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Internationale Institutionen und nichtstaatliche Akteure

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Christiane Grefe<br />

Rio reloaded<br />

Essay<br />

H<strong>und</strong>erttausende Liter klebrigen, schwarzen<br />

Erdöls ergießen sich täglich ins Meer.<br />

Keiner weiß, wie viele Millionen am Ende die<br />

Christiane Grefe<br />

Geb. 1957; Autorin <strong>und</strong> Redakteurin<br />

bei „Die Zeit“; Autorin<br />

von „Der Globale Countdown.<br />

Gerechtigkeit oder Selbstzerstörung<br />

– Die Zukunft<br />

der Globalisierung“ erschienen<br />

2008 (gemeinsam mit<br />

Harald Schumann).<br />

christiane.grefe@zeit.de<br />

Küsten von Louisiana<br />

bis Texas verseuchen<br />

werden. Über Monate<br />

kämpfen die Zauberlehrlinge<br />

von BP (British<br />

Petroleum) gegen<br />

die Geister, die sie verantwortungslos<br />

riefen.<br />

Immer neue Anläufe<br />

enden immer wieder<br />

vergeblich – wie<br />

bei Goethes Gedicht<br />

„Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!“ Die Havarie<br />

im Golf von Mexiko, die Anfang August<br />

dieses Jahres endlich gestoppt werden konnte,<br />

erscheint auf den ersten Blick als US-amerikanische<br />

Katastrophe. Kein anderes Land der<br />

Welt verschlingt schließlich pro Kopf derart<br />

große Mengen fossiler Ressourcen; nirgends<br />

sonst gilt ein vergleichbar energiehungriger<br />

Lebensstil quasi als Menschenrecht. Doch der<br />

Ölteppich zeigt noch mehr: die Verwobenheit<br />

jeder Ökonomie mit dem Rest der Welt. Er ist<br />

ein globales Menetekel. Denn erst die wachsende<br />

Nachfrage in den Schwellenländern<br />

nach „des Teufels Tränen“ <strong>und</strong> der sich gleichzeitig<br />

abzeichnende Beginn ihrer Erschöpfung<br />

ließen eine riskante Tiefseeförderung<br />

wie im Golf von Mexiko überhaupt rentabel<br />

werden; der Untergang der Bohrinsel „Deep<br />

Water Horizon“ ist insofern ein „Tschernobyl“<br />

des Ölfördermaximums, des peak oil.<br />

Erst ein völlig unzulängliches internationales<br />

Seerecht, das auch dank der Lobby der großen<br />

Energiekonzerne Schlupfl öcher bei den<br />

Sicherheits- <strong>und</strong> Schadenersatzpflichten offen<br />

ließ, senkte die Risikoschwelle, 1500 Meter<br />

tief im Meeresgr<strong>und</strong> nach dem Schmierstoff<br />

der industriellen Entwicklung zu bohren.<br />

Ähnliche Unglücke könnten daher jederzeit<br />

auch vor anderen Küsten passieren,<br />

in Angola, Russland oder Brasilien. Bürger<br />

in aller Welt empfanden das entfesselte Sprudeln<br />

der unterseeischen Quelle deshalb auch<br />

als weiteren Ausdruck der Unfähigkeit ihrer<br />

Regierungen, wirksame Regeln zum Schutz<br />

von Mensch <strong>und</strong> Natur zu schaffen. Die außer<br />

Kontrolle geratene Ölförderung erscheint<br />

ihnen nur als weiterer Beleg dafür, dass die<br />

politische Kooperation der Länder der wirtschaftlichen<br />

Verschmelzung noch immer bedrohlich<br />

fußlahm hinterherhinkt.<br />

Der Widerspruch ist tatsächlich groß: Einerseits<br />

wird auf allen politischen Gipfeln<br />

die „eine Welt“ beschworen, ob es um Abrüstung<br />

oder Artenvielfalt, Aids oder Arbeitsschutz<br />

geht. So gut wie allen Regierungen<br />

ist heute klar, dass ihre Ökonomien <strong>und</strong><br />

Gesellschaften allein auf nationaler Ebene<br />

nicht mehr zu steuern sind. Andererseits<br />

wächst hinter den diplomatischen Plädoyers<br />

für global governance noch längst nicht zusammen,<br />

was zusammen gehört, um die großen<br />

globalen Herausforderungen zu bewältigen.<br />

Die Kooperation ist unzulänglich, fragil<br />

<strong>und</strong> teils auf dem Rückzug bei den drei wichtigsten<br />

Krisen, mit denen die aus dem Ruder<br />

gelaufene Ölförderung im Golf von Mexiko<br />

eng verb<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> die mit Bankencrashs<br />

<strong>und</strong> zahlungsunfähigen Staaten, sich häufenden<br />

Wirbelstürmen, Fluten <strong>und</strong> Hungersnöten<br />

Vorboten möglicher noch größerer Katastrophen<br />

senden.<br />

Die drei großen Krisen:<br />

„Die Summe aller Fehler“<br />

Vor der gefährlichen Finanzkrise hatten kritische<br />

Ökonomen lange gewarnt. Doch die<br />

Staats- <strong>und</strong> Finanzchefs der wichtigsten<br />

Wirtschaftsmächte zeigten sich als Meister<br />

der Verdrängung – selbst dann noch, als sie<br />

im Jahr 2008 tatsächlich ausbrach. Anders als<br />

bei der Großen Depression ab 1929 kamen sie<br />

immerhin rasch zusammen <strong>und</strong> verhinderten<br />

mit hohen Staatsausgaben <strong>und</strong> -garantien die<br />

befürchtete Kaskade ökonomischer Zusammenbrüche.<br />

Doch schon morgen könnte die<br />

Welt erneut am Abgr<strong>und</strong> stehen. Denn weiter<br />

gehende Konsequenzen werden blockiert,<br />

ob durchgreifende Transparenzvorschriften,<br />

Kontrollinstanzen, Bankabgaben oder die<br />

Schließung von Steueroasen. Das Schwächeln<br />

der Regierungen gegenüber der Macht der<br />

Finanzwelt <strong>und</strong> die fehlende Vorsorge kommentiert<br />

Altb<strong>und</strong>eskanzler Helmut Schmidt<br />

lakonisch: „Von ihren fulminanten Absichtserklärungen<br />

zur Regulierung der Finanz-<br />

APuZ 34–35/2010 3

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