Editorial Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, auf dem 105. Deutschen Ärztetag in Rostock soll ein Weiterbildungs- Curriculum für den zukünftigen Facharzt für Allgemeinmedizin erörtert und beschlossen werden. Ursache dafür ist meines Erachtens u. a. das Nebeneinander von Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Innere Medizin, hausärztlich tätig. Wie auch immer das Ergebnis des Ärztetages sein wird und hoffentlich kommt es zu einer Entscheidung: Es muss endlich Ruhe einziehen in die Ärzteschaft. Wer will schon unter den jetzigen Voraussetzungen Allgemeinarzt werden? Wie wird die Weiterbildung organisiert und finanziert? Trotz Bemühungen der Kammer, der KV und auch der Kassen ist die Unruhe evident. Der Ärztemangel, besonders bei den Hausärzten ist unübersehbar und führt zunehmend zu Engpässen in der Versorgung. In Sachsen sagt man voraus, dass sich 2010 die Zahl der Allgemeinmedizinier halbiert haben wird. Nur noch ca. 50% der Studenten, die das Humanmedizinstudium beginnen, treten den Beruf als Arzt am Patienten an. Die kürzlich beschlossene längst überfällige Novelle der Approbationsordnung geht von einem zusätzlichen Studentenrückgang von 10% aus. Und davon dann nur die Hälfte, die in unserem Beruf tätig werden – quo vadis Humanmedizin, quo vadis Gesundheitspolitik! Doch nicht nur die Allgemeinmedizin ist gefährdet, sondern auch ‘die Kinder-und Jugendmedizin. Das monetäre Denken in der Politik führt zur Schließung von Kinderstationen. Dadurch gehen Weiterbildungsstellen für Kinder-und Jugendmedizin kaputt und immer weniger Studenten können eine Weiterbildung zum Facharzt für Kinderund Jugendmedizin beginnen. Wer soll in den nächsten Jahren unsere Kinder facharztgerecht versorgen, wenn in dem Weiterbildungs-Curriculum „Hausarzt der Zukunft“ die Ausbildung in der Kinder-und Jugendmedizin nahezu völlig fehlt? Es kann nicht angehen, dass die gemeinsame „neue” fünfjährige Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin und Innere Medizin einen dreijährigen Weiterbildungsabschnitt ausschließlich in einer internistischen Weiterbildungsstätte ermöglicht. In eine weitere Depression kann man verfallen, wenn man sich die Ergebnisse einer Untersuchung der im stationären Bereich tätigen jungen Berliner Ärzte aus diesem Jahr ansieht. Bei 86% wurde mindestens eine gravierende Verletzung des Arbeits-oder Tarifrechtes festgestellt. Der Bereitschaftsdienst wird als normaler Dienst missbraucht. 36% der jungen Kollegen würden sich nicht erneut für unseren Beruf entscheiden. Ein fatales Ergebnis. Die brandenburgischen Verhältnisse werden sich nicht von denen in Berlin unterscheiden. 162 Brandenburgisches Ärzteblatt 6/2002 12. Jahrgang In diesem Zusammenhang ist für Brandenburg der Beschluss der letzten Kammerversammlung am 4. Mai hilfreich, der sich für die bedingungslose Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in den Krankenhäusern einsetzt. Auch für den niedergelassenen Bereich ist es nicht länger zumutbar, dass Praxen ersatzlos geschlossen werden, weil kein Nachfolger da ist. Patienten betteln um hausärztliche Betreuung. Wer soll in Zukunft die notwendige Prävention durchführen, wer die Zuwendungsmedizin fortsetzen? „Der Versorgungsnotstand ist programmiert, wenn wir nicht endlich ein Umdenken hin zur Medizin schaffen und die Rahmenbedingungen ärztlicher Berufsausübung so gestalten, dass junge Menschen diesen Beruf wieder mit Freude ergreifen, weil sie ihren Beruf als Berufung sehen”, Bundesäztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe vor der Bundespressekonferenz am 16. April in Berlin. In sieben Grundsatzpunkten werden für uns unverzichtbare Grundlagen für eine bedarfsgerechte Versorgung formuliert. Wenn diese nicht umgesetzt werden, erwartet uns eine Zuteilungsmedizin. Expertokraten setzen durch Schaffung verbindlicher Behandlungsstandards( DRG,DMP) und Durchökonomisierung der Behandlungsabläufe auf einen Kassenversorgungsstaat. Dabei will man den ärztlichen Sachverstand außen vor lassen, aber Qualitätsssicherung in der medizinischen Versorgung kann es nur mit der Bundesärztekammer und den medizinischen Fachgesellschaften geben. Eine Medizin unter dem totalen Dogma der Ökonomie reduziert den Patienten auf eine Kosten-und Normgröße. Nun haben wir im September Bundestagswahl. Die große Reform ist nicht angekündigt und wird auch nicht kommen. Während man im Wahlprogramm der SPD und in den bisherigen Gesetzen eine Richtung in einen uns aus der Vergangenheit lange bekannten Zustand mit Zuteilungsmedizin und Einheitsversorgung erkennen kann, will die CDU/CSU mehr Wahlfreiheit beim Versicherungsschutz, mehr Wettbewerb und Flexibilität im starren Vertragssystem. Alle Budgetierungen sollen abgeschafft werden. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Für mich ist trotz aller Probleme der Erhalt der Solidarität der Ärzteschaft in ihren Strukturen Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung wichtig und unverzichtbar. Es geht nicht nur um den Erhalt und die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung, sondern auch um unser Wohlbefinden und Überleben. Ich erlebe immer schmerzlicher, dass sich die meisten Kollegen meines Alters oft ohne „Wenn und Aber” nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben sehnen, weil sie keine Lust mehr haben, sich von der Bürokratie aufgefressen fühlen und oft nicht mehr zu helfen wissen. Diese Entwicklung gab es vor fünf Jahren noch nicht. Deswegen, wir brauchen uns. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer und wenn möglich einen erholsamen Urlaub. Ihr Friedhart Federlein
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