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Internationale Institutionen und nichtstaatliche Akteure

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groben Zügen nachgezeichnet werden kann,<br />

bedarf es begrifflicher Vorklärungen: <strong>Internationale</strong><br />

<strong>Institutionen</strong> bezeichnen Normen,<br />

Regeln, Programme <strong>und</strong> das dazugehörige<br />

Netzwerk von <strong>Akteure</strong>n, die das Handlungsrepertoire<br />

von Staaten oder <strong>nichtstaatliche</strong>n<br />

<strong>Akteure</strong>n beeinflussen, da sie etwas verbieten,<br />

ermöglichen oder verlangen. Der Begriff<br />

Institution umfasst in dieser Verwendung<br />

sowohl formale Organisationen mit<br />

Akteursqualität als auch normgeleitete, stabilisierte<br />

Handlungsmuster. Demgegenüber<br />

verweist der Begriff der Organisation exklusiv<br />

auf die Akteursqualität einer Einrichtung.<br />

Sowohl internationale <strong>Institutionen</strong> als<br />

auch internationale Organisationen lassen<br />

sich in zwei Gr<strong>und</strong>typen unterteilen: Zwischenstaatliche<br />

<strong>Institutionen</strong> (etwa das Welthandelsregime)<br />

<strong>und</strong> Organisationen (etwa die<br />

Welthandelsorganisation) sind von Staaten<br />

begründet; transnationale <strong>Institutionen</strong> (wie<br />

etwa die lex mercatoria) <strong>und</strong> Organisationen<br />

(z. B. Amnesty International) werden hingegen<br />

von gesellschaftlichen <strong>Akteure</strong>n getragen<br />

<strong>und</strong> als transnationale Regime oder transnationale<br />

Nichtregierungsorganisationen (NRO)<br />

bezeichnet. Von all diesen internationalen <strong>Institutionen</strong><br />

ist der Prozess der gesellschaftlichen<br />

Denationalisierung (oder Globalisierung)<br />

zu unterscheiden, der die schubartige<br />

Zunahme grenzüberschreitender Aktivitäten<br />

in so unterschiedlichen Bereichen wie Wirtschaft,<br />

Umwelt, Kultur <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

b e s c h re i bt .<br />

Die internationalen Beziehungen nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg waren durch die Bretton-<br />

Woods-<strong>Institutionen</strong> <strong>und</strong> das Verbot zwischenstaatlicher<br />

Gewaltanwendung durch<br />

die Charta der VN als institutionelle Rahmensetzungen<br />

geprägt. Die unter US-amerikanischer<br />

Führung etablierten Bretton-<br />

Woods-<strong>Institutionen</strong> (das internationale<br />

Handelsregime GATT <strong>und</strong> die Regime zur<br />

Regelung von Währungs- <strong>und</strong> Finanzangelegenheiten)<br />

unterstützten fast dreißig Jahre<br />

lang das Wachstum in den westlichen Industriestaaten<br />

<strong>und</strong> förderten die Integration<br />

der Weltwirtschaft. Diesen internationalen<br />

<strong>Institutionen</strong> liegt das Prinzip des embedded<br />

liberalism zugr<strong>und</strong>e: Es bezeichnet eine freihändlerische<br />

<strong>und</strong> grenzöffnende Gr<strong>und</strong>ori-<br />

1 ❙ Vgl. Steffen Mau, Transnationale Vergesellschaftung.<br />

Die Entgrenzung sozialer Lebenswelten,<br />

Frankfurt/M. 2007, S. 190.<br />

entierung, die allerdings fest in nationale politische<br />

Systeme eingebettet ist, welche durch<br />

den Weltmarkt verursachte Schocks <strong>und</strong> Ungleichheiten<br />

abfedern können. ❙ 2 Infolge eines<br />

durch vertiefende Liberalisierung <strong>und</strong><br />

beschleunigte technologische Entwicklung<br />

verursachten Denationalisierungsschubs waren<br />

nationale Politiken jedoch immer weniger<br />

in der Lage, durch nationale Marktinterventionen<br />

<strong>und</strong> soziale Schutzprogramme<br />

gewünschte soziale Ergebnisse zu erreichen.<br />

Das augenfällige Paradox des Nachkriegsliberalismus<br />

liegt somit darin, dass er seine eigenen<br />

institutionellen Abfederungsmechanismen<br />

angegriffen hat.<br />

Im Sicherheitsbereich schrieb die VN-<br />

Charta im Jahr 1945 erstmals ein vollständiges<br />

Verbot von zwischenstaatlicher Gewaltanwendung<br />

fest. Ausnahmen von diesem<br />

Verbot sollten lediglich die individuelle oder<br />

kollektive Selbstverteidigung im Falle des<br />

Angriffs sowie der Einsatz von Gewalt zum<br />

Zwecke der Sicherung des internationalen<br />

Friedens auf Beschluss des VN-Sicherheitsrates<br />

sein. Mit dem Beschluss von 1991 <strong>und</strong><br />

der erfolgreichen Zurückdrängung des Irak<br />

aus Kuwait während des Zweiten Golfkriegs<br />

1990/91 schien das Gewalt- <strong>und</strong> Interventionsverbot<br />

in der internationalen Politik endgültig<br />

etabliert <strong>und</strong> institutionell abgesichert<br />

zu sein. Im Zuge eines seit gut zwei Jahrzehnten<br />

fortschreitenden Prozesses der Denationalisierung<br />

der Sicherheitsbedrohungen<br />

nimmt jedoch die Bedeutung der klassischen<br />

zwischenstaatlichen Kriege, aber auch der innerstaatlichen<br />

Bürgerkriege relativ zu jenen<br />

ab, die häufig als „neue Kriege“ bezeichnet<br />

werden. Damit rücken Sicherheitsbedrohungen,<br />

bei denen die Grenzen zwischen Bürgerkrieg,<br />

Terrorismus, Staatsterror <strong>und</strong> Kriminalität<br />

verschwimmen <strong>und</strong> die einen dezidiert<br />

transnationalen Charakter haben, in den<br />

Vordergr<strong>und</strong>. ❙ 3 Parallel hat sich eine normative<br />

Dynamik entfaltet, in Folge derer Menschenrechte<br />

heute als weitgehend universell<br />

gelten <strong>und</strong> erhöhter Handlungsdruck ange-<br />

2 ❙ Vgl. John G. Ruggie, International Regimes, Transactions,<br />

and Change: Embedded Liberalism in the<br />

Postwar Economic Order, in: Stephen D. Krasner<br />

(ed.), International Regimes, New York 1983.<br />

3 ❙ Vgl. Mary Kaldor, New and Old Wars. Organized<br />

Violence in a Global Era, Cambridge 2007 (erstmals<br />

1998); Bernhard Zangl/Michael Zürn, Frieden <strong>und</strong><br />

Krieg. Sicherheit in der nationalen <strong>und</strong> post-nationalen<br />

Konstellation, Frankfurt/M. 2003.<br />

APuZ 34–35/2010 15

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