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und st.Gallen die - Saiten

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als menschen fa<strong>st</strong> ohne Schulbildung, mei<strong>st</strong>ens<br />

ohne berufsausbildung, vom umfeld drangsaliert,<br />

abgeschoben <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> verachtet – im Alltagsleben<br />

verwehrt wurde, das war in der kün<strong>st</strong>lerischen<br />

dar<strong>st</strong>ellung möglich.<br />

nährboden für aussenseiter<br />

Egal, ob man <strong>die</strong>se Werke nun unter Naiver<br />

Kun<strong>st</strong>, Aussenseiter­Kun<strong>st</strong> oder Art brut zusammenfas<strong>st</strong>,<br />

in der o<strong>st</strong>schweiz scheint im letzten<br />

Jahrh<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>ert ein besonders ideales umfeld<br />

geherrscht zu haben. Es gibt kaum eine zweite<br />

region, in welcher sich <strong>die</strong>ser bereich der Kun<strong>st</strong><br />

derart <strong>st</strong>ark <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> vielseitig entwickelt hat. lange<br />

wurde <strong>die</strong> Aussenseiterkun<strong>st</strong> vom breiten Publikum<br />

völlig verkannt. Jetzt, wo <strong>die</strong> Anerkennung<br />

da i<strong>st</strong>, sind <strong>die</strong> grossen Naiven ge<strong>st</strong>orben. Aussenseiterkun<strong>st</strong><br />

<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Naive volkskün<strong>st</strong>ler in <strong>die</strong>ser<br />

Art gibt es kaum mehr.<br />

Auffallende gemeinsamkeit war, dass es<br />

vielfach menschen mit gei<strong>st</strong>iger, körperlicher<br />

oder psychischer behinderung waren. hinzu<br />

kam, dass sie keine kün<strong>st</strong>lerische Ausbildung<br />

genossen, dass sie aus armen verhältnissen<br />

<strong>st</strong>ammten <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> er<strong>st</strong> in der zweiten lebenshälfte<br />

zum kün<strong>st</strong>lerischen Schaffen fanden. <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> noch<br />

etwas teilten sie: von ihrer umwelt wurden sie<br />

nicht ern<strong>st</strong> genommen – zuminde<strong>st</strong> nicht, bis sie<br />

eine gewisse berühmtheit erlangt hatten. losgelö<strong>st</strong><br />

vom offiziellen Kun<strong>st</strong>betrieb <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> sich nicht<br />

um seine Konventionen kümmernd, folgten <strong>die</strong><br />

Aus­senseiter ihrer Phantasie <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> vertrauten ihren<br />

Emotionen. dabei ging es ihnen selten um<br />

das «Kun<strong>st</strong>machen», sondern vielmehr darum,<br />

<strong>die</strong> eigenen visionen oder einen eigenen Weltentwurf<br />

fe<strong>st</strong>zuhalten.<br />

John, der förderer<br />

Josef John hat mehrere «seiner» Kün<strong>st</strong>ler entdeckt,<br />

als noch nicht einmal <strong>die</strong> näch<strong>st</strong>e umgebung<br />

von ihrem Schaffen Notiz genommen hatte.<br />

Er hat sie nicht nur entdeckt, sondern auch<br />

gefördert <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> über Jahrzehnte begleitet. Er hat<br />

ihre Werke gekauft <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> anfänglich damit gehandelt,<br />

bis er sich – aus liebe zur Sache – ganz aufs<br />

Sammeln konzentrierthat. das Aussenseitertum<br />

war ihm dabei ein wichtiges Kriterium. Er interessierte<br />

sich nicht nur für <strong>die</strong> Werke, sondern<br />

auch für das persönliche Schicksal, <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> fre<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>ete<br />

sich mit den mei<strong>st</strong>en an. mit Anteilnahme am<br />

Schicksal der einzelnen <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> mit sicherem Auge<br />

wählten Josef <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> mina John aus. So i<strong>st</strong> im verlaufe<br />

der Jahrzehnte eine der umfassend<strong>st</strong>en <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

faszinierend<strong>st</strong>en Sammlungen ent<strong>st</strong>anden.<br />

das Sammlerpaar hat wesentlich zur Etablierung<br />

der Naiven <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Art­brut­Kun<strong>st</strong> in der<br />

o<strong>st</strong>schweiz beigetragen. mehrmals wurden Teile<br />

<strong>die</strong>ser Sammlung in museen ausge<strong>st</strong>ellt: im museum<br />

im lagerhaus St.gallen, im volksk<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>emuseum<br />

Stein, in der Kartause Ittingen. Es gibt<br />

kein museum <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> keinen privaten Sammler,<br />

der auch nur annähernd über so viele Werke in<br />

<strong>die</strong>ser Qualität verfügt wie <strong>die</strong> John’sche Sammlung.<br />

Wohl kaum eine Aus<strong>st</strong>ellung oder eine Publikation<br />

kommt um <strong>die</strong>se Sammlung herum.<br />

SAITEN 11.12<br />

<strong>die</strong> Sammlung umfas<strong>st</strong> r<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> 640 bilder,<br />

Skulpturen <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> objekte. vertreten sind 68<br />

Kün<strong>st</strong>lerinnen <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Kün<strong>st</strong>ler: von Anny boxler<br />

bis zu hedi zuber, von ulrich bleiker bis<br />

zu Konrad zülle. Sie wei<strong>st</strong> auch viele Querbezüge<br />

auf, beispielsweise zur Senntumsmalerei,<br />

ein Thema, das gerade für <strong>die</strong> malerei der<br />

o<strong>st</strong>schweiz von grosser bedeutung i<strong>st</strong>. Für<br />

ihre Sammler­ <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> vermittlertätigkeit sind Josef<br />

<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> mina John 2006 mit dem Anerkennungspreis<br />

der <strong>st</strong>.gallischen Kultur<strong>st</strong>iftung ausgezeichnet<br />

worden.<br />

Was passiert mit einer solchen Sammlung,<br />

wenn <strong>die</strong> Sammler selber in <strong>die</strong> Jahre kommen?<br />

<strong>die</strong>se Frage <strong>st</strong>ellt sich immer wieder. denn oft<br />

sind Sammlungen untrennbar mit den Personen<br />

verb<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>en, <strong>die</strong> sie aufgebaut haben. «Wir sind<br />

uns im Klaren, dass es wenig Sinn macht, wenn<br />

eine Privatperson <strong>die</strong>se Sammlung übernimmt.<br />

Im gegenteil, sie soll der Öffentlichkeit zugänglich<br />

gemacht werden», sagt Josef John. Auch das<br />

umfeld müsse <strong>st</strong>immen, denn es mache wenig<br />

Sinn, wenn eine solche Sammlung irgendwo<br />

unterkomme. Sie soll dort bleiben, wo sie ent<strong>st</strong>anden<br />

i<strong>st</strong>: in der o<strong>st</strong>schweiz oder im Kanton<br />

St.gallen. Aus <strong>die</strong>sem gr<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> haben <strong>die</strong> Johns<br />

privaten Interessenten klare Absagen erteilt.<br />

«hoher ideeller wert»<br />

Es <strong>st</strong>ellt sich auch <strong>die</strong> Frage, wie der Wert der<br />

Sammlung bemessen werden kann. Josef <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

mina John haben <strong>die</strong> Summe von zwei millionen<br />

Franken genannt. Würden sie <strong>die</strong> Werke<br />

– darunter zahlreiche, seltene Schlüsselwerke –<br />

einzeln verkaufen, könnte der Erlös weit höher<br />

liegen. der Wert der Sammlung als ganzes<br />

wie auch der gute zu<strong>st</strong>and der einzelnen bilder<br />

<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> objekte wird auch von Experten be<strong>st</strong>ätigt.<br />

dank den vorhandenen Werkgruppen lassen sich<br />

viele verknüpfungen <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Querbeziehungen im<br />

Schaffen der einzelnen Kün<strong>st</strong>ler dar<strong>st</strong>ellen.<br />

mit der Auflage, dass <strong>die</strong> Sammlung öffentlich<br />

zugänglich sein soll, kommt nur <strong>die</strong> öffentliche<br />

hand als Partner in Frage. gespräche zwi­<br />

Josef <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Mina John suchen eine nachhaltige Lösung für<br />

<strong>die</strong> grös<strong>st</strong>e <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> wichtig<strong>st</strong>e sammlung naiver Kun<strong>st</strong><br />

der O<strong>st</strong>schweiz. Bis jetzt i<strong>st</strong> sie in ihrem «Privatmuseum»<br />

in Wittenbach untergebracht. bild: pd<br />

45<br />

Kun<strong>st</strong> kultur<br />

schen Johns <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> dem St.galler Amt für Kultur<br />

gibt es seit mehreren Jahren. Im vergangenen<br />

Sommer i<strong>st</strong> der Kontakt neu aufgenommen<br />

worden. «<strong>die</strong> Sammlung Josef <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> mina John<br />

i<strong>st</strong> einmalig, ihr materieller <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> für <strong>die</strong> region<br />

auch hoher ideeller Wert i<strong>st</strong> unbe<strong>st</strong>ritten»,<br />

be<strong>st</strong>ätigt ursula badrutt, leiterin der Kulturförderung<br />

im Amt für Kultur, <strong>die</strong> haltung des<br />

Kantons St.gallen.<br />

enge finanzgrenzen<br />

zusammen mit der Stadt <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> dem museum im<br />

lagerhaus setze sich <strong>die</strong> kantonale Kulturförderung<br />

dafür ein, dass <strong>die</strong> Sammlung John in der<br />

o<strong>st</strong>schweiz verbleiben könne. <strong>die</strong> finanziellen<br />

möglichkeiten setzten aber enge grenzen. um<br />

<strong>die</strong> Sammlung ankaufen zu können, brauche es<br />

ein zusammenspiel der öffentlichen hand, des<br />

museums im lagerhaus <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> vor allem von Privaten.<br />

Im moment sei man daran, mit Privaten<br />

<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Stiftungen zu verhandeln, um so das geld<br />

zusammenzubekommen.<br />

gewissheit, dass <strong>die</strong> Sammlung tatsächlich<br />

gerettet <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> der Öffentlichkeit erhalten werden<br />

kann, gebe es noch keine. Wenn sich tatsächlich<br />

private geldgeber finden lassen,soll <strong>die</strong> Sammlung<br />

in das museum im lagerhaus integriert<br />

werden. denn genau dort be<strong>st</strong>eht gewissheit,<br />

dass sie am rechten ort i<strong>st</strong>, dass sie lebendig <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

für <strong>die</strong> zukunft erhalten bleibt, dass <strong>die</strong> Werke<br />

fachgerecht betreut, archiviert, gelagert <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

präsentiert werden. Wenn der Kauf abgewickelt<br />

werden könne, werde es wohl schon im näch<strong>st</strong>en<br />

Jahr eine Extra­Aus<strong>st</strong>ellung zur Sammlung Josef<br />

<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> mina John geben.<br />

Noch i<strong>st</strong> jedoch vieles offen. das Amt für<br />

Kultur i<strong>st</strong> be<strong>st</strong>rebt, <strong>die</strong> entsprechenden Fäden<br />

zu knüpfen. Aus eigener Kraft kann das Amt <strong>die</strong><br />

mittel nicht aufbringen. Es i<strong>st</strong> darauf angewiesen,<br />

Stiftungen <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> private geldgeber von der<br />

herausragenden bedeutung <strong>die</strong>ser Sammlung<br />

von Aussenseiter­Kun<strong>st</strong> zu überzeugen, um so<br />

den Werken von Para<strong>die</strong>s <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Weltuntergang<br />

eine langfri<strong>st</strong>ige zukunft zu sichern.

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