Restitutionsbericht 2004 - Wien Museum
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eine Möglichkeit, aus den Akten der Gestapo den Verbleib der Briefe, die ich den<br />
<strong>Wien</strong>er städtischen Sammlungen für das Rudolf-von-Alt-Gedenkzimmer zugedacht<br />
hatte, zu erkunden? Hoffentlich gelingt es, die für <strong>Wien</strong>s Kunst- und Kulturgeschichte<br />
und die Kenntnis des Menschen und Künstlers Alt so hochwichtigen Briefe wieder zu<br />
finden.“<br />
Es zeigte sich, dass Roessler seinen Artikel nicht vergeblich geschrieben hatte. Einen<br />
Tag nach dessen Erscheinen bat der nunmehrige Direktor der <strong>Wien</strong>er Stadtbibliothek,<br />
Dr. Oskar Katann 67 , Roessler brieflich um einen Besuch: Er habe den Artikel gelesen<br />
und hoffe, einige Hinweise geben zu können. 68 Katann teilte Roessler mit, die Briefe<br />
hätten sich in Verwahrung der Stadt <strong>Wien</strong> befunden, seien von dort an das<br />
Bundesdenkmalamt und von diesem wiederum an den „Führer“ gelangt, der sie<br />
seinerseits dem Städtischen <strong>Museum</strong> in Linz zum Geschenk gemacht habe.<br />
Roessler fasste in einem weiteren Artikel im „Neuen Österreich“ vom 11. August 1945<br />
die Informationen zusammen, die er inzwischen erhalten hatte. Katann habe ihm<br />
mitgeteilt, dass die gesuchten Alt-Briefe seinerzeit entgegen der ursprünglichen Absicht<br />
der Gestapo von dieser nicht in deren eigenen Panzerschränken „sichergestellt“,<br />
sondern den Städtischen Sammlungen im Neuen Rathaus zur Verwahrung anvertraut<br />
worden seien. Von dort seien die Briefe jedoch nach einiger Zeit zurückverlangt worden,<br />
um sie in die Hände des „Führers“ gelangen zu lassen. Hitler hatte, wie Roessler<br />
schrieb,<br />
„ (…) überraschend genug, die Briefe des von ihm überaus geschätzten Künstlers nicht<br />
seiner privaten Alt-Sammlung − die, wie mir der ‚Sonderbeauftragte’ [sic!] Hitlers,<br />
Reichsamtswalter Ernst Schulte-Strathaus, selbst sagte, nicht weniger als 550 Arbeiten<br />
des großen <strong>Wien</strong>er Meisters umfasst − einverleibt, sondern die Briefe dem <strong>Museum</strong> in<br />
Linz an der Donau zum ‚Geschenk’ gemacht.<br />
Im Linzer <strong>Museum</strong> lagen also die mir entwendeten Briefe, bis sie, im Zuge der<br />
allgemeinen Bergungsaktion von Kunst- und Kulturgütern, wozu die verstärkten<br />
Fliegenangriffe zwangen, zugleich mit anderen <strong>Museum</strong>sobjekten an einem dritten Ort<br />
67<br />
Oskar Katann war bis 1938 Direktor der Städtischen Sammlungen gewesen und nach Kriegsende zum Direktor<br />
der <strong>Wien</strong>er Stadtbibliothek bestellt worden.<br />
68<br />
O. Katann an Arthur Rössler, 2.8.1945, D 5 – 43 / 42, in: „Akt der Städtischen Sammlungen“, Verfahren gegen<br />
Leopold Blauensteiner vor dem LG St <strong>Wien</strong> als Volksgericht, Vg 2 c Vr 404 / 45.<br />
42