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Baustoffe sinnvoll und wesensgemaess einsetzen_Nr_263_2MB - SIB

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BAUSTOFFE SINNVOLL UND WESENSGEMÄSS EINSETZEN<br />

NATHALIE FREY, ARCHITEKTIN ETH<br />

Abschlussarbeit Fachkurs Baubiologie/Bauökologie <strong>SIB</strong>, 2010


fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

INHALT<br />

1 EINLEITUNG/MOTIVATION 3<br />

2 EIGENSCHAFTEN UND WESEN EINES BAUSTOFFES 4<br />

2.1. Einleitung<br />

2.2. Die wesentlichen Aspekte<br />

3 EINTEILUNG IN BAUSTOFFGRUPPEN 6<br />

3.1. Einleitung<br />

3.2. Mineralische <strong>Baustoffe</strong><br />

3.3. Organische <strong>Baustoffe</strong><br />

3.4. Metallische <strong>Baustoffe</strong><br />

3.5. Begründung der Auswahl<br />

4 BAUPHYSIKALISCHE EIGENSCHAFTEN 8<br />

4.1. Einleitung <strong>und</strong> Übersicht<br />

4.2. Thermische Eigenschaften<br />

4.3. Hygrische Eigenschaften<br />

4.4. Schlussfolgerungen zum Raumklima<br />

5 ÖKOLOGISCHE ASPEKTE 15<br />

5.1. Einleitung <strong>und</strong> Übersicht<br />

5.2. <strong>Baustoffe</strong> aus Holz<br />

5.3. Mineralische <strong>Baustoffe</strong><br />

5.4. <strong>Baustoffe</strong> aus Glas<br />

5.5. Metallische <strong>Baustoffe</strong><br />

5.6. <strong>Baustoffe</strong> aus Erdöl<br />

5.7. Abschliessende Betrachtung<br />

6 DAS WESEN 28<br />

6.1. Einleitung<br />

6.2. Bewusstseinsentwicklung der Menschheit <strong>und</strong> Erfindung/Verwendung der <strong>Baustoffe</strong><br />

6.3. Kindheitsentwicklung <strong>und</strong> Materialbezug<br />

7 ABSTRACT 34<br />

8 SCHLUSSWORT 35<br />

9 LITERATURANGABEN 36<br />

10 ANHANG 37<br />

2


fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

1 EINLEITUNG/MOTIVATION<br />

Die Tätigkeit als Architekt verlangt unter anderem immer wieder Beratung in Bezug auf Baumaterialien.<br />

Auch wenn ich einzelne Daten <strong>und</strong> Fakten in Bezug auf bauphysikalische, baubiologische <strong>und</strong><br />

bauökologischen Aspekte kenne, so fehlt mir doch die Übersicht, die für eine ganzheitliche Betrachtung,<br />

möglichst objektive Beurteilung <strong>und</strong> optimale Wahl nötig wäre.<br />

So habe ich das Bedürfnis einen Überblick über die Vielfalt zu erlangen <strong>und</strong> die Materialien in Bezug zur<br />

Zeit <strong>und</strong> zum Menschen zu stellen – zu verstehen, warum in der heutigen Zeit was eingesetzt wird. Wo<br />

liegt der Zusammenhang der Menschheitsentwicklung <strong>und</strong> der verwendeten Baumaterialien? Wo steht<br />

der Mensch heute? Welche <strong>Baustoffe</strong> entsprechen der heutigen Zeit?<br />

Ich möchte meine Baumaterialkenntnisse vertiefen, um eine möglichst ganzheitliche Betrachtung zu<br />

erlangen <strong>und</strong> so meine Beratung zur Materialwahl zu optimieren.<br />

Von den bauphysikalischen Werten <strong>und</strong> deren Wirkung auf das Raumklima, über die Verwendung eines<br />

Materials <strong>und</strong> dessen Auswirkungen auf die Umwelt während des gesamten Lebenszyklusses, möchte<br />

ich nach der Wechselwirkung zwischen Material <strong>und</strong> Mensch im Zusammenhang mit der Zeit forschen.<br />

Auf diese Weise versuche ich herauszufinden, wie die Materialkomposition sein muss, um, unter<br />

Berücksichtigung ökologischer Aspekte, Räume zu schaffen, die nicht nur ein ausgeglichenes Raumklima<br />

erzeugen, sondern die menschliche Entwicklung <strong>und</strong> Entfaltung unterstützen.<br />

Die Arbeit richtet sich gr<strong>und</strong>sätzlich an alle, die ihre Baumaterialkenntnisse vertiefen <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

einen Überblick über die Materialvielfalt erlangen möchten. Einerseits soll sie Beratern <strong>und</strong> Planern eine<br />

Hilfe sein, die der Bauherrschaft eine möglichst gesamtheitliche Betrachtung der Baumaterialien<br />

vermitteln möchten. Andererseits soll Sie auch für Laien verständlich sein. Dem interessierten Laien soll<br />

sie einen Einblick in die Baumaterialienvielfalt <strong>und</strong> über die vielen Aspekte, nach welchen ein Baumaterial<br />

betrachtet/bewertet werden kann, geben.<br />

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fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

2 EIGENSCHAFTEN UND WESEN EINES BAUSTOFFES<br />

2.1. EINLEITUNG<br />

Um die Eigenschaften <strong>und</strong> das Wesen eines <strong>Baustoffe</strong>s zu erfassen, muss einerseits der Baustoff <strong>und</strong><br />

sein Verhalten während der Nutzungsphase betrachtet werden, andererseits aber auch sein ganzer<br />

Lebenszyklus. Um ein noch tieferes Verständnis für den Baustoff <strong>und</strong> seinen Bezug zum Menschen zu<br />

entwickeln, will ich versuchen, die Entstehungsgeschichte in der Bewusstseinsentwicklung der<br />

Menschheit einzuordnen.<br />

2.2. DIE WESENTLICHEN ASPEKTE<br />

Für die ganzheitliche Beurteilung eines <strong>Baustoffe</strong>s müssen einerseits die Aspekte des <strong>Baustoffe</strong>s selber,<br />

aber auch seine Wechselwirkungen mit der Umwelt <strong>und</strong> dem Menschen berücksichtigt werden.<br />

Der Baustoff selber wird über die messbaren Werte seiner bauphysikalischen Eigenschaften mit anderen<br />

<strong>Baustoffe</strong>n verglichen <strong>und</strong> bewertet. Im Kapitel der bauphysikalischen Eigenschaften wird stark auf die<br />

einzelnen Materialien fokussiert. Danach wird aber der Fokus geöffnet <strong>und</strong> der ganze Lebenszyklus der<br />

einzelnen <strong>Baustoffe</strong> betrachtet. Dies hilft uns, ein Verständnis zu entwickeln für Auswirkungen auf die<br />

Umwelt, die die Verwendung eines <strong>Baustoffe</strong>s mit sich bringt. Die Zusammenhänge <strong>und</strong><br />

Wechselwirkungen von Baustoff <strong>und</strong> Umwelt sind im Kapitel ¨Ökologische Aspekte¨ dargestellt.<br />

Des weiteren ist es für das Materialverständnis ganz wesentlich zu verstehen, was der Zusammenhang<br />

ist von der Entstehungsgeschichte eines <strong>Baustoffe</strong>s <strong>und</strong> der Bewusstseinsentwicklung der Menschheit.<br />

Es stellt sich die Frage, wie weit das menschliche Bewusstsein entwickelt sein musste, damit das<br />

Material überhaupt erf<strong>und</strong>en werden konnte. Dies wiederum könnte uns Hinweise darüber geben in<br />

welchen Zusammenhängen das Material eingesetzt werden soll, um den Menschen in seiner Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Tätigkeit optimal zu unterstützen.<br />

Das folgende Mindmap zeigt eine Übersicht über die wesentlichen Aspekte eines <strong>Baustoffe</strong>s.<br />

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fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

Die wesentlichen Aspekte<br />

(Dies ist keine abschliessende Darstellung, sie soll durch jeden Leser <strong>und</strong> mit jedem Lesen verbessert<br />

<strong>und</strong> ergänzt werden!)<br />

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fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

3 EINTEILUNG IN BAUSTOFFGRUPPEN<br />

3.1. EINLEITUNG<br />

Die Vielfalt auf dem Baustoffmarkt nimmt beständig zu. Besonders das Segment der erdölbasierten<br />

<strong>Baustoffe</strong> wird laufend erweitert. Es ist keine leichte Aufgabe, da den Überblick zu behalten. So will ich<br />

die <strong>Baustoffe</strong> erst mal in drei Gruppen gliedern: mineraliche, organische <strong>und</strong> metallische <strong>Baustoffe</strong>.<br />

Die <strong>Baustoffe</strong> werden auf einer Art Zeitstrahl platziert, um darzustellen, wie nah sie ihrem<br />

Ursprungsmaterial noch sind. Je weiter die Materalien vom Ursprung entfernt sind, desto mehr<br />

Veränderungs- <strong>und</strong> Umwandlungsprozesse haben sie durchlaufen, desto komplexer ist ihr<br />

Herstellungsprozess.<br />

3.2. MINERALISCHE BAUSTOFFE<br />

Zu den mineralischen <strong>Baustoffe</strong>n gehören sicher alle Natursteine <strong>und</strong> Kunststeine, sowie alle <strong>Baustoffe</strong>,<br />

deren Basis Minerale sind, also auch Glas.<br />

3.3. ORGANISCHE BAUSTOFFE<br />

Die organischen <strong>Baustoffe</strong> sind entweder pflanzlichen oder tierischen Ursprungs oder aber aus dem<br />

Rohstoff Erdöl produziert.<br />

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fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

3.4. METALLISCHE BAUSTOFFE<br />

Die Metalle <strong>und</strong> Legierungen gehören zu den metallischen <strong>Baustoffe</strong>n.<br />

3.5. BEGRÜNDUNG DER AUSWAHL<br />

Die Einteilung in die Gruppen ist nicht als absolut zu verstehen, es gibt immer mehr <strong>Baustoffe</strong>, die<br />

Mischungen aus ganz vielen verschiedenen Rohstoffen sind <strong>und</strong> so eigentlich zu mehreren Gruppen<br />

gleichzeitig dazugehören. Zum Beispiel hat eine zementgeb<strong>und</strong>ene Holzwerkstoffplatte sowohl<br />

Bestandteile der organischen, sowie der mineralischen Gruppe.<br />

Stellvertretend für jede Gruppe werden jeweils ein bis drei <strong>Baustoffe</strong> herausgegriffen <strong>und</strong> in den<br />

folgenden Kapiteln vertieft. Die ausgewählten Materialien sind in erster Linie relativ häufig verwendete<br />

<strong>Baustoffe</strong>. Die Auswahl wird ergänzt, so dass möglichst von jeder Gruppe ein ursprungsnaher <strong>und</strong> ein<br />

ursprungsferner Baustoff vorhanden ist.<br />

Von den mineralischen <strong>Baustoffe</strong>n werden Lehm, Beton <strong>und</strong> Glas gewählt, von den organischen<br />

Massivholz <strong>und</strong> Polystyrol <strong>und</strong> von den metallischen Stahl. Die ausgewählten <strong>Baustoffe</strong> sind in den<br />

obigen Darstellungen eingerahmt.<br />

Der schriftlichen Arbeit liegen sechs Materialmuster zu den ausgewählten <strong>Baustoffe</strong>n bei. Die Muster sind<br />

nicht nur zum Anschauen da! Man soll sie begreifen, daran riechen, einen Biss davon nehmen, um den<br />

Geschmack zu erfahren, sie zu Boden fallen lassen, um ihren Klang zu hören <strong>und</strong> ihre Festigkeit zu<br />

erleben...<br />

Das Ermöglichen der beständigen sinnlichen Wahrnehmung soll den Zugang zu den Materialien <strong>und</strong> die<br />

Auseinandersetzung mit dieser Arbeit erleichtern <strong>und</strong> die Materialien erlebbar machen.<br />

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fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

4 BAUPHYSIKALISCHE EIGENSCHAFTEN<br />

4.1 EINLEITUNG UND ÜBERSICHT<br />

Die Darstellung zeigt eine Übersicht über die wichtigsten bauphysikalischen Eigenschaften.<br />

Für das Raumklima <strong>und</strong> somit für das menschliche Wohlbefinden sind insbesondere die thermischen <strong>und</strong><br />

hygrischen Eigenschaften massgebend. Die objektiven Raumklimaparameter sind die Lufttemperatur, die<br />

Oberflächentemperaturen, die Luftgeschwindigkeit <strong>und</strong> die Luftfeuchte. Die mechanischen Eigenschaften<br />

haben keinen Einfluss auf das Raumklima <strong>und</strong> werden deshalb hier nicht behandelt. Für die<br />

Raumakustik sind nicht nur die verwendeten Baumaterialien <strong>und</strong> die Raumproportionen relevant, sondern<br />

auch die Schallabsorption durch Einrichtungsgegenstände. Da das Raumklima nicht beeinflusst wird<br />

durch die akustischen Eigenschaften, wird nicht weiter darauf eingegangen, obwohl die Raumakustik für<br />

die Raumatmosphäre nicht unwesentlich ist.<br />

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4.2. THERMISCHE EIGENSCHAFTEN<br />

4.2.1 Werte<br />

Der Mensch befindet sich in einem ständigen Wärmeaustausch mit dem ihm umgebenden Raum. Dieser<br />

Austausch findet nicht nur über die Raumluft <strong>und</strong> den direkten Kontakt mit den Oberflächen statt, sondern<br />

auch durch Strahlung aller umgebenden Oberflächen.<br />

Aus der Tabelle sind die Werte der diesbezüglich wesentlichen Eigenschaften zu den ausgewählten<br />

Materialien abzulesen. Die Werte sind als Grössenordnungen zu verstehen. Sie können sich mit der<br />

chemischen Zusammensetzung <strong>und</strong> den Feuchtegraden der <strong>Baustoffe</strong> verändern. Die Werte von Stahl<br />

sind zum Beispiel vom Kohlestoffgehalt abhängig. Insbesondere die Dämmwerte von Dämmstoffen <strong>und</strong><br />

Holz sind abhängig vom Feuchtegehalt.<br />

Die Werte in der Tabelle sind entweder Mittelwerte oder die Werte der am häufigsten verwendeten<br />

Zusammensetzung, der Feuchtegehalt entspricht dem im Innenraum zu erwartenden Wert.<br />

Die <strong>Baustoffe</strong> sind in der Tabelle nach ihrer Rohdichte geordnet. Die Einheit der Rohdichte ist kg/m 3 -<br />

also die Masse bezogen auf das Volumen. Die <strong>Baustoffe</strong> mit einer Rohdichte von weniger als 300 kg/m 3<br />

gelten als Leichtbaumaterialien. Werte von mehr als 2500 kg/m 3 werden nur von Natursteinen <strong>und</strong><br />

Metallen erreicht.<br />

Thermische Werte<br />

Quellen: Rauch, Peter (2010). Bauen <strong>und</strong> Wohnen – Stoffwerttabelle. http://www.ib-rauch.de/okbau/stoffwert/<br />

. Keller, Bruno. 2000. Bautechnologie I, <strong>Baustoffe</strong>. Skript. ETH Zürich.<br />

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4.2.2. Wärmeleitfähigkeit<br />

Die Wärmeleitfähigkeit ist eine Materialkonstante. Sie entspricht der Wärmeleistung, die durch einen<br />

Würfel von einem Kubikmeter fliesst, wenn die Temperaturdifferenz ein Grad beträgt.<br />

Die Wärmeleitfähigkeit eines Stoffes ist auf die thermische Molekularbewegung zurückzuführen. Sie wird<br />

vor allem durch zwischenmolekulare Kräfte vermittelt. Metalle besitzen auf Gr<strong>und</strong> ihrer kristallinen<br />

Struktur eine gute Wärmeleitfähigkeit. Glas hat eine amorphe Struktur <strong>und</strong> deshalb eine vergleichsweise<br />

geringere Wärmeleitfähigkeit. Die Struktur von Holz längs <strong>und</strong> quer zur Wuchsrichtung ist nicht dieselbe,<br />

deshalb haben die Hölzer immer zwei verschiedene Wärmeleitwerte: Einen parallel zur Faserrichtung <strong>und</strong><br />

einen quer zur Faserrichtung. Holz ist also anisotrop. Zudem ist seine Wärmeleitfähigkeit von seinem<br />

Feuchtegehalt abhängig. Der Tabellenwert von Holz ist quer zur Faserrichtung bei einer Feuchtigkeit von<br />

15% gemessen.<br />

Stoffe mit Werten unter 0,1 W/mK leiten die Wärme schlecht <strong>und</strong> gelten als Wärmedämmstoffe. Je kleiner<br />

die Wärmeleitfähigkeit eines Isolationsmaterials ist, desto geringer muss die Materialstärke sein um einen<br />

bestimmten Dämmwert zu erreichen.<br />

Die Wärmeleitfähigkeit von Holz ist relativ schlecht oder anders ausgedrückt, sein Dämmwert ist im<br />

Vergleich zu den mineralischen <strong>Baustoffe</strong>n um ein Vielfaches besser. Die Wärmeleitfähigkeit von<br />

Metallen liegt im zwei- <strong>und</strong> dreistelligen Bereich. Die Metalle sind also extrem gute Wärmeleiter.<br />

Metallische Befestigungen, die die Wärmedämmschicht durchdringen, sind zu vermeiden, weil sich diese<br />

nachteilig auf die Energiebilanz der Gebäudehülle auswirken.<br />

4.2.3. Wärmespeichervermögen<br />

Die spezifische Wärmekapazität ist eine Materialkonstante. Sie wird auf die Masse bezogen. Mineralische<br />

<strong>Baustoffe</strong> haben Werte von ca. 0,8 bis 1,0. Werte von mehr als 2,0 werden nur von Holz <strong>und</strong> von<br />

Kunststoffen erreicht.<br />

Das Wärmespeichervermögen bezieht sich auf das Volumen. Es ergibt sich aus dem Produkt der<br />

Rohdichte <strong>und</strong> der spezifischen Wärmekapazität.<br />

Je grösser das Wärmespeichervermögen eines <strong>Baustoffe</strong>s ist, desto träger reagiert er auf<br />

Temperaturschwankungen <strong>und</strong> desto grösser ist seine Amplitudendämpfung. Die mineralischen<br />

<strong>Baustoffe</strong>, insbesondere Beton weisen hier sehr gute Werte auf. Glas <strong>und</strong> Metalle bewegen sich zwar in<br />

derselben Grössenordnung, sie werden aber in so geringen Schichtdicken verbaut, dass ihr<br />

Speichervermögen nicht zum Tragen kommt.<br />

Will man passiv Solarenergie gewinnen, ist es wichtig, genügend Speichermasse einzubauen.<br />

An einem sonnigen Tag kann durch grosse Fenster Richtung Süden der Wärmeeintrag von einem<br />

mineralischen Boden aufgenommen <strong>und</strong> gespeichert werden. In der Nacht, wenn die<br />

Umgebungstemperatur wieder sinkt, gibt der Betonboden die gespeicherte Wärme langsam wieder ab.<br />

So kann Heizenergie gespart werden. Durch die vorhandene Speichermasse ist die Gefahr einer<br />

Überhitzung durch Sonneneinstrahlung viel kleiner. Bei einem reinen Leichtbau hingegen müssten die<br />

Fenster sofort beschattet werden, um einen zu massiven Anstieg der Raumtemperatur zu vermeiden.<br />

Dies bedeutet, dass viel weniger passive Solarenergie gewonnen werden kann.<br />

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4.2.4. Wärmeeindringvermögen<br />

Das Wärmeeindringvermögen ist ein Mass dafür, wie viel Wärme beim Ausbreitungsvorgang im Material<br />

¨versinkt¨. Das Wärmeeindringvermögen ist ausgeprägter, je grösser die Wärmeleitfähigkeit ist <strong>und</strong> je<br />

grösser das Wärmespeichervermögen ist.<br />

Ein kleines Wärmeeindringvermögen bedeutet eine sehr langsame Ausbreitung in die Materialtiefe. Die<br />

Berührungsbehaglichkeit ist bei einer kleinen Wärmeeindringzahl gross, weil dann wenig Wärme vom<br />

Mensch ins Bauteil abfliesst.<br />

Ist das Wärmeeindringvermögen kleiner als 20, so wird die Oberfläche des <strong>Baustoffe</strong>s sehr schnell warm,<br />

da die Wärme nur sehr langsam nach Innen weitergeleitet wird. Ein Wärmeeindringvermögen von bis zu<br />

50 empfindet der Mensch noch als angenehm. Es empfiehlt sich also für die Oberflächen <strong>Baustoffe</strong> zu<br />

verwenden, deren Wärmeeindringvermögen kleiner als 50 ist. Wenn das Wärmeeindringvermögen höher<br />

als 50 ist, fliesst die Wärme schnell in das Innere des Stoffes ab <strong>und</strong> die Oberfläche wird als kalt<br />

empf<strong>und</strong>en.<br />

Die höchsten Werte werden von den Metallen erreicht: Der Wärmeabfluss ist extrem schnell <strong>und</strong> die<br />

Berührung wird, wegen dem grossen Wärmefluss <strong>und</strong> Wärmeentzug äusserts unangenehm empf<strong>und</strong>en.<br />

Die mineralischen <strong>Baustoffe</strong> befinden sich im Bereich, der bei Berührung als kalt empf<strong>und</strong>en wird. Das<br />

Wärmeeindringvermögen von Holz ist wesentlich tiefer <strong>und</strong> wird nicht mehr als unangenehm oder kalt<br />

empf<strong>und</strong>en. Auch das Dämmmaterial Polystyrol (XPS) <strong>und</strong> hätte eigentlich gute Werte, kommt aber nicht<br />

als Oberflächenmaterial in Frage. Ebenfalls günstige Werte hat die Schafwolle, die zum Beispiel als<br />

Teppich als Oberflächenmaterial eingesetzt werden kann.<br />

So sollte man besonders bei Oberflächen, die oft berührt oder barfuss begangen werden auf tiefe Werte<br />

des Wärmeeindringvermögens achten. So wird zum Beispiel ein Boden, der oft barfuss begangen wird, in<br />

Holz als viel angenehmer oder wärmer empf<strong>und</strong>en als ein mineralischer Belag.<br />

4.2.5. Temperaturleitfähigkeit<br />

Die Temperaturleitfähigkeit ist ein Mass dafür, wie gross die Reichweite einer Temperaturänderung in die<br />

Tiefe des Materials ist. Die Reichweite ist umso grösser, je grösser die Wärmeleitfähigkeit eines Materials<br />

ist <strong>und</strong> je kleiner das Wärmespeichervermögen ist.<br />

Ist die Temperaturleitzahl klein, wie zum Beispiel bei Holz, so bedeutet das, dass eine Veränderung der<br />

Aussentemperatur nur eine geringe Temperaturänderung im Material auslöst.<br />

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4.3. HYGRISCHE EIGENSCHAFTEN<br />

4.3.1 Werte<br />

Die relative Feuchte im Innenraum sollte sich im Bereich von 30 – 65 % bewegen. Eine zu hohe<br />

Feuchtigkeit begünstigt Bauschäden, eine zu tiefe relative Feuchtigkeit ist für den Menschen<br />

unangenehm <strong>und</strong> nicht optimal für die Ges<strong>und</strong>heit. Wenn die relative Feuchte unter 30 % sinkt, beginnen<br />

die Schleimhäute auszutrocknen <strong>und</strong> die Selbstreinigung der Lunge wird behindert. Ab 80 % relativer<br />

Feuchte können Schimmelpilze wachsen.<br />

Wenn wie beim Duschen oder Kochen viel Feuchtigkeit produziert wird, muss diese bis zu einem<br />

gewissen Grad möglichst schnell abgeführt oder teilweise gespeichert <strong>und</strong> später wieder langsam an die<br />

Raumluft abgeben werden. Die hierfür wesentlichen Materialeigenschaften sind der<br />

Dampfdiffusionswiderstand <strong>und</strong> das Wasseraufnahmevermögen.<br />

Hygrische Werte<br />

Quellen: Rauch, Peter (2010). Bauen <strong>und</strong> Wohnen – Stoffwerttabelle. http://www.ib-rauch.de/okbau/stoffwert/<br />

. Keller, Bruno. 2000. Bautechnologie I, <strong>Baustoffe</strong>. Skript. ETH Zürich.<br />

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4.3.2 Dampfdiffusionswiderstand<br />

Der Dampfdiffusionswiderstand gibt an, wie gut der Wasserdampf durch ein Material hindurch zu dringen<br />

vermag. Je niedriger der Wert ist, desto leichter gelangt der Wasserdampf durch die Schichten hindurch.<br />

Werte bis 10 zeigen eine sehr gute Diffusionsfähigkeit für Wasserdampf an, hierzu gehören von den<br />

aufgelisteten Beispielen Schafwolle, Lehm <strong>und</strong> Backstein. Holz hat einen Wert von 30, was eine mittlere<br />

Diffusionsfähigkeit bedeutet. Ab einem Wert von 50 ist die Dampfdiffusion eingeschränkt.<br />

Metalle <strong>und</strong> Glas sind dampfdicht. Die Wasserdampfleitfähigkeit der Kunststoffe ist stark<br />

temperaturabhängig. Je nach Dichtheit der Vernetzung der beteiligten Monomermolekülformen lassen<br />

Kunststoffe Wasserdampf in unterschiedlicher Weise diff<strong>und</strong>ieren. Für Wärmedämmzwecke werden<br />

meist geschlossenporige Schaumstoffe mit sehr geringer Wasseraufnahmefähigkeit <strong>und</strong> einem hohen<br />

Diffusionswiderstand verwendet.<br />

Eine Aussage über die Wirkung eines Materials in einer gegebenen Konstruktion ist nur bei gleichzeitiger<br />

Berücksichtigung der Schichtdicke des Stoffes möglich.<br />

Beim Konstruktionsaufbau muss unbedingt darauf geachtet werden, dass nicht innerhalb der<br />

Konstruktion Wasserdampf kondensiert <strong>und</strong> sich Wasser ansammelt. Aus Angst, dass eben dies<br />

eintreffen könnte, werden oft Dampfbremsen oder Dampfsperren eingebaut. Dies ist unnötig, wenn beim<br />

Konstruktionsaufbau darauf geachtet wird, dass der Dampfdiffusionswiderstand von Innen nach Aussen<br />

abnimmt. Der Dampfdiffusionswiderstand muss von Innen nach Aussen abnehmen, weil in unseren<br />

Breitengraden im Innenraum eine höhere Feuchtigkeit herrscht als Aussen. Die Feuchtigkeit wandert also<br />

von Innen nach Aussen. Dampfdiffusionsoffen zu bauen bewirkt einen ausgeglicheneren<br />

Feuchtigkeitspegel im Innenraum.<br />

4.3.3. Wasseraufnahmevermögen<br />

Das Wasseraufnahmevermögen gibt an, wie viel Wasser der Stoff innerhalb einer bestimmten Zeit<br />

aufzunehmen vermag.<br />

Glas <strong>und</strong> Metalle können kein Wasser aufnehmen. Innerhalb der mineralischen <strong>Baustoffe</strong> gibt es<br />

immense Unterschiede. Beton, der durch einen chemischen Prozess abbindet, kann so gut wie kein<br />

Wasser aufnehmen, während Lehm, der aushärtet durch Austrocknung, der absolute Spitzenreiter ist<br />

bezüglich des Wasseraufnahmevermögens. Holz kann zwar Wasser aufnehmen, verglichen mit Lehm ist<br />

die Menge ist aber sehr klein.<br />

Insbesondere in Räumen, wie Küche <strong>und</strong> Bad, wo in sehr kurzer Zeit grosse Mengen Wasserdampf<br />

anfallen, empfiehlt es sich sehr, Lehm einzusetzen. Wenn genügend Lehm vorhanden ist, wird der<br />

Wasserdampf aufgenommen, noch bevor er an Fensterscheiben <strong>und</strong> Spiegel kondensiert. Lehm hat eine<br />

ausgezeichnete feuchtigkeitsausgleichende Wirkung auf das Raumklima.<br />

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4.4. SCHLUSSFOLGERUNGEN ZUM RAUMKLIMA<br />

4.4.1. Raumklima allgemein<br />

Damit das Raumklima als angenehm empf<strong>und</strong>en wird, soll es in Bezug auf die Raumtemperaturen, die<br />

Oberflächentemperaturen <strong>und</strong> die Feuchtigkeit möglichst ausgeglichen sein.<br />

Es gilt also, die Spitzen der Raumluftfeuchte durch ermöglichte Diffusion <strong>und</strong> Speichermasse<br />

abzufangen.<br />

Die Oberflächentemperaturen sollen möglichst ausgeglichen <strong>und</strong> nicht mehr als drei Grad unter der<br />

Raumtemperatur liegen, weil sonst Zugerscheinungen auftreten können. Um im Winter ein zu tiefes<br />

Absinken der Oberflächentemperaturen zu vermeiden, muss das Gebäude gut isoliert sein. Um keine<br />

Luftströmungen <strong>und</strong> Zugserscheinungen zu erzeugen, sind Asymmetrien in der Oberflächentemperatur<br />

zu vermeiden. Zur Vermeidung einer Überhitzung im Sommer, müssen die Fenster beschattet werden<br />

können <strong>und</strong> es muss genügend Speichermasse vorhanden sein, die die tagsüber eintretende Wärme<br />

speichern <strong>und</strong> in der Nacht wieder abgeben kann.<br />

4.4.2. Konstruktion (Innen/Aussen)<br />

Für eine hohe Behaglichkeit muss die Gebäudehülle nebst einer hohen Luftdichtigkeit auch eine gute<br />

Dämmung bzw. einen möglichst kleinen Wärmeverlust aufweisen. Einen bestimmten Dämmwert zu<br />

erreichen ist gr<strong>und</strong>sätzlich mit jedem Dämmmaterial möglich, wenn die Schichdicke entsprechend<br />

dimensioniert wird. Zudem muss bei den Konstruktionsdetails darauf geachtet werden, dass möglichst<br />

keine Wärmebrücken auftreten. Mittels Verglasungen Richtung Süden ist durch die Sonneneinstrahlung<br />

ein Wärmegewinn möglich. Fensterflächen Richtung Norden sind ein Wärmeverlust. Energietechnisch<br />

gesehen sind gegen Süden grosse Öffnungen <strong>und</strong> gegen Norden möglichst keine Öffnungen <strong>sinnvoll</strong>.<br />

Beim Konstruktionsaufbau ist darauf zu achten, dass jede Schicht diffusionsoffen ist. Da die hohe<br />

Innenraumfeuchtigkeit nach Aussen abgeleitet werden soll, muss die Diffusionsfähigkeit gegen Aussen<br />

zunehmen. Dampfbremsen <strong>und</strong> Dampfsperren sind, wenn möglich zu vermeiden. Sehr ungünstig ist es<br />

Metalle, Glas <strong>und</strong> viele Kunststoffe grossflächig einzusetzen, da sie entweder vollständig dampfdicht oder<br />

nur sehr beschränkt diffusionsfähig sind.<br />

4.4.3. Oberflächen<br />

Die Materialkomposition im Innenraum soll so sein, dass sowohl für Feuchtigkeit, wie auch für Wärme<br />

genügend Speichermasse vorhanden ist. Insbesondere bei südorientierten Räumen ist es<br />

empfehlenswert, unter anderem mineralische <strong>Baustoffe</strong> zu verwenden, die die passiv gewonnene<br />

Solarenerige aufnehmen <strong>und</strong> speichern können.<br />

Des weiteren gilt es, besonders in Räumen, in welchen viel Feuchtigkeit produziert wird,<br />

Oberflächenmaterialien zu wählen, die ein gutes Wasserdampfaufnahmevermögen haben. Sehr zu<br />

empfehlen ist hierfür Lehm, gar nicht geeignet sind Metalle <strong>und</strong> Glas. Unbedingt zu beachten ist, dass bei<br />

einer Versiegelung der Oberflächen, die gewünschten Effekte zunichte gemacht werden!<br />

Bei den Oberflächen, mit welchen der Mensch oft in Körperkontakt ist, werden Materialien wie Holz, das<br />

ein kleines Wärmeeindringvermögen hat, als viel angenehmer empf<strong>und</strong>en als zum Beispiel Metall, das<br />

dem Mensch sehr viel Wärme entzieht <strong>und</strong> deshalb als kalt empf<strong>und</strong>en wird.<br />

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5 ÖKOLOGISCHE ASPEKTE<br />

5.1 EINLEITUNG UND ÜBERSICHT<br />

Um den Zusammenhang von der Verwendung eines bestimmten <strong>Baustoffe</strong>s <strong>und</strong> der Umwelt zu begreifen<br />

<strong>und</strong> die Auswirkungen auf die Umwelt abschätzen zu können, muss der ganze Lebenszyklus des<br />

<strong>Baustoffe</strong>s berücksichtigt werden.<br />

Der Materialkreislauf beginnt mit der Erzeugung oder dem Abbau eines Materials, das dem Rohstoff oder<br />

bereits dem Baustoff selber entspricht. Der Prozess der Rohstoffgewinnung ist immer mit einem<br />

Energieaufwand <strong>und</strong> einem Eingriff in die Natur verb<strong>und</strong>en. Oft werden beträchtliche Lärm- <strong>und</strong><br />

Staubemissionen produziert. Nicht selten werden auch Schadstoffe freigesetzt <strong>und</strong> eventuell entstehen<br />

nicht verwertbare Nebenprodukte, die entsorgt werden müssen.<br />

Anschliessend wird der Rohstoff zum Baustoff verarbeitet oder aufbereitet, was, je nachdem wie viele<br />

Produktionsschritte nötig sind, mit einem niedrigeren oder höheren Energieaufwand verb<strong>und</strong>en ist. Der<br />

Baustoff wird zur Baustelle transportiert <strong>und</strong> verbaut. Nun gilt es, den Baustoff gemäss seinen<br />

Eigenschaften einzusetzen <strong>und</strong> ihn fachgerecht zu unterhalten <strong>und</strong> zu pflegen, damit er möglichst lange<br />

funktionstüchtig bleibt. Es ist zu beachten, dass <strong>Baustoffe</strong> auf dem Markt sind, die während der<br />

Nutzungsphase für die Umwelt oder den Menschen schädliche Stoffe abgeben. Die Verwendung solcher<br />

<strong>Baustoffe</strong> ist, wenn immer möglich zu vermeiden. Deshalb ist immer eine Volldeklaration des <strong>Baustoffe</strong>s<br />

zu verlangen.<br />

Wenn der Baustoff ausgedient hat, findet der Rückbau statt. Im besten Fall kann der Baustoff wieder<br />

verwertet werden, im schlechteren Fall muss er fachgerecht entsorgt werden, wobei er<br />

höchstwahrscheinlich den Boden, das Wasser oder die Luft mit Schadstoffen belastet.<br />

Die Summe all der Energie, die im Lebenszyklus aufgewendet wird, bezeichnet man als Graue Energie<br />

oder Primärenergie.<br />

Bevor wir die Lebenszyklen der ausgewählten <strong>Baustoffe</strong>: Holz, Lehm, Beton, Glas, Stahl <strong>und</strong> Polystyrol<br />

im Detail betrachten, folgt ein allgemeiner Lebenszyklus.<br />

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Lebenszyklus allgemein<br />

5.2. HOLZ<br />

Holz gehört zu den nachwachsenden Rohstoffen. Die Holzgewinnung ist jedoch nicht immer nachhaltig!<br />

So wird empfohlen nur FSC zertifiziertes Holz zu verwenden, besonders bei Tropenholz ist Vorsicht<br />

geboten. Die Reaktionszeit von Holz beträgt im Schnitt etwa h<strong>und</strong>ert Jahre, was zwar relativ kurz, aber<br />

trotzdem nicht zu vernachlässigen ist.<br />

Während seiner gesamten Lebensdauer bindet der Baum Kohlendioxid <strong>und</strong> setzt Sauerstoff frei. Wenn<br />

der Baum geschlagen wird, hört dieser Prozess auf, das Kohlendioxid bleibt so lange geb<strong>und</strong>en, bis das<br />

Holz verbrannt oder zersetzt wird. Der gefällte <strong>und</strong> entastete Baumstamm wird ins Sägewerk<br />

transportiert, wo er entrindet, aufgeschnitten <strong>und</strong> natürlich oder unter Aufwand von Energie getrocknet<br />

wird. Je nach Qualität wird der Stamm zu Massivholz, Furnier, Spänen oder Fasern verarbeitet. Die<br />

unbrauchbaren Reste werden als Energieträger eingesetzt.<br />

Die Späne <strong>und</strong> Fasern werden mit anorganischen Bindemitteln (Zement, Magnesit, Gips) oder<br />

organischen Bindemitteln (Leim) zu Holzwerkstoffen weiterverarbeitet. Durch die organischen Zusätze<br />

setzen sie während der ganzen Lebensdauer <strong>und</strong> bei der Entsorgung Schadstoffe frei.<br />

Holz ist weitgehend resistent gegen Chemie, muss aber für eine lange Lebensdauer vor der Witterung,<br />

Pilzbefall <strong>und</strong> Insektenfrass geschützt werden. Chemischer Holzschutz durch Imprägnierung oder<br />

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Anstriche macht Holz zu einem Mischabfall. Zudem entstehen besonders am Beginn der<br />

Gebrauchsphase dauernd Emissionen durch die Imprägnierung oder den Anstrich, was sich kaum<br />

günstig auf die Nutzer auswirkt. Konstruktiver Holzschutz hält das Holz trocken, wie z.Bsp. durch<br />

Hinterlüftung, ausreichende Vordächern, Vermeidung von Kondensation, Vermeiden von horizontal<br />

liegenden bewitterten Bauteilen. Wenn immer möglich sollte man konstruktiven Holzschutz dem<br />

chemischen Holzschutz vorziehen, da das unbehandelte Holz keine Emissionen freisetzt <strong>und</strong> somit<br />

besser verträglich ist für Menschen <strong>und</strong> Umwelt. Wenn Massivholz vor Feuchtigkeit geschützt ist <strong>und</strong> der<br />

Nutzung entsprechend gepflegt wird, kann es problemlos mehrere h<strong>und</strong>ert Jahre in einwandfreiem<br />

Zustand überdauern. Massivholz kann, sofern es nicht behandelt wurde, nach dem Abbruch<br />

wiederverwertet werden. Da die Holzwerkstoffe Mischabfälle sind, die nicht mehr in ihre Bestandteile<br />

auftrennbar sind, können sie nicht wieder verwertet werden, sie müssen entsorgt bzw. verbrannt werden.<br />

Lebenszyklus von Holz<br />

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5.3. MINERALISCHE BAUSTOFFE<br />

Die Rohstoffvorkommen der mineralischen <strong>Baustoffe</strong> sind standortgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die Ressourcen sind<br />

endlich. Die Rohstoffe sind Findlinge oder Natursteine, die im Steinbruch abgebaut werden. Nach<br />

Beendigung der Abbautätigkeit muss die Abbaufläche renaturiert werden.<br />

Die Herstellungsprozesse <strong>und</strong> die Entsorgung der mineralischen <strong>Baustoffe</strong> sind sehr unterschiedlich<br />

komplex.<br />

Untenstehend sind die Lebenszyklen für Lehm <strong>und</strong> Beton aufgezeigt.<br />

5.3.1 Lehm<br />

Der Baustoff Lehm, eine Mischung aus Ton, Kies, Sand <strong>und</strong> Schluff, kann oft direkt aus der Baugrube<br />

gewonnen werden. Falls er zu fett ist muss er durch Beimischen von Sand noch ausgemagert werden,<br />

dann kann er direkt verbaut werden. Lehm ist beim Verarbeiten hautverträglich <strong>und</strong> enthält keine<br />

ges<strong>und</strong>heitsschädlichen Bestandteile. Lehm lässt sich abreiben <strong>und</strong> auswaschen, aber auch problemlos<br />

wieder ausbessern. Wenn regelmässig Unterhaltsarbeiten gemacht werden, ist Lehm sehr beständig.<br />

Ungebrannter Lehm kann nach dem Abriss angefeuchtet <strong>und</strong> wieder als neuer Baustoff verwendet oder<br />

der Erde zurückgegeben werden. Da dem Lehm keine Chemie zugefügt werden muss, ist die<br />

Rückführung in die Natur völlig unproblematisch.<br />

Lebenszyklus von Lehm<br />

5.3.2. Beton<br />

Der Herstellungsprozess des Betons ist sehr viel komplexer als der des Lehms.<br />

Natürlicher Kalkstein wird abgebaut <strong>und</strong> dann gebrannt. Der gebrannte Kalkstein wird mit Wasser<br />

gelöscht. Dem gelöschten Kalk wird Kieselsäure <strong>und</strong> Tonerde beigemischt <strong>und</strong> dieses Gemisch wird<br />

gebrannt. So entsteht der Klinker. Beim Verbrennungsprozess wird SO2, NOX <strong>und</strong> CO2 freisetzt. Das CO2<br />

ist zwar kein Schadstoff, trägt aber zur Klimaerwärmung bei. SO2 <strong>und</strong> NOX werden weitgehend in Filtern<br />

zurückgehalten. Durch die Zerkleinerung des Klinkers entsteht das Bindemittel Zement. Beton wird<br />

hergestellt durch das Mischen von Zement mit Sand, Kies <strong>und</strong> Wasser. In einem chemischen Prozess<br />

härtet der Beton aus. Die Ausgasungen während der Nutzungsphase sind in der Regel vernachlässigbar.<br />

Da heute meist unter massivem Zeitdruck gearbeitet wird, hat die Bauindustrie zahlreiche Zusatzmittel<br />

wie Verflüssiger, Stabilisierer, Erstarrungsbeschleuniger usw. entwickelt, um den Bauprozess zu<br />

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beschleunigen. Auch wenn die Massenanteile dieser Zusatzmittel sehr gering sind, ist es für die<br />

Verarbeiter, Nutzer <strong>und</strong> Umwelt ganz bestimmt besser, wenn man, wenn immer möglich davon absieht.<br />

Das Regenwasser, das immer mehr Luftschadstoffe wie SO2, NOX enthält, löst im Beton die<br />

Karbonatisierung <strong>und</strong> damit die Korrosion des Stahls aus. Wenn der Korrosionsprozess einmal ein<br />

bestimmtes Stadium erreicht hat, kommt man um den Totalersatz des Bauelementes nicht mehr herum.<br />

Der Rückbau von Stahlbeton erfolgt in zwei Arbeitsschritten: dem Zerkleinern des Stahlbetons <strong>und</strong> dem<br />

magnetischen Aussortieren des Stahls. Der Stahlanteil kann eingeschmolzen <strong>und</strong> wieder verwertet<br />

werden. Der Beton wird teilweise recycelt, hat dann aber nicht mehr dieselbe Qualität wie neuer Beton.<br />

Was nicht recycelt wird, muss als Bauschutt entsorgt werden. Das Recycling von Beton ist so aufwändig,<br />

dass kaum Energie gespart wird im Vergleich zu neu produziertem Beton. Aber durch das Recycling<br />

wächst immerhin der Bauschuttberg ein wenig langsamer.<br />

Lebenszyklus von Beton<br />

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5.4. GLAS<br />

Glas wird aus den Rohstoffen Kalk, Quarzsand, Feldspat, Dolomit, Soda, Borsäure <strong>und</strong> Bormineralien<br />

hergestellt. Die Rohstoffe sind reichlich <strong>und</strong> meist lokal verfügbar. Das Rohstoffgemisch wird unter<br />

grossem Energieaufwand auf über 1000°C erhitzt. Für die Herstellung von Floatglas wir die<br />

Glasschmelze auf flüssigem Zinn ausgegossen. So entstehen absolut plane Oberflächen. Die heutigen<br />

Fensterscheiben bestehen jedoch nicht mehr einfach aus Glas. Für Sicherheitsglas werden z. Bsp.<br />

Kunstofffolien auf die Gläser aufgebracht. Oder für einen besseren Wärmeschutz werden die sie mit<br />

Silber oder Gold bedampft. Durch diese Behandlungen sind die Gläser nicht geeignet für die<br />

Wiederverwertung.<br />

Glas ist ein sehr beständiger Baustoff. UV-Strahlung, Temperaturschwankungen <strong>und</strong> Schadstoffe können<br />

ihm nichts anhaben. Die einzige Säure, die Glas ätzt ist Fluorwasserstoff. Basische Lösungen können die<br />

Glasoberfläche allerdings leicht angreifen <strong>und</strong> dauerhaft verätzen. Die Alterungsprobleme bei<br />

Glaskonstruktionen liegen meist nicht beim Glas selber, sondern bei seinen Anschlusselementen. Glas<br />

gibt in seiner Gebrauchsphase keine Schadstoffe ab. Bei der Herstellung von Glas, bzw. bei der<br />

Zerkleinerung von Quarz werden krebserregende Substanzen frei. Und bei der Sonderglasherstellung mit<br />

Schwermetallen können Schwermetalle in die Luft gelangen.<br />

Es wird heute ein relativ grosser Prozentsatz der gesamten Glasproduktion aus Altglas hergestellt, dies<br />

gilt aber nicht für Bauglas. Obwohl Bauglas ein sehr hochwertiges Abfallmaterial ist, wird zur Zeit noch<br />

nicht sehr viel davon wiederverwertet. Die Reinheit der Ausgangsmaterialien für Bauglas muss sehr hoch<br />

sein, weshalb von Flachglasherstellern nur betriebseigenes, zu Bruch gegangenes Glas wiederverwertet<br />

wird. Das Isolierglas ist mit schwer zu entfernenden Klebern zusammengeklebt <strong>und</strong> wird deshalb meist zu<br />

Scherben zerschlagen <strong>und</strong> für Auffüllmaterial <strong>und</strong> Schotterzusatz verwendet. Bauglas kann aber zur<br />

Herstellung von Verpackungsglas <strong>und</strong> Glaswolle wiederverwertet werden.<br />

Lebenszyklus von Glas<br />

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5.5. METALLISCHE BAUSTOFFE<br />

Alle in der Bauindustrie in grossen Mengen eingesetzten metallischen Werkstoffe sind weltweit in grossen<br />

Mengen verfügbar. Bei der Erzeugung der meisten Metalle oder deren Rohstoffen wird die Umwelt durch<br />

Emissionen von Staub, Metallen <strong>und</strong> Schwefeldioxid belastet. In der Regel ist die Aufbereitung von<br />

Schrott umweltschonender. Die Metalle werden meist artrein eingesetzt <strong>und</strong> lassen sich deshalb sehr gut<br />

recyceln. Der Energieverbrauch für die Herstellung der metallischen <strong>Baustoffe</strong> ist hoch, kann aber durch<br />

die Wiederverwertung von Schrott massiv verkleinert werden, weil die Rohstoffproduktion entfällt.<br />

Beim Einsatz von metallischen <strong>Baustoffe</strong>n, die der Witterung ausgesetzt sind, ist die Abschwemmung<br />

während der Gebrauchsphase unbedingt abzuklären. Besonders Kupfer, verzinktes Stahlblech, Zink,<br />

Titanzink werden in hohen Mengen abgeschwemmt <strong>und</strong> belasten Boden <strong>und</strong> Gewässer.<br />

5.5.1. Stahl<br />

Die Rohstoffe für die Stahlherstellung sind Eisenerz, Kohle <strong>und</strong> Koks. Diese werden im Hochofen<br />

geschmolzen <strong>und</strong> so das Roheisen gewonnen. Es entsteht aber auch das Nebenprodukt Schlacke, das<br />

nur zum Teil als mineralischer Baustoff verwertet werden kann, der Rest muss entsorgt werden. Die<br />

Arbeitsplätze bei der Produktion werden durch schwermetallhaltigen Feinstaub <strong>und</strong> Hitze belastet.<br />

Das Roheisen kann direkt verarbeitet werden oder aber es wird durch Frischen, d.h. entziehen des<br />

Kohlenstoffes <strong>und</strong> kontrolliertem Aufkohlen, zu Rohstahl weiterverarbeitet. Die Stahlqualität ist abhängig<br />

vom Kohlenstoffgehalt. Rohstahl kann gegossen, warm oder kalt verarbeitet werden. Aus dem Rohstahl<br />

kann durch Zugabe von Chrom oder Nickel rostfreier Stahl hergestellt werden.<br />

Unbehandelter Stahl sondert während der Gebrauchsphase keine Schadstoffe ab.<br />

Die Metalle sind, abgesehen von ihrer Korrosionsanfälligkeit, sehr beständige <strong>Baustoffe</strong>. Rostfreier Stahl<br />

ist eine Legierung aus Stahl <strong>und</strong> Chrom oder Nickel, der, solange seine Oberfläche unverletzt bleibt, nicht<br />

rostet. Die Verzinkung, ein Überzug mit Zink über die ganze Oberfläche, ist eine weitere Möglichkeit vor<br />

Korrosion zu schützen. Zink ist allerdings von seiner Umweltbelastung her problematisch.<br />

Beschichtungen mit organischen Lacken, Farben oder Kunststoffen schützen gegen Korrosion,<br />

beschichtete Metalle können aber kaum noch recycelt werden.<br />

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Lebenszyklus von Stahl<br />

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5.6. KUNSTSTOFFE<br />

Die allermeisten Kunststoffe werden aus Erdöl hergestellt. Es existieren verschiedene Prognosen im<br />

Bezug auf die Erdölreserve, sicher ist aber, dass dieser Rohstoff in absehbarer Zeit verbraucht sein wird.<br />

Die Kunststoffe sind in der Regel Kohlenwasserstoffverbindungen, die durch Polymerisation,<br />

Polykondensation oder Polyaddition hergestellt werden. Manche Ausgangsstoffe für Kunststoffe sind<br />

äusserst giftig, so zum Beispiel das Vinylchlorid, das zur Herstellung von Polyvinylchlorid (PVC)<br />

verwendet wird. Zur Verbesserung der Eigenschaften der Kunststoffe werden den Polymeren Additive,<br />

wie Flammschutzmittel, Weichmacher, Stabilisatoren, Alterungsschutzmittel <strong>und</strong> Antioxidantien beigefügt.<br />

In der Gebrauchsphase können Flammschutzmittel <strong>und</strong> Weichmacher aus den Kunststoffen austreten<br />

<strong>und</strong> über die Atemluft oder den Hausstaub in den menschlichen Organismus gelangen.<br />

Kunststoffe sind gegen Chemikalien <strong>und</strong> Korrosion weitgehend resistent, können aber durch organische<br />

Lösungsmittel aufgelöst werden. Ultraviolettstrahlung, Oxydation, Hydrolyse <strong>und</strong> der mit der Zeit<br />

entweichende Weichmacher verursachen eine Reduktion der Festigkeit, Trübung <strong>und</strong> Vergilbung der<br />

Kunststoffe. Biologische Zerstörer von Kunststoff sind Nagetiere, Insekten, Bakterien <strong>und</strong> Schimmelpilze.<br />

Die hohe Widerstandsfähigkeit der Kunststoffe gegenüber Umwelteinflüssen wird zum Nachteil, wenn<br />

diese in die Umwelt gelangen, da sie in der Natur so gut wie nicht abgebaut werden können. Einige<br />

Kunststoffe können wieder zu Granulat verarbeitet <strong>und</strong> erneut verwertet werden. Der Grossteil der<br />

Kunststoffe wird aber verbrannt. Bei der Verbrennung der Kunststoffe wird CO2 freigesetzt <strong>und</strong> bei<br />

halogenierten Kunstoffen auch Chlor <strong>und</strong> Fluor. Die Freisetzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen in die<br />

Atmosphäre ist in erheblichem Maße für den Abbau der Ozonschicht in der Stratosphäre (Ozonloch)<br />

verantwortlich.<br />

Die Verwendung von Kunststoffen ist eine verhältnismässig grosse Belastung für die Umwelt. Voll <strong>und</strong><br />

ganz auf Kunststoffe zu verzichten ist allerdings nicht ganz einfach, da es Fälle gibt, wo es sehr<br />

schwierig ist, ein Ersatzmaterial mit ähnlichen Eigenschaften zu finden. Man denke dabei an<br />

Imprägniermittel, Versiegelungen, Beschichtungen, Lacke, Kleber, Dichtungen, Fugen,<br />

Absperrmaterialien, <strong>und</strong> Schäume. Das Wissen, dass die Menschheit noch vor wenigen Jahrzehnten<br />

ohne Kunststoffe auskommen konnte, könnte ein Ansporn sein, so oft wie möglich nach Alternativen zu<br />

suchen <strong>und</strong> mit einem Minimum an erdölbasierten <strong>Baustoffe</strong>n auszukommen.<br />

5.6.1. Polystyrol<br />

Durch Polymerisation von Styrol entsteht das Polystyrol. Für die Herstellung von extrudiertem Polystyrol<br />

wird das Polystyrol mit Lösungsmitteln aufgeschäumt. Durch die Zugabe von Dicumylperoxid wird das<br />

Polystyrol schwerer entflammbar. Das Dicumylperoxid ist allerdings als umweltgefährlich eingestuft.<br />

Während der Nutzungsphase von Polystyrol treten Treibgase aus, was zu bodennaher Ozonbildung führt.<br />

Das Deponieren von Polystyrol ist nicht mehr erlaubt, da seine Additive zur Schadstoffbelastung des<br />

Sickerwassers führen. Im Idealfall wird Polystyrol recycelt. Falls kein Recycling stattfindet, wird das<br />

Polystyrol verbrannt, wobei CO2, CO, C, Dioxine, Furane, Aromate, Styrol, Aldehyde <strong>und</strong> Alkene<br />

entstehen. Ich bezweifle, dass man die Auswirkung all dieser Stoffe auf die Umwelt kennt <strong>und</strong> deren<br />

Einflüsse kontrollieren kann.<br />

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Lebenszyklus von Polystyrol<br />

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5.7. ABSCHLIESSENDE BETRACHTUNG<br />

Nach der Darstellung der Lebenszyklen der einzelnen <strong>Baustoffe</strong>, kann erahnt werden, welche <strong>Baustoffe</strong><br />

viel Graue Energie beinhalten <strong>und</strong> wo überall Schadstoffe entstehen. Mittels der Ökobilanz kann man nun<br />

die einzelnen <strong>Baustoffe</strong> miteinander vergleichen.<br />

Unter einer Ökobilanz versteht man eine systematische Analyse der Umweltwirkungen von Produkten<br />

während des gesamten Lebenszyklusses (inkl. der Herstellung der Roh-, Hilfs- <strong>und</strong> Betriebsstoffe). Zu<br />

den Umweltwirkungen zählt man sämtliche umweltrelevanten Entnahmen aus der Umwelt, sowie die<br />

Emissionen in die Umwelt. In der untenstehenden Tabelle findet sich eine Zusammenstellung des<br />

Primärenergieinhalts (bezogen auf das Volumen oder die Masse) <strong>und</strong> der Menge des freigesetzten<br />

Kohlendioxides (CO2) <strong>und</strong> Schwefeldioxides (SO2).<br />

Das Kohlendioxid entsteht bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Das Kohlendioxid ist ein<br />

Treibhausgas, d.h. es hindert die eingestrahlte Wärme an der Entweichung ins Weltall <strong>und</strong> trägt so zur<br />

Klimaerwärmung bei. Der Kohlendioxidwert ist also ein Referenzwert für die Klimaerwärmung. Das<br />

Schwefeldioxid entsteht vor allem bei der Verbrennung von schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen wie<br />

Kohle oder Erdölprodukten. Das Schwefeldioxid in der Luft oxidiert zunächst zu Schwefeltrioxid <strong>und</strong> wird<br />

dann mit Wasser zu Schwefelsäure umgewandelt. Die Oxidationsprodukte führen zu „Saurem Regen“,<br />

der Ökosysteme wie Wald <strong>und</strong> Seen gefährdet, Gebäude <strong>und</strong> Materialien angreift.<br />

Weil die Systemabgrenzungen für die Ökobilanzen nicht immer gleich gezogen werden, findet man immer<br />

wieder unterschiedliche Werte zum selben Baustoff. Da die Werte der verschiedenen <strong>Baustoffe</strong>n zum Teil<br />

um Faktoren divergieren, kann trotzdem eine Aussage über die Umweltverträglichkeit der <strong>Baustoffe</strong><br />

gemacht werden.<br />

Die Werte in der untenstehenden Tabelle sind Mittelwerte aus den Quellen: Rauch, Peter (2010). Bauen<br />

<strong>und</strong> Wohnen – Stoffwerttabelle. http://www.ib-rauch.de/okbau/stoffwert/<br />

Keller, Bruno. 2000. Bautechnologie I, <strong>Baustoffe</strong>. Skript. ETH Zürich.<br />

Kasser/Pöll 1998. Graue Energie von <strong>Baustoffe</strong>n. econum. St. Gallen<br />

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massgebende Werte für die Umweltbelastung<br />

Die Spitzenreiter bei sämtlichen Werten sind die beiden Metalle, Aluminium übertrifft alles. Die<br />

Kunststoffe PVC <strong>und</strong> Polystyrol (XPS) folgen. Glas liegt im Mittelbereich. Dann gibt es eine Lücke bevor<br />

die mineralischen <strong>Baustoffe</strong>, Holz <strong>und</strong> Schafwolle folgen, die also allesamt relativ umweltverträglich sind.<br />

Die beiden mineralischen <strong>Baustoffe</strong> Beton <strong>und</strong> Lehm haben sehr unterschiedliche Werte: Beton hat einen<br />

grösseren Primärenergieinhalt als Lehm, da Lehm im Idealfall direkt aus der Baugrube entnommen <strong>und</strong><br />

verbaut werden kann, während Beton einen mehrstufigen Herstellungsprozess durchlaufen muss <strong>und</strong><br />

somit auch die Entsorgung komplexer <strong>und</strong> energieaufwändiger ist.<br />

Man stellt fest, dass ein Baustoff, der einen komplexen, energieaufwändigen Herstellungsprozess hat,<br />

auch einen grösseren Beitrag zum Treibhauseffekt (hoher CO2-Wert) <strong>und</strong> zur Versäuerung (hoher SO2-<br />

Wert) der Umwelt leistet.<br />

Es macht allerdings nur bedingt Sinn, die einzelnen Materialien direkt miteinander zu vergleichen, da die<br />

effektiv verbrauchte Menge der verschiedenen <strong>Baustoffe</strong> für einen bestimmten Boden-, Wand- <strong>und</strong><br />

Deckenaufbau addiert <strong>und</strong> dann das Total der Aufbauten verglichen werden muss. Auch die Nutzzeit<br />

müsste noch berücksichtigt werden, diese ist aber nicht nur vom Material, sondern auch vom Bauteil<br />

abhängig. Man muss also zur Beurteilung der Umweltverträglichkeit verschiedene Aufbauten<br />

durchdenken, berechnen <strong>und</strong> die Lebensdauer abschätzen, um deren Umweltbelastung ermitteln zu<br />

können.<br />

Unbedingt zu berücksichtigen sind Zusatzstoffe, Anstriche <strong>und</strong> andere Behandlungen. Denn diese<br />

können die Wiederverwertung verunmöglichen <strong>und</strong> den Schadstoffgehalt wesentlich erhöhen.<br />

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Generell gilt: Je einfacher die Aufbereitung eines <strong>Baustoffe</strong>s, desto geringer ist in der Regel sein<br />

Primärenergieinhalt. Je weniger Chemie dem Baustoff zugefügt wird, desto geringer die Gefahr, dass er<br />

während der Nutzzeit Schadstoffe absondert. Und für eine möglichst einfache Entsorgung bzw.<br />

Wiederverwertung sollen die verschiedenen Materialien nicht gemischt <strong>und</strong> nicht behandelt werden.<br />

Jeder Prozess im Lebenszyklus <strong>und</strong> jeder Transport benötigt mehr oder weniger Energie <strong>und</strong> ist<br />

gleichzeitig eine mögliche Schadstoffquelle, deshalb gilt, je kleiner <strong>und</strong> geschlossener der Kreislauf,<br />

desto umweltfre<strong>und</strong>licher das Produkt.<br />

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6 DAS WESEN<br />

6.1. EINLEITUNG<br />

Das Ziel ist es, durch ein tiefgreifendes Verständnis von den Zusammenhängen zwischen Material,<br />

Umwelt <strong>und</strong> Mensch, in der Verwendung der Materialien präziser zu werden. Durch die<br />

Vergegenwärtigung des ganzen Lebenszyklusses eines <strong>Baustoffe</strong>s wird ein Bezug zur Umwelt<br />

hergestellt. Mit der sinnlichen Wahrnehmung <strong>und</strong> der Überprüfung der bauphysikalischen Eigenschaften<br />

kann die Qualität <strong>und</strong> die Eignung eines <strong>Baustoffe</strong>s für einen bestimmten Zweck überprüft werden. Nun<br />

soll der Zusammenhang oder die Wechselwirkung zwischen Mensch <strong>und</strong> Material ergründet werden.<br />

6.2. BEWUSSTSEINSENTWICKLUNG DER MENSCHHEIT UND ERFINDUNG/VERWENDUNG DER<br />

BAUSTOFFE<br />

Wie wir anhand der Lebenszyklen gesehen haben, sind die Produktionsprozesse der Baumaterialien sehr<br />

unterschiedlich in ihrer Komplexität. Meine Beobachtung zeigt, dass die Entwicklung <strong>und</strong> Verwendung<br />

der <strong>Baustoffe</strong> in einem engen Zusammenhang stehen mit der Bewusstseinsentwicklung der Menschheit.<br />

Jean Gebser setzt sich in seinem Werk ¨Ursprung <strong>und</strong> Gegenwart¨ tiefgreifend mit der<br />

Bewusstseinsentwicklung der Menschheit auseinander. Er unterscheidet fünf verschiedene<br />

Bewusstseinsphasen: archaisch, magisch, mythisch, mental <strong>und</strong> integral.<br />

(Im Anhang ist eine Zusammenfassung über Jean Gebsers Hauptwerk ¨Ursprung <strong>und</strong> Gegenwart¨ von<br />

Esther Keller zu finden.)<br />

Die heute dominierenden Materialien Metall <strong>und</strong> Glas sind wahrscheinlich bereits mit dem mythischen<br />

Bewusstsein entwickelt worden. Doch die Verwendung von Metall <strong>und</strong> Glas als grossflächig eingesetzte<br />

Baumaterialien ist erst mit der Industrialisierung <strong>und</strong> der Massenproduktion, wozu wohl das mentale<br />

Bewusstsein vorhanden sein musste, möglich geworden. Die Entwicklung von Kunststoffen wurde erst<br />

möglich durch das abstrakte Denken des mentalen Bewusstseins. Aber beginnen wir nun beim Ursprung,<br />

bei der Latenz <strong>und</strong> dem allbezogenen archaischen Bewusstsein. Im archaischen Bewusstsein lebend, hat<br />

man lediglich vorhandene Strukturen wie Höhlen bewohnt. Mit dem magischen Bewusstsein wird der<br />

Mensch zum Macher, er beginnt zu sammeln, aufzuschichten. Das mythische Bewusstsein lässt den<br />

Menschen komplexere <strong>und</strong> mehrstufige Arbeitsprozesse ausführen. Und mit dem mentalen Bewusstsein<br />

werden dann abstrakte Denkprozesse möglich. Die Materialien werden nicht mehr nur bearbeitet,<br />

sondern vielmehr zerlegt, umgewandelt <strong>und</strong> transformiert.<br />

Generell kann man folgende Tendenzen festhalten: Je grösser die Entfernung vom Ursprung ist desto<br />

komplexer werden die Verarbeitungsprozesse <strong>und</strong> desto stärker werden die Rohstoffe in ihre einzelnen<br />

Bestandteile aufgelöst, neu zusammengefügt <strong>und</strong> durch Hitze umgewandelt. Das Ursprungsmaterial<br />

durchläuft unter einem immer grösser werdenden Energieaufwand einen immer länger <strong>und</strong> komplexer<br />

werdenden Herstellungsprozess. Dies wiederum lässt vermuten, dass für die Wiedereingliederung durch<br />

die Natur in die Umwelt immer länger dauert oder ebenfalls sehr hohe Energieaufwände dafür benötigt<br />

werden.<br />

Dieses stets stärkere Auflösen <strong>und</strong> neu Zusammenfügen verschiedener Komponenten macht es immer<br />

schwieriger, einen Materialbezug herzustellen. Kennt der Mensch die Eigenschaften <strong>und</strong> den<br />

Lebenszyklus eines Materials, so kann er viel einfacher eine Verbindung herstellen. Es ist für jedes Kind<br />

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klar, dass Holz einen Zusammenhang hat mit dem Baum. Es sieht den Baum wachsen, vielleicht erlebt<br />

es sogar einmal, wie ein Baum gefällt wird, <strong>und</strong> es entdeckt wahrscheinlich irgendwann, dass Holz, das in<br />

der feuchten Erde liegt wieder zu Erde wird. Doch was ist Kunststoff? Da komme selbst ich als Architektin<br />

in Erklärungsnot. Ich habe zwar gelernt, dass die meisten Kunststoffe aus Erdöl hergestellt werden. Aber<br />

ich habe keine Vorstellung davon, wie diese Umwandlung vor sich geht <strong>und</strong> ich spüre den<br />

Zusammenhang von Kunststoff <strong>und</strong> Erdöl nicht. Und wie Kunststoff wieder in die Natur eingegliedert<br />

werden kann, ist mir ein Rätsel. Dauert es vielleicht tausende von Jahren? Und was sind die<br />

Auswirkungen dieses Abbauprozesses auf die Umwelt?<br />

Einerseits übersteigt der Herstellungsprozess von Kunststoff die Vorstellungskraft eines<br />

Durchschnittsmenschen <strong>und</strong> andererseits dauert der Abbauprozess viel länger als ein Menschenleben,<br />

so dass es schwierig ist, einen Bezug zum Material herzustellen. Wenn der Mensch versucht, das<br />

Material nicht nur in seinem aktuellen Zustand wahrzunehmen, sondern sich dessen ganzen<br />

Lebenszyklusses bewusst wird, so ermöglicht das ein viel tieferes Materialverständnis. Dies gelingt<br />

natürlich bedeutend einfacher bei den <strong>Baustoffe</strong>n, die noch vor dem mentalen Bewusstsein bekannt<br />

waren, wie zum Beispiel bei Holz. Diejenigen Baumaterialien, die erst durch das abstrakte Denken der<br />

mentalen Bewusstseinsphase erf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> in Massen produziert werden können, verlangen ein viel<br />

grösseres Vorstellungsvermögen. Ganz schwierig wird es mit den Hybriden, wie Stahl-Beton,<br />

Holzzement, Holzwerkstoffen,... wie verhalten die sich? Welche Qualitäten haben sie? Wo sind sie<br />

einzuordnen?<br />

Um der Wechselwirkung von Material <strong>und</strong> Mensch tiefer auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen, will ich nun jeder<br />

Bewusstseinsphase ihre Baustoffgruppe <strong>und</strong> Bearbeitungsart zuordnen. Diese Zuordnung ist nicht als<br />

absolut <strong>und</strong> scharf abgegrenzt zu verstehen, es soll lediglich eine Art Gewichtung sein, um später<br />

ableiten zu können welche Materialien, unter Einbezug ihrer Bearbeitung, auf welche Ebenen im<br />

Menschen am stärksten wirken.<br />

Dem Archaischen entspricht das Mineralische, ins Besonderes dann, wenn es unbearbeitet bleibt, wie<br />

zum Beispiel der Findling. Das Magische ist vor allem in den pflanzlichen <strong>Baustoffe</strong>n zu finden. Das<br />

Schnittholz, das praktisch nicht bearbeitet <strong>und</strong> nicht behandelt wurde. Tierische <strong>Baustoffe</strong> – hier muss<br />

auch die Inneneinrichtung einbezogen werden – in Verbindung mit einer ausgeprägten handwerklichen<br />

Bearbeitung entsprechen dem Mythischen. Die Oberflächen werden durch das Handwerk verfeinert oder<br />

mit Ornamenten versehen. Die durch maschinelle Massenproduktion entstandenen <strong>Baustoffe</strong>, wie<br />

Kunststoff, Glas <strong>und</strong> Metall sind dem Mentalen zuzuordnen.<br />

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Zuordnung <strong>und</strong> Zusammenhänge von Bewusstsein, Material <strong>und</strong> Mensch<br />

Nach Jean Gebser stehen wir heute am Übergang vom ichhaften, mentalen ins integrale Bewusstsein.<br />

Will man nun mit der Zuordnung der Baumaterialien <strong>und</strong> Bearbeitungstechniken weiterfahren, so<br />

entspricht wohl die Nanotechnologie dem Integralen. Aber mit dem Wechsel ins integrale Bewusstsein<br />

wird auch die vierte Dimension dazukommen, die wahrscheinlich eine ganz andere Betrachtungsweise<br />

ermöglicht. So sehe ich das Integrale als Durchdringung aller vorangegangen Phasen. Und auf die<br />

Materialien bezogen, denke ich, dass es das Ziel ist, nach einer ausgewogenen Komposition aus allen<br />

Schichten zu suchen. Hierfür ist nicht nur das Material an sich zu berücksichtigen, sondern immer auch<br />

die Technik mit der es hergestellt wird. Ich stelle die Hypothese auf, dass ein Material, welches mit der<br />

Technik, die derselben Bewusstseinsphase angehört, bearbeitet wird, seine stärkste Wirkung entfalten<br />

kann.<br />

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So hat für mich zum Beispiel ein kaum bearbeiteter Naturstein einen viel stärkeren Ausdruck als Beton.<br />

Der Naturstein oder Findling strahlt das archaische aus, während Beton, der erst mit dem mentalen<br />

Bewusstsein geschaffen werden konnte, das archaische nicht mehr in dieser Reinheit ausdrückt. Das<br />

Magische findet einen starken Ausdruck im Schnittholz, wo das Wachsen des Baumes, das lebendige der<br />

Pflanze noch spürbar ist. Während zum Beispiel bei einer Spanplatte diese Struktur so weit aufgelöst<br />

oder zerstört wurde, dass ein Grossteil der Ausstrahlung verloren geht. Der mythischen Phase<br />

entsprechend, mit mehreren Arbeitsgängen arbeitend, aber ohne den Rohstoff umzuwandeln, kann zum<br />

Beispiel ein Schaf geschoren, die Wolle gewaschen, gesponnen <strong>und</strong> verwoben werden. Ein<br />

Herstellungsprozess, der handwerkliche Fähigkeiten voraussetzt. Die <strong>Baustoffe</strong> der mentalen Phase, wie<br />

Metall, Glas <strong>und</strong> Kunststoff strahlen durch ihre maschinelle Produktion <strong>und</strong> Bearbeitung eine Exaktheit<br />

<strong>und</strong> eine Klarheit aus, die der Abstraktion des mentalen Bewusstseins entspricht. Die immer grösser<br />

werdende Distanz zum Ursprung <strong>und</strong> die Auflösung bis in kleinste Teilchen macht es immer schwieriger,<br />

einen Bezug zum Material herzustellen. Dieses Auflösen <strong>und</strong> neu Zusammenfügen nehme ich als Verlust<br />

in der Struktur <strong>und</strong> in der Ausstrahlung des Materials wahr.<br />

Da heute der Wechsel vom mentalen zum integralen Bewusstsein noch nicht vollzogen ist, haben wir die<br />

Tendenz, auch beim Bauen dem Mentalen zu viel Gewicht zu geben. Um eine ausgewogene<br />

Materialkompositionen <strong>und</strong> letztlich für den Menschen ges<strong>und</strong>e Räume zu schaffen, müssen wir die<br />

archaischen, die magischen <strong>und</strong> die mythischen Aspekte wieder verstärken. Es folgt eine abstrakte<br />

Darstellung der Einordnung der Baustoffgruppen in die Bewusstseinsphasen.<br />

Zusammenhang der Bewusstseinsphasen <strong>und</strong> Baustoffgruppen<br />

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fachkurs baubiologie/bauökologie abschlussarbeit nathalie frey mai 2010<br />

Um jedes Material möglichst adäquat <strong>einsetzen</strong> zu können, will ich nun die <strong>Baustoffe</strong> den<br />

Bewusstseinsphasen zuordnen.<br />

Zusammenhang der Bewusstseinsphasen <strong>und</strong> <strong>Baustoffe</strong><br />

Dort, wo die Spirale des Integralen das Archaische, Magische, Mythische <strong>und</strong> Mentale durchdringt,<br />

vermute ich die Materialien mit der stärksten Ausstrahlung. In diesen Bereichen befinden sich die<br />

<strong>Baustoffe</strong>, die einen ihrer Materialität entsprechenden Herstellungsprozess durchlaufen haben.<br />

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6.3. KINDHEITSENTWICKLUNG UND MATERIALBEZUG<br />

Fügen wir der Menschheitsentwicklung nun noch die Entwicklung des einzelnen Menschen an. Nach<br />

Rudolf Steiner entwickelt der Mensch nacheinander den physischen Körper, den Ätherleib, den Astralleib<br />

<strong>und</strong> den Mentalleib. Ich vermute, dass der Mensch entsprechend seiner Entwicklungsphase (siehe<br />

Tabelle weiter oben) stärker auf gewisse Baustoffgruppen <strong>und</strong> Bearbeitungsmethoden anspricht. Dies<br />

würde bedeuten, dass das Schwergewicht der Materialkomposition je nach Nutzung oder besser Nutzer<br />

verlagert werden müsste. In der Lebensphase, wo das Kind den Ätherleib entwickelt, geht es in die<br />

Primarschule. Möglicherweise würden sich die Kinder in einer Umgebung von pflanzlichen <strong>Baustoffe</strong>n<br />

besonders wohl fühlen. Während für eine Uni, wo das abstrakte Denken besonders wichtig ist, eine Glas<br />

<strong>und</strong> Metallkonstruktion unterstützend wirken würde.<br />

Innerhalb einer Wohnung kann bezüglich der Raumnutzung eine Verlagerung des Schwerpunktes<br />

günstig sein. So würde ich in einem Schlafzimmer das Mentale so weit wie möglich zurücknehmen, damit<br />

der Mensch, der in der heutigen Zeit auf der mentalen Ebene meist überbeansprucht ist, sich erholen<br />

kann. Das würde heissen Kunststoff, Metall <strong>und</strong> Glas nur wo absolut nötig einzusetzen <strong>und</strong> die anderen<br />

Aspekte entsprechend zu verstärken. Zum Beispiel das Archaische (physischer Leib) durch einen<br />

Lehmputz, das Magische (Ätherleib) durch unbehandeltes Holz <strong>und</strong> das Mythische (Astralleib) durch ein<br />

Schafwollduvet zu stärken.<br />

Ich vermute, dass es diesen direkten Zusammenhang vom Baumaterial <strong>und</strong> seiner Ausstrahlung zu den<br />

verschiedenen Körpern des Menschen gibt. Die Zuordnung ist vorläufig aber nicht mehr als eine<br />

Hypothese, da mir die Einsicht fehlt, die Zusammenhänge wirklich zu erfassen.<br />

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7 ABSTRACT<br />

Die Suche nach den wichtigsten Aspekten eines <strong>Baustoffe</strong>s führt über die bauphysikalischen<br />

Eigenschaften <strong>und</strong> die ökologischen Aspekte zum Wesen des <strong>Baustoffe</strong>s.<br />

Bei den bauphysikalischen Eigenschaften werden anhand von Beispielen die für das Raumklima<br />

relevanten Werte erläutert <strong>und</strong> verglichen. Das Augenmerk liegt auf den thermischen <strong>und</strong><br />

hygrischen Eigenschaften.<br />

Das Aufzeigen der Lebenszyklen von verschiedenen Materialien gibt einen tieferen Einblick in die<br />

ökologischen Aspekte. Es wird ersichtlich wie klein oder gross ein solcher Lebenszyklus sein kann,<br />

beziehungsweise wie viel Graue Energie er beinhaltet <strong>und</strong> wie viele Schadstoffe bei der<br />

Rohstoffgewinnung, der Herstellung des <strong>Baustoffe</strong>s, in der Gebrauchsphase <strong>und</strong> bei der<br />

Entsorgung produziert werden.<br />

Durch die Einordnung der Entwicklung der Baumaterialien in die Bewusstseinsentwicklung der<br />

Menschheit soll das Wesen der Baumaterialien tiefer ergründet werden. Für die<br />

Bewusstseinsentwicklung der Menschheit wird von Jean Gebser’s Einteilung in die archaische,<br />

magische, mythische, mentale <strong>und</strong> integrale Zeitepoche ausgegangen. Um dann wieder konkreter<br />

zu werden, wird das Ganze mit der Kindheits- oder Menschentwicklung nach Rudolf Steiner<br />

verknüpft. Es wird ein Bezug hergestellt vom Herstellungsprozess <strong>und</strong> dem Auflösungsprozess<br />

eines <strong>Baustoffe</strong>s <strong>und</strong> dessen Nachvollziehbarkeit auf mentaler Ebene, beziehungsweise dem<br />

Zugang zum Material, den ein Mensch herstellen kann. Es wird versucht, das Ganze integral zu<br />

betrachten <strong>und</strong> mögliche Regeln für die Materialkomposition, die den Menschen in seinen<br />

Lebensphasen <strong>und</strong> Tätigkeiten optimal unterstützt/inspiriert, zu finden.<br />

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8 SCHLUSSWORT<br />

Obwohl ich durch diese Arbeit ein viel tiefgreifenderes Materialverständnis erlangt habe, bleibt doch das<br />

Gefühl erst einen Bruchteil dessen zu erkennen, was man wissen müsste, um die wirklich richtigen<br />

Entscheide zu fällen.<br />

Ich sehe diese Arbeit als Anfang auf der Suche nach dem Wesen der Baumaterialien. Im Gr<strong>und</strong>e<br />

genommen ist diese Suche sowohl in der Breite, wie auch in der Tiefe keineswegs erschöpft, sondern viel<br />

mehr beliebig erweiterbar.<br />

Es ist mir nicht immer leicht gefallen sowohl in der Breite, wie auch in der Tiefe eine <strong>sinnvoll</strong>e<br />

Abgrenzung zu finden. Benötigte ich doch eine gewisse Breite um überhaupt eine Aussage zu den<br />

verschiedenen Baustoffgruppen zu machen <strong>und</strong> um Vergleiche ziehen zu können. Auch das Ziel eine<br />

Tiefe zu erlangen, die neue Erkenntnisse ermöglicht <strong>und</strong> trotzdem für den Laien verständlich bleibt, war<br />

eine Herausforderung.<br />

Die Aussagen zu den bauphysikalischen Eigenschaften <strong>und</strong> den ökologischen Aspekten scheinen mir<br />

mehr oder weniger gefestigt, während das Kapitel über das Wesen noch sehr vage auf ein paar Ideen<br />

<strong>und</strong> Hypothesen beruht, die weiter verfolgt <strong>und</strong> eingehend geprüft werden müssen.<br />

Ich schliesse diese Arbeit ab in der Hoffnung, der eine oder andere Leser sei inspiriert, sich auf die<br />

eigene Wahrnehmung verlassend, über die verschiedenen Aspekte der Baumaterialien nachzudenken.<br />

PS: UNSERE ENTSCHEIDUNGEN REICHEN WEITER ALS UNSER ERKENNEN!<br />

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9 LITERATURANGABEN<br />

. Gebser, Jean. 1986. Ursprung <strong>und</strong> Gegenwart. Novalis. Schaffhausen.<br />

. Kasser/Pöll 1998. Graue Energie von <strong>Baustoffe</strong>n. econum. St. Gallen.<br />

. Keller, Bruno. 2000. Bautechnologie I, <strong>Baustoffe</strong>. Skript. ETH Zürich.<br />

. Keller, Bruno. 2000. Bautechnologie III, Bauphysik. Skript. ETH Zürich.<br />

. Keller, Bruno. 2000. Bautechnologie IV, Bauphysik. Skript. ETH Zürich.<br />

. Mauer, Urs. 2007. Den Schulbau neu denken, fühlen <strong>und</strong> wollen. Technische Universität<br />

Eindhoven<br />

. Zwiner/Mötzl. 2006. Ökologisches Baustofflexikon. C.F. Müller Verlag. Heidelberg.<br />

. Rauch, Peter (2010). Bauen <strong>und</strong> Wohnen – Stoffwerttabelle.<br />

http://www.ib-rauch.de/okbau/stoffwert/<br />

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10 ANHANG<br />

Eine Zusammenfassung von Jean Gebser’s Hauptwerk ¨Ursprung <strong>und</strong> Gegenwart¨<br />

von Esther Keller<br />

Jean Gebser unterscheidet in seinem Werk "Ursprung <strong>und</strong> Gegenwart" zwischen vier verschiedenen<br />

Bewusstseinsphasen, die die Menschheit innerhalb ihrer menschheitsgeschichtlichen Entwicklung durchgemacht<br />

haben sollen. Auf der untersten Ebene der Bewusstseinsentwicklung befindet sich das archaische Bewusstsein, dann<br />

folgt das magische, mythische <strong>und</strong> zuletzt das mentale Bewusstsein. Jean Gebser nimmt an, dass in unserer Zeit das<br />

mentale Bewusstsein durch das integrale ersetzt wird.<br />

Der Übergang von einer Bewusstseinsphase in die andere findet durch eine Mutation statt. Bei der Durchsetzung der<br />

neuen Bewusstseinsphase bleiben die vorangegangenen Bewusstseinsphasen in verdrängter Form im Unbewussten<br />

bestehen. Jeder Bewusstseinsphase ordnet Jean Gebser verschiedene Aspekte zu. Zum Beispiel untersucht er jede<br />

Bewusstseinsphase nach seiner Raum- <strong>und</strong> Zeitorientierung (II, 695).!<br />

Das archaische Bewusstsein<br />

Das archaische Bewusstsein ist gekennzeichnet durch Vor-Zeitlichkeit <strong>und</strong> Vor-Räumlichkeit, es ist ein<br />

nulldimensionales Bewusstsein. Dieses nulldimenisonale Bewusstsein ist bewusstlos. Unbewusst sein heisst auch<br />

kein Ich haben. Die archaische Bewusstseinsphase ist also Ichlos.<br />

Das magische Bewusstsein<br />

Der magische Mensch tritt aus der nulldimensionalen Struktur des archaischen Bewusstsein in die eindimensionale<br />

Unität. In der eindimensionalen Unität herrscht weiterhin die unbewusste Raum- <strong>und</strong> Zeitlosigkeit, Ich-Welt-Gott<br />

werden als energetische Punkte erlebt, die in einer Wechselbeziehung stehen <strong>und</strong> austauschbar sind. Das Symbol<br />

dieses Bewusstsein ist der Punkt, es ist ein Punkte-Bewusstsein, in dem eine Grösse pars pro toto andere Grössen<br />

vertreten kann. Ich denke da an die "Kuh" als Repräsentantin der "Allmutter", die zugleich die Welt ist.<br />

Nach Jean Gebser erfährt der magische Mensch sein Ich als diffuse Ansammlung von Lichtpunkten, das sich als<br />

Gruppen-Ich, im Clan oder Stamm, organisiert. Ein solcher Clan sieht sich einer punkthaft erfassten Energie<br />

geladenen Welt gegenüber, die eine beständige Bedrohung darstellt.<br />

In einem gewissen Sinne kann man sagen, dass in dieser Struktur das Bewusstsein noch nicht im Menschen ist,<br />

sondern noch in der Welt ruht. Die allmähliche Umlagerung dieses Bewusstseins, das auf ihn einströmt, <strong>und</strong> das er<br />

assimilieren muss, oder von ihm aus gesehen: diese erwachende Welt, der er gegenüberstehend allmählich bewusst<br />

wird - <strong>und</strong> in jedem Gegenüber liegt zugleich etwas Feindliches -: beides muss er meistern. Und er antwortet auf die<br />

ihm entgegenströmenden Kräfte mit den ihnen entsprechenden eigenen: er stellt sich gegen die Natur, er versucht sie<br />

zu bannen, zu lenken, er versucht, unabhängig von ihr zu werden; er beginnt zu wollen. Bannen <strong>und</strong> Beschwören,<br />

Totem <strong>und</strong> Tabu sind die naturhaften Mittel, mit denen er sich von der Übermacht der Natur zu befreien, mit denen<br />

sich die Seele in ihm zu verwirklichen, sich ihrer bewusst zu werden versucht (I, 88).!<br />

Diese Bedrohung wird einmal als konkrete Gefahr in wilden Tieren <strong>und</strong> fremden Horden erlebt, aber auch in<br />

numinosen Kräften, in Gestalt von Geistern <strong>und</strong> Gespenster, die in Bäumen, Felsen oder im Gewässer hausen. Diese<br />

Kräfte müssen bekämpft oder zumindest manipuliert werden. Damit wird der Mensch zum Macher, zum Magier<br />

oder zur Magierin. "Machen" <strong>und</strong> "Magie" stammen aus der gleichen Sanskrit-Wurzel magh. Der magische Mensch<br />

will nicht mehr nur in der Welt sein, sondern die Welt haben (I, 88), <strong>und</strong> so sucht der magische Macher, die Hexe<br />

oder der Zauberer, die Welt zu manipulieren. Uns sehr geläufige Vorstellungen, denn auch wir sind Magier,<br />

bedienen uns der Mechanik <strong>und</strong> der Maschine, um die Umwelt zu bewältigen. "Mechanik", "Maschine stammen<br />

ebenfalls aus der Wortwurzel magh <strong>und</strong> sind unsere magische Möglichkeiten die Welt zu bekämpfen <strong>und</strong> zu<br />

besitzen.!<br />

Das mythische Bewusstsein<br />

Jean Gebser beschreibt den Übergang vom magischen zur mythischen Bewusstseinssphäre als ein Zeitgefühl, das<br />

naturhaften Charakter hat. Eng mit diesem Zeitgefühl ist "die Seele" verb<strong>und</strong>en. "Zeit" <strong>und</strong> "Seele" sind Ausdruck<br />

psychischer Energie <strong>und</strong> bilden die Vorformen der "Materie". Jean Gebser unterscheidet das magische Bewusstseins<br />

als Bewusstwerdung der Natur vom mythischen Bewusstsein als Bewusstwerdung der Seele. Die mythische Struktur<br />

erkennt Jean Gebser in Jahreszeiten-Riten der alten Hochkulturen. In Astronomie <strong>und</strong> Kalender alter Kulturen soll<br />

sich das zum Abschluss kommende magische Bewusstsein ausdrücken. Der Rhythmus der Natur wird als zeitliches<br />

Phänomen wahrgenommen (I, 105). Die magischen Bewusstseinsphäre befreite sich von der Natur. Mit der<br />

Befreiung von der Natur distanziert sich das Ich auch von der Natur, wird sich aber dessen auch bewusst. Die<br />

mythische Bewusstseinssphäre entdeckt nun die Innenwelt des Menschen, die Seele. Der vereinzelte Punkt des<br />

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Motivs pars pro toto erhält eine zweidimensionale Struktur, welcher sich im Flächen einschliessenden Kreis, dem<br />

Symbol der Seele, darstellen lässt. Der Kreis umfasst alles Polare <strong>und</strong> bindet es ausgleichend ineinander: So kehrt<br />

im ewigen Kreislauf das Jahr über seine polaren Erscheinungsformen von Sommer <strong>und</strong> Winter in sich zurück,<br />

ebenso wie die Sonne in ihrem Lauf über Mittag <strong>und</strong> Mitternacht, Licht <strong>und</strong> Dunkelheit umschliessend in sich<br />

zurückkommt. Die mythische Struktur erkennt die Gegenpole in der Natur <strong>und</strong> setzt den Himmel <strong>und</strong> die Sonne als<br />

Gegenpol zur Erde <strong>und</strong> Himmel in Gegensatz zur "Unterwelt", so dass die im magischen Kampfe angeeignete Erde<br />

gleichsam umfangen wird von den beiden polaren seelischen Wirklichkeiten: von dem untererdhaften Hades <strong>und</strong><br />

dem übererdhaften Olymp. Da alles Seelische Spiegelcharakter hat, trägt es nicht nur naturhaften Zeitcharakter,<br />

sondern impliziert auch das Nicht-an-die-Zeit-geb<strong>und</strong>ene, das Ewige, das auf den Himmel oder auf die Hölle<br />

bezogen ist (I, 107).<br />

Das Verhalten der Gottheit oder des Menschen in der mythischen Bewusstseinsphase ist gekennzeichnet durch das<br />

Schliessen der Sinnesorgane, das schweigende Nach-Innen-Sehen <strong>und</strong> Nach-Innen-Hören. Das Resultat ist der<br />

Mythos, das Wort als Ausdrucksmittel des Innen-Erschauten <strong>und</strong> Erträumten.<br />

So ist das Wort stets Spiegel des Schweigens, so ist der Mythos Spiegel der Seele. Erst die blinde Seite ermöglicht<br />

die sehende. Und da alles Seelische vor allem auch Spiegelcharakter hat, trägt es nicht nur naturhaften Zeitcharakter,<br />

sondern ist stets auf den Himmel bezogen; die Seele ist ein Spiegel des Himmels - <strong>und</strong> der Hölle. So schließt sich<br />

der Kreis von Zeit - Seele - Mythos - Hölle <strong>und</strong> Himmel - Mythos - Seele - Zeit (I, 104f.)<br />

Das mentale Bewusstsein<br />

Das mentale Bewusstsein tritt aus der Geborgenheit des zweidimensionalen Kreises <strong>und</strong> aus dessen Einschliessung<br />

heraus in den dreidimensionalen Raum: Da ist kein In-der-polaren-Einheit-Sein mehr; da ist nur das fremde<br />

Gegenüber, der Dualismus, der durch die denkerische Synthese als Trinität überbrückt werden soll; denn von Eine-<br />

Zeit-Entsprechung, geschweige denn von Ganzheit ist nun nicht mehr die Rede (I, 132)<br />

Es ist eine Welt des Menschen; das will sagen, es ist eine vorwiegend menschliche Welt, in welcher "der Mensch<br />

das Mass aller Dinge" ist (Protagoras); in welcher der Mensch selber denkt <strong>und</strong> dieses Denken richtet; <strong>und</strong> es ist<br />

eine Welt, die er misst, nach der er trachtet, eine materielle Welt, eine Objektwelt, die ihm gegenübersteht. Im<br />

Keime sind die grossen formgebenden Begriffe hier enthalten, Begriffe, die mentale Abstrakta sind <strong>und</strong> die an die<br />

Stelle der mythischen Bilder treten, Abstrakta, die in einem gewissen Sinne Göttererscheinungen also Götzen sind:<br />

Anthropomorphismus, Dualismus, Rationalismus, Finalismus, Utilitarismus, Materialismus: kurzum die rationalen<br />

Komponenten der perspektivischen Welt (I, 132).<br />

Das Aus-der-Natur gelöste Ich ist auch ein Zu-sich-selber-Erwachen des Menschen <strong>und</strong> ein Erkennen seiner selbst,<br />

wie es in einer Inschrift im Apollo-Tempel zu Delphi heisst "gnothi sëauton". Mit dem Erwachen des Menschen<br />

erhält das Denken eine vorrangige Bedeutung <strong>und</strong> besonders das gerichtete Denken, mit dem der Mensch aus dem<br />

dämmerhaften mythischen Bewusstsein heraustritt. Er gibt sich selber eine Ordnung, indem er Rechte schafft:<br />

So vermittelt Mose am Berge Sinai dem Volk das göttliche Gesetz, Lykurg verfasste das spartanische Recht <strong>und</strong><br />

später Solon das athenische. Mit "Recht" wird die "rechten" Seite betont, das nicht nur für das wache Bewusstsein<br />

steht sondern auch für das männliche Prinzip (I,133-135)<br />

Der Begriff mental impliziert im Deutschen Mentalität in Sinne von moralischer Einstellung. Das ursprüngliche<br />

Wort von mental menos hat aber eine komplexere Bedeutung, es bedeutet: "Absicht, Zorn, Mut, Denken, Gedanke,<br />

Verstand, Besinnung, Sinnesart, Denkart, Vorstellung". Die Gr<strong>und</strong>lage für die Mutation ins mentale Bewusstsein ist<br />

"Zorn" <strong>und</strong> "Denken", welche zunächst noch mythisch im Zorn der Götter, der Zorn Zeus oder der Zorn Jahwes,<br />

erfahren wurde aber dann auf das menschliche Ich überging (5; S. 127).!<br />

Der Zorn, nicht als blinder, sondern als denkender Zorn, gibt dem Denken <strong>und</strong> der Handlung Richtung; <strong>und</strong> er ist<br />

rücksichtslos, das will besagen: er sieht nicht nach rückwärts, er wendet den Menschen fort von der bisherigen<br />

mythischen Welt der Eingeschlossenheit <strong>und</strong> ist vorwärtsgerichtet, wie die zielende Lanze, wie der in den Kampf<br />

stürzende Achill. Er einzelt den Menschen von der bis anhin gültigen Welt - der Ton liegt auf Mensch - <strong>und</strong><br />

ermöglicht sein Ich. (I, 129)<br />

War das mythische Denken ein imaginäres Bilder-Entwerfen, das im die Polarität umfassenden Kreises<br />

eingeschlossen war, so handelt es sich bei dem gerichteten Denken um ein Objekt bezogenes <strong>und</strong> damit auf eine<br />

Dualität gerichtetes Denken. Der mentale Mensch oder Gott sieht sich als Subjekt einem Objekt gegenüber.<br />

Diese Sicht möchte ich mit der Vorstellung von Erich Neumann wie folgt ergänzen:<br />

Der Mann im mentalen Bewusstsein sieht sich stets als Mann einem Nicht-Ich gegenüber. Dieses Nicht-Ich wird als<br />

weiblich erfahren, das unbewusst mit der Grossen Mutter alter Zeiten assoziiert dämonische Züge erhält. Die<br />

Sanskrit-Wurzel von Mutter Ma(t) enthält Begriffe, wie matar, von dem sich Mutter <strong>und</strong> Materie ableiten lassen,<br />

aber auch Meter <strong>und</strong> "messen". "Meter" <strong>und</strong> "Mass" gehört zum mentalen System, mit welchem das männliche Ich<br />

das Mütterliche, die Materie, beherrschen will.<br />

Jean Gebser formuliert "das Mass/messen" wie folgt:<br />

...: dass die ursprüngliche Wurzel "ma: me" latent <strong>und</strong> komplementär auch das weibliche Prinzip enthält. Denn das<br />

griechische Wort für "Mond" , men, geht auf diese Wurzel zurück. Und die Sek<strong>und</strong>ärwurzel "mat" erlebt ja in der<br />

heutigen patriarchalen Welt ihre Glorifizierung, die sich in dem Beherrschtsein des rationalen Menschen durch die<br />

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"Materie" <strong>und</strong> den "Materialismus" zu erkennen gibt. War der Mond für den frühen Menschen der zeitliche<br />

Masstab, so ist die Materie für den heutigen Menschen der räumliche Maßstab (S. 131)<br />

Das integrale Bewusstsein<br />

Integrales Bewusstsein heisst Ganzwerdung, die Wiederherstellung des unverletzten ursprünglichen Zustandes unter<br />

dem bereichernden Einbezug aller bisherigen Bewusstseinsleistungen. Dem integralen Menschen werden die<br />

verschiedenen Strukturen durchsichtig <strong>und</strong> bewusst. Auch wird ihm die Auswirkungen auf sein eigenes Leben <strong>und</strong><br />

Schicksal gewahr. Die defizient wirkenden Komponenten wird er durch eigene Einsicht derart meistern, dass sie<br />

jenen Grad an Reife <strong>und</strong> Gleichgewicht erhalten, die für die Vorbereitung der Konkretisierung nötig sind.<br />

Konkretisierung heisst das Losungswort:<br />

Denn es kann nur das Konkrete, niemals das Abstrakte integriert werden (I, 167)<br />

Nach Jean Gebser versuchte erstmals Jacopo da Pontorm, ein Schüler von Leonardo da Vinci den Sprung vom<br />

mentalen zum integralen Bewusstsein, denn in der "Lehre von den Kegelschnitten" (1639) verlässt Pontorme den<br />

dreidimensionale Raum in den erfüllten Kugelraum.<br />

Er verlässt damit die "Leere" des nur linearen Raumes <strong>und</strong> rührt an jene Dimension, die als Erfülltsein, die<br />

zumindest latente Präsenz des Zeitlichen voraussetzt (I, 168f.)<br />

Die Kugel ist das sinnfällige Symbol der integralen Struktur, zumal die sich bewegende Kugel eine<br />

vierdimensionale Struktur darstellt. Die gleiche in sich bewegenden kreisförmige Struktur sieht Jean Gebser z.B.<br />

auch in der klassischen Musik enthalten, weil jeder musikalische Satz in der gleichen Tonart zu enden hat, in der er<br />

begann!(I, 170).<br />

Jean Gebser sieht unsere Zeit als reif, dass der Übergang vom mentalen zum integralen Bewusstsein auf einer<br />

breiten Ebene vollzogen wird.<br />

revidiert 9.11.02<br />

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