Herrmann, Emanuel Naturgeschichte der Kleidung ... - modetheorie.de
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www.<strong>mo<strong>de</strong>theorie</strong>.<strong>de</strong><br />
Herrrmann, <strong>Naturgeschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Kleidung</strong>, 1878, 30 (170)<br />
muthigen Faltenwurf: da er in <strong><strong>de</strong>r</strong> Form beliebig variirbar ist, unterliegt er auch<br />
weit weniger <strong><strong>de</strong>r</strong> Mo<strong>de</strong>, als <strong><strong>de</strong>r</strong> präcis geschnittene und geformte Hut o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>ssen<br />
„Gestell“. Aehnliches gilt vom Kopftuche, <strong>de</strong>ssen Formen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Trägerin so<br />
reich gestaltet wer<strong>de</strong>n können, als es ihre Phantasie erlaubt. Welche phantastische<br />
Formen nehmen solche Kopftücher in <strong>de</strong>n Bauerntrachten an!<br />
Das Kopftuch ist auch Mannskopfkleid in heissen Klimaten und ward schon in<br />
Alt-Aegypten getragen, und zwar weiss o<strong><strong>de</strong>r</strong> gestreift und so gelegt und geknüpft,<br />
dass es <strong>de</strong>n ganzen mit Haaren besetzten Theil <strong>de</strong>s Kopfes be<strong>de</strong>ckte und zwei Zipfel<br />
über die Schultern,<br />
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einen dritten über <strong>de</strong>n Rücken herabfallen liess. Ganz ähnlich umhüllen die Araber<br />
von heute <strong>de</strong>n Kopf mit einem grobwollenen Tuche, darüber die Kopfbin<strong>de</strong><br />
läuft. Capuchon und Kopftuch gehören <strong><strong>de</strong>r</strong> Hüllkleidformation an.<br />
Uebrigens gibt es viele Völker, welche die Kopfbe<strong>de</strong>ckung für etwas ganz überflüssiges<br />
halten und höchstens Kopfschmuck schätzen. Das weibliche Dienstgesin<strong>de</strong><br />
auf <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> geht auch heute noch bei uns, wenn nicht gera<strong>de</strong> die Sonne<br />
sengt, barhaupt über Feld und Land.<br />
Die e<strong>de</strong>lste Hülle <strong>de</strong>s weiblichen Hauptes, <strong><strong>de</strong>r</strong> Schleier, ein Umwurfkleid nach<br />
seiner ursprünglichen Bestimmung, ein festgebun<strong>de</strong>ner o<strong><strong>de</strong>r</strong> gena<strong>de</strong>lter Zierrath<br />
heute, ist bei allen Nationen, in allen Zeitaltern zu fin<strong>de</strong>n und dürfte nahezu so alt<br />
sein, als die Weberei. Er verbin<strong>de</strong>t in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gestalt <strong>de</strong>s duftigen allumhüllen<strong>de</strong>n<br />
Brautschleiers lang und leicht über <strong>de</strong>n Rücken herabfliessend, harmonisch die<br />
isolirte Kopf- mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Leibesbekleidung. Schon die Jüdinnen <strong>de</strong>s Alterthums kannten<br />
<strong>de</strong>n Reiz dieses <strong>Kleidung</strong>sstückes als Ueberthan <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen <strong>Kleidung</strong>.<br />
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Die Bekleidungsglie<strong><strong>de</strong>r</strong>, welche <strong>de</strong>n Fuss und die Hand be<strong>de</strong>cken, wer<strong>de</strong>n von <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>de</strong>utschen Sprache son<strong><strong>de</strong>r</strong>barerweise gemeinsam als Schuhe (Handschuhe) bezeichnet,<br />
als ob Fuss und Hand ganz gleichartige Körperorgane wären. Darin liegt<br />
tiefer Sinn. Nicht nur die Organe gleichen einan<strong><strong>de</strong>r</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong><strong>de</strong>r</strong>en Klei<strong><strong>de</strong>r</strong>.<br />
Nehmen wir <strong>de</strong>m Schuh die Sohle, so gleicht er <strong>de</strong>m Fäustling. Die Socke und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
fingerlose Wollhandschuh ähneln einan<strong><strong>de</strong>r</strong> noch mehr.<br />
Der Schuh war vom Anbeginn ein Stück Rin<strong>de</strong>, Bast, Fell o<strong><strong>de</strong>r</strong> Le<strong><strong>de</strong>r</strong>, welches<br />
unter die Fusssohle gelegt und an <strong>de</strong>n Fuss durch Riemen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schnüre befestigt<br />
ward. Er entstand lange vor <strong>de</strong>m Handschuhe und gehört einer Perio<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschencultur<br />
an, in welcher noch Stein- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Bronzewerkzeuge verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n.<br />
In einem dänischen Torfmoore fand man einen solchen Schuh, an <strong>de</strong>n Riemen <strong>de</strong>s<br />
Fussblattes durch allerlei eingeschnittene Figuren und zierliche Arbeit verschönert.<br />
Auch in Alt-Aegypten waren die Sohlen ähnlicher Schuhe bisweilen mit Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
verziert, z. B. mit <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong> eines gefesselten Gefangenen. Dies beweist,<br />
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Herrrmann, <strong>Naturgeschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Kleidung</strong>, 1878, 30 (170)