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Internationale Institutionen und nichtstaatliche Akteure

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sein sollen, sondern nunmehr <strong>nichtstaatliche</strong><br />

<strong>Akteure</strong> wie warlords <strong>und</strong> vielerlei kriminelle<br />

<strong>und</strong> terroristische Netzwerke, von denen al-<br />

Qaida nur das prominenteste ist. „Nur dann<br />

wenn die ökonomischen Strukturen wesentlich<br />

unter staatlicher Kontrolle stehen“, könne<br />

man die falsche These ❙ 7 aufrechterhalten,<br />

dass Kriege gr<strong>und</strong>sätzlich Staatenkriege seien.<br />

Dabei wird die zentrale Bedeutung des<br />

Waffenhandels übersehen, der ohne die aktive<br />

Rolle der industrialisierten Staaten als<br />

Wegbereiter, Vermittler, Kontrolleure <strong>und</strong><br />

Profiteure nicht funktionieren könnte: kein<br />

Krieg – sei es Bürger-, Sezessions- oder klassischer<br />

Grenzkrieg –, der ohne die Existenz<br />

der staatlich legitimierten, abgesicherten <strong>und</strong><br />

systematisch geförderten Waffenexporte ausgebrochen<br />

oder durchzuhalten wäre. Nach<br />

wie vor ist Staatlichkeit ohne Militär <strong>und</strong> dieses<br />

ohne eine weltweite Rüstungsökonomie,<br />

deren wichtigste Auftraggeber wiederum<br />

Staaten sind, nicht denkbar. Aber gleichzeitig<br />

kann man wissen, dass die intendierte Stabilisierung<br />

„zerfallender Staaten“ mit militärischen<br />

Mitteln nicht funktioniert, weil sie<br />

eben wegen dieses angewandten Mittels nicht<br />

funktionieren kann.<br />

Seit Gründung der USA haben amerikanische<br />

Streitkräfte mehr als zweih<strong>und</strong>ert Mal in<br />

Auslandseinsätzen für die Wiederherstellung<br />

von Ruhe <strong>und</strong> Ordnung zu sorgen versucht.<br />

Von den 16 Malen, die die USA in jüngerer<br />

Zeit versucht haben, zerfallende Staaten entweder<br />

aufzubauen oder durch Regimewechsel<br />

zu festigen, waren elf glatte Fehlschläge<br />

<strong>und</strong> zwei – Grenada <strong>und</strong> Panama – können<br />

nur als „wahrscheinlich erfolgreich“ gelten. ❙ 8<br />

Wirklich erfolgreich waren aus der Sicht einiger<br />

Forscher nur zwei Fälle: Deutschland<br />

<strong>und</strong> Japan. So viel zum militärischen nation<br />

building.<br />

Solange die Experten der internationalen<br />

Politik <strong>und</strong> ihre operativen Manager<br />

sich nicht von der alternativlosen Rekonstruktion<br />

des europäischen Staatsmodells,<br />

der „rationalen Anstalt“ als einziger Form<br />

des Politischen verabschieden zugunsten der<br />

7 ❙ Vgl. Ekkehart Krippendorff, Staat <strong>und</strong> Krieg.<br />

Die historische Logik politischer Unvernunft,<br />

Frankfurt/M. 1985.<br />

8 ❙ Vgl. William R. Polk, Aufstand. Widerstand gegen<br />

Fremdherrschaft – vom Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg<br />

bis zum Irak, Hamburg 2009.<br />

Möglichkeiten anderer, kulturell authentischer<br />

Politikformen, in denen tribale <strong>und</strong><br />

ethnische Loyalitäten nicht als minderwertige<br />

Primitivismen diskreditiert, sondern<br />

als Potenzial eigener Normen <strong>und</strong> Verfahren<br />

ernst genommen werden, wird dieser<br />

Stein des Sisyphos ihnen immer wieder auf<br />

die Füße rollen. Auf dem langen <strong>und</strong> ideologisch<br />

extrem schwierigen Weg dahin wäre<br />

eine – noch nicht existierende – ethnologisch<br />

informierte normative Wissenschaft der <strong>Internationale</strong>n<br />

Beziehungen gefragt, die sich<br />

in Zusammenarbeit mit arabischen, afrikanischen<br />

<strong>und</strong> asiatischen Gesellschaften auf die<br />

Spurensuche nach verschütteten indigenen<br />

Wurzeln politischer Organisation präkolonialer<br />

Gesellschaften begeben müsste.<br />

Ist Demokratie als gesellschaftliche Selbstbestimmung<br />

tatsächlich ausschließlich eine<br />

Erfindung des klassischen Griechenland oder<br />

hat es nicht auch außereuropäische Formen<br />

<strong>und</strong> Variationen gesellschaftlicher Selbstregierung<br />

gegeben, die unter der massiven Walze<br />

europäischer Welteroberung <strong>und</strong> damit<br />

einhergehender systematischer Kulturzerstörung<br />

(wie exemplarisch in Spanisch-Amerika)<br />

begraben wurden, aber heute konstruktiv<br />

erinnert <strong>und</strong> rekonstruiert zu werden<br />

verdienen? ❙ 9 Immerhin haben zumindest<br />

zwei der berühmten amerikanischen „Gründungs<br />

väter“, Thomas Jefferson <strong>und</strong> Benjamin<br />

Franklin, sich die Mühe gemacht, von<br />

indianischen politischen Erfahrungen zum<br />

Beispiel über die Bildung stammesübergreifender<br />

stabiler Bündnisse für die eigene<br />

Bündnisstruktur der „Vereinigten Staaten“<br />

zu lernen; mehr Indianisches als nach außen<br />

bekannt ging in die frühen Diskussionen um<br />

Kultur <strong>und</strong> Struktur dieses neuen politischen<br />

Staates ein, der selbst kein Staat, sondern nur<br />

eine gemeinsame „Administration“ von Staaten<br />

sein wollte. ❙ 10<br />

Seit den 1940er Jahren haben Ethnologie<br />

<strong>und</strong> Anthropologie bei außereuropäischen<br />

Kulturen wichtige Erkenntnisse gewonnen,<br />

zum Beispiel über Konfliktlösungsmechanismen<br />

in <strong>nichtstaatliche</strong>n Gesellschaften, die<br />

9 ❙ Mein eigener bescheidener Versuch dazu: Die Kultur<br />

des Politischen. Wege aus den Diskursen der<br />

Macht, Berlin 2009, S. 55–77.<br />

10 ❙ Vgl. Thomas Wagner, Irokesen <strong>und</strong> Demokratie.<br />

Ein Beitrag zur Soziologie interkultureller Kommunikation,<br />

Münster 2004.<br />

APuZ 34–35/2010 45

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