Schweiz. Alle<br />

diese Staaten entsenden Landesvertreter zur “Wasserdirektorenkonferenz <strong>der</strong> Rheinanliegerstaaten”.<br />

Durch das Inkrafttreten <strong>der</strong> EU-WRRL ergibt sich folgende Situation:<br />

■ die EU-WRRL wird von allen EU-Staaten mit geltenden Rechtsgrundlagen abgeglichen. Innerhalb<br />

gesetzter Fristen müssen die Inhalte in nationales Recht übernommen werden und<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> EU-WRRL erfüllt sein;<br />

■ die EU-WRRL wird vom Fürstentum Liechtenstein als wichtiges Instrument des Gewässerschutzes<br />

und <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> betrachtet. Ihre Inhalte, Anfor<strong>der</strong>ungen und Fristen werden<br />

übernommen, soweit dies die nationalen Rechtsgrundlagen und Vereinbarungen erlauben;<br />

■ die schweizerische Wasserpolitik ist mit <strong>der</strong>jenigen <strong>der</strong> EU vergleichbar. Deshalb unterstützt die<br />

Schweiz die EU-Staaten im Rahmen ihres eigenen Vollzugs bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> EU-WRRL. Sie<br />

wird damit Mitglied am “integrierten Flussgebietsmanagement” am Rhein. Allerdings können keine<br />

Inhalte in nationales Recht übernommen und Fristen eingehalten werden.<br />

Angesichts dieser multilateralen Vereinbarungen ist es unumgänglich, im Rahmen einer international<br />

koordinierten <strong>Gewässerentwicklung</strong>, wie sie im Alpenrheingebiet durchgeführt werden muss, ebenfalls<br />

die Inhalte, For<strong>der</strong>ungen und Fristen <strong>der</strong> EU-WRRL zu berücksichtigen.<br />

Inhalte, Ziele, For<strong>der</strong>ungen<br />

Die EU-WRRL verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bis zum Jahr 2015 eine "gute ökologische Qualität"<br />

für oberirdische Gewässer und eine "gute Qualität" für das Grundwasser zu erreichen. Oberflächengewässer<br />

sind dabei anhand des "maximalen ökologischen Potenzials" zu bewerten. Als zentrales<br />

Instrument zur Zielerreichung und Ermittlung des "guten ökologischen Potenzials" schreibt die<br />

Richtlinie die Aufstellung von rechtsverbindlichen Bewirtschaftungsplänen vor.<br />

Zentrale Elemente <strong>der</strong> Zielsetzungen sind:<br />

■ Erreichung eines “guten ökologischen und chemischen Zustands” <strong>der</strong> Oberflächengewässer und<br />

eines “guten Zustands” des Grundwassers;<br />

■ Erreichung dieser Zustände innerhalb festgesetzter Fristen;<br />

■ Striktes Verschlechterungsverbot für Oberflächengewässer und Grundwasser;<br />

■ Verpflichtung, die Einleitungen, Emissionen und Verluste prioritärer Stoffe schrittweise zu reduzieren<br />

und diejenigen prioritär gefährlicher Stoffe zu beenden o<strong>der</strong> schrittweise einzustellen;<br />

■ Erstellung einer Gewässerbewirtschaftung nach Flusseinzugsgebieten und Verpflichtung zur<br />

Koordination;<br />

■ Aktive Beteiligung <strong>der</strong> Öffentlichkeit.<br />

Auch bei <strong>der</strong> EU-WRRL wird <strong>der</strong> Begriff des <strong>Gewässerentwicklung</strong>splans verwendet. Dieser Plan ist<br />

dabei als Bestandteil des Bewirtschaftungsplans anzusehen, <strong>der</strong> noch eine große Zahl weiterer<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Rotterdam<br />

NL<br />

B<br />

Arnheim<br />

LUX<br />

Düsseldorf<br />

Strasbourg<br />

Basel<br />

Koblenz<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

F<br />

Flussgebietseinheit<br />

Rhein<br />

Mainz<br />

CH<br />

D<br />

Staatsgrenzen<br />

Teilgebiet<br />

Alpenrhein - Bodensee<br />

Mannheim<br />

D<br />

Konstanz<br />

Vaduz<br />

I<br />

FL<br />

Bregenz<br />

Abb A1-2:<br />

Der Rhein als eine <strong>der</strong> wichtigsten Flussgebietseinheiten Europas für die Umsetzung <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinie.<br />

Neben <strong>der</strong> Flussgebietseinheit wurden Teilgebiete definiert, wie z.B. das Teilgebiet Alpenrhein-<br />

Bodensee (grün hinterlegt).<br />

Chur<br />

A<br />

19


20<br />

Konzepte, vor allem Wirtschafts- und Nutzungspläne enthält. Der <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan ist<br />

dabei das geeignete Instrument, um den "guten ökologischen Zustand" bzw. das "gute ökologische<br />

Potenzial" durch Aufzeigen geeigneter Maßnahmen zu erreichen. Für die Umsetzung <strong>der</strong> EU-<br />

Wasserrahmenrichtlinien leistet er damit einen entscheidenden Beitrag.<br />

Bewertungsmuster <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splan<br />

erreichbarer Zustand<br />

(Entwicklungspotential)<br />

generelle Ziele<br />

Bewirtschaftungsplan<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Modifikation<br />

<strong>der</strong> Restriktionen<br />

guter ökologischer Zustand<br />

(Oberflächengewässer)<br />

guter Zustand<br />

(Grundwasser)<br />

sonstige Wirtschafts-<br />

und Nutzungspläne<br />

Abb. A1-3<br />

Rolle eines <strong>Gewässerentwicklung</strong>splans bei<br />

<strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinie.<br />

Der <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan als essenzieller Bestandteil des Bewirtschaftungsplans for<strong>der</strong>t die<br />

Erhebung und Bewertung des aktuellen Systemzustandes (Ist-Zustandes) sowie die Planung und Umsetzung<br />

von Verbesserungsmaßnahmen.<br />

An dieser Stelle werden die Gemeinsamkeiten zwischen dem <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan <strong>der</strong> EU-<br />

WRRL und <strong>der</strong> in diesem Handbuch vorgestellten <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung beson<strong>der</strong>s deutlich.<br />

Die von uns vorgestellten systematisch aufeinan<strong>der</strong> aufbauenden Etappen <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

(Kap. 2) decken dabei auch die dafür in <strong>der</strong> EU-WRRL gefor<strong>der</strong>ten Inhalte ab.<br />

Die "gute ökologische Qualität" bei allen Oberflächengewässern setzt sich bei <strong>der</strong> EU-WRRL aus<br />

einer ökologischen (inkl. Morphologie, Wasser- und Feststoffhaushalt) und einer chemischen Komponente<br />

zusammen (die <strong>Gewässerentwicklung</strong> im Sinne dieses Handbuchs aus fünf Ökosystembausteinen).<br />

Anhand geeigneter biotischer und abiotischer Indikatoren wird bewertet, inwieweit die<br />

aquatischen Lebensgemeinschaften eines Oberflächengewässers durch menschliche Einflüsse beeinträchtigt<br />

sind.<br />

"Gut" ist <strong>der</strong> ökologische Zustand dann, wenn die Werte zwar geringe, anthropogen bedingte Einflüsse<br />

anzeigen, aber nicht signifikant von den "sehr guten" Werten des Referenzzustandes abweichen,<br />

die bei Abwesenheit stören<strong>der</strong> Einflüsse vorhanden sind. Diese Anfor<strong>der</strong>ungen werden für die verschiedenen<br />

Kategorien von Oberflächengewässern (Seen, Flüsse, Übergangsgewässer und Küstengewässer<br />

in unterschiedlichen klimatischen und geographischen Zonen) differenziert. Mithilfe <strong>der</strong><br />

biologischen Qualitätskomponenten sollen stoffliche und hydromorphologische Einflüsse auf die<br />

aquatischen Lebensgemeinschaften in 5 Stufen erfasst werden (Abb. A1-4).<br />

Für so genannte "erheblich verän<strong>der</strong>te o<strong>der</strong> künstliche Wasserkörper" (heavily modified waterbodies)<br />

wird die Bewertung (z.B. “schlechte” ökologische Qualität) am "jeweils Machbaren" (vgl. Entwicklungspotenzial)<br />

und nicht mehr an einem anthropogen weitgehend unbeeinflussten Referenzzustand<br />

(visionäres Leitbild) vorgenommen. Ökologisch nachteilige Verhältnisse, die nicht als umkehrbar eingeschätzt<br />

werden (vgl. Restriktionen), sollen bei <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> Referenzbedingungen mit berücksichtigt<br />

werden.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Die Mitgliedsstaaten können natürliche Oberflächengewässer dann als "erheblich verän<strong>der</strong>t" ausweisen,<br />

wenn Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Merkmale des Wasserkörpers Auswirkungen auf die weitere Umwelt<br />

haben, sowie die Schifffahrt und die Erholungsgebiete, die Zwecke, für die das Wasser gespeichert<br />

wird, z. B. Stromerzeugung, Trinkwasserversorgung, die Wasserregulierung, den Schutz vor Überflutungen,<br />

die Bewässerung, die Landentwässerung o<strong>der</strong> die Siedlungsentwicklung.<br />

Für alle Oberflächengewässer, welche keine gute ökologische Qualität zeigen, sind Bewirtschaftungspläne<br />

zu erstellen, mit dem Ziel, die Anfor<strong>der</strong>ungen an den "guten ökologischen Zustand" unter<br />

Beachtung <strong>der</strong> morphologischen Komponente (also durch <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahmen) zu erreichen.<br />

Auch für alle als "erheblich verän<strong>der</strong>t und künstlich" eingestuften Wasserkörper sind Bewirtschaftungspläne<br />

aufzustellen. Sie erlauben die Ermittlung des "maximalen ökologischen Potenzials" und<br />

zeigen dann die notwendigen Maßnahmen zum Erreichen des "guten ökologischen Potenzials", das<br />

geringfügig vom "maximalen ökologischen Potenzial" abweichen kann, einschließlich <strong>der</strong> morphologischen<br />

Verbesserungen, auf.<br />

Die Ausführungen zeigen, dass spätestens dann, wenn operative Anleitungen zur Umsetzung <strong>der</strong><br />

EU-WRRL vorliegen, ein noch weitergehen<strong>der</strong> Koordinationsbedarf für Regionen besteht, die an die<br />

EU angrenzen und im Rahmen ihrer Gewässerschutzprogramme vergleichbare Ziele verfolgen.<br />

EU-Wasserrahmenrichtlinie<br />

Bewertung <strong>der</strong> Inventare:<br />

<strong>Ökologische</strong> Komponenten<br />

(Biotische und abiotische<br />

Indikatoren)<br />

chemische Wasserqualität<br />

<strong>Ökologische</strong>r Zustand<br />

5 Bewertungsstufen<br />

sehr gut<br />

gut<br />

mäßig<br />

unbefriedigend<br />

schlecht<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Zustand <strong>der</strong> Ökosystembausteine<br />

4 o<strong>der</strong> 5 Bewertungsstufen<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Bewertung <strong>der</strong> Inventare:<br />

Wasserhaushalt<br />

Feststoffhaushalt<br />

Morphologie<br />

Wasserqualität<br />

Biozönosen<br />

Abb. A1-4:<br />

Die fünf Bewertungsstufen <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinie für Gewässerinventare <strong>der</strong> Oberflächengewässer erweisen sich<br />

als weitestgehend kompatibel zu mehrstufigen Bewertungsskalen im Rahmen <strong>der</strong> hier vorgestellten <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung.<br />

Die WRRL beinhaltet dabei jedoch ein generelles Entwicklungsziel, das innerhalb vorgegebener Fristen (2015) mit<br />

Hilfe sogenannter Bewirtschaftungspläne erreicht werden muss: <strong>der</strong> gute ökologische Zustand <strong>der</strong> Oberflächengewässer und<br />

<strong>der</strong> gute Zustand des Grundwassers.<br />

21


22<br />

A1.2.2 Kooperationsvereinbarung <strong>der</strong> IRKA<br />

Einen ersten konkreten Schritt zur zwischenstaatlich koordinierten Gewässerschutzarbeit am Alpenrhein<br />

liefert die Kooperationsvereinbarung <strong>der</strong> IRKA (Internationale Regierungskommission Alpenrhein):<br />

Zur Erreichung gesteckter Ziele am Alpenrhein hat die IRKA am 11. Dezember 1998 und die vier<br />

Regierungen <strong>der</strong> Anrainerlän<strong>der</strong> und -kantone am 22. Dezember 1998 eine Kooperationsvereinbarung<br />

sowie gleichzeitig das Aktionsprogramm Alpenrhein 2000+ beschlossen. Damit wurde eine wichtige<br />

Grundlage zur Erfüllung gemeinsamer o<strong>der</strong> sich grenzüberschreitend auswirken<strong>der</strong> Aufgaben im<br />

Gebiet des Alpenrheins geschaffen.<br />

Hauptpunkte und Feststellungen <strong>der</strong> Kooperationsvereinbarung sind:<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

■ Gesellschaftliche und wirtschaftliche Fortentwicklung sowie <strong>der</strong> Schutz von Natur und Umwelt<br />

werden als gleichrangige Ziele gewertet;<br />

■ Eine zukunftsweisende Politik für die Bevölkerung im Alpenrheingebiet kann nur unter<br />

Beachtung <strong>der</strong> Nachhaltigkeit betrieben werden;<br />

■ Das weitgehend gebändigte Wildgewässer Alpenrhein prägt den Natur-, Lebens~ und<br />

Wirtschaftsraum und ist auch als Hauptzufluss für den Bodensee sowie als Teil des Gesamtrheins von<br />

wesentlicher Bedeutung;<br />

■ Potenzielle Gefahren und schädliche Auswirkungen infolge von Hochwässern und unkoordinierter<br />

Raum- und Ressourcenbeanspruchung beeinträchtigen Mensch und Umwelt bzw. können oft nur<br />

mit beträchtlichen Kosten und in großen Zeiträumen wie<strong>der</strong> behoben werden;<br />

■ Viele Gegebenheiten und Entwicklungen im Natur-, Lebens- und Wirtschaftsraum sind komplex,<br />

eng verbunden und beeinflussen sich gegenseitig (z.B. Rheinsohle - Grundwasser - Ökologie – Landund<br />

Wasserkraftnutzung,);<br />

■ Verhütung bzw. Vermin<strong>der</strong>ung von Schäden, die Verbesserung <strong>der</strong> ökologischen Situation und die<br />

Sicherstellung einer nachhaltigen Nutzung erfor<strong>der</strong>n eine verstärkte Zusammenarbeit über die<br />

Landes- und Kantonsgrenzen und können oft nur gemeinsam gemeistert werden;<br />

■ Gemeinsame bzw. abgestimmte Ziele und Vorgehensweisen bilden vermehrt Voraussetzung für ein<br />

wirkungsvolles und zukunftsweisendes Handeln in den einzelnen Län<strong>der</strong>n und Kantonen.<br />

Die Inhalte und Ziele dieser Kooperationsvereinbarungen finden seither in allen abgeschlossenen und<br />

laufenden Projekten ihre Entsprechung. Die Vereinbarung bildete darüber hinaus die Basis für weitergehende<br />

und engere Zusammenarbeit im Bereich Gewässerschutz im Alpenrheingebiet. Arbeitsgruppen<br />

werden aus Vertretern interdisziplinärer Forschungs- und Verwaltungsbereiche zusammengesetzt.<br />

Institutionen des Schutzwasserbaus und des Gewässerschutzes arbeiten nun grenzüberschreitend<br />

zusammen.<br />

A1.2.3 Rhein 2020 - Programm zur nachhaltigen Entwicklung des Rheins<br />

Seit 1987 werden Gewässerschutzprogramme am Rhein (zunächst zwischen Bodensee und Nordsee)<br />

von <strong>der</strong> sogenannten “Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigungen”<br />

(IKSR) geplant und koordiniert. Das Programm “Rhein 2020 - Programm zur nachhaltigen Entwicklung<br />

des Rheins” definiert die generellen Rheinschutzziele für die nächsten 20 Jahre. Die IKSR<br />

betont “...das bisherige Aktionsprogramm Rhein (1987 - 2000) hat aufgezeigt, dass mittels konzentrierter<br />

und engagierter Umsetzung eines umfassenden Sanierungsplans in allen Rheinanliegerstaaten eine<br />

zu Beginn kaum vorstellbare Verbesserung <strong>der</strong> Rheinwasserqualität erzielt werden konnte. Darauf<br />

aufbauend stehen im Programm die weitere Umsetzung des ökologischen Gesamtkonzeptes für den<br />

Rhein, die Verbesserung <strong>der</strong> Hochwasservorsorge und <strong>der</strong> Hochwasserschutz sowie <strong>der</strong> Grundwasser-<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

schutz im Mittelpunkt <strong>der</strong> Ziele und Aktionen. Die kontinuierliche Überwachung des Rheins bleibt<br />

weiterhin unverzichtbar und die Aktivitäten zur Verbesserung <strong>der</strong> Wasserqualität müssen fortgesetzt<br />

werden...”<br />

Das Aktionsprogramm 2020 arbeitet in seiner Konzeption mit <strong>der</strong> gleichen Terminologie, wie sie z.T.<br />

in <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinie, zum Teil in diesem Handbuch verwendet wird. Es orientiert sich<br />

sehr eng an <strong>der</strong> EU-WRRL, was die generellen Ziele und die Einhaltung von Fristen angeht. Die Ziele<br />

des Programms, und die für ihre Erreichung nötigen Maßnahmen sind in vier großen Ziel-Komplexe<br />

zusammengefasst, den Rheinschutzzielen:<br />

■ Verbesserung des Ökosystems Rhein<br />

■ Hochwasservorsorge und Hochwasserschutz<br />

■ Verbesserung <strong>der</strong> Wasserqualität<br />

■ Grundwasserschutz<br />

Weitere Schwerpunkte werden bei <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit und <strong>der</strong> Erfolgskontrolle gesetzt. Dass es<br />

sich bei dem Aktionsprogramm 2020 um einen außergewöhnlich operationalen Ansatz handelt, belegen<br />

einerseits die Erfolge des Vorgängerprogramms, an<strong>der</strong>erseits eine Ausarbeitung, inwieweit geplante<br />

und bereits getätigte Maßnahmen zur Erreichung <strong>der</strong> jeweiligen Rheinschutzziele beitragen.<br />

Im Gegensatz zur EU-Wasserrahmenrichtlinie beteiligt sich die Schweiz seit 1987 aktiv an <strong>der</strong> Formulierung<br />

und Umsetzung von Entwicklungszielen im Rahmen des Aktionsprogramms Rhein. Seit<br />

Inkrafttreten <strong>der</strong> WRRL wird <strong>der</strong> Alpenrhein in die Schutzziele mit einbezogen.<br />

A1.3 Rechtsgrundlagen<br />

Die For<strong>der</strong>ung nach Erhaltung und Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit ist in<br />

allen Anliegerstaaten des Alpenrheingebiets gesetzlich verankert. Es fällt jedoch auf, dass es nicht spezifische<br />

Gesetze sind, die diesen Anspruch regeln, son<strong>der</strong>n dass die gesamte Gesetzgebung in ihrer<br />

jeweils neuesten Fassung immer mehr davon durchdrungen wird (Abb. A1-5).<br />

Die für die <strong>Gewässerentwicklung</strong> im Alpenrheingebiet relevanten Rechtsgrundlagen und entsprechenden<br />

Gesetzespassagen wurden bereits als Anhang <strong>der</strong> Broschüre Gesunde Fließgewässer durch<br />

Revitalisierung (IRKA, 2000) zusammengestellt.<br />

In <strong>der</strong> aktuellen Gesetzgebung sind dabei drei größere Richtlinienkomplexe zu unterscheiden:<br />

A: Revitalisierung von beeinträchtigten bzw. Schutz und Erhalt von natürlichen Fließgewässern/<br />

Fließgewässerabschnitten und Feuchtlebensräumen sowie <strong>der</strong>en Lebensgemeinschaften. Sie werden in<br />

den meisten diesbezüglichen Gesetzen und Verordnungen gemeinsam behandelt. Hierzu gehört auch<br />

<strong>der</strong> Planerische Schutz <strong>der</strong> Gewässer und Anfor<strong>der</strong>ungen zum Raumbedarf und zur Flächenbeschaffung.<br />

B: Berücksichtigung ökologischer Anfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Bewilligung o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen von Anlagen<br />

bzw. bei Maßnahmen am Gewässer. In die Gesetzgebung aufgenommen wurden vor allem Bestimmungen<br />

zum Flussbau, sowie zur Wasserausleitung o<strong>der</strong> Stauraumspülungen, da vor allem diese Eingriffe<br />

aktuell negative Auswirkungen auf den Lebensraum "Wasser" und damit auf die Gewässerfauna<br />

haben. Darüber hinaus fallen unter diese Thematik Regelungen im Zusammenhang mit (diffusen)<br />

Nährstoff-/Chemikalieneinträgen.<br />

C: Gewährung von Finanzmitteln im Sinne <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

23


24<br />

Abb. A1-5:<br />

Relevante Richtlinien für die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung im Alpenrheingebiet<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Obwohl <strong>der</strong> gesetzliche Auftrag zum Gewässerschutz und zur <strong>Gewässerentwicklung</strong> in den unterschiedlichen<br />

Anliegerlän<strong>der</strong>n des Alpenrheingebiets unterschiedlichen Wortlaut und unterschiedliche<br />

Verbindlichkeit besitzt, lassen sich dennoch gemeinsame Pflichten für die Erhaltung natürlicher Fließgewässerfunktionen<br />

daraus ableiten:<br />

Fließgewässer dürfen nur wasserbaulich verän<strong>der</strong>t werden, wenn die Maßnahme nicht ihre ökologische<br />

Funktionsfähigkeit beeinträchtigt.<br />

� Die nachhaltige Nutzung <strong>der</strong> Fließgewässer im Sinne einer natürlichen Funktionsfähigkeit<br />

muss sichergestellt werden.<br />

� Es muss eine Einbindung des Landschaftselementes Fließgewässer in benachbarte Landschaftselemente<br />

gewährleistet sein.<br />

� Maßnahmen sind so durchzuführen, dass sie auf die Lebensraumqualität <strong>der</strong> einheimischen<br />

Tier- und Pflanzenwelt positive Auswirkungen haben.<br />

� Maßnahmen im Sinne einer ökologischen Sanierung sind immer so durchzuführen, dass sie den<br />

jeweiligen Hochwasserschutzansprüchen Rechnung tragen und umgekehrt.<br />

A1.4 Prioritätensetzung<br />

Rechtsgrundlagen sind eine geeignete Basis für die Verfolgung ökologischer, ökonomischer und sozialer<br />

Ziele, geben darüber hinaus jedoch nur wenige Anhaltspunkte dafür, wie diese im gegenseitigen<br />

Konsens erreicht werden können.<br />

Im Rahmen einer <strong>Gewässerentwicklung</strong> müssen daher gesellschaftliche Ziele und Werte gegeneinan<strong>der</strong><br />

gewichtet werden, um die Notwendigkeit, den Umfang und die Qualität von Maßnahmen gesellschaftspolitisch<br />

vertreten zu können und zur Entscheidungsfindung zu gelangen. Dies geschieht in <strong>der</strong><br />

Regel mit Hilfe einer Priorisierungs-Matrix (Tab. A1-1).<br />

Auf dieser Matrix werden die - je nach Objekt, Anlass o<strong>der</strong> Maßnahme - wichtigsten gesellschaftlichen<br />

Ziele und <strong>der</strong>en Gewichtung nach Prioritäten gegen die Indikatoren des Gewässerzustands aufgetragen.<br />

Die Indikatoren werden - je nach Phase <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> - weiter differenziert und<br />

präzisiert. In den entsprechenden Verknüpfungsfel<strong>der</strong>n wird eingetragen, in welchem Maße <strong>der</strong> jeweilige<br />

Indikator die Erreichung einzelner Ziele vertritt. Mit diesem Schritt wird also die zweite, fachlich<br />

begründete Gewichtung vorgenommen. Gewichtungen unterliegen dabei keinem vorgegebenen<br />

Schema; sie müssen lediglich allgemein akzeptiert und nachvollziehbar sein. Zwei Ansätze werden für<br />

die <strong>Gewässerentwicklung</strong> vorgeschlagen:<br />

� Verwendung einer Symbolik für eine vierstufige Bewertung (z.B. ++++, ����)<br />

� Verwendung von Prozentwerten, die sich in <strong>der</strong> Matrix per Spalte und Zeile auf 100% summieren<br />

Die Verwendung <strong>der</strong> Symbolik bietet sich in einer sehr frühen Stufe <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

an, wenn nur wenige o<strong>der</strong> ungeeignete Vorinformationen vorhanden sind. Eine Gewichtung<br />

nach zwei o<strong>der</strong> vier Stufen ist dabei einer dreistufigen Skala vorzuziehen, weil dann die Bewerter nicht<br />

auf das Mittelmaß ausweichen können, son<strong>der</strong>n klar entscheiden müssen, ob ein Indikator überdurchschnittliche<br />

o<strong>der</strong> unterdurchschnittlich Bedeutung besitzt (z.B. unbedeutend, mäßige Bedeutung,<br />

bedeutend, entscheidend).<br />

Die Verwendung von Prozentwerten wird vorgeschlagen, wenn die Bedeutung von Indikatoren aus<br />

an<strong>der</strong>en Projekten o<strong>der</strong> übergeordneten Programmen bekannt ist. Sie kann auch nach vollständiger<br />

Inventarisierung neu beurteilt werden.<br />

In <strong>der</strong> Regel findet die Prioritätensetzung in zwei Phasen statt. Die erste - nach einer Vorabklärung -<br />

entscheidet über das Ob, Wann? und Wo? <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>. Die zweite Phase erfolgt nach<br />

<strong>der</strong> Inventarisierung und enthält zuvor nicht bekannte, aber dennoch für die Planung wichtige<br />

Kriterien und Indikatoren.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

25


26<br />

Ökosystembausteine<br />

Wasserhaushalt<br />

Feststoffhaushalt<br />

Morphologie<br />

Wasserqualität<br />

Biozönosen<br />

Gesellschafts-<br />

Aspekt<br />

Gesundheit <strong>der</strong> Biozönosen<br />

Naturnähe Abfluss<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Ökologie Ökonomie Soziales<br />

Naturnähe Struktur<br />

Lebensraumqualität<br />

Artenvielfalt<br />

Wasserversorgung<br />

Indikatoren Prioritäten <strong>der</strong> Ziele<br />

Summen<br />

Indikatoren nach<br />

Vorabklärungen<br />

Indikatoren nach<br />

Inventarisierung<br />

Indikatoren nach<br />

Vorabklärungen<br />

Indikatoren nach<br />

Inventarisierung<br />

Indikatoren nach<br />

Vorabklärungen<br />

Indikatoren nach<br />

Inventarisierung<br />

Indikatoren nach<br />

Vorabklärungen<br />

Indikatoren nach<br />

Inventarisierung<br />

Indikatoren nach<br />

Vorabklärungen<br />

Indikatoren nach<br />

Inventarisierung<br />

Ziele, Werte<br />

Tab. A1-1:<br />

Schematischer Aufbau einer Priorisierungsmatrix für die <strong>Gewässerentwicklung</strong>. In die freien Fel<strong>der</strong> werden die vereinbarten<br />

Gewichtungen <strong>der</strong> jeweiligen (noch weiter differenzierten) Ziele und Indikatoren eingetragen.<br />

Schadensminimierung<br />

Gewässer- und Raumnutzung<br />

Rentabilität (Kosten/Nutzen)<br />

Gewichtungen <strong>der</strong> Indikatoren<br />

für die Erreichung von Zielen<br />

Gesundheit<br />

Hochwassersicherheit<br />

Zukunftsperspektive (arbeit)<br />

Kulturerhaltung, Ästhetik<br />

Erholung und Freizeit<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

A1.5 Weiterführende Begriffserläuterungen<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

im weiteren Sinne ist ein Überbegriff für alle zeitlichen und räumlichen Verän<strong>der</strong>ungen an Gewässern<br />

und in <strong>der</strong>en Einflussbereich. <strong>Gewässerentwicklung</strong> im engeren Sinne beinhaltet den vom Menschen<br />

beeinflussbaren Teil und die Steuerung dieser Prozesse mit dem Ziel, die ökologische Funktionsfähigkeit<br />

von Gewässern zu erhalten bzw. zu verbessern. Eine naturnahe Gewässerdynamik soll wie<strong>der</strong><br />

zugelassen und die dazu erfor<strong>der</strong>lichen Flächen bereitgestellt werden. In diesem Sinne ist<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong> ein Instrument des nachhaltigen “integrierten Flussgebietsmanagements” o<strong>der</strong><br />

mit diesem Begriff gleichzusetzen.<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

ist eine Fachplanung mit dem Ziel <strong>der</strong> naturnahen Entwicklung <strong>der</strong> Gewässer unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> sozio-ökonomischen Randbedingungen. Die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung ist ein Instrument<br />

zur zielgerichteten Koordinierung von Konzepten, Plänen und Maßnahmen zur Verbesserung <strong>der</strong><br />

ökologischen Funktionsfähigkeit zusammenhängen<strong>der</strong> Gewässersysteme. Die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

beinhaltet drei Planungsstufen: 1. den <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan (einzelne Gewässer/<br />

Gewässerabschnitte), 2. das <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzept (Flussgebietseinheiten, Gewässer einer<br />

Region), und 3. das <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramm (landesweit, überregional).<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splan (Gewässerbetreuungsplan)<br />

Der <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan versteht sich als wasserwirtschaftlich-landschaftsökologischer<br />

Fachplan. Er ersetzt dabei nicht die (kommunale) Landschaftsplanung im Rahmen <strong>der</strong> Bauleitplanung<br />

o<strong>der</strong> landschaftpflegerische Begleitpläne zu Bau- und Eingriffvorhaben. Für den <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan<br />

gelten verschiedene Rahmenbedingungen und Prämissen, die in jedem Falle einzuhalten<br />

sind und den systembezogenen Charakter unterstreichen.<br />

Der <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan soll insbeson<strong>der</strong>e konkrete Maßnahmen zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ökologischen<br />

Funktion aufzeigen. Baut <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splan auf einem <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzept<br />

auf, kann die Realisierung <strong>der</strong> Entwicklungsziele in Angriff genommen werden. Ist dies nicht<br />

<strong>der</strong> Fall, sind die entsprechenden Planungsschritte des Konzeptes nachzuholen.<br />

Umgestaltungsmaßnahmen werden lediglich nach Art und Umfang angegeben, da <strong>der</strong>en Durchführung<br />

eine geson<strong>der</strong>te Maßnahmen-(Ausführungs-)planung erfor<strong>der</strong>t. Die Ausarbeitung des <strong>Gewässerentwicklung</strong>splans<br />

erfolgt in <strong>der</strong> Regel im Maßstab 1: 5.000, ersatzweise 1:10.000 unter Beifügung<br />

erfor<strong>der</strong>licher Detailpläne.<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzept (Gewässerbetreuungskonzept)<br />

Das <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzept ist eine flussgebietsbezogene Gesamtschau für Gewässer und<br />

Aue. Hierin werden <strong>der</strong> potenzielle natürliche Gewässerzustand beschrieben, <strong>der</strong> aktuelle Gewässerund<br />

Auenzustand sowie bestehende Nutzungsansprüche erfasst und Entwicklungsziele festgelegt.<br />

Dabei ist nach Durchführung einer Defizitanalyse <strong>der</strong> Entwicklungsbedarf zu definieren und die<br />

Gewässerabschnitte und angrenzenden Nie<strong>der</strong>ungen sind nach folgenden Kriterien zu bewerten:<br />

• schutzwürdig<br />

• entwicklungsbedürftig<br />

• umgestaltungsbedürftig<br />

Auf <strong>der</strong> Basis dieser Einteilung werden die Entwicklungsziele abgeleitet. Zudem sind Hinweise auf<br />

Entwicklungs-Maßnahmen (z.B. Revitalisierung, nur Pflegemaßnahmen etc.) sowie auf administrative<br />

Maßnahmen und notwendige Gewässergütesanierungen zu erarbeiten. Die Ausarbeitung stützt<br />

sich vornehmlich auf vorhandene Daten und erfolgt im Maßstab 1:25.000 o<strong>der</strong> 1:50.000 (bei kleinen<br />

Gewässern ggf. auch 1:10.000).<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

27


28<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramm<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Das <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramm ist eine überregionale o<strong>der</strong> landesweite Rahmenvorstellung<br />

(z.B. ein sog. Aktionsprogramm) zum Schutz <strong>der</strong> (Fließ)gewässer und ihrer Auen bzw. Nie<strong>der</strong>ungen.<br />

Es ist nicht zwingend erfor<strong>der</strong>lich; auch ohne <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramm können <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzepte<br />

aufgestellt werden. Das <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramm kann verwaltungstechnische<br />

Zuständigkeiten zur Durchführung nach bestehenden Vorgaben regeln (z.B.<br />

Richtlinien, Empfehlungen zur Durchsetzung <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinie, GEP’s und REP’s)<br />

und ist überall dort sinnvollerweise aufzustellen, wo die Entwicklung eines Gewässersystems Verwaltungsgrenzen<br />

überschreitet. Im Rahmen von <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogrammen kann auch die<br />

Bereitstellung von För<strong>der</strong>mitteln angesprochen und festgelegt werden. Das <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramm<br />

wird von höheren Verwaltungsebenen o<strong>der</strong> überregionalen Institutionen (z.B. EU,<br />

IRKA und an<strong>der</strong>e internationale Kommissionen, Län<strong>der</strong>, Kantone, Bundeslän<strong>der</strong>) festgelegt.<br />

Revitalisierung<br />

Als Revitalisierung (Wie<strong>der</strong>belebung) o<strong>der</strong> Vitalisierung werden alle Maßnahmen angesprochen, welche<br />

die Wie<strong>der</strong>herstellung natürlicher Gewässerfunktionen för<strong>der</strong>n. Sie setzen somit den Prozess <strong>der</strong><br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong> in Gang - vom defizitären Ausgangszustand in Richtung eines naturnahen<br />

angestrebten Zustandes, auch wenn dieser nicht in einem Schritt o<strong>der</strong> überhaupt jemals erreicht werden<br />

kann. Im Zuge <strong>der</strong> hierzu nötigen Einzelmaßnahmen gewinnt das Gewässer mehr und mehr seiner<br />

ursprünglichen "Lebensfunktionen" zurück. Das Spektrum <strong>der</strong> Revitalisierungsmaßnahmen<br />

beginnt danach beim qualitativen Gewässerschutz und <strong>der</strong> Gewässerpflege und endet mit umfangreichen,<br />

technisch aufwändigen Wasserbaumaßnahmen. Generell muss sich die Qualität und <strong>der</strong> Umfang<br />

<strong>der</strong> Maßnahme am Zustand des Gewässers orientieren.<br />

Revitalisierung ist nicht zu verwechseln mit Renaturierung („wie<strong>der</strong> natürlich machen“). Diese<br />

beschreibt die Überführung eines naturräumlichen Objektes von einem ökologisch degradierten, kulturell<br />

bedingten Zustand in den Zustand eines ökologisch funktionsfähigen Naturraums. Für ein<br />

Gewässer bedeutet es den Zustand einer weitgehenden Wie<strong>der</strong>herstellung (mit dazugehörigen Landschaftselementen),<br />

entsprechend seinem früheren, natürlichen Charakter. Wegen seiner z.T. missverständlichen<br />

Auslegung und unter dem Aspekt einer prozessorientierten <strong>Gewässerentwicklung</strong> wird<br />

<strong>der</strong> Begriff in diesem Handbuch vermieden.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Weiterführende Literatur<br />

ACKERMANN, G. (1997): Erhöhung <strong>der</strong> Artenvielfalt - Vernetzung bestehen<strong>der</strong> Lebensräume. Konzeptvorschlag<br />

(unveröffentlicht).<br />

ARBEITSGRUPPE GEWÄSSER- UND FISCHÖKOLOGIE DER IRKA (2001): Pflichtenheft Entwicklungskonzept<br />

Alpenrhein <strong>der</strong> vorbereitenden Arbeitsgruppe: Internationale Rheinregulierung, Internationale<br />

Regierungskommission Alpenrhein, Version Nr. 4 vom 30. Oktober 2002.<br />

ATV-DVWK Gewässer-Info - Magazin zur Gewässerunterhaltung und <strong>Gewässerentwicklung</strong>, Nr.<br />

22-26, Januar 2003, Hennef.<br />

AWEL AMT FÜR ABFALL, WASSER, ENERGIE UND LUFT ZÜRICH (2002): Massnahmenplan Wasser,<br />

Kurzfassung. Baudirektion Kanton Zürich.<br />

BAUDIREKTION KANTON ZÜRICH, AWEL, AMT FÜR ABFALL, WASSER, ENERGIE UND LUFT (2000):<br />

Wasserbau im Kanton Zürich. Ökologie, Hochwasserschutz, Wie<strong>der</strong>belebung, Unterhalt. Zürich.<br />

BAYERISCHES LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT (1989): Grundlagen des Wasserbaus, aktuelle Beiträge.<br />

Informationsberichte des Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft - Heft 2/89, München.<br />

BAYERISCHES STAATSMINISTERIUM FÜR LANDESENTWICKLUNG UND UMWELTFRAGEN (1999): Wasserland<br />

Bayern. Nachhaltige Wasserwirtschaft in Bayern. München.<br />

BIOLOGISCHE SCHUTZGEMEINSCHAFT HUNTE-WESER-EMS (1989): Natur Special Report, Zukunftsaufgaben<br />

des Wasserbaus aus landschaftsökologischer Sicht, Heft 6, Wardenburg.<br />

BLANK, T. (2001): Umsetzung <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie im Rhein-Einzugsgebiet mit beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung des Bodensee-Einzugsgebietes. Österreichs Wasser- und Abfallwirtschaft, Jahrgang<br />

53 (2001), Heft 5/6, 9 Seiten.<br />

BUWAL/BWG (Hrsg.) (2003): Leitbild Fliessgewässer Schweiz. Für eine nachhaltige Gewässerpolitik.<br />

Bern, 12 Seiten.<br />

DVWK (Deutscher Verband für Wasserwirtschaft und Kulturbau) 1999 ff: <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung,<br />

Weiterbildendes Studium Wasser und Umwelt, WW 44, Band 1-3. Weimar.<br />

EBERSTALLER,J. & G. HAIDVOGEL 1997: Gewässer- und Fischökologisches Konzept Alpenrhein.<br />

Grundlagen zur Revitalisierung mit Schwerpunkt Fischökologie, Teil 1-3. Studie zuhanden <strong>der</strong><br />

Internationalen Regierungskommission Alpenrhein. Wien.<br />

EU-WASSERRAHMENRICHTLINIE; Richtlinie 2000 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates<br />

vom 01. Juli 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen <strong>der</strong> Gemeinschaft im Bereich<br />

<strong>der</strong> Wasserpolitik.<br />

INTERNATIONALE KOMMISSION ZUM SCHUTZ DES RHEINS (IKSR) (2001): Rhein-Ministerkonferenz<br />

2001 - Rhein 2020 - Programm zur nachhaltigen Entwicklung des Rheins. Koblenz.<br />

IRKA (1997): Gewässer- und Fischökologisches Konzept Alpenrhein. - Internationale Regierungskommission<br />

Alpenrhein, Projektgruppe Gewässer- und Fischökologie (Hrsg.), 90 S.<br />

IRKA (2000): Gesunde Fliessgewässer durch Revitalisierung. Broschüre; 31 S.<br />

LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT WASSER (LAWA), Unterauss. des EU-Kontaktausschusses (2000):<br />

Arbeitshilfe zur Umsetzung <strong>der</strong> EU-Wasserrahmenrichtlinie.<br />

LÄNDERARBEITSGEMEINSCHAFT WASSER (LAWA) (2000): Tagungsband, EU-Wasserrahmenrichtlinie-<br />

Programm für die Zukunft im Gewässerschutz. Symposium vom 13./14. Dezember 2000 in Schwerin.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

29


30<br />

Grundsätzliche <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (LfU) (1999): <strong>Gewässerentwicklung</strong> in<br />

Baden-Württemberg. Leitfaden Teil 1 - Grundlagen. Karlsruhe.<br />

KERN, K. (1994): Grundlagen naturnaher Gewässergestaltung. Geomorphologische Entwicklung von<br />

Fließgewässern. Springer-Verlag, Heidelberg<br />

MINISTERIUM FÜR NATUR, UMWELT UND LANDESENTWICKLUNG DES LANDES SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />

(1991): Grundsätze zum Schutz und zur Regeneration von Gewässern. Bericht des Landesamtes für<br />

Wasserhaushalt und Küsten des Landes Schleswig-Holstein. Kiel.<br />

MINISTERIUM FÜR UMWELT, SAARBRÜCKEN (1992): Naturnahe Pflege und Entwicklung von Bächen<br />

und Flüssen. Gewässer in <strong>der</strong> Landschaft. Referate zum Seminar vom 12. November 1992, Saarbrükken.<br />

NATURFORSCHENDE GESELLSCHAFT LUZERN (1997): Revitalisierung - Renaturierung. Mitteilungen<br />

<strong>der</strong> Naturforschenden Gesellschaft Luzern, Band 35, Luzern.<br />

OTTO, A. (1995): Aktion Blau - <strong>Gewässerentwicklung</strong> in Rheinland-Pfalz. Ministerium für Umwelt<br />

und Forsten Rheinland-Pfalz, Mainz.<br />

REGIONALPLANUNGSGRUPPE SARGANSERLAND-WALENSEE (RSW) (1998): Entwicklungskonzept<br />

EK2. Sargans.<br />

VAW & VERBAND SCHWEIZER ABWASSER- UND GEWÄSSERSCHUTZFACHLEUTE (2000): Tagungsdokumentation<br />

Internationale Fachtagung vom 5./6.10.2000 in Zürich: Mehr Freiheit für Bäche und Flüsse.<br />

VSA (Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute) (2000): Zustandsbericht Gewässer<br />

(Teil Gewässerschutz), Empfehlungen zur Bearbeitung. Bericht <strong>der</strong> GEP-Arbeitsgruppe.<br />

WASSERWIRTSCHAFT IN BAYERN (1989): Flüsse und Bäche erhalten, entwickeln, gestalten. Oberste<br />

Baubehörde im bayerischen Staatsministerium des Inneren. München.<br />

WASSERWIRTSCHAFT IN BAYERN (1993): Flüsse - Bäche - Auen pflegen und gestalten. Bayerisches<br />

Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen (Hrsg.), München.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

2 Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

2.1 Schematischer Ablauf <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

Eine systematische Vorgehensweise bei <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung konstituiert sich sinnvollerweise<br />

an <strong>der</strong> Abfolge logisch aufeinan<strong>der</strong> folgen<strong>der</strong> Fragestellungen zum Thema.<br />

Fragen Schritte<br />

Warum und wo werden Maßnahmen geplant? Anlass, Prioritäten, Organisation, Gebiet<br />

In welchem Zustand ist das Gewässer? Ist-Zustands-Erhebung, Inventarisierung<br />

An welchem Zustand orientieren wir uns? Leitbild, natürliche historische Referenz<br />

Welche Mängel sind vorhanden? Defizitanalyse<br />

Muss etwas getan werden? Entwicklungsbedarf<br />

Welche Mängel können behoben werden? Entwicklungspotenzial, Restriktionen<br />

Welchen Zustand streben wir an? Entwicklungsziel, Handlungserfor<strong>der</strong>nisse<br />

Wie erreichen wir den angestrebten Zustand? Maßnahmenplanung<br />

Welche konkreten Maßnahmen sind nötig? Maßnahmenprogramm<br />

Wie und in welcher Qualität wird eingegriffen? Maßnahmen, M.-kontrolle /M.-begleitung<br />

Braucht es unterstützende Maßnahmen? Gewässerunterhalt<br />

Was wurde durch die Maßnahmen erreicht? Erfolgskontrollen, Monitoring<br />

Tab. 2-1:<br />

Aufeinan<strong>der</strong> aufbauende Fragestellungen für einen logischen Ablauf <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung. Die<br />

unterschiedliche Farbgebung entspricht den einzelnen Bearbeitungsebenen (vgl. Abb. 2-1)<br />

Die Beantwortung <strong>der</strong> einleitenden Frage zum Objekt wird durch den in Kap. 1.5 aufgeführten<br />

“Anlass für eine <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung” bestimmt. Sind die räumlichen und zeitlichen<br />

Prioritäten gesetzt und die Zuständigkeiten geklärt, so entwickelt sich für die darauffolgenden Fragen<br />

und Schritte eine Kausalkette.<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung kann sodann als Fließschema dargestellt werden. (Abb. 2-1). Der<br />

Stellenwert des jeweiligen Schrittes im Gesamtkonzept wird deutlich und bei einem Einstieg auf einer<br />

späteren Ebene kann diskutiert werden, welche Schritte und Inhalte <strong>der</strong> Konzeption noch nachgeholt<br />

werden müssen. Die Vorstellung logischer und zeitlich aufeinan<strong>der</strong>folgen<strong>der</strong> Abklärungs-, Planungsund<br />

Umsetzungsschritte ist auch entscheidend für eine ökonomische und damit kostengünstigere<br />

Vorgehensweise. In diesem Fall dient das Fließschema als Checkliste zur Überprüfung <strong>der</strong> Vollständigkeit<br />

einer <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung.<br />

Der schematische Ablauf <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung ist das zentrale Instrument dieses Praxishandbuchs.<br />

Auch <strong>der</strong> Stellenwert bisheriger Anleitungen, Empfehlungen und Richtlinien zur <strong>Gewässerentwicklung</strong>/Gewässerbetreuung<br />

lassen sich dadurch besser einordnen.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

31


32<br />

Umsetzung Planung Abklärungen<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

Schutzwasserwirtschaft<br />

Ökologie<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Raumplanung<br />

Nutzung<br />

Anlass, Organisation, Prioritäten, Projektperimeter<br />

Ist -Zustands-Erhebung<br />

Referenz, Leitbild<br />

Defizitanalyse<br />

Entwicklungsbedarf<br />

Restriktionen<br />

Entwicklungspotential<br />

Entwicklungsziel<br />

Handlungserfor<strong>der</strong>nisse<br />

Maßnahmenprogramme<br />

Maßnahmen, ökologische Begleitung<br />

Gewässerunterhalt<br />

Maßnahmenplanung<br />

Erfolgskontrollen<br />

Abb. 2-1:<br />

Fließschema <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung, ihrer wichtigsten Schritte und Inhalte. Das Schema gibt den<br />

Rahmen für den Aufbau des Handbuchs vor (Ebenen in verschiedenen Farben).<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Die an dieser Arbeit mitwirkende Arbeitsgruppe aus Sachverständigen <strong>der</strong> Alpenrheinanlieger hat<br />

sich auf die im Fließschema verwendete Terminologie für die regionalen <strong>Gewässerentwicklung</strong> geeinigt.<br />

Ein Abgleich <strong>der</strong> im gesamten deutschen Sprachraum verwendeten Termini (vgl. weiterführende<br />

Literatur), die teilweise synonym o<strong>der</strong> für mehr o<strong>der</strong> weniger umfassende Inhalte gebraucht werden,<br />

war jedoch nicht möglich.<br />

Die nach dem Allgemeinen Teil (grau) folgenden Kapitel des Praxishandbuchs sind diesem Fließschema<br />

entsprechend geordnet und unterschiedlich farbig markiert (gelber Teil = Abklärungen; roter<br />

Teil = Planungsinhalte; blauer Teil = Maßnahmenumsetzung und Erfolgskontrollen).<br />

■ Den ersten und gleichzeitig umfangreichsten Teil <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung fassen wir<br />

unter dem Begriff <strong>der</strong> Abklärungen (Kapitel 3) zusammen. Sie beinhaltet alle Zustandserfassungen<br />

und sonstigen Informationssammlungen, benennt Defizite, leitet daraus den Entwicklungsbedarf ab<br />

und setzt Entwicklungsziele und Handlungserfor<strong>der</strong>nisse.<br />

Die Abklärungen sollten prinzipiell abgeschlossen und Entwicklungsziele formuliert sein, bevor die<br />

Ebene <strong>der</strong> Planung beschritten wird. An<strong>der</strong>nfalls riskiert man, dass die Planungsarbeit eine falsche<br />

Richtung einschlägt und durch nachträgliche Planungskorrekturen Zeit und Geld verschwendet wird.<br />

Im Rahmen übergeordneter <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprogramme können Teile <strong>der</strong> Abklärungen (z.B.<br />

sich nur wenig verän<strong>der</strong>nde Inventare) im voraus erhoben werden. Beim Einstieg in ein <strong>Gewässerentwicklung</strong>skonzept<br />

sind sie dann ohne Zeitverlust nutzbar.<br />

■ Im zweiten Teil, <strong>der</strong> Planung (Kapitel 4), fließen alle relevanten Informationen und Zielsetzungen<br />

in die konkrete Planungsarbeit ein. Diese kann - je nach Objekt o<strong>der</strong> Umfang <strong>der</strong> geplanten<br />

Maßnahmen - aus nur einer o<strong>der</strong> aus mehreren Etappen bestehen und beeinhaltet im Idealfall ein<br />

“Überwachungssystem” in Form von planungsbegleitenden Arbeitsgruppen o<strong>der</strong> Kommissionen.<br />

Auf diese Weise wird die Planung über das Instrument <strong>der</strong> permanenten Rückmeldung optimiert.<br />

Generelle Aufgabe <strong>der</strong> Planungsebene ist es, in Form verschiedener Varianten (Kap. 4.4) Wege zur<br />

Umsetzung <strong>der</strong> formulierten Entwicklungsziele vorzuschlagen. Eine ökologische und schutzwasserbauliche<br />

Begleitkommission hilft im Idealfall bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> geeigneten Variante. Weitere<br />

Aufgaben dieser auch als „ökologisch-wasserwirtschaftliche Fachplanung“ zu bezeichnenden Arbeit<br />

ist es, den Umfang weiterer Ausbau- und Unterhaltsmaßnahmen abzuschätzen, um den angestrebten<br />

Zustand langfristig mit einem Minimum an steuernden Eingriffen zu erhalten.<br />

■ Der dritte Teil wird unter dem Begriff <strong>der</strong> Umsetzung (Kapitel 5) zusammengefasst und beinhaltet<br />

die eigentliche Maßnahme, die durch sie eingeleiteten Prozesse <strong>der</strong> Selbststrukturierung, notwendige<br />

Unterhaltsmaßnahmen sowie die allfälligen Erfolgskontrollen. Für bauliche Eingriffe ist<br />

eine Maßnahmenkontrolle und ökologische Baubegleitung vorgesehen. Negativ ausfallende<br />

Erfolgskontrollen erfor<strong>der</strong>n eine Maßnahmenkorrektur bis hin zu nachträglichen Än<strong>der</strong>ungen in<br />

<strong>der</strong> Detailplanung.<br />

Systemarer Planungsansatz<br />

Bereits im Rahmen <strong>der</strong> Abklärungen und später auf <strong>der</strong> Planungsebene müssen unbedingt Vorschläge<br />

für die Entwicklung und Pflege möglichst zusammenhängen<strong>der</strong> Gewässerabschnitte und <strong>der</strong> mit<br />

ihnen vernetzten/vernetzbaren Landschaftselemente erarbeitet werden. Auch muss schon in einer frühen<br />

Phase <strong>der</strong> Arbeiten eine Abstimmung zwischen <strong>der</strong> jeweiligen <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

und an<strong>der</strong>en flächenbezogenen Planungen erfolgen. Ein solcher systemarer Planungsansatz ist die einzige<br />

Möglichkeit, um Eingriffe zu vermeiden, die ihrerseits das Erreichen von Entwicklungszielen an<br />

an<strong>der</strong>en Stellen des Gewässersystems erschweren. Kleinräumige, in ihrem Entwicklungspotenzial<br />

(Kap. 3.6) stark eingeschränkte Maßnahmen können dann auch ohne Erfassung umfangreicher Inven-<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

33


34<br />

tare und Leitbil<strong>der</strong> durchgeführt werden, wenn sie einen solchen systemaren Bezug auflassen und eine<br />

zukünftige <strong>Gewässerentwicklung</strong> nicht einschränken o<strong>der</strong> gar verhin<strong>der</strong>n (z.B. durch den Einbau von<br />

Kontinuumsunterbrechungen).<br />

2.2 Ökosystembausteine<br />

Ökosystembausteine sind den Systemen innewohnende, vor allem ökologisch relevante Komponenten.<br />

Bei den meisten Schritten <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung sind auch immer alle Ökosystembausteine<br />

zu berücksichtigen. Fünf Bausteine werden unterschieden:<br />

■ <strong>der</strong> Wasserhaushalt<br />

■ <strong>der</strong> Feststoffhaushalt<br />

■ die Morphologie (Struktur)<br />

■ die Wasserqualität<br />

■ die Lebensgemeinschaften (Biozönosen)<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> o<strong>der</strong> einzelnen Revitalisierungsmaßnahmen muss das enge Beziehungsgefüge<br />

zwischen unterschiedlichen <strong>Aspekte</strong>n dieser Bausteine berücksichtigt werden. Kennt man<br />

grundlegende Zusammenhänge eines defizitären Gewässerzustandes nicht o<strong>der</strong> nur unzureichend, so<br />

sollte zu den einzelnen Ökosystembausteinen so viel Information wie möglich gesammelt werden.<br />

Schwerpunkte bei den Bestandsaufnahmen können erst dann gesetzt und einzelne <strong>Aspekte</strong> dann unberücksichtigt<br />

bleiben, wenn Zusammenhänge aus an<strong>der</strong>en Objekten/Systemen bekannt sind und/o<strong>der</strong><br />

unter Zuhilfenahme geeigneter Indikatoren eindeutig nachvollziehbar und erkennbar werden. Es wird<br />

jedoch empfohlen, alle Abklärungen zu treffen, die nötig sind, um das Objekt/System ökologisch hinreichend<br />

charakterisieren zu können. Nur so kann eine korrekte Defizitanalyse erfolgen.<br />

2.3 Fließgewässerzonierung und Gewässertypen<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Unterschiede in <strong>der</strong> Ausprägung <strong>der</strong> Ökosystembausteine bestimmen die Individualität des betrachteten<br />

Gewässers. Anhand größerer, natürlich bedingter Unterschiede lassen sich Gewässer ähnlicher<br />

Charakteristik zu Gruppen zusammenfassen und erlauben eine Kategorisierung nach unterschiedlichen<br />

Gewässertypen (Kap. A2.4). Auch anthropogen beeinflusste Gewässer können so einem ursprünglichen<br />

Gewässertyp zugeordnet werden. Erst durch massive Eingriffe o<strong>der</strong> bei künstlichen<br />

Gewässern wird dieser unkenntlich (z.B. Binnenkanäle, Entwässerungsgräben, Baggerseen). In diesen<br />

Fällen wird das Gewässer dem bezüglich Wasserhaushalt und Topographie (Höhe, Gefälle) ihm ähnlichsten<br />

natürlichen Gewässertyp zugeordnet o<strong>der</strong> ein neuer Typ definiert (z.B. Binnenkanäle).<br />

Eine weitere Möglichkeit <strong>der</strong> gegenseitigen Abgrenzung von Fließgewässertypen o<strong>der</strong> -abschnitten<br />

ist die von ILLIES (1958, 1961) anhand von Leitorganismen entwickelte biozönotische Fließgewässerzonierung<br />

(Kap. A2.3). Diese Zonierung ist abhängig von <strong>der</strong> Laufentwicklung <strong>der</strong> Fließgewässer über<br />

verschiedene Höhenstufen. Die im Praxishandbuch aufgeführten Gewässertypen erstrecken sich dabei<br />

von <strong>der</strong> krenalen (Quellregion) bis hinunter zur epipotamal-potamalen Zone (Alpenrheinmündung).<br />

Die richtige Zuordnung von Gewässern zu Gewässertypen und/o<strong>der</strong> Fließgewässerzonen ist für die<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung von übergeordneter Bedeutung und sollte schon zu einem frühen<br />

Zeitpunkt <strong>der</strong> Ist-Zustandserhebung erfolgen. Eine zum falschen Gewässertyp hin gesteuerte Entwicklung<br />

verursacht erhebliche Unterhaltsmaßnahmen und kann einen großen Teil <strong>der</strong> angestrebten<br />

ökologischen Verbesserungen verhin<strong>der</strong>n.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

A2 Arbeitsmaterialien zu Kapitel 2<br />

A2.1 Vorüberlegungen, Organisation<br />

Auf Grund <strong>der</strong> Vielzahl unterschiedlicher Gewässertypen, Problemstellungen und Rahmenbedingungen<br />

muss die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung als flexibles Planungsinstrument gehandhabt werden.<br />

Der Ausgangspunkt o<strong>der</strong> Anlass für ein entsprechendes Konzept ist ein übergeordneter Handlungsbedarf<br />

an einem Gewässer (Gewässerabschnitt, Gewässersystem). Dieser rekrutiert sich zum einen aus<br />

auffälligen Defiziten (Hochwasserschutz ist nicht mehr gewährleistet, Fischartenschwund, Gewässercharakter<br />

stört das Landschaftsbild usw.) zum an<strong>der</strong>en aus übergeordneten Richtlinien und Entwicklungsprogrammen<br />

(z.B. EU-Wasserrahmenrichtlinie, Entwicklungsprogramme, Aktionsprogramme<br />

stehen an usw.). Je nach Ausgangslage kommt <strong>der</strong> Impuls für eine <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

demnach aus den Fachbereichen Gewässerschutz und/o<strong>der</strong> Schutzwasserwirtschaft, selten auch aus<br />

<strong>der</strong> Raumplanung. Zusätzlichen Anstoß geben verschiedene Interessens- und Nutzergruppen, wie<br />

z.B. Fischereivereine.<br />

Kleinere Maßnahmen, für die <strong>der</strong> Aufwand einer <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung nicht verhältnismässig<br />

ist (z.B. Verlegung von Abwasserrohren, lokale Gebäudesicherung usw.), werden in gegenseitiger<br />

Kenntnisgabe und Absprache durchgeführt. Für grössere Projekte sollte sich eine interdisziplinäre<br />

Arbeitsgruppe konstituieren. Diese koordiniert sodann alle weiteren Schritte. Im Vergleich zu<br />

an<strong>der</strong>en entwicklungswürdigen Objekten und bezüglich entscheiden<strong>der</strong> Entwicklungsschwerpunkte<br />

(schutzwasserbaulich, gewässerökologisch, raumplanerisch) werden Prioritäten festgelegt, die sich in<br />

<strong>der</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Projektorganisation sowie in den Zuständigkeiten und <strong>der</strong> Aufgabenverteilung<br />

innerhalb <strong>der</strong> Arbeitsgruppe wi<strong>der</strong>spiegeln. Die Zusammensetzung <strong>der</strong> Arbeitsgruppe (Fachbereiche,<br />

Interessensvertreter, Sachberater ...) und ihre Benennung (Arbeitsgruppe, Projektgruppe,<br />

Projektkommission u.a) muss ebenfalls flexibel gehandhabt werden können, vor allem, wenn sie sich<br />

aus Vertretern verschiedener Län<strong>der</strong> und Kantone zusammensetzt (Abb. A2-1).<br />

Der Koordination <strong>der</strong> verschiedenen Fachbereiche kommt eine Schlüsselrolle für jedes <strong>Gewässerentwicklung</strong>sprojekt<br />

zu. Die Bearbeitung wird in einzelnen, genau beschreibbaren Arbeitspaketen vergeben<br />

und meist von Bearbeiterteams durchgeführt. Die Zusammenführung aller Fachbereiche und<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Arbeitspakete erfolgt in je<strong>der</strong> Projektphase (WIRTH 2002).<br />

Die Zusammenführung <strong>der</strong> ökologischen Zielsetzungen und Handlungsschwerpunkte mit jenen <strong>der</strong><br />

Schutzwasserwirtschaft (und in <strong>der</strong> Umsetzung mit <strong>der</strong> Raumplanung) erfolgt mittels einer Szenarienanalyse<br />

und Prioritätensetzung (Kap. 1.6; A1.4). Vorgaben aus an<strong>der</strong>en Bereichen werden ebenfalls als<br />

Rahmenbedingungen integriert. Zusammen mit dem Grad des gesellschaftspolitischen Konsenses bestimmen<br />

sie das Entwicklungspotenzial.<br />

Bei diesem und allen weiteren Schritten (Raum, Finanzen, Politik) spielt die Öffentlichkeitsarbeit<br />

(Kap. 4.8.1) zum laufenden Projekt eine herausragende Rolle. Die vollumfängliche Verantwortlichkeit<br />

bleibt zwar bei <strong>der</strong> Projektgruppe. Diese muss sich jedoch einer gesellschaftspolitischen “Beobachtung”<br />

stellen und auf positive und negative Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Akzeptanz entsprechend reagieren<br />

können.<br />

Eine optimale Konstellation ergibt sich, wenn sich in <strong>der</strong> Planungsgruppe Personen befinden, die später<br />

auch für die Umsetzung von Maßnahmen verantwortlich sind. Je fachkundiger dieses Personal ist,<br />

desto weiter kann die Entlastung <strong>der</strong> Planungsgruppe von Planungsdetails betrieben werden. Auf<br />

diese Weise kann die konsequenteste Reduzierung auf konzeptionelle Aussagen erfolgen. Die Träger<br />

<strong>der</strong> Umsetzung haben dann unmittelbaren Einfluss auf die notwendige Aussagetiefe <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

35


36<br />

Abklärungen<br />

Planung<br />

Umsetzung<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Schritte Projekt-Organisation<br />

Vorüberlegungen<br />

Projekt-Organisation<br />

Ist-Zustands-Erhebung<br />

Referenz, Leitbild<br />

Defizitanalyse<br />

Entwicklungsbedarf<br />

Restriktionen<br />

Entwicklungspotential<br />

Entwicklungsziel<br />

Maßnahmenplanung<br />

Maßnahmenprogramm<br />

Maßnahmen<br />

Baubegleitung<br />

Gewässerunterhalt<br />

Erfolgskontrollen<br />

Planungskommission<br />

Vertreter <strong>der</strong> zuständigen Behörden<br />

(Schutzwasserwirtschaft und Gewässerschutz),<br />

Bauträger, Vertreter <strong>der</strong> Gemeinden<br />

und <strong>der</strong> Naturschutzverbände<br />

Fachbereich-Teams<br />

<strong>der</strong> Planungsgruppe<br />

Bauausführung / Begleitung / Unterhalt<br />

Beauftragte Baufirmen/Flussbauhöfe<br />

Angestellte des Landes / Kantons<br />

Naturschutzverbände / Patenschaften<br />

<strong>Ökologische</strong>(r) Baubegleiter(in)<br />

Planungsgruppe<br />

interdisziplinäre<br />

Arbeitsgruppe<br />

von Fachexperten<br />

<strong>Ökologische</strong> Begleitkommission<br />

Fachbereich-Teams<br />

Vertreter <strong>der</strong> zuständigen Fachstellen, Vertreter des beauftragten<br />

Planungsbüros; Fachexperten <strong>der</strong> Arbeitsgruppen<br />

Abb. A2-1:<br />

Vorschlag für eine Projektorganisation im Rahmen einer <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

Szenarienanalyse, Prioritäten, gesellschaftspolitische Konsensfindung, Öffentlichkeitsarbeit<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

A2.2 Ökosystembausteine<br />

Die Ökosystembausteine beinhalten verschiedene <strong>Aspekte</strong> und Faktoren, die - je nach Fragestellung<br />

und Objekt - mehr o<strong>der</strong> weniger starke Relevanz besitzen. Diese <strong>Aspekte</strong> stehen miteinan<strong>der</strong> in enger<br />

Beziehung. Sie bedingen gegenseitig ihre Stärke und Bedeutung im betrachteten System (Objekt).<br />

Beispiel: Ein Bergbach wird auf Grund wasserwirtschaftlicher Nutzung zu einem Restgerinne mit<br />

begrenztem Dotierwasser (hydrologische Faktoren verän<strong>der</strong>n sich). Dieser zeigt aufgrund fehlen<strong>der</strong><br />

Abflussvariabilität nur noch geringe Strömungsdynamik --> die Geschiebedynamik geht verloren,<br />

Schwebstoffe sedimentieren, die Sohle kolmatiert --> die strukturelle Variabilität und die Selbstreinigungskraft<br />

nimmt ab --> die Wasserqualität verschlechtert sich und die Auswahl an unterschiedlichen<br />

Habitaten nimmt ab --> aquatische und amphibische Biozönosen werden direkt negativ beeinflusst.<br />

Sämtliche Ökosystembausteine sind also betroffen.<br />

Eine entscheidende Rolle für die später erfolgenden Inventarisierung spielen <strong>der</strong> äußere Aspekt, die<br />

frühe Erfassungen <strong>der</strong> Belastungs- und Störungsquellen und die Auswahl aussagekräftiger biologischer<br />

Indikatoren. Sie bestimmen in entscheidendem Maße, wie detailliert weitere Abklärungen<br />

durchgeführt werden müssen und damit die Ökonomie <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung.<br />

Gewässersystem / Gewässer<br />

geografische Lage<br />

Wasserhaushalt Feststoffhaushalt Morphologie Wasserqualität<br />

Biozönosen<br />

äußerer Aspekt<br />

Abflussregime<br />

Strömungscharakter<br />

wasserwirtschaftliche<br />

Nutzung<br />

Störungsquellen/<br />

-inventare<br />

äußerer Aspekt<br />

Geschieberegime<br />

Schwebstoffführung<br />

Geologie des<br />

Einzugsgebiets<br />

Defizit-<br />

Ursachen/-Inventare<br />

Ökosystembausteine<br />

äußerer Aspekt<br />

Gefälle<br />

Ökomorphologie<br />

Vernetzung,<br />

Verzahnung<br />

Durchgängigkeit<br />

Defizit-Ursachen/<br />

-Inventare<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

äußerer Aspekt<br />

Nährstoffbelastung<br />

sonstige Belastung<br />

Temperaturregime<br />

sonstige physikalische<br />

Qualität<br />

Belastungsquelleninventar<br />

äußerer Aspekt<br />

aquatische<br />

Biozönosen<br />

amphibische<br />

Biozönosen<br />

Biozönosen<br />

von Aue und<br />

Umland<br />

Belastungszeiger<br />

(Indikatoren)<br />

Abb. A2-2:<br />

Die fünf bei <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> zu berücksichtigenden Ökosystembausteine und ihre für die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

entscheidenden <strong>Aspekte</strong>.<br />

37


38<br />

A2.3 Fließgewässerzonierung<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Die von verschiedenen Autoren entwickelte biozönotische Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Fließgewässer o<strong>der</strong> Fließgewässerzonierung<br />

orientiert sich in erster Linie am Lebensraumangebot <strong>der</strong> jeweiligen Fließgewässer.<br />

Leitorganismen des Benthos und vor allem Leitfischarten eignen sich beson<strong>der</strong>s als Indikatoren für<br />

dieses Angebot. Daher decken sich Fließgewässerzonierung und fischzönotische Zonierung in weiten<br />

Bereichen. Eine Zonierung nach ILLIES (1958, 1961) o<strong>der</strong> HUET (1959) kann für das Alpenrheingebiet<br />

jedoch nicht unverän<strong>der</strong>t übernommen werden. Das Gebiet besitzt Charaktereigenschaften mit zum<br />

Teil fließenden, zum Teil an<strong>der</strong>en zönotischen Grenzen als sie in den klassischen Einteilungen aufgeführt<br />

sind. In <strong>der</strong> Tabelle A2.1 ist diesem Regionscharakter Rechnung getragen.<br />

Rhithralzonen<br />

Potamalzonen<br />

Fließgewässerzone<br />

Krenal<br />

Epirhithral<br />

Rhithral<br />

(zentraler Teil)<br />

zönotischer<br />

Charakter<br />

Lebensraum <strong>der</strong> Quellen<br />

und eng benachbarter<br />

Bergbachabschnitte<br />

Lebensraum <strong>der</strong><br />

Hochgebirgs- und<br />

Wildbäche<br />

Lebensraum <strong>der</strong> Hügelund<br />

Bergbäche sowie<br />

<strong>der</strong> steilen Abschnitte<br />

von Gebirgsflüssen<br />

Tab. A2-1:<br />

Fließgewässer- und Fischzonierung im Alpenrheingebiet<br />

Fischzonierung<br />

keine Entsprechung<br />

oberste Forellenregion<br />

obere Forellenregion<br />

Metarhithral untere Forellenregion<br />

Hyporhithral<br />

Epipotamal<br />

Potamal<br />

Lebensraum <strong>der</strong> Talgewässer<br />

im Bergland und<br />

<strong>der</strong> Gebirgsfluss-Unterläufe<br />

Lebensraum <strong>der</strong><br />

Mittellandflüsse<br />

Lebensraum <strong>der</strong> großen<br />

Mittelland- und Unterlandflüsse<br />

Äschenregion<br />

Äschen-Barben-Region<br />

Barben-Brachsenregion<br />

Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Alpenrheingebiet<br />

im Tal und in Berglagen<br />

nur stellenweise von<br />

Elritzen besiedelt<br />

nur stellenweise, dann<br />

nur von Bachforellen<br />

besiedelbar<br />

Hauptverbreitungs- und<br />

Reproduktionsgebiet<br />

<strong>der</strong> Bachforellen und<br />

Groppen<br />

Reproduktionsgrenze<br />

für Seeforellen<br />

im Alpenrheintal zentralesReproduktionsund<br />

Verbreitungsgebiet<br />

<strong>der</strong> Äschen und<br />

Regenbogenforellen<br />

evtl. nur unterer<br />

Abschnitt des<br />

Alpenrheins<br />

evtl. nur Mündungsbereich<br />

Alpenrhein-<br />

Bodensee<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Hochgebirge / Gebirge<br />

Bergland<br />

Talebene<br />

Hochgebirgsbäche II<br />

(Schwemmebene)<br />

Gewässer<br />

4. Ordnung<br />

Gewässer<br />

3. Ordnung<br />

Gebirgsflüsse I<br />

Zufluss-System direkte Zuflüsse<br />

Gewässer<br />

1. Ordnung<br />

(Gewässer<br />

2. Ordnung)<br />

Gewässer<br />

3. Ordnung<br />

Gewässer<br />

5. Ordnung<br />

und höher<br />

Quellbäche<br />

Hochgebirgsbäche I<br />

Gebirgs-/ Bergbäche<br />

(Schluchtteil)<br />

System <strong>der</strong><br />

Riedgewässer<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Wildbäche<br />

Giessen<br />

Gebirgsflüsse II<br />

(Alpenrhein)<br />

Hangbäche<br />

Abb. 2-3:<br />

Schema <strong>der</strong> Fließgewässertypen im Alpenrheingebiet und ihre zönotische Zuordnung<br />

Zonierung<br />

krenal<br />

epirhithral<br />

rhithral<br />

metarhithral<br />

hyporhithral<br />

epipotamal<br />

potamal<br />

indifferent<br />

Talbäche<br />

Rüfen<br />

Binnenkanal<br />

39


40<br />

A2.4 Gewässertypen im Alpenrheingebiet<br />

(Mit Auszügen aus dem Gewässer- und Fischökologischen Konzept Alpenrhein, EBERSTALLER, J. & G. HAIDVOGL (1997))<br />

Für das Alpenrheinsystem lassen sich Gewässer verschiedener Typen unterscheiden. Dabei handelt es<br />

sich in überwiegendem Maße um Fließgewässer. Die Unterscheidung wird vorgenommen anhand <strong>der</strong><br />

Kriterien Gewässerursprung (Gebirge, Bergland, Hang o<strong>der</strong> Talraum), Geschiebeführung, Hydrologie<br />

und naturräumliche Lage (Rheinschotter, Riedflächen, Schwemmfächer). Ausgehend von den<br />

Aufnahmen des Gewässer- und Fischökologischen Konzepts Alpenrhein (EBERSTALLER & HAIDVOGL,<br />

1997) und darauf aufbauenden Untersuchungen unterscheiden wir im Alpenrheingebiet folgende,<br />

auch in Abb. A2-3 schematisch dargestellten Fließgewässertypen:<br />

■ Talbäche,<br />

■ Gießen,<br />

■ Riedgewässer,<br />

■ Binnenkanäle,<br />

■ Gebirgsbäche und Gebirgsflüsse<br />

■ kleine Gebirgs- o<strong>der</strong> Hangbäche,<br />

■ Wildbäche und Rüfen,<br />

■ Stillgewässer<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Talbäche<br />

Talbäche kann als Sammelbegriff aller im Talgrund verlaufenden Fließgewässer mittlerer Grösse (ca.<br />

25 l/s bis ca. 1 m3 /s im Jahresmittel) verwendet werden, egal, ob ihr Ursprung im Tal selbst o<strong>der</strong> an<br />

den Hängen des Alpenrheintales liegt. Da Gießen und Binnenkanäle aufgrund ihrer hydrologischen<br />

Beson<strong>der</strong>heiten separat besprochen werden, wollen wir im Weiteren den Begriff des Talbaches nur<br />

noch für folgende Gewässertypen verwenden:<br />

■ Unterläufe von Hangbächen (vgl. Hangbäche)<br />

■ Im Bett ursprünglicher Gießen verlaufende Fließgewässer ohne primäre Grundwasserspeisung<br />

■ naturnah revitalisierte Kanäle<br />

■ wie<strong>der</strong>bewässerte Talbäche mit naturnahem Charakter<br />

■ im Talgrund künstlich angelegte und künstlich gespeiste Fließgewässer mittlerer Größe<br />

a b c<br />

Abb. A2-3: Talbäche haben heute im Alpenrheintal unterschiedlichen Ursprung und Charakter. a): Mühlbach bei Ludesch<br />

(V); b) Lawenabach bei Triesen (FL): c) Altabach (FL).<br />

Gießen<br />

Die Gießen entspringen im Schotterkörper des Rheins und werden im Idealfall überwiegend vom<br />

Grundwasser gespeist. Sie zeichnen sich durch geringes Gefälle, geringe Geschiebedynamik, hohe<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Wassertransparenz sowie den vielfältigen Bewuchs durch submerse (untergetauchte) Makrophytenvegetation<br />

aus. Echte „Rheingießen" verlaufen nur entlang dieses Schotterkörpers, insbeson<strong>der</strong>e in<br />

den Auen von Vilters, Wangs, Mels und Sargans, weiter entlang des Bezirkes Werdenberg (Buchser<br />

Gießen etc.). In Liechtenstein befanden sich die Gießen ursprünglich hauptsächlich in <strong>der</strong> südlichen<br />

Landeshälfte (Raum Balzers). Eine große Anzahl an Gießen fand sich früher in den Rheinauen<br />

Lustenaus, so z.B. auf <strong>der</strong> Alp, im Eslach, Badloch Grütt und Augarten (VONBANK ET AL., 1965).<br />

Ursprüngliche Gießen lassen sich heute noch im sog. Taubergießen-Gebiet im deutschen Oberrheingraben<br />

beobachten (Abb. A2-4a,b). Gießen können durch ihre extrem hohe Wassertransparenz<br />

und den in <strong>der</strong> Regel sehr starken Bewuchs mit submerser Vegetation unschwer als solche erkannt<br />

werden. Diese Charakteristika ergeben sich aus dem hohen Grundwasseranteil <strong>der</strong> Wasserführung.<br />

Daneben zeigen Gießen nur unbedeutende Abfluss- und Temperaturamplituden, so gut wie kein<br />

Geschiebe- und nur wenig Trübstofftransport und ein großes Spektrum an Benthosorganismen und<br />

Fischarten.<br />

a b c<br />

Abb. A2-4: Natürliche und künstliche Gießenbäche. a) und b) Grundwassergespeister Gießen im Oberrheintal bei Rust<br />

(Bad.-Württ.); c) Gießenähnlicher, aber degradierter Abschnitt im Vorarlberger Rheintal-Binnenkanal.<br />

Riedgewässer<br />

Die Riedgewässer sind für die großen Sumpf- und Moorflächen <strong>der</strong> Rheintalebene typisch, die teilweise<br />

durch verlandete Seen entstanden. Aufgrund <strong>der</strong> enormen Flächenausdehnung dieser „Riedflächen",<br />

die LAUTERBORN (1916) als die charakteristischste Formation des Schweizer/ Vorarlberger<br />

Rheintales bezeichnet, ist anzunehmen, daß auch typische Riedgewässer ursprünglich sehr zahlreich<br />

waren. Riedgewässer reichen von kleinen Bächen bis zu Gewässern mit größerem Abfluss, wie beispielsweise<br />

<strong>der</strong> Esche in Liechtenstein. Sie entspringen z.T. aus Stillgewässern und haben geringen,<br />

ausgeglichenen Abfluss. Typische Vertreter <strong>der</strong> Riedgewässer sind im Rheintal Entwässerungsgräben<br />

und Wiesenbäche. Das Wasser ist je nach Torfanteil im Einzugsgebiet teils klar, teils schwach bräunlich<br />

gefärbt. Richtige „Moorbäche" mit Braunwasser sind im Rheintal eher untypisch.<br />

Abb. A2-5: Fließende Riedgewässer sind heute im Alpenrheintal stark anthropogen überprägt. Ursprünglich mäandrierende<br />

Kleingewässer wurden begradigt, an<strong>der</strong>e als Drainagekanäle neu geschaffen. Auffällig ist das Fehlen ausreichend<br />

dimensionierter Gewässerrandstreifen.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

41


42<br />

Die Wassertemperatur ist im Sommer höher als bei den an<strong>der</strong>en Gewässertypen (bis über 25°C).<br />

Fehlende bis geringe Beschattung hat starke Erhöhung <strong>der</strong> Wassertemperatur im Längsverlauf zur<br />

Folge. Die Sauerstoffsättigung ist meist geringer als bei den zuvor beschriebenen Gewässertypen. Das<br />

Gefälle und damit <strong>der</strong> Materialtransport sind gering.<br />

Der Uferbewuchs besteht primär aus Seggen, Gräsern und krautiger Vegetation. Auwäl<strong>der</strong> fehlen.<br />

Infolge höheren Feinsedimentanteiles ist das Wasser häufig trüb, submerse Makrophyten kommen<br />

daher nur in Abschnitten mit höherem Nährstoffeintrag vor.<br />

Binnenkanäle<br />

Binnenkanäle prägen seit Mitte des 19 Jh. als Sammler von Rheinzuflüssen und Gewässern <strong>der</strong><br />

Talebene das Bild des Alpenrheintals. Binnenkanäle sind im gewässertypologischen Sinn streng genommen<br />

strukturell stark degradierte Bäche <strong>der</strong> Talebene. In vielen Bereichen des Alpenrheintales<br />

stellen sie die einzige Verbindung zwischen dem Alpenrhein und seinem direkten Einzugsgebiet dar.<br />

Ausnahmen bilden lediglich die größeren Gebirgsflüsse. Binnenkanäle vereinigen hydrologische, chemische<br />

und biologische Lebensraum-Charakteristika aller an<strong>der</strong>en Fließgewässertypen des Alpenrheintals.<br />

Je nachdem, auf welchem Abschnitt man sie betrachtet, zeigen sie mehr rhithrale o<strong>der</strong> mehr<br />

hyporhithrale Eigenschaften o<strong>der</strong> ähneln mit stellenweise starkem Makrophytenbewuchs auch einem<br />

Gießen. Typisch für Binnenkanäle bleiben die strukturellen Defizite, vor allem bei <strong>der</strong> Linienführung;<br />

die Tatsache, dass landwirtschaftliche Nutzung in <strong>der</strong> Regel bis zum Gewässerrand praktiziert wird,<br />

sowie die stellenweise starken Abfluss- und Temperaturschwankungen.<br />

a b c<br />

Wildbäche und Rüfen<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Abb. A2-6: Als Binnenkanäle werden alle parallel zu Rhein verlaufenden, künstlichen Kanäle im Rheintal bezeichnet, die<br />

kleinere, ehemals direkte Rheinzuflüsse o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Zubringer sammeln und gemeinsam dem Rhein zuführen. Binnenkanäle<br />

trugen in entscheidendem Maße zur Entwässerung des Alpenrheintals bei. a) Liechtensteiner Binnenkanal; b)<br />

Saarkanal; c) Vorarlberger Binnenkanal.<br />

Wildbäche und Rüfen weisen einen topographisch bedingt kurzen, steilen Lauf und starken Geschiebetrieb<br />

von sehr grobkörnigem Material auf.<br />

Rüfen folgen in <strong>der</strong> Regel dem Verlauf von Schuttfächern in steilen Kerbtälern und “münden”, oft<br />

über einen Schwemmfächer, in das Fließgewässer nächster Ordnung. Rüfen führen jedoch nur periodisch<br />

Wasser und so gut wie nie auf ihrer gesamten Lauflänge. Bei Nie<strong>der</strong>- und Mittelwasser versickert<br />

das Wasser in den großen Interstitiallumina <strong>der</strong> Rüfenbette. Beim Gefälleknick am Fuß <strong>der</strong> Schwemmfächer<br />

liegen meist Ausschotterungsbereiche, die noch oft dem natürlichen Charakter <strong>der</strong><br />

Schwemmfächer entsprechen.<br />

Ähnlich wie Rüfen zeigen Wildbäche ein extrem steiles Abflussprofil und hohe Abflussdynamik.<br />

Meist handelt es sich bei ihnen um Gewässer erster Ordnung - nicht weit von <strong>der</strong> Quelle des Systems<br />

entfernt - die nur so breit sind, daß sie ganz o<strong>der</strong> weitgehend von Ufergehölz überschirmt werden<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

können. Wegen ihres starken Gefälles haben Wildbäche eine meist geraden, bestenfalls bogigen<br />

Linienverlauf ohne auffälliges Pendelband. Eine Abgrenzung gegenüber Rüfen geschieht am besten<br />

über den Faktor <strong>der</strong> Wasserführung. We<strong>der</strong> Rüfen noch Wildbäche sind für Fische ein natürlicher<br />

Lebensraum.<br />

a b c<br />

Abb. A2-7: Rüfen (a) sind die Wassersammler <strong>der</strong> Schotterrinnen im Gebirge und damit temporäre Fließgewässer ohne<br />

ständige Besiedlung. Wildbäche (b, c) führen zwar meist Wasser, dieses verläuft aber oft auch im Interstitial. Da sie auf<br />

Grund ihrer geraden Linienführung nach Starkregen oft große Geschiebemengen ins Tal transportieren, sind sehr viele<br />

Wildbäche in den Alpen schutzwasserbaulich gesichert.<br />

Hangbäche<br />

Bei den Hangbächen im Alpenrheintal lassen sich im Längsverlauf typische Abschnitte unterscheiden.<br />

Der „Oberlauf" mit höherem Gefälle in eher engen Tälern weist meist gestreckte Linienführung<br />

und deutlichen Geschiebetrieb auf. Abflussregime, Temperaturverhältnisse sowie Linienführung,<br />

Strukturausstattung und Substrat dieser „Oberläufe" entsprechen weitgehend denen <strong>der</strong> Wildbäche.<br />

Sie sind wegen ihrer meist geringeren Höhenlage oft mit dichter Begleitvegetation gesäumt. Auf<br />

Grund vieler natürlicher Barrieren weisen Oberläufe von Gebirgsbächen nur selten natürliche Fischpopulationen<br />

auf.<br />

An den Talflanken entsteht infolge <strong>der</strong> Geschiebeablagerung und einem deutlich reduzierten Gefälle<br />

ein breiter Schwemmfächer, <strong>der</strong> - historisch - teilweise bis in den Alpenrhein reichte. Hier liegen starke<br />

Furkationen des Baches mit zahlreichen Nebengewässern vor, die teilweise nur periodische<br />

Wasserführung besitzen. Innerhalb des vergleichsweise breiten Bachbettes ist das Substrat sehr heterogen<br />

sortiert und weist hohe Umlagerungsdynamik auf. In Abhängigkeit von Ausmaß und Häufigkeit<br />

<strong>der</strong> Geschiebeumlagerung kommt Bewuchs auf, wobei dessen Altersstadien auf den einzelnen Bänken<br />

und Inseln stark differieren. Im Umland liegen in Randzonen Auwaldgesellschaften und Feuchtgebiete.<br />

Hinter den Schwemmkegeln und/o<strong>der</strong> auf höheren Schotteraufschüttungen finden sich häufig typische<br />

Halbtrockenrasengesellschaften.<br />

a b c<br />

Abb. A2-8: Hangbäche sind typische Fließgewässer an den Flanken des Alpenrheintals und im südöstlichen Einzugsgebiet<br />

des Bodensees. Sie besitzen in ihrem Oberlauf eine den Gebirgsbächen ähnliche Morphologie und zeichnen sich beim<br />

Eintritt in <strong>der</strong> Talebene durch große Strukturvielfalt aus. Beispiele von Hangbächen aus a) dem Züricher Mittelland (Foto<br />

AWEL); b), c) Vorarlberg (Walzbach bei Röns, Foto UI Bregenz).<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

43


44<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Fließt <strong>der</strong> Rhein weiter von den Talflanken entfernt, schließt sich ein Bachabschnitt mit sehr geringem<br />

Gefälle, gewundener Linienführung und geringem Geschiebetransport an. Derartige „Unterläufe"<br />

von Hangbächen liegen als Talbäche infolge des breiten Talraumes fast überall im unteren<br />

Alpenrheintal vor. Da gröberes Material bereits an den Talflanken abgelagert wird, herrscht dort<br />

mittel- bis feinschottriges, teilweise sandiges Substrat vor. Ursprünglich ist eine enge Vernetzung mit<br />

Gießen und dem System <strong>der</strong> Begleitgewässer des Alpenrheins typisch. Infolge <strong>der</strong> gewundenen Linienführung<br />

sind als typische Strukturen zu nennen: Kurvenkolk und Pool-Riffle-Perioden mit durch<br />

Totholz reich strukturiertem Gerinne. An den Gleithängen bilden sich Sedimentbänke aus, die teils<br />

unbewachsen sind, teils dichten Bewuchs mit Röhricht und krautigen Pflanzen aufweisen. Der charakteristische<br />

Gehölzbewuchs bzw. die geringe Breite bewirkt meist starke Beschattung. Im Verhältnis<br />

zur Gewässergröße existieren relativ großflächige Auwäl<strong>der</strong> und Feuchtflächen.<br />

Gebirgsflüsse, Gebirgsbäche<br />

Das Einzugsgebiet von Gebirgsflüssen setzt sich aus typischen Gebirgsbächen und den zuvor angesprochenen<br />

Wildbächen und Rüfen zusammen. Gebirgsbäche sind für den von uns betrachteten Raum<br />

demnach nur als die Oberläufe von Gebirgsflüssen von Bedeutung. Dort weisen sie meist gestreckte<br />

o<strong>der</strong> nur leicht geschwungene Linienführung mit Perioden (Pool-Riffle-Abfolgen) und sehr grobem<br />

Sohlensubstrat auf. Oft finden sich Kaskaden o<strong>der</strong> periodische Abfolgen von Abstürzen. Zusätzliche<br />

Strukturierung ergibt sich durch große Steinblöcke und - wo vorhanden - hohen Totholzanteil<br />

(Bäume, Wurzeln). Kies-/Schotterbänke bilden sich in gestreckten Bereichen nur kleinräumig aus.<br />

Feinsedimente lagern sich nur sehr locker ab.<br />

Je nach Höhe ihres Einzugsgebietes besitzen Gebirgsflüsse - oft noch oberhalb <strong>der</strong> Baumgrenze - ausgeprägte<br />

Hochtäler mit breiten Schwemmebenen, in denen sich die meisten Quellbäche sammeln.<br />

Solche Schwemmebenen mit geringem Gefälle zeigen noch eine ausgeprägte Strukturdynamik. Der<br />

eigentliche Gewässerlauf besitzt hier ein extrem breites Pendelband, so dass sogar das Hauptgerinne<br />

periodisch seinen Lauf verän<strong>der</strong>n kann und in großem Umfang Furkationen und Bachinseln erzeugt<br />

werden (Abb. A2-9b).<br />

Oft folgt auf die Schwemmeben ein Schluchtteil (Abb. A2-9c) mit Wildbachcharakter, <strong>der</strong> - je nach<br />

Gefälle - ein mehr o<strong>der</strong> weniger breites Pendelband und eine bogige Linienführung zeigt. Der Gebirgsbach<br />

“taucht” oft erst in seinem Schluchtteil unter die Baumgrenze und verläuft in diesem Charakter<br />

so lange, bis er aufgrund seiner Breite, Wasserführung und <strong>der</strong> Art seiner Zuflüsse als Gebirgsfluss<br />

angesprochen werden kann, <strong>der</strong> dann in einem Seitental o<strong>der</strong> im Alpenrheintal selbst fließt. Der<br />

Punkt, ab dem ein Gebirgsbach als Gebirgsfluss bezeichnet werden kann, ist nicht genau definiert,<br />

kann aber mit Hilfe mehrerer Kriterien festgelegt werden:<br />

■ die durchschnittliche jährliche Abflussmenge des Gewässers liegt deutlich über 1 m 3/s<br />

■ bei Auftreten von hochstämmigem Uferbewuchs berühren sich die Baumkronen nicht mehr<br />

(mind. 15 - 20 m Wasserspiegelbreite)<br />

■ es handelt sich um ein Fließgewässer mindestens 4. Ordnung (vgl. Abb. A2-3)<br />

Die Unterscheidung zwischen Gebirgs-/Bergbach und Gebirgsfluss wird also auf <strong>der</strong> Basis ihrer<br />

Größe, ihrer Ordnung und damit ihrer hydrologischen und landschaftsprägenden Bedeutung getroffen.<br />

Im Talraum zeigen Gebirgsflüsse aufgrund ihres reduzierten Gefälles und <strong>der</strong> größeren Breite ursprünglich<br />

verzweigte Abschnitte(Abb. A2-10). Sie entsprechen flussmorphologisch annähernd dem<br />

Typ des Alpenrheins. In den meist nur kleinflächigen Auwäl<strong>der</strong>n liegen vereinzelt kleine Nebengewässer,<br />

die kaum Verbindung zum Hauptgewässer besitzen.<br />

Gebirgsflüsse sind im Alpenrheingebiet die wichtigsten Fischgewässer. Der Fischbestand ist von strö-<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

mungsliebenden Fischarten geprägt. In tieferen Lagen kommen in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Gewässergröße<br />

strömungsliebende Arten ohne starken Strukturbezug vor. Bedeutende Gebirgsflüsse im<br />

Alpenrheingebiet und im Einzugsgebiet des südöstlichen Bodenseeraums sind <strong>der</strong> Vor<strong>der</strong>- und <strong>der</strong><br />

Hinterrhein, Plessur, Landquart, Ill, Frutz, Tamina, Bregenzerach und Dornbirnerach.<br />

a b c<br />

Abb. A2-9: Gebirgsbäche sind Oberläufe, rsp. Zubringer von Gebirgsflüssen meist 2. und 3. Ordnung. Sie zeigen oft typische<br />

Fließabschnitte: a) einen relativ steilen, gewundenen Oberlauf; b) eine flachen und breiten Abschnitt (Schwemmebene)<br />

mit Furkationen und c) einen Schluchtteil an <strong>der</strong> Flanke zum Haupttal. Erreichen Gebirgsbäche vor ihrer Einmündung in<br />

das Hauptgewässer (z.B. Alpenrhein) eine entsprechende Grösse, werden sie als Gebirgsflüsse bezeichnet (Abb. A2-10).<br />

a b c<br />

Abb. A2-10: Gebirgsflüsse sind im Alpenrheintal Fließgewässer 4. und höherer Ordnung und verlaufen nur noch in den<br />

Haupt- und großen Nebentälern des Rheins. Sie haben daher nur noch ein relativ geringes Gefälle und im natürlichen<br />

Zustand große Furkationsflächen und alternierende Kiesbänke. Das noch recht grobe Stein- und Schottersubstrat ist<br />

bereits stark abgeschliffen (gerundet). a) und b) Landquart; c) Ill (Foto UI Bregenz).<br />

Altläufe<br />

Altläufe (Altarme) sind vom Fluss als Talweg aufgegebene, meist ruhig durchflossene o<strong>der</strong> nur noch<br />

wenig wassergespeiste Rinnen. Im Zuge fortschreiten<strong>der</strong> Mäan<strong>der</strong>bildung, Flussbettverlagerung o<strong>der</strong><br />

Furkation kommen sie in die Innen- o<strong>der</strong> Außenkurve des Hauptgerinnes zu liegen und haben dort,<br />

je nach Alter, mehr o<strong>der</strong> weniger aufgelandet. Sie zeigen gegenüber dem Hauptgerinne völlig an<strong>der</strong>e<br />

abiotische und biotische Charakteristiken. Altläufe bestimmen in entscheidendem Masse den Ausdehnungsraum<br />

und das Grundwasserregime von Talauen.<br />

Abb. A2-11: Ausgeprägte Altläufe an einem dem ursprünglichen Alpenrhein strukturell ähnlichen Talmäan<strong>der</strong> (Baffin-<br />

Island, Ca.)<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

45


46<br />

In den Altläufen, Flutmulden und Überschwemmungszonen natürlicher Auen findet sich oft mehr als<br />

90 % <strong>der</strong> Artenvielfalt des Talraumes. Ihr fast völliges Verschwinden im Alpenrheintal ist die Hauptursache<br />

für die heute zu beobachtende Artenverarmung. Ehemalige Altläufe sind hier in <strong>der</strong> Regel nur<br />

noch am gewässernahen Geländeprofil zu erkennen. Auch in Resten noch bestehen<strong>der</strong> Weichholzaue<br />

liegt <strong>der</strong> Grundwasserspiegel oft so tief, dass Altlaufstrukturen nicht mehr durchflossen werden.<br />

a b c<br />

Stillgewässer<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Abb. A2-12: Altläufe sind im Alpenrheintal oft nur noch am Geländeprofil zu erkennen. Ausnahmen bilden a) Reste eines<br />

Altlaufs im Alpenrhein bei den Mastrilser Auen und b) als Stillgewässer verbliebene Altarme in <strong>der</strong> Matschelser Au.<br />

Beson<strong>der</strong>s dort haben auch viele ehemalige Altarme des Spiersbachs (c) den Anschluss zum Grundwasser verloren.<br />

Stillgewässer haben als weiteres Strukturelement und als ökologische Trittsteine eine wichtige Bedeutung<br />

für das Gewässernetz des Alpenrheintals. Stillgewässer liegen im unteren Rheintal meist als Verlandungsseen<br />

in den Hinterwässern vor. Aus ihnen entspringen oft kleinere Ried- und Wiesenbäche.<br />

Weitere Stillgewässer sind Baggerseen o<strong>der</strong> entstehen als Sammelbecken von Regenwasser in den<br />

Riedgebieten. „Moorseen" bzw. „-tümpel" sind vergleichsweise selten.<br />

Abhängig von Entstehung, Alter und Verlandungsstadium zeigen die Gewässer unterschiedliche<br />

Größen und Tiefen. An den meist flachen Ufern bilden sich vor allem in größeren Gewässern charakteristische<br />

Uferstreifen aus, die vom Freiwasser über submerse Makrophyten, Schwimmblattgesellschaften<br />

zum Röhrichtgürtel reichen. Stark verlandete Tümpel gehen in Feuchtgebiete über.<br />

Die Wassertemperatur in den Stillgewässern steigt in den Sommermonaten in <strong>der</strong> Regel stark an. Je<br />

nach Verlandungsgrad weisen die Gewässer mittlere bis geringe Sauerstoffsättigung auf. Die<br />

Besiedlung <strong>der</strong> Gewässer ist von wärmeliebenden Stillwasserarten dominiert. Wenig verlandete bzw.<br />

vernetzte Gewässer weisen entsprechende Anteile indifferenter Arten auf.<br />

a b c<br />

Abb. A2-13: Stillgewässer sind im Alpenrheintal meist künstlichen Ursprungs und haben nur noch wenig Verbindung<br />

zum Gewässernetz. a) Lawenabach-Teiche bei Triesen (FL) (Foto: P. Pitsch); Teich am Werdenberger Binnenkanal bei<br />

Burgerau (Buchs, SG) (Foto: P. Pitsch); c) Gampriner Seeli nördlich von Ben<strong>der</strong>n (FL).<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

A2.4.1 Kategorisierung <strong>der</strong> Gewässertypen im Alpenrheingebiet<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung setzt die genaue Kenntnis <strong>der</strong> oben vorgestellten Gewässertypen voraus.<br />

Nur so können sie typspezifisch entwickelt werden. Um sie zu kategorisieren, muss eine<br />

Charakterisierung anhand quantitativer und/o<strong>der</strong> qualitativer Kriterien erfolgen. Eine erste<br />

Möglichkeit ist die Einteilung nach <strong>der</strong> Wasserführung, die sich in <strong>der</strong> mittleren Wasserspiegelbreite<br />

manifestiert (Tab. A2-2).<br />

Zur umfassenden Beschreibung und Abgrenzung <strong>der</strong> Fließgewässertypen sollte eine noch differenziertere<br />

Charakterisierung vorgenommen werden. Sie wird in Tab. A2-3 als Beispieltabelle vorgestellt.<br />

Größenklasse<br />

(mittlere Wasserspiegelbreite)<br />

Abfluss<br />

(ca. m 3 /s)<br />

< 1 m 0,01 bis 0,02<br />

Substrat Fließgewässertyp<br />

unterschiedlich, spezieller<br />

Aufwuchs<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Quellbäche krenal<br />

< 1 m 0,01 bis 0,02 sandig, schlammig, oft veralgt Wiesenbäche, Riedgewässer<br />

bis 1 m 0,02 bis 0,05<br />

1 bis 3 m 0,05 bis 0,5<br />

1 bis 3 m 0,05 bis 0,5<br />

1 bis 3 m 0,1 bis 0,5<br />

3 bis 7 m 0,05 bis 5<br />

3 bis 7 m 0,2 bis 1<br />

3 bis 7 m 0,5 bis 10<br />

7 bis 15 m 0,8 bis 50<br />

7 bis 30 m 1 bis 30<br />

> 30 m 1 bis > 1000<br />

steinig, stark kantig, kein<br />

Aufwuchs<br />

steinig, kantig, v.a.<br />

Kieselalgenaufwuchs<br />

steinig, geschliffen, mäßiger<br />

Aufwuchs<br />

steinig, sandig, starker<br />

Aufwuchs und Makrophyten<br />

steinig, kantig, wenig<br />

Aufwuchs (v.a. Kieselalgen)<br />

steinig, gerundet, sandig, starker<br />

Aufwuchs und<br />

Makrophyten<br />

steinig, gerundet, starker<br />

Aufwuchs<br />

steinig, stark gerundet,<br />

starker Aufwuchs und<br />

Makrophyten<br />

steinig, stark gerundet, wenig<br />

bis kein Aufwuchs<br />

steinig, stark gerundet, sandig,<br />

wenig bis kein Aufwuchs<br />

Gebirgsbäche, Wildbäche,<br />

Rüfen<br />

Lebensraumcharakter<br />

hyporhithral bis<br />

limnisch<br />

epirhithral<br />

Gebirgsbäche, Hangbäche rhithral<br />

Talbäche rhithral<br />

Gießen hyporhithral<br />

Gebirgsbäche rhithral, metarhithral<br />

Talbäche, Gießen hyporhithral<br />

Binnenkanäle klein und<br />

Oberlauf<br />

rhithral, metarhithral<br />

große Binnenkanäle hyporhithral<br />

Gebirgsflüsse I metarhithral<br />

Gebirgsflüsse II (Ill, Bregenzerach<br />

UL) Alpenrhein<br />

hyporhithral,<br />

epipotamal<br />

Tab. A2-2: Einteilung <strong>der</strong> Fließgewässer des Alpenrheingebiets anhand ihrer Grösse, ihrem Abfluss und <strong>der</strong> in ihrem<br />

Verlauf vorkommenden Lebensraumtypen. Krenal = Lebensraum <strong>der</strong> Quellen und angrenzen<strong>der</strong> Fließabschnitte; rhithral<br />

= Lebensraum <strong>der</strong> Gebirgs und Hügelbäche; Beschreibung <strong>der</strong> Lebensräume in Tab. A2-1. Limnisch = Lebensraum <strong>der</strong><br />

Stillgewässer und langsam fließenden Riedgewässer /Wiesenbäche.<br />

47


48<br />

Gewässertyp: Beispieltyp<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Lage: Alpenrheintal - Schotterkörper Breite: 3 - 10 m Länge: bis 5 km<br />

Ökosystembaustein Ausprägung<br />

Wasserhaushalt<br />

Abflussdynamik Tagesgang<br />

Abflussdynamik Jahresgang<br />

Abschnittweise Versickerungen<br />

Eisbildung<br />

Grundwasseranbindung<br />

Abflussgeschwindigkeit<br />

Strömungsvariabilität<br />

Turbulenz<br />

gering mäßig stark sehr stark<br />

Feststoffhaushalt gering mäßig stark sehr stark<br />

Geschiebe<br />

Schwebstoffe (fliessende Welle)<br />

Trübung<br />

Sedimentation<br />

Kolmatierung<br />

Morphologie gering mäßig stark sehr stark<br />

Gefälle<br />

Linienführung geschwungen<br />

Linienführung mäandrierend<br />

Pendelband innerhalb Gerinne<br />

Pendelband in <strong>der</strong> Landschaft<br />

Durchgängigkeit longitudinal<br />

Vernetzung mit an<strong>der</strong>en Gew.<br />

Ufer-Gerinne-Verzahnung<br />

Feinsubstratanteil Sohle<br />

Grobsubstratanteil Sohle<br />

Wasserspiegelbreiten-Variation<br />

Tiefenvariabilität<br />

Detritusablagerungen<br />

Schwemmholz-/Totholz-Transport<br />

Anfallen von Totholz<br />

Wasserqualität niedrig mäßig hoch sehr hoch<br />

Temperaturamplituden<br />

Selbstreinigungskraft<br />

Trophie (Nährstoffversorgung)<br />

Säurebindungsvermögen (SBV)<br />

PH-Regime<br />

Temperatur-Regime<br />

Sauerstoff-Regime<br />

Biozönosen niedrig mäßig hoch sehr hoch<br />

Artenvielfalt Benthos<br />

Artenvielfalt Fische<br />

Artenvielfalt Aufwuchs<br />

Artenvielfalt Makrophyten<br />

Artenvielfalt Ufervegetation<br />

Individuendichte Benthos<br />

Individuendichte Fische<br />

Flächen-Dichte Aufwuchs<br />

Flächen-Dichte Makrophyten<br />

Flächen-Dichte Ufervegetation (Aue)<br />

neutral<br />

wenig Schwankungen<br />

durch Wasserpflanzen geprägt<br />

Tab. A2-11: Vorschlag für die differenzierte Charakterisierung eines Fließgewässertyps im Alpenrheintal.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

A2.5 Gewässerabschnitte von beson<strong>der</strong>er Bedeutung<br />

Für die <strong>Gewässerentwicklung</strong> ist es von herausragen<strong>der</strong> Bedeutung, neben einer generellen Typisierung<br />

und Charakterisierung <strong>der</strong> im Alpenrheingebiet vorkommenden Gewässertypen auch die vorhandenen<br />

Gewässerabschnitte von beson<strong>der</strong>er ökologischer Bedeutung zu berücksichtigen. Oft handelt<br />

es sich bei solchen Abschnitten um Übergangsbereiche (Ökotone) zwischen Fließgewässern<br />

unterschiedlicher Ordnung (Mündungsbereiche) o<strong>der</strong> deutlich unterschiedlichen Charakters (Übergänge<br />

im Längsverlauf). Vor <strong>der</strong> Einleitung von Maßnahmen an Gewässern müssen vor allem solche<br />

Abschnitte lokalisiert und in ihrer Funktion und Struktur charakterisiert werden. Handelt es sich bei<br />

diesen um periodisch wie<strong>der</strong>kehrende Laufstrukturen, ist <strong>der</strong>en unterschiedliche Ausprägung zu<br />

betrachten (ausgeprägt ansatzweise vorhanden) und die zu ermittelnde Anzahl dieser Strukturen<br />

auf eine bestimmte Lauflänge zu berücksichtigen. Alle diese Gewässerabschnitte/-bereiche sind<br />

typisch für Fließgewässer mit guter ökologischer Funktionsfähigkeit.<br />

A2.5.1 Mündungsbereiche<br />

Mündungsbereiche stellen aufgrund <strong>der</strong> Überschneidung zweier Lebensräume grundsätzlich vielfältige<br />

und daher arten- bzw. individuenreiche Lebensräume dar. Aufgrund <strong>der</strong> verschiedenen Fließgewässertypen<br />

des Alpenrheins, des Rheintals sowie <strong>der</strong> unterschiedlichen Abflussmenge und Geschiebeführung<br />

<strong>der</strong> Rheinzubringer lagen - zumindest historisch - eine Vielfalt unterschiedlicher<br />

Mündungstypen vor (Abb. A2-14).<br />

Bei <strong>der</strong> Mündung eines großen, geschiebeführenden Gebirgsflusses bewirkte früher <strong>der</strong> bei Hochwasser<br />

massive Geschiebeeintrag ins Flussbett des Alpenrheins flussauf einen Aufstau. Infolge des verringerten<br />

Gefälles entwickelt sich zunächst ein „Ausschotterungsbereich" mit Flussverzweigungen,<br />

nach Erosion <strong>der</strong> aufgeschütteten Geschiebemengen werden die Umlagerungsstrecken wie<strong>der</strong> umgeformt.<br />

Flussab des Mündungsbereiches kommt es infolge des höheren Gefälles und Geschiebetriebes<br />

ebenfalls zu Verzweigungen. Insgesamt sind solche Mündungstypen von extrem hoher Dynamik<br />

geprägt. Vor allem aus fischökologischer Sicht stellen sie wichtige Laichplätze für strömungsliebende<br />

Fischarten und attraktive Jungfischhabitate zur Verfügung. Solche Mündungsbereiche sind nur dann<br />

als ökologisch funktionsfähig anzusehen, wenn Nebengewässer und Hauptfluss/See einen niveaugleichen<br />

Übergangsbereich besitzen.<br />

Abb A2-14: Schematische Darstellung ursprünglicher Verhältnisse am Alpenrhein (Bereich Illmündung, verän<strong>der</strong>t).<br />

Typische Übergangs- und Mündungsbereiche zwischen Gebirgsflüssen, Talgewässern und dem Hauptstrom sowie die flächige<br />

Ausdehnung von flussbegleitenden Weichholzauen (grün).<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

49


50<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Kleinere, stark geschiebeführende Hang- und Gebirgsbäche mit Geschiebetransport bis in den<br />

Bach/Fluss nächster Ordnung spalten sich bei <strong>der</strong> Mündung in mehrere, seichte Arme mit dazwischen<br />

liegenden Schotterinseln und -bänken auf. Der so erzeugte Schwemmkegel stellt für sich einen meist<br />

durchgängigen Übergangsbereich dar, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Regel keine natürlichen Aufstiegshin<strong>der</strong>nisse aufweist.<br />

Bei diesem Gewässertyp folgen oberhalb des Mündungsbereichs allerdings nicht selten steilere<br />

Gefällestrecken mit natürlichen Abstürzen und Kaskaden und somit auch natürlichen Ausbreitungsgrenzen<br />

für Fische.<br />

Wenig geschiebeführende Gewässer wie Gießenbäche, die in den Alpenrheinhauptarm o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Talgewässer einmünden, bilden infolge fehlenden Geschiebes eine niveaugleiche, kompakte Trichtermündung<br />

aus. Bei Nie<strong>der</strong>wasserführung liegen nur geringe Strömungsgeschwindigkeiten vor. Bei<br />

Hochwasser entstehen rückgestaute Klarwasserzonen. Im Mündungsbereich lagern sich zeitweise<br />

größere Mengen an feineren Schotterfraktionen bzw. Sand und Feinsedimente ab. Fische wan<strong>der</strong>n v.a.<br />

zum Laichen in solche Nebengewässer ein, laichen zum Teil aber auch weit flussauf <strong>der</strong> Mündungen.<br />

Solche Trichtermündungen sind im Hochwasserfall wichtige strömungsberuhigte Rückzugsgebiete<br />

für Fische.<br />

Kleinere Gewässer, die in einen Alpenrhein-Seitenarm o<strong>der</strong> grössere Talgewässer münden, werden<br />

maßgeblich durch die Morphologie des Seitenarmes und dessen Schotterinseln und -bänken geprägt.<br />

Bei Mittel- und Nie<strong>der</strong>wasserführung kommt es teilweise zu Rückstau mit entsprechen<strong>der</strong> Strömungsreduktion<br />

und Aufwärmung. Hier lagern sich Feinsedimente ab. Als Referenz für diesen<br />

Mündungstyp kann aktuell noch die Cosenzmündung im Bereich <strong>der</strong> Mastrilser Auen gelten. Zubringer<br />

dieses Typs weisen keine Hochwässer auf, die die Flussbettausformung des Alpenrheins o<strong>der</strong> eines<br />

grösseren Talgewässers beeinflussen bzw. prägen. Insgesamt liegen jedoch durch die enge Verzahnung<br />

äußerst vielfältige Lebensraumverhältnisse mit artenreichen, aquatischen Lebensgemeinschaften vor.<br />

Laichplätze und Jungfischhabitate für strömungsliebende Kieslaicher existieren v.a. in den Schotterfurten.<br />

Die langsam strömenden, erwärmten Abschnitte mit Makrophytenbewuchs werden von<br />

krautlaichenden Fischarten als Laichplatz genutzt.<br />

A2.5.2 Perioden (Riffle-Pool-Abfolgen)<br />

Durch Gefällewechsel, Laufverengungen o<strong>der</strong> Störstrukturen verursachter Strukturkomplex des<br />

Gerinnes, bestehend aus einem Energie freisetzenden Riffle (Schnelle) und dem darauffolgenden<br />

Energie speichernden Pool (Kolk). Riffle-Pool-Strukturen entwickeln sich natürlicherweise in jedem<br />

Fließgewässer mit stärkerem Gefälle (> ca. 0,3 %) und entsprechen<strong>der</strong> Strömungsdynamik. Bei Gewässern<br />

mit noch größerem Gefälle entstehen so genannte “step-pools”.<br />

Perioden gehören zu den wichtigsten Strukturkomplexen im Längsverlauf des Gerinnes. Die Abfolge<br />

von Energie abgebenden und Energie speichernden Abschnitten führt zu einer starken Strömungsdynamik<br />

und erzeugt die entscheidenden Schleppkräfte zum Abtransport von Feinsediment, zu lokalem<br />

Geschiebetrieb und damit zur Longitudinal- und Vertikalstrukturierung <strong>der</strong> Gewässersohle.<br />

A2.5.3 Erosions-, Alluvionszonen (Akkumulationszonen)<br />

In vielen Fließgewässern lassen sich Streckenabschnitte unterscheiden, innerhalb <strong>der</strong>er <strong>der</strong> Geschiebeabtransport<br />

über den -antransport dominiert (Erosionszonen) und umgekehrt (Alluvions- o<strong>der</strong><br />

Akkumulationszonen). Solche Strecken mit grundsätzlich verschiedenem Feststoffhaushalt können<br />

jeweils mehrere Kilometer lang sein und zeigen entscheidende Auswirkung auf die Besiedlung. So zeigen<br />

beide Bereiche eine in <strong>der</strong> Regel sehr instabile und damit nur temporär besiedelbare Gewässersohle.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

a b c<br />

d<br />

e f<br />

h i j<br />

k<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

g<br />

Abb. A2-15: Gewässerabschnitte von beson<strong>der</strong>er<br />

Bedeutung: a: Niveaugleiche Mündung; b: Perioden<br />

im Bergbach; c: Totholzverklausung; d: Laufgabelungen<br />

mit Inselbildung (Maßnahme), e: Inselbildung<br />

durch Alluvionen; f: Laufweitung; g:<br />

Totholz im Gerinne; h: Furkationen und Schlingen<br />

(stabil); i: Gleit- und Prallhangstruktur; j: Sturzbäume;<br />

k: Hinterwasser (Maßnahme).<br />

51


52<br />

A2.5.4 Totholzstrecken, Totholzverklausungen, Sturzbäume<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Ansammlungen (oft punktuell konzentriert) von ineinan<strong>der</strong> verkeiltem Totholz (Treibholz, Fallholz)<br />

sind z.T. so stabil, daß sie zur Verklausung (Abflusssperren) des Gerinnes führen können und damit<br />

den Hochwasserabfluss behin<strong>der</strong>n.<br />

Unter Sturzbäumen verstehen wir in o<strong>der</strong> über das Wasser gestürzte Bäume, die durch ihren Stamm<br />

und/o<strong>der</strong> den mitgerissenen Wurzelstock den Mittelwasserstrom in einem Maße stören, dass es auch<br />

zu Sohlstrukturierungen kommen kann.<br />

Sowohl Totholzansammlungen als auch Sturzbäume besitzen gewässerökologisch große Bedeutung<br />

als strömungsberuhigende Elemente. Dadurch bieten sie energetisch günstige, dreidimensionale Aufenthaltsräume<br />

(Standorte) und Deckungsstrukturen, vor allem für Fische.<br />

A2.5.4 Laufgabelungen (mit und ohne Inselbildung)<br />

Meist in Auflandungs- (Alluvions-) bereichen mit großer Gerinnebreite und geringem Gefälle<br />

kommt es zu Gabelungen (Furkationen) des Fließgewässers in zwei o<strong>der</strong> mehrere Arme, die ständig<br />

durchströmt werden. Ist die von den Gewässerarmen umflossene Landfläche (Insel) auf einem Niveau<br />

mit dem Vorland, so wird sie nur bei Hochwasser überströmt und oft von Pionierpflanzengesellschaften,<br />

vereinzelt auch von Busch und Auenvegetation besiedelt. Neu entstandene Laufgabelungen<br />

o<strong>der</strong> Furkationen in Gewässern mit starker Abflussdynamik (Schwemmebenen, Abflussschwankungen<br />

o<strong>der</strong> Schwallbetrieb ...) sind durch meist alternierende, sich stets umlagernde Kies- und<br />

Schotterbänke charakterisiert. Beispiel hierfür ist das Gewässerbetts des Alpenrheins unterhab <strong>der</strong><br />

Tardisbrücke (Mastrils - Landquart) bei Niedrigwasser.<br />

A2.5.5 Laufverengungen / Laufweitungen<br />

Laufverengungen und -weitungen sind örtliche Variationen <strong>der</strong> Gerinne- und Wasserspiegelbreite um<br />

das Doppelte (die Hälfte) bei kleineren, um das ca. 1 1/2-fache (2/3) bei größeren Fließgewässern.<br />

Ursache für solch massive Variationen <strong>der</strong> Wasserspiegelbreite sind unterschiedliche Beschaffenheit<br />

des Ufers (verschieden harte Materialien, Wurzelräume etc.) sowie unterschiedliche Schleppkräfte<br />

durch die vorliegenden Geländeformen (z.B. Gefällewechsel). Laufverengungen/ -weitungen för<strong>der</strong>n<br />

sowohl die Längs- als auch die Horizontalstrukturierung des Gerinnes, die Bildung von Substratmosaiken<br />

und damit das Habitatsangebot für aquatische und amphibische Organismen.<br />

A2.5.6 Hinterwasser<br />

Als Hinterwasser werden alle vom Fluss einseitig abgetrennten und nur noch passiv durchflossenen<br />

Gerinnestrukturen bezeichnet. Sie sind in einem strukturreichen Gewässerlauf häufig, fehlen dagegen<br />

in regulierten Gewässern fast vollständig. Hinterwasser besitzen beson<strong>der</strong>e Bedeutung als strömungsberuhigte<br />

Zonen und sind damit vor allem ein lebenswichtiges Habitat für Fischbrütlinge und Jungfische.<br />

Ähnlich wie in Altläufen können sich hier auch Kleinslebewesen und Plankton entwickeln, die<br />

wie<strong>der</strong> als Nahrungsgrundlage für Jungfische dienen.<br />

Hinterwasser können praktisch im Rahmen je<strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahme auch künstlich<br />

geschaffen werden, indem entsprechende Störstrukturen (Blöcke, Totholz) eingebracht o<strong>der</strong> großzügige<br />

Gerinneaufweitungen umgesetzt werden.<br />

A2.5.7 Strukturen <strong>der</strong> Laufkrümmung<br />

Abhängig von ihrer Linienführung (mäandrierend, schlängelnd, geschwungen, geradlinig) und unterschiedlicher<br />

Sohlenbeschaffenheit zeigen Fließgewässer mehr o<strong>der</strong> weniger ausgeprägte Strukturen<br />

<strong>der</strong> Laufkrümmung. Hierzu gehört <strong>der</strong> Verlaufswechsel <strong>der</strong> Hauptrinne (Niedrigwasserrinne) und<br />

Strukturen von Prallhang und Gleithang. Krümmungserosion entsteht immer dort, wo strömendes<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Wasser auf ein Hin<strong>der</strong>nis trifft und/o<strong>der</strong> seinen geradlinigen Lauf verän<strong>der</strong>n muss. Die hydraulischen<br />

Schleppkräfte führen an solchen Stellen entwe<strong>der</strong> direkt zum Abtrag des Hin<strong>der</strong>nisses (z.B.<br />

Prallhangerosion) o<strong>der</strong> - bei stabilen Hin<strong>der</strong>nissen - zum Abtrag ihres Umfeldes (z.B. Auskolkung,<br />

Aushöhlung). Erodiertes Material wird an <strong>der</strong> nächstmöglichen Stelle wie<strong>der</strong> angelandet (z.B.<br />

Gleithang-Alluvionen). Strukturen <strong>der</strong> Laufkrümmung gehören zu den wichtigsten Elementen zur<br />

Auslösung von Eigenstrukturierungs-Prozessen in Fließgewässern.<br />

A2.6 Weiterführende Begriffserläuterungen<br />

Ist-Zustand, Ist-Zustands-Erhebung<br />

Der Ist-Zustand ist eine Momentaufnahme des aktuellen biotischen und abiotischen Gewässerzustandes<br />

(Status Quo). Er kann sich in Abhängigkeit von wechselnden Rahmenbedingungen (Naturereignisse,<br />

anthropogene Eingriffe und Einflüsse) wandeln. Bei einer Ist-Zustands-Erhebung werden<br />

die sogenannten Inventare erhoben (s.u.). Die korrekte Aufnahme des Ist-Zustands ist Voraussetzung<br />

für die Defizitanalyse.<br />

Inventar<br />

Inventare sind in sich abgeschlossene, für eine Beschreibung des Ist-Zustands sinnvolle, thematische<br />

Einheiten eines beobachteten Systems. Inventare beschreiben den Zustand von Ökosystembausteinen<br />

unterschiedlicher thematischer Stufen aus <strong>der</strong> Biologie/Ökologie (Fischinventar, Benthosbiozönose<br />

etc.), <strong>der</strong> Abiotik (Abflussgeschehen, Morphologie, Struktur, Geschiebedynamik, Wasserqualität etc.)<br />

sowie <strong>der</strong> anthropogenen Nutzung (Siedlungsraum, Landwirtschaft, Wassernutzung etc.). Inventar<br />

wird z.T. synonym zu dem Begriff Kataster verwendet.<br />

Visionäres Leitbild<br />

Die Formulierung eines visionären Leitbildes hilft dabei, die angestrebte Richtung einer gewünschten<br />

Entwicklung vorzugeben und dient als Referenz bei <strong>der</strong> ökologischen Defizitanalyse. Bezugspunkt ist<br />

eine ursprüngliche Situation ohne anthropogene Einflüsse - also <strong>der</strong> Naturzustand des Gewässers/<br />

Gewässersystems. Es berücksichtigt keine Nutzungseinflüsse o<strong>der</strong> -anfor<strong>der</strong>ungen, son<strong>der</strong>n nur die<br />

natürlichen Randbedingungen und Gesetzmäßigkeiten sowie in <strong>der</strong> Landschaftsgeschichte als irreversibel<br />

einzustufende Verän<strong>der</strong>ungen (natürliche Reifung/Alterung des Systems).<br />

Defizitanalyse<br />

Eine Defizitanalyse unter ökologischen Gesichtspunkten wird auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Erkenntnisse über<br />

den Ist-Zustand des Gewässers/Gewässersystems durchgeführt. Sie beschreibt die Mängel im Zustand<br />

<strong>der</strong> einzelnen Ökosystembausteine. Diese Mängel lassen sich qualitativ und quantitativ dimensionieren,<br />

indem die Abweichung von <strong>der</strong> natürlichen Referenz (visionäres Leitbild) beschrieben wird<br />

(“absolute” Defizite). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gibt sie das Maß an, um das sich die Ökosystembausteine<br />

verbessern müssen, damit das Gewässer seine volle ökologische Funktionsfähigkeit zurück gewinnt.<br />

“Relative” Defizite werden ermittelt, indem die Abweichung von einer wie<strong>der</strong>erlangbaren Referenz,<br />

dem operationalen Leitbild (s.u.) o<strong>der</strong> dem potenziell natürlichen Gewässerzustand (vgl. Kap. 3.2.2)<br />

herangezogen wird. Eine solche Verwendung des Begriffs ist dann üblich, weil so die gesteckten Entwicklungsziele<br />

bereits in einer sehr frühen Phase <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung formuliert werden<br />

können.<br />

Entwicklungsbedarf<br />

Direkt aus <strong>der</strong> Defizitanalyse <strong>der</strong> einzelnen Fachbereiche leitet sich <strong>der</strong> Entwicklungsbedarf ab. In<br />

<strong>der</strong> Schutzwasserwirtschaft ist er einem zwingenden Handlungserfor<strong>der</strong>nis gleichzusetzen und beinhaltet<br />

bereits die konkrete Vorstellung nötiger Maßnahmen zur Beseitigung eines Gefährdungs-<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

53


54<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

potenzials. Unter ökologischen Gesichtspunkten muss er für alle Ökosystembausteine getrennt betrachtet<br />

werden. Er lokalisiert hierbei jeweils die Bereiche, für die auf alle Fälle eine Beseitigung <strong>der</strong><br />

Defizite erfolgen muss, damit das Gewässer seine gewässertypische ökologische Funktionsfähigkeit<br />

wie<strong>der</strong>erlangen kann.<br />

Restriktionen<br />

Unter Restriktionen verstehen wir alle Rahmenbedingungen in einem Planungsgebiet, die verhin<strong>der</strong>n,<br />

dass <strong>der</strong> natürliche Referenzzustand (visionäres Leitbild) in direkt als Entwicklungsziel (operationales<br />

Leitbild) in die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung übernommen werden kann. Restriktionen gelten<br />

für die Laufzeit des Plans und werden für diesen Zeitraum als unverän<strong>der</strong>bar gehandelt. Restriktionen<br />

sind die Fakten des Ist-Zustandes, die nach allgemeinem Konsens durch die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

nicht in Frage gestellt werden. Dazu gehören vor allem die vorhandenen Siedlungsstrukturen<br />

mit Bebauung und Infrastruktureinrichtungen einschließlich <strong>der</strong>en bestehen<strong>der</strong> Hochwasserschutz<br />

und die Standsicherheit von Bauwerken. Hierzu gehören weiter rechtliche Festsetzungen<br />

mit festgelegten Laufzeiten (Rechte zur Wasserkraftnutzung, Wasserentnahme).<br />

<strong>Ökologische</strong>s Entwicklungspotenzial<br />

Das Entwicklungspotenzial, auch Aufwertungspotenzial genannt, beschreibt das nach Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Restriktionen verbleibende Maß möglicher Verän<strong>der</strong>ungen/Entwicklungen. Das Entwicklungspotenzial<br />

hat eine quantitative und eine qualitative Komponente. Erstere hat ein geografisches<br />

Pendant und gibt die räumlichen Möglichkeiten für eine Maßnahme an und damit die maximale Ausdehnung<br />

<strong>der</strong> planbaren Umgestaltung o<strong>der</strong> Vernetzung eines Gewässerobjekts/-systems. Dieser maximal<br />

zur Verfügung stehende Raum wird in den Planungskarten deutlich markiert, damit er bei je<strong>der</strong><br />

weiteren Überlegung des Planungsprozesses auf den ersten Blick zu erkennen ist.<br />

Bei <strong>der</strong> qualitativen Komponente des Entwicklungspotenzials wird abgewägt, inwieweit und in welcher<br />

Form <strong>der</strong> zur Verfügung stehende Raum für die Planung genutzt wird, um Entwicklungsziele<br />

umsetzen zu können. Eine separate Formulierung des qualitativen Entwicklungspotenzials ist nicht<br />

nötig, da diese Überlegungen einerseits in die Entwicklungsziele, an<strong>der</strong>erseits direkt in die Planungsvarianten<br />

eingehen können.<br />

Entwicklungsziel<br />

Dieser Begriff wird synonym zu den Begriffen “operationales Leitbild”, “operatives Leitbild” und<br />

“anzustreben<strong>der</strong> Zustand” verwendet. Das Entwicklungsziel beschreibt - unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

Restriktionen - den mittel- bis langfristig anzustrebenden und realisierbaren Zustand eines Gewässers/Gewässersystems<br />

und gibt den Rahmen für die Maßnahmenplanung vor. Es kann nur nach dem<br />

jeweils aktuellen Wissensstand zur Maßnahmenoptimierung formuliert werden und muss daher ausreichend<br />

Spielraum für spätere Korrekturen o<strong>der</strong> Erweiterungen bieten.<br />

Nach einer Konvention (die so sinngemäß auch in die EU-Wasserrahmen-Richtlinie übernommen<br />

wurde) stellen Entwicklungsziele den innerhalb von 10-15 Jahren absehbar erreichbaren Verbesserungsschritt<br />

in einer vom “visionären Leitbild” vorgezeichneten Richtung dar. Ein Entwicklungsziel<br />

beinhaltet demnach auch Zustände, die eine eventuell erst später mögliche größere Annäherung an das<br />

visionäre Leitbild möglich machen. Künftigen Generationen soll diese Option offen gehalten werden.<br />

Handlungserfor<strong>der</strong>nisse<br />

Handlungserfor<strong>der</strong>nisse sind gegenüber dem o.g. Entwicklungsbedarf ein Konkretisierungsschritt<br />

vom Entwicklungsziel zur Maßnahmenplanung. Sie müssen zusätzlich formuliert werden, wenn die<br />

Frage “wie werden die Ziele erreicht?” we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Entwicklungsziele noch in <strong>der</strong><br />

Maßnahmenplanung berücksichtigt wird.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Weiterführende Literatur<br />

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Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

55


56<br />

Schritte <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

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Naturnahe Unterhaltung von Fließgewässern. Möglichkeiten, Techniken, Perspektiven.<br />

Karlsruhe<br />

LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (LfU) (1992): Handbuch Wasser 2;<br />

<strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung - Leitlinien. Karlsruhe<br />

LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (LfU) (1999): <strong>Gewässerentwicklung</strong> in<br />

Baden-Württemberg. Leitfaden Teil 1 - Grundlagen. Karlsruhe<br />

LANGE, G. & K. LECHER 1989: Gewässerregelung, Gewässerpflege. Naturnaher Ausbau und Unterhaltung<br />

von Fließgewässern. 2.Auflage, Paul Parey Verlag, Hamburg und Berlin, 301 S.<br />

LAUTERBORN (1916): Die geographische und biologische Glie<strong>der</strong>ung des Rheinstromes. Sitzungsberichte<br />

<strong>der</strong> Heidelberger Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften. Math.-Naturwiss. Abteilung B. Biologische<br />

Wissenschaften, 6. Abhandlung.<br />

MINISTERIUM FÜR NATUR, UMWELT UND LANDESENTWICKLUNG DES LANDES SCHLESWIG-HOLSTEIN<br />

(1991): Grundsätze zum Schutz und zur Regeneration von Gewässern. Bericht des Landesamtes für<br />

Wasserhaushalt und Küsten des Landes Schleswig-Holstein. Kiel<br />

MINISTERIUM FÜR UMWELT BAD.-WÜRTT. 1993: Handbuch Wasserbau, Heft 2; Naturnahe Umgestaltung<br />

von Fließgewässern; Teil I: Leitfaden; Teil II: Dokumentation ausgeführter Projekte. MfU Stuttgart;<br />

228 S.<br />

MINISTERIUM FÜR UMWELT, SAARBRÜCKEN (1992): Naturnahe Pflege und Entwicklung von Bächen<br />

und Flüssen. Gewässer in <strong>der</strong> Landschaft. Referate zum Seminar vom 12. November 1992, Saarbrücken<br />

NATURFORSCHENDE GESELLSCHAFT LUZERN (1997): Revitalisierung - Renaturierung. Mitteilungen<br />

<strong>der</strong> Naturforschenden Gesellschaft Luzern, Band 35, Luzern<br />

NIEDERSÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR ÖKOLOGIE (1995): Expertenkolloqium; Fließgewässerrenaturierung<br />

in <strong>der</strong> Praxis. Hildesheim<br />

OTTO, A. (1995): Aktion Blau - <strong>Gewässerentwicklung</strong> in Rheinland-Pfalz. Ministerium für Umwelt<br />

und Forsten Rheinland-Pfalz, Mainz<br />

REGIONALPLANUNGSGRUPPE SARGANSERLAND-WALENSEE (RSW) (1998): Entwicklungskonzept<br />

EK2. Sargans<br />

REY, P. & J. ORTLEPP (2000): Gesunde Fliessgewässer durch Revitalisierung. Internationale Regierungskommission<br />

Alpenrhein<br />

REY, P., 2002: Neues Leben für den Spiersbach; Broschüre: Konzept zur ökologischen und schutzwasserbaulichen<br />

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STALLMANN, H.-G. (1979): Naturnaher Wasserbau; Gewässerbiologische Untersuchungen an naturbelassenen,<br />

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Land- und Forstwirtschaft (Hrsg.), Wien<br />

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und Landbeschaffung. VGL-Umweltinformation 4/95.<br />

WASSERWIRTSCHAFT IN BAYERN (1989): Flüsse und Bäche erhalten, entwickeln, gestalten. Oberste<br />

Baubehörde im bayerischen Staatsministerium des Innern. München.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

3 Abklärungen<br />

3.1 Ist-Zustands-Erhebung (Inventarisierung, Bestandsaufnahme)<br />

Inventar ist ein Sammelbegriff für die Information an Beständen, Daten, Karten und Listen eines<br />

Ökosystembausteines o<strong>der</strong> dessen einzelner <strong>Aspekte</strong>. Inventare sind die unverzichtbare Voraussetzung<br />

zur Beschreibung und Beurteilung des Ist-Zustandes eines Objekts/Systems und zur Feststellung<br />

bestehen<strong>der</strong> Defizite. Der Weg zur Beschaffung und Vervollständigung von Inventaren wird als<br />

Inventarisierung o<strong>der</strong> Bestandsaufnahme bezeichnet. Sie beinhaltet sowohl die Recherche und Sammlung<br />

bereits vorhandener als auch die Neuerfassung noch unbekannter Informationen (Abb. 3-1).<br />

Datenbankerstellung, Kartengrundlagen<br />

(wie verwalte ich die Informationen)<br />

Inventarisierung<br />

Wasserhaushalt Feststoffhaushalt Morphologie Wasserqualität Biozönosen Rahmenbedingungen<br />

Datenrecherche (welche Informationen liegen bereits vor?)<br />

Dateneignung (sind die Informationen geeignet und aktuell?)<br />

Abklärungsbedarf (welche Informationen fehlen noch?)<br />

Indikatoren (welche aussagekräftigen <strong>Aspekte</strong> (Organismen) werden verwendet)<br />

Erhebung fehlen<strong>der</strong> Inventare und Georeferenzierung<br />

Übertragung <strong>der</strong> Informationen in Datenbank<br />

Erstellung spezifischer Karten und Kataster, GIS<br />

Abb. 3-1:<br />

Inventarisierungsschritte unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Ökosystembausteine und <strong>der</strong> Rahmenbedingungen.<br />

Alle für eine <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung nötigen Informationen haben eine geografische Entsprechung.<br />

So kann man auf einer Karte angeben, über welchen Bereich sich welcher Zustand erstreckt,<br />

wo welche Organismen siedeln und wo es Belastungs- o<strong>der</strong> Störungsquellen gibt. Die in den<br />

letzten Jahren immer weiter verbesserte Software für Geografische Informationssysteme (GIS, Kap.<br />

4.7.2) erlaubt es, den räumlichen Bezug von Informationen darzustellen und auszuwerten. Die GIS-<br />

Software greift dabei selektiv auf Informationen einer Datenbank zu, die für die jeweils gewünschten<br />

Darstellungsinhalte benötigt werden.Voraussetzung dafür ist, dass die im Rahmen <strong>der</strong> Inventarisierung<br />

erfassten Informationen mit eindeutigen Koordinaten belegt werden (= Georeferenzierung).<br />

Inventare werden oft zur möglichst vollständigen ökologischen Charakterisierung o<strong>der</strong> zur Vervollständigung<br />

<strong>der</strong> Kenntnisse über ein Ökosystem erfasst und sind damit auch von wissenschaftlichem<br />

Wert. Allerdings müssen für die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung nicht alle Informationen zu allen<br />

Ökosystembausteine erhoben werden, son<strong>der</strong>n nur eine geeignete Auswahl. Hierfür genügen in <strong>der</strong><br />

Regel diejenigen Inventare, die zur Beurteilung <strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit, zur Defizitanalyse<br />

und damit zur Erkennung des Handlungsbedarfs nötig sind.<br />

Umgekehrt kann aus einer mit hohem wissenschaftlichen Anspruch durchgeführten Bestandsaufnahme<br />

nicht immer <strong>der</strong> Ist-Zustand abgeleitet und Defizite erkannt werden. Der Nutzen eines Inven-<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

57


58<br />

tars für eine nachhaltige <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahme hängt vor allem von zwei Punkten ab:<br />

■ von <strong>der</strong> Aktualität <strong>der</strong> Erhebungen (Frage: entspricht <strong>der</strong> beschriebene Bestand noch <strong>der</strong> aktuellen<br />

Situation?);<br />

■ vom Aussagewert <strong>der</strong> erhobenen Daten (Frage: eignet sich die Information zur Beurteilung des<br />

Ist-Zustandes und <strong>der</strong> ökologischen Funktionsfähigkeit?<br />

3.2 Referenzzustände, Leitbil<strong>der</strong><br />

Für eine nachhaltige <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung werden Instrumente benötigt, welche die Richtung<br />

und die Stärke notwendiger Verbesserungsmaßnahmen vorgeben. Solche Instrumente sind die<br />

sogenannten Referenzzustände o<strong>der</strong> Leitbil<strong>der</strong> für die jeweiligen Gewässer/Gewässersysteme. Referenzzustände<br />

sind in jedem Fall gewässertypspezifisch zu erarbeiten. Das Auffinden geeigneter Referenzzustände<br />

ist umso schwieriger, je mehr sich das betrachtete Objekt von seinem ursprünglichen<br />

Zustand entfernt hat. Nur wenn eine eindeutige Zuordnung zu einem Gewässertyp noch möglich ist<br />

und die anthropogenen Einflüsse von den natürlichen Verän<strong>der</strong>ungen zu trennen sind, können Referenzzustände<br />

aus dem Gebiet als sogenannte Leitbil<strong>der</strong> herangezogen werden. Dabei sind drei Typen<br />

von Referenzzuständen zu unterscheiden:<br />

■ Historische Referenzzustände des selben Gewässersystems sind stets die frühestmöglichen und<br />

dem natürlichen Zustand am nächsten kommenden Dokumente, die einen glaubwürdigen und und für<br />

eine Planung brauchbaren Inhalt aufweisen;<br />

■ Aktuelle Referenzzustände noch natürlicher Gewässer mit vergleichbarer Lage und Charakter sind<br />

zunächst in geographischer Nähe zu suchen. Bei räumlich entfernten Objekten/Systemen kann nur<br />

ein vergleichbarer Teil <strong>der</strong> Charakteristik (aller Ökosystembausteine) als Referenz übernommen werden.<br />

Die Auswahl solcher Referenzinhalte bedarf einer zusätzlichen, sorgfältigen Abklärung;<br />

■ Synthetische Referenzzustände müssen erstellt werden, wenn keine brauchbaren historischen o<strong>der</strong><br />

aktuellen Referenzzustände erfasst werden können (z.B. bei künstlichen Gewässersystemen wie Entwässerungsgräben<br />

und Binnenkanäle). Synthetische Referenzzustände orientieren sich an:<br />

- naturnahen o<strong>der</strong> natürlichen Gewässerabschnitten mit ähnlichem hydrologischen Charakter<br />

- naturnahen o<strong>der</strong> natürlichen Gewässerabschnitten mit vergleichbarem Lebensrauminventar.<br />

Die Referenzinhalte (z.B. potenzielle Besiedlung, potenzielle Struktur- und Strömungsvielfalt) sollten<br />

aus tatsächlichen Gewässercharakteristika des jeweiligen Gewässersystems entnommen werden.<br />

Auch hier kommen wie<strong>der</strong> die biologischen und strukturellen Indikatoren zur Anwendung.<br />

3.2.1 Visionäres Leitbild<br />

Visionäre Leitbil<strong>der</strong> sind Voraussetzung zur Durchführung einer Defizitanalyse (s.u.), welche die Abweichung<br />

eines degradierten Gewässerzustands von seinem ursprünglichen Zustand abschätzt.<br />

Bezugspunkt für ein Visionäres Leitbild ist <strong>der</strong> natürliche Systemzustand, dem die historische Referenz<br />

am nächsten kommt. Er berücksichtigt keine anthropogenen Nutzungseinflüsse o<strong>der</strong> -anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

son<strong>der</strong>n nur die natürlichen Randbedingungen und Gesetzmäßigkeiten sowie in <strong>der</strong> Landschaftsgeschichte<br />

als irreversibel einzustufende Verän<strong>der</strong>ungen (natürliche Reifung/Alterung).<br />

Die Formulierung eines sogenannten Visionären Leitbildes ist entscheidend für die Fragen:<br />

■ In welche Richtung soll sich das System entwickeln?<br />

■ Welche ökologischen Wertvorstellungen müssen berücksichtigt werden?<br />

Abklärungen<br />

Die durch das Leitbild festgelegte Richtung <strong>der</strong> ökologischen <strong>Gewässerentwicklung</strong> steht oft im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zu den unterschiedlichsten Nutzungsinteressen und unverän<strong>der</strong>baren Rahmenbedingungen<br />

(Restriktionen). Das Visionäre Leitbild darf daher nicht mit dem Operationalen (umsetzbaren) Leit-<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

bild o<strong>der</strong> Entwicklungsziel verwechselt werden (s.u.). Ein einmal verlorener natürlicher Zustand kann<br />

nicht mehr in einen natürlichen, son<strong>der</strong>n nur noch naturähnlichen (naturnahen) bzw. natürlich funktionierenden<br />

Zustand zurückgeführt werden. Das Visionäre Leitbild deckt sich nur dann annähernd<br />

mit einem Entwicklungsziel, wenn es darum geht, einen anthropogen noch unbeeinflussten Zustand<br />

zu erhalten (z.B. bestimmte Zonen von Nationalparks) (DVWK, 1999).<br />

3.2.2 Potenziell natürlicher Gewässerzustand<br />

Im Rahmen einer <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung im Alpenrheintal mag es zielführend sein, Referenzzustände<br />

zwischen visionärem und operationalen Leitbild zu suchen. Ein solcher Referenzzustand<br />

lässt sich mit dem Potenziell natürlichen Gewässerzustand beschreiben. Darunter versteht man<br />

jenen Zustand des Gewässers mit seinen Auen, <strong>der</strong> eintritt, wenn alle menschliche Tätigkeit eingestellt<br />

würden und sich schlagartig <strong>der</strong> unter diesen Bedingungen natürliche Zustand des Gewässers und seiner<br />

Vegetation einstellt (FRIEDRICH, 1992).<br />

Um aber den kulturellen Werten <strong>der</strong> Region und einer nachhaltigen Nutzung Rechnung tragen zu<br />

können, muss dieser Referenzzustand individuell definiert werden.<br />

Restriktionen<br />

3.3 Indikatoren<br />

Zustandsbild<br />

Referenz<br />

visionäres Leitbild<br />

(natürlicher Zustand)<br />

potentiell natürlicher<br />

Zustand<br />

Entwicklungsziel<br />

(operationales Leitbild)<br />

wird ermittelt<br />

durch<br />

historische Referenz<br />

(früheste verwendbare Beschreibung)<br />

aktuelle Referenz<br />

(an<strong>der</strong>er Ort, möglichst<br />

natürlicher Zustand)<br />

synthetische Referenz<br />

gewählte Referenz<br />

Entwicklungspotential<br />

In Kapitel 1.7 und im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Prioritätensetzung (Kap. A1.4) wurde <strong>der</strong> Stellenwert<br />

von Indikatoren bereits beschrieben. Im Rahmen <strong>der</strong> Inventarisierung sollen nun einige einfache, für<br />

das Alpenrheingebiet relevante Indikatoren des so genannten “Äußeren Aspekts” vorgestellt werden,<br />

wobei wir uns auf solche beschränken, die die ökologischen <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> beinhalten.<br />

Indikatoren des “Äußeren Aspekts” sind vor allem für die erste Phase <strong>der</strong> Prioritätensetzung und als<br />

erster Einblick in den System-/Objektcharakter geeignet.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

findet<br />

Anwendung bei<br />

Defizitanalyse,<br />

Formulierung von<br />

Entwicklungszielen<br />

konkrete mittelfristige<br />

Zielsetzung<br />

(z.B. Umsetzung EU-WRR)<br />

Maßnahmenplanung<br />

Erfolgskontrolle<br />

Abb. 3-2:<br />

Referenzzustände und ihre Verwendung im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung im Alpenrheintal<br />

59


60<br />

3.3.1 Äußerer Aspekt<br />

Abklärungen<br />

Oft besitzen Informationen eine zwar gut beschreibbare (Eindruck), aber kaum messbare Qualität.<br />

Auch sollten bei den ersten Schritten <strong>der</strong> Inventarisierung vermehrt generelle Charakteristika des<br />

Gewässers beobachtet werden. Schnell erkennbare abiotische Indikatoren wie Geruch o<strong>der</strong> Aussehen<br />

des Gewässers können dabei in entscheidendem Maße dazu beitragen, erste Belastungshinweise zu<br />

bekommen und geeignete Lokalitäten zur Durchführung einer detaillierteren Bestandsaufnahme zu<br />

finden. Solche generellen, einfach zu erhebenden Indikatoren werden unter dem Begriff “Äußerer<br />

Aspekt” zusammengefasst.<br />

Ökosystembaustein Beispiele für Indikatoren des “Äußeren Aspekts”<br />

Wasserhaushalt<br />

Feststoffhaushalt<br />

Morphologie<br />

Wasserqualität<br />

(und Sedimentqualität)<br />

Biozönosen<br />

Strömungsdiversität (Oberflächenstruktur des Wasserspiegels)<br />

Wasserstandsschwankungen, Schwall, (Kolmation, Bewuchs)<br />

Feinsedimentauflage auf dem Substrat, Kolmation<br />

Trübung<br />

Vorhandener/ fehlen<strong>der</strong> Substratbewuchs<br />

akustisch, optisch (Aufwuchs) feststellbare Geschiebeumlagerung<br />

Tiefen- und Breitenvarianz<br />

Deckungsstrukturen für Fische (Kolke, Totholz, Blöcke, usw.)<br />

Strömungs-Störungen (Hin<strong>der</strong>nis --> Auskolkung, ...)<br />

Wan<strong>der</strong>hin<strong>der</strong>nisse (Querbauwerke, Versickerungsstrecken, Abstürze)<br />

Pflanzenwuchs / Aufwuchs (Abwasser, Nährstoffe)<br />

Belastungszeiger (Fadenalgen, Ciliatenrasen, Abwasserpilz)<br />

Trübung und Färbung des Wasserkörpers<br />

Eisensulfid-Flecken unter Steinen<br />

Steine ohne Aufwuchs und Besiedlung (Vergiftung, Säuren)<br />

Länge von Selbstreinigungsstrecken (Aufwuchsverlauf)<br />

Auffälliges Fehlen o<strong>der</strong> Massenvorkommen verschiedener Organismen<br />

Scheuchdistanzen von Fischen (Stress)<br />

Fischsterben, Verpilzungen, Parasiten<br />

Katastrophendrift und Massenschlüpfen von Wirbellosen (Insekten)<br />

Tab. 3-1: Ausgewählte Indikatoren des “Äußeren Aspekts” zur Beurteilung des Gewässerzustands<br />

Beispiel: Ein äußerer Aspekt aus dem Baustein Wasserqualität ist <strong>der</strong> Geruch des Gewässers und seiner<br />

Umgebung sowie das Aussehen (Optik) des Wasserkörpers. Durch <strong>der</strong>en Überprüfung und<br />

Beschreibung lassen sich eine Vielzahl potenzieller und erfolgter Belastungen des Wasserkörpers und<br />

des Sediments feststellen :<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

Charakterisierung und Beschreibung des Geruchs:<br />

■ Geruch nach Schwefelwasserstoff (H 2S) --> Reduziertes Sediment, Abwassereinleitungen;<br />

■ Geruch nach Jauche --> gewässernah gedüngte Flächen;<br />

■ Geruch nach Phenolen, Aromaten, Tensiden und an<strong>der</strong>en typischen organischen Verbindungen<br />

--> chemisch - industrielle Einleitung, Abwasser<br />

Charakterisierung und Beschreibung des Aussehens:<br />

■ Trübungen und Färbungen --> Feststofftransport und/o<strong>der</strong> chemische Belastung<br />

■ Vorhandensein von Hygieneartikeln --> nicht funktionierende ARA;<br />

■ Schaumbildung --> organische Belastung o<strong>der</strong> Tenside;<br />

■ Wasserdampfbildung --> thermische Einleitung, Abwassereinleitung<br />

■ Eisensulfid-Flächen unter Steinen --> Reduziertes Sediment --> organische Belastung<br />

■ Starker Fadenalgenaufwuchs, Ciliatenrasen, Abwasserpilz (Sphaerotilus) --> Rohabwasser<br />

■ blankes, muldiges Steinsediment --> Säureeinleitung<br />

■ Sediment ohne Aufwuchs und Besiedlung --> Vergiftung --> toxisch-chemische Belastung<br />

3.4 Defizitanalyse und Entwicklungsbedarf<br />

3.4.1 Defizitanalyse<br />

Die Inventarisierung muss weitestgehend abgeschlossen sein, bevor eine Defizitanalyse durchgeführt<br />

und <strong>der</strong> sich daraus abzuleitende Handlungsbedarf formuliert wird. In <strong>der</strong> Defizitanalyse wird ein<br />

quantitatives und qualitatives Maß ermittelt, in dem sich <strong>der</strong> aktuelle Gewässerzustand vom visionären<br />

Leitbild o<strong>der</strong> vom potenziell natürlichen Zustand unterscheidet. Beim Erstellen einer Defizitanalyse<br />

werden erstmals nicht alle Ökosystembausteine getrennt betrachtet, weil sich Defizite zumeist als<br />

komplexe Folge von Ursachen aus verschiedenen Bereichen manifestieren. Defizite und Entwicklungsbedarf<br />

(Handlungsbedarf) werden nun zwei grösseren Bereichen zugeordnet, <strong>der</strong> Abiotik und<br />

<strong>der</strong> Biotik. Aus <strong>der</strong> Frage “welche Informationen zum aktuellen Zustand liefert das Gewässer?” wird<br />

die Frage “welche Defizite zeigt das Gewässer an bestimmten Punkten o<strong>der</strong> innerhalb betimmter Abschnitte?”<br />

A. Abiotische Gewässerdefizite:<br />

Unter diesem Punkt sind alle Defizite <strong>der</strong> Struktur und Wasserqualität gegenüber dem Referenzzustand<br />

des jeweiligen Gewässertyps zusammengefasst. Sie fassen die Ergebnisse aus den Abklärungen<br />

<strong>der</strong> Ökosystembausteine Wasserhaushalt, Feststoffhaushalt, Morphologie und Wasserqualität zu einer<br />

orts- o<strong>der</strong> abschnittsbezogenen Beurteilung zusammen. Darüber hinaus enthalten sie ein Einleiterkataster<br />

und die Lokalisierung weiterer Belastungs- und Störungsquellen.<br />

Bereits an dieser Stelle werden auch diejenigen aktuellen Restriktionen (vgl. Kap. 3.5) aufgeführt, die<br />

eine Rückführung des Systems in einen „natürlich funktionierenden" ökologischen Zustand verhin<strong>der</strong>n.<br />

Hierzu gehören Bauten des Hochwasserschutzes, Siedlungsstrukturen, bachnahe Verkehrsinfrastruktur,<br />

bachnahe Landbewirtschaftung, Konzessionen zur Wasserkraftnutzung sowie diejenigen<br />

<strong>Aspekte</strong> aus Freizeitsport, Tourismus, Jagd und Fischerei, die das Gewässer direkt beeinflussen.<br />

B. Biotische Gewässerdefizite:<br />

Dieser Punkt enthält alle Defizite aus dem Ökosystembaustein Biozönosen. Hiezu gehören neben den<br />

sich aus dem abiotischen Gewässerzustand ableitbaren Defiziten an <strong>der</strong> Lebensraumqualität auch<br />

negative Faktoren innerhalb <strong>der</strong> Biozönosen, wie z.B. Krankheitserreger, unnatürliche Konkurrenzphänomene,<br />

Artenschwund und Neozoeneinwan<strong>der</strong>ung. Ebenfalls aufgenommen werden Defizite im<br />

Status und <strong>der</strong> Ausdehnung von ausgewiesenen Schutzzonen (Fließgewässer und Aue).<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

61


62<br />

Datenbankführung, Karten, GIS<br />

(wie verwalte ich die Informationen?)<br />

3.4.2 Entwicklungsbedarf (Handlungsbedarf)<br />

Es folgt die Formulierung des Entwicklungsbedarfs (vgl. Kap. A3.1). Dieser gibt das Maß an, um das<br />

sich die Ökosystembausteine des Gebietes verbessern müssen, um ökologisch wie<strong>der</strong> „gut zu funktionieren"<br />

(auch im Sinne <strong>der</strong> EU-WRRL). Auch er orientiert sich an <strong>der</strong> natürlichen o<strong>der</strong> potenziell<br />

natürlichen Referenz. Im Entwicklungsbedarf enthalten sind auch Empfehlungen zu Qualität und<br />

Umfang schutzwürdiger Bereiche im Planungsgebiet.<br />

3.5 Rahmenbedingungen, Restriktionen<br />

Defizitanalyse<br />

abiotische Defizite<br />

Abklärungen<br />

biotische Defizite<br />

Wasserhaushalt Feststoffhaushalt Morphologie Wasserqualität Rahmenbedingungen<br />

Biozönosen<br />

Auswahl relevanter Inventare (welche Informationen beinhalten Defizite?)<br />

Schutz-/ Nutzungsfolgen (welche Rahmenbedingungen verursachen Gewässerdefizite?)<br />

Zusammenfassung und Ortsbezug (welche Defizite herrschen innerhalb bestimmter Abschnitte?)<br />

Formulierung <strong>der</strong> Defizite (in welchem Maß unterscheidet sich <strong>der</strong> aktuelle vom natürlichen Zustand?)<br />

Übertragung <strong>der</strong> Informationen in Datenbank<br />

Erstellung spezifischer Karten und Kataster<br />

Entwicklungsbedarf (was muss zur Wie<strong>der</strong>erlangung ökologischer Funktionsfähigkeit getan werden?)<br />

Abb. 3-3:<br />

Analyse abiotischer und biotischer Defizite sowie <strong>der</strong> daraus abgeleitete Enwicklungsbedarf.<br />

Zu den Rahmenbedingungen werden alle anthropogenen Einflüsse gezählt, welche eine <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

för<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> einschränken können. Zum großen Teil können sie im Verlauf <strong>der</strong> Inventarisierung<br />

recherchiert und als separates „Inventar <strong>der</strong> Rahmenbedingungen“ verwaltet werden.<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Defizitanalyse stehen alle Rahmenbedingungen im Vor<strong>der</strong>grund, die eindeutige<br />

Mängel am Gewässerzustand verursachen o<strong>der</strong> verursacht haben. Aus diesem Teil wie<strong>der</strong> rekrutieren<br />

sich die so genannten Restriktionen. Als Restriktionen bezeichnen wir all die Rahmenbedingungen in<br />

einem Planungsgebiet, die verhin<strong>der</strong>n, dass man den Referenzzustand direkt als Entwicklungsziel<br />

(Kap. 3.7) in die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung übernehmen kann. Restriktionen beeinflussen damit<br />

die Möglichkeiten <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>, das so genannte Entwicklungspotenzial (Kap. 3.6).<br />

Restriktionen gelten für die Laufzeit des <strong>Gewässerentwicklung</strong>splans und werden für diesen Zeitraum<br />

als unverän<strong>der</strong>bar gehandelt (DVWK, 1999). Nahe liegende Restriktionen sind die Fakten des Ist-<br />

Zustandes, die nach <strong>der</strong> Prioritätensetzung (Kap. A1.4) durch die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

nicht mehr in Frage gestellt werden. Dazu gehören vor allem die vorhandenen Siedlungsstrukturen<br />

mit Bebauung und Infrastruktureinrichtungen (Strasßen, Leitungstrassen, etc.), einschließlich beste-<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

künftiger Siedlungsraum<br />

Brauchwasserversorgung<br />

Kulturelle Werte<br />

Wasserwirtschaft, Energie<br />

unverän<strong>der</strong>liche Infrastruktureinrichtungen (Hauptstraßen, Bahnlinien)<br />

Schutz von Sachwerten<br />

primäre Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

Trinkwasserversorgung Gesundheit<br />

Hochwasserschutz im bestehenden Siedlungsraum<br />

unverän<strong>der</strong>bar<br />

Nutzungen, Bedürfnisse, Möglichkeiten<br />

Erholungswert<br />

Erwerbsraum<br />

sekundäre Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

Interessen<br />

Rahmenbedingungen<br />

Entwicklungspotenzial<br />

3.6 Entwicklungspotenzial<br />

Landwirtschaft<br />

verlegbare Infrastruktureinrichtungen<br />

finanzieller Spielraum<br />

Forstwirtschaft<br />

Gewässerrandnutzung<br />

Freizeitsport<br />

Brauchwasserentnahme<br />

Angelfischerei<br />

Ertragsmaximierung<br />

(Land-/Forstwirtschaft, Fischerei)<br />

kurzfristig modifizierbar o<strong>der</strong> aufzulassen<br />

mittelfristig modifizierbar o<strong>der</strong> aufzulassen<br />

nicht o<strong>der</strong> nur langfristig verän<strong>der</strong>bar (nach heutiger Auffassung )<br />

hen<strong>der</strong> Hochwasserschutz und die<br />

Standsicherheit von Bauwerken (z.B.<br />

Brücken). Weiterhin gehören rechtliche<br />

Festsetzungen mit festgelegten<br />

Laufzeiten zu den gut einschätzbaren<br />

Restriktionen (Rechte zur Wasserkraftnutzung).<br />

Nicht gewässerverträgliche<br />

o<strong>der</strong> die Entwicklung<br />

einschränkende Nutzungen von Gewässer<br />

und Aue sind nicht als Restriktionen,<br />

son<strong>der</strong>n als Interessen zu<br />

handhaben (DVWK, 1999), die mittelfristig<br />

modifiziert o<strong>der</strong> aufgelassen<br />

werden können, wenn sie das Entwicklungspotenzial<br />

beeinflussen<br />

(Abb. 3-4).<br />

Bei <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

ist darauf zu achten, dass neue<br />

Bebauung und Infrastruktureinrichtungen<br />

einen maximal möglichen<br />

Abstand zum Gewässer aufweisen<br />

(Raum ausscheiden, Baulinien), damit<br />

eigendynamische Prozesse so<br />

wenig wie möglich begrenzt werden<br />

müssen. Maßnahmen werden immer<br />

dann sehr teuer, wenn Leitungen und<br />

Elemente <strong>der</strong> Verkehrsinfrastruktur<br />

verlegt werden müssen. Daher sollten<br />

neue Abwasser- und Leitungstrassen<br />

möglichst parallel zu unverän<strong>der</strong>lichen<br />

Einrichtungen <strong>der</strong> Infrastruktur<br />

(Straßen, Bahnlinien)<br />

verlegt werden.<br />

Die zuvor angesprochenen Restriktionen setzen <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong> immer wie<strong>der</strong> räumliche<br />

und qualitative Grenzen. Bevor konkrete Entwicklungsziele (Kap. 3.7) formuliert werden können,<br />

muss daher eine pragmatische Abschätzung <strong>der</strong> zur Verfügung stehenden Aufwertungsmöglichkeiten<br />

erfolgen - das Entwicklungs- o<strong>der</strong> Aufwertungspotenzial einer Maßnahme muss definiert werden. Das<br />

Entwicklungspotenzial hat eine quantitative und eine qualitative Komponente. Erstere gibt die räumlichen<br />

Möglichkeiten für eine Maßnahme an und damit die maximale Ausdehnung <strong>der</strong> planbaren<br />

Umgestaltung o<strong>der</strong> Vernetzung eines Gewässerobjekts/-systems. Der maximal zur Verfügung stehende<br />

Raum wird in den Situationsplänen (Kap. 4.7.1) deutlich markiert, damit er bei je<strong>der</strong> weiteren<br />

Überlegung des Planungsprozesses auf den ersten Blick zu erkennen ist. Bei <strong>der</strong> qualitativen Komponente<br />

des Entwicklungspotenzials wird abgewägt, inwieweit und in welcher Form <strong>der</strong> zur Verfügung<br />

stehende Raum überhaupt benötigt wird, um Entwicklungsziele so weit wie möglich umsetzen<br />

zu können. Eine separate Formulierung des qualitativen Entwicklungspotenzials ist nicht nötig,<br />

da diese Überlegungen direkt in die Entwicklungsziele und von dort in die Planungsvarianten (Kap.<br />

4.4) eingehen können.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Restriktionen<br />

Abb. 3-4: Die unterschiedliche Qualität und zeitliche Geltung von<br />

Rahmenbedingungen sind die Basis für die Bestimmung des ökologischen<br />

Entwicklungspotenzials einer <strong>Gewässerentwicklung</strong>.<br />

63


64<br />

Entscheidend für das Entwicklungspotenzial ist die Abklärung, welche Rahmenbedingungen als restriktiv<br />

(unabän<strong>der</strong>lich) und welche als Nutzungen o<strong>der</strong> Interessen (mittelfristig än<strong>der</strong>bar) definiert<br />

werden müssen (Abb. 3-4). Diese Entscheidung wird im Rahmen einer zweiten Phase <strong>der</strong> Prioritätensetzung<br />

getroffen (Kap. A1.4). Eine übergeordnete Komponente ist die Festlegung wasserbaulicher<br />

Fixpunkte. Diese werden definiert und genauestens lokalisiert, um die Stabilität von Bauwerken und<br />

Sohlenlagen zu sichern.<br />

Ziel einer jeden <strong>Gewässerentwicklung</strong>smaßnahme ist es, das vorhandene ökologische Entwicklungspotenzial<br />

voll auszunutzen. Die Qualität <strong>der</strong> Planung und <strong>der</strong> Maßnahmen selbst lässt sich an <strong>der</strong><br />

Ausschöpfung des Entwicklungspotenzials bemessen.<br />

Datenbankführung, Karten, GIS<br />

(wie verwalte ich die Informationen?)<br />

Wasserhaushalt<br />

3.7 Entwicklungsziele<br />

Entwicklungspotenzial<br />

abiotische Inhalte<br />

Feststoffhaushalt Morphologie Wasserqualität<br />

Abklärungen<br />

biotische Inhalte<br />

Biozönosen<br />

Raumbedarf Entwicklung (welchen Raum braucht Gewässer zur typspezifischen Eigendynamik?)<br />

Festlegung von Fixpunkten (welche Einrichtungen/Niveaus dürfen nicht verän<strong>der</strong>t werden?)<br />

Abgleich des Raumbedarfs (können Einrichtungen aus dem Entwicklungsbereich verlegt werden?)<br />

Übertragung <strong>der</strong> Informationen in Datenbank<br />

Erstellung <strong>der</strong> Karten Entwicklungspotenzial<br />

Rahmenbedingungen<br />

Ausfiltern <strong>der</strong> Restriktionen (welche Rahmenbedingungen sind <strong>der</strong>zeit unverän<strong>der</strong>bar?)<br />

Raumbedarf <strong>der</strong> Restriktionen (welcher Raum steht für <strong>Gewässerentwicklung</strong> nicht zur Verfügung?)<br />

Abb. 3-5:<br />

Vorgehensweise bei <strong>der</strong> Ermittlung des Entwicklungspotenzials.<br />

Entwicklungsziele beschreiben - unter Berücksichtigung des Entwicklungspotenzials (Kap. 3.6) - den<br />

mittel- bis langfristig anzustrebenden und realisierbaren Zustand eines Gewässersystems/-objekts<br />

und geben den Rahmen für die Maßnahmenplanung (Kap. 4) vor. Die entscheidende Frage für die<br />

Formulierung <strong>der</strong> Ziele lautet: Welche charakteristischen Zustände/Funktionen soll das Gewässer<br />

nach erfolgter Entwicklung aufweisen?<br />

Entwicklungsziele können nur nach dem jeweils aktuellen Wissensstand <strong>der</strong> Maßnahmenoptimierung<br />

formuliert werden und müssen daher ausreichend Spielraum für spätere Korrekturen o<strong>der</strong> Erweiterungen<br />

bieten. Nach einer Konvention (die so sinngemäß auch in die EU-WRRL übernommen<br />

wurde) stellen Entwicklungsziele den innerhalb von 10-15 Jahren absehbar erreichbaren Schritt in eine<br />

vom visionären Leitbild o<strong>der</strong> <strong>der</strong> potenziell natürlichen Referenz vorgezeichneten Richtung dar.<br />

Ein Entwicklungsziel beinhaltet demnach auch Zustände und Funktionen, die eine eventuell erst später<br />

mögliche größere Annäherung an das Leitbild möglich machen. Künftigen Generationen soll die<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

Option auf die weitere Verwirklichung des Leitbilds offen gehalten werden (Nachhaltigkeitsprinzip).<br />

Die Zusammenstellung <strong>der</strong> Entwicklungsziele bildet die zentrale Aussageebene des <strong>Gewässerentwicklung</strong>splans.<br />

Entwicklungsziele sind im Sinne eines Flussgebietsmanagements durchgehend und<br />

flächendeckend für das gesamte Bearbeitungsgebiet festzulegen (Gewässerbett und Aue). Neben ihrer<br />

Formulierung ist ihre räumliche Zuordnung ein wesentlicher Teil <strong>der</strong> Planungsleistung.<br />

Entwicklungsziele sind somit die Beschreibung eines anzustrebenden Zustandes. Dabei kann es sinnvoll<br />

sein, sie durch Maßnahmenhinweise zu ergänzen. In verschiedenen Ansätzen wird <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong><br />

Entwicklungsziele deshalb weiter gefasst und beinhaltet auch die damit verbundenen For<strong>der</strong>ungen<br />

und Herangehensweisen. Solche Handlungserfor<strong>der</strong>nisse (Kap. 3.8) leiten sich jedoch erst aus <strong>der</strong><br />

Formulierung <strong>der</strong> Entwicklungsziele ab und werden darum hier getrennt vorgestellt.<br />

Auch ökologische Schutzziele sind wie Entwicklungsziele zu handhaben. So muss die <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung<br />

stets die noch natürlich/naturnah funktionierenden Lebensräume und Prozesse<br />

(Auen, gewässertypische Vegetation, schützenswerte Arten) im Projektperimeter mitberücksichtigen.<br />

Eingriffe in entsprechende Systeme sind nur dann zu verantworten, wenn die darin ablaufenden Prozesse,<br />

Lebensräume und Arten durch entsprechende Maßnahmen weiter geför<strong>der</strong>t werden können<br />

(weitere Raumzuteilung, Biotopvernetzung etc.)<br />

Datenbankführung, Karten, GIS<br />

(wie verwalte ich die Informationen?)<br />

Wasserhaushalt<br />

3.8 Handlungserfor<strong>der</strong>nisse<br />

Entwicklungsziele und Handlungserfor<strong>der</strong>nisse<br />

abiotische Inhalte<br />

Feststoffhaushalt Morphologie Wasserqualität<br />

Handlungserfor<strong>der</strong>nisse leiten sich direkt aus <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Entwicklungsziele ab. Sie sind die<br />

Beschreibung von Prozessen, Handlungen und For<strong>der</strong>ungen, die zur Erreichung eines solchen<br />

angestrebten Zustands nötig sind. Tabelle 3-2 beinhaltet für das Alpenrheintal beispielhaft einige übergeordnete<br />

Entwicklungsziele und die mit ihnen korrespondierenden Handlungserfor<strong>der</strong>nisse.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

biotische Inhalte<br />

Biozönosen<br />

Formulierung <strong>der</strong> Schutzziele (welche Zustände/Prozesse/Objekte müssen erhalten bleiben?)<br />

Formulierung <strong>der</strong> Handlungserfor<strong>der</strong>nisse (wie können die Entwicklungsziele erreicht werden?)<br />

Lokalisierung <strong>der</strong> Handlungserfor<strong>der</strong>nisse (in welchen Bereichen bestehen Handlungserfor<strong>der</strong>nisse?)<br />

Übertragung <strong>der</strong> Informationen in Datenbank<br />

Rahmenbedingungen<br />

Analyse <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />

(wie weit kann sich bei vorhandenem Entwicklungspotential das Gewässer zum Leitbild hin entwickeln?)<br />

Formulierung <strong>der</strong> Zielzustände (welche Zustände/Prozesse kann das Gewässer wie<strong>der</strong>erlangen?)<br />

Erstellung <strong>der</strong> Karten Entwicklungsziele, Handlungserfor<strong>der</strong>nisse<br />

Abb. 3-6: Vorgehensweise bei <strong>der</strong> Formulierung von Entwicklungszielen und Handlungserfor<strong>der</strong>nissen.<br />

65


66<br />

Abklärungen<br />

Die För<strong>der</strong>ung einer eigendynamischen Entwicklung innerhalb des Entwicklungspotenzials ist nach<br />

Möglichkeit immer konstruierten Maßnahmen und Zielen vorzuziehen. In <strong>der</strong> Regel kann sie nur<br />

erreicht werden, wenn ein ausreichen<strong>der</strong> Raum für Gerinne- und Uferentwicklung zur Verfügung<br />

steht (Kap.4.3). Mit Initialmaßnahmen kann eine solche Entwicklung geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Die morphologische Entwicklung wird durch die Ausbildung eines naturnahen Uferwaldes stark beeinflusst.<br />

Dagegen erhalten Unterhaltungsmaßnahmen wie Räumen und Stabilisieren von Sohle und<br />

Ufer den Ausbauzustand und verhin<strong>der</strong>n die Eigenentwicklung eines Gewässers.<br />

Mit <strong>der</strong> Formulierung von Handlungserfor<strong>der</strong>nissen wird ein „Pflichtenheft“ für die Planung und<br />

Umsetzung festgelegt, welches auch bei später auftretenden Interessenskonflikten als vereinbarter<br />

Maßstab dient.<br />

Entwicklungsziele (übergeordnet)<br />

(welcher Zustand soll erreicht werden ?)<br />

Gewässer kann sich eigendynamisch und gewässertypspezifisch<br />

entwickeln<br />

Lebensräume und Biozönosen sind einer<br />

naturnahen Abflussdynamik ausgesetzt<br />

Lebensräume und Biozönosen sind einer<br />

naturnahen Feststoffdynamik ausgesetzt<br />

Die Gesundheit <strong>der</strong> Gewässerbiozönosen ist nicht<br />

durch ein anthropogen beeinflusstes<br />

Temperaturregime beeinträchtigt<br />

Die Gesundheit <strong>der</strong> Gewässerbiozönosen ist nicht<br />

durch einen anthropogen beeinflussten<br />

Schadstoffeintrag beeinträchtigt<br />

Gewässer zeigt eine typspezifische Ausprägung<br />

Gewässer weist auentypische Grundwasserverhältnisse<br />

auf<br />

Gewässer ist für alle biologischen und abiotischen<br />

Austauschprozesse longitudinal durchgängig<br />

Gewässersystem ist für alle biologischen und abiotischen<br />

Austauschprozesse dreidimensional durchgängig<br />

und verbunden<br />

Das Gewässer muss in seinem ursprünglichen Typ<br />

wie<strong>der</strong> erkennbar sein und entsprechende Uferrandstreifen<br />

rsp. Auenbereiche besitzen.<br />

Schutzziele: Das Gewässer behält die bisherige typspezifische<br />

Ausprägung bei und bietet schützenswerten<br />

Biozönosen und Arten eine nachhaltige<br />

Lebensgrundlage<br />

Handlungserfor<strong>der</strong>nisse<br />

(was muss dafür getan werden?)<br />

Bereitstellen und Sichern ausreichend bemessenen<br />

Entwicklungsraums (Gerinne und Ufer)<br />

Schwall minimieren; Restwasserdotierung anpassen;<br />

Retentionsräume schaffen; Schwallbeseitigung<br />

Geschiebeeintrag för<strong>der</strong>n; Geschiebetransport<br />

zulassen; Schwebstoffeintrag minimieren. Schwall<br />

glätten o<strong>der</strong> beseitigen<br />

Maßnahmen zur Reduktion <strong>der</strong> Wassererwärmung<br />

ergreifen; tiefe Stellen, Grundwasseranbindung und<br />

Beschattung ermöglichen;<br />

Maßnahmen zur Reduktion <strong>der</strong> gelösten<br />

Stoffeinträge, ökotoxikologischer Forschungsbedarf<br />

Maßnahmen zur Verbesserung <strong>der</strong> spezifischen<br />

Gewässerbett- und Gewässerlaufstruktur ergreifen<br />

Anbindung an Grundwasser, Auflösung von<br />

Kolmationen<br />

Beseitigung künstlicher Kontinuumsunterbrechungen<br />

För<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Ufer-Gerinne-Verzahnung; Übergangsbereiche<br />

und Mündungen niveaugleich und naturnah<br />

zulassen/gestalten/vernetzen<br />

Ausscheidung ausreichend bemessenen (gewässertypspezifischer)<br />

Gewässer-/Uferraums;<br />

Bereitstellung eines typspezifischen Pendelbands<br />

Ausscheidung von Schutzgebieten; ökologische<br />

“Fixpunkte” bei allen Maßnahmen. Maßnahmen zur<br />

weiteren Aufwertung, Ausdehnung und Vernetzung<br />

natürlicher Lebensräume; ökologische Trittsteine<br />

Tab. 3-2: Zusammenhang zwischen Entwicklungszielen und Handlungserfor<strong>der</strong>nissen und die Formulierung<br />

übergeordneter Inhalte für die Gewässersysteme im Alpenrheintal.<br />

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Abklärungen<br />

A3 Arbeitsmaterialien zu Kapitel 3<br />

A3.1 Prinzipielle Defizite, Probleme und Entwicklungsbedarf im Alpenrheingebiet<br />

Im Alpenrheingebiet zeigen sich - unabhängig von einer objektbezogenen Defizitanalyse - auch prinzipielle<br />

Defizite und Probleme, die auf einen ökologisch nicht verträglichen Umgang mit den Gewässern<br />

hindeuten. Sie werden im Folgenden vorgestellt und durch die Auflistung beispielhaften Entwicklungsbedarfs<br />

ergänzt.<br />

A3.1.1 Gewässerverschmutzung<br />

Quellen für eine allfällige o<strong>der</strong> permanente chemische Belastung <strong>der</strong> Gewässer im Rheintal sind die<br />

Einleitungen aus Kläranlagen und diffuse Einträge aus landwirtschaftlich genutzen Flächen. Als Belastungsfaktoren<br />

lassen sich im Wesentlichen die Nährstoffe Phosphor und Stickstoff, die fischtoxischen<br />

Stickstoffverbindungen Ammonium und Nitrit (NH4-N, NO2-N) und die Belastung mit organischen<br />

Stoffen (gemessen mit BSB5, DOC) aufführen. Über weitere potenzielle Umweltschadstoffe<br />

ist noch wenig bekannt. Vor allem bezüglich synergistischer Stoffwirkungen und komplexerer Formen<br />

<strong>der</strong> chemischen Gewässerbelastung, wie z.B. Arzneimittelrückstände o<strong>der</strong> hormonwirksame Substanzen<br />

aus Abwasser-Reinigungsanlagen, werden ökotoxische Wirkungen auf die Gewässerorganismen<br />

vermutet. Landwirtschaftliche Nutzungen führen vor allem dann zu einer erhöhten Nähr- und Schadstoffkonzentration<br />

in den Gewässern, wenn sie bis unmittelbar am Gewässerrand erfolgen.<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� ausreichend bemessene Uferrandflächen<br />

� Beseitigung <strong>der</strong> Belastungsquelle o<strong>der</strong> Minimierung <strong>der</strong> Einträge (Verursacherprinzip)<br />

� Forschungsbedarf bezüglich ökotoxisch wirksamer Substanzen.<br />

a b c<br />

Abb. A3-1: Beispiele chemischer Belastungsformen im Alpenrheingebiet: a: Nährstoffbelasteter Bach mit starker Hypertrophierung;<br />

b) Hofdüngerlagerung und - abschwemmung auf dem Alpenrheinvorland; c) Am Rechen vorbeigeführte und<br />

in einen Binnenkanal eingeleitete Mischabwässer einer ARA.<br />

A3.1.2 Allgemeine strukturelle Defizite<br />

Während im Einzugsgebiet <strong>der</strong> Gebirgsflüsse ab Höhenlagen von 1200 Metern noch ein großer Teil<br />

<strong>der</strong> Fließgewässer natürlich und naturnah strukturiert ist, zeigen Fließgewässer im Alpenrheintal nur<br />

noch selten naturnahe Flußbettausformung, meist sind sie in das Entwässerungssystem des Rheintales<br />

einbezogen und kanalartig reguliert. Überwiegend künstliche Kanal- und Binnenkanalsysteme sorgen<br />

für eine effiziente Entwässerung des Rheintales. Viele Gewässer weisen monotone, trapezförmige<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

67


68<br />

Profile mit geringer Lebensraumvielfalt auf. Auch die Strömungsverhältnisse sind wenig dynamisch.<br />

Viele Fließgewässer sind in ein zu enges und geradliniges Profil gezwängt. Fischstandorte, Laichplätze,<br />

Jungfischhabitate sowie Siedlungsraum für die Ufervegetation gingen verloren. Die scharfe Abgrenzung<br />

zwischen Gewässer und Umland führte zum Verlust <strong>der</strong> ökologisch wichtigen Übergangszonen<br />

zwischen Wasser und Land. Die standorttypische gewässerbegleitende Vegetation, wie Auwald, verschwand<br />

fast völlig.<br />

Neben schutzwasserbaulich zweifelsfrei unverzichtbaren Bauten, z.B. zur Sicherung <strong>der</strong> Infrastruktur<br />

und zum Hochwasserschutz, wurde in <strong>der</strong> Vergangenheit eine Form von Gewässerregulierung<br />

praktiziert, die vor allem auf Landgewinn und “Meliorisierung” (u.a. Entwässerung und Humusierung)<br />

landwirtschaftlicher Nutzflächen zielte. Diese Defizite sind es, die in erster Linie zur massiven<br />

Einschränkung ökologischer Funktionsfähigkeit im Alpenrhein geführt haben.<br />

Folgende strukturellen Defizite dominieren im Alpenrheingebiet:<br />

■ gewässerfremde Linienführung und Flussbettausformung;<br />

■ gewässerfrem<strong>der</strong> Uferbereich, unzureichende Uferrandflächen;<br />

■ meliorisierte Landwirtschaftsflächen;<br />

■ Querbauwerke und Kontinuumsunterbrechungen<br />

■ fehlende Durchgängigkeit und Gewässervernetzung;<br />

■ fehlende Beschattung <strong>der</strong> Fließgewässer;<br />

■ harter Wildbachverbau.<br />

Riedgewässer und Entwässerungsgräben zeigen meist streng geometrische Form und Linienführung.<br />

Vielfach ist das Gewässerbett durch Betonfertigteile o<strong>der</strong> Holzschalen verbaut o<strong>der</strong> gar verrohrt. Der<br />

meist geringe Abfluß versickert teilweise zwischen den Fugen und läuft häufig unterhalb <strong>der</strong> Beton-/<br />

Holzteile. Gänzlich naturbelassene Riedgewässer existieren heute nicht mehr, da sie großteils in die<br />

Entwässerungssysteme zur Intensivierung <strong>der</strong> Landwirtschaft einbezogen sind.<br />

Gebirgsflüsse wie Plessur, Landquart, Tamina und Ill sind wegen <strong>der</strong> hohen Umlagerungsdynamik im<br />

Talgrund zur Gänze hart reguliert. Neben trapezförmiger Profilausformung haben Querbauwerke<br />

zahlreiche Unterbrechungen des Fließgewässerkontinuums verursacht. Darüber hinaus führt die bisherige<br />

energiewirtschaftliche Nutzung zu einer wesentlichen Beeinträchtigung <strong>der</strong> ökologischen<br />

Funktionsfähigkeit.<br />

Hangbäche weisen vor allem im Siedlungsgebiet sehr starke Verbauung und Verrohrung auf. Im<br />

freiem Gelände liegen an den Talflanken teilweise noch naturnähere Bereiche vor. Bei stärker geschiebeführenden<br />

Bächen sind am Hangfuß meist Ausschotterungsbecken angelegt. Im Talboden sind die<br />

meisten kleineren Flüsse und Hangbäche stark bis kanalartig reguliert.<br />

Wildbäche und Rüfen: Im Talboden flußab <strong>der</strong> Ausschotterungsbecken sind die Rüfen meist mittels<br />

Betonwannen verbaut. Eine Ausnahme bilden Rüfen mit direkt an den Rhein heranreichenden<br />

Felshängen. Wildbäche mit Schadenspotenzial gegenüber Infrastruktureinrichtungen (v.a. Strassen,<br />

Bauten) sind generell hart querverbaut. Der bis zu ihrer Auffüllung bedingt gewährleistete Geschieberückhalt<br />

bietet einen gewissen Schutz vor Murgängen und Bergstürzen.<br />

Binnenkanäle bzw. größere Talbäche sind überwiegend (bis auf vereinzelte Revitalisierungsstrecken)<br />

monoton reguliert und erfüllen damit ihre ursprüngliche schutzwasserbauliche Funktion, nämlich die<br />

schnelle Entwässerung von Ebene und Siedlungsraum. Wie Entwässerungsgräben sind auch sie künstlich<br />

angelegte Fließgewässer, die keine historische orohydrologische Referenz besitzen.<br />

Beispiele z.T. aus: EBERSTALLER & HAIDVOGL (1997): Gewässer- und fischökologisches Konzept Alpenrhein<br />

Abklärungen<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

a<br />

f g<br />

h i j<br />

Abb. A3-2:<br />

Verschiedene Varianten struktureller Defizite: a): Kanalisierung und gewässerfremde Linienführung (Entwässerungsgraben);<br />

b): naturfrem<strong>der</strong> Uferbereich (Hangbach); c): naturfremde Linienführung und Flussbettausformung<br />

(Binnenkanal); d): Gewässerrandnutzung, fehlende Beschattung, monotone Linienführung (Talbach)<br />

e): Wildbachverbau f): Geschiebeschwelle (Querbauwerk Gebirgsfluss) g): Bachrandnutzung, fehlende Beschattung,<br />

Trittschäden (Talbach) h): Harter Uferverbau (Gebirgsfluss) i): Tiroler Wehr (Wasserfassung) an Hangbach,<br />

Kontinuumsunterbrechung j): Querbauwerk, Strassenunterführung eines Gebirgsbaches.<br />

Fotos: a (AJF GR); b (UI Bregenz); c (AfU FL); d (O. Sohm); f (AJF GR); g (UI Bregenz); i (BUWAL)<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Großzügig bemessene Neustrukturierung, Gerinneaufweitungen, Geschiebemobilisierung;<br />

� Vernetzung, Ausscheidung ausreichend großer Uferrandflächen;<br />

� Funktion ökologischer Trittsteine för<strong>der</strong>n.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

b<br />

d<br />

c<br />

e<br />

69


70<br />

A3.1.3 Funktionelle Entwertung <strong>der</strong> Mündungsbereiche<br />

Unverbaut und niveaugleich münden nur noch Gewässer in Graubünden in den Alpenrhein. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Mündung <strong>der</strong> Cosenz in den Mastrilser Auen kann als Referenz für naturbelassene Mündungsbereiche<br />

kleiner Zuflüsse gelten. Auf Grund <strong>der</strong> deutlich verringerten Anzahl direkt in den<br />

Rhein münden<strong>der</strong> Zubringer und <strong>der</strong> großen funktionellen Defizite des Alpenrheins als Reproduktionsgewässer<br />

(IRKA, 2001), ist die niveaugleiche Anbindung <strong>der</strong> wenigen verbliebenen Mündungen<br />

für die Fischfauna des Alpenrheins von beson<strong>der</strong>er Bedeutung. Ein großer Teil <strong>der</strong> Zubringermündungen<br />

in den Alpenrhein und ein Teil <strong>der</strong> Zusammenflüsse von Talgewässern ist für Fische sowohl<br />

bei Nie<strong>der</strong>- als auch bei Mittelwasser unpassierbar. Teilweise passierbar sind unter den Mündungen oft<br />

nur diejenigen, die mit einer technischen Fischaufstiegshilfe ausgestattet sind. Oft ermöglichen <strong>der</strong>artige<br />

Aufstiegshilfen aber nur sehr schwimm- bzw. sprungstarken Fischarten, wie z.B. <strong>der</strong> Seeforelle,<br />

den Aufstieg. Der Mündungsbereich des Liechtensteiner Binnenkanals wurde im Jahr 2000 im Rahmen<br />

einer großräumigen Revitalisierungsmaßnahme naturnah und niveaugleich gestaltet und damit<br />

für alle Fischarten und -größen durchgängig gemacht (vgl. Beilagen, S. 140 f).<br />

a b<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Schaffung niveaugleicher, naturnaher Mündungsbereiche;<br />

� Berücksichtigung <strong>der</strong> Lockströmung für Wan<strong>der</strong>fischarten;<br />

� Qualitative Verbesserung <strong>der</strong> ökotoxischen Belastungen in den Zuflüssen zum Rhein.<br />

A3.1.4 Unterbrechung <strong>der</strong> Durchgängigkeit (Fließwasserkontinuum)<br />

Abklärungen<br />

Abb A3-3:<br />

Mündungsbereiche von Binnenkanälen, die bei Mittelwasserstand des Rheins nicht niveaugleich münden.<br />

a) Mündung des Saarkanals; b) Mündung des Werdenberger Binnenkanals (Schlauch).<br />

Neben den oben genannten funktionell entwerteten Mündungsbereichen finden sich auch innerhalb<br />

<strong>der</strong> Fließgewässersysteme im Alpenrheingebiet, vor allen in den Gebirgsflüssen, Schwellen und an<strong>der</strong>e<br />

für die aquatische Fauna unpassierbare Sohlbauwerke. Wan<strong>der</strong>ungen von aquatischen Organismen<br />

(Fische, Makrozoobenthos) sind damit nicht bzw. nur noch sehr eingeschränkt möglich.<br />

Einige <strong>der</strong> bereits bestehenden Fischaufstiegshilfen, z.B. in <strong>der</strong> Landquart, sind auf Grund fortschreiten<strong>der</strong><br />

Sohlenerosion und Hochwasserschäden nicht mehr funktionsfähig. Bei an<strong>der</strong>en, wie am<br />

neuen Fischpass des Kraftwerks Domat-Ems, wurde zwar eine hierfür optimale Aufstiegs-, aber keine<br />

gleichsam effektive Abstiegshilfe für große Wan<strong>der</strong>fische, wie die Seeforelle, geschaffen.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

a b<br />

Abb A3-4:<br />

Kontinuumsunterbrechungen im Einzugsgebiet des Alpenrheins. a)Absturzbauwerke im Valschavielbach<br />

(Foto: UI Bregenz); b) Der rund 7m hohe Klusfall an <strong>der</strong> Landquart; c) zerstörte Fischtreppe an <strong>der</strong> Landquart<br />

bei Grüsch.<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Aufstiegshin<strong>der</strong>nisse beseitigen o<strong>der</strong> durch passierbare Gefällestrecken ersetzen;<br />

� Bau von Fischaufstiegshilfen für die Auf- und Abwan<strong>der</strong>ung aller Fischarten.<br />

A3.1.5 Absinken des Grundwasserspiegels<br />

Gewässerkorrektionen, Kiesabbau und Eintiefung <strong>der</strong> Sohle des Alpenrheins führten zu einem drastischen<br />

Absinken des Grundwasserspiegels im Rheintal; das Versiegen <strong>der</strong> Gießenbäche und das<br />

Trockenfallen zahlreicher an<strong>der</strong>er Talgewässer war die Folge. Die für intensive landwirtschaftliche<br />

Nutzung erfor<strong>der</strong>liche Entwässerung <strong>der</strong> Flachmoore/Riede führt zum Verschwinden fast aller natürlichen<br />

Stillgewässer. Ursprüngliche Fließgewässer wurden in das Entwässerungssystem mit einbezogen<br />

und in monotone Gräben umgewandelt. Die breiteren Talbecken weisen daher heute ein dichtes<br />

Entwässerungssystem auf. Praktisch sämtliche Gewässer des Talbodens wurden in harter Bauweise<br />

hochwassersicher ausgebaut, zahllose Kleingewässer wurden im Zuge von Meliorationen verlegt o<strong>der</strong><br />

verschwanden in Verrohrungen.<br />

a b<br />

Abb. A3-5:<br />

Das zum Teil massive Absinken des Grundwasserspiegels im Alpenrheintal führte dazu, dass viele Fließgewässer<br />

<strong>der</strong> Ebene nicht mehr durchflossen wurden. Vor allem betroffen sind die hauptsächlich durch Grundwasser<br />

gespeisten Gießen, Talbäche und Riedgewässer. a) Ehemaliger Altarm im Bereich <strong>der</strong> Matschelser Au (V); b)<br />

Irkalesbachs (FL), vor <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>bewässerung.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

c<br />

71


72<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Bessere Anbindung an Grundwasser, dazu: Kenntnis über Grundwasser-Flurabstände;<br />

� Wie<strong>der</strong>bewässerungsmaßnahmen, wenn keine Grundwasseranbindung möglich ist;<br />

� Verlangsamung des Gebietswasserabflusses durch großzügige Gerinneaufweitung,<br />

� Beseitigung nicht restriktiver Entwässerungsstrukturen (Dränungen)<br />

� Langfristig: Reaktivierung <strong>der</strong> natürlichen Geschiebe- und Sohlendynamik im Rhein.<br />

A3.1.4 <strong>Ökologische</strong> Defizite durch Wasserkraftnutzung<br />

Wasserkraftnutzung findet sich im Alpenrheingebiet in Form von Speicherkraftwerken (z.B. am<br />

Vor<strong>der</strong>- und Hinterrhein, am Oberlauf <strong>der</strong> Ill) und am Alpenrhein selbst in Form eines Flusskraftwerks<br />

(Domat-Ems). Die aus dem jeweiligen Betrieb erwachsenden ökologischen Defizite lassen sich<br />

zum großen Teil auf drei Ursachen zurückführen:<br />

1.) Schwall<br />

2.) Schlammbewirtschaftung<br />

3.) Restwasserdotierung<br />

Abb. A3-6:<br />

Stauseen und Flussstaus im Alpenrhein-<br />

Einzugsgebiet.<br />

Lago di Lei<br />

Vaduz<br />

Preda<br />

Feldkirch<br />

Samina - - Stausee<br />

Speicher Stauseen Lutz Raggall<br />

Lünersee<br />

Abklärungen<br />

Spullersee<br />

Landquart<br />

Stausee Kops<br />

Mapragg-See<br />

Vermunt - Stausee<br />

Gigerwald-See<br />

Stausee<br />

Chur<br />

Panix Ranasca<br />

Brigelser<br />

Flussstau<br />

Stausee<br />

Stausee<br />

Brigelser<br />

Reichenau<br />

Arosa<br />

Ilanz<br />

Stausee<br />

Schwellisee<br />

Barcuns<br />

Egschi<br />

Stau<br />

Igl Lai<br />

Tavanasa Thusis<br />

Sedrun<br />

Becken Alvaschein Solis<br />

Safien-Platz<br />

Silvretta - Stausee<br />

Stau Klosters<br />

Davoser See<br />

Davos<br />

Lai da<br />

Curnera<br />

Lai da<br />

Nalps<br />

Zervreilasee Wanna<br />

Sufers-See<br />

Becken Andeer Bärenburg<br />

Lai da<br />

Lai Santa da Maria<br />

Sontga Maria<br />

Stau Innerferrera<br />

Marmorera-See<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

Schwallbetrieb<br />

Schwall zeigt sich als eine durch die Wasserkraftnutzung periodisch wie<strong>der</strong>kehrende Zunahme und<br />

Abnahme <strong>der</strong> Wassermenge in einem Gerinne, begleitet von entsprechenden Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> hydraulischen<br />

Schleppkräfte sowie <strong>der</strong> benetzten Gerinnefläche und Wassertiefe. Er tritt unterhalb <strong>der</strong><br />

Rückführung von turbiniertem Wasser in ein tieferliegendes Gerinne auf. Oft werden sowohl bei<br />

ansteigendem als auch abnehmendem Schwall Schwebstoffe mobilisiert, die sich in einer starken<br />

Wassertrübung und danach in Kolmationen manifestieren. Schwallbetrieb ist als massiver ökologischer<br />

Stressfaktor anzusehen, <strong>der</strong> vor allem dort die Möglichkeiten <strong>der</strong> Reproduktion aquatischer<br />

Organismen einschränkt, wo sie natürlicherweise sehr hoch und vielfältig sind: in den Gewässern des<br />

Talraums und in Gebirgsflüssen. Daneben verursacht Schwall Katastrophendrift von Wirbellosen,<br />

Fischgelegen, Brütlingen und Jungfischen. Die Höhe und <strong>der</strong> Effekt des Schwalls wird überall dort<br />

noch verstärkt, wo auf Grund massiver Gewässerregulierung keine Hochwasser-Rückhalteräume<br />

mehr vorhanden sind.<br />

a b<br />

Abb. A3-7:<br />

Schwallbetrieb führt am Alpenrhein neben an<strong>der</strong>en Faktoren (wie Trübstoffführung, Strukturmonotonie) zur<br />

Kolmation von Kies- und Schotterflächen und damit zur fast völligen Entwertung des Gewässers als Reproduktionsraum<br />

für Fische (Foto: AJF GR); b): Periodische Zuführung von Turbinenwasser aus dem Samina-<br />

Stausee führt im Vaduzer Gießen an manchen Tagen zu einem Schwall <strong>der</strong> zehnfachen minimalen Wassermenge.<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Beseitigung o<strong>der</strong> Minimierung des Schwalls;<br />

� Pufferung des Schwalls durch großzügige Rückhalteräume;<br />

� Pufferung des Schwalls durch Gerinneaufweitungen.<br />

Schlammbewirtschaftung<br />

Schlammbewirtschaftung ist ein zentraler Problembereich aller Wasserkraftwerke, <strong>der</strong>en Stauräume<br />

durch kontinuierliche Sedimentation einerseits an Nutzvolumen verlieren und an<strong>der</strong>erseits z.T. auch<br />

grundlegende sicherheitstechnische Auflagen nicht mehr erfüllen können. Geschiebe und Feinsedimente,<br />

die in unbeeinflussten Fließgewässern kontinuierlich zu Tal transportiert werden, müssen daher<br />

aus Stauhaltungen periodisch entfernt werden. Wo Ausbaggerung auf Grund einer ungünstigen<br />

Energiebilanz o<strong>der</strong> fehlen<strong>der</strong> Deponieflächen ausscheidet, wird die “Schlammbewirtschaftung” im<br />

Rahmen einer so genannten Stauraumspülung durchgeführt. Obwohl man in den letzten zehn Jahren<br />

durch die Zusammenarbeit zwischen Kraftwerksbetreibern und sog. “Spülungsgruppen” stellenweise<br />

eine Minimierung ökologischer Schäden erreicht hat, führen Stauraumspülungen auch heute noch oft<br />

zum “Totalausfall” <strong>der</strong> Lebensgemeinschaften im Restwassergerinne unterhalb einer Stauhaltung.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

73


74<br />

a b c<br />

Bei <strong>der</strong> Deponierung des Sedimentaushubs unterhalb des Speicherbeckens kann es bei Hochwasser<br />

zu Materialabschwenmungen (reduzierter Schlamm) kommen, <strong>der</strong> sich entlang des Gewässers ablagert.<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Alternativen zu Stauraumspülungen entwickeln;<br />

� Spülungen nur bei Hochwasserabflüssen im System; künstliche Hochwasser;<br />

� Einsatz interdisziplinärer “Spülungsgruppen”;<br />

� fakultativ: Bestandesbergungen von Fischen<br />

Restwasserproblematik<br />

Abklärungen<br />

Abb. A3-8:<br />

a) bis c) Bil<strong>der</strong> einer Stauraumspülung am Spöl im Engadin. Große Mengen an Schwebstoffen gelangen aus dem<br />

Staubecken in das Restwassergerinne. Zusätzliche Sedimente werden durch die erhöhten hydraulischen<br />

Schleppkräfte im Gerinne mobilisiert. Fische, die sich vor dieser oft Tage dauernden Sand- und Schlammfracht<br />

nicht in Sicherheit bringen können, werden mechanisch geschädigt o<strong>der</strong> an Land geschwemmt und zusedimentiert.<br />

Bei <strong>der</strong> hier gezeigten Spülung eines Grundablasses konnte eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit<br />

mit dem Betreiber ökologische Schäden auf ein Minimum beschränken.<br />

Die Restwasserdotierung, eine Vereinbarung zwischen einem Wassernutzer (Kraftwerkbetreiber) und<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Genehmigungsbehörde, bestimmt die minimale Wassermenge, die einem Gerinne verbleiben,<br />

bzw. sofort unterhalb <strong>der</strong> Wasserfassung wie<strong>der</strong> zugeführt werden muss. Ökologisch problematisch<br />

wird dieser Sachverhalt durch die Tatsache, dass diese Dotierung vielerorts noch nicht geregelt<br />

ist und überhaupt kein o<strong>der</strong> zu wenig Restwasser im Gerinne verbleibt. Eine Einschränkung <strong>der</strong><br />

als aquatischer Lebenraum nutzbaren Fläche und <strong>der</strong> Reproduktion sind die Folge. Darüber hinaus<br />

zeigen Restwassergerinne typischerweise eine sukzessive strukturelle Degradierung (Nivellierungen,<br />

Kolmationen) sowie Lebensgemeinschaften, die nicht mehr an hydraulischen Stress in Form periodischer<br />

Hochwasser angepasst sind.<br />

Wasserentnahmen zur Bewässerung von Landwirtschaftsflächen können dann ökologische Folgen<br />

haben, wenn bei Niedrigwasserabflüssen eine zu große Wassermenge aus kleineren Bächen entnommen<br />

wird. Es kann zu einer unnatürlichen Erhöhung <strong>der</strong> Wassertemperatur und zu Versickerungsstrecken<br />

und damit Unterbrechungen des Kontinuums führen. Daneben kann sich aber auch die<br />

Konzentration bestehen<strong>der</strong> Belastungsparameter erhöhen; so ist die erwünschte Verdünnung von vorgeklärten<br />

ARA-Abwässern nicht mehr voll gewährleistet. Über die Konzentration, aber auch über<br />

Temperatur und verän<strong>der</strong>te pH-Werte im Gewässer, können diffuse Nährtoffeinträge sowie ökotoxisch<br />

wirkende Substanzen o<strong>der</strong> Stoffgemische eine zunehmend negative Auswirkung auf die aquatischen<br />

Organismen zeigen (v.a. Anstieg von Nitrit- und Ammoniumkonzentrationen).<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

a b<br />

Abb. A3-9:<br />

Restwasserprobleme im Alpenrheingebiet: a): Wasserrückführung eines Kleinkraftwerks an einem Gebirgsbach.<br />

Dem Bach wurde kein Dotierwasser belassen. b): Ein zu geringes Restwasser führt auch in grösseren Gebirgsgewässern<br />

zu Versickerungsstrecken. Der Wasserstrom verbleibt im Interstitial (Foto AJF GR).<br />

Wasserentnahmen für Beschneiungsanlagen im Hochgebirge greifen in <strong>der</strong> Regel auf äußerst unergiebige<br />

Wasserquellen zurück. Die ökologischen Folgen sind vor allem Versickerungen des Wasserkörpers<br />

in das großlumige Interstitial und damit die Gefahr von Kontinuumsunterbrechung und Vereisung.<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Individuell an das Gewässer angepasste Dotierwasserregelungen;<br />

� frühestmögliche Rückführung von Dotierwasser in das Restwassergerinne;<br />

� Restriktive Kontrollen/Regelungen <strong>der</strong> Wasserentnahmen für Bewässerungen;<br />

� Restriktive Kontrollen/Regelungen <strong>der</strong> Wasserentnahmen für Beschneiungsanlagen;<br />

� Berücksichtigung beson<strong>der</strong>er klimatischer Verhältnisse bei je<strong>der</strong> Art von Wasserentnahme.<br />

A3.1.6 <strong>Ökologische</strong> Defizite durch Kiesbewirtschaftung und an<strong>der</strong>e Trübstoffquellen<br />

Trübstoffe<br />

Trübstoffführung findet sich im Alpenrheingebiet im Zusammenhang mit den o.g. Schwallbetrieben,<br />

dort, wo noch immer eine hohe organische Belastung und/o<strong>der</strong> Produktion stattfindet (einige Riedgewässer<br />

und Kanäle) sowie dort, wo am und im Gewässer gearbeitet wird. So führt <strong>der</strong> Alpenrhein<br />

permanent große Mengen suspendierter Feststoffe, bedingt durch Schwall und Kiesentnahmen, aber<br />

auch durch die Schwebstofffrachten einiger seiner Zuflüsse. Bekannt für hohe Schwebstoffkonzentrationen<br />

ist die Landquart, wo an einigen Zubringern Kies in Gerinnenähe bearbeitet wird. Hohe<br />

Schwebstoffkonzentrationen können, je nach Zusammensetzung <strong>der</strong> Partikel, zu biologischer Entwertung<br />

von Substratflächen und des Interstitials führen (Sedimentation, Kolmation), aber auch<br />

Fische und an<strong>der</strong>e Gewässerorganismen direkt schädigen (Sandstrahleffekt, Kiemenverstopfung).<br />

Beispielhafter Entwicklungsbedarf:<br />

� Verbot von Kiesbewirtschaftung direkt im Gewässer;<br />

� Reduzierung <strong>der</strong> Trübstoffmobilisation durch Glättung des Schwallbetriebs;<br />

� Erfassung und Reduzierung <strong>der</strong> Trübstoffbelastung aus organischen Belastungsquellen.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

75


76<br />

a b<br />

A3.1.7 Erfassung <strong>der</strong> Gewässerdefizite im Alpenrheingebiet<br />

Abklärungen<br />

Abb. A3-10:<br />

Die Landquart zeigt deutliche und periodische Schwebstoffbelastung durch Kiesbewirtschaftung. a) Kieswerk<br />

am Schraubach; b) Eintrag von schwebstoffbelastetem Wasser in die Landquart bei Jenaz.<br />

Die in den letzten Jahren durchgeführten Inventarisierungen des Gewässerzustands im Alpenrheingebiet<br />

liefern einen entscheidenden Überblick über die aktuelle Situation. Fast flächendeckend wurde<br />

die Strukturgüte mit vergleichbaren Kriterien erfasst (Abb. A3-13); die Beurteilung <strong>der</strong> biologischen<br />

Gewässergüte basiert dagegen noch auf unterschiedlichen Methoden (Saprobien- und Diatomeenindex)<br />

(Abb. A3-13).<br />

In einem ersten Überblick zeigen sich aus allen bisherigen Arbeiten Unterschiede bei je<strong>der</strong> Form<br />

struktureller, hydrologischer und chemischer Belastung <strong>der</strong> Fließgewässer zwischen den Berggebieten<br />

(und Hanglagen) und dem Talraum (BUHMANN & HUTTER, 2001). Strukturelle Defizite und Probleme<br />

mit <strong>der</strong> chemischen Wasserqualität konzentrieren sich sehr deutlich im Talraum, während sich die<br />

ökologisch negativen Effekte <strong>der</strong> Wasserkraftnutzung (Schwall, Restwasserproblem, Trübungen) bis<br />

in die Hochgebirgsregionen hinaufziehen.<br />

In <strong>der</strong> folgenden Tabelle (Tab. A3-1) sind die aktuellen Inventare <strong>der</strong> Alpenrheinanliegerlän<strong>der</strong> und -<br />

kantone aufgeführt.<br />

In den nachfolgenden Zustandskarten wurden die Strukturgüte und die biologische Gewässergüte im<br />

Einzugsgebiet Alpenrhein-Bodensee zusammenfassend dargestellt. Die gewählte Betrachtungsebene<br />

des Flusssystems ist im Original (OBAD, 2002) auf den Abbildungsmaßstab 1:100’000 bezogen und<br />

entspricht damit den Vorgaben <strong>der</strong> EU-WRRL. Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Inventare im Rahmen von<br />

Entwicklungsmaßnahmen an Flussgebietseinheiten, Gewässerabschnitten o<strong>der</strong> -objekten muss jedoch<br />

eine deutlich feinere Auflösung <strong>der</strong> Information Anwendung finden.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

Tab. A3-1: (Quelle: IGKB 2001, Fachbereich Einzugsgebiet)<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

77


78<br />

Biologische Gewässergüte<br />

Län<strong>der</strong> und Kantone<br />

Disentis<br />

Stockach<br />

Singen Radolfzell<br />

Reichenau<br />

Saprobienindex: Baden- Württemberg, Bayern, Vorarlberg<br />

Güteklasse I<br />

Güteklasse I - II<br />

Güteklasse II<br />

Güteklasse II - III<br />

Güteklasse III<br />

Güteklasse III - IV<br />

Güteklasse IV<br />

unbelastet<br />

gering belastet<br />

mäßig belastet<br />

kritisch belastet<br />

stark belastet<br />

sehr stark belastet<br />

übermäßig verschmutzt<br />

Diatomeenindex: Schweiz, Fürstentum Liechtenstein<br />

unbelastet/gering bel.<br />

schwach belastet<br />

deutliche belastet<br />

stark/sehr stark bel.<br />

gering belastet<br />

gering/mäßig belastet<br />

Überlingen<br />

Konstanz<br />

Kreuzlingen<br />

Ilanz<br />

Vals<br />

Markdorf<br />

Meersburg<br />

Sargans<br />

Thusis<br />

Vaduz<br />

Aulendorf<br />

Weingarten<br />

Ravensburg<br />

Tettnang<br />

Friedrichshafen<br />

Arbon<br />

St. Gallen<br />

Splügen<br />

Romanshorn<br />

Rorschach<br />

Inner-<br />

Ferrera<br />

Lindau<br />

Feldkirch<br />

Landquart<br />

Chur<br />

Hardt<br />

Rankweil<br />

Wangen<br />

Bregenz<br />

Lustenau<br />

Dornbirn<br />

Lenzerheide<br />

Arosa<br />

Bludenz<br />

Abklärungen<br />

Kisslegg<br />

Schruns<br />

Davos<br />

Oberstaufen<br />

Abb. A3-12: Biologische Gewässergüte im Einzugsgebiet Alpenrhein-Bodensee. Güteeinstufung in den einzelnen<br />

Län<strong>der</strong>n und Kantonen nach unterschiedlichen Bewertungskriterien.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein<br />

Isny<br />

Bal<strong>der</strong>schwang


Abklärungen<br />

Strukturgüteklassen <strong>der</strong><br />

Län<strong>der</strong> und Kantone<br />

Baden-<br />

Württemberg<br />

unverän<strong>der</strong>t<br />

gering verän<strong>der</strong>t<br />

mäßig verän<strong>der</strong>t<br />

deutlich verän<strong>der</strong>t<br />

stark verän<strong>der</strong>t<br />

sehr stark verän<strong>der</strong>t<br />

völlständig verän<strong>der</strong>t<br />

Schweizer<br />

Kantone<br />

natürlich / naturnah<br />

wenig beeinträchtigt<br />

stark beeinträchtigt<br />

naturfremd/künstlich<br />

Disentis<br />

Stockach<br />

Singen Radolfzell<br />

Reichenau<br />

Vorarlberg<br />

Überlingen<br />

Konstanz<br />

Kreuzlingen<br />

natürlich<br />

naturnah<br />

mäßig beeinträchtigt<br />

wesentlich beeinträchtigt<br />

stark beeinträchtigt<br />

naturfern<br />

naturfremd<br />

Fürstentum<br />

Liechtenstein<br />

wenig beeinträchtigt<br />

stark beeinträchtigt<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

Ilanz<br />

Vals<br />

Markdorf<br />

Meersburg<br />

Sargans<br />

Thusis<br />

Vaduz<br />

Aulendorf<br />

Weingarten<br />

Ravensburg<br />

Tettnang<br />

Friedrichshafen<br />

Romanshorn<br />

Arbon<br />

St. Gallen<br />

Splügen<br />

Rorschach<br />

Inner-<br />

Ferrera<br />

Lindau<br />

Feldkirch<br />

Landquart<br />

Chur<br />

Hardt<br />

Rankweil<br />

Wangen<br />

Bregenz<br />

Lustenau<br />

Dornbirn<br />

Lenzerheide<br />

Arosa<br />

Bludenz<br />

Kisslegg<br />

Schruns<br />

Davos<br />

Isny<br />

Oberstaufen<br />

Abb. A3-13: Gewässer-Strukturgüte im Einzugsgebiet Alpenrhein-Bodensee. Güteeinstufung in den einzelnen<br />

Län<strong>der</strong>n und Kantonen nach vergleichbaren Bewertungskriterien.<br />

Bal<strong>der</strong>schwang<br />

79


80<br />

A3.2 Hinweise zur Istzustandserhebung<br />

Für die Durchführung einer Inventarisierung <strong>der</strong> Komponenten aus den fünf Ökosystembausteinen<br />

liegen bereits richtungsweisende Arbeiten vor, die auch für das Flusssystem Alpenrhein und Einzugsgebiet<br />

übernommen werden können. Sie sind z.T. dem Literaturanhang zu entnehmen.<br />

A3.2.1 Bio-Indikatoren für Alpenrheinzuflüsse und an<strong>der</strong>e Fließgewässer im Rheintal<br />

Leben im Gewässer Organismen, die sensibel auf organisch-chemische Gewässerverschmutzung reagieren,<br />

so ist dies ein Zeichen für die Abwesenheit einer solchen Verschmutzung und damit für diesbezüglich<br />

gute Wasserqualität. Umgekehrt zeigt eine Dominanz abwassertoleranter Organismen, dass<br />

ein permanenter Belastungshintergrund existiert. Mit Hilfe von Bio-Indices (z.B. Saprobienindex,<br />

Makroindex, Diatomeenindex) ist eine Bewertung dieser Gewässer in biologische Gewässergüte-<br />

Klassen möglich. Mit <strong>der</strong> generellen Verbesserung unserer Abwasserentsorgung wurden Werkzeuge<br />

wie <strong>der</strong> Saprobienindex jedoch stumpf und nur noch auf deutlich abwasserbelastete Gewässer anwendbar.<br />

In <strong>der</strong> heutigen Praxis wird daher vermehrt mit einer Kombination von Bioindikatoren und<br />

Indikatoren an<strong>der</strong>er Ökosystembausteine (z.B. Strukturökologie) gearbeitet.<br />

Fische als Bioindikatoren<br />

An <strong>der</strong> Spitze von Indikatorenlisten - und daher an dieser Stelle genauer beschrieben - stehen die<br />

gewässertypspezifischen Fischarten. Grundlegendes Ziel <strong>der</strong> Verwendung von Indikatoren ist eine<br />

Minimierung des Untersuchungsaufwandes bei zugleich hohem Aussagewert (SCHMUTZ et. al., 2000).<br />

Zur Erstellung einheitlicher und über größere Regionen gültiger Bewertungsverfahren müssen folgende<br />

Kriterien erfüllt sein.<br />

Die Indikatorart soll:<br />

� eine entsprechend weite Verbreitung zeigen;<br />

� ihr natürliches Verbreitungsgebiet im betrachteten Raum haben (angestammte Art);<br />

� methodisch leicht erfassbar sein;<br />

� regelmäßig nachzuweisen sein;<br />

� leicht bestimmbar sein;<br />

� auf anthropogene Einflüsse nachweislich stärker reagieren als auf natürliche;<br />

Fische, allen voran Bachforellen und Äschen, erfüllen im Alpenrheingebiet einen großen Teil dieser<br />

Kriterien und sollten daher als geeignete Indikatoren stets in Betracht gezogen werden.<br />

Sie werden unter Berücksichtigung von Fischereistatistiken und laufenden Bewirtschaftungsmaßnahmen<br />

(z.B. Besatz) mit Hilfe von Elektroabfischungen, Jungfischbeobachtungen und Laichplatzkartierungen<br />

erfasst. Die jeweilige Methode muss auf den Gewässertyp und die Größe <strong>der</strong> Projektperimeters<br />

abgestimmt sein. Das Ergebnis sollte stets eine umfassende, lokalisierbare und reproduzierbare<br />

Charakterisierung <strong>der</strong> Fischzönose enthalten. Hierzu gehören:<br />

biotische Komponenten, Erfassung von:<br />

� Arteninventar;<br />

� Kondition (Länge-Gewichtsbeziehung) <strong>der</strong> jeweiligen Populationen;<br />

� Gesundheitszustand <strong>der</strong> Individuen;<br />

� Populationsgröße <strong>der</strong> einzelnen Arten;<br />

� Altersstruktur <strong>der</strong> jeweiligen Population;<br />

Abklärungen<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

� Reproduktionsstatus <strong>der</strong> einzelnen Arten;<br />

� Migrationsverhalten <strong>der</strong> einzelnen Arten.<br />

abiotisch Komponenten, Erfassung von:<br />

� genutzten und potenziell geeigneten Fischstandorten (strukturspezifische Abfischungen,<br />

Kartierung);<br />

� potenziellen Belastungen, “Äußerer Aspekt” (Kartierungen);<br />

Als Referenz für beide Komponenten wird das Arteninventar und sein Zustand sowie das Lebensraumangebot<br />

einer potenziell natürlichen Fischzönose eines Gewässers/Gewässersystems herangezogen<br />

und sodann die Abweichungen gegenüber diesem Zustand als Defizit formuliert.<br />

Gewässertyp Vorauswahl Indikatorarten im Alpenrheingebiet<br />

Gebirgsbach Bachforelle<br />

Gebirgsfluss Bachforelle, Äsche, (Seeforelle), Groppe<br />

Hangbach Bachforelle<br />

Talbach Bachforelle, Groppe, Elritze<br />

Gießenbach Bachforelle, Äsche, Groppe, Elritze, (Strömer)<br />

Binnenkanal Bachforelle, Äsche, Groppe, Elritze<br />

Riedgewässer Elritze<br />

Durchgängigkeit<br />

zum Alpenrhein<br />

Fische als Planungsinstrumente<br />

Äsche, Seeforelle, Nase, (Barbe)<br />

Abb. A3-2:<br />

Fischarten als Bioindikatoren für verschiedene Gewässertypen im Alpenrheingebiet. Die Liste enthält eine Vorauswahl<br />

von Arten, welche die oben beschriebenen Kriterien für Bioindikatoren erfüllen.<br />

Fische und ihre Lebensraumansprüche können sich auch direkt als Instrumente für die ökologische<br />

Begleitung einer <strong>Gewässerentwicklung</strong>splanung eignen. Bei maßnahmenspezifischen Abklärungen<br />

können sie den Anfor<strong>der</strong>ungsrahmen und die Abklärungsinhalte bestimmen und bereits bestimmte<br />

Maßnahmentypen für die <strong>Gewässerentwicklung</strong> empfehlen.<br />

Dieser Ansatz soll mithilfe <strong>der</strong> folgenden Tabellen verdeutlicht werden. Es handelt sich dabei um ein<br />

Beispiel, bei dem bis zur Stufe <strong>der</strong> Auflageplanung keine hinreichende Inventarisierung <strong>der</strong> aquatischen<br />

Biozönosen stattgefunden hat.<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

81


82<br />

Abklärungen<br />

Tab. A3-3a und b (Folgeseite):<br />

Fische als Instrumente <strong>der</strong> ökologischen Planungsbegleitung (aus REY et al., 2001)<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

83


84<br />

Weiterführende Literatur<br />

Abklärungen<br />

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- AfU, Chur, unveröffentlicht<br />

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Makroindex Karte 1 : 1 Mio. - AfU, Chur, unveröffentlicht<br />

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Beschreibung <strong>der</strong> Parameter und Kriterien zur Klassifizierung. Zürich<br />

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1998. - Schriftenreihe Lebensraum Vorarlberg, Band 44, Bregenz. 67 S.<br />

BUHMANN, D., HUTTER, G. & LUTZ, S. (2001): Fliessgewässer in Vorarlberg. Gewässerinventar, Teil<br />

1: Strukturgüte <strong>der</strong> Fließgewässer <strong>der</strong> Vorarlberger Rheintals Stand 1999. - Schriftenreihe Lebensraum<br />

Vorarlberg, Band 47, Bregenz. 36 S + Kartenbeilagen.<br />

BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT, WASSERWIRTSCHAFTSKATASTER (1989):<br />

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BUWAL, Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft (1998): Methoden zur Untersuchung und<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Fliessgewässer: Modul-Stufen-Konzept. Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 26,<br />

Bern, 1-43.<br />

BUWAL, Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft (1998): Methoden zur Untersuchung und<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Fliessgewässer: Modul-Stufen-Konzept. Ökomorphologie Stufe F (flächendeckend).<br />

Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. 27, Bern, 1-49.<br />

BUWAL, Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft (in Vorbereitung): Methoden zur Untersuchung<br />

und Beurteilung <strong>der</strong> Fliessgewässer: Modul-Stufen-Konzept. Benthos Stufe F (flächendeckend).<br />

Mitteilungen zum Gewässerschutz, Bern.<br />

BUWAL, Bundesamt für Umwelt Wald und Landschaft (in Vorbereitung): Methoden zur Untersuchung<br />

und Beurteilung <strong>der</strong> Fliessgewässer: Modul-Stufen-Konzept. Äußerer Aspekt. Stufe F (flä-<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein


Abklärungen<br />

chendeckend). Mitteilungen zum Gewässerschutz Nr. ##, Bern, ##.<br />

BUWAL/EAWAG (in Vorbereitung): Methoden zur Untersuchung und Beurteilung <strong>der</strong> Fliessgewässer:<br />

Modul-Stufen-Konzept. Fische Stufe F (flächendeckend). Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung,<br />

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Liechtenstein, Auftrag: Amt für Gewässerschutz, Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz.<br />

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des Spiersbachs im 19. und 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. Schriftenreihe Amt für Umweltschutz, Fürstentum<br />

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LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (LfU) (1992): Handbuch Wasser 2;<br />

Übersichtskartierung <strong>der</strong> morphologischen Naturnähe von Fließgewässern (Methode);<br />

LANDESANSTALT FÜR UMWELTSCHUTZ BADEN-WÜRTTEMBERG (LfU) (1997): Handbuch Wasser 2;<br />

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LANDESANSTALT FÜR ÖKOLOGIE, LANDWIRTSCHAFT UND FORSTPLANUNG NW & LANDESAMT FÜR<br />

WASSER UND ABFALL NRW (1985): Bewertung des ökologichen Zustandes von Fließgewässern. Teil I:<br />

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1990-2001. - Landeswasserbauamt Bregenz, Schriftenreihe Lebensraum Vorarlberg, Band 54, Bregenz<br />

Praxishandbuch: <strong>Ökologische</strong> <strong>Aspekte</strong> <strong>der</strong> <strong>Gewässerentwicklung</strong><br />

85


86<br />

Abklärungen<br />

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Wasserwirtschaftsverband Verbandsschrift 59: 85-98. Baden<br />

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Verlag; 283 S.<br />

Internationale Regierungskommission Alpenrhein

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