Hessenmed Magazin Ausgabe Oktober 2010.pdf
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Während Paragraph 116 im SGB V Teile der<br />
ambulanten Versorgung für einzelne Krankenhausärzte<br />
öffnet, öffnet Paragraph 116b die<br />
ambulante Versorgung für die Krankenhäuser<br />
selbst. Dies gilt laut Gesetz für „hochspezialisierte<br />
Leistungen, seltene Erkrankungen und Erkrankungen<br />
mit besonderen Krankheitsverläufen“. Wichtigste<br />
Gruppe sind die onkologischen Erkrankungen,<br />
aber auch Aids, schwere Herzinsuffizienz,<br />
Mukoviszidose, Multiple Sklerose sowie rheumatische<br />
Erkrankungen mit schwerem Verlauf gehören<br />
dazu. Der Gemeinsame Bundesausschuss<br />
(GBA) soll die Liste erweitern.<br />
Seit 2004 können die Krankenkassen mit Krankenhäusern<br />
entsprechende Verträge schließen.<br />
Doch die Gesetzesvorschrift dümpelte über Jahre<br />
nahezu ungenutzt vor sich hin. Grund waren<br />
zwei Probleme der Krankenkassen: Sie mussten<br />
fürchten, dass sie mit solchen Angeboten Mitgliederwerbung<br />
ausgerechnet für kranke und damit<br />
teure Patenten betreiben. Zudem gab es keine<br />
Möglichkeit für die Kassen, die unbegrenzten Abrechnungsmöglichkeiten<br />
nach Paragraph 116b zu<br />
refinanzieren. Krankenhäuser mit ausgereiztem<br />
Budget könnten Leistungen verschieben. Vor allem<br />
aber haben die Kassen aus ihrer Sicht Leistungen<br />
niedergelassener Vertragsärzte, die nun von<br />
Krankenhäusern erbracht werden, schon mit der<br />
an die Kassenärztlichen Vereinigungen gezahlten<br />
Gesamtvergütung bezahlt. „Das ist unser großes<br />
Problem, das wir damit haben“, betont Ann Marini,<br />
Sprecherin beim GKV-Spitzenverband in Berlin –<br />
und zwar bis heute.<br />
76 Zulassungen in Hessen<br />
Und darin liegt auch die Sprengkraft des Themas:<br />
Patienten, die nach 116b in die Kliniken abwandern,<br />
wären für die niedergelassenen Ärzte für<br />
drei Jahre verloren. Und je intensiver die Krankenhäuser<br />
den Paragraphen 116b nutzen, desto<br />
eher werden die Kassen darauf drängen, dass die<br />
Gesamtvergütung der niedergelassenen Ärzte<br />
entsprechend „bereinigt“, sprich gekürzt wird.<br />
Hinzu kommt eine Änderung des Paragraphen<br />
im Jahr 2007. Danach können die Krankenkassen<br />
116b-Behandlungen nicht mehr blockieren; die<br />
KV hat ohnehin keine Eingriffsmöglichkeit. Nun<br />
können die Planungsbehörden der Länder Kliniken<br />
auf Antrag für die 116b-Behandlung „bestimmen“.<br />
Auf die Zulassung durch die Kassen<br />
besteht danach ein Anspruch.<br />
hessenmed •M a g a z i n Nr. 1 • 2010 15<br />
§ 116b SGBV<br />
Gefahren und<br />
Ungleichheiten<br />
hessenmed e. V. geht davon aus, dass § 116b SGBV zum Abbau<br />
bewährter ambulanter Strukturen führen wird.<br />
•• Experten im Gesundheitswesen sind sich sicher, dass das KV–<br />
Budget um die vom Krankenhaus nach § 116b SGBV erbrachten<br />
Leistungen bereinigt wird. Dieses Geld wird dem KV-Topf unwiederbringlich<br />
entzogen. Dies führt zur Verminderung des Regelleistungsvolumens<br />
(Vorwegabzug für Haus- und Fachärzte).<br />
•• Niedergelassene Ärzte haben keine Möglichkeit, als Leistungserbringer<br />
ebenfalls eine Zulassung ohne Budgetierungsgrenze<br />
nach § 116b SGB V zu erhalten. Der Paragraph ist den<br />
Krankenhäusern vorbehalten. Dies stellt eine massive Ungleichbehandlung<br />
gegenüber den niedergelassenen Ärzten dar.<br />
•• Überweisungen nach § 116b SGB V haben eine Gültigkeit von<br />
drei Jahren, Überweisungen im niedergelassenen Bereich gelten<br />
dagegen nur maximal drei Monate. Somit haben Kliniken die<br />
Möglichkeit, den 116b-Patienten in dem jeweiligen Krankheitsbild<br />
drei Jahre im Krankenhaus „umfassend“ zu behandeln. Dies<br />
birgt die Gefahr, dass Patienten zum Beispiel zur onkologischen<br />
Nachsorge nicht mehr – wie bisher – zum niedergelassenen Arzt<br />
gehen, sondern diese Untersuchungen vom Krankenhaus übernommen<br />
werden.<br />
•• Kooperationsverträge zwischen Vertragsärzten und dem Krankenhaus<br />
nach § 116b SGB V sind prinzipiell möglich. Hier wird<br />
der niedergelassene Arzt dann aber nicht „Partner“, sondern<br />
Erfüllungsgehilfe des Krankenhauses. Das Krankenhaus ist nach<br />
außen Leistungserbringer; aus politischer Sicht haben letztlich<br />
dann die Krankenhäuser die Verträge gut erfüllt und ambulante<br />
Strukturen gesichert.<br />
•• Die Hausärzte können den Kontakt und die Mitbetreuung der<br />
Patienten verlieren, insbesondere auch dann, wenn ein Krankenhaus<br />
den § 116b SGBV für die Indikation Herzinsuffizienz anwendet.<br />
Bei den Fachärzten werden vordergründig Onkologen, Kardiologen,<br />
Neurologen, Radiologen und schließlich die fachärztlich<br />
tätigen Internisten mit ihren jeweiligen Schwerpunkten betroffen<br />
sein. Aber auch zum Beispiel Pneumologen und Gastroentereologen<br />
könnten Leistungen in der Leistungskette Onkologie verlieren.<br />
Angesichts dessen gelangt man schnell zu der Ansicht, dass der<br />
§ 116 b sGB V der nächste schritt zum Abbau der Ärzte im niedergelassen<br />
sektor bedeutet.