05.01.2013 Aufrufe

und st.Gallen die - Saiten

und st.Gallen die - Saiten

und st.Gallen die - Saiten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Wer bin ich, <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> wenn ja, wie viele? <strong>die</strong> Frage,<br />

theatralisch ge<strong>st</strong>ellt, i<strong>st</strong> sich matthias Peter gewohnt.<br />

Schon im Stück «<strong>die</strong> letzten drei Tage<br />

des Fernando Pessoa» 2010 hat er solo mehrere<br />

Identitäten gespielt. Jetzt bringt er ein Stück mit<br />

vergleichbarer Kon<strong>st</strong>ellation in <strong>die</strong> Kellerbühne:<br />

«der mann im Turm oder das geheimnis<br />

der zeit». <strong>die</strong> rollen heissen <strong>die</strong>smal:«Erzähler,<br />

ein Erzähler. das Kind. Eine Frau. Ein mann.<br />

der mann im Turm. der mann mit der grünen<br />

Krawatte hinter der rezeption. Ein alter mann.<br />

Eine alte Frau.» der Autor, der in berlin lebende<br />

Schweizer Andreas Sauter, schreibt, das Stück<br />

könne durchaus von einer Person gespielt werden,<br />

es sei aber zugleich «mehr<strong>st</strong>immig».<br />

sätze vom turm herab<br />

Keine leichte Aufgabe, sagt matthias Peter beim<br />

gespräch im vormittäglich ruhigen Kellertheater,<br />

das er seit 2004 leitet. «Perspektive, zeit<br />

<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Figur wechseln rasend schnell, manchmal<br />

innerhalb einer Szene.» der Autor oder vielmehr<br />

der «Erzähler» im Stück komme ihm vor<br />

wie ein Theaterzauberer, der <strong>die</strong> Fäden in der<br />

hand hält. <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> raffiniert mit ihnen spielt, nämlich<br />

etwa so:<br />

das kind: Wo kommt eigentlich<br />

<strong>die</strong> zeit her?<br />

erzähler: Fragt das Kind.<br />

das kind: Kommt <strong>die</strong> vom lieben gott?<br />

der mann: Nein.<br />

erzähler: Sagt der mann.<br />

So geht es im Stück zu <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> her, ein paar requisiten<br />

genügen, um <strong>die</strong> Figuren kenntlich zu<br />

machen. Sauter nimmt sich eine einfache Kon<strong>st</strong>ellation<br />

vor: einmann <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>eineFrau,<strong>die</strong> sich<br />

finden <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> verlieren, ein Kind, das fragt – «fa<strong>st</strong><br />

banal», sagt matthias Peter, «aber formal brillant<br />

<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> zugleich voller geheimnisse». das i<strong>st</strong> ihm<br />

wichtig, bei allen Stücken: dass eine geschichte<br />

erzählt wird, <strong>die</strong> im Publikum nachklingt <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> es<br />

über den Theaterabend hinaus nährt.<br />

So fanden in den letzten Jahren Er<strong>st</strong>aufführungen<br />

von Jon Fosse, roland Schimmelpfennig<br />

oder händl Klaus auf <strong>die</strong> kleine bühne¸ dazu<br />

Ingeborg bachmann oder Ödön von horvath,<br />

georges Perec oder Peters eigene theatrale recherche<br />

über Jakob Senn – ein Tournee­Erfolg<br />

mit über dreissig vor<strong>st</strong>ellungen. Auch «der<br />

mann im Turm» i<strong>st</strong>, in szenischer Fassung, eine<br />

Schweizer Er<strong>st</strong>aufführung.<br />

SAITEN 11.12<br />

Autorentheaterzauberer<br />

Die <strong>st</strong>.Galler Kellerbühne pflegt das zeitgenössische sprechtheater. Da pas<strong>st</strong><br />

der Berlin­schweizer Andreas sauter be<strong>st</strong>ens hin: er kämpft um eine<br />

Besser<strong>st</strong>ellung der Autoren im Theaterbetrieb. Jetzt spielt <strong>die</strong> Kellerbühne sein<br />

<strong>st</strong>ück «Der Mann im Turm oder Das Geheimnis der Zeit».<br />

von peter surber<br />

Zwei Männer im Turm: Matthias Peter (vorne) <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Musiker Daniel Pfi<strong>st</strong>er. bild: pd<br />

aus artgerechter haltung<br />

Autor Sauter, der sich für <strong>die</strong> Premiere vom 7.<br />

November angemeldet hat, hätte an dem Programm<br />

seine helle Freude. denn er kämpft für<br />

einen Theaterbetrieb, der den Autorinnen <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

Autoren mehr Anerkennung <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> bessere Karten<br />

gibt. Sauter i<strong>st</strong> mit anderen «battle­Autoren»<br />

verfasser des manife<strong>st</strong>s «zehn Wünsche für ein<br />

künftiges Autorentheater», das gegen <strong>die</strong> «Ex<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>­hopp­mentalität»<br />

des Theaterbetriebs <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

dessen «Frischfleischwahn» poltert. «Keine uraufführungssucht!»,<br />

heis<strong>st</strong> Paragraph eins – <strong>st</strong>att<br />

dessen sollen Stücke nachgespielt <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Autoren<br />

gepflegt werden. vielversprechend auch Punkt<br />

acht: «<strong>die</strong> Einführung einer Klassikerabgabe! Für<br />

das Spielen tantiemenfreier Klassiker geht ein<br />

kleiner betrag an einen Fonds für zeitgenössische<br />

dramatik.» dramatiker seien der uraufführungsjagd<br />

wie «scheue rehe» ausgesetzt, schreibt<br />

Sauter <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> fordert dagegen eine Art bio­gütesiegel:<br />

«Stücke aus artgerechter haltung».<br />

hinter dem Sarkasmus verbirgt sich <strong>die</strong> Tatsache,<br />

dass Autorinnen <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> Autoren vom Subventionssy<strong>st</strong>em,<br />

das fa<strong>st</strong> alle Theater am leben<br />

hält, kaum profitieren. dem Autor oder der<br />

Autorin kommt nur ein Anteil an den bruttoeinnahmen<br />

pro vor<strong>st</strong>ellung zu – in der regel<br />

zehn Prozent der Abendkasse. oder, so auch<br />

bei Sauter, minde<strong>st</strong>ens eine gr<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>pauschale von<br />

h<<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong>ert Franken. bei achtzehn vor<strong>st</strong>ellungen<br />

47<br />

Theater kultur<br />

des Stücks in der Kellerbühne <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> auf Tournee<br />

macht<strong>die</strong>s im minde<strong>st</strong>fall 1800 Franken Abendtantieme<br />

– nicht gerade ein Spitzeneinkommen.<br />

Immerhin: «der mann im Turm» wurde zuvor<br />

schon zweimal in deutschland inszeniert, i<strong>st</strong><br />

also dem «Frischfleischwahn» nicht ganz zum<br />

opfer gefallen.<br />

<strong>die</strong> Kellerbühne setzt neben cabaret <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

chanson auf zeitgenössische Stücke – das Publikum<br />

allerdings läs<strong>st</strong> sich bitten. «Aber immerhin:<br />

Es zieht etwas an«, sagt matthias Peter <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong><br />

will keineswegs auf Publikumsbeschimpfung<br />

machen. lieber zieht er seinen Kittel an, den<br />

Theaterzauberer­Kittel mit der Innen­ <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> der<br />

Aussenseite. <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> macht sich mit seinen mit<strong>st</strong>reitern,<br />

dem musiker daniel Pfi<strong>st</strong>er <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> regisseurin<br />

Juana von Jascheroff, auf <strong>die</strong> Suche nach dem<br />

geheimnis der zeit. <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> nach Antworten auf<br />

<strong>die</strong> Fragen des Kindes, ob es einen lieben gott<br />

gibt <<strong>st</strong>rong>und</<strong>st</strong>rong> ob er dem mann im Turm gleicht.<br />

der mann im turm oder das geheimnis<br />

der zeit.<br />

kellerbühne <strong>st</strong>.gallen. mittwoch, 7.,<br />

Freitag, 9., Sam<strong>st</strong>ag, 10. November, 20 uhr;<br />

Sonntag, 11. November, 17 uhr; weitere<br />

vor<strong>st</strong>ellungen im Februar 2013.<br />

theater an der grenze kreuzlingen.<br />

mittwoch, 14. bis Freitag, 16. November, 20 uhr.<br />

mehr Infos: www.kellerbuehne.ch

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!