Restitutionsbericht 2004 - Wien Museum
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Offenbar hatte die Bibliothek die Briefe aber bereits in ihre eigenen Bergungsaktionen<br />
einbezogen, denn Müller teilte als Leiter der Bibliothek am 17. September 1943 der<br />
Gestapo mit, dass „die in Rede stehenden Alt-Briefe (…) seitens der Stadtbibliothek<br />
außerhalb <strong>Wien</strong>s in Sicherheit gebracht“ worden seien. Sie würden „jedoch gelegentlich<br />
des nächsten Transportes eingeholt und voraussichtlich im Laufe der nächsten Woche<br />
Herrn Dr. Seiberl übergeben werden“. 78<br />
Die Übergabe der Briefe an das Denkmalamt wurde am 10. November 1943 vom<br />
Direktor der <strong>Wien</strong>er Stadtbibliothek, Müller, sowie von Seiberl bestätigt. 79<br />
Blauensteiners Verteidiger, der Rechtsanwalt Dr. Walter Loewenfeld-Russ,<br />
argumentierte gegenüber dem Landesgericht <strong>Wien</strong>, Roessler habe in einem zweiten<br />
Artikel im „Neuen Österreich“ vom 11. August 1945 angeblich „einen teilweisen<br />
Rückzug“ angetreten. Maßgeblich sei jedoch – und darauf lief Loewenfelds<br />
Hauptargumentationslinie hinaus −, ob Roessler an seinem Vermögen Schaden<br />
zugefügt worden sei. Die Voraussetzung dafür sei, „dass ihm zur fraglichen Zeit Rechte<br />
an den Briefen zustanden“. Genau dieses negierte der Anwalt nun hartnäckig, wobei er<br />
sich, immer die Entlastung Blauensteiners im Auge, auf tatsächliche oder auch nur<br />
behauptete Differenzen innerhalb der Familie Alt, vor allem im Zusammenhang mit den<br />
besagten Briefen, berief:<br />
„Fräulein Luise von Alt hat sich zu Lebzeiten wiederholt dahin geäußert, dass die in<br />
ihrer und ihres Vaters gemeinsamen Wohnung ohne letztwillige Verfügung ihres Vaters<br />
zurückgebliebenen Familienbriefe desselben ein Familienbesitz seien und dass sie<br />
deshalb über dieselben nicht allein verfügen könne. Es ist schwer anzunehmen, dass<br />
dieser Standpunkt der alten Dame Herrn Prof. Roessler ganz unbekannt geblieben sein<br />
sollte, als in der letzten Lebenszeit Luise von Alts die Briefe ihm übergeben wurden und<br />
als Luise von Alt auch über die Briefe eine letztwillige Verfügung traf, ohne sich in<br />
beiden Fällen mit der Familie ins Einvernehmen gesetzt zu haben. Nur so ist es wohl<br />
78 Müller (Direktor der <strong>Wien</strong>er Stadtbibliothek) an Gestapo <strong>Wien</strong>, 17.9.1943, D 5 – 548 / 43, zu D 5 – 43 / 42, „Akt<br />
der Städtischen Sammlungen“, in: Vg 2 c Vr 404 / 45.<br />
79 Übernahmebestätigung, gez. vom Direktor der <strong>Wien</strong>er Stadtbibliothek, Müller, sowie dem Leiter der<br />
Kunstwissenschaftlichen Abteilung des Instituts für Denkmalpflege, Seiberl, 19.11.1943, „Akt der Städtischen<br />
Sammlungen“, in: Vg 2 c Vr 404 / 45.<br />
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