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Herrmann, Emanuel Naturgeschichte der Kleidung ... - modetheorie.de

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www.<strong>mo<strong>de</strong>theorie</strong>.<strong>de</strong><br />

Herrrmann, <strong>Naturgeschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Kleidung</strong>, 1878, 49 (170)<br />

Dienstklei<strong><strong>de</strong>r</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> Soldaten, Beamten und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n öffentlichen Functionäre.<br />

Unter <strong>de</strong>m geöffneten Rocke wächst, <strong><strong>de</strong>r</strong> dritten Schichte angehörig, nochmals ein<br />

Leibchen, die Weste (vestis) o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Gilet hervor, welches nur bis zur Taille<br />

reicht, im Uebrigen aber Theilung, Zuschnitt, Kragen, Knöpfe, sogar Taschen wie<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Rock gewinnt. Eine zum Glücke verborgen bleiben<strong>de</strong> hintere Schnürvorrichtung<br />

gewährt uns das zweifelhafte Glück, dieses <strong>Kleidung</strong>sstück bis zur Herauspressung<br />

eines männlichen (?) Busens verengern zu können. Unmännlich ist auch<br />

das Vorzeigen <strong><strong>de</strong>r</strong> gesteiften Hemdbrust im herzförmigen Raum <strong>de</strong>s Gilet-<br />

Ausschnittes. Unser Hemd blieb im Zuschnitt <strong><strong>de</strong>r</strong> Blouse und wird, als das einzige<br />

unter <strong>de</strong>n männlichen <strong>Kleidung</strong>sstücken, über <strong>de</strong>n Kopf angezogen. Dafür aber<br />

mussten sich Kragen und Manchetten <strong>de</strong>s Hem<strong>de</strong>s die Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Rockaufschläge<br />

gefallen lassen, nur ein wenig in <strong>de</strong>n steifen Leinwandstil umcomponirt.<br />

Die Frauenkleidung wan<strong>de</strong>lte die gleichen Wege. Nur ward die Taille und die<br />

Theilung <strong><strong>de</strong>r</strong> Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> um die Mitte stärker berücksichtigt. Die Taille formte zuerst<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gürtel, dann<br />

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das Mie<strong><strong>de</strong>r</strong> und die Schneppe. Die Antike verirrte sich nie bis zur Wespentaille,<br />

sie verunzierte <strong>de</strong>n Körper überhaupt nicht durch künstliche Verengungen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Auspolsterungen.<br />

Der neueren Zeit war es auch vorbehalten, die unschöne Abtrennung <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberleibsklei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

(Corsets, Leibchen, Jacken) von <strong>de</strong>n Unterleibs-Umhüllungen (Rökken,<br />

Unterröcken, Reifröcken, Tuniken, Schoossklei<strong><strong>de</strong>r</strong>n etc.) bis in das Extrem<br />

durchzuführen. Damit brach sich auch die unnatürliche Verengerung <strong><strong>de</strong>r</strong> über <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Taille befindlichen, und die naturwidrige Erweiterung <strong><strong>de</strong>r</strong> unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Taille nach<br />

abwärts fallen<strong>de</strong>n Theile <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenkleidung noch leichter Bahn. Dazu kommt<br />

noch, dass die Spaltung <strong>de</strong>s Männerrockes vorne von oben bis unten auch in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Frauenwelt Nachahmung fand. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s gerne theilte man <strong>de</strong>n Schooss, und<br />

Hess das Unterkleid an<strong><strong>de</strong>r</strong>sfärbig hervortreten.<br />

Ebenso wur<strong>de</strong> auch <strong>de</strong>m Frauenanzuge jene steife Form gegeben, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Zuschnitt,<br />

die Verbindung vieler beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Theile durch Nähte hervorbringt. Man<br />

jagte <strong><strong>de</strong>r</strong> Contour nach und vergass gänzlich, welchen Zauber <strong><strong>de</strong>r</strong> freie Fluss <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Klei<strong><strong>de</strong>r</strong> um die Glie<strong><strong>de</strong>r</strong> bewirke. Die Be-<br />

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wegung im Faltenwurfe, ja <strong><strong>de</strong>r</strong> Faltenwurf selbst verschwan<strong>de</strong>n als Motive <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schönheitswirkung, sie flüchteten sich in die Werke <strong><strong>de</strong>r</strong> Maler und Bildhauer,<br />

welche mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Gestalten antike Gewän<strong><strong>de</strong>r</strong> anlegten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> anstatt <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen-,<br />

die Götterwelt zum Vorwurfe nahmen.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Frauenkleidung vermehrte sich die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Schichten noch weit fruchtbarer,<br />

als in jener <strong><strong>de</strong>r</strong> Männer. Und trotz <strong><strong>de</strong>r</strong> Menge <strong><strong>de</strong>r</strong> Schichten nimmt die Ver-<br />

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Herrrmann, <strong>Naturgeschichte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Kleidung</strong>, 1878, 49 (170)

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