Kontrovers: Ende des kostenlosen Fernsehens? | Kulturbeute ...
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Von Diana Stöhr<br />
Schockierende Bilder bei studiVZ<br />
Applikationen zwischen Erbsenernte und Mord<br />
n einem Tag wie jedem anderen stehe ich früh auf, schalte<br />
den Computer ein und während sich dieser warmläuft,<br />
schmiere ich mir ein Marmeladenbrot. Vor der<br />
Uni schnell frühstücken, das Getreide ernten, die Kuh<br />
melken und das Schwein schlachten, abschließend, zur Entspannung,<br />
das Gehirn trainieren. Auf studiVZ bieten Applikationen<br />
von externen Anbietern dem Studierenden zahlreiche<br />
Morgens halb zehn im studiVZ: Aussicht auf eine reiche Ernte!<br />
Möglichkeiten, sich von Hausarbeiten und Co. abzulenken.<br />
Bei FroheErnte ist man Besitzer eines virtuellen Bauernhofs<br />
und klaut den Freunden die Ernte weg. Bei BrainBuddies konkurriert<br />
man mit anderen um die größte Gehirnmasse. Solche<br />
Flashgames haben ein sehr großes Suchtpotential. Auch ich<br />
logge mich jeden Morgen vor der Uni bei studiVZ ein, um mein<br />
Huhn zu füttern.<br />
So schaue ich auch an diesem Morgen wieder rein. Nach erfolgreicher<br />
Ernte und Jogging meines Gehirns irre ich noch<br />
auf anderen Profilen umher. „Martin hat ein neues App!“, lese<br />
ich und schon steuere ich meinen Mauszeiger in Richtung der<br />
stern.de Bilder-<strong>des</strong>-Tages-Application auf seiner Profilseite.<br />
Es öffnet sich eine Seite mit einem Fotostream. Ich klicke mich<br />
durch: Fotos vom größten Kürbis der Welt, einem singenden<br />
Fisch, von einem grünen Chiwuwa - Moment! Ich muss mal<br />
kurz schauen, ob ich meine Schoten bereits ernten kann!<br />
Zurück zu den Fotos: Papst Benedikt, der vor tausenden Menschen<br />
eine Rede hält, der Ölteppich auf dem Atlantik, Angela<br />
Merkel in einem grässlichen rosa Kostüm, die neue Frisur von<br />
Heidi Klum, Waldbrände in Brasilien, Kindersoldaten in Afrika,<br />
schreiende Demonstranten in China, eine tote Frau auf einem<br />
weißen Plastikstuhl. Halt! Das muss ich mir genauer anschau-<br />
en: Laut Bildunterschrift wurde Maria Gonzalez Opfer eines<br />
Bandenkrieges und mit verstümmeltem Gesicht, auf einem<br />
weißen Plastikstuhl sitzend, irgendwo in Mexiko gefunden.<br />
Die Informationen unter dem Bild rasen an mir vorbei, aber<br />
das Foto hat sich in mein Gehirn eingebrannt: der schlaffe<br />
Körper, die blutigen Hände, die zerschundenen Füße. Das Bild<br />
sagt mehr als tausend Worte. Es verrät mir zu viel. Es stachelt<br />
meine grausame Fantasie an und ich stelle mir vor, wie diese<br />
Frau ums Leben kam. Und plötzlich wird mir schlecht. Ich<br />
stelle mir Fragen: Was dachte sich der Fotograf, als er das<br />
Foto schoss? Wie nah war er an der Toten dran? Wie viel Geld<br />
verdient er mit diesem Foto? Standen die Angehörigen der<br />
Toten vielleicht neben ihm? Warum gehört dieses Foto zu den<br />
Bildern <strong>des</strong> Tages? Was soll mir das sagen? Grausame Dinge<br />
geschehen jeden Tag auf der Welt? Weiß ich das nicht bereits?<br />
Ist es nicht schlimm genug, sich dieser Tatsache bewusst zu<br />
sein; muss ich also den grausamen Tod dieser Frau mit eigenen<br />
Augen sehen?<br />
Ich klicke weiter. Wenige Minuten und einige Fotos von niedlichen<br />
Tieren, wütenden Politikern und halbnackten Frauen<br />
später, entschließe ich mich, noch einmal auf meinem Bauernhof<br />
vorbeizuschauen und anschließend Verena eine Mail<br />
zu schreiben, ob sie heute Abend auch zur Party von Christian<br />
kommt.<br />
Doch dann: Schockmoment zur Kaffeepause<br />
Am nächsten Morgen logge ich mich erneut bei dem stern-App<br />
ein. Wieder sehe ich schockierende Fotos, die eingebettet sind<br />
in die Banalitäten <strong>des</strong> Alltags. Ich öffne einen neuen Tab, versuche<br />
bei Brainbuddies einen neuen Rekord zu erreichen, beantworte<br />
Verenas Frage, wie ich die gestrige Party fand und<br />
entschließe mich dann, den stern-App wieder zu löschen. Ich<br />
möchte nicht jeden Tag mit solchen Bildern konfrontiert werden.<br />
Ich richte mir ein Konto bei Google ein und lasse mir regelmäßig<br />
die schönsten Bilder <strong>des</strong> Tages schicken. n<br />
Meinung<br />
n<br />
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