Diskussionsbeiträge 11/2012 - DHBW Villingen-Schwenningen
Diskussionsbeiträge 11/2012 - DHBW Villingen-Schwenningen
Diskussionsbeiträge 11/2012 - DHBW Villingen-Schwenningen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Duale Hochschule BW <strong>Villingen</strong>-<strong>Schwenningen</strong> - Diskussionsbeitrag <strong>11</strong>/<strong>2012</strong><br />
Das Vorsichtsprinzip wird zum einen konkretisiert durch das Realisationsprinzip,<br />
welches die bilanzrechtliche Definition von Aktiva und Passiva gibt und die Bewer-<br />
tung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorschreibt.<br />
Zum anderen erfolgt eine Konkretisierung durch das Imparitätsprinzip. Denn die<br />
Vermögensermittlung unter Vorsichtsgesichtspunkten führt zu einer Ungleichbe-<br />
handlung von Vermögensgegenständen einerseits und Schulden andererseits.<br />
Umgesetzt wird dies anhand des Niederstwertprinzips, demzufolge Aktiva im<br />
Zweifelsfall mit dem niedrigeren Wert bewertet werden müssen, und anhand des<br />
Höchstwertprinzips, demzufolge Passiva mit dem höheren beizulegenden Wert zu<br />
bilanzieren sind; der Kaufmann soll sich zum Schutz der Gläubigerinteressen eher<br />
zu arm als zu reich rechnen, um zu verhindern, dass Gläubiger unerwartete For-<br />
derungsausfälle erleiden. <strong>11</strong><br />
Das Vorsichtsprinzip dient der Insolvenzvorsorge und bewirkt eine faktische Aus-<br />
schüttungssperre zur angestrebten Erhaltung des Eigen- und Haftkapitals i. S. d.<br />
Kapitalerhaltungssystems, da keine Gewinne aus mit Unsicherheit behafteten<br />
Vorgängen bzw. aus der unvorsichtigen bzw. unterlassenen Passivierung von<br />
(drohenden) Schulden entstehen. Denn Kapitalgesellschaften dürfen Ausschüt-<br />
tungen lediglich bis zur Höhe des Jahresergebnisses zuzüglich eines Gewinnvor-<br />
trags und abzüglich eines Verlustvortrags und ggf. zuzüglich frei verfügbarer Ge-<br />
winnrücklagen tätigen. Somit zeigt die Bilanz auch das Schuldendeckungspoten-<br />
zial eines Unternehmens.<br />
Weiterhin soll das Erfordernis der Objektivierbarkeit die willkürliche Aktivierung<br />
von Gütern verhindern. Deswegen dürfen lediglich Aktiva und Passiva aktiviert<br />
werden, deren Existenz im Zweifelsfall überprüfbar ist. 12<br />
Die vorsichtige Bewertung zum Hauptinstrument des Gläubigerschutzes zu ernen-<br />
nen, entspricht einem substanzwertorientierten statischen Ansatz, bei dem die<br />
Vermögenslage im Mittelpunkt des Interesses steht. 13<br />
Als weiterer Zweck des Handelsbilanzrechts ist die Rechenschaftsfunktion zu<br />
nennen. Denn mit der Handelsbilanz soll die Unternehmensführung Rechenschaft<br />
über die tatsächliche Lage des Unternehmens gegenüber allen ablegen, die von<br />
der jeweiligen Unternehmenspolitik entweder direkt oder indirekt tangiert werden,<br />
d. h. vor allem gegenüber Aktionären und Gesellschaftern.<br />
<strong>11</strong><br />
Vgl. Koss/Wohlgemuth, in: Pelka/Niemann, Jahres- u. Konzernabschluss, Rn. 854.<br />
12<br />
Vgl. Moxter, Bilanztheorie, S. 95.<br />
13<br />
Vgl. Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 1 Rn. 13.<br />
5