erinnerungen - Deutsche Schule Kuala Lumpur
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ERINNERUNGEN 12<br />
Schul<strong>erinnerungen</strong> von Dr. Günter Gruber<br />
<strong>Deutsche</strong>r Botschafter in Malaysia<br />
Vor einigen Tagen hatte ich endlich Zeit und Lust,<br />
die letzten Umzugskartons auszupacken. Einige Umschläge<br />
und Hefter waren bisher wohl der ordnenden<br />
Hand meiner Frau entgangen, sie enthielten eine bunte<br />
Mischung diverser Unterlagen und Schulzeugnisse.<br />
Während mich die Lehrer der vier Grundschuljahre als<br />
brav und fleißig beurteilten, änderte sich diese Einschätzung<br />
im Gymnasium, vor allem ab der 7. Klasse,<br />
oder Quarta, wie man damals noch sagte. Aus dieser<br />
Zeit stammen auch meine intensivsten Erinnerungen<br />
– und nicht alle sind positiv.<br />
Während bei vielen Menschen Gerüche Eindrücke heraufbeschwören,<br />
so ist es bei mir ein Geräusch: die<br />
Schulglocke. Ich wohnte damals in einem Gebäude<br />
unmittelbar neben der <strong>Schule</strong>. Wenn meine Mutter<br />
und meine älteren Brüder längst das Haus verlassen<br />
hatten, kroch ich noch mal ins Bett zurück. Einen Wecker<br />
benötigte ich nicht, die Schulglocke war so laut,<br />
dass ein Verschlafen nicht zu befürchten war. Genau<br />
zehn Minuten waren zwischen erstem und zweitem<br />
Klingeln. Mehr Zeit brauchte ich auch nicht. Anziehen,<br />
Kämmen, ein Marmeladenbrot im Treppenhaus ...Waschen,<br />
Zähneputzen? Ich schaffte es meist in letzter<br />
Sekunde atemlos ins Klassenzimmer zu schlüpfen,<br />
aber eben nicht immer. Fatalerweise kam ich wohl<br />
häufig in den von mir ohnehin gefürchteten Lateinstunden<br />
zu spät. Und Dr. Fritsch, vor dem alle zit-<br />
terten, zitierte mich vor die Klasse und quälte mich<br />
mit lateinischen Vokabeln und Sinnsprüchen. Noch<br />
heute sind mir Sinnsprüche daher ein Gräuel, egal ob<br />
lateinisch oder als „Weisheit“ in ein „fortune cookie“<br />
verpackt.<br />
Meine Noten pendelten sich ein. Einigermaßen in<br />
Deutsch, Englisch und Mathe, voll daneben in Physik<br />
und Latein, dafür immer eine Eins in Musik, Sport und<br />
Religion.<br />
Das Zeugnis der 10. Klasse, die „Mittlere Reife“, sah<br />
ganz gut aus. Die Familie feierte dieses unerwartete<br />
Glück in einem Restaurant. Wohl ahnend, dass dieses<br />
Zeugnis ein Einzelfall bleiben sollte, aß ich auf Vorrat.<br />
Zehn Bratwürste und fünf Semmelknödel sind<br />
in die Grubersche Familiengeschichte eingegangen.<br />
Ab der 11. Klasse verlagerten sich mit der Aufnahme<br />
von Mädchen in unser Jungengymnasium meine Prioritäten.<br />
Der Kauf einer Vespa und lange Ausfahrten<br />
mit einer gewissen Uschi sorgten für ausgewogen unterdurchschnittliche<br />
Noten. Erst im Studium konnte<br />
ich brillieren. Meine Mutter hatte recht: Ihr Jüngster<br />
war ein Spätentwickler – zumindest in schulischer<br />
Hinsicht.<br />
Die Wohnung neben meiner alten <strong>Schule</strong> gibt es noch,<br />
meine Tochter studiert in München und wohnt in<br />
meinem alten Zimmer. Kürzlich habe ich sie besucht,<br />
und während sie auf der Couch im Wohnzimmer schlief,<br />
verbrachte ich seit vielen Jahren wieder eine Nacht<br />
in meinem alten Zimmer. Das Läuten der Schulglocke<br />
löste bei mir zwischen 7:50 und 8:00 Uhr Unruhe und<br />
hektische Betriebsamkeit aus und spontan kamen mir<br />
längst verschollene Lateinvokabeln und Fragmente<br />
von Übersetzungen in den Sinn. „Wie ein pavlowscher<br />
Hund“, meinte meine Tochter.<br />
Ein Resumé meiner Schulzeit:<br />
Gemischte Erinnerungen und der Entschluss, einige<br />
oder eigentlich die meisten Zeugnisse wieder ganz<br />
nach unten in die alte Umzugskiste zu verbannen.<br />
Vielleicht geht sie ja zufällig beim nächsten Umzug<br />
verloren, bevor sie meine Kinder finden.<br />
Dr. Günter Gruber<br />
Erinnerungen von Dr. Uwe Rummel<br />
Schulleiter der DSKL von 2005 bis 2007<br />
Der Samstag eines Schulleiters in <strong>Kuala</strong> <strong>Lumpur</strong> oder<br />
Gefangen in der DSKL!<br />
Im ersten Schuljahr an der DSKL passierte es immer<br />
wieder, dass mir die Arbeitszeit während der Woche<br />
nicht ausreichte, um alles zu erledigen, was anstand.<br />
Obwohl ich jeden Nachmittag die Postmappe mit nach<br />
Hause nahm, blieb doch immer irgendetwas liegen,<br />
was ich dann am Samstagmorgen in der <strong>Schule</strong> erledigte.<br />
Nach einem solchen Samstagvormittag war ich glücklich,<br />
alles getan zu haben, um ins Wochenende gehen<br />
zu können, und zog die Tür des Haupteingangs hinter<br />
mir zu, um noch das Vorhängeschloss anzubringen.<br />
Dann die Treppe hinunter, um die äußere Tür mit der<br />
Codekarte aufzumachen - das Wochenende war in<br />
Sichtweite! Aber was geschah beim Durchziehen der<br />
Codekarte? - Nichts! Noch einmal, und noch einmal<br />
- nichts rührte sich. Ich war in unserem Schulhof gefangen!<br />
Da die Codekarte nicht funktionierte, war es<br />
mir auch nicht möglich, noch einmal in das Schulgebäude<br />
zurück zu gelangen!<br />
In einem solchen Moment ist normalerweise immer<br />
jemand zur Stelle: Frau Shastri, Hasan, Papinder -<br />
irgendjemand hätte geholfen und sofort wäre alles in<br />
Ordnung gewesen. Aber am Samstag? Logischerweise<br />
war niemand zu sehen! Ich war allein, dem Schicksal<br />
ausgeliefert und stellte mich darauf ein, das Wochenende<br />
im Schulgarten oder auf einer Bank im Schulhof<br />
zu verbringen.<br />
Nachdem die Panik nach einer Weile verzogen war,<br />
fasste ich Mut und rief ein paar Mal um Hilfe! Nichts<br />
geschah - es kam auch keiner vorbei. Auch die Blickkontaktaufnahme<br />
mit Besuchern des gegenüberliegenden<br />
Hindu-Tempels nützte nichts - man sah durch<br />
den Europäer hinter dem Zaun einfach hindurch! In<br />
meiner Not und noch immer nicht zum Aufgeben bereit<br />
erinnerte ich mich, dass ich seit kurzem stolzer<br />
Besitzer eines Handys war. Ich rief meine Frau an,<br />
welche beim Einkaufen war, und berichtete von dem<br />
Missgeschick. Bis sie vom Einkaufszentrum in Bangsar<br />
schließlich zur <strong>Schule</strong> gekommen war, verging eine<br />
geraume Zeit. Nun trennte uns nur noch der Zaun,<br />
der unsere <strong>Schule</strong> umgab. Was sollten wir tun? Ich<br />
konnte den Zaun auch nicht mit Hilfe meiner Frau<br />
überklettern. Also musste eine Leiter gefunden werden.<br />
Aber wo? Meine Frau sprach im Hindu-Tempel vor<br />
und siehe da - dort gab es eine zusammenklappbare<br />
Leiter, die etwa so hoch wie der Schulzaun war. Man<br />
lieh uns die Leiter, aber es war sehr schwer für meine<br />
Frau, diese Leiter am Zaun hochzuschieben. Mit viel<br />
Kraft und nach mehrmaligen Versuchen gelang es uns<br />
schließlich, gemeinsam die Leiter am Zaun hochzuziehen.<br />
Nun hatte ich die Leiter im Schulhof. Ich stieg<br />
mit ihrer Hilfe auf den Betonsockel, der den Briefkasten<br />
unserer <strong>Schule</strong> beherbergt und versuchte, die<br />
Leiter erneut hochzuziehen, was mit der vollen Aktentasche<br />
recht schwierig war. Aber schließlich war es<br />
soweit. Die Leiter war oben und ich konnte sie auf der<br />
anderen Seite des Zauns herunterlassen.<br />
Was eine Stunde zuvor noch nicht der Fall gewesen<br />
war - inzwischen gab es eine große Anzahl an Zaungästen,<br />
Besucher des Tempels oder des nahen Sportfeldes.<br />
Etwa dreißig Zuschauer zählte die Gruppe feixender<br />
Menschen, die einen der Verzweiflung nahen<br />
Schulleiter mit Lachen und abfälligen Bemerkungen<br />
begleiteten, wie er seine <strong>Schule</strong> mit einer Leiter verließ.<br />
Wir gaben mit vielen Dankeszeichen die Leiter<br />
zurück - der Sonntag war gerettet!<br />
Seit diesem Tag bin ich der Meinung, dass bei dem<br />
Vorbereitungslehrgang des Bundesverwaltungsamtes<br />
in Deutschland auch ein Überlebenstraining dabei sein<br />
sollte!<br />
Dr. Uwe Rummel<br />
Estepona/Spanien 27. Januar 2009<br />
ERINNERUNGEN<br />
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