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Internationale Institutionen und nichtstaatliche Akteure

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<strong>und</strong> Aktivitäten sind, ohne dass Staaten die<br />

Aufgabe an diese formal delegiert haben. Solche<br />

Regelungen beruhen auf dem Prinzip der<br />

Selbstorganisation <strong>und</strong> erzeugen private authority.<br />

❙ 6 Darunter fallen dann beispielsweise<br />

sogenannte codes of conduct (Verhaltenskodizes),<br />

die zwischen Unternehmen vereinbart<br />

werden <strong>und</strong> möglicherweise Verpflichtungen<br />

beinhalten, denen die nationale Regierung<br />

des Landes, in dem sich der Stammsitz eines<br />

Unternehmens befindet, nicht zugestimmt<br />

hätte. Gleichermaßen bringt die Übernahme<br />

von Funktionen durch transnationale NRO<br />

im Rahmen internationaler <strong>Institutionen</strong> eine<br />

solche Transnationalisierung zum Ausdruck.<br />

Auch die Transnationalisierung kann im Ergebnis<br />

dazu führen, dass das Konsensprinzip<br />

<strong>und</strong> Nichtinterventionsgebot internationaler<br />

Politik de facto umgangen wird. Der enorme<br />

Anstieg der Anzahl aller bei der VN registrier<br />

ten internationalen Verträge von 8776 im<br />

Jahr 1960 auf aktuell 63 419 kann als erstes Indiz<br />

für die beschriebenen Veränderungen in<br />

der Governance internationaler Beziehungen<br />

angeführt werden. ❙ 7 Auch die Problemfelder,<br />

die von internationalen <strong>Institutionen</strong> bearbeitet<br />

werden, haben sich enorm ausgeweitet.<br />

Neben der wachsenden Quantität <strong>und</strong> Ausweitung<br />

internationaler Vereinbarungen zeigt<br />

sich die Dynamik von Supranationalisierung<br />

<strong>und</strong> Transnationalisierung der Governance<br />

qualitativ, wenn institutionelle Komponenten<br />

an Bedeutung gewinnen, die das zwischenstaatliche<br />

Konsensprinzip unterlaufen. Dies<br />

lässt sich an allen Stationen des policy-cycles<br />

in internationalen <strong>Institutionen</strong>, welcher die<br />

Entwicklung einer Regelung in verschiedene<br />

Phasen aufteilt, aufzeigen: So können für<br />

die internationale Ebene die folgenden Phasen<br />

unterschieden werden: Agendasetzung –<br />

Entscheidung – Implementation/Regelinterpretation<br />

– Überwachung – Durchsetzung<br />

– Evaluation/neue Agenda setzung.<br />

Mit Blick auf die Verhandlungs- bzw.<br />

Entscheidungsphase lässt sich zunächst eine<br />

relative Zunahme von Mehrheitsentscheidungen,<br />

die heute in grob zwei Drittel al-<br />

6 ❙ Vgl. A. Claire Cutler/Virginia Haufler/Tony Porter<br />

(eds.), Private Authority and International Affairs,<br />

New York 1999; Thomas J. Biersteker/John A.<br />

Hall (eds.), The Emergence of Private Authority in<br />

Global Governance, Cambridge 2002.<br />

7 ❙ Vgl. United Nations, Treaty Collection, online:<br />

http://treaties.un.org (25. 3. 2010).<br />

ler internationalen Organisationen möglich<br />

sind, beobachten. ❙ 8 Mehrheitsentscheidungen<br />

erhöhen die Handlungsfähigkeit internationaler<br />

<strong>Institutionen</strong>, indem sie das<br />

Veto einzelner Staaten aushebeln, Blockaden<br />

überwinden <strong>und</strong> auf Vetospieler einen<br />

Druck zur Kompromissbereitschaft ausüben.<br />

Der Blick auf strittige Fälle der Regelinterpretation<br />

zeigt eine Bedeutungszunahme<br />

unabhängiger Schiedsgerichtsverfahren<br />

<strong>und</strong> internationaler Gerichtshöfe. Gerichtsförmige<br />

Verfahren dienen dazu, Lösungen<br />

für Kollisionen zwischen verschiedenen Regelungen<br />

zu finden <strong>und</strong> die Regelinterpretation<br />

von komplexeren Regelungsgegenständen<br />

zu erleichtern; sie entziehen diese jedoch<br />

weitgehend dem Zugriff der Staaten. Von<br />

derartigen quasi-gerichtlichen Einrichtungen<br />

gab es im Jahre 1960 nur 27; 2004 betrug<br />

ihre Anzahl bereits 97. ❙ 9 Die Überwachung<br />

(monitoring) <strong>und</strong> Verifikation internationaler<br />

Regelungen insbesondere von Aktivitäten<br />

innerhalb von Staatsgebieten erfolgt gleichfalls<br />

zunehmend von Vertragsorganisationen,<br />

internationalen Sekretariaten aber auch<br />

transnationalen NRO, die nicht direkt der<br />

staatlichen Kontrolle unterliegen. So ist beispielsweise<br />

die Überwachung von international<br />

genormten Menschenrechten informell<br />

längst Menschenrechtsorganisationen wie<br />

Human Rights Watch <strong>und</strong> Amnesty International<br />

übertragen worden.<br />

Hinsichtlich der Regeldurchsetzung kann<br />

eine gestiegene Bereitschaft beobachtet werden,<br />

gegen Regelverletzer materielle Sanktionen<br />

zu verhängen. Der Bereich des ius cogens<br />

(zwingendes, von der Zustimmung der Staaten<br />

unabhängiges Völkerrecht) reicht inzwischen<br />

über das Aggressionsverbot hinaus <strong>und</strong><br />

umfasst auch das Verbot von genozidartigen<br />

Handlungen <strong>und</strong> der Apartheid. Darüber hinaus<br />

hat die internationale Staatengemeinschaft<br />

insbesondere seit 1989 Menschenrechtsverletzungen<br />

zunehmend sanktioniert<br />

8 ❙ Vgl. Daniel Blake/Autumn Payton, Voting Rules<br />

in International Organizations: Reflections of Power<br />

or Facilitators of Cooperation?, Papier präsentiert<br />

auf „ISA’s 49th Annual Convention“ am 26. 3. 2008 in<br />

San Francisco.<br />

9 ❙ Vgl. Project on International Courts and Tribunals,<br />

online: www.pict-pcti.org/matrix/matrixintro.html<br />

(20. 5. 2010); Karen J. Alter, The European Court’s<br />

Political Power. Selected Essays, Oxford 2009; Beth<br />

A. Simmons, Mobilizing for Human Rights: International<br />

Law in Domestic Politics, Cambridge 2009.<br />

APuZ 34–35/2010 17

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