16.01.2013 Aufrufe

Download - Kultur macht Schule

Download - Kultur macht Schule

Download - Kultur macht Schule

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

in niedersachsen<br />

Bundesvereinigung<br />

<strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung e.V.


IMPRESSUM<br />

Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V.<br />

Küppelstein 34 , 42857 Remscheid, Fon 02191.79 43 98, Fax 02191.79 43 89, info@bkj.de, www.bkj.de<br />

in Kooperation mit der<br />

Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen (LKJ) e. V.<br />

Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“<br />

Arnswaldtstraße 28, 30159 Hannover<br />

Fon: 0511.600 605 50, Fax: 0511.600 605 60<br />

info@lkjnds.de, www.lkjnds.de<br />

Die länderbezogene Publikationsreihe „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> ...“ ist entstanden im Rahmen<br />

der bundesweiten Fachstelle „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ der BKJ. Ziel ist es, föderale Modelle, Impulse und<br />

Entwicklungen rund um das Thema „<strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n“ zu bündeln und zu reflektieren.<br />

Redaktion: Anja Krüger, Malin Kettel, Kerstin Hübner<br />

Lektorat und Korrektorat: Helga Bergers, Redaktionsdepot, Köln<br />

Gestaltung: Maya Hässig, Sandra Brand, Jeannette Corneille, luxsiebenzwoplus, Köln<br />

Bildrechte: Umschlag © Maya Hässig, Sarah Ubrig, photocase: marqs / Undschuldslamm<br />

Druck: Druckhaus Süd, Köln<br />

ISBN: 978-3-924407-96-4<br />

Remscheid/Hannover 2012<br />

Bundesvereinigung<br />

<strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung e.V.<br />

gefördert vom:


Inhalt<br />

Vor- und GruSSworte<br />

Vorwort // Viola Kelb (BKJ, Fachstelle „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“) 03<br />

Grußwort der niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> // Prof. Dr. Johanna Wanka 04<br />

Grußwort des niedersächsischen Kultusministers // Dr. Bernd Althusmann 05<br />

Einführung // Anja Krüger (Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen) 06<br />

1. ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />

1.1 Warum sind die Sterne so unordentlich verteilt? –<br />

Über die Potenziale frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung // Vanessa-Isabelle Reinwand 09<br />

1.2 Das kulturell lernende Gehirn –<br />

Neurobiologische Grundlagen <strong>Kultur</strong>eller Bildung // Kristian Folta-Schoofs 11<br />

1.3 Quarks & Wirks – Vernetztes Denken und Handeln in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung // Juliane Steinmann 13<br />

1.4 Das Potenzial ästhetischer Erfahrungen – Der Ursprung von <strong>Schule</strong> // Christoph Schönfelder/ Henrik Cohnen 16<br />

2. allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

2.1 Zwischen Sonntagsreden und Alltagshandeln in Niedersachsen // Insa Lienemann 20<br />

2.2 Förderung der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Niedersachsen // Annette Schwandner 22<br />

2.3 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> – Modelle aus Niedersachsen // Marion Heuer 24<br />

2.4 Das Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ – Im Interview: Anja Krüger 27<br />

2.5 Dialog „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen geht in die erste Runde! // Malin Kettel 29<br />

2.6 Wie Weiterbildung die Qualität <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

in der <strong>Schule</strong> fördern kann // Thomas Lang/ Claudia Wenzel 30<br />

2.7 Darstellendes Spiel an der Leibniz Universität Hannover – Im Interview: Ole Hruschka 32<br />

2.8 <strong>Kultur</strong>- und Theaterarbeit in der Evaluation // Mascha Grieschat 33<br />

3. loKale und Kommunale VernetzunGen<br />

3.1 <strong>Kultur</strong>elle Bildung in der Stadt Oldenburg // Christiane Maaß 39<br />

3.2 Der Landesverband Theaterpädagogik Niedersachsen –<br />

Geschichte, Organisation und Perspektive // Jörg Kowollik/ Iris Hörtzsch/ Florian Vaßen 41<br />

3.3 Das Ganze ist mehr als die Summe auf dem Konto // Katrin Tesch Löwensprung/Anke Persson 43<br />

3.4 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> – Rückblick, Einblick und Ausblick // Dieter Wuttig/ Marianne Heyden-Busch 44<br />

3.5 <strong>Kultur</strong> trifft Klasse – Das Netzwerk „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“ in Osnabrück // Marita Thöle 46<br />

3.6 Schulzirkus und Zirkusschulen – Sieh mal, was ich kann! // Wolfgang Pruisken 48<br />

4. modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />

4.1 Mobiles Kino Niedersachsen –<br />

Filmveranstaltungen zum Thema „Mobbing“ // Mascha Fäskorn 52<br />

4.2 Wenn Schüler/innen zu Lehrern/innen werden –<br />

Die Musikmentoren/innen // Jana-Kerstin Lipnicki 53<br />

4.3 Der Julius Club – Ein Sommer-Lese-Vergnügen // Stefanie Thiem 54<br />

4.4 BRASSAMBA 2011 – Latin-Power in der Schulpraxis // Kurt Klose/ Frauke Hohberger 56<br />

4.5 Ich wusste gar nicht, dass Sie tanzen können! –<br />

HipHop School für Multiplikatoren/innen // Vera Lüdeck 57<br />

4.6 Wir machen die Musik! – Das Musikalisierungsprogramm<br />

für alle Kinder in Niedersachsen // Mareike Knobloch 59


5. modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

5.1 Bildberichte über Bergen-Belsen –<br />

Eine gelungene Kooperation im FSJ <strong>Kultur</strong>/Politik // Inka Ostendorf 62<br />

5.2 Hannover Hauptbahnhof – MOTSbasic 2008 bis 2011 // Hans Fredeweß 64<br />

5.3 Vom Glück, sich spielend ganz neu kennenzulernen – Jugend forscht nach dem Glück mit Theater,<br />

Tanz und Radio // Annli von Alvensleben/ Silke Pohl/ Katrin Tesch Löwensprung 66<br />

5.4 Bleib am Ball – Eine Ausstellung mit und für Kinder<br />

rund um den Fußball // Renate Dittscheidt-Bartolosch/ Mark Rozin/ Sarah Ubrig 68<br />

5.5 Die verlorenen Söhne – Eine Begegnung mit Grönland<br />

auf Spiekeroog und im Landkreis Cuxhaven // Juliane Lenssen 70<br />

5.6 Die Bücherbiene – Eine mobile Stadtteilbücherei // Silke Boerma 71<br />

5.7 Theater in die <strong>Schule</strong> – Auf dem Weg zur <strong>Kultur</strong>schule // Lisa Degenhardt 73<br />

5.8 Die Offene Druckwerkstatt und die Kunststation –<br />

Zwei außerschulische und dezentrale Lernorte // Manfred Blieffert 75<br />

5.9 Pack deinen Koffer in den Käfer –<br />

Eine Reise in die Autostadt Wolfsburg // Brenda Frey 79<br />

5.10 Göttingen: Damals und heute –<br />

IGS-Schüler/innen werden zu Stadtführern/innen // Anne Moldenhauer 81<br />

5.11 Mitten im Leben – Ein Theater-Musikprojekt // Waldo Bleeker 83<br />

nachwort 85<br />

adreSSen 87


Vorwort<br />

<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> In nIederSachSen<br />

„Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Spiel und Kunst“,<br />

so formuliert es die UN-Kinderrechtskonvention. Gemeinsam<br />

haben <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> die besten Voraussetzungen, diese<br />

Forderung in die Praxis umzusetzen! Zum einen, weil die <strong>Schule</strong>n<br />

der Ort sind, an dem die Träger und Einrichtungen der <strong>Kultur</strong>ellen<br />

Bildung alle Kinder und Jugendlichen erreichen – auch<br />

diejenigen, deren Zugang zu Kunst und <strong>Kultur</strong> innerhalb unseres<br />

Bildungssystems erschwert ist. Zum anderen, weil es über<br />

die verschiedenen Künste und kulturpädagogischen Arbeitsformen<br />

gelingen kann, unverzichtbare Lebenskompetenzen<br />

und die Persönlichkeitsentwicklung zu stärken.<br />

Unter dem Label „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ setzt sich der Dachverband,<br />

die Bundesvereinigung für <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und<br />

Jugendbildung e. V. (BKJ), deshalb seit vielen Jahren für mehr<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n ein und fordert eine systembezogene<br />

Vernetzung der Träger und Einrichtungen <strong>Kultur</strong>eller<br />

Bildung mit den Orten der formalen Bildung, insbesondere der<br />

<strong>Schule</strong>n und Kindertagesstätten. Gleichzeitig muss <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung Verankerung in Familien, Jugendarbeit, Kinder- und<br />

Jugendhilfe sowie in der <strong>Kultur</strong>förderung finden. In ihrem im<br />

Jahr 2011 veröffentlichten Positionspapier bekennt die BKJ:<br />

„<strong>Kultur</strong>elle Bildung vor Ort gelingt dann am besten, wenn die<br />

Akteure vernetzt arbeiten und zusammen mit der Kommunalpolitik<br />

ein gemeinsames Verständnis und strukturierte Handlungsmodelle<br />

für die Verankerung <strong>Kultur</strong>eller Bildung in den<br />

lokalen Bildungslandschaften entwickeln.“<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung sollte immer als eine Querschnittsaufgabe<br />

der Ressorts Jugend, <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> verstanden werden.<br />

Dies gilt für die lokale Ebene ebenso wie für die Ebene des<br />

Bundes und der Länder. Das Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />

<strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen hat erstmals einen Dialog mit allen<br />

Beteiligten (Politik, Verwaltung und Praktiker/innen) veranstaltet.<br />

Nun gilt es, einen solchen interministeriellen Dialog,<br />

aus dem konkrete Vereinbarungen hervorgehen müssen, zu<br />

institutionalisieren.<br />

Einen wichtigen Impuls bietet in Niedersachsen z. B. das<br />

Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung<br />

(nifbe), das mit seiner Zielgruppenorientierung „Frühe<br />

Förderung“ auch den Grundschulbereich mit einschließt. Hier<br />

werden nicht nur konkrete, u. a. kulturelle Praxisprojekte relativ<br />

breit gefördert, sondern auch wissenschaftlich begleitet, so<br />

dass Wirksamkeit sichtbar ge<strong>macht</strong> und Schlussfolgerungen<br />

gezogen werden können.<br />

Vor- und GruSSworte _3<br />

Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />

e. V. (LKJ) bietet mit ihrem Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong><br />

<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ einen landesweiten Service der Qualitätsentwicklung<br />

und ressortübergreifenden Vernetzung. Gefördert<br />

wird dieses Koordinationsbüro vom Ministerium für Wissenschaft<br />

und <strong>Kultur</strong> (MWK), das damit seine Verantwortung für<br />

die Entwicklung einer vielfältigen Kooperationspraxis zwischen<br />

außerschulischer <strong>Kultur</strong>arbeit und <strong>Schule</strong>n verdeutlicht.<br />

Dieses Koordinationsbüro steht für eine deutschlandweit<br />

sehr seltene Möglichkeit, Impulse zu setzen und Diskurse<br />

auf Landesebene zu bündeln.<br />

Dies – wie auch Entwicklungen in anderen Bundesländern,<br />

vergleichbar dem „Modellland <strong>Kultur</strong>elle Bildung Nordrhein-<br />

Westfalen“ und der dort verankerten Arbeitsstelle <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung in Jugendarbeit und <strong>Schule</strong> in Remscheid – könnte<br />

beispielgebend für Programme sein, die den Inhalt „<strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung in <strong>Schule</strong>n“ mit Strukturförderung und flächendeckender<br />

Implementierung verbinden.<br />

Derartige Initiativen sind wichtige Motoren für die Entwicklung<br />

der Bildungskooperationen und -landschaften vor<br />

Ort. Das Land Niedersachsen erfreut sich einer vielfältigen<br />

Angebotsstruktur kultureller Kinder- und Jugendbildung, mit<br />

lebendigen Netzwerken und zahlreichen engagierten Fachkräften.<br />

Zukünftig sollte es gelten, diese Potenziale verstärkt<br />

für den Auf- und Ausbau lokaler Bildungslandschaften zu nutzen.<br />

Jugend-, <strong>Kultur</strong>- und Bildungspolitik müssen dafür entsprechende<br />

Rahmenbedingungen schaffen!<br />

Unser Dank gilt der LKJ, die die Redaktion der vorliegenden<br />

Publikation übernommen hat und den Leserinnen und Lesern<br />

umfassende Informationen, interessante Positionen und viele<br />

nachahmenswerte Beispiele rund um das Thema „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />

<strong>Schule</strong>“ bereitstellt!<br />

Viola Kelb<br />

Geschäftsbereichsleiterin<br />

„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“<br />

der Bundesvereinigung<br />

<strong>Kultur</strong>elle Kinder-<br />

und Jugendbildung e. V. (BKJ)


4_ Vor- und GruSSworte<br />

GruSSwort der nIederSächSISchen mInISterIn<br />

Für wISSenSchaFt und <strong>Kultur</strong><br />

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />

Bildung ist wichtig für unser Leben und eine wesentliche<br />

Grundlage für die gesellschaftliche Teilhabe. Und ohne Kunst<br />

fehlte unserem Leben eine wichtige Facette. <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />

soll daher besonders jungen Menschen eine Teilhabe am kulturellen<br />

Leben ermöglichen. Sie soll zum differenzierten Umgang<br />

mit Kunst und <strong>Kultur</strong> befähigen und zum gestalterisch-ästhetischen<br />

Handeln in allen künstlerischen Sparten anregen.<br />

Die Bandbreite der 31 Mitglieder der Landesvereinigung<br />

<strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) <strong>macht</strong><br />

deutlich, wie vielfältig die Praxis der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung ist:<br />

Vom jungen Landesverband für Theaterpädagogik bis zur etablierten<br />

Landesarbeitsgemeinschaft Zirkus sind Verbände aus<br />

verschiedensten Kunstsparten vertreten.<br />

Die vom Land Niedersachsen geförderte Koordinationsstelle<br />

„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ steuert und initiiert Kooperationen<br />

zwischen außerschulischen kulturellen Bildungsträgern<br />

und <strong>Schule</strong>n. Damit sollen auch Kinder und Jugendliche mit<br />

Angeboten der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung erreicht werden, die bisher<br />

ausgeschlossen waren.<br />

Die LKJ setzt sich dafür ein, dass zwischen ihren Mitgliedsverbänden<br />

und den örtlichen <strong>Schule</strong>n Bildungspartnerschaften<br />

entstehen bzw. weiterentwickelt werden. Ein wichtiges<br />

Ergebnis dieser Netzwerkarbeit im Rahmen von „<strong>Kultur</strong><br />

<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ ist, dass fast die Hälfte der Mitgliedsverbände<br />

der LKJ kontinuierlich mit <strong>Schule</strong>n kooperiert. Zahlreiche weitere<br />

arbeiten in Projekten mit <strong>Schule</strong>n zusammen. Insgesamt<br />

haben ca. 80% der Mitgliedsverbände Formen der Zusammenarbeit<br />

mit <strong>Schule</strong>n entwickelt.<br />

Damit leistet die LKJ einen wichtigen Beitrag, um die<br />

Infrastruktur für das Netzwerk der kulturellen Kinder- und<br />

Jugendbildung im Flächenland Niedersachsen zu sichern. Das<br />

Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK) fördert diese<br />

wertvolle Arbeit im Rahmen einer Zielvereinbarung, die bis<br />

zum Jahr 2013 für Planungssicherheit sorgt.<br />

Die kulturelle Jugendbildung hat für uns in Niedersachsen<br />

einen hohen Stellenwert. Dabei ist das Projekt „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />

<strong>Schule</strong>“ ein bedeutendes Element. Für das große Engagement<br />

bedanke ich mich herzlich und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.<br />

Prof. dr. Johanna wanka<br />

Niedersächsische Ministerin<br />

für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />

© Schäflein & Himmelreich // Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong>


nIederSächSISchen KultuSmInISterS<br />

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />

die Zusammenarbeit zwischen <strong>Schule</strong>n und außerschulischen<br />

Partnern ist der Niedersächsischen Landesregierung ein besonderes<br />

Anliegen.<br />

So wirbt das niedersächsische Aktionsprogramm „Hauptsache:<br />

Musik“ seit mehr als 10 Jahren für die erfolgreiche Zu-<br />

sammenarbeit zwischen <strong>Schule</strong>n und außerschulischen musik-<br />

schaffenden Anbietern. Dies motiviert unsere Schüler/innen<br />

nachhaltig zur aktiven Gestaltung beim Singen, Musizieren<br />

oder Tanzen. Eindrucksvoll dokumentiert dies der alle zwei<br />

Jahre stattfindende Bläserklassentag in einer ausgewählten<br />

Stadt Niedersachsens, bei dem regelmäßig 2500 Schüler/<br />

innen gemeinsam musizieren.<br />

Als kompetenter Kooperationspartner haben sich auch die<br />

Musikschulen mit ihrem Musikalisierungsprogramm „Wir machen<br />

die Musik!“ erwiesen. Aber auch in anderen Bereichen der<br />

kulturellen Jugendbildung möchten wir die Zusammenarbeit<br />

zwischen <strong>Schule</strong>n und außerschulischen Partnern stärken.<br />

Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Tandem Kunst und <strong>Schule</strong>“,<br />

eine Kooperation zwischen Kunstschulen und <strong>Schule</strong>n im<br />

Raum Hannover. In Hildesheim wiederum nutzen begabte<br />

Schüler/innen der gymnasialen Oberstufe auch außerhalb der<br />

regulären Unterrichtszeiten die Räume der Hochschule für<br />

angewandte Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (HAWK) und entwickeln<br />

so ihre kreativ-gestalterischen Kompetenzen stetig weiter.<br />

Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />

e. V. (LKJ) vermittelt Angebote auf Nachfrage auch an<br />

<strong>Schule</strong>n in ländlichen Gebieten und an Brennpunktschulen und<br />

erweist sich dabei als engagierter und verlässlicher Partner.<br />

Diese Angebote ermöglichen Schülern/innen, wertvolle Erfah-<br />

© Sarah Gert // Niedersächsisches Kultusministerium GruSSwort deS<br />

Vor- und GruSSworte _5<br />

rungen im kreativ-gestalterischen Lernbereich, die sich wiederum<br />

positiv auf das Lernen in den Kernfächern auswirken.<br />

Die zunehmende Einrichtung des Ganztagsbetriebs an unseren<br />

<strong>Schule</strong>n eröffnet vielfältige Möglichkeiten, neue Prozesse<br />

in Gang zu setzen, Projekte anzugehen und Visionen für zukünftige<br />

Kooperationsmöglichkeiten zu entwickeln. Ich möchte Sie<br />

ausdrücklich ermutigen, hier kreativ und erfinderisch zu sein<br />

und alle Chancen zu nutzen. Allen <strong>Kultur</strong>schaffenden sollte es<br />

dabei ein Anliegen sein, ihre Projekte innerhalb und außerhalb<br />

der <strong>Schule</strong> immer weiter abzustimmen und Vernetzungssysteme<br />

auszubauen. Dadurch erzielte Synergieeffekte der Künste<br />

untereinander wirken sich gewinnbringend auf individuelle und<br />

gruppenspezifische Vorhaben aus, wie wir den folgenden Interviews<br />

und Präsentationen entnehmen können.<br />

Mein Dank gilt allen Erziehern/innen, unseren Lehrkräften,<br />

den Künstlern/innen und allen, die sich um die Persönlichkeitsentwicklung<br />

unserer Kinder und Jugendlichen verdient<br />

machen.<br />

Allen, die gemeinsam mit professionellen Künstlern/innen malen,<br />

musizieren und werken, wünsche ich viel Freude an dieser<br />

kreativen Arbeit.<br />

dr. Bernd althusmann<br />

Niedersächsischer Kultusminister


6_ Vor- und GruSSworte<br />

eInFührunG<br />

<strong>Kultur</strong>elle BIldunG – allheIlmIttel mIt rISIKen und neBenwIrKunGen<br />

anja Krüger<br />

Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />

Niedersachsen e. V. (LKJ),<br />

Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“,<br />

Hannover<br />

„Heranwachsende brauchen eine Welt, in der es – wie bei sportlichen<br />

Wettkämpfen – interaktiv zugeht. Sie müssen möglichst<br />

viele Herausforderungen meistern, damit die wichtigen Vernetzungen<br />

in ihrem Hirn entstehen können.“<br />

(Alexandra Rigos, Journalistin)<br />

Mit der kulturellen Jugendbildung ist es so wie mit Heranwachsenden.<br />

Sie braucht eine interaktive Welt mit möglichst vielen<br />

Anregungen, um überhaupt Fuß fassen zu können, wichtige<br />

Vernetzungen entstehen zu lassen und Herausforderungen<br />

zu meistern. Nur dann kann kulturelle Jugendbildung sich fließend<br />

gestalten. „Panta rhei!“ – „Alles fließt!“ – auf Griechisch<br />

mit Heraklit gesprochen. Alles ist in Bewegung, alles entwickelt<br />

sich und nichts bleibt so, wie es einmal war. Menschen<br />

sind in Bewegung und gestalten.<br />

Im Jahr 2010 feierte die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />

Niedersachsen e. V. (LKJ) ihr 30-jähriges Jubiläum,<br />

eine vergleichsweise junge Erscheinung, blickt man auf die<br />

lange Entwicklung von Kunst und <strong>Kultur</strong> zurück. Was treibt<br />

den Menschen dazu, vermeintlich nutzlose Dinge zu tun, wie<br />

ein Bild zu malen, eine Skulptur zu gestalten, eine Figur theatralisch<br />

auf die Bühne zu bringen oder einem Gefühl einen Tanz<br />

zu widmen? Forscher/innen können keine eindeutige Antwort<br />

geben, warum vor 40 000 Jahren die Venus vom Hohlen Fels<br />

kreiert wurde. Sie ist eine der ersten figürlichen Skulpturen,<br />

die zugleich Fortpflanzung und Geburt darstellt. Wie auch immer<br />

die Antwort zu diesem Rätsel ausfallen mag, der Paläoanthropologe<br />

Nicholas Conrad ordnet diese Figur der Kunst zu,<br />

weil sie nicht eindeutig, sondern mehrdeutig gestaltet ist.<br />

Kann auch <strong>Kultur</strong>elle Bildung mehrdeutig sein?<br />

was heißt das für <strong>Kultur</strong>elle Bildung und welche Bedeutung<br />

hat es für uns?<br />

Jugendliche werden künstlerisch und kreativ auf mehreren<br />

Ebenen angesprochen. Sie gewinnen den Freiraum der Gestaltung<br />

zurück und entwickeln, angeregt durch kreative Prozesse,<br />

Schlüsselkompetenzen, wie z. B. Selbstbewusstsein, Teamfähigkeit<br />

und Experimentierfreude. Kurzum, sie sind nicht nur<br />

kreativ, sondern bilden ganz nebenbei Schlüsselkompetenzen.<br />

Nicht nur die künstlerischen Ergebnisse entsprechen der<br />

Definition des Paläoanthropologen, auch die Beschäftigung<br />

der Jugendlichen an und für sich, ausgelöst durch kulturelle<br />

Vermittlungsmethoden, findet mehrgleisig statt.<br />

worin stecken nun die herausforderungen für <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung, wenn sie bildungswirksam für Jugendliche sein soll?<br />

Eines der höchsten Ziele ist die Forderung nach „<strong>Kultur</strong> für alle<br />

und möglichst von Anfang an“. Wo kann <strong>Kultur</strong>elle Bildung alle<br />

Jugendlichen erreichen? In der <strong>Schule</strong>. Zwei unterschiedliche<br />

Systeme treffen aufeinander und versuchen, sich anzunähern.<br />

Hierin steckt die erste Herausforderung für alle Beteiligten einer<br />

Kooperation. Die Maximen lauten: „Arbeiten auf Augenhöhe“<br />

oder „Entwickeln eines gemeinsamen Bildungsverständnisses“,<br />

das ist einfacher geschrieben, als in der Praxis umgesetzt.<br />

Das Kooperationsverständnis bleibt bei den meisten<br />

Projekten diffus und daraus entstehen Unzufriedenheit und<br />

Konflikte.<br />

Angebote <strong>Kultur</strong>eller Bildung im schulischen Alltag sind leider<br />

oft Anhängsel am Nachmittag. Auf den ersten Blick ist zu sehen,<br />

dass sich in Niedersachsen 1300 <strong>Schule</strong>n dem Ganztagsschulprinzip<br />

angeschlossen haben. Diese Tatsache gibt Hoffnung,<br />

impliziert sie doch die Möglichkeit eines Unterrichts, der<br />

nicht zwischen Vor- und Nachmittag unterscheidet, sondern<br />

den Tag als ein Gesamtes betrachtet. Auf den zweiten Blick<br />

ist zu erkennen, dass ein Großteil dieser Ganztagsschulen<br />

offene Ganztagsschulen sind, was so viel bedeutet, dass der<br />

verpflichtende Unterrichtsanteil nur am Vormittag stattfindet.<br />

Dementsprechend ist das Nachmittagsangebot inhaltlich<br />

nicht mit dem Vormittag verzahnt, weil kein Gesamtkonzept<br />

für den ganzen Tag vorliegt. Solange niedersächsische Ganztagsschulen<br />

offene Ganztagsschulen sind, wird <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung meist ein Anhängsel bleiben. Trotzdem hat <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung auch in <strong>Schule</strong>n Hochkonjunktur, es soll ein Allheilmittel<br />

zur Bekämpfung des Virus „Pisa-Misere“ sein. Einige Risiken<br />

des Mittels wurden soeben beschrieben. Die Nebenwirkungen<br />

gestalten sich für Kinder und Jugendliche positiv. Es fördert<br />

quasi nebenbei ihre Kompetenzentwicklung, gibt ihnen Selbstvertrauen<br />

und setzt Impulse in ihrer Bildungsbiografie. Welche<br />

Formen das vermeintliche Allheilmittel in Niedersachsen entwickelt<br />

hat, ist exemplarisch in dieser Veröffentlichung zusammengetragen.<br />

Niedersachsen ist eine blühende Heilmittelapotheke. <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung gestaltet sich immer bunter und vielfältiger. „<strong>Kultur</strong><br />

<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ ist eine relativ junge Arznei, welche ihr Entfaltungspotenzial<br />

noch entwickelt und besonders unerprobte<br />

Medizin braucht viel Aufmerksamkeit, um ihre volle Wirkung<br />

entfalten zu können.<br />

Die naturwissenschaftliche Forschung versucht, Wirkungsweisen<br />

von <strong>Kultur</strong>eller Bildung im Gehirn zu fixieren. Neurobiologisch<br />

betrachtet, setzt künstlerische Betätigung Impulse im Gehirn<br />

frei. Das bestätigt die Ausgangsthese, dass Heranwachsende<br />

und <strong>Kultur</strong>elle Bildung in ihrer Entwicklung auf Impulse angewiesen<br />

sind, um Vernetzungen entstehen lassen zu können.<br />

© Schäflein & Himmelreich


© Schäflein & Himmelreich<br />

Aus Sicht der Forschung zur <strong>Kultur</strong>ellen Bildung beschreiben<br />

christoph Schönfelder und henrik cohnen von der Initiative<br />

ästhetische Erfahrung im ersten Teil der Publikation anschaulich<br />

zwei Momente menschlichen Handelns: Krise und Routine.<br />

Sie sehen in der persönlichen Krisenlösung ein Potenzial<br />

ästhetischer Erfahrung, die Basis von jeglicher Erkenntnis<br />

ist. Zur Krisenlösung bedarf es an Schlüsselkompetenzen, die<br />

Kinder und Jugendliche als Engagierte in <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

erfahren und erlernen.<br />

Die landesweite Förderung von <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> stellen<br />

annette Schwandner vom Ministerium für Wissenschaft und<br />

<strong>Kultur</strong> und marion heuer vom Kultusministerium im zweiten Teil<br />

dar. Die Entwicklung und den Stand der Dinge zeigt die Redaktion<br />

in Vertretung der lKJ in Form ihrer aktuellsten Datenerhebung<br />

und in einem Interview mit dem Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong><br />

<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“. Zu der Frage, wie durch Lehrer-Fortbildungen<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung in <strong>Schule</strong>n qualitativ verbessert werden<br />

kann, geben thomas lang und claudia wenzel von der Bundesakademie<br />

für kulturelle Bildung Wolfenbüttel am Beispiel der<br />

Qualifizierung „Filmlehrer“ Antwort.<br />

Beispiele regionaler Gesamtkonzepte zur Förderung von <strong>Kultur</strong>eller<br />

Bildung in <strong>Schule</strong> kommen aus Hannover, Oldenburg und<br />

Osnabrück. Gelungene Vernetzungen einzelner Institutionen<br />

zeigen Katrin tesch löwensprung und anke Persson vom Theaterpädagogischen<br />

Zentrum Hildesheim und wolfgang Pruisken<br />

von der Landesarbeitsgemeinschaft Zirkus. Alle Vernetzungsmodelle<br />

sind im dritten Teil des Heftes zu finden.<br />

Vor- und GruSSworte _7<br />

Im vierten und fünften Teil werden aus unterschiedlichen Spar-<br />

ten und verschiedenen Wirkungsfeldern exemplarisch Koopera-<br />

tionen zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong> präsentiert. Die Sammlung<br />

hegt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern bildet im<br />

Querschnitt die Praxis-Vielfalt der niedersächsischen Bildungslandschaft<br />

ab.<br />

Trotz einer Vielzahl von vorbildlichen Kooperationsprojekten<br />

verursacht der Umgang mit dem Allheilmittel Risiken. Nur wer<br />

ist der Apotheker, der befragt werden kann? Die Hirnforschung<br />

belegt, dass das menschliche Gehirn auf Impulse angewiesen<br />

ist, nur dann kann es vernetzen, umformen und gestalten.<br />

Risiken werden durch Impulse <strong>Kultur</strong>eller Bildung neutralisiert.<br />

Das ist Grund genug, weiterhin Ideen zu entwickeln und<br />

sie in die Welt zu schicken.<br />

Die Forschung der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung ahnt zudem, dass kreatives<br />

Tun für die Entwicklung und Selbstwirksamkeit von Kindern<br />

und Jugendlichen förderlich ist, aber sucht weiterhin nach geeigneten<br />

Messverfahren, um die Auswirkung <strong>Kultur</strong>eller Bildung zu<br />

belegen.<br />

Lehrer/innen und <strong>Kultur</strong>schaffende mit Kooperationserfahrungen<br />

kennen die Risiken, nehmen sie aber für die positiven<br />

Nebenwirkungen in Kauf. Kinder und Jugendliche, die an <strong>Kultur</strong><br />

teilhaben, genießen und nutzen die heilsame Wirkung des<br />

Mittels „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ längst. Bleibt zu hoffen, dass es<br />

für „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ auf allen Ebenen weitere Impulse<br />

geben wird, die die Risiken neutralisieren werden und positive<br />

Effekte, wie die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, im<br />

Bildungskanon mit sich bringen.


1. ForSchunG<br />

und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />

„<strong>Kultur</strong>elle Bildung in den Künsten und durch sie ist integraler Bestandteil der allgemeinen<br />

Bildung von Anfang an. Sie ermöglicht und befördert Selbstbildungsprozesse wie Wahrnehmung,<br />

Verhalten, Werthaltungen, Identität sowie Lebensgestaltung. Sie erweitert eine Vielzahl<br />

individueller und sozialer Kompetenzen und stärkt gesellschaftspolitische Verantwortungsfähigkeit.<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung sensibilisiert für unterschiedliche kulturelle Bedeutungssysteme<br />

und stärkt kreativ-künstlerische Entwicklungsprozesse. [...] Einen besonderen Platz hat die<br />

kulturelle Bildung in der <strong>Schule</strong>. Hier ist sie Bildung in den Künsten, aber auch Bildung zur<br />

Orientierung in der Welt durch die Künste.“<br />

(Stellungnahme des Deutschen <strong>Kultur</strong>rats, „<strong>Kultur</strong>elle Bildung in der <strong>Schule</strong>“, Berlin, 7. Januar 2009)


© Jonas Gonell<br />

ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _9<br />

1.1 warum SInd dIe Sterne So unordentlIch VerteIlt?<br />

üBer dIe PotenzIale FrühKIndlIcher <strong>Kultur</strong>eller BIldunG<br />

Vanessa-Isabelle reinwand<br />

Prof. Dr., Juniorprofessorin für <strong>Kultur</strong>elle Bildung am Institut für<br />

<strong>Kultur</strong>politik der Universität Hildesheim<br />

Der Denkanstoß von Fischli/Weiss: „Warum sind die Sterne<br />

so unordentlich verteilt?“ in ihrem kreativen Büchlein „Findet<br />

mich das Glück?“ führt uns geradewegs hinein in das Thema<br />

der Forschung über die Umsetzung frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller<br />

Bildung. Damit ist im Folgenden <strong>Kultur</strong>elle Bildung für Kinder<br />

der Altersgruppe von 0 bis 10 Jahren, also im Kindergarten-<br />

und Grundschulalter gemeint. Man kann auf die ungewöhnliche<br />

Frage der beiden Autoren mindestens drei Impulse mit Blick<br />

auf das Feld der frühkindlichen <strong>Kultur</strong>ellen Bildung anführen.<br />

Potenziale frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

Der erste Denkimpuls widmet sich dem Verständnis von Bildung,<br />

wenn wir die oben genannte Frage als diejenige eines<br />

Kindes verstehen, das Welt begreifen möchte. In der in den<br />

letzten Jahren wieder neu aufgeworfenen Diskussion um frühkindliche<br />

(<strong>Kultur</strong>elle) Bildung geht man von der Grundannahme<br />

aus, dass Lern- und (Selbst-)Bildungsprozesse besonders in<br />

den ersten Jahren durch konkrete Lernanlässe (Personen, Gegenstände,<br />

Situationen...) der Lebenswelt motiviert sind. Die<br />

Aufgabe, insbesondere von <strong>Kultur</strong>eller Bildung, liegt darin, die<br />

kindliche Art und Weise Welt zu entdecken, sich neugierig Wissen<br />

anzueignen und Erfahrungen zu machen und zu unterstützen.<br />

Es gilt, eine Atmosphäre zu schaffen, in der immer wieder<br />

neue Fragen aufgeworfen, aber diese nicht sofort abschließend<br />

und erschöpfend durch einen Erwachsenen beantwortet<br />

bzw. gelenkt werden. Das geeignete Medium, durch das diese<br />

Form der Weltaneignung und Selbstbewusstwerdung geschehen<br />

kann, bilden die Künste wie Musik, Tanz, Theater, Bildende<br />

Kunst, Zirkus etc., die sinnliche Möglichkeitsräume darstellen<br />

ohne ein festes Curriculum vorzugeben.<br />

Es ist also, dem skizzierten Bildungsverständnis folgend,<br />

nicht die Intention von frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung, aus<br />

Kindern professionelle Künstler/innen zu machen oder sie<br />

grundsätzlich schon als solche anzusehen, sondern sinnliche<br />

Lern- und Bildungsprozesse zu ermöglichen und zu begleiten.<br />

Kinder lernen in den ersten Jahren vor allem durch konkrete,<br />

dingliche Erfahrungen, welche künstlerisches Handeln zahlreich<br />

zur Verfügung stellt. Ästhetische Symbole nehmen dabei<br />

die Funktion von „Übergangsobjekten“ (Winnicott 1985) ein,<br />

wie Mollenhauer (1996, S. 260) feststellt, d. h. sie vermitteln<br />

zwischen der Innenwelt des Kindes und der äußeren sozialen<br />

Realität. So fördert z. B. eine qualitativ hochwertige musikalische<br />

Bildung Basisfähigkeiten wie Zuhören, Aufmerksamkeit<br />

und Sprachkompetenzen durch die Auseinandersetzung<br />

mit Tonhöhe, Rhythmus, Melodie oder auch das Einhalten<br />

von Pausen. Theater dagegen lebt von sinnlich erfahrbarem<br />

Textverständnis, kann soziales und kommunikatives Verhalten<br />

befördern (vgl. z. B.. Liebau/Klepacki/Zirfas 2009) und<br />

unterstützt die Erprobung verschiedener Wirklichkeiten und<br />

die Mentalisierung, d. h. die für sprachliche Prozesse wichtige<br />

Fähigkeit, andere als „geistige Akteure“ (Tomasello 2006,<br />

S. 228) zu verstehen. Im Tanz wiederum können motorische<br />

Fähigkeiten entwickelt werden, die Ausbildung eines Raum-<br />

und Körpergefühls (z. B. Westphal 2008) wird unterstützt und<br />

die Selbstwahrnehmung reflektiert. In der frühen Beschäftigung<br />

mit Bildender Kunst stehen wieder andere Potenziale<br />

im Mittelpunkt: Materialerfahrung, Veränderung von Perspektiven,<br />

aktive Gestaltung der Umwelt und dadurch verstärkte<br />

Beziehungserfahrungen (vgl. z. B. Peez 2005).<br />

Leicht ließe sich diese „Potenzial-Liste“ auf andere Kunstsparten<br />

und natürlich auch um zusätzliche Dimensionen erweitern.<br />

Wie die unterschiedlichen Künste tatsächlich rezeptiv<br />

und/oder produktiv auf Kinder wirken, hängt also stark von<br />

der Kunstsparte ab, jedoch auch vom jeweiligen Angebot, der<br />

Qualität und Professionalität der Durchführung und nicht zu-<br />

letzt von der Individualität jedes einzelnen Kindes, was die<br />

Transfer- und Wirkungsforschung der Kuturellen Bildung<br />

schwierig gestaltet. Zudem <strong>macht</strong> es wenig Sinn, (frühe)<br />

kulturelle Bildungsangebote isoliert von der Lebenswelt<br />

der Kinder zu untersuchen, was jedoch für eine eindeutige<br />

Kausalität zwischen Intervention und Entwicklung wissenschaftlich<br />

notwendig wäre.<br />

Dennoch attestieren – meist aufgrund von methodisch gestützten<br />

Beobachtungen – (Forschungs-)Projekte in Niedersachsen,<br />

Potenziale frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung (Landeshauptstadt<br />

Hannover, Fachbereich Bildung und Qualifizierung)<br />

oder positive Transfereffekte wie mit „Zeig mal – lass<br />

hören!“ (Universität Hildesheim). Bei einigen Projekten wie<br />

„Mit Musik geht manches besser!“ (Technische Universität<br />

Braunschweig) oder „Musik, Malen und die kindliche Entwicklung“<br />

(Universitätsmedizin Göttingen) darf man auf die Ergebnisse<br />

gespannt sein. Das Niedersächsische Institut für frühkindliche<br />

Bildung und Entwicklung (nifbe) trägt dazu bei, dass<br />

auch in der Ästhetischen und <strong>Kultur</strong>ellen Bildung nach und<br />

nach aussagekräftige Ergebnisse entstehen. Und das Kompetenzzentrum<br />

Frühe Kindheit Niedersachsen an der Universität<br />

Hildesheim stärkt die interdisziplinäre Forschung in Bezug auf<br />

diese Altersgruppe und besitzt eine eigene Forschungseinheit<br />

zum Thema „Ästhetisch-<strong>Kultur</strong>elle Bildung“. Insgesamt sind<br />

die Künste in ihrer jeweiligen und individuellen Wirkungsweise<br />

jedoch noch ungenügend erforscht. Im Bereich der Effekte<br />

früher musikalischer Bildung und Bewegungsförderung existieren<br />

wohl derzeit die meisten Studien, andere Sparten sind<br />

noch weit weniger ergründet.<br />

Frühkindliche <strong>Kultur</strong>elle Bildung für alle in niedersachsen?<br />

„Warum sind die Sterne so unordentlich verteilt?“ In einer zweiten<br />

Lesart können wir diese Eingangsfrage als Anstoß nehmen,<br />

um über Chancengerechtigkeit in der frühen <strong>Kultur</strong>ellen<br />

Bildung und eine „<strong>Kultur</strong>politik für Kinder“ (Schneider 2009)<br />

nachzudenken. Das Recht aller Kinder auf Teilhabe am kultu-


10_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />

rellen und künstlerischen Leben ist in der UN-Kinderrechtskonvention<br />

„Übereinkommen über die Rechte des Kindes“<br />

(1989) in Artikel 31 festgehalten. Im Bildungsauftrag der niedersächsischen<br />

Tageseinrichtungen für Kinder (2002) werden<br />

immerhin als Lernziele die Stärkung der Persönlichkeit und<br />

auch die Förderung von „Erlebnisfähigkeit, Kreativität und<br />

Fantasie“ (§2(1)) formuliert, während im Niedersächsischen<br />

Schulgesetz (2011) in dem analogen § 2 (1) „Bildungsauftrag<br />

der <strong>Schule</strong>n“ Schüler/innen sehr allgemein befähigt werden<br />

sollen, „nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse<br />

und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten“. Auch die<br />

Niedersächsische Verfassung (1993) vermittelt mit der knappen<br />

Äußerung – „Das Land, die Gemeinden und die Landkreise<br />

schützen und fördern Kunst, <strong>Kultur</strong> und Sport“ (Artikel 6) –<br />

nicht gerade den Anschein eines <strong>Kultur</strong>staates.<br />

An diesen Stellen wie auch durch die Bundesländerstudie<br />

„<strong>Kultur</strong>politik für Kinder“ (Schneider 2009) gewinnt man insgesamt<br />

den Eindruck, dass (frühe) <strong>Kultur</strong>elle Bildung und die<br />

Verstetigung in Form von kulturpolitischen Konzepten für<br />

Kinder in Niedersachsen noch deutlichen Nachholbedarf besitzt.<br />

In den letzten Jahren sind zwar viele sinnvolle Kita- und<br />

Schulprojekte über die Initiative „Musikland Niedersachsen“<br />

des Ministeriums für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK) angestoßen<br />

worden, allerdings führt diese Entscheidung dazu,<br />

dass andere Kunstsparten dauerhaft im Schatten stehen.<br />

Auch durch eine „Rahmenvereinbarung zwischen der LKJ und<br />

dem Niedersächsischen Kultusministerium“ (2004) und einer<br />

Zielvereinbarung mit dem MWK und dem Koordinationsbüro<br />

„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ (2005) wurde viel erreicht. Um nachhaltige<br />

Konzepte zu befördern, mangelt es jedoch nach wie vor an<br />

vertikalen wie horizontalen Netzwerken (vgl. auch Schneider<br />

2009, S. 75): zwischen Kitas, <strong>Schule</strong>n und <strong>Kultur</strong>einrichtungen,<br />

zwischen Einrichtungen auf kommunaler Ebene und in<br />

der Zusammenarbeit der drei Zuständigkeiten <strong>Kultur</strong>, Kultus<br />

und Jugend/Soziales auf der föderalen Ebene. Nicht zuletzt<br />

erschwert die Fläche des Landes Niedersachsen eine „ordentliche<br />

Verteilung der Kunststerne“ auf alle Kinder, in urbanen<br />

wie ländlichen Gebieten.<br />

<strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>:<br />

eine stabile Partnerschaft in niedersachsen?<br />

Daran anknüpfend, beschäftigt sich ein dritter und letzter Frageimpuls<br />

mit dem Status quo früher kultureller Bildungsprojekte<br />

mit und in Kitas sowie <strong>Schule</strong>n im Land Niedersachsen. Auch<br />

hier gibt es zahlreiche „Sterne“, die jedoch längst nicht den Alltag<br />

in den Bildungseinrichtungen darstellen. Positiv beispielhaft<br />

erwähnt sei hier die Tanzcompagnie Fredeweß, die seit Jahren<br />

Tanzprojekte in Kooperation mit <strong>Schule</strong>n durchführt. Aber auch<br />

gelungene Kita-Projekte wie das „Mobile Atelier“ zeigen, dass<br />

Künstler/innen und Bildungseinrichtungen durchaus harmonisch<br />

zusammenarbeiten können, wenn auch die Herangehensweisen,<br />

Vorstellungen über Kunst und Pädagogik sowie die Zeitrhythmen<br />

oft – verständlicherweise – sehr unterschiedlich sind.<br />

Abschließend, wenn man alle engagierten Initiativen, die hier<br />

nicht zur Erwähnung kommen konnten, in das Blickfeld nimmt,<br />

ist zu konstatieren, dass sich in Niedersachsen die Akteure<br />

von <strong>Kultur</strong>einrichtungen und Kitas/<strong>Schule</strong>n durchaus schon<br />

gegenseitig öfter besuchen – der eine ist allerdings immer<br />

noch „nur“ Gast im Haus des anderen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.uni-hildesheim.de<br />

lIteratur:<br />

Fischli, Peter/weiss, david (2007): Findet mich das Glück?<br />

Köln.<br />

landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung niedersachsen/<br />

niedersächsisches Kultusministerium (2004):<br />

Rahmenvereinbarung zur Zusammenarbeit an öffentlichen<br />

Ganztagesschulen. [http://lkjnds.de/index.php?kms_in_<br />

aller_kuerze, 07. 12. 2011].<br />

liebau, eckart/Klepacki, leopold/zirfas, Jörg (2009):<br />

Theatrale Bildung: Theaterpädagogische Grundlagen und<br />

kulturpädagogische Perspektiven für die <strong>Schule</strong>. Weinheim.<br />

mollenhauer, Klaus (1996): Grundfragen ästhetischer<br />

Bildung. Theoretische und empirische Befunde zur<br />

ästhetischen Erfahrung von Kindern. Weinheim.<br />

niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und<br />

entwicklung (2011): Transfer- und Forschungsprojekte<br />

im nifbe. Projektreader [http://nifbe.de/pages/posts/<br />

nifbe-kongress-zeigt-wege-zur-kita-2020-auf-381.php,<br />

10. 10. 2011].<br />

niedersächsisches Kultusministerium (2002): Gesetz über<br />

Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) in der Fassung vom<br />

7. Februar 2002 (Nds.GVBL. Nr.6/ 2002, S. 57).<br />

[www.schure.de/2113003/kitag.htm#p1, 07.12. 2011].<br />

niedersächsisches Kultusministerium (2011): Niedersächsisches<br />

Schulgesetz (NSchG). [www.mk.niedersachsen.de/<br />

portal/live.php?navigation_id=24742&article_id=6520&_<br />

psmand=8, 07.12. 2011].<br />

niedersächsischer landtag (1993): Niedersächsische<br />

Verfassung vom 19. Mai 1993. [www.recht-niedersachsen.<br />

de/verfnds/verfin.htm, 07. 12. 2011].<br />

Peez, Georg (2005): Evaluation ästhetischer Erfahrungs-<br />

und Bildungsprozesse. München.<br />

Schneider, wolfgang (2009): <strong>Kultur</strong>politik für Kinder. Eine<br />

Studie über das Recht auf ästhetische Erfahrung und<br />

künstlerische Praxis in Deutschland. München.<br />

tomasello, michael (2006): Die kulturelle Entwicklung des<br />

menschlichen Denkens. Berlin.<br />

Vereinte nationen (1989): UN-Kinderrechtskonvention.<br />

Übereinkommen über die Rechte des Kindes. [www.national-<br />

coalition.de/pdf/UN-Kinderrechtskonvention.pdf, 10.10. 2011].<br />

westphal, Kristin (2008): „Ertanzte Räume. Körper.<br />

Bewegung.Raum“. In: Klepacki, Leopold / Liebau, Eckart<br />

(Hrsg.). Tanzwelten. Münster, S. 45 – 64.<br />

winnicott, donald (1985): Vom Spiel zur Kreativität. Stuttgart.


1.2 daS <strong>Kultur</strong>ell lernende GehIrn<br />

neuroBIoloGISche GrundlaGen <strong>Kultur</strong>eller BIldunG<br />

Kristian Folta-Schoofs<br />

Prof. Dr., Juniorprofessur für Neurobiologische Grundlagen des<br />

Lernens am Institut für Psychologie, Universität Hildesheim,<br />

Mitglied der interdisziplinären Sprechergruppe des Kompetenzzentrums<br />

Frühe Kindheit Niedersachsen<br />

In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Bild vom Menschen<br />

durch die Vorstellung eines „Homo oeconomicus“ geprägt –<br />

einem vorwiegend rational und logisch denkenden Wesen, dessen<br />

allgemeine Informationsverarbeitung Wissenschaftler/<br />

innen weitestgehend vollständig durch die Prinzipien der rationalen<br />

Vernunft und der logischen Analyse von Zusammenhängen<br />

der Welt geleitet ansahen. Der Kerngedanke von Bildung reduzierte<br />

sich entsprechend eines solchen Menschenbildes auf die<br />

Vermittlung von Faktenwissen und rationalen Problemlöse- und<br />

Denkstrategien. Heute widersprechen die neuesten hirnbiologischen<br />

Erkenntnisse der Neurowissenschaften einer primär von<br />

der Vernunft geleiteten Sichtweise vom menschlichen Erleben<br />

und Verhalten. Im Gegensatz zum Menschenbild eines „Homo<br />

oeconomicus“ lassen die Erkenntnisse der Neurowissenschaftler/<br />

innen vermuten, dass der Mensch und dessen alltägliche Erlebens-<br />

und Verhaltensweisen durch vielfältige wechselseitige<br />

Abhängigkeiten zwischen sozialen, emotional-ganzheitlichen<br />

sowie rational-logischen und sequenziell-analytischen Wahrnehmungs-,<br />

Lern- und Bewertungsprozessen beeinflusst wird.<br />

Mit der Anerkennung neurowissenschaftlicher Methoden und<br />

Erkenntnisse, veränderte sich in den vergangenen zehn Jahren<br />

auch die Diskussion um die Inhalte und Ziele frühkindlicher und<br />

kindlicher Bildungsprozesse. Aus dem neuen Menschenbild ist<br />

die Idee einer pädagogisch sinnvollen Integration von analytischen<br />

und emotional-ganzheitlichen Wahrnehmungs-, Lern-<br />

und Bewertungsprozessen erwachsen. Sie trägt gegenwärtig in<br />

einem ganz entscheidenden Maße dazu bei, dass die öffentlich<br />

geführte Diskussion um die Bedeutung von <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

für eine hirngerechte kindliche Entwicklung und sinnvolle pädagogische<br />

Förderung eine wachsende Zahl an Fürsprechern<br />

erhält. Schließlich wird die/der Lernende im Zuge einer erfolgreichen<br />

kulturellen Lernentwicklung in einem ganz besonderen<br />

Ausmaß dazu befähigt, sich selbst und der eigenen sozialen<br />

und gegenständlichen Welt sowohl rational als auch sozio-emo-<br />

tional kompetent begegnen zu können. Von Seiten der Neurowissenschaften<br />

erhoffen sich die Befürworter und Protago-<br />

nisten <strong>Kultur</strong>eller Bildung vielerlei Antworten zu bisher ungelösten<br />

Fragen einer altersgerechten und entwicklungsförderlichen<br />

Gestaltung von Inhalten und Rahmenbedingungen<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Lernens.<br />

Neurowissenschaftlich gesehen, beinhaltet das <strong>Kultur</strong>elle Lernen<br />

alle zeitlich langfristigen Veränderungen von neuronalen<br />

Strukturen und Prozessen, die zu Veränderungen im Verhalten<br />

oder Verhaltenspotenzial führen und ganz unmittelbar an<br />

kulturelle Erfahrung, Übung und/oder Beobachtung gebunden<br />

sind. Die neurobiologische Ausformung und Strukturierung von<br />

ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _11<br />

erlebens- und verhaltensrelevanten Hirnregionen, die einer so<br />

komplexen Lernform wie dem <strong>Kultur</strong>ellen Lernen zugrunde liegen,<br />

erfolgt mit hoher Wahrscheinlichkeit erst ab dem dritten<br />

Lebensjahr, erreicht mit etwa dem 12. Lebensjahr einen vorläufigen<br />

Höhepunkt und gilt mit dem Erreichen des 25. Lebensjahres<br />

als weitestgehend abgeschlossen. Die Tatsache, dass<br />

das Gehirn des Menschen im Prinzip bis ins hohe Lebensalter<br />

hinein strukturellen und funktionalen Veränderungen unterworfen<br />

sein kann, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />

die neuronalen Voraussetzungen einer erfolgreichen <strong>Kultur</strong>ellen<br />

(Weiter-)Bildung im Erwachsenenalter bereits während<br />

der ersten Lebensjahre geschaffen werden. Daher tragen die<br />

individuellen Lern- und Sozialisationserfahrungen der ersten<br />

Lebensjahre eines Kindes ganz maßgeblich dazu bei, welche<br />

Gewichtungen den rationalen und emotionalen Verarbeitungsprozessen<br />

für den Aufbau des eigenen Weltwissens und die<br />

aus solchem Wissen abgeleitete eigene Sicht auf die belebte<br />

und unbelebte Natur zukommt. Solchen komplexen Veränderungen<br />

gehen einige bedeutsame Hirnentwicklungen voraus,<br />

die sich während der ersten drei Lebensjahre eines Kindes<br />

beobachten lassen. So stabilisieren und strukturieren sich im<br />

Zuge von ersten frühkindlichen Erfahrungen zunächst die für<br />

die Willkürmotorik und Körpersensibilität verantwortlichen<br />

zentralen Hirnrindenbereiche, gefolgt von Hirnrindenarealen,<br />

die dem visuell-räumlichen Sehen, der Koordination von<br />

Seheindrücken und der Generierung von visuell geleiteten motorischen<br />

Handlungen zugrunde liegen.<br />

Die für komplexe Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse,<br />

die Steuerung und Bewertung von sozialen Interaktionen<br />

und für Entscheidungen und Problemlösungen erforderlichen<br />

Informationsverarbeitungsnetzwerke der assoziativen Hirnrinde<br />

(dem sogenannten Assoziationscortex) entwickeln sich<br />

in wesentlichen Teilen erst nach dem dritten Lebensjahr. Da<br />

diese Fähigkeiten eine unerlässliche Grundlage für kulturelle<br />

Lernprozesse darstellen, kann <strong>Kultur</strong>elle Bildung nach neurowissenschaftlichem<br />

Verständnis erst zwischen dem 3. und 12.<br />

Lebensjahr erfolgreich dazu beitragen, dass Informationen der<br />

Welt emotional-ganzheitlich und sequenziell-logisch analysiert,<br />

und in der Folge einer solchen Analyse, integrierte Weltsichtrepräsentationen<br />

konstituiert werden, die dem Kind im gleichen<br />

Ausmaß rationale wie emotionale und ganzheitliche Betrachtungsweisen<br />

ermöglichen.<br />

Derartige, im Zuge von <strong>Kultur</strong>eller Bildung angestoßene Prozesse<br />

manifestieren sich vor allem im limbischen System des Gehirns,<br />

das aus einem funktionalen Netzwerk von Hirnbereichen<br />

besteht, welches sich für Lern- und Gedächtnisprozesse, die Generierung,<br />

Festigung und Differenzierung von Weltwissen und<br />

die emotionale Verarbeitung und Wertung von Sinnesinformationen<br />

verantwortlich zeichnet. Innerhalb des limbischen Systems<br />

lassen sich zwei bedeutsame neuronale Schaltkreise, den<br />

Papez-Neuronenkreis und basolateral-limbischen Kreis voneinander<br />

unterscheiden. Während dem Papez-Neuronenkreis eine


12_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />

dominante Rolle für die sachlich-logische Analyse zukommt,<br />

spielt der basolateral-limbische Kreis eine dominantere Rolle<br />

für die emotionale Analyse abzuspeichernden Weltwissens.<br />

Beide Schaltkreise verfügen über gemeinsame Schnittstellen<br />

und wechselseitige Projektionen, die eine Kommunikation<br />

zwischen beiden Neuronenkreisen ermöglichen. Zudem finden<br />

sich die Kreisläufe sowohl in der linken wie auch in der rechten<br />

Hirnhälfte und können sich wechselseitig interhemisphärisch<br />

beeinflussen.<br />

Einige Wissenschaftler/innen argumentieren, dass emotionales<br />

und ganzheitliches Weltwissen mit raum-zeitlichen und<br />

persönlichen Bezügen im Assoziationscortex der rechten Hemisphäre<br />

repräsentiert und dominant über diese Hirnhälfte<br />

abgerufen wird. Emotionsfreies analytisches Wissen der Welt<br />

soll hingegen dominant in der linken Hirnhälfte gespeichert<br />

und auch von dort abgerufen werden. Wäre diese Sichtweise<br />

korrekt, so stellt sich die Frage, wie es zu einer funktionalen<br />

Spezialisierung der beiden Hirnhälften in Bezug auf die Einspeicherung<br />

und den Abruf von Wissensinhalten kommen kann.<br />

Hier lässt sich bisher nur vermuten, dass bereits während der<br />

Festigung und dauerhaften Abspeicherung des Weltwissens<br />

die Prozesse des Papez-Neuronenkreises und des basolateral-<br />

limbischen Kreises in beiden Hemisphären unterschiedlich<br />

stark gewichtet werden. So könnte dem basolateral-limbischen<br />

Kreis der linken Hirnhälfte nur eine sehr geringe Bedeutung für<br />

die emotionale Festigung des Weltwissens zukommen. Dadurch<br />

würde der Konstitutionsprozess der linken Hirnhälfte Informationen<br />

stärker emotionsfrei (d. h. dominant durch den Papez-<br />

Neuronenkreis) kodieren und diese als emotionsfreies und analytisches<br />

Faktenwissen im Assoziationskortex derselben Seite<br />

dauerhaft repräsentieren. In der rechten Hirnhälfte könnten<br />

hingegen die Prozesse des basolateral-limbischen Kreislaufs<br />

dominant berücksichtigt werden. Entsprechend einer solchen<br />

Sichtweise von lateralisierten Verhaltensfunktionen würde <strong>Kultur</strong>elles<br />

Lernen dazu anleiten, dass Informationsverarbeitungsprozesse<br />

der linken und rechten Hirnhälfte im gleichen Maße<br />

zu Wahrnehmungs-, Denk- und Entscheidungsprozessen des<br />

Kindes beitragen können.<br />

Zusammenfassen lässt sich aus den wenigen bisher verfügbaren<br />

Erkenntnissen der Neurowissenschaften ableiten, dass der<br />

für <strong>Kultur</strong>elle Bildung sinnvoll anzusetzende Zeitraum zwischen<br />

dem 3. und 12. Lebensjahr gesetzt werden sollte, wenngleich<br />

ganz unbestritten auch in späteren Lebensjahren Förderungen<br />

durchaus noch sinnvoll sein können. Dennoch wird das heranwachsende<br />

Kind in jüngeren Lebensjahren in einem besonderen<br />

Maße dazu befähigt, die grundsätzlich verfügbaren Ebenen analytischer<br />

und emotionaler Wahrnehmungs-, Denk- und Bewertungsweisen<br />

in einem vergleichbaren Ausmaß zu gewichten. Die<br />

Grundlage für solche Gewichtungen bilden dauerhafte Modulationen<br />

der Informationsverarbeitung innerhalb und zwischen<br />

den beiden Hirnhälften, die auch eine bedeutende Grundlage<br />

der Persönlichkeitsbildung darstellen könnten. Einer potenziellen<br />

Ausweitung des Konzeptes der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung auf die<br />

ersten drei Lebensjahre eines Kindes sollte angesichts der bisherigen<br />

Befunde zur kindlichen Hirnentwicklung eher kritisch<br />

begegnet werden.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.fruehe-kindheit-niedersachsen.de<br />

lIteratur:<br />

afifi, adel K./Bergmann, ronald a. (2005):<br />

Functional Neuroanatomy. 2nd edition. New York.<br />

Kandel, eric r./Schwartz, James h./Jessell, thomas m. (2000):<br />

Principles of Neural Science. 4th Edition. New York.<br />

Pritzel, monika/Brand, matthias/markowitsch,<br />

hans J. (2003): Gehirn und Verhalten: Ein Grundkurs der<br />

physiologischen Psychologie. Heidelberg.<br />

Purves, dale/Brannon, elizabeth m./cabeza, roberto/<br />

huettel, Scott a./laBar, Kevin S./Platt, micheal l./woldorff,<br />

marty G. (2008): Principles of Cognitive Neuroscience.<br />

Sunderland, Mass.<br />

© Schäflein & Himmelreich (Bildrechte: LKJ Nds e.V.)


1.3 QuarKS & wIrKS<br />

VernetzteS denKen und handeln In der <strong>Kultur</strong>ellen BIldunG<br />

Juliane Steinmann<br />

Dipl.-<strong>Kultur</strong>pädagogin, Theaterpädagogin, Gastdozentin an der<br />

Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)<br />

Hildesheim<br />

Der Physiker Nick Herbert vergleicht die Erforschung von Quanten<br />

mit dem Schicksal König Midas’, der niemals etwas anfassen<br />

konnte, ohne dass es sich sofort zu Gold verwandelte:<br />

Genauso können wir, laut Herbert, niemals die wahre Struktur<br />

der Quanten erfahren, ohne diese gleichzeitig – allein durch<br />

unsere Beobachtung – in Material umzuwandeln (vgl. Bohm/<br />

Peat 1990, S. 33). 1 Macht es also Sinn, Eigenschaften und Qualitäten<br />

von subatomaren Partikeln zu bestimmen, wenn diese<br />

ausschließlich in Anwesenheit eines Beobachters auftreten 2<br />

(vgl. ebd., S. 35)? Weiter fand David Bohm, Atomphysiker, dass<br />

manche Dinge auf Quantenebene sich in klarer Ordnung befanden,<br />

andere scheinbar in Unordnung. Bei näherer Untersuchung<br />

stellte sich jedoch heraus, dass die Unordnung tatsächlich eine<br />

höhere Ordnung darstellte und deshalb schwerer zu erkennen<br />

war (vgl. ebd., S. 40 ff.).<br />

Subatomare Partikel zeichnen sich durch ihre Wandelbarkeit<br />

und Bewegung aus. Quanten sind auf subatomarer Ebene in<br />

ihrer Position nicht festgelegt. Sie können überall zugleich und<br />

insofern auch nicht von etwas anderem getrennt sein. Physiker/<br />

innen nennen das „Nonlocality“ (Nicht-Ortsgebundenheit) –<br />

eine überraschende Ähnlichkeit mit dem, was wir seit einigen<br />

Jahren über die Funktionsweise unseres Gehirns und Nervensystems<br />

erfahren (vgl. Bauer 2006). Der Anteil unserer Erfahrungen,<br />

in Netzwerken unseres Gehirns multidimensional und<br />

nicht-lokal gespeichert, hat einen höheren Anteil an der Bewertung<br />

unserer Sinneswahrnehmung als die Signale, die durch die<br />

Sinnesorgane an das Gehirn geleitet werden. Was wir also bereits<br />

kennen und wissen, bestimmt das, was wir wahrnehmen<br />

und verstehen. Die Vorauswahl von Information nimmt somit<br />

einen wesentlichen Teil an der Wahrnehmung ein, die wiederum<br />

stark selektiv ist.<br />

In der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung kennen wir all diese Phänomene:<br />

Den Einfluss von Beobachtern/innen auf den Prozess, die Vieldimensionalität,<br />

die oft sprachlich nicht mehr darstellbar und<br />

begrifflich nicht mehr zu fassen ist. Wir kennen und gestalten<br />

unterschiedlichste Formen von Netzwerken, die beweglich,<br />

verschiebbar und umdeutbar sind. Wir spielen mit Impulsen, die<br />

interferieren und nicht klar zuzuordnen sind. Wir kennen die prozessbedingte,<br />

scheinbare Unordnung, die zufällige Betrachter/<br />

innen als Konzeptlosigkeit oder Leitungsvakuum fehldeuten<br />

können, da sie eine höhere Ordnung darstellt. Wir kennen auch<br />

das tatsächliche Chaos, das uns über den Kopf wächst wie eine<br />

ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _13<br />

unberechenbare Dschungelpflanze. Wir beobachten die Nicht-<br />

Lokalität von Information, die von Kopf zu Kopf, von Gehirnregion<br />

zu Gehirnregion oder zwischen Raum, Körper und Gruppe<br />

hin und her springt. So werden neue Ideen entfacht, Dynamik<br />

gesteigert, gut gemeinte vorstrukturierte Organisation manchmal<br />

unmöglich ge<strong>macht</strong> und dabei mitunter der eigentliche<br />

Spiel- und Arbeitsgenuss erhöht. Kurz: Wir sind trainiert im Erfinden<br />

von Wahrheiten, die immer subjektiv sind und dabei die<br />

eigene, persönliche Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion<br />

wiedergeben. Sie spiegeln die Welt, wie unsere Sinne und<br />

unsere Gehirne sie verstehen und deuten können, im Großen<br />

wie im Kleinen.<br />

In der kulturpädagogischen Arbeit kennen wir den Umgang mit<br />

so unterschiedlichen energetischen Erscheinungsformen wie<br />

Wellen und Teilchen. Wir arbeiten auf den unterschiedlichsten<br />

Lern-, Bewegungs- und Persönlichkeitsebenen, mit verschiedensten<br />

Formen, Mitteln und Methoden, die die Zeit dehnen<br />

oder auch verkürzen können und Wertigkeiten verschieben.<br />

Das ist unser Arbeitsmaterial.<br />

Obwohl wir das kennen und wissen, Bücher über Konstruktivismus<br />

in unseren Regalen stehen und wir die neuesten Erkenntnisse<br />

der Gehirnforschung beim Frühstücksbrunch verhandeln,<br />

versuchen wir, die Wirkungen und Prozesse <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

mehr oder weniger herkömmlich wissenschaftlich zu beobachten<br />

und zu beschreiben. Wir suchen auch etwas, was wir uns<br />

auf die Fahnen schreiben können. Wie König Midas haben wir<br />

es aber sofort nicht mehr mit den eigentlichen Qualitäten von<br />

partizipativer <strong>Kultur</strong>arbeit zu tun, denn wir haben den Gegenstand<br />

der Beobachtung und seine Subjekte bereits in Material,<br />

in Gold, verwandelt – ja, wir suchen auch etwas, was glänzt<br />

und viel wert ist. Und dabei ist die wesentlichste der Qualitäten<br />

sicher das tiefe, seelische, sinnliche, geistige und körperliche<br />

Erleben, dass das Ergebnis kultureller Gemeinschaftproduktion<br />

weit mehr ist als die Summe seiner Bestandteile: die Emergenz<br />

von Ereignissen, die so häufig beschrieben wird und die<br />

ein Grund für die Euphorie ist, mit der wir unsere Anstrengungen<br />

belohnen (vgl. Klepacki 2009, S. 37).<br />

Für die Beobachtung kultureller Bildungsprozesse kommt erschwerend<br />

hinzu, dass wir Phänomene beobachten wollen, die<br />

sich in anderen Menschen abspielen und die wir zusätzlich zu<br />

dieser Schwierigkeit nur durch unser eigenes Wahrnehmungssystem<br />

hindurch aufnehmen können. Unsere Wahrnehmung<br />

setzt sich zusammen in einem Gehirn, das, verkürzt dargestellt,<br />

zunächst dem Überleben dient und nicht der Produktion<br />

von Philosophie und Sinn (vgl. ebd., S. 33). Auch wenn wir<br />

heute wissen, dass wir ein soziales Gehirn haben, das alle<br />

1 Im Original: „Likewise humans can never experience the true texture of quantum reality because everything we touch turns to matter.“<br />

2 Niels Bohr, der Gründungsvater der Quantenphysik, wörtlich: „If subatomic particles only come into existence in the presence of an observer, then it is also<br />

meaningless to speak of a particles properties and characteristics as existing before they are observed.“


14_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />

wesentlichen Kriterien der Wirklichkeitserkennung mit unserem<br />

Umfeld teilt, sind dort für das geordnete Erkennen nicht die bewegten,<br />

die fließenden oder dynamischen Muster vorrangig, die<br />

beispielsweise in komplexen ästhetischen Prozessen wichtig<br />

erscheinen (vgl. Rizzolatti et al. 2008): Wir ordnen die uns umgebende<br />

Welt nach Beständigkeit, nach dem, was wir als feste<br />

Konturen, als Material, als Wiedererkennbares ausmachen und<br />

bestimmen können, und das drückt sich in unserer Sprache aus<br />

wie in allen Ordnungsmustern, die uns helfen, die Unwägbarkeiten<br />

des Lebens zu verkraften (vgl. Capra 1996). 3 Mit Wolf<br />

Singer (2004) gesprochen: „Wir können nur wissen, was das<br />

Gehirn uns zu wissen erlaubt.“<br />

Wir sind die mitgestaltenden Beobachter/innen. Wir beschäftigen<br />

uns immer nur mit der Darstellung, der Abbildung dessen,<br />

was wir als Wirklichkeit erkennen. Aber: Das ist keine Pfeife!<br />

Wahrheit ist eben keine objektive Übereinstimmung der Beschreibung<br />

mit dem Beschriebenen – der Physiker Fritjof Capra<br />

spricht deshalb nur noch von Annäherung statt von Wahrheit.<br />

Drehen wir die <strong>Kultur</strong>elle Bildung durch den Fleischwolf eingeschränkter<br />

Denkmuster, kommen einzelne Erkenntnisstränge<br />

dabei heraus, die durchaus weitere Diskussionen nähren, aber<br />

nicht mehr dem Gesamtzusammenhang gerecht werden können.<br />

Geist und Gehirn stehen, nach Capra, in einem Verhältnis miteinander<br />

wie Prozess und Struktur, oder, um es mit der Quantenphysik<br />

zu sagen: wie Welle und Teilchen (vgl. Capra 1996,<br />

2003). Beide bedingen das Geschehen und beide können einzeln<br />

betrachtet kein komplettes Bild geben von dem Gesamtgeschehen.<br />

Prozess und Struktur sind auch die Koordinaten<br />

der kulturpädagogischen Projektarbeit: Prozess und Struktur,<br />

Raum und Zeit.<br />

Die Problematik der Unbeschreibbarkeit ist, soweit man die<br />

Literatur über theoretische Annahmen zur <strong>Kultur</strong>pädagogik und<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung durchleuchtet, allen Forschenden bekannt.<br />

Sie führt in der wissenschaftlichen Betrachtung zu zwei signifikanten<br />

Reaktionen:<br />

1. Dem allgemein gefühlten Rechtfertigungsdruck wird mit angemessener<br />

wissenschaftlicher Bescheidenheit begegnet<br />

(vgl. Bilstein 2007) 4 , die allenthalben auf den Missstand hinweist,<br />

wie schwer messbar Wirkungen ästhetischer Arbeit und<br />

wie schwer beobachtbar Prozesse seien. Dem folgt unisono<br />

die Beteuerung, keine Heilsversprechen zu machen (vgl. von<br />

Hentschel 2008).<br />

2. Trotz spürbarer Begeisterung und trotz allseitiger Euphorie<br />

wird versucht, entsprechend dem bewährten Muster etwas<br />

Ähnliches wie Objektivität herstellen zu wollen, der Fokus<br />

wird verengt, es wird also selektiert und segmentiert: Handlungsabläufe,<br />

Prozesse, Zustände, Bedingungen, Methoden,<br />

Kriterien usw. werden einzeln analysiert, um wenigstens Teilbereiche<br />

der ästhetischen Erfahrung beschreiben zu können.<br />

Das Universum wird in der Wissenschaft als lebendiges System<br />

begriffen (vgl. von Lüpke 2003). Anders als das Schulsystem,<br />

von dem der Quantenphysiker und Systemiker Gerd Binning<br />

sagt: „Unser Schulsystem ist kein lebendiges System, da es<br />

sehr träge und damit nicht lernfähig ist. <strong>Schule</strong> [sollte] noch<br />

spielerischer sein als das Leben, weil Kinder einen viel größeren<br />

Spieltrieb haben.“ (Binning 2003, S. 144).<br />

Diese Beweglichkeit und Spielbereitschaft finden wir in der<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Hier werden Räume geöffnet, freies Experimentieren,<br />

Spielen, neu Erfinden und Verwerfen ist ungestraft<br />

möglich. Die <strong>Kultur</strong>elle Bildung öffnet „entspannte Räume“ (vgl.<br />

Meyer-Holzapfel 1958), die Sicherheit genauso wie Anregung<br />

bieten und die wir zum Lernen und Wachsen als entscheidende<br />

Grundlage benötigen (vgl. Hermann 2009).<br />

Ich möchte mit meinen Ausführungen dazu ermutigen, die<br />

wissenschaftliche Bescheidenheit respektvoll als notwendige<br />

Übergangshaltung zu verstehen: Sie gestaltet den Übergang zwischen<br />

anfänglichem sympathisch unbedarftem Überschwang<br />

und fröhlich unreflektiertem Aktionismus der 1970er-<strong>Kultur</strong>pädagogik<br />

(vgl. Batz/Schroth 1983), die sich später in eine Phase<br />

der Selbstvergewisserung und tiefernsten Reflexion wandelte.<br />

Gekoppelt mit zunehmend gefühltem Rechtfertigungsdruck,<br />

kam es zu einer Verengung der Begrifflichkeiten, die mehr Genauigkeit<br />

und eine verbesserte Verständigung der Fachleute<br />

untereinander und nach außen ermöglichte. Zurzeit erleben<br />

wir einen gern um sich selbst kreisenden Fokus innerhalb der<br />

Diskussion über <strong>Kultur</strong> und <strong>Kultur</strong>elle Bildung. Man zitiert sich<br />

gegenseitig, man hat sich auf einen Pool von Begriffen geeinigt,<br />

der hin und wieder Züge eines Spiegellabyrinths bekommt.<br />

Eine neue Phase der Forschung in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />

könnte gekennzeichnet sein durch eine selbstbewusste,<br />

konsequent spielerische, reflektierte, dabei aber gedanklich<br />

geweitete Haltung. Diese geweitete Haltung in der kulturpädagogischen<br />

Praxis und Theorie schöpft Impulse aus allen<br />

Disziplinen und Wissenschaftsfeldern, die ihr interessant erscheinen,<br />

unabhängig von ihrer Einordnung als verwandt oder<br />

3 „Der Lebensprozess ist Kognition, wie er von Gregory Bateson und Maturana und Varela definiert wurde. In dieser Aktivität vollzieht sich die ständige Gestaltung<br />

des Organisationsmusters.“<br />

4 Johannes Bilstein geht sogar so weit, darauf hinzuweisen, dass vom Chemieunterricht niemand erwarte, etwas anderes vermittelt zu bekommen als Fachwissen.<br />

René Magritte, "La trahison des images", 1929, (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2012


kunstfern, naturwissenschaftlich, technisch, philosophisch<br />

oder abstrakt. Diese Haltung erlaubt Erkenntnisse aus einer<br />

neuen Interdisziplinarität, die weit über die bisher praktizierte<br />

Zusammenarbeit zwischen den Künsten und den Geistes- und<br />

Sozialwissenschaften hinausgeht. Zu allererst kann man sich<br />

darüber Gedanken machen, ob Bildung und Förderung tatsächlich<br />

die passenden Begriffe sind, um eine neue Denkrichtung<br />

zu transportieren, die viel eher von intrinsischen Faktoren geleitet<br />

wird und natürlichen Impulsen folgt, als vorgegebenen<br />

Mustern. Als nächstes wird man darüber nachdenken müssen,<br />

ob das derzeitige Schulsystem tatsächlich noch ein vertretbarer<br />

Partner für die Anliegen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung sein kann.<br />

Denn, wenn wir die Erkenntnisse anderer Wissenschaftsfelder<br />

ernst nehmen und beispielsweise unser Gehirn nur in Abwesenheit<br />

von Strafe und Angst und am besten in Anwesenheit von<br />

Spaß, Sicherheit, Neugier und Anregung lernen kann, wenn wir<br />

innovatives Denken und Handeln von selbstbestimmten Subjekten<br />

in Gemeinschaft ermöglichen möchten, dann brauchen<br />

wir Partner, die diesen Grundsätzen gerecht werden. In diesem<br />

Zusammenhang wäre auch anzuschauen, wie pädagogische<br />

und ästhetische Herangehensweisen miteinander harmonieren,<br />

und ob Einflüsse aus dem Konstruktivismus, der Systemik<br />

und der Hirnforschung nicht auch ein gründliches Aussortieren<br />

pädagogischer Methoden erforderlich <strong>macht</strong>.<br />

Wir nähern uns dem Verständnis von Wirklichkeit über Metaphern.<br />

Hier liegt ein unglaubliches Potenzial der kulturpädagogischen<br />

Praxis. Wird das inneliegende Potenzial und die allenthalben<br />

erhofften Wirkungsweisen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />

in konkretes Handeln und vernetztes Denken eingebracht,<br />

wird auch gesellschaftliche und politische Wirklichkeit aktiv<br />

neu kreiert. Unser Gehirn als soziales Organ weitet seine Handlungsvorstellungen.<br />

Es kreiert neue Konzepte, es interagiert<br />

mit anderen Gehirnen. Gelingt es uns, für unsere Weiterentwicklung<br />

entspannte Räume zu schaffen, freue ich mich auf<br />

Innovationen, die sich bisher noch nicht denken ließen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.hawk-hhg.de<br />

ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _15<br />

lIteratur:<br />

Batz, michael/Schroth, horst (1983): Theater zwischen Tür<br />

und Angel. Reinbek bei Hamburg.<br />

Bauer, Joachim (2006): Warum ich fühle was Du fühlst.<br />

Hamburg.<br />

Bilstein, Johannes (2007): „Paradoxien des Unnützen“. In:<br />

Bilstein, Johannes (Hrsg.): Curriculum des Unwägbaren.<br />

Oberhausen, S. 176.<br />

Binning, Gerd (2003): „Von der Natur lernen“. In: von Lüpke,<br />

Geseko: Politik des Herzens. Uhlstädt-Kirchhasel, S. 144.<br />

Bohm, david/Peat, david (1990): Das neue Weltbild. München.<br />

capra, Fritjof (1996): Lebensnetz. Das neue Verständnis der<br />

lebendigen Welt. Bern, München, Wien.<br />

capra, Fritjof (2003): „Grundprinzipien systemischen<br />

Denkens“. In: von Lüpke, Geseko: Politik des Herzens.<br />

Uhlstädt-Kirchhasel, S. 85.<br />

von hentschel, hartmut (2008): „Bildungsprozesse durch<br />

Theaterspielen“. In: Pinkert, Ute: Körper im Spiel.<br />

Ucherland, S. 83.<br />

herrmann, ulrich (2009): Neurodidaktik. Grundlagen und<br />

Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen.<br />

Weinheim, Basel.<br />

Klepacki, leopold (2009): „Theater: Was man lernen kann<br />

und was man lernen muss“. In: Vaßen, Florian (2010):<br />

K orrespondenzen. Uckerland, S. 31f.<br />

von lüpke, Geseko (2003): Politik des Herzens.<br />

Uhlstädt-Kirchhasel.<br />

maturana, humberto r./Varela, Francisco J. (1987):<br />

Der Baum der Erkenntnis. Bern, München, Wien.<br />

meyer-holzapfel, martina (1958): „Soziale Beziehungen bei<br />

Säugetieren“. In: Lehmann, Fritz E.: Gestaltungen sozialen<br />

Lebens bei Tier und Mensch. Berlin, S. 87.<br />

rizzolatti, Giacomo et al. (2008): Empathie und Spiegelneurone.<br />

Frankfurt a. M.<br />

Singer, wolf (2004): Unser Menschenbild – Neuere<br />

Erkenntnisse der Hirnforschung. Vortrag Heidelberg 2004,<br />

DVD. Hrsg. Bernd Ulrich: Auditorium Netzwerk.<br />

Müllheim-Baden.<br />

talbot, michael (1992): Holografic Universe. New York, S. 35.<br />

Schu | le, die; -,-en<br />

[griechisch schole¯, „Muße“, „freie Zeit“, „Müßiggang, Nichtstun“] ursprünglich die schöpferische Lehr- und Lerntätigkeit<br />

der griechischen Philosophen und ihrer Schüler; heute noch Bezeichnung für Richtungen in Philosophie, Wissenschaft und<br />

Kunst. Das lateinische Wort schola bezeichnete zuerst die dem Lernen gewidmete Zeit, später den zum Lernen bestimmten<br />

Ort sowie die Ausbildung in den Artes liberales. (Quelle: www.wissen.de, 12.11.2011)


16_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />

1.4 daS PotenzIal äSthetIScher erFahrunGen<br />

der urSPrunG Von <strong>Schule</strong><br />

christoph Schönfelder und henrik cohnen<br />

Dr. Schönfelder und Dr. Cohen sind Gründungsmitglieder der<br />

Initiative ästhetische Erfahrung, Bönen<br />

Das Wort „<strong>Schule</strong>“ ist ein Lehnwort und stammt ursprünglich vom<br />

griechischen Wort „scholē“, das Muße, Ruhe, Innehalten, Zeit für<br />

geistige und zweckfrei Tätigkeiten bedeutet. Es wurde anschließend<br />

in das lateinische Wort „schola“ entlehnt und stand als solches<br />

für gelehrter Vortrag, Vorlesung und Philosophenschule.<br />

Darüber hinaus bezeichnete dieses Wort im antiken Rom die Ruhebank,<br />

als Ort der Erholung und Geselligkeit, und bekam so eine<br />

örtliche Komponente (vgl. Bauer/Baur/Faust-Siehl/Wallaschenk<br />

1999, S. 40f.).<br />

Unter den Begriff „<strong>Schule</strong>“ werden insgesamt vier Bereiche<br />

subsumiert. Der hier verwendete Begriff von „<strong>Schule</strong>“ zielt<br />

auf öffentliche oder private Einrichtungen, die mit der Aufgabe<br />

beauftragt sind, vorwiegend Kindern, Jugendlichen und<br />

jungen Erwachsenen durch planmäßigen Unterricht Wissen,<br />

Erkenntnis, Einsicht und die Fähigkeit zu begründetem Urteil<br />

zu vermitteln (vgl. Brockhaus 2004). Neben der Qualifikation<br />

müssen zusätzlich die Sozialisation, Selektion und Legitimation<br />

als wichtige Funktion der <strong>Schule</strong> angesehen werden.<br />

Wie bereits das ursprüngliche Moment des Wortes „<strong>Schule</strong>“<br />

offenbart, sind Muße, Ruhe, Innehalten und Zeit für geistige<br />

und zweckfreie Tätigkeiten notwendige Voraussetzungen für<br />

ästhetische Erfahrungen. Warum diese Art der Erfahrung für<br />

die Erfüllung der aufgeführten Aufgaben und Funktionen der<br />

<strong>Schule</strong> notwendig ist, offenbart die folgende Beschreibung der<br />

zwei Momente menschlichen Handelns – Krise und Routine – und<br />

der damit einhergehenden drei „Krisentypen“.<br />

Handeln im Alltag wird überwiegend durch Routinen bestimmt.<br />

Z. B. folgen wir in der Regel jeden Morgen denselben Routinen:<br />

Wecker ausschalten, Aufstehen, Anziehen, Zähneputzen, Frühstücken...<br />

Routinen sind Lösungen von Handlungsproblemen,<br />

mit denen wir im Laufe unseres Lebens bereits konfrontiert wurden.<br />

Entweder haben wir uns diese Lösungen selbst erarbeitet<br />

oder wir haben gelungene Lösungen anderer schlicht übernommen.<br />

Tritt jedoch eine Situation ein, in der zur Erreichung eines<br />

bestimmten Handlungsziels, zur Lösung eines bestimmten<br />

Hand-lungsproblems auf keine Routine zurückgegriffen werden<br />

kann, befinden wir uns in der Krise. Denn in der Krise versucht<br />

der Mensch, die ihm fehlende Lösung zu finden, um sein<br />

Handlungsziel zu erreichen. Gelingt ihm dies, so wird er in späteren<br />

vergleichbaren Situationen auf diese Krisenlösung zurückgreifen,<br />

er wird sie, wenn sie sich praktisch bewährt hat,<br />

in eine Routine überführen. Beide Momente, Krise und Routine,<br />

sind folglich für die Erklärung menschlichen Handelns untrennbar<br />

miteinander verknüpft.<br />

Es gibt insgesamt drei unterschiedliche Krisentypen für menschliches<br />

Handeln: Die traumatische Krise, die Entscheidungskrise<br />

und die Krise durch Muße.<br />

Die traumatische Krise hatten Pierce und die Pragmatisten vor<br />

allem im Auge, wenn sie von den Überraschungen durch „brute<br />

facts“ sprachen (vgl. Oevermann 2004, S. 165). Diese Krise<br />

entsteht dann, wenn man mit etwas Unvorhergesehenem konfrontiert<br />

wird (vgl. ebd. und 1998, S. 87). Die Ereignisse können<br />

sowohl negativ als auch positiv empfunden werden (vgl. ebd.<br />

2004, S. 165 und 2008, S. 18). Dieser Krisentyp konstituiert Naturerfahrungen<br />

und leibliche Erfahrungen. Es gilt, dass auf das<br />

überraschende Ereignis nicht nicht reagiert werden kann, da<br />

schon die erste spontane Reaktion zur Krisenlösung zählt (vgl.<br />

ebd. 2004, S. 165).<br />

Die entscheidungskrise kommt von allen Krisentypen am häufigsten<br />

vor. Sie wird immer, im Gegensatz zur traumatischen Krise,<br />

vom Menschen selbst herbeigeführt (vgl. ebd. und 2008, S.<br />

19). Dieser Krisentyp tritt zwangsläufig bei einer Entscheidung<br />

auf. Die Krise wird dadurch ausgelöst, dass man sich für eine der<br />

vielen möglichen Alternativen entscheiden muss, ohne im Zeitpunkt<br />

der Auswahl zu wissen, ob die Gründe für die Auswahl auch<br />

in der Zukunft Bestand haben werden. Darüber hinaus ist die Entscheidung<br />

immer mit einer Selbstrechtfertigung verbunden, die<br />

aus der strukturell erforderlichen Begründung für die konkrete<br />

Entscheidung hervorgeht. Die Entscheidungskrise kennzeichnet<br />

somit die Einheit von Entscheidung und Selbstrechtfertigung<br />

(vgl. Loer 2006, S. 16). Bei der Entscheidungskrise gilt, dass man<br />

nicht nicht entscheiden kann (vgl. Oevermann 2004, S. 166 und<br />

2008, S. 19). Zu beachten gilt, dass, obwohl der Mensch täglich<br />

hundertfach entscheidet, er selten in die Entscheidungskrise<br />

gerät. In der Regel wird bei alltäglichen Entscheidungen auf bestehende<br />

Handlungsroutinen, also auf einmal gefundene oder<br />

übernommene und bewährte Lösungen zurückgegriffen. Die<br />

Entscheidungskrise rückt häufig erst bei Entscheidungen von<br />

großer Tragweite ins Bewusstsein, so z. B. bei der Partner- oder<br />

Berufswahl (vgl. ebd.).<br />

Die Krise durch muße ermöglicht ästhetische Erfahrungen. Sie<br />

tritt in Zeiten der Muße auf, also dann, wenn man frei von äußeren<br />

Handlungszwängen ist – insofern steht sie im Gegensatz zur<br />

Entscheidungskrise: Man muss sich gerade nicht entscheiden.<br />

Befindet man sich in einem solchen Zustand der Muße, in der<br />

Handlungsentlastetheit herrscht, so wird die eigene Wahrnehmung<br />

gegenüber allem geöffnet. Schließlich bestimmt allein die<br />

Wahrnehmung in dieser Situation das Handeln (vgl. ebd. 2004,<br />

S. 167). Hier kann plötzlich etwas Unvorhergesehenes – etwas<br />

Überraschendes oder Unbekanntes – in den Fokus der Wahrnehmung<br />

rücken. Dieses kann dabei sowohl aus der Wahrnehmung<br />

der inneren, als auch der äußeren Realität stammen. Das


© Schäflein & Himmelreich<br />

Unbekannte kann verunsichern oder Neugierde wecken. In einem<br />

solchen Erregungszustand zeigt sich die Krise durch Muße. Um<br />

diese Krise zu lösen, muss sich zunächst die Wahrnehmung unvoreingenommen<br />

und zugleich aufmerksam auf das Unbekannte<br />

richten, um es zu verstehen. Hierbei werden vielfältige Erfahrungen<br />

ge<strong>macht</strong> und Erkenntnisse gewonnen; dies sind die Momente<br />

der Krisenlösung.<br />

Die durch die Krisenlösung wahrnehmbare ästhetische Erfahrung<br />

bildet somit die Basis jeglicher Erkenntnis, vor allem aber<br />

jeglicher Erfahrungserweiterung und -modifikation (vgl. ebd.<br />

1996, S. 15) und kann als Urform von Erkenntnis, wie Erkenntnis<br />

im besten Sinne nur sein kann, weil sie sich um ihrer selbst willen<br />

vollzieht, gesehen werden (vgl. ebd. 2004, 167). Genau dies<br />

sollte das Fundament schulischer Erkenntnisvielfalt und Erfahrungsreichtums<br />

darstellen.<br />

Das Potenzial ästhetischer erfahrung für die <strong>Schule</strong> liegt somit<br />

auf der Hand:<br />

1. Verbesserung der eigenen wahrnehmung<br />

Schüler/innen bekommen im Rahmen ästhetischer Erfahrungen<br />

die Möglichkeit, ihre Wahrnehmung gegenüber der Welt im<br />

Allgemeinen, den Gegenständen, mit denen sie in dem jeweiligen<br />

Schulfach konfrontiert sind, völlig zu öffnen. Dies birgt die<br />

Chance, die Welt bewusster kennenzulernen und die eigene<br />

Wahrnehmung zu verbessern.<br />

2. entdeckung von subjektiv und objektiv neuem<br />

Mit Hilfe ästhetischer Erfahrung werden in unterschied-<br />

lichen Bereichen neue Kenntnisse erzeugt und die Grundlage<br />

von Erkenntnis erweitert. Ästhetische Erfahrung ermöglicht<br />

den Schülern/innen das Entdecken von Neuem und<br />

fördert ganzheitliches Handeln. Denn das Erkennen seiner<br />

Selbst und der Wirklichkeit, die die Schüler/innen umgibt, ist<br />

Voraussetzung dafür.<br />

ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _17<br />

3. Steigerung der eigenen Selbstzufriedenheit und des Selbstbewusstseins<br />

Der mit ästhetischer Erfahrung gewonnene Erfahrungsreichtum<br />

und die hierdurch begründete Erkenntnisvielfalt helfen,<br />

das Scheitern von Handlungsroutinen nachhaltig zu reduzieren.<br />

Dies wirkt positiv auf die Selbstzufriedenheit und das Selbstbewusstsein.<br />

Beides ist zentral für die Sozialisation.<br />

4. aufbau struktureller offenheit gegenüber Krise<br />

Auch die Einstellung gegenüber Krisen verändert sich mit Hilfe<br />

ästhetischer Erfahrung. Durch die „Handlungsentlastetheit“ in<br />

Zeiten der Muße – es gibt hier keinen Druck, eine Lösung zu<br />

finden – geht der/die Schüler/in spielerisch mit Krisen und ihren<br />

Lösungen um. Dies ermöglicht, sich der Krise strukturell<br />

zu öffnen, sodass er/sie grundsätzlich Veränderungen, die das<br />

Verlassen von bestehenden Routinen initiieren, nicht mehr lediglich<br />

als Risiko, sondern vor allem als Chance begreift. Hierdurch<br />

entsteht Freimut!<br />

5. ausbau authentischen wissens<br />

Die gewonnenen Erkenntnisse werden selbst erarbeitet. Im Gegensatz<br />

zur Übernahme fremden Wissens, ist authentisches, in<br />

Erfahrung gewonnenes Wissen dauerhafter.<br />

Alle fünf Potenziale sind besonders unter Berücksichtigung<br />

aktueller Veränderungen der <strong>Schule</strong> von hoher Bedeutung. Durch<br />

die Verkürzung der Schulzeit mit Konzentration auf Unterrichtsfächer<br />

mit vermeintlicher Verwertbarkeit für den Arbeitsmarkt,<br />

bei gleichzeitiger Vernachlässigung musischer Unterrichts-<br />

fächer, wird die Erfüllung der Aufgaben und Funktionen der<br />

<strong>Schule</strong> erschwert. Schülern/innen wird so bereits mit Eintritt in<br />

das Schulsystem vermittelt, dass musische Tätigkeiten für das<br />

spätere Leben unbedeutend sind. Diese Verkürzung impliziert<br />

eine Einschränkung individueller Potenziale. Als Folge droht u. a.<br />

die Verarmung kultureller und sozialer Fähigkeiten künftiger


18_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />

Generationen und die Verschärfung gesellschaftlicher Ungleichheit<br />

– denn nur solche Kinder und Jugendliche werden zukünftig<br />

noch musisch gefördert, deren familiärer Hintergrund dies erlaubt<br />

und die konstitutive Bedeutung ästhetischer Erfahrung für<br />

die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen erkennt.<br />

Ästhetische Erfahrung steht zwar in der Alltagspraxis als solche<br />

am Rande, erst recht für die moderne Alltagspraxis einer immer<br />

stärker unter dem Postulat ökonomischer Rationalisierung stehenden<br />

Gesellschaft. Sie erlaubt jedoch, über die dramatisch in<br />

die Alltagspraxis hineinbrechende Krise hinaus Krisen gewissermaßen<br />

eingebettet in der Muße zu simulieren (vgl. ebd. 1996,<br />

S. 10f.) und ermöglicht eine Restrukturierung der begrifflichen<br />

Welt (vgl. Loer 1991, S. 169). Darüber hinaus wird mit Hilfe der<br />

ästhetischen Erfahrung die Wahrnehmung der sachlichen, kulturellen<br />

und ästhetischen Sinnstrukturen verbessert, subjektiv<br />

und objektiv Neues entdeckt, strukturelle Offenheit gegenüber<br />

einer Krise aufgebaut und die Kreativität gesteigert. Gleichzeitig<br />

muss davon ausgegangen werden, dass hierdurch bei Kindern,<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen Freimut und Offenheit<br />

aufgebaut wird.<br />

Letztlich lässt sich damit festhalten: Ästhetische Erfahrung ist<br />

per se Ursprung von <strong>Schule</strong> und muss zwangsläufig an diese unmittelbar<br />

gekoppelt sein, um die genuinen Funktionen und Aufgaben<br />

der <strong>Schule</strong> als Institution gesellschaftlicher Bildung und<br />

Erziehung erfüllen zu können.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.zeitfuermusse.de<br />

lIteratur:<br />

Brockhaus (2004): Brockhaus Multimedial. Gütersloh.<br />

Faust-Siehl, Gabriele/Bauer, eva-maria/Baur, werner/<br />

wallaschenk, uta (1999): Mit Kindern Stille entdecken.<br />

Braunschweig.<br />

loer, thomas (1991): „Ästhetik im Ausgang vom Werk.<br />

Eugène Delacroix: Fantasie arabe (1833). Exemplarische<br />

Überlegungen“. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine<br />

Kunstwissenschaft, Band 36, November 1993, S. 154 –170.<br />

loer, thomas (2006): Zum Unternehmerhabitus –<br />

Eine kultursoziologische Bestimmung im Hinblick auf<br />

Schumpeter. Studienhefte des Interfakultativen Instituts für<br />

Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe.<br />

Heft 3. Karlsruhe.<br />

[www.uvka.de/univerlag/volltexte/2006/125, 23.11. 2011].<br />

oevermann, ulrich (1996): Krise und Muße. Struktureigenschaften<br />

ästhetischer Erfahrung aus soziologischer Sicht.<br />

Vortrag am 19. 06. 1996 in der Städelschule. Frankfurt a. M.<br />

oevermann, ulrich (1998): Der professionalsierungstheoretische<br />

Ansatz des Teilprojekts „Struktur und Genese<br />

professionalsierter Praxis als Ortes der stellvertretenden<br />

Krisenbewältigung“, seine Stellung im Rahmenthema des<br />

Forschungskollegs und sein Verhältnis zur historischen<br />

Forschung über die Entstehung der Professionen im 19. und<br />

20. Jahrhundert. Unveröffentl. Manuskript. Frankfurt a. M.<br />

oevermann, ulrich (2004): „Sozialisation als Prozess der<br />

Krisenbewältigung“. In: Geulen, Dieter/Veith, Hermann Veith<br />

(Hrsg.): Sozialisationstheorie interdisziplinär. Aktuelle<br />

Perspektiven. Stuttgart, S. 155 –181.<br />

oevermann, ulrich (2008): „Krise und Routine“ als ana lytisches<br />

Paradigma in den Sozialwissenschaften. Manuskript der<br />

Abschiedsvorlesung am 28. 04. 2008 in Frankfurt a. M.<br />

Kul | tur , die; -,-en<br />

(zu Lateinisch cultura, „Bearbeitung“, „Pflege“, „Ackerbau“, von colere, „wohnen“, „pflegen“, „den Acker bestellen“) ist im<br />

weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen<br />

und nicht veränderten Natur. <strong>Kultur</strong>leistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der<br />

Technik, der Bildenden Kunst, aber auch geistiger Gebilde wie etwa im Recht, in der Moral, der Religion, der Wirtschaft und<br />

der Wissenschaft. (Quelle: www.lexikapool.de, 12.12.2011)<br />

© Jeannette Corneille


2. allGemeIne landeSweIte<br />

entwIcKlunGen, PoSItIonen<br />

und reFlexIonen<br />

Kolumne _19<br />

„<strong>Kultur</strong>elle Bildung bedeutet Bildung zur kulturellen Teilhabe. <strong>Kultur</strong>elle Teilhabe bedeutet<br />

Partizipation am künstlerisch kulturellen Geschehen einer Gesellschaft im Besonderen und<br />

an ihren Lebens- und Handlungsvollzügen im Allgemeinen. <strong>Kultur</strong>elle Bildung gehört zu den<br />

Voraussetzungen für ein geglücktes Leben in seiner personalen wie in seiner gesellschaftlichen<br />

Dimension. <strong>Kultur</strong>elle Bildung ist konstitutiver Bestandteil von allgemeiner Bildung.“<br />

(Karl Ermert, Direktor der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel)


20_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

2.1 zwISchen SonntaGSreden<br />

und alltaGShandeln In nIederSachSen<br />

Insa lienemann<br />

Geschäftsführerin der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />

Niedersachsen e. V. (LKJ), Hannover<br />

Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />

e. V. (LKJ) ist der Dachverband von 31 Fachverbänden und Institutionen<br />

aus Niedersachsen, die landesweit im Arbeitsfeld der<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung aktiv sind. Es sind Kunstsparten vertreten<br />

wie Musik, Spiel, Theater, Zirkus, Tanz, Rhythmik, Bildende Kunst,<br />

Kindermuseum, Literatur, Fotografie, Film und Video. Die LKJ hat<br />

sich seit ihrer Gründung im Jahr 1980 bis heute stetig mit ihren<br />

Angeboten aktuellen Diskursen angepasst. Sie fördert und entwickelt<br />

die kulturelle Kinder- und Jugendbildung in Niedersachsen<br />

nicht nur mit dem „Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) <strong>Kultur</strong>“ und<br />

dem „FSJ Politik“, sondern auch mit so engagierten Projekten<br />

wie dem „Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“ (s. weitere Informationen<br />

S. 37) oder „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“.<br />

Die kulturelle Kinder- und Jugendbildung, wie sie in Niedersachsen<br />

unter dem Dach der LKJ gemeinsam getragen wird,<br />

gewinnt aktuell immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung.<br />

niedersachsenweit aktiv: die 31 mitgliedsorganisationen der lKJ<br />

abb. 1: Mitglieder der LKJ Niedersachsen<br />

„Dennoch klaffen Sonntagsreden und Alltagshandeln dabei<br />

fast nirgendwo so eklatant auseinander wie in der kulturellen<br />

Bildung. Führende Akteure aus allen gesellschaftlichen Bereichen<br />

zögern nicht, sich immer wieder zu der Bedeutung der<br />

kulturellen Bildung für den Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt<br />

zu bekennen, konkrete Folgen für die Praxis der kulturellen<br />

Bildung bleiben hingegen immer noch zu häufig aus“, so<br />

konstatiert die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags<br />

in dem Bericht „<strong>Kultur</strong> in Deutschland“ (2007, S. 377) im<br />

Kapitel 6 zur <strong>Kultur</strong>ellen Bildung.<br />

Für das Jubiläumsjahr „30 Jahre LKJ“ im Jahr 2010 hatte sich<br />

der niedersächsische Dachverband das Ziel gesetzt, verstärkt<br />

auf die Situation ihrer Mitgliedsorganisationen aufmerksam zu<br />

machen. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Entwicklungsplanung<br />

und Strukturforschung Hannover (ies) entstand ein Fragebogen<br />

für eine quantifizierende Mitgliederbefragung zu ihrer<br />

Arbeit. Alle 31 Mitglieder haben den Fragebogen ausgefüllt.<br />

Die Ergebnisse wurden vom ies ausgewertet und sprechen<br />

für sich. Sie belegen eindrucksvoll, dass die Arbeit der Mitglieder<br />

stark von den Zielgruppen nachgefragt und frequentiert<br />

erstellt von Manfred Postler (© LKJ Niedersachsen e.V.)


ist, dass viele Menschen – vor allem Kinder und Jugendliche –<br />

erreicht werden, und dass die Arbeit von starkem Engagement<br />

haupt- und nebenamtlicher Mitarbeiter/innen getragen wird.<br />

Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass das Ziel, kulturelle<br />

Jugendbildung strukturell zu fördern, mehr als überfällig ist.<br />

Die Mitglieder der LKJ, die Fachverbände und Institutionen der<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Niedersachsen, verfügen nach wie vor<br />

über zu geringe finanzielle Unterstützung zur Infrastruktursicherung.<br />

Das oben genannte Zitat aus dem Enquete-Bericht<br />

wird in einem Maße bestätigt, wie selbst Kenner und Akteure<br />

es nicht erwartet hätten.<br />

organisationsstruktur der lKJ-mitglieder<br />

In den Mitgliedsorganisationen der LKJ finden sich weite Bereiche<br />

aus dem vielfältigen kulturellen Leben in Niedersachsen<br />

wieder. Thematisch zeigt sich eine große Vielfalt; die Mitglieder<br />

decken alle Kunstsparten ab. Schwerpunkte liegen in den Sparten<br />

Theater (10 Mitglieder), Musik (5), Bildende Kunst sowie<br />

Tanz/Rhythmik (jeweils 3) und kunstspartenübergreifend (6).<br />

Insgesamt repräsentieren die 31 Mitgliedsorganisationen<br />

rund 1700 Gruppen und Institutionen. Dabei zeigen sich folgende<br />

Schwerpunkte:<br />

In der Gesamtzahl sind 1098 Gruppen enthalten. Von diesen<br />

bilden die 475 Musikvereine im Niedersächsischen Musikverband<br />

den größten Anteil. Aber auch die Chorjugend (166),<br />

der Landestrachtenverband (148), der Amateurtheaterverband<br />

(105) und die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Tanz<br />

Niedersachsen (80) vereinen jeweils eine große Gruppenzahl.<br />

478 örtliche und regionale Institutionen sind bei den LKJ-<br />

Mitgliedern organisiert. Der Friedrich-Bödecker-Kreis vertritt<br />

davon 148 und die LAG Jugend und Film 140. Ebenfalls viele<br />

Institutionen stehen hinter dem Landesverband Niedersächsischer<br />

Musikschulen (72), dem Landesverband der Kunstschulen<br />

Niedersachsen „Kunst & Gut“ (42) und der Chorjugend (32).<br />

Zu den 130 „sonstigen“ Gruppen oder Institutionen zählen z. B.<br />

<strong>Schule</strong>n und Bibliotheken, Ensembles oder auch Familien.<br />

Kooperation mit <strong>Schule</strong>n<br />

Die Zusammenarbeit mit <strong>Schule</strong>n ist für die Mitgliedsorganisationen<br />

der LKJ (und wiederum deren Mitglieder) ein wesentliches<br />

Kennzeichen ihrer Arbeit. Die weitaus meisten von ihnen<br />

kooperieren mit <strong>Schule</strong>n, fast die Hälfte sogar kontinuierlich<br />

(s. Abb. 2).<br />

Wie die folgende Abbildung zeigt, findet die Zusammenarbeit<br />

am häufigsten im Rahmen von Projektwochen statt; dies berichten<br />

mehr als die Hälfte aller LKJ-Mitgliedsorganisationen,<br />

also nicht nur diejenigen, die kooperieren. Häufig ist ebenfalls<br />

die Betreuung von AGs außerhalb des Unterrichts. Jeweils 29,0<br />

% wirken direkt am Unterricht mit, ebenso viele berichten von<br />

sonstigen Angeboten. Hierzu zählen etwa Fortbildungen an<br />

<strong>Schule</strong>n, an denen Lehrkräfte teilgenommen haben, kulturelle<br />

Angebote für Klassenfahrten, Werkstätten und Schulfilmveranstaltungen.<br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _21<br />

Wenn mit <strong>Schule</strong>n kooperiert wird, dann ist die Zusammenarbeit<br />

in der Hälfte dieser Fälle auch schriftlich geregelt, z. B.<br />

durch einen Vertrag (13 Mitgliedsorganisationen).<br />

n = 31<br />

Ja – kontinuierlich<br />

Ja – gelegentlich, projektbezogen, punktuell<br />

Nein<br />

abb. 2: Hat Ihre Organisation oder deren Mitgliedsorganisation im Jahr 2008<br />

mit <strong>Schule</strong>n kooperiert?<br />

n = 31<br />

19,4%<br />

41,9 %<br />

Projektwochen<br />

Betreuung von Arbeitsgemeinschaften<br />

außerhalb des Unterrichts<br />

Arbeit mit Klassen im Unterricht<br />

sonstige Angebote<br />

37,7 %<br />

29,0 %<br />

29,0 %<br />

41,9 %<br />

58,1 %<br />

0% 20% 40% 60% 80%<br />

abb. 3: Wenn Ihre Organisation oder deren Mitgliedsorganisation mit <strong>Schule</strong>n<br />

kooperiert haben: Welcher Art war die Zusammenarbeit mit <strong>Schule</strong>n?<br />

weitere Kooperationen im In- und ausland<br />

Die Mitglieder der LKJ, die Landesverbände und Institutionen<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung, sind innerhalb Deutschlands entweder<br />

direkt als Landesverband oder über Einrichtungen aus ihrem<br />

Mitgliederspektrum mit einer Vielzahl von anderen Institutionen<br />

vernetzt. Fast alle berichten von Kooperationsbeziehungen oder<br />

Vernetzungsstrukturen.<br />

Die LKJ-Mitglieder unterhalten nicht nur Kooperationsbeziehungen<br />

zu anderen örtlichen oder landesweit tätigen Institutionen<br />

und Einrichtungen und sind untereinander vernetzt. Viele der<br />

Mitglieder sind in bundesweite Netzwerke eingebunden, primär<br />

arbeiten sie hier mit Organisationen, die schwerpunktmäßig für<br />

das jeweilige Tätigkeitsfeld bzw. die Sparte zuständig sind, wie<br />

z. B. die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, der Deutsche<br />

Bundesverband Tanz, die Bundearbeitsgemeinschaft (BAG)<br />

Zirkuspädagogik und der Deutsche Komponistenverband.


22_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

Die folgende Abbildung zeigt, dass annähernd drei Viertel aller<br />

LKJ-Mitglieder Beziehungen zu kulturellen Fachverbänden<br />

halten. Hierzu zählen Bundesverbände, Landesverbände und<br />

weitere Institutionen. Rund ein Drittel kooperiert mit Bildungseinrichtungen,<br />

z. B. Volkshochschulen, Universitäten oder Institutionen<br />

der politischen Bildung. Annähernd ebenso viele<br />

berichten von Kooperationen auf kommunaler Ebene. Hierzu<br />

zählen beispielsweise Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe,<br />

wie Jugendzentren oder Kindertageseinrichtungen, sowie<br />

kulturelle Einrichtungen (Museen, Theater, Bibliotheken u. a.).<br />

Zu den weiteren Kooperationspartnern lassen sich private und<br />

öffentliche Fördereinrichtungen sowie kirchliche, soziale und<br />

politische Verbände und Einrichtungen zuordnen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.lkjnds.de<br />

lIteratur:<br />

deutscher Bundestag (2007): Schlussbericht der Enquête-<br />

Kommission „<strong>Kultur</strong> in Deutschland“. 16. Wahlperiode,<br />

Drucksache 16/7000. Berlin, 11.12.2007.<br />

2.2 FörderunG der <strong>Kultur</strong>ellen BIldunG<br />

In nIederSachSen<br />

annette Schwandner<br />

Dr., Abteilungsleiterin <strong>Kultur</strong>, Niedersächsisches Ministerium<br />

für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />

„<strong>Kultur</strong> und Bildung“ und „Musikland Niedersachsen“ sind<br />

wichtige Bereiche der <strong>Kultur</strong>förderung des Landes Niedersachsens.<br />

Kunst und <strong>Kultur</strong> gehören zu den grundlegenden gesellschaftlichen<br />

Bedürfnissen, Werten und Ausdrucksformen.<br />

Sie vermitteln Menschen aller Altersgruppen Maßstäbe und<br />

Orientierung für verantwortungsvolles Handeln und Toleranz.<br />

Sie tragen zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bei. Ihre<br />

Förderung ist eine wichtige öffentliche Aufgabe.<br />

Das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK) misst der<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung große Bedeutung zu. Als Träger von <strong>Kultur</strong><br />

und Bildung fördert das Land die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />

Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) und den Landesverband<br />

der Kunstschulen in Niedersachsen e. V. (LVKS).<br />

Die LKJ hat niedersachsenweit 31 Mitgliedsverbände und der<br />

LVKS vertritt die Interessen von 40 Kunstschulen des Landes.<br />

LKJ und LVKS werden auf Grundlage einer Zielvereinbarung<br />

institutionell mit insgesamt 353 000 Euro pro Jahr vom MWK<br />

gefördert. In diesem Betrag sind 126 000 Euro für das „Freiwillige<br />

Soziale Jahr (FSJ) <strong>Kultur</strong>“ und 24 800 Euro für das Projekt<br />

„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ und den „Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“<br />

(s. weitere Informationen S. 37) enthalten. In der Vereinbarung<br />

sind folgende Ziele festgehalten:<br />

n = 31<br />

kulturelle Fachverbände<br />

und Institutionen<br />

Aus- und Weiterbildung<br />

Kommune/kommunale<br />

Einrichtungen<br />

Kirchliche, soziale und politische<br />

Verbände/Einrichtungen<br />

Private Förderer<br />

Öffentliche Förderer<br />

Sonstige<br />

9,7 %<br />

6,5%<br />

25,8 %<br />

19,4%<br />

35,5 %<br />

32,3 %<br />

71,0 %<br />

0 % 20 % 40 % 60 % 80 %<br />

abb. 4: Welche sonstigen Kooperationspartner haben Ihre Organisation und<br />

deren Mitgliedsorganisationen in Deutschland?<br />

1. Die landesweite Förderung der kulturellen Kinder- und Jugendbildung<br />

durch Koordinierung und Vernetzung der in<br />

diesem Feld tätigen Akteure, Beratung und Unterstützung<br />

der Akteure sowie die Entwicklung von Qualifizierungs- und<br />

Qualitätskonzepten.<br />

2. Die landesweite Förderung der Arbeit der Kunstschulen durch<br />

Koordinierung, Vernetzung, Beratung und Entwicklung von<br />

Qualifizierungs- und Qualitätskonzepten zur ästhetischkünstlerischen<br />

Bildung.<br />

Die LKJ betreut u. a. das Projekt „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“, in dem<br />

Kooperationen zwischen (freien) Trägern von <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

und <strong>Schule</strong>n entwickelt werden. Durch die Zusammenarbeit<br />

der Einrichtungen von <strong>Kultur</strong>- und Jugendarbeit mit<br />

<strong>Schule</strong>n sollen vor allem jene Kinder und Jugendlichen inte-<br />

griert werden, die mit außerschulischen kulturellen Angeboten<br />

bislang nicht erreicht werden. Weitere Aufgaben, mit denen das<br />

Land Niedersachsen die LKJ betraut hat, sind die Koordination<br />

des „FSJ <strong>Kultur</strong>“ und des „FSJ Politik“ sowie des „Kompetenznachweises<br />

<strong>Kultur</strong>“. „FSJ <strong>Kultur</strong> und Politik“ leisten einen wichtigen<br />

Beitrag beim Übergang junger Menschen von der <strong>Schule</strong><br />

ins Berufsleben. Sie ermöglichen ihnen, sich für ein Jahr in<br />

<strong>Kultur</strong> oder Politik auszuprobieren und fördern die berufliche<br />

Orientierung. „Der Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“ ist ein Zertifikat<br />

für Jugendliche, mit dem qualitatives und quantitatives<br />

Engagement in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung anerkannt wird.


© Jonas Gonell<br />

Das MWK und der LVKS haben in Kooperation mit Beratern/<br />

innen der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur Nieder-<br />

sachsen (LAGS) das Strukturentwicklungskonzept „Kunstschulen<br />

2020“ initiiert. Ziel des Programms ist es, auch zukünftig<br />

ein an der Kunst orientiertes professionelles Angebot an ästhetischer<br />

und künstlerischer Bildung für Kinder und Jugendliche<br />

jenseits von <strong>Schule</strong> bereitzustellen. Auch mit diesem Projekt<br />

sollen Kooperationen zwischen <strong>Schule</strong>n und freien <strong>Kultur</strong>-<br />

trägern, hier Kunstschulen, entwickelt und ausgebaut werden.<br />

Seit dem Schuljahr 2009/2010 fördert das MWK im Rahmen<br />

des Musikalisierungsprogramms „Wir machen die Musik!“ die<br />

Kooperation von kommunalen wie privaten Musikschulen mit<br />

Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Unabhängig von<br />

der sozialen Herkunft werden Kinder auf professionelle Weise<br />

an Musik herangeführt. Neben der Freude am gemeinsamen<br />

Musizieren fördert das Projekt vor allem Schlüsselkompetenzen<br />

wie Konzentration, Leistungsfähigkeit und Ausdauer.<br />

Bis zum Jahr 2016 sollen 80% aller Kinder in Kitas und 30 %<br />

der Kinder in Grundschulen erreicht werden. Im Schuljahr<br />

2011/2012 beträgt die Förderung durch das MWK 1,6 Millionen<br />

Euro, ab dem Schuljahr 2012/2013 wird das Musikalisierungsprojekt<br />

jährlich aufgestockt.<br />

1 s. www.alf-hannover.de<br />

2 s. www.schubi-ol.de<br />

3 s. www.hermannshof.de; www.fruehe-kindheit-niedersachsen.de<br />

4 s. www.boedecker-kreis.de<br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _23<br />

Das Land Niedersachsen unterstützt weitere Träger <strong>Kultur</strong>eller<br />

Bildung bei Schulkooperationen und fördert <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung im Rahmen der regionalen <strong>Kultur</strong>förderung durch die<br />

Landschaften und Landschaftsverbände. Dafür seien beispielhaft<br />

genannt:<br />

>> Die Akademie für Leseförderung der Stiftung Lesen<br />

an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, Hannover 1 ,<br />

>> SchuBi – <strong>Schule</strong> und Bibliothek – Bildungspartner<br />

für Lese- und Informationskompetenz, Oldenburg 2 ,<br />

>> Projekt „Zeig mal – lass hören“ – Sprachförderung<br />

durch Kunst, Hermannshof, Springe 3 ,<br />

>> Schreibwerkstätten und Autorenlesungen an <strong>Schule</strong>n,<br />

Friedrich-Bödecker-Kreis e. V. in Niedersachsen, Hannover 4 .<br />

Für das Land Niedersachsen ist (früh-)kindliche <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />

ein wichtiger Förderschwerpunkt und es wird diese auch<br />

in Zukunft unterstützen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.mwk.niedersachsen.de und<br />

www.kulturellejugendbildung.niedersachsen.de


24_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

2.3 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong><br />

modelle auS nIederSachSen<br />

marion heuer<br />

Referentin für Musik und <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />

im Niedersächsischen Kultusministerium<br />

Musik und Bildende Kunst, mit all ihren Gattungen, sind besonders<br />

ausgeprägte Ausdrucksweisen von Kreativität, Fantasie<br />

und Emotion, aber auch Intelligenz und handwerklichem Können.<br />

Darum fördert das Land Niedersachsen Bildungsangebote<br />

der Sparten Theater, Bildende Kunst, Musik und audiovisuelle<br />

Medien (Film), die Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit<br />

geben, sich aktiv und spielerisch mit der eigenen und<br />

der Lebenssituation anderer auseinanderzusetzen.<br />

Das Niedersächsische Kultusministerium unterstützt zahlreiche<br />

sehr unterschiedliche Projekte der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung, sowohl<br />

ideell als auch finanziell. Dabei werden Kunstförderprojekte<br />

in Kooperationen mit Hochschulen oder in besonderen<br />

Bereichen des Schulalltags, z. B. Zirkuspädagogik oder Theaterangebote,<br />

unterstützt. Die Breitenförderung der <strong>Kultur</strong>ellen<br />

Bildung ist dem Kultusministerium dabei ebenso ein Anliegen<br />

wie auch die Begabtenförderung bei besonderen Talenten im<br />

Rahmen der Begabtenförderung und der Kooperationsverbünde<br />

in den Regionen.<br />

Um dem Fachlehrermangel für Musikunterricht entgegenzuwirken,<br />

wurde eine Weiterbildung für fachfremd unterrichtende<br />

Lehrkräfte in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für<br />

schulische Qualitätsentwicklung und der Bundesakademie für<br />

kulturelle Bildung Wolfenbüttel bereits zweimal sehr erfolgreich<br />

durchgeführt. Diese Maßnahme trägt erheblich zur Qualitätssteigerung<br />

des Musikunterrichts bei. Die vergleichbare<br />

Weiterbildungsmaßnahme „Darstellendes Spiel zum/r Theaterlehrer/in“<br />

wird ebenfalls für die Sekundarstufe in Verbindung<br />

mit der Bundesakademie angeboten und ist stark nachgefragt.<br />

Für eine Qualitätssteigerung in den Fächern Musik, Kunst, Werken<br />

und textiles Gestalten wurden für alle Schulstufen Fachberater/innen<br />

berufen und besonders im Hinblick auf <strong>Schule</strong>ntwicklungsplanung<br />

ausgebildet. Sie sorgen an den <strong>Schule</strong>n<br />

für fachlichen Input und helfen in ihrer Beraterfunktionen beispielsweise<br />

bei der Entwicklung der schuleigenen Arbeitspläne<br />

zur Implementierung der Kerncurricula. Themenbezogene<br />

Fortbildungen aller kulturellen Fächer sind über den „Niedersächsischen<br />

Bildungsserver“ 1 abrufbar.<br />

Im Folgenden werden einige niedersächsische Bildungsangebote<br />

vorgestellt:<br />

landeswettbewerb „Jugend gestaltet“<br />

Der bundesweit einmalige künstlerisch-kreative Landes-<br />

1 s. www.nibis.de<br />

wettbewerb „Jugend zeichnet und gestaltet“ wird seit vielen<br />

Jahren niedersachsenweit erfolgreich alle zwei Jahre vom<br />

gleichnamigen Verein durchgeführt. Der Wettbewerb steht<br />

unter der Schirmherrschaft des/r jeweils amtierenden Niedersächsischen<br />

Kultusministers/in und wird vom Kultusministerium<br />

ideell und finanziell unterstützt. An dem Wettbewerb<br />

beteiligen sich regelmäßig ca. 200 <strong>Schule</strong>n aller Schulformen<br />

aus ganz Niedersachsen. Es können Arbeiten in den Kunstsparten<br />

Malerei, Zeichnung, Grafik, Fotografie, Video, Plastik<br />

und dreidimensionale Werke eingereicht werden. Eine Fachjury<br />

besteht aus Kunstprofessoren/innen, Künstlern/innen<br />

und Pädagogen/innen. Der Wettbewerb „Jugend zeichnet und<br />

gestaltet“ ist seit vielen Jahren ein geeignetes Instrument<br />

zur Darstellung hochwertiger künstlerischer Arbeiten von<br />

Schülern/innen unterschiedlicher Schulformen in Niedersachsen.<br />

Für viele der bisherigen Preisträger war der Wettbewerb<br />

motivierender Anlass, ihre kreativ-künstlerischen Kompe-<br />

tenzen weiter auszubauen.<br />

weitere Informationen: www.jugendgestaltet.de<br />

Kunst und hochbegabung<br />

Im Allgemeinen wird bei besonderer Leistungsbereitschaft<br />

und Leistungsfähigkeit von einer Hochbegabung in mathematisch-logischen,<br />

musikalischen, sprachlichen oder weiteren<br />

Bereichen ausgegangen. Das Kultusministerium ist sich der<br />

Verantwortung der Förderung Hochbegabter bewusst und hat<br />

in Kooperation mit verschiedenen Partnern dazu Kooperationsprojekte<br />

entwickelt. In Zusammenarbeit mit der Landesschulbehörde<br />

– Abteilung Osnabrück – werden seit dem Herbst 2008<br />

erfolgreich „JuniorAkademien“ durchgeführt. Ziel ist es, Schülern/innen<br />

eine intellektuell anspruchsvolle, innovative und<br />

kreative Begabungsförderung und Herausforderung zu bieten,<br />

deren sie sich mit Fach- und Lehrkräften stellen.<br />

Der große Erfolg der „JuniorAkademien“ führt zu einer weiteren<br />

Ergänzung der Angebote in Niedersachsen. In Kooperation<br />

der Malschule der Kunsthalle Emden mit der Landessschulbehörde,<br />

Abteilung Osnabrück, und dem Kultusministerium<br />

wird nun eine zweite „KunstAkademie“ an einem Wochenende<br />

im Rahmen der Begabungsförderung angeboten. Dieses Projekt<br />

soll zunächst auf Oldenburg, Ganderkesee und Delmenhorst<br />

begrenzt sein. Eine Ausweitung auf die gesamte Region<br />

Weser-Ems ist beabsichtigt. Angesprochen werden Schüler/<br />

innen der 9. und 10. Jahrgangsstufe.<br />

Die „Kunstbegabungsförderung (KBF)“ ist eine in Hildesheim<br />

eingerichtete und vom Niedersächsischen Kultusministerium<br />

autorisierte Maßnahme für Schüler/innen der <strong>Schule</strong>n<br />

mit gymnasialer Oberstufe. Die KBF-Hildesheim arbeitet mit<br />

den <strong>Schule</strong>n und der Hochschule für Angewandte Wissenschaft<br />

und Kunst (HAWK) zusammen. Für junge Menschen bietet sich<br />

hier eine Plattform, ihre kreativen Neigungen und Fähigkeiten


zu erfahren, entfalten und ausbauen zu können. Ziel ist der<br />

Aufbau einer soliden Wissensbasis, die Schärfung visueller<br />

und haptischer Erfahrungen, die Förderung der synästhetischen<br />

Erlebnisfähigkeit und des Vermögens zu bildhafter Vorstellung<br />

sowie der Ergänzung und Erweiterung kunstfachspezifischer<br />

Kompetenzen. Dabei sollen kunstbegabte Schüler/<br />

innen erleben, mit ihren eventuell auch ungewöhnlichen Fragen<br />

und Spezialinteressen ernst genommen zu werden. Ihre<br />

kreative Haltung, die durch Risikobereitschaft, Fantasie, Mut<br />

zum Experiment und zur Innovation bestimmt sein kann, soll<br />

gewürdigt und gefördert werden.<br />

weitere Informationen: http://kunstbegabte-hi.blogspot.com<br />

Programm „tandem Kunst-<strong>Schule</strong>“ – Pilotprojekt in Springe<br />

„zeig mal, lass hören“<br />

Seit Anfang 2010 findet in der Stadt Springe bei Hannover ein<br />

Modellprojekt der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung zur Sprachförderung<br />

für Kindergarten- und Grundschulkinder statt. Beteiligt sind<br />

drei Kindergärten, eine Grundschule und zahlreiche Künstler/<br />

innen.<br />

Ziel des Projektes ist es, die Kinder durch die Arbeit mit<br />

Künstlern/innen in der Entwicklung ihrer verbalen und nonverbalen<br />

Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeiten zu stärken.<br />

Die Künste, in diesem Fall die Bildenden Künste, das Theater,<br />

der Tanz und die Musik, können als eigene Symbolsprachen<br />

verstanden werden.<br />

Parallel zur Evaluation erfolgte eine Ausweitung und Weiterentwicklung<br />

dieses Pilotprojekts zu dem Programm „Tandem<br />

Kunst-<strong>Schule</strong>“. Dies soll zunächst über drei Jahre erprobt<br />

und in Kooperation mit der VGH-Stiftung, dem Kultusministerium<br />

(MK) und dem Landesverband der Kunstschulen Niedersachsen<br />

(LVKS) durchgeführt werden. Offizieller Start für die<br />

Praxis ist das Schuljahr 2011/2012.<br />

audiovisuelle medien: Qualifizierungsmaßnahme „Filmlehrer“<br />

Der Grundgedanke der berufsbegleitenden Qualifizierung zum<br />

„Filmlehrer“ ist die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema<br />

„Filmbildung“. Neben der Rezeption steht auch die Produktion<br />

von Filmen im Vordergrund der späteren Unterrichtsgestaltung.<br />

Die Qualifizierung der „Filmlehrer“ beinhaltet auch<br />

die Teilnahme an Fachtagungen mit praxisorientierten Workshops.<br />

„Filmlehrer“ richtet sich an alle Schularten und alle<br />

Fächer – Film kann als praktisches Medium fast überall eingesetzt<br />

werden, vom Geschichts- bis zum Kunstunterricht,<br />

von der Grundschule bis zum Berufskolleg, im regulären<br />

Unterricht und in der AG. Auf der Homepage von „Filmlehrer“<br />

werden ausgewählte Kollegen/innen mit ihrer schulischen<br />

Medienarbeit vorgestellt, Kontaktdaten und Links ermöglichen<br />

es Interessierten, berufserfahrene „Filmlehrer“ zu kontak-<br />

tieren. Die Qualifizierung „Filmlehrer“ hat Modellcharakter<br />

und ist bundesweit einmalig.<br />

weitere Informationen: www.filmlehrer.de<br />

Film und musik: „cItYzoomS music“<br />

Darüber hinaus wurde das Projekt „CITYZOOMS music“ im Rahmen<br />

des Programms „Hauptsache:Musik“ in Kooperation mit<br />

„up and coming“ vom Kultusministerium gefördert. Dies ist ein<br />

Pilotprojekt zur nachhaltigen Auseinandersetzung von Schülern/innen<br />

mit Musik und Film im Kontext. Die Schüler/innen<br />

arbeiten an einem gemeinsamen Filmmusikprojekt, das die<br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _25<br />

Ideenfindung, Umsetzung, Filmmusikkomposition und Filmerstellung<br />

einschließt und den Fokus auf die Sound-/Musikbearbeitung<br />

und -erarbeitung richtet.<br />

weitere Informationen: www.cityzoomsmusic.de<br />

theater<br />

In Grund- und Förderschulen wie in der Sekundarstufe I gibt<br />

es zahlreiche Angebote zur theaterpädagogischen Arbeit,<br />

hier besonders in Form von AGs. Das Fach Darstellendes Spiel<br />

kann mittlerweile als Abiturfach belegt werden. Das Kultusministerium<br />

fördert darüber hinaus das „Niedersächsische<br />

Schülertheatertreffen“. Ein Austausch zur Erweiterung der<br />

schulischen Angebote und Bedingungen wird seitens des Kultusministeriums<br />

mit dem Fachverband Schultheater – Darstellendes<br />

Spiel Niedersachsen e. V. sowie der Niedersächsischen<br />

Landesbühne gepflegt.<br />

weitere Informationen: www.schultheater-nds.de<br />

Im November 2011 fand in Zusammenarbeit mit der Bundesakademie<br />

für kulturelle Bildung Wolfenbüttel, der Landesvereinigung<br />

<strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen e. V. sowie<br />

dem Landesverband Theaterpädagogik Niedersachsen e. V.<br />

die Tagung „Zusammenspiel – Theaterpädagogik und <strong>Schule</strong>“<br />

in Wolfenbüttel statt. Es war ein Fachtreffen unterschiedlicher<br />

theaterpädagogischer Interessengruppen mit dem Ziel, Perspektiven<br />

für eine ausgeweitete, qualitätsvolle theaterpädagogische<br />

Arbeit in den <strong>Schule</strong>n zu entwickeln.<br />

weitere Informationen: www.lat-niedersachsen.de<br />

musik<br />

Das Aktionsprogramm „Hauptsache:Musik“ arbeitet seit mehr<br />

als zehn Jahren sehr erfolgreich als pädagogische Säule der<br />

schulischen Musikerziehung. Der Entschließungsantrag aus<br />

dem Jahr 2008 bringt zum Ausdruck, dass musikalische Bildung<br />

in besonderem Maße zu fördern sei. Im Folgenden wird<br />

ein kurzer Überblick über die vielfältige musikalisch-kooperative<br />

Bildungslandschaft in Niedersachsen gegeben.<br />

Es wurde in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik<br />

und Theater ein Modell für Chorklassen entwickelt. Dazu<br />

finden regelmäßige Chorklassentreffen statt. Die Kooperation<br />

mit dem Chorverband Niedersachsen-Bremen und dem<br />

Niedersächsischen Chorverband hat eine lange Tradition und<br />

wird stetig ausgebaut.<br />

Beim landesweiten Projekt „Klasse, wir singen!“ haben im<br />

Jahr 2011 rund 135 000 Schüler/innen sowie 13 000 Lehrkräfte<br />

und 200 000 Gäste an 81 Liederfesten teilgenommen. So<br />

konnte ein Meilenstein zur musikalischen Basiskompetenzförderung<br />

gesetzt werden. Die Motivation, in den <strong>Schule</strong>n zu<br />

singen, hält stark an, es werden zahlreiche neue Schulchöre<br />

gegründet, oft in Kooperation mit außerschulischen Partnern.<br />

Diese können z. B. beim Gemeinschaftsprojekt mit dem Landesmusikrat<br />

im Jahr 2012 „Kleine Leute, bunte Lieder“ an 24<br />

Regionalfesten und dem Abschlussfest beim Norddeutschen<br />

Rundfunk (NDR) ihr sängerisches Können unter Beweis stellen.<br />

weitere Informationen: www.hauptsachemusik.nibis.de<br />

Die Angebote für Bläserklassen in der Sekundarstufe sind weit<br />

ausgebaut. Alle zwei Jahre finden Bläserklassentreffen statt,<br />

an denen rund 2500 Schüler/innen teilnehmen. Insgesamt<br />

gibt es landesweit mehr als 200 Bläserklassen, die wiederum


26_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

mit außerschulischen Partnern, vor allem den Musikschulen,<br />

kooperieren. Für die Förder- und Hauptschule wurde mit der<br />

Sparkassenstiftung und dem Niedersächsischen Musikverband<br />

e. V. ein eigenes Modell entwickelt.<br />

Im Zuge des bildungspolitischen Schwerpunktes der „Inklusion“<br />

wurde die Arbeitsgruppe „Musik integrativ“ gemeinsam mit<br />

dem „Musikland Niedersachsen“ gegründet. Integrative Musikprojekte<br />

(z. B. „Hannoversches Integratives Soundfestival<br />

(HIS)“) werden mit Musikschulen und Musikerziehern/innen in<br />

Förderschulen durchgeführt.<br />

Andere Kooperationspartner, die sich mit populärer Musik beschäftigen<br />

und diese in die Alltagswelt der Jugendlichen integrieren<br />

möchten, sind die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG)<br />

Rock und die LAG Jazz. Für Schüler/innen mit Migrationshintergrund<br />

sind hier zahlreiche integrative Angebote zu finden.<br />

Auf diese Weise begegnen sich unterschiedliche <strong>Kultur</strong>en musikalisch<br />

und leisten einen Beitrag zur Toleranzerziehung im<br />

gemeinsamen Umgang. Im ländlichen Raum bietet das „Rhythmikmobil“<br />

der Landesmusikakademie Rhythmikschulung mit<br />

dem Schwerpunkt der interkulturellen Musikerziehung an<br />

Grundschulen an. Die Stiftung Niedersachsen unterstützt diese<br />

Projekte im Rahmen von „Hauptsache:Musik“.<br />

Um weitere Nachwuchskräfte für musikpädagogische Berufe<br />

im Lehramt zu gewinnen, wird das sehr erfolgreiche Programm<br />

„Musikmentoren“ gemeinsam mit dem Landesmusikrat in den<br />

Bereichen Vokal, Instrumental, und Studio – und seit dem Jahr<br />

2012 auch Videotechnik – an vier regionalen Standorten, u. a. in<br />

der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel durchgeführt. Weiterhin<br />

haben die Schüler/innen die Möglichkeit, in den von ihnen<br />

gewählten Favoriten an vier Wochenenden in einem Schuljahr<br />

pädagogische Erfahrungen zu sammeln, die sie im Anschluss in<br />

ihren <strong>Schule</strong>n, z. B. als Chorassistent/innen, umsetzen können.<br />

Bei der „musikalischen Exzellenzförderung“ ist das Institut<br />

zur Frühförderung (Iff) in Kooperation mit der Hochschule für<br />

Musik, Theater und Medien Hannover zu nennen. Dort werden<br />

musikalisch sehr begabte und hochbegabte junge Musiker/<br />

innen individuell schon vor Erreichen des hochschulfähigen<br />

Alters, zusätzlich zu ihren Studien am Instrument, auch in den<br />

theoretischen Fächern intensiv gefördert und betreut. Dieses<br />

Angebot ist europaweit einmalig und stark nachgefragt. Das<br />

Programm ist auch auf die Grundschule an vier regionalen<br />

Standorten in Niedersachsen ausgeweitet. Dazu stellt das Niedersächsische<br />

Kultusministerium eigens eine pädagogische<br />

Koordinatorin zur Verfügung.<br />

weitere Informationen: www.mk.niedersachsen.de<br />

© Kris Finn


© Schäflein & Himmelreich<br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _27<br />

2.4 daS KoordInatIonSBüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“<br />

Im InterVIew: anJa KrüGer<br />

anja Krüger ist Bildungsreferentin der<br />

Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />

Niedersachsen e. V. (LKJ),<br />

Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“,<br />

Hannover<br />

Anja Krüger, welche Aufgaben hat das Koordinationsbüro<br />

„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ (KmS) Niedersachsen?<br />

Das Koordinationsbüro „KmS“ übernimmt die Kommunikation<br />

und Vermittlung zwischen den Mitgliedern der LKJ, der<br />

Verwaltung und der Politik in Niedersachsen. Wir erfragen die<br />

Bedürfnisse, Anregungen und Wünsche unserer Mitglieder und<br />

vereinbaren die politischen Rahmenbedingungen für Kooperationen<br />

mit <strong>Schule</strong>n. Des Weiteren vernetzen wir die Träger <strong>Kultur</strong>eller<br />

Bildung und <strong>Schule</strong>n, stellen Bildungspartnerschaften<br />

her und beraten und unterstützen die Kooperationspartner mit<br />

Arbeitshilfen, Fortbildungen und Möglichkeiten zum Fachaustausch.<br />

Zusätzlich pflegen wir eine Datenbank mit Angeboten<br />

<strong>Kultur</strong>eller Bildung, in der <strong>Schule</strong>n außerschulische kulturelle<br />

Kooperationspartner finden und so ihr Schulprofil erweitern<br />

können.<br />

Wie wird das Koordinationsbüro finanziert?<br />

Die LKJ stellt für das Koordinationsbüro Mittel aus dem<br />

Stammhaushalt zur Verfügung. Seit dem Jahr 2005 formulieren<br />

die LKJ und das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />

im Vierjahresrhythmus eine Zielvereinbarung zur Sicherung<br />

der institutionellen Förderung. Dort wird das Koordinationsbüro<br />

sowohl inhaltlich als auch finanziell abgesichert.<br />

Wie sieht die <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />

an Niedersachsens <strong>Schule</strong>n zurzeit aus?<br />

Die Praxis der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung an Niedersachsens <strong>Schule</strong>n<br />

ist ein großes, sehr aktives Feld. Sie ist schon sehr viel<br />

weiter ausgebaut als in der wissenschaftlichen Theorie oder<br />

den politischen Rahmenbedingungen. Die meisten Kontakte<br />

zwischen Kooperationspartnern kommen durch persönliche<br />

Verbindungen oder das Engagement Einzelner (beispielsweise<br />

interessierter Lehrer/innen) zustande. Strukturelle Rahmenbedingungen<br />

für diese Kooperationen gibt es kaum. Gefördert<br />

und finanziert werden sie hauptsächlich in der geschlossenen<br />

Ganztagsschule, den Integrierten Gesamtschulen und den<br />

Gymnasien. Andere Schulformen haben wesentlich größere<br />

Schwierigkeiten, Kooperationen mit Qualität zu finanzieren.<br />

Vor allem in den offenen Ganztagsschulen, in denen die Nachmittagsangebote<br />

für die Schüler/innen freiwillig sind, fehlt eine<br />

ausreichende Finanzierung für qualitativ kulturelle Bildungsangebote.<br />

Diese <strong>Schule</strong>n müssen sich für ihre Projekte um private<br />

Förderer, Stiftungen oder landesweite, europaweite oder<br />

1 s. www.mixed-up-wettbewerb.de<br />

bundesweite Unterstützungen bemühen. Die Landeshauptstadt<br />

Hannover setzt beispielsweise eine vorbildliche kommunale<br />

Förderung um, während die Finanzierung für Kooperationen<br />

im ländlichen Raum wesentlich schwieriger ist. Insgesamt<br />

ist es beeindruckend, wie erfolgreich, vielfältig und vielseitig<br />

die Praxis trotz erschwerter Rahmenbedingungen im ganzen<br />

Land mit Engagement umgesetzt wird.<br />

Wie lange gibt es das Kooperationsbüro<br />

und was hat seine Arbeit bis jetzt bewirkt?<br />

Das Koordinationsbüro in Niedersachsen ist noch relativ jung.<br />

Es besteht seit März 2008. Unsere größten Erfolge sind zum<br />

einen die Vernetzung unterschiedlicher Partner in Niedersachsen.<br />

Zu diesen gehören die Serviceagentur Ganztägig Lernen,<br />

das <strong>Kultur</strong>büro Oldenburg, die Agentur für Erwachsenen- und<br />

Weiterbildung und die Landeshauptstadt Hannover. Zum anderen<br />

liegt in dem sich stetig intensivierendem Kontakt zu Verwaltung<br />

und Politik, also den Niedersächsischen Ministerien,<br />

sowie in der bundesweiten Präsenz des Koordinationsbüros<br />

„KmS“ großes Potenzial. Die Tatsache, dass das Ministerium<br />

für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> Niedersachsen das Koordinationsbüro<br />

finanziert, zeigt, dass im Ministerium der Bedarf<br />

für die Förderung kultureller Kooperationen gesehen und unterstützt<br />

wird. Dies ist ein Erfolg der Bemühungen der LKJ-<br />

Geschäftsführerin Insa Lienemann in der Kommunikation mit<br />

dem Ministerium.<br />

Erfolgreiche Kooperationsprojekte zwischen <strong>Kultur</strong> und<br />

<strong>Schule</strong>, in denen wir als Projektträger agieren sind „Theaterspielen<br />

in der Grundschule“ und der „KunstSommer“. Außerdem<br />

sind wir Kooperationspartner für das Projekt „Lesementoring“.<br />

Der erste große Erfolg unserer Arbeit war die Gründung<br />

des Landesverbandes Theaterpädagogik, der sich bereits acht<br />

Monate nach Einrichtung des Koordinationsbüros Ende 2008<br />

gründete.<br />

Im politischen Bereich haben wir bisher zwei Fachtage<br />

organisiert, aus denen weitere Arbeitskreise entstanden sind.<br />

Wir haben erstmalig mit unserem Dialog „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“<br />

im Juni 2011 Vertreter/innen aus <strong>Kultur</strong>, Politik, <strong>Schule</strong> und<br />

Verwaltung zum Gespräch an einen Tisch geholt, wo diese<br />

über die Zukunft der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Kooperation mit<br />

<strong>Schule</strong> in Niedersachsen diskutierten. Ein weiterer Schritt,<br />

Rahmenbedingungen in Niedersachsen für <strong>Kultur</strong>schaffende<br />

und <strong>Schule</strong>n zu verbessern.<br />

Welches sind die erfolgreichsten Kooperationsprojekte<br />

in Niedersachsen?<br />

Seit dem Jahr 2007 wurde in jedem Jahr ein Kooperationsprojekt<br />

aus Niedersachsen mit dem Bundespreis „MIXED UP“ 1<br />

der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung<br />

(BKJ) ausgezeichnet. In diesem Jahr waren es das Projekt<br />

„TANZT“ mit dem Theater für Niedersachsen in Kooperation mit


28_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

der Hauptschule Alter Markt und dem Theaterpädagogischen<br />

Zentrum in Hildesheim. Außerdem ging der Sonderpreis „Netzwerker“<br />

an „<strong>Kultur</strong>elle Bildung in Oldenburg“. Somit hatten wir<br />

2011 gleich zwei niedersächsische Preisträger. Von 2007 bis<br />

2010 erhielten vier Konzepte unserer Mitgliedsverbände eine<br />

dreijährige Förderung im Rahmen des BKJ-Modellprojekts<br />

„Lebenskunst lernen“ 2 .<br />

Das sind die erfolgreichsten Kooperationen, die in der Öffentlichkeit<br />

bekannt sind, aber den größten Erfolg möchte ich<br />

denen zusprechen, die es schaffen, seit Jahren kontinuierlich<br />

Kindern und Jugendlichen <strong>Kultur</strong>elle Bildung im Schulzusammenhang<br />

zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, es gibt noch eine<br />

Vielzahl von erfolgreichen und längerfristigen Projekten, von<br />

denen ich im Koordinationsbüro nichts erfahre. Niedersachsen<br />

ist ein Flächenland und so mancher Diamant liegt für das<br />

Koordinationsbüro noch unentdeckt im Verborgenen.<br />

Welche Schwierigkeiten bestehen bei Ihrer Arbeit?<br />

Leider existieren kaum lückenlose Förderungen für <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung an <strong>Schule</strong>n und damit nur vereinzelt qualitätssichernde<br />

Strukturen. Die größten Schwierigkeiten ergeben<br />

sich daher aus der mangelnden strukturellen und finanziellen<br />

Ausstattung für Kooperationen zwischen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>.<br />

Unser Arbeitsfeld liegt in der Schnittmenge aus <strong>Schule</strong> und<br />

<strong>Kultur</strong>, und es würde unser Handeln erleichtern, wenn die beiden<br />

zuständigen Ministerien an dieser Stelle zusammenarbeiten<br />

würden. Das Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher<br />

Systeme von <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong> und deren verschiedenen<br />

Vermittlungsformen führen immer wieder zu Problemen, aber<br />

auch Aha-Erlebnissen.<br />

Was sind – Ihrer Meinung nach –<br />

die Kriterien für eine erfolgreiche Kooperation?<br />

Die wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Kooperation<br />

ist ein gemeinsames Bildungsverständnis zwischen dem<br />

außerschulischen Partner und der <strong>Schule</strong>. Hierzu ist es wichtig,<br />

dass sich die Kooperierenden auf Augenhöhe begegnen.<br />

Am besten ist es, wenn die Möglichkeit besteht, dass beide<br />

gemeinsam das Konzept des Projektes erstellen und jede Einrichtung<br />

den Grund und Nutzen der Arbeit sieht. Die Partner<br />

sollten zuständige Kontaktpersonen haben, denn eine gute<br />

Kommunikationsstruktur erleichtert die Arbeit wesentlich.<br />

Grundsätzlich sollte in den Projekten das Kind oder die/der<br />

Jugendliche im Mittelpunkt stehen. Es sollte von ihnen aus<br />

gedacht und gehandelt werden und nicht ausgehend von den<br />

Interessen der Partner.<br />

Was wünschen Sie sich für die Zukunft<br />

des Koordinationsbüros „KmS“?<br />

Im Interesse funktionsfähiger Kooperationen aus <strong>Kultur</strong> und<br />

<strong>Schule</strong> wünsche ich mir vor allem eine Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />

für ihr Zustandekommen. Hierzu gehören<br />

angemessene und verbindliche (finanzielle, räumliche und<br />

organisatorische) Rahmenbedingungen, die Anerkennung<br />

der außerschulischen Angebote der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in<br />

<strong>Schule</strong>n als professionelle Bildung und eine Flexibilisierung<br />

des Schulalltags, um Unterricht und Freizeit im Interesse<br />

2 s. www.lebenskunstlernen.de<br />

der Schüler/innen abwechslungsreicher gestalten zu können.<br />

Eine Qualifizierung der beteiligten Lehrer/innen wäre ebenfalls<br />

wünschenswert. Vorzugsweise gemeinsam mit den beteiligten<br />

<strong>Kultur</strong>pädagogen/innen, um so die Grundlage für ein gemein-<br />

sames Bildungsverständnis zu legen und gemeinsam Ziele,<br />

Maßnahmen und Methoden der Projekte zu erarbeiten. Langfristig<br />

wäre es eine große Erleichterung, wenn kulturelle Angebote<br />

als Lerninhalte im Lehrplan verankert würden. Wäre <strong>Schule</strong> ein<br />

Lebensraum von Kindern und Jugendlichen, so könnten die Konzepte<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung dort viel besser Fuß fassen.<br />

Für das Koordinationsbüro „KmS“ wünsche ich mir einen Ausbau<br />

der personellen Ressourcen, um „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ im<br />

größeren Rahmen umsetzen zu können. Des Weiteren könnte<br />

ich mir mehrere Netzwerkbüros in Niedersachsen, vor allem im<br />

ländlichen Raum vorstellen, die flächendeckend die Entwicklung<br />

von Kooperationen unterstützen und fördern. Auch wenn<br />

das Koordinationsbüro im Land schon gut vernetzt ist, lässt<br />

sich mit einer dreiviertel Personalstelle in Hannover nicht alles<br />

umsetzten, was möglich wäre.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.lkjnds.de<br />

© Anna Schäflein


allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _29<br />

2.5 dIaloG „<strong>Kultur</strong> trIFFt <strong>Schule</strong>“ In nIederSachSen<br />

Geht In dIe erSte runde!<br />

malin Kettel<br />

Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />

e. V. (LKJ), Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“, Hannover<br />

Die erste Begegnung von <strong>Kultur</strong> und Politik in Niedersachsen<br />

<strong>macht</strong> Hoffnung für die Zukunft. Die Besucher/innen des Treffens<br />

sind sich einig, dass kulturelle Kooperationen mit <strong>Schule</strong>n<br />

ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Kinder- und Jugendbildung<br />

sind.<br />

Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags, Lehrer/innen,<br />

<strong>Kultur</strong>pädagogen/innen und Künstler/innen trafen sich am<br />

15. Juni 2011 im Landesmuseum in Hannover, um sich über<br />

die Zukunft der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung an Niedersachsens <strong>Schule</strong>n<br />

auszutauschen. Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />

Niedersachsen e. V. (LKJ) hatte zu dieser Veranstaltung<br />

eingeladen. Zum ersten Mal trafen Politik und Praxis in diesem<br />

Rahmen aufeinander.<br />

Dr. Katja Lembke vom Niedersächsischen Landesmuseum eröffnete<br />

die Veranstaltung und <strong>macht</strong>e am Beispiel der Kooperation<br />

von <strong>Schule</strong> und Museum deutlich, dass kulturelle Projekte<br />

den Bildungskanon der <strong>Schule</strong> erweitern. Schüler/innen<br />

erfahren durch die kreativen und emotionalen Prozesse neue<br />

Zugänge zu ihren Fähigkeiten und damit eine neue Form von<br />

Wissensaneignung. Auch die Niedersächsische Landesregierung<br />

misst der kulturellen Jugendbildung einen hohen Stellenwert<br />

zu. Im Rahmen der Neuordnung der <strong>Kultur</strong>förderung hat<br />

das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />

(MWK) mit der LKJ und dem Landesverband der Kunstschulen<br />

(LVKS) bereits die zweite Zielvereinbarung geschlossen,<br />

die für Planungssicherheit bis zum 31. 12. 2013 sorgt. Heike<br />

Fliess vom MWK unterstrich, dass kulturelle Jugendbildung<br />

eine Querschnittsaufgabe sei. Die Träger <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

seien heute ein wichtiger Partner für <strong>Schule</strong>n. Die Veranstaltung<br />

„<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“ trage dem Gedanken der Kooperation<br />

und der Vernetzung zwischen <strong>Schule</strong> und außerschulischen<br />

Bildungsträgern in Niedersachsen Rechnung.<br />

Im Anschluss stellten Insa Lienemann von der LKJ und Anja<br />

Krüger, Leiterin des Koordinationsbüros „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“,<br />

beispielhafte <strong>Kultur</strong>projekte in Kooperation mit <strong>Schule</strong> vor.<br />

Diese wurden in den folgenden 45 Minuten an Thementischen<br />

vertieft und reflektiert. Die Einbindung der Projekte in den<br />

schulischen Alltag wurde in den Kleingruppen als größte Herausforderung<br />

genannt. Diskutiert wurde, wie Unterrichtsinhalte<br />

mit kulturellen Projekten verknüpft werden können, um<br />

einen positiven Effekt für Kinder und Jugendliche und <strong>Schule</strong>n<br />

zu erzielen.<br />

1 s. www.loccum.de/schulvorstand/<strong>Download</strong>s/allgemein/Krohne_Dereg.pdf<br />

Björn Försterling, FDP-Landtagsabgeordneter und Mitglied<br />

des Kultusausschusses, regte an, mit fächerübergreifendem<br />

Unterricht und der Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachlehrer/innen<br />

die <strong>Schule</strong>n in ihren Strukturen mehr zu öffnen.<br />

So wäre die Zusammenarbeit mit außerschulischen <strong>Kultur</strong>partnern<br />

leichter. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU), ebenfalls<br />

Mitglied des Kultusausschusses, stimmte seinem Kollegen zu,<br />

wies jedoch darauf hin, dass der schulische Alltag bereits flexibler<br />

gestaltet werden könne. Mit der Einführung des Abiturs<br />

nach 12 Jahren (G8) und dem damit etablierten Kerncurriculum<br />

hätten die <strong>Schule</strong>n mehr Freiräume als früher. Er betonte,<br />

dass die Rahmenbedingungen für Kooperationen mit <strong>Schule</strong>n<br />

selten so offen waren wie heute. Bereits 2007 erhielten die<br />

<strong>Schule</strong>n eine „Übertragung erweiterter Entscheidungsspielräume“<br />

1 vom Niedersächsischen Kultusministerium. Durch<br />

diese haben die <strong>Schule</strong>n u. a. die Möglichkeit, den 45-minütigen<br />

Stundentakt zu lockern und Projektunterricht anzubieten.<br />

Marina de Greef vom Niedersächsischen Kultusministerium re-<br />

gte an, stärker für eine Mitwirkung der Lehrkräfte bei kul-<br />

turellen Kooperationsprojekten mit <strong>Schule</strong>n zu werben. Mitglieder<br />

der LKJ wiesen darauf hin, dass parallel zu den Angeboten<br />

für die Schüler/innen oft Lehrerfortbildungen angeboten würden<br />

oder Lehrer/innen die Projekte begleiteten.<br />

In der abschließenden gemeinsamen Diskussion wurde deutlich,<br />

dass Schwierigkeiten bestehen, die <strong>Schule</strong>n mit außerschulischen<br />

Projektpartnern in Kontakt zu bringen. Försterling<br />

schlug vor, dass Lehrkräfte mehr Freiräume bekommen sollten,<br />

um Kooperationen betreuen zu können. Marianne Heyden-<br />

Busch vom Fachbereich Stadtteilkulturarbeit der Stadt Hannover<br />

forderte ein Umdenken aller Beteiligten für neue Kommunikationsformen<br />

zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>. Christiane Maaß<br />

vom <strong>Kultur</strong>büro Oldenburg regte an, dass die Schulleitungen<br />

entlastet werden müssten, um mehr Zeit für die Organisation<br />

von kulturellen Kooperationen zu haben. Schließlich forderte<br />

Försterling sogar, dass den <strong>Schule</strong>n mehr Geld für kultu-<br />

relle Projekte und deren Organisationen zu Verfügung gestellt<br />

werden müsse.<br />

Die Veranstaltung „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“ <strong>macht</strong> große Hoffnung<br />

für die <strong>Kultur</strong>elle Bildung in Kooperation mit Niedersachsens<br />

<strong>Schule</strong>n, denn alle Mitwirkenden waren sich einig, dass <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung ein wichtiger Bestandteil des schulischen Alltags<br />

ist. Es wurde deutlich, dass sich alle Beteiligten um Möglichkeiten<br />

bemühen, Kooperationen mit außerschulischen <strong>Kultur</strong>projekten<br />

zu vereinfachen. Der Dialog „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong><br />

in Niedersachsen“ soll in Zukunft in regelmäßigen Abständen<br />

stattfinden. Bisher besprochene Themen sollen dort vertieft<br />

und weitergedacht werden.<br />

Quelle: Pressemitteilung der LKJ Niedersachsen, Hannover,<br />

18. 06. 2011, www.lkjnds.de.


30_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

2.6 wIe weIterBIldunG dIe QualItät<br />

<strong>Kultur</strong>eller BIldunG In der <strong>Schule</strong> Fördern Kann<br />

thomas lang und claudia wenzel<br />

Referent/Referentin der Bundesakademie für kulturelle<br />

Bildung Wolfenbüttel<br />

Die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel<br />

versteht sich als „Ort für Kunst, <strong>Kultur</strong> und ihre Vermittler“<br />

und als „Ort, wo aus Kunst <strong>Kultur</strong> wird“. Denn die Künste werden<br />

erst durch Wahrnehmung und Vermittlung zur <strong>Kultur</strong>. Ein<br />

umfangreiches Kurs-, Seminar-, Werkstatt- und Tagungsprogramm<br />

wendet sich an Akteure und Institutionen der <strong>Kultur</strong><br />

und der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Orchester, Theater, Museen, soziokulturelle<br />

Zentren, Volkshochschulen und deren Mitarbeiter/<br />

innen erhalten in Wolfenbüttel Hinweise, Anregungen und<br />

Fortbildungsangebote zu Vermittlungsstrategien von Kunst<br />

und <strong>Kultur</strong>, zu Konzepten von Ansprache, Darstellung und<br />

Partizipation. Bildende Künstler/innen, Autoren/innen, Chorleiter/innen<br />

und Kunst- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen finden<br />

in den Kursangeboten der Akademie neues Wissen und neue<br />

Fertigkeiten, die ihnen in ihrer Praxis nützen, Qualifizierungsreihen<br />

zur beruflichen Weiterentwicklung und Angebote zur<br />

Entfaltung fachlicher und persönlicher Kompetenzen. Es gilt,<br />

den Zugang zu <strong>Kultur</strong> und zur Wahrnehmung der Angebote der<br />

kulturellen Institutionen zu erweitern, mehr Menschen dafür<br />

zu begeistern und Hinweise zu geben, sich selber partizipativ<br />

und beteiligend, aktiv und kooperativ, künstlerisch und gesellschaftlich<br />

zu äußern.<br />

In zunehmendem Maße kooperieren <strong>Kultur</strong>institutionen mit<br />

<strong>Schule</strong>, mit Lehrern/innen und Schülern/innen. Modellversuche<br />

werden gestartet, gelungene Beispiele auf Festivals<br />

präsentiert, Tagungen und Kongresse veranstaltet. Viel wird<br />

gesprochen zurzeit über das Zusammenwirken dieser beiden<br />

mächtigen Monopolbetriebe, dem der <strong>Schule</strong> und dem der <strong>Kultur</strong>institutionen.<br />

Und es liegt nahe und klingt plausibel, Kooperationen<br />

zu verstärken. Die <strong>Schule</strong> ist gesellschaftlich auf- und<br />

herausgefordert, ihre tradierten Vorgehensweisen und Unterrichtsstrategien<br />

in den Bereichen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung zu<br />

befragen und zu erweitern. Und etablierte <strong>Kultur</strong>institutionen<br />

suchen in einer sich demografisch verändernden Gesellschaft<br />

den Umgang mit anderen und neuen Zuschauergruppen.<br />

„Künstler an die <strong>Schule</strong>“ ist in Mode. Man verspricht sich von<br />

einer Unterrichtstätigkeit der Künstler/innen, die partiell an<br />

<strong>Schule</strong>n unterrichten, neue Impulse für die Weiterentwicklung<br />

von Methoden, Motivationen und Ausdrucksweisen.<br />

Im gleichen Maße interessieren sich Lehrer/innen für die Einbeziehung<br />

künstlerischer Ausdrucksformen in Unterricht, Projektarbeit<br />

und schulischen Freizeitangeboten. Und auch hier<br />

greifen die Angebote der Bundesakademie ein und fordern<br />

und fördern die Interessen an Entdeckung und Qualifizierung<br />

kulturpädagogischer Vorgänge. In Kursen zur Literaturdidaktik<br />

werden Hinweise gegeben auf literarische Aktivitäten von<br />

Schülern/innen. Musikalisch Interessierte, auch fachfremd<br />

unterrichtende Lehrer/innen, finden Kurse und Qualifizierun-<br />

gen zur Anleitung von Schul- und Kinderchor, Rock-AG und Bläserklassen.<br />

Museumskuratoren/innen und Geschichtslehrer/<br />

innen erarbeiten Konzepte zur Einbindung musealer Objekte in<br />

Unterricht und Welterkundung. Die Akademie unterrichtet Performance<br />

in Bildender Kunst und Theater, Lyrik schreiben im<br />

Deutschunterricht und theaterpädagogische Annäherungen<br />

an Mathematik und Naturwissenschaften, Sportlehrer/innen<br />

studieren zeitgenössischen Tanz.<br />

Filmen in der <strong>Schule</strong>: die Qualifizierungsreihe „taschengeldkino“<br />

Wie solche Qualifizierungsreihen aussehen können, soll an einem<br />

Beispiel genauer ausgeführt werden: „Taschengeldkino“<br />

bietet Lehrern/innen eine umfangreiche Fortbildung zu Methoden,<br />

Kompetenzen und Strategien zur Förderung des Filmens in<br />

<strong>Schule</strong>n.<br />

„Taschengeldkino“, das ist der Film der jungen Leute, ge<strong>macht</strong><br />

mit knappen Mitteln. Die Technik ist da und allen verfügbar. Jeder,<br />

der ein Handy besitzt, und wer tut das nicht, findet dort ein<br />

paar Minuten Filmspeicher und mit ein paar Bits und Bites und<br />

einem preisgünstigen Schnittprogramm ist der erste eigene<br />

Kurzfilm bald auf YouTube zu sehen.<br />

Mit Taschengeldkino ist deshalb auch eine Qualifizierungsreihe<br />

benannt, die Lehrern/innen ein filmästhetisches und filmhandwerkliches<br />

Know-how vermittelt, basierend auf deren Interessen<br />

und Vorkenntnissen, mit dem Ziel, Jugendliche in der<br />

<strong>Schule</strong> (und anderswo) zu Filmproduktionen anzuregen, anzuleiten<br />

und selbstbewusst und stilsicherer zu unterstützen.<br />

Film ist zwar inzwischen selbstverständlicher Bestandteil der<br />

Unterrichtsgestaltung. Als Methode, als Inhalt oder als ästhetisches<br />

Produkt wird er immer wieder zum Gegenstand schulischer<br />

Praxis, im Unterricht, in Film-AGs und an Projekttagen:<br />

Der Deutschunterricht nutzt Film als kommentierende Auseinandersetzung<br />

mit Texten und Literatur, der Dokumentarfilm<br />

im Geschichtsunterricht bietet Bildmaterial zu kritischen Reflexionen<br />

und der Kunstunterricht sieht Film als Kunst und<br />

Kunstform.<br />

Es gilt nun, für Schulleben und Unterricht, das Filmen selbst,<br />

die Herstellung von Film und deren Veröffentlichung als Erweiterung<br />

von Anwendungsmöglichkeiten zu entdecken.<br />

Schülerfilmproduktionen zeigen jenseits des Mainstreams,<br />

wie ungewöhnlich und eigenwillig Filme sein können. Dieses<br />

„Filmemachen yourself“ wird so unmittelbar praktizierte Medienbildung.<br />

Das, was Schulpädagogen/innen nutzt, um Schülern/innen<br />

hilfreich zur Seite stehen zu können, sind Überblick und punktuelle<br />

Einblicke in Produktionsabläufe und deren methodische<br />

Übersetzungen in kooperative Lernprozesse, dazu Entfaltung<br />

von Stilsicherheit und Wissen zu Standardstrukturen in<br />

Filmsprache und Filmdramaturgie. Und Mut und Wissen, wie


© Claudia Wenzel<br />

filmpraktische Projekte anzugehen sind. Das will die Qualifizierungsreihe<br />

„Taschengeldkino“ erreichen.<br />

Als Dozenten/innen für die dreitägigen Arbeitsphasen werden<br />

filmpraktisch erfahrene, im Filmgeschäft Berufstätige angesprochen,<br />

motiviert und „Crash gecoacht“ für das fremde Fach<br />

„Lehrerfortbildung“. So wurden u. a. die mit der Wacken-Dokumentation<br />

„Full Metal Village“ bekannt gewordene Dokumentarfilmerin<br />

Sung-Hyung Cho oder der iranische Film-Regisseur<br />

Ali Samadi Ahadi („Salami Aleikum“) gewonnen. Deren Kompetenz:<br />

natürlich filmische Stilsicherheit und die Aura und Autorität<br />

des Könnens und der Berufswirklichkeit, aber vor allem<br />

eine durch effektivitätsorientierte Berufserfahrung gestählte<br />

Knappheit in der Formulierung. Interessant zu beobachten war<br />

im bisherigen Verlauf der Qualifizierungsreihe, dass anfangs<br />

sorgfältig konzipierte Erarbeitungen zeitgemäßer schulpä-<br />

dagogischer Umsetzungsstrategien im Verlauf der Arbeitsphasen<br />

mehr und mehr vernachlässigt werden konnten. Interessant<br />

deswegen, weil andere Erfahrungen im kunstpädagogischen<br />

Feld sonst oft gegenläufig sind. Die eigenpraktischen<br />

Erfahrungen der teilnehmenden Pädagogen/innen während<br />

der einzelnen Arbeitsphasen trugen diese didaktischen Einbindungen<br />

und methodischen Umsetzungen in einen zukünftigen<br />

Unterricht quasi in sich. Sie wurden, bedingt durch eine äußerst<br />

präzise und knapp gehaltene Unterrichts- und Dozierweise der<br />

Dozenten/innen, als ständig präsent erfahren, ohne extra angesprochen<br />

und trainiert werden zu müssen, unterrichteten<br />

sie sich quasi „von selbst“ und konnten der Kompetenz der<br />

Pädagogen/innen überlassen werden. Deren Konzentration<br />

galt dann schnell filmischen Erzählweisen, Dramaturgien und<br />

Bildkompositionen sowie Mitteilungsstrategien „jenseits des<br />

Selbstverständlichen“.<br />

Die Abfolge der sieben Phasen (jeweils dreitägig, zum Teil Unterrichtszeit,<br />

zum Teil Wochenende), methodisch abwechslungsreich<br />

und plausibel aufbauend, transparent strukturiert,<br />

folgt natürlichen Produktionsabläufen, von der Ideenfindung zu<br />

detailgenauen Beobachtungen, von Grundlagen des filmischen<br />

Erzählens über den Dokumentarfilm zum Kurzspielfilm, vom<br />

Drehbuch über Kamera und Licht zu Filmschauspiel und Filmschnitt,<br />

methodisch gegengelesen und flankiert von Filmfestivalbesuchen,<br />

Projektreflexionen und Vernetzungsangeboten.<br />

Das gelingt keinem allein, so etwas <strong>macht</strong> man nicht so eben<br />

nebenbei, dazu braucht es Überblick und starke Partner. Und<br />

Glück und Netzwerke wollten es, dass die daran Beteiligten<br />

offen, kooperativ und vertrauensvoll zusammenarbeiten, inklusive<br />

sorgfältiger vertraglicher Regelungen der baren wie<br />

unbaren jeweiligen Leistungen. Als „Herausgeber“ fungiert dabei<br />

das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung<br />

(NLQ) mit einer ausgeprägten und bestens<br />

vernetzten medienpädagogischen Struktur und attraktiven<br />

baren Beiträgen, die es den an den Qualifizierungsreihen beteiligten<br />

Lehrkräften erleichtert, engagiert und vertrauensvoll<br />

mitzuarbeiten, gestützt von deren <strong>Schule</strong>n, die einen Teil der<br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _31<br />

Fortbildungszeit dem Unterricht entnehmen. Ein Herzstück:<br />

eine semiprofessionelle Ausstattung (Kamera- und Lichttechnik<br />

sowie Schnittprogramme, Low Budget wie High Budget) für<br />

das Seminargeschehen, mit Support und mit der dazugehörigen<br />

Manpower für die Bereitstellung und anwendungsorientierte<br />

Instruktion.<br />

Outsourcing ist dann angesagt. Für die Durchführung sorgt<br />

das Büro des Bundesweiten Schülerfilm- und Videozentrums<br />

in Hannover, aus Bundesmitteln gefördert. Hier angesiedelt<br />

ist das Internationale Nachwuchsfilmfestival „up and<br />

coming“ 1 mit der Initiative „Filmlehrer.de“ 2 . „Filmlehrer.de“<br />

steht für das Dozentencoaching und eine sorgfältige zeitgemäße<br />

filmkünstlerische und medienpädagogische Modera-<br />

tion, basierend auf eigenmotivierter AG-Praxis und fach-<br />

lich fundierten Reflexionsphasen. Ein Vorgehen, das es den<br />

Dozenten/innen ermöglicht, Fachkompetenz einzubrin-<br />

gen, ohne sich in Organisation und Gruppenprozessen zu verirren.<br />

Ort des Geschehens: die Bundesakademie für kulturelle<br />

Bildung Wolfenbüttel mit ansprechenden und ausreichenden<br />

Arbeitsräumen, einem Gästehaus und etlicher Erfahrung in der<br />

kulturpädagogischen Erwachsenenbildung.<br />

So geht die Kooperation von <strong>Schule</strong> und außerschulischen<br />

Fachinstitutionen: die Stärken stärken und die Kompetenzen<br />

der Gegenüber suchen und selbstbewusst und respektvoll<br />

wahrnehmen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.bundesakademie.de<br />

1 s. www.up-and-coming.de<br />

2 s. www.filmlehrer.de, s. auch den Artikel „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> – Modelle aus Niedersachsen“ in diesem Band, S. 24 ff


32_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

2.7 darStellendeS SPIel an der<br />

leIBnIz unIVerSItät hannoVer<br />

Im InterVIew: ole hruSchKa<br />

dr. ole hruscka ist Hochschullehrer für<br />

Literatur- und Theaterwissenschaft und<br />

Leiter des Studienfachs Darstellendes<br />

Spiel an der Leibniz Universität Hannover.<br />

Was beinhaltet das Studium Darstellendes Spiel an der<br />

Universität Hannover? Wo liegen die Schwerpunkte und Ziele?<br />

Bei dem niedersächsischen Studiengang Darstellendes Spiel<br />

handelt es sich um die bundesweit einzige grundständige<br />

Ausbildung für Lehrer/innen, die das Fach Theater in der gymnasialen<br />

Oberstufe vertreten sollen. Durch eine hochschulübergreifende<br />

Kooperation verfügen wir über ein vielfältiges<br />

Studienangebot, das verschiedene Darstellungsformen und<br />

Kunstdisziplinen – Literatur, Bildende Künste, Musik – inte-<br />

griert. Das Studium, für das man sich nach einer Aufnahmeprüfung<br />

an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig<br />

und an der Leibniz Universität in Hannover einschreiben kann,<br />

verbindet Theaterpraxis und Theatertheorie, hat zudem immer<br />

auch didaktische Fragestellungen im Blick. Die Studierenden<br />

müssen in ihrem späteren Berufsfeld selbst künstlerische Ideen<br />

entwickeln, wie man zu gemeinsamer Projektarbeit anregen<br />

und innovative Lehr- und Lernformen etablieren kann. Dafür<br />

lernen sie während ihres Studiums unterschiedliche Spielarten<br />

des Gegenwartstheaters kennen, entdecken die besonderen<br />

Möglichkeiten des Theatermediums in eigenen universitären<br />

Produktionen. Sie brauchen eine große Offenheit und Neugier,<br />

was neuere Dramaturgien betrifft und einen guten Überblick<br />

über Theaterliteratur und -geschichte. Ziel der Ausbildung ist<br />

es, kompetente Theaterpersönlichkeiten hervorzubringen, die<br />

nicht zuletzt auch in der Lage sind, mit professionellen Theatern<br />

auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.<br />

Wie schätzen Sie die Ausbildung<br />

für <strong>Kultur</strong>fachkräfte in Niedersachsen allgemein ein?<br />

Die Existenz des eben skizzierten Studiengangs und die Einrichtung<br />

von drei Studienseminaren in Niedersachsen sind<br />

Erfolge, die eine Signalwirkung haben, auch auf andere Bundesländer.<br />

In Hamburg und Hessen werden derzeit weitere Studienseminare<br />

eröffnet, um Theaterlehrer/innen in einer zweiten<br />

Ausbildungsphase, also dem Referendariat, an die <strong>Schule</strong><br />

heranzuführen.<br />

Im Bereich der <strong>Kultur</strong>vermittlung verfügt Niedersachsen<br />

damit insgesamt – nicht zuletzt auch durch die Praxisorientierung<br />

der Hildesheimer <strong>Kultur</strong>wissenschaften – über äußerst<br />

erfolgreiche und wegweisende Ausbildungsmodelle.<br />

Wie kann die Ausbildung der Fachkräfte<br />

die <strong>Kultur</strong>landschaft in Niedersachsens <strong>Schule</strong>n beeinflussen?<br />

Ich bin sicher, dass das Theater als soziale Kunstform gerade<br />

im schulischen Kontext ein besonderes Erfahrungspotenzial<br />

besitzt. Dort, wo dies wirklich ernst genommen wird, wird es<br />

große Auswirkungen auf die Schulkultur haben – nach innen<br />

und in der Außendarstellung. Dazu werden unsere Absolventinnen<br />

und Absolventen künftig ihren Teil beitragen.<br />

Ein aktuelles Beispiel dafür, dass Ansätze und Methoden<br />

aus der Theaterpädagogik auch den Unterricht in anderen Fächern<br />

befruchten können, liefert der im Jahr 2011 erschienene<br />

Materialienband der Bundeszentrale für politische Bildung<br />

(bpb) „Theater probieren, Politik entdecken.“ Diese Publikation<br />

enthält „Bausteine”, Aufgaben und Impulse, die auch in<br />

Fächern wie Politik, Geschichte oder Erdkunde bei der Vermittlung<br />

gesellschaftspolitischer Themen relevant sind.<br />

Welche Erfahrungen haben Sie im Bereich Kooperation <strong>Kultur</strong><br />

und <strong>Schule</strong> in Niedersachsen? Positive oder negative?<br />

Wo entstehen (politische) Schwierigkeiten?<br />

Auf den eben genannten Erfolgen können wir uns keineswegs<br />

ausruhen. Theater/Darstellendes Spiel hat sich in der niedersächsischen<br />

Schullandschaft noch längst nicht überall als reguläres<br />

Fach durchgesetzt. Unsere Absolventen/innen haben<br />

daher faktisch oft noch nicht dieselben Einstellungsbedingungen<br />

wie Lehrer/innen in den anderen Fächern – das sollte<br />

dringend verbessert werden. Perspektivisch sollte in Niedersachsen<br />

eine entsprechende Ausbildung für Theaterlehrer/<br />

innen auch auf die Mittelstufe bzw. auf Grund-, Haupt- und<br />

Realschulen erweitert werden. Da scheint mir bildungs- und<br />

kulturpolitisch einiges ungeklärt: Man fördert zwar punktuell<br />

vielversprechende Ansätze, agiert jedoch noch zu zurückhaltend,<br />

wenn es darum geht, Angebote im Bereich der ästhetischen<br />

Bildung flächendeckend zu ermöglichen.<br />

„Kooperation zwischen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>” – das klingt<br />

zunächst ja gut und keiner wird etwas dagegen haben. Hinter<br />

diesem Konsens verbergen sich aber durchaus unterschiedliche<br />

Interessen und Gemütslagen. Ich nenne mal zugespitzt<br />

zwei konkrete Beispiele: Oft verbinden Lehrer/innen mit dem<br />

Stichwort „Theater“ noch immer den Wunsch, die Spielpläne<br />

sollten sich doch möglichst am Lehrplan orientieren; ambitionierte<br />

Theaterkunst empfinden sie dagegen als Zumutung<br />

für ihre angeblich überforderten Schüler/innen. Seitens der<br />

Theater wiederum besteht die Gefahr, dass sie die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>Schule</strong> als reine Zuschauerbeschaffungsmaßnahme<br />

begreifen; Theaterpädagogik am Theater wird dann nur als verlängerter<br />

Arm der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit betrachtet.<br />

Wie sehen Sie die Zukunft der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />

in Niedersachsens <strong>Schule</strong>n?<br />

Die <strong>Schule</strong>n sind insgesamt aufgefordert, ihr jeweiliges Profil<br />

zu schärfen. Welchen Stellenwert dabei ein projektorientierter<br />

Unterricht in den Künsten hat, variiert also je nach Schulprofil.<br />

Der Stundentakt und die ständigen Reformen, die die <strong>Schule</strong>n<br />

zu bewältigen haben, stellen große Anforderungen an jene<br />

Kollegen/innen, die an den <strong>Schule</strong>n kreative Prozesse in Gang<br />

setzen wollen. Soweit ich sehe, herrscht insgesamt an den<br />

<strong>Schule</strong>n dennoch ein großer Bedarf an Angeboten im Bereich<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung – weil die <strong>Schule</strong>n untereinander mit


diesen Angeboten konkurrieren, aber auch, weil man sich von<br />

diesem Bereich eben viele positive Effekte erhofft. Insgesamt<br />

kann man also, was die künftige Entwicklung im Bereich der<br />

<strong>Kultur</strong>angebote an den <strong>Schule</strong>n angeht, zuversichtlich sein.<br />

Denn dieser Bedarf wird wohl weiter wachsen, zumal im Rahmen<br />

der immer weiter verbreiteten Ganztagsbetreuung.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.darstellendesspiel.uni-hannover.de<br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _33<br />

lIteratur:<br />

Bundeszentrale für politische Bildung (2011):<br />

Theater probieren, Politik entdecken. Bonn.<br />

[www.bpb.de/files/4WXKZM.pdf, 08.12. 2011].<br />

2.8 <strong>Kultur</strong>- und theaterarBeIt In der eValuatIon<br />

mascha Grieschat<br />

Theaterpädagogin, Hamburg<br />

Ausgehend von der Frage, wie und ob Lernziele in Prozessen<br />

<strong>Kultur</strong>eller Bildung belegt werden können, fand im Rahmen des<br />

Projektes „Theater in die <strong>Schule</strong>“ eine Kooperation zwischen<br />

dem Staatstheater Braunschweig und den Braunschweiger Universitäten<br />

statt. In ihrer Masterarbeit im Studiengang Master of<br />

Education mit den Fächern Darstellendes Spiel und Germanistik<br />

hat Mascha Grieschat sich mit der Problematik befasst, künstlerische<br />

Projekte in pädagogischen Kontexten zu evaluieren<br />

(„<strong>Kultur</strong>- und Theaterarbeit in der Evaluation“, 2011).<br />

Wie ist es möglich, ein kulturelles Kooperationsprojekt sinnvoll<br />

zu evaluieren? Und was bedeutet überhaupt eine Evaluation<br />

im Kontext von <strong>Kultur</strong>-und Theaterarbeit? Zunächst ist eine<br />

Evaluation immer ein Instrument zur empirischen Generierung<br />

von Wissen, welches „mit einer Bewertung verknüpft wird, um<br />

zielgerichtete Entscheidungen zu treffen.“ (Stockmann/Meyer<br />

2010, S. 64). Nun gestaltet sich die Bewertung von künst-<br />

lerisch-pädagogischer Arbeit sowie die Untersuchung ihrer<br />

Wirkungsweisen aber nicht immer leicht und ist zudem häufig<br />

mit Vorurteilen behaftet:<br />

„Für die einen ist [Evaluation] der Inbegriff des Instruments<br />

um Nicht-Messbares endlich messbar [...], um Erfolg anhand von<br />

Kennzahlen transparent zu machen. Für die anderen ist [sie] das<br />

Schreckgespinst, das unmögliche Instrument, das nichts bringt<br />

und versucht, Kunst messbar zu machen.“ (Birnkraut 2011, S. 7).<br />

Häufig werden Befragungen – insbesondere im künstlerisch-kulturellen<br />

Bereich – auch missverstanden oder gar<br />

gefürchtet, weil sie falsch eingesetzt oder (speziell in der Auswertung)<br />

nicht ausreichend genutzt werden.<br />

Bei „Theater in die <strong>Schule</strong>“ sollte es anders sein:<br />

Mich reizte es, mit den Möglichkeiten der „theaterpädagogischen<br />

Praxisforschung“ (vgl. Schilling 2005, S. 58) ein eigenes<br />

Evaluationskonzept zu entwickeln und Pionierarbeit im<br />

Bereich von kultureller Evaluation zu leisten. Hier hatte Wissenschaftlichkeit<br />

oberste Priorität. Darum waren u. a. die Evaluationsstandards<br />

der DeGEval-Gesellschaft für Evaluation<br />

e. V. (vgl. 2008, S. 10–13), zu denen die vier grundlegenden<br />

Eigenschaften Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness und<br />

Genauigkeit gehören, besonders relevant. Denn nur durch<br />

eine wissenschaftlich fundierte Auswertung können Erfolge<br />

in der <strong>Kultur</strong>arbeit anhand von Zahlen veranschaulicht und<br />

Rückschlüsse zur Verbesserung des Projekts gezogen werden.<br />

Darüber hinaus sollte Evaluation im Idealfall immer ein integraler<br />

Anteil von Lernen und Bildung sein – „Evaluation is a powerful<br />

tool for learning.“ (Woolf 2004, S. 7). Nicht nur als Momentaufnahme,<br />

sondern optimalerweise als interaktiver Prozess,<br />

kann sie einen entscheidenden Mehrwert für die Institution<br />

und ein Projekt bedeuten. Dafür gilt im Einzelnen:<br />

>> Evaluation soll als Selbstlernprozess, als etwas Positives und<br />

neue Impulse Gebendes betrachtet werden, was die aktive<br />

Mitarbeit aller Beteiligten erfordert.<br />

>> Darum soll – auch von Externen – nicht „blind“ evaluiert, sondern<br />

eine Methode entwickelt werden, die eine langfristige,<br />

nachhaltige Verbesserung des Projekts als „lernende Organisation“<br />

(Birnkraut 2011, S. 8) mit sich bringt.<br />

Jede Evaluation dient einem Zweck. Und darum müssen vorab<br />

Ziele formuliert werden, die im Evaluationsprozess erfragt und<br />

beantwortet werden sollen. Ziel der Untersuchung im Fall von<br />

„Theater in die <strong>Schule</strong>“ war es, das Projekt zu beleuchten, zu<br />

hinterfragen, Misserfolge bzw. Probleme zu benennen sowie<br />

Erfolge in Zahlen und Argumenten auszudrücken, um aussagekräftige<br />

Schlüsse ziehen zu können: Was funktioniert – und<br />

was nicht? Wo wollen wir loben, wo optimieren?<br />

Konkret ging es demnach darum,<br />

>> Praxis und Gewohnheiten aller Kooperationspartner aufzuzeigen<br />

und zur Verbesserung und Weiterentwicklung (auch<br />

im laufenden Projekt) beizutragen,<br />

>> Daten und Argumente für weitere Konzeptentwicklung oder<br />

-veränderung zu erhalten (z. B. sensiblere Auswahl von altersgerechten<br />

Stücken),<br />

>> Interessen der Schüler/innen besser zu erkennen und<br />

daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können (z. B. im Work-<br />

shop mehr Einsatz von Kostümen),


34_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

>> etwas über die Wirkung des Theaterspielens und -sehens herauszufinden,<br />

>> Vermittlung von (Schlüssel-)Kompetenzen und andere Lernziele<br />

zu überprüfen,<br />

>> Standards für die Zukunft zu entwickeln und evtl. anzupassen,<br />

>> Erfolg anhand von Zahlen zu belegen und kulturpolitisch damit<br />

zu argumentieren.<br />

Um im Endbericht der Evaluation konkrete und wissenschaftlich<br />

fundierte Handlungsempfehlungen für das Projekt aussprechen<br />

zu können, waren mehrere Arbeitsschritte nötig:<br />

anfangs erfolgten die genauen Zielformulierungen, der dann<br />

die Auswahl von geeigneten „Messmethoden“ (Indikatoren)<br />

und anschließend die eigentlichen Programmdurchführung<br />

(mit Datenerhebung und -auswertung) – (vgl. Abb. 1) folgten.<br />

Dabei arbeitete ich mit einer Kombination aus quantitativen<br />

und qualitativen Methoden, da es mir einerseits um die numerischen<br />

Darstellung empirischer Sachverhalte ging: „Wie oft<br />

gehen die Schüler/innen ins Theater?“ (ein Vorzug der quantitativen<br />

Methoden) und andererseits um die Überprüfung von<br />

Hypothesen und Fragestellungen: „Motiviert ‚Theater in die<br />

<strong>Schule</strong>‘ die Schüler/innen nachhaltig ins Theater zu gehen?“<br />

(mit Hilfe von Beobachtung, Befragung und Interview, mit qualitativen<br />

Methoden möglich).<br />

Wesentlicher Teil der Evaluation war die Durchführung<br />

einer Umfrage mittels Fragebögen, die sich an die Beteiligten<br />

der beiden <strong>Schule</strong>n (Schüler/innen, Lehrer/innen, Erziehungsberechtigte)<br />

richtete. Folgende Punkte wurden untersucht:<br />

>> Benotung/Bewertung des Projekts,<br />

>> Einordnung des Projekts: ästhetisches Projekt vs. Projekt<br />

der sozialen Arbeit,<br />

>> Frequenz der Theaterbesuche vor und mit dem Projekt<br />

(Schüler/innen),<br />

>> Individuelle Äußerungen zu Lob, Kritik und Anregungen,<br />

>> Informiertheit über das Projekt,<br />

>> Interesse der Schüler/innen am Theater,<br />

abb. 1: Evaluationskreislauf<br />

ziel/Fragestellung festlegen:<br />

Welche Kompetenzen werden vermittelt?<br />

Wie profitieren die Institutionen?<br />

Wurden die Mittel gut eingesetzt?<br />

Wo ist Verbesserungsbedarf?<br />

Was funktioniert? Was nicht?<br />

Wirkt es?<br />

evaluation von<br />

»theater in der <strong>Schule</strong>«<br />

rückblick und<br />

handlungsempfehlungen<br />

>> Kompetenzförderung,<br />

>> Vor- und Nachteile des Projekts,<br />

>> Wunsch nach Weiterführung.<br />

Da die Auswertung der Befragung sehr umfangreich ist, können<br />

hier leider nur einige Ergebnisse exemplarisch vorgestellt<br />

und damit ein kleiner Einblick gewährt werden:<br />

Die Gesamtnotengebung (vgl. Tab. 1) für das Projekt fällt<br />

mit 2,31 insgesamt „gut“ aus. Die Beteiligten der Realschule<br />

Sidonienstraße beurteilen dabei durchschnittlich schlechter<br />

als die der IGS Volkmarode. Dass man klar zwischen der Umsetzung<br />

und Bewertung des Projekts an den beiden <strong>Schule</strong>n<br />

unterscheiden muss, zeigt sich nicht nur an den jeweiligen<br />

Durchschnittsnoten. Beim Vergleich der beiden <strong>Schule</strong>n fällt<br />

eine etwas unterschiedliche Streuung auf. Während es bei den<br />

jeweiligen Gruppen (Eltern, Lehrer/innen, Schüler/innen) einer<br />

<strong>Schule</strong> keine größere Abweichung als 15 % gab (z. B. gaben bei<br />

der Realschule Sidonienstraße 37 % der Eltern und 23 % der<br />

Lehrer/innen die Note 3 – die Abweichung beträgt also 14 %),<br />

was für eine jeweils recht einheitliche „Schulmeinung“ spricht.<br />

Vier Fünftel der Befragten gaben außerdem an, das Projekt sei<br />

„sehr/eher sinnvoll“ (vgl. Tab. 2). Wieder fällt die unterschiedliche<br />

Streuung auf.<br />

Um herauszufinden, welche Kompetenzen durch das Projekt<br />

am meisten gefördert werden, habe ich eine Vorauswahl von<br />

sechs Kompetenzen getroffen (vgl. Tab. 3), welche in eine Reihenfolge<br />

(„im Projekt am wichtigsten“) gebracht werden sollten.<br />

Das Ranking (ein Vergeben der Plätze 1 bis 6) ergab unterschiedliche<br />

Ergebnisse. In der Gesamtauswertung teilen sich<br />

„Präsentationskompetenz“ und „soziale Kompetenz“ beinahe<br />

den ersten Platz, „literarische Kompetenz“ und die „Kompetenz<br />

als Theaterzuschauer/in“ (Theater „reflektieren können“)<br />

scheinen am wenigsten gefördert. Auf den mittleren Rängen<br />

sind „Persönlichkeitsentwicklung“ und „fachliche Kompetenz“<br />

angesiedelt. Überraschend ist vor allem die unterschiedliche<br />

Einschätzung von Erwachsenen und Kindern in Bezug auf die<br />

Geeignete quantitative<br />

und qualitative Studien<br />

(Indikatoren)wählen:<br />

Wie wird das Projekt<br />

gemessen?<br />

Programmdurchführung:<br />

Beobachtungen, Interviews,<br />

Umfrage, Auswertung usw.


note für das<br />

gesamte Projekt<br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _35<br />

Sidonienstraße Volkmarode Gesamt<br />

E L S E L S Ø<br />

1 – sehr gut 10 % 15 % 10 % 16 % 35 % 21% 18 %<br />

2 – gut 41 % 54% 45 % 61% 47% 52% 50%<br />

3 – befriedigend 37 % 23% 37 % 19 % 12 % 15 % 24%<br />

4 – ausreichend 10 % 8% 6% 4% 6% 2% 6%<br />

5– mangelhaft 1% 0% 0% 0% 0% 5% 1%<br />

6 – ungenügend 1% 0% 2% 0% 0% 6% 2%<br />

Durchschnittsnote 2,56 2,23 2,69 2,11 1,88 2,41 2,31<br />

tab. 1: Durchschnittliche Bewertung<br />

Für wie sinnvoll halten Sie<br />

das Projekt insgesamt?<br />

Sidonienstraße Volkmarode Gesamt<br />

in %<br />

E L E L<br />

1 sehr sinnvoll 11 46 46 71 44<br />

2 eher sinnvoll 47 38 42 29 39<br />

3 eingeschränkt sinnvoll 28 8 13 0 12<br />

4 wenig sinnvoll 11 8 1 0 5<br />

5 gar nicht sinnvoll 4 0 0 0 1<br />

tab. 2: Einschätzung der Bedeutung des Projektes<br />

rang Geförderte<br />

Kompetenz<br />

Sidonienstraße Volkmarode Gesamt<br />

E L S E L S E L S Ø<br />

1 Präsentationskompetenz 2,73 2,69 2,58 2,28 2,19 1,08 2,51 2,44 1,83 2,26<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

soziale Komeptenz<br />

(Teamfähigkeit)<br />

Selbstreflexionsfähigkeit/<br />

Persönlichkeitsentwicklung<br />

fachliche Kompetenz –<br />

Wissen über Berufe<br />

und Abläufe im Theater<br />

Kompetenz als<br />

Theaterzuschauer<br />

2,14 2,15 3,34 1,91 1,31 2,84 2,03 1,73 3,09 2,28<br />

2,56 3,08 3,40 2,24 2,63 3,94 2,40 2,86 3,67 2,98<br />

3,12 3,58 3,32 3,07 3,75 2,21 3,10 3,67 2,77 3,18<br />

3,42 3,08 3,30 37,3 4,63 5,06 3,58 3,86 4,18 3,87<br />

6 literarische Kompetenz 3,65 4,08 4,00 3,61 5,44 5,82 3,63 4,76 4,91 4,43<br />

tab. 3: Geförderte Kompetenzen<br />

wie oft gehst du mit deinen<br />

eltern/Großeltern ins theater?<br />

Sidonienstraße Volkmarode Durchschnitt<br />

in %<br />

noch nie 62% 21% 42%<br />

seltener als 1 x Jahr 30 % 54% 42 %<br />

1 – 2 x pro Jahr 8% 11% 10 %<br />

mehrmals im Jahr 0% 11% 6%<br />

einmal im Monat & öfter 0% 3% 2%<br />

tab. 4: Frequenz der Theaterbesuche


36_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />

Ränge 1 und 2. Während die Erwachsenen „Teamfähigkeit“ als<br />

die am meisten geförderte Kompetenz ansahen, gaben die<br />

Schüler/innen ihr nur Platz 2 oder 3. Umgekehrt erlangte die<br />

fachliche Kompetenz bei den Schülern/innen einen besseren<br />

Platz (2 oder 3) als im Durchschnitt (Rang 4). Zwar kann man<br />

nicht von einem Ist- und Soll-Zustand sprechen, jedoch sollte<br />

diese unterschiedliche Einschätzung für die Zielformulierung<br />

für kommende Projektjahre berücksichtigt werden. Dies<br />

gilt ebenfalls für die Kompetenz als Theaterzuschauer/in,<br />

deren insgesamt eher „schlechte Bewertung“ besonders<br />

hervorstach.<br />

Sehr auffällig bei der Betrachtung der Frequenz der Theaterbesuche<br />

(vgl. Tab. 4), war der große Unterschied zwischen den<br />

Schülern/innen der Realschule Sidonienstraße und denen der<br />

IGS Volkmarode. (Hier muss unbedingt das unterschiedliche<br />

Einzugsgebiet bzw. das Schülerklientel berücksichtig werden.)<br />

Deutlich über die Hälfte der Realschulkinder war „noch nie“ mit<br />

ihren Eltern im Theater. Während es bei den IGS-Kindern nach<br />

Aussagen der Schüler/innen nur ca. ein Fünftel (21 %), nach<br />

Aussagen der Eltern sogar noch weniger (12 %) sind, die „noch<br />

nie“ mit ihren Eltern ein Theater besuchten. Die Schülerantworten<br />

ergaben ebenfalls, dass der Anteil der häufigeren Besuche<br />

(mindestens einmal pro Jahr und öfter) an der IGS mit über 20<br />

% zudem deutlich höher ist. Da die Elternbefragung jeweils ein<br />

sehr ähnliches Bild ergab, kann bei so großer Übereinstimmung<br />

von einer „realistischen (Selbst-)Einschätzung“ gesprochen<br />

werden.<br />

Wie eingangs beschrieben, sollte die Evaluation des Kooperationsprojekts<br />

„Theater in die <strong>Schule</strong>“ Einblick in das Projekt<br />

und seine Wirkungsweise geben. Damit auf Fakten beruhende<br />

Handlungsempfehlungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung<br />

des Projektes ausgesprochen werden können, waren<br />

komplexe Zusammenhänge zu klären und bei der Auswertung<br />

von Fragebögen, Interviews und Beobachtungen viel Datenmaterial<br />

zu berücksichtigen.<br />

Um an dieser Stelle ein paar konkrete Beispiele zur Optimierung<br />

des Projektes zu nennen, folgt eine kleine Auswahl der Ergebnisse.<br />

Z. B. kann in Bezug auf die Projektwochen und Stückeinführungen<br />

empfohlen werden, dass die Stückauswahl sensibler<br />

getroffen und die Themen altersgerechter ausgesucht<br />

werden müssten. Außerdem sollte das Gestaltungsmittel<br />

Kostüm mehr zum Einsatz kommen sowie das Raumkonzept<br />

verbessert werden.<br />

Insgesamt scheint „Theater in die <strong>Schule</strong>“ besser an <strong>Schule</strong>n<br />

zu funktionieren, die bereits Erfahrung mit projektbegleitendem,<br />

fächerübergreifendem Lernen haben. Allerdings kann<br />

es umgekehrt zum Umdenken von <strong>Schule</strong> anregen und helfen,<br />

neue Konzepte an einer <strong>Schule</strong> zu etablieren. Hier gilt es, das<br />

Projekt noch besser in die <strong>Schule</strong>n – insbesondere die Realschule<br />

– zu integrieren. Ein besseres Informationskonzept<br />

(z. B. Flyer für Eltern) ist diesbezüglich ein wichtiges Ergebnis<br />

(denn: je besser die Informiertheit, desto positiver die Einstellung<br />

zum Projekt). Ein zweiter belangreicher Aspekt betrifft<br />

die Organisation: die Koordination/Kommunikation zwischen<br />

den Institutionen muss verbessert werden. Dies ist z. B. durch<br />

langfristig geplante, feste Teamsitzungen oder Nutzung der Internetplattform<br />

„IServe“ möglich.<br />

Alles in allem sollte hervorgehoben werden, dass die genannten<br />

Optimierungsvorschläge auf hohem Niveau angesiedelt<br />

sind. Eltern, Lehrer/innen und Schüler/innen sprachen viel<br />

Lob aus. Die Auswertung zeigte deutlich: Das Projekt ist „rund“,<br />

das Konzept geht auf. So konnte durch die Evaluation deutlich<br />

festgestellt werden, dass „Theater in die <strong>Schule</strong>“ den zentralen<br />

Zielen der <strong>Kultur</strong>vermittlung gerecht wird. Diesbezüglich sei<br />

besonders hervorgehoben, dass Schüler/innen unabhängig<br />

von ihrer Schulform oder ihrem sozialen Umfeld den eigenen<br />

Lebensraum als wichtigen Ort der kulturellen Erfahrung und<br />

des kulturellen Lernens (vgl. Mandel 2005, S. 12) erleben sowie<br />

künstlerisch-gestalterische Kompetenzen beim Experimentieren<br />

und Präsentieren erlernen. Im Zusammenhang mit<br />

dem Hauptziel, alle Kinder eines Jahrgangs anzusprechen,<br />

kann ein Erfolg verbucht werden. Jedes Kind hatte eine Aufgabe,<br />

war beteiligt und erhielt die Gelegenheit, Theater zu sehen<br />

und zu spielen.<br />

Daher verwundert es nicht, dass sich insgesamt mehr als zwei<br />

Drittel der Beteiligten für eine Weiterführung des Projekts,<br />

weitere 17 % für eine modifizierte Umsetzung aussprachen.<br />

„Theater in die <strong>Schule</strong>“ kann sich mit dieser stark signalisierten<br />

Bereitschaft zu Fortführung und Veränderung noch weiterentwickeln<br />

und sich als „lernendes Projekt“ begreifen. Darum<br />

wurde konsequent entschieden, die Evaluation auch in der<br />

kommenden Spielzeit fortzuführen. Vielleicht zeigt sich hier<br />

bereits das Potenzial von Evaluation, als politisches Handlungsinstrument<br />

wirken zu können. So ist z. B. die Fortführung<br />

von „Theater in die <strong>Schule</strong>“ für die kommenden drei Jahre zugesagt<br />

worden.<br />

Dennoch: Auch wenn <strong>Kultur</strong>elle Bildung Schlüsselkompetenzen<br />

vermittelt, welche z. T. „gemessen“ und bewertet werden<br />

können, darf nicht vergessen werden, dass allein der Umgang<br />

mit den Künsten eine Bereicherung für das Leben ist, die sich<br />

nicht immer in Zahlen festhalten lässt.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

mascha.grieschat@gmx.de<br />

lIteratur:<br />

Birnkraut, Gesa (2011): „Evaluation im <strong>Kultur</strong>betrieb“. In:<br />

Hausmann, Andrea: (Hrsg.): Kunst- und <strong>Kultur</strong>management.<br />

Wiesbaden, S. 7– 8.<br />

deGeval – Gesellschaft für evaluation e. V. (hrsg.) (2008):<br />

Standards für Evaluation. 4. Aufl. Mainz. [www.degeval.de/<br />

publikationen/standards-fuer-evaluation, 15. 10. 2011].<br />

mandel, Birgit (hrsg.) (2005): <strong>Kultur</strong>vermittlung. Zwischen<br />

kultureller Bildung und <strong>Kultur</strong>marketing. Eine Profession<br />

mit Zukunft. <strong>Kultur</strong>- und Museumsmanagement. Bielefeld.<br />

Schilling, Kirsten (2005): „Es geht um was beim Theaterspielen.<br />

(Wie) lässt sich das Theaterspielen empirisch<br />

erforschen?“ In: Korrespondenzen. Zeitschrift für Theaterpädagogik,<br />

21. Jg. Heft 46., März 2005. Hannover.<br />

Stockmann, reinhard/wolfgang meyer (2010): Evaluation.<br />

Eine Einführung. Opladen.<br />

woolf, Felicity (2004): Partnerships for Learning. A Guide to<br />

Evaluating Arts Education Projects. Arts Council England.


© Jonas Gonell<br />

der KomPetenznachweIS <strong>Kultur</strong><br />

allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _37<br />

Der Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong> – kurz: KNK – ist ein individueller Bildungspass. Er wird an Jugendliche und junge<br />

Erwachsene im Alter zwischen 12 und 27 Jahren vergeben, die aktiv an künstlerischen und kulturpädagogischen<br />

Angeboten teilnehmen. Der KNK ist ein Nachweis darüber, welche individuellen personalen, sozialen, methodischen<br />

und künstlerischen Kompetenzen sie dabei gezeigt und weiterentwickelt haben.<br />

Zwischen Berater/in – Künstler/in oder <strong>Kultur</strong>pädagogin/en – und den Jugendlichen entsteht ein zeitlich begrenzter,<br />

intensiver Austausch über die individuellen Stärken und über die Lernerfahrungen im eigenen künstlerischen<br />

Tun. Dieser Austausch wird dokumentiert und mündet in den Bildungspass.<br />

Der KNK wurde von der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) entwickelt. Seit dem<br />

Jahr 2004 haben bundesweit über 3000 Jugendliche den KNK erhalten. Die abgeschlossene Fortbildung zum/r<br />

„Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong> Berater/in“ berechtigt zur Vergabe des Kompetenznachweises.<br />

weitere Informationen:<br />

www.kompetenznachweiskultur.de<br />

www.bkj.de


3. loKale und Kommunale<br />

VernetzunGen<br />

„Die Auseinandersetzung mit Kunst und <strong>Kultur</strong> prägt Persönlichkeit und Identität, sie vermittelt<br />

Werte und Orientierung, sie nimmt Einfluss auf die individuelle Entwicklung – die Entwicklung der<br />

Sinne, der kreativen Fertigkeiten und die Stärkung der sozialen Kompetenz. So fördert beispielsweise<br />

gemeinsames Musizieren die soziale Bindung in Schulklassen maßgeblich. <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung ist aber auch eine <strong>Schule</strong> der Toleranz, indem sie Verstehen ermöglicht und so die Integration<br />

fördert – mit Sicherheit eines der Schlüsselthemen unserer Gegenwart, dessen Bewältigung<br />

für die Zukunft unserer Gesellschaft Weichen stellen wird.“<br />

(<strong>Kultur</strong>staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter für <strong>Kultur</strong> und Medien)


© Schäflein & Himmelreich<br />

loKale und Kommunale VernetzunGen _39<br />

3.1 <strong>Kultur</strong>elle BIldunG In der Stadt oldenBurG<br />

christiane maaß<br />

Leiterin des <strong>Kultur</strong>büros der Stadt Oldenburg<br />

die Idee<br />

Die Stadt Oldenburg hat sich in der Folge ihres „Masterplans <strong>Kultur</strong>“<br />

entschlossen, das Handlungsfeld <strong>Kultur</strong>elle Bildung weiterzuentwickeln<br />

und zu stärken. Sie möchte ein Netzwerk knüpfen<br />

zwischen Schulleitungen und Lehrkräften an Oldenburger <strong>Schule</strong>n<br />

einerseits sowie Vertretern/innen von Oldenburger <strong>Kultur</strong>einrichtungen,<br />

<strong>Kultur</strong>initiativen und Künstlern/innen verschiedener<br />

Sparten andererseits. Dabei geht es zunächst einmal darum, vorhandene<br />

Strukturen zu stärken, zu vernetzen und ein bedarfsorientiertes<br />

Unterstützungssystem aufzubauen. Darüber hinaus<br />

aber gilt es, Impulse zu geben für neue Partnerschaften und Projekte<br />

und diese dann auch zu verstetigen. Das Projekt „<strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung“ wurde angesiedelt im Schnittpunkt der Bereiche <strong>Kultur</strong>,<br />

Bildung und Jugend. Das Projektmanagement „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“<br />

ist als strukturbildende, koordinierende Stelle im Februar<br />

2009 im <strong>Kultur</strong>amt eingerichtet worden. Am Horizont der nächsten<br />

Jahre entsteht so eine „Bildungslandschaft Oldenburg“, in<br />

der die <strong>Kultur</strong>elle Bildung integraler Bestandteil ist.<br />

Kontaktpunkte und netzwerktreffen<br />

Als Impulsgeber und Katalysatoren für das Projekt „<strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung“ wurden die „Kontaktpunkte <strong>Schule</strong> – <strong>Kultur</strong>“ konzipiert.<br />

Bei diesen zentralen, alle zwei Jahre stattfindenden Veranstaltungen<br />

können Schulleitungen und Lehrkräfte an Oldenburger<br />

<strong>Schule</strong>n einerseits sowie Vertreter/innen von Oldenburger<br />

<strong>Kultur</strong>einrichtungen, <strong>Kultur</strong>initiativen und Künstler/innen<br />

verschiedener Sparten andererseits miteinander ins Gespräch<br />

kommen. Auch Vertreter/innen der Schulbehörde und des Ministeriums<br />

werden geladen. Die Veranstaltungen sollen der<br />

Entwicklung, Förderung und Verstetigung von Projekten der<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung dienen. Hatte der erste „Kontaktpunkt“<br />

noch eher Messe-Charakter, so wurde beim zweiten mit großem<br />

Erfolg die sogenannte Marktplatz-Methode der Bertelsmann-Stiftung<br />

1 adaptiert. Daneben finden jährlich zwei bis drei<br />

kleinere Netzwerktreffen zu unterschiedlichen Themen, wie<br />

z. B. dem „Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“(s. weitere Informationen<br />

S. 37), zu Fördermöglichkeiten für <strong>Kultur</strong>elle Bildung an<br />

<strong>Schule</strong>n oder „Ausflüge in die Kunst. Eine Entdeckungsreise zu<br />

außerschulischen Lernorten“ statt. 2011 wurde ein „Bühnentag<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung“ durchgeführt.<br />

modellprojekte und Projektbörse<br />

Besonders erfolgreiche und beispielhafte Projekte der <strong>Kultur</strong>ellen<br />

Bildung werden auf den Internetseiten von „<strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung“ dokumentiert. Zugleich werden hier Projekte vorgestellt,<br />

die gezielt als Modelle gefördert worden sind. Sie zeich-<br />

1 s. www.gute-geschaefte.org<br />

2 s. www.oldenburg.de/kulturellebildung<br />

nen sich durch ihre leicht übertragbare, praxisorientierte und<br />

zugleich richtungsweisende Struktur und Qualität aus. Eine<br />

Nachahmung ist ausdrücklich erwünscht. Bislang wurden ein<br />

jahrgangsübergreifendes, trilaterales und binationales Tanzprojekt<br />

und der „KUNSTPASS_OL“, ein Projekt für einen niedrigschwelligen<br />

Zugang für Schüler/innen zu Museen und Kunsthäusern,<br />

zu Modellprojekten erklärt.<br />

öffentlichkeitsarbeit<br />

Die Internetpräsenz 2 dient als zentrale Kommunikationsplattform<br />

für das Projektmanagement und für andere an der<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Oldenburg Interessierte. Regelmäßig<br />

verschickt das Projektmanagement Mailings mit aktuellen Informationen<br />

zur <strong>Kultur</strong>ellen Bildung an die Netzwerkpartner.<br />

Die lokale und regionale Pressearbeit läuft über das städtische<br />

Pressebüro.<br />

mitarbeit an kooperativer Ganztagsbildung an Grundschulen<br />

Die Stadt Oldenburg hat in einem Interessenbekundungsverfahren<br />

unter dem Motto „Kooperative Ganztagsbildung an<br />

Grundschulen“ alle Oldenburger Grundschulen, Jugendhilfeträger<br />

und Vertreter/innen aus den Bereichen <strong>Kultur</strong> und Sport<br />

dazu eingeladen, an der Entwicklung innovativer Modelle für<br />

eine „Kooperative Ganztagsbildung“ mitzuwirken. Die Projektleitung<br />

„<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ hat einen festen Sitz in der AG<br />

und motiviert regelmäßig <strong>Kultur</strong>schaffende mitzuwirken. Die<br />

Stadt Oldenburg beabsichtigt, beginnend mit dem Schuljahr<br />

2012/2013 Modellprojekte mit einer Laufzeit von vier Jahren<br />

zu starten. Die kooperative Ganztagsbildung an Grundschulen<br />

birgt enorme Chancen für mehr Teilhabegerechtigkeit und eine<br />

ganzheitliche und auf individuelle Fähigkeiten zugeschnittene<br />

Bildung. Angebote der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung sollen dabei eine tragende<br />

Rolle spielen.<br />

mitglied in der lenkungsgruppe<br />

des Präventionsrates oldenburg Pro<br />

Das Projektmanagement „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ hat seit 2010<br />

einen Sitz in der Lenkungsgruppe des Präventionsrates Oldenburg<br />

(PRO) inne. Der PRO möchte seine Aktivitäten im kulturellen<br />

Bereich verstärken und sich dabei fachlich beraten lassen.<br />

Der PRO wiederum bietet für die <strong>Kultur</strong>elle Bildung eine Fülle<br />

von stadtweiten Vernetzungsmöglichkeiten. Mehrere Projekte<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung wurden bereits vom Förderverein des<br />

PRO unterstützt, u. a. das „Modell-Tanzprojekt“ und der „Förderpreis<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung“.<br />

Beratungstätigkeiten<br />

Als Netzwerkstelle berät die Projektleitung „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“<br />

in Oldenburg sowohl innerhalb der Stadtverwaltung als auch


40_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />

Externe wie <strong>Schule</strong>n, <strong>Kultur</strong>einrichtungen und Künstler/innen<br />

in allen Fragen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Auf Anfrage werden<br />

Kontakte zu potenziellen Kooperationspartnern für Projekte<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung vermittelt. Im Internet gibt es hierzu<br />

eine spezielle Projektbörse, in der sich Künstler/innen vorstellen,<br />

die mit <strong>Schule</strong>n zusammenarbeiten wollen. Konkrete<br />

Projektangebote werden auch per Rundmail an die Netzwerkpartner<br />

versandt.<br />

Initiierung von Gesprächskreisen<br />

Kommunikation und persönliche Kontakte erleichtern die Arbeit<br />

– auch auf dem Feld der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Daher regt<br />

die Projektleitung Gesprächskreise an, die sich nach Bedarf<br />

treffen und austauschen. So wurde ein „Gesprächskreis der<br />

Kompetenzberater/innen <strong>Kultur</strong> in Oldenburg“ initiiert und mit<br />

einer Gruppe von Kreativen zusammengebracht, die am Rande<br />

des Oldenburger Bahnhofsviertels einen Kreativraum 3 bespielen.<br />

Eine weitere Gruppe von Künstlern/innen, die an <strong>Schule</strong>n<br />

arbeiten (wollen), kommt unregelmäßig zusammen, zuletzt<br />

z. B., um die Chancen auszuloten, die das neue Rahmenkonzept<br />

„Kooperative Ganztagsbildung an Grundschulen“ eröffnet.<br />

Fortbildungsveranstaltungen<br />

2010/11 fand die erste Fortbildung zur/zum „Kompetenznachweis<br />

<strong>Kultur</strong>-Berater/in“ in Oldenburg statt. Die Fortbildung<br />

wurde von der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />

Niedersachsen e. V. (LKJ) und dem <strong>Kultur</strong>büro der Stadt Oldenburg<br />

durchgeführt. Daraus sind zehn neue Kompetenznachweis<br />

<strong>Kultur</strong>-Berater/innen hervorgegangen. In Zusammenarbeit<br />

mit dem Oldenburger Fortbildungszentrum (ofz) an der<br />

3 s. www.staublau.de<br />

4 s. www.mixed-up-wettbewerb.de<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg soll in naher Zukunft<br />

eine Lehrer-Fortbildung zum Thema „Schlüsselkompetenzen“<br />

angeboten werden.<br />

Das <strong>Kultur</strong>büro bietet Studierenden der Carl von Ossietzky Universität<br />

Oldenburg die Möglichkeit, Semester- oder Abschlussarbeiten<br />

im Bereich der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Anbindung an<br />

das <strong>Kultur</strong>büro zu verfassen. Studierende begleiten überdies<br />

regelmäßig die Kontaktpunkte und Netzwerktreffen als Hilfskräfte.<br />

Außerdem nehmen Oldenburger Lehramtsanwärter/<br />

innen ebenfalls an diesen Veranstaltungen teil.<br />

aktuelles<br />

Das Projekt „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ im <strong>Kultur</strong>büro der Stadt Oldenburg<br />

hat 2011 den Sonderpreis „Netzwerker“ beim bundesweiten<br />

Wettbewerb „MIXED UP“ 4 der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />

Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) erhalten. Zur Preisverleihung<br />

in Köln reiste ein gutes Dutzend der im Oldenburger<br />

Netzwerk Aktiven, darunter Künstler/innen, Schulleitungen,<br />

KNK-Berater/innen sowie Vertreter/innen von Oldenburger<br />

<strong>Kultur</strong>einrichtungen gemeinsam an. Damit wurde auch nach<br />

außen hin dokumentiert, was in der Pressemitteilung der BKJ<br />

besonders hervorgehoben wurde: „Die durch das <strong>Kultur</strong>amt<br />

Oldenburg initiierte und langfristig angelegte lokale Bildungslandschaft<br />

zeichnet sich durch die Verzahnung vielfältiger Projektpartner<br />

aus kulturellen, schulischen und zivilgesellschaftlichen<br />

Bereichen aus.“<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.oldenburg.de<br />

© Stadt Oldenburg


3.2 der landeSVerBand<br />

theaterPädaGoGIK nIederSachSen<br />

GeSchIchte, orGanISatIon und PerSPeKtIVe<br />

Jörg Kowollik<br />

1. Vorsitzender des Landesverband Theaterpädagogik (LaT)<br />

Niedersachsen, Oldenburg<br />

Iris hörtzsch<br />

2. Vorsitzende des LaT Niedersachsen, Oldenburg<br />

Florian Vaßen<br />

Prof. Dr., Beisitzer im Vorstand des LaT Niedersachsen,<br />

Oldenburg<br />

Niedersachsen ist ein Theaterpädagogik-Land: In keinem Bundesland<br />

gibt es eine vergleichbare Dichte an Institutionen, Vereinen<br />

und Gesellschaften, die theaterpädagogisch orientiert<br />

sind oder theaterpädagogisch arbeiten. Zu nennen sind hier vor<br />

allem die Theaterpädagogischen Zentren (TPZ) in Hannover,<br />

Hildesheim und Lingen, mit ihren direkten fachlichen Verbindungen<br />

zu den Hochschulen und ihren theaterpädagogischen<br />

Studiengängen vor Ort; vergleichbare Studienschwerpunkte<br />

und Weiterbildungsmöglichkeiten existieren auch in Braunschweig,<br />

Oldenburg und Ottersberg. Viele der Absolventen/<br />

innen arbeiten in den niedersächsischen Regionen als Theaterlehrer/innen<br />

in <strong>Schule</strong>n und als freiberufliche oder angestellte<br />

Theaterpädagogen/innen an Stadt- und Staatstheatern, an<br />

Freien Theatern, an Musik- und Kunstschulen, in Krankenhäusern<br />

und therapeutischen Einrichtungen, in Altenheimen und<br />

Jugend- sowie soziokulturellen Zentren.<br />

Immer schon gab es eine lokale und regionale Kooperation,<br />

aber im Gegensatz zu anderen Fachgebieten wie Kunst<br />

und Musik, existierten in der Theaterpädagogik kein übergreifendes<br />

Netzwerk und keine funktionierende umfassende Organisation.<br />

Es war demnach dringend notwendig, einen Landesverband<br />

Theaterpädagogik zu gründen. Seine Aufgabe sollte<br />

sein, neue Konzepte und Perspektiven zu entwickeln, die Vernetzung<br />

und den Austausch in der Fläche zu organisieren und<br />

nicht zuletzt die berufspraktischen Interessen der Theaterpädagogen/innen<br />

vor Ort, in den Regionen und auf Landesebene<br />

gegenüber Politik und Verwaltung zu vertreten.<br />

Auch die Ergebnisse der Enquete-Kommission „<strong>Kultur</strong> in Deutschland“,<br />

der UNESCO „Road Map for Arts Education“ und der<br />

PISA-Untersuchungen sowie neue Erkenntnisse und Entwicklungen<br />

in der <strong>Kultur</strong>politik erforderten eine Stärkung und<br />

Neuausrichtung der Theaterpädagogik in Niedersachsen. Die<br />

Initiative ergriffen Akteure wie Wolfgang Steen (im Jahr 2011<br />

1. Vorstandsvorsitzender der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />

Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) und Leiter des Theaterwerks<br />

Albstedt) und Institutionen wie die LKJ und das TPZ<br />

Hildesheim. Gemeinsam wurde ein Konzeptpapier zur aktuellen<br />

Situation, zu den Berufsfeldern, zum Selbstverständnis<br />

sowie den kurz-, mittel- und langfristigen Zielen der Theaterpädagogik<br />

entwickelt. Nach mehreren Treffen und intensiven<br />

Diskussionen wurde am 12. Dezember 2008 der Landesver-<br />

loKale und Kommunale VernetzunGen _41<br />

band Theaterpädagogik Niedersachsen (LaT Niedersachsen)<br />

in Hannover gegründet. Er ist der erste, sämtliche theaterpädagogischen<br />

Arbeitsbereiche umfassende Landesverband in<br />

Deutschland und hat dementsprechend eine Vorbildfunktion<br />

für die anstehende Gründung weiterer Landesverbände.<br />

Der LaT Niedersachsen kooperiert mit einer Vielzahl von niedersächsischen<br />

Verbänden und Institutionen wie dem Fachverband<br />

Schultheater und Darstellendes Spiel e. V., der LKJ,<br />

dem Arbeitskreis Niedersächsischer <strong>Kultur</strong>verbände (AKKU),<br />

der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel sowie<br />

verschiedenen Hochschulen und regional wirkenden Vereinen<br />

mit theaterpädagogischer Schwerpunktbildung.<br />

Die mittelfristigen Aufgaben und langfristigen Ziele des LaT<br />

Niedersachsen gliedern sich in sechs Arbeitsbereiche:<br />

1. Pädagogik: Die Schüler/innen aller Schulstufen und Schulformen<br />

sollen produktiv und rezeptiv mit dem Theater in<br />

Verbindung kommen. Das Unterrichtsfach Darstellendes<br />

Spiel/Theater soll in allen Schulformen und Schulstufen mit<br />

den beiden anderen ästhetischen Fächern Musik und Kunst<br />

gleichgestellt werden. Theaterpädagogik soll integraler Bestandteil<br />

des Ganztagsbereichs der wachsenden Zahl an<br />

Ganztagsschulen werden, aber auch zunehmend in der frühkindlichen<br />

Bildung verankert werden.<br />

2. Kunst und <strong>Kultur</strong>: Die außerschulische ästhetische Bildung<br />

muss allen Bürgern/innen Niedersachsens zugänglich sein;<br />

die TPZs mit ihrer Theater- und Theaterpädagogik-Praxis, die<br />

verschiedenen Vereine mit theaterpädagogischem Schwerpunkt,<br />

die freien Theater sowie die theaterpädagogischen Abteilungen<br />

der Stadt- und Staatstheater bieten hier besonders<br />

gute Möglichkeiten.<br />

3. Soziokultur: <strong>Kultur</strong>elle und politische Bildung in Einrichtungen<br />

wie Jugend-, Sozial- und <strong>Kultur</strong>zentren, Kirchen oder<br />

Mehrgenerationenhäusern muss allen niedersächsischen<br />

Bürgern/innen angeboten werden, sodass der niedrigschwellige<br />

Zugang zu Kunst und <strong>Kultur</strong> und – darauf aufbauend –<br />

eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtert<br />

und in den Lebensalltag integriert wird.<br />

4. wissenschaft: Die theoretische und praktische Ausbildung<br />

der Theaterlehrer/innen und Theaterpädagogen/innen an den<br />

Hochschulen muss weiterentwickelt werden. Das relativ junge<br />

Fach Theaterpädagogik braucht einen Ausbau der wissenschaftlichen<br />

Grundlagen, vor allem auch eine Intensivierung<br />

der Prozess- und Wirkungsforschung.<br />

5. Gesundheitswesen: Theaterpädagogik eröffnet neue Erlebens-,<br />

Ausdrucks- und Bewegungsmöglichkeiten in Krankenhäusern<br />

und prophylaktischen und therapeutischen Institutionen.<br />

6. wirtschaft: Theaterpädagogik findet als Unternehmens- und<br />

Lehrlingstheater, als Eventkultur, aber auch in Form von theatraler<br />

Organisations- und Personalentwicklung zunehmend<br />

Eingang in Unternehmen.


42_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />

Bei der Gründung des LaT Niedersachsen wurden mehrere<br />

mittelfristige Ziele in einem Positionspapier formuliert. 1 Dabei<br />

geht es vor allem um die<br />

>> Entwicklung und Stärkung der Infrastruktur theaterpädagogischer<br />

Arbeit in Niedersachsen,<br />

>> Erhebung und Auswertung der geografischen Verteilung der<br />

Theaterpädagogik in Niedersachsen,<br />

>> Stärkung und Ausweitung des Unterrichtsfaches Darstellendes<br />

Spiel und der Theaterpädagogik in allen Schulformen- und<br />

Schulstufen,<br />

>> Stärkung der TPZs,<br />

>> Stärkung bestehender und Schaffung neuer regionaler Netzwerke,<br />

>> Etablierung einer landesweiten Qualitätssicherung der Theaterpädagogik<br />

im Kontext von integrativem, inklusivem und<br />

genderorientiertem Lernen,<br />

>> Fortschreibung der Ausbildung von Theaterpädagogen/innen<br />

sowie deren Fort- und Weiterbildung,<br />

>> Initiierung und Unterstützung praxisbezogener Regionalprojekte.<br />

Angeregt durch die von der Stiftung Niedersachsen im November<br />

2009 durchgeführte Fachtagung „Auf Augenhöhe – <strong>Schule</strong><br />

und Theater in Niedersachsen“ 2 , gründete sich 2010 innerhalb<br />

des LaT Niedersachsen eine Arbeitsgruppe Theaterpädagogik<br />

und <strong>Schule</strong>, die zusammen mit der LKJ und dem Fachverband<br />

Schultheater und Darstellendes Spiel Niedersachsen e. V. eine<br />

Fachtagung plante. Die Zielvorgabe war es, zusammen mit<br />

Fachvertreter/innen aus der Praxis, aus Politik, Verwaltung<br />

und Stiftungswesen eine weiterführende und nachhaltige Diskussion<br />

zu initiieren, wie sich die Praxis von erfolgreichen modellhaften<br />

Leuchtturmprojekten hin zu einer infrastrukturellen<br />

Verankerung weiterentwickeln könnte. Dabei war klar, dass<br />

dieses ambitionierte Vorhaben nur durch eine gemeinsame Anstrengung<br />

aller Beteiligten und zudem auch nur mittelfristig<br />

möglich sein würde. Hier ist auch gerade die interministerielle<br />

Beteiligung von hohem Stellenwert, da sich das Arbeitsfeld<br />

der Theaterpädagogik sowohl auf das Kultusministerium, zuständig<br />

für die <strong>Schule</strong>n und die Landesschulbehörde, als auch<br />

das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong>, zuständig für<br />

die (sozio-)kulturelle Projektförderung, für Kunst und <strong>Kultur</strong><br />

sowie die wissenschaftliche Ausbildung, bezieht. Die Tagung<br />

„Zusammenspiel – Theaterpädagogik und <strong>Schule</strong>“, die im November<br />

2011 in der Bundesakademie für kulturelle Bildung<br />

Wolfenbüttel stattfand, bot für dieses Ziel ein erstes übergreifendes<br />

Podium, um mit Verantwortlichen aller Bereiche, u. a.<br />

die Möglichkeiten für eine umfassende institutionelle Einbindung<br />

von Theaterpädagogik an niedersächsischen <strong>Schule</strong>n<br />

– von der Grundschule bis zum Gymnasium – zu diskutieren. 3<br />

An die Tagung anknüpfend, setzt sich der LaT Niedersachsen<br />

dafür ein, dem Stellenwert, den die Theaterpädagogik mit ihren<br />

zahlreichen – auch im ländlichen Raum angesiedelten –<br />

theaterpädagogischen Institutionen sowie vielfältigen erfolgreichen<br />

Kooperationsprojekten zwischen <strong>Schule</strong> und Theaterpädagogik<br />

in Niedersachsen einnimmt, Rechnung zu tragen.<br />

Niedersachsen könnte bundesweit ein Vorbild bei zukunftsweisenden<br />

bildungspolitischen Entscheidungen sein, die<br />

Theatrale und <strong>Kultur</strong>elle Bildung in ihrer grundlegenden Dimen-<br />

sion wahrzunehmen, weiterzuentwickeln und zu etablieren.<br />

Notwendig ist hierfür zunächst eine genaue Erhebung und<br />

Untersuchung der vorhandenen Strukturen und Bedürfnisse,<br />

um, darauf aufbauend, möglicherweise ein Landesprogramm<br />

„Theaterpädagogik und <strong>Schule</strong>“ zu konzipieren. 4 Ergänzend<br />

hierzu könnten landesweite Servicestellen in der Fläche<br />

beratende Funktionen übernehmen. Diesen Prozess möchte<br />

der LaT Niedersachsen vorantreiben, mitgestalten und unterstützen.<br />

Mit dem „performative turn“ hat sich das Theater und mit ihm<br />

die Theaterpädagogik gegenüber anderen Künsten geöffnet<br />

und die angestammten Theaterräume und Zeitbegrenzung<br />

verlassen; entstanden ist so ein „Laboratorium sozialer Fantasie“.<br />

Kollektive Kreativität bildet dabei die Grundlage für Alltagstheatralität<br />

und Differenzerfahrungen. Theater als Erfahrungskunst<br />

und Theaterpädagogik als Kunstvermittlung und<br />

zugleich als Vermittlungskunst ermöglichen Transformationen<br />

von Individuen und Gruppen, die für eine Zivilgesellschaft des<br />

21. Jahrhunderts unabdingbar sind.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.lat-niedersachsen.de<br />

1 s. www.lat-niedersachsen.de<br />

2 s. Flyer zur Fachtung unter: www.bundesakademie.de/pdf/th2809.pdf<br />

3 s. Flyer zum Fachtreffen unter: www.lat-niedersachsen.de/wordpress/wp-content/uploads/Flyer-th2911-Zusammenspiel.pdf [06. 10. 2011]<br />

4 vgl. hierzu auch Wolfgang Schneider: „Theater und <strong>Schule</strong> – Ein Landesprogramm für Niedersachsen!“ [<strong>Download</strong> unter: www.assitej.de/fileadmin/assitej/pdf/<br />

Landesprogramm_Niedersachsen.pdf, 06.10. 2011]<br />

© Jonas Gonell


loKale und Kommunale VernetzunGen _43<br />

3.3 daS Ganze ISt mehr alS dIe Summe auF dem Konto<br />

Katrin tesch löwensprung<br />

Leiterin des Theaterpädagogischen Zentrums (TPZ) Hildesheim<br />

anke Persson<br />

Mitarbeiterin des TPZ Hildesheim im Bereich Finanzen<br />

Synergieeffekte durch netzwerkarbeit<br />

und Kooperationsprojekte<br />

Ein kreativer künstlerischer Prozess impliziert stets, dass die<br />

vorhandenen Elemente nach dem Start an einem bestimmten<br />

Punkt neu kombiniert und angereichert werden durch Impulse<br />

von Teilnehmenden und Außenstehenden sowie durch den Einsatz<br />

künstlerischen Handwerkszeugs. Aus diesem Zusammenwirken<br />

entsteht etwas einzigartig Neues. In der Theaterpädagogik<br />

ist das Ergebnis in der Regel eine Aufführung als Filtrat des<br />

Prozesses. In der Projektarbeit ist es ähnlich: Alle Kooperations-<br />

und Netzwerkpartner geben etwas, sodass Ergebnisse erreicht<br />

werden können, von denen alle profitieren und die in der Summe<br />

weit mehr sind als die addierten Einzelkomponenten.<br />

das theaterpädagogische zentrum (tPz)<br />

hildesheim als netzwerk<br />

Der Verein TPZ Hildesheim ist selbst ein Netzwerk; ein Netzwerk<br />

aus über 30 freischaffenden Theater- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/<br />

innen. Anders als in ähnlichen Vereinigungen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />

sind die Mitglieder selbst aktiv tätige Theater- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen.<br />

Aus ihrer Mitte heraus wählen sie den Vorstand.<br />

Auch die Projekte des Vereins werden fast ausschließlich von<br />

Mitgliedern realisiert. Die Geschäftsstelle mit drei Teilzeitkräften<br />

und einer Stelle für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der <strong>Kultur</strong><br />

schafft den organisatorischen und künstlerischen Rahmen.<br />

Von den Ideen und Kompetenzen der Mitglieder lebt die Arbeit<br />

des TPZ: Die meisten Theaterpädagogen/innen haben zusätzliche<br />

Qualifikationen, die sie mit einbringen; etwa tanz-, kunst-,<br />

musik- oder medienpädagogische Befähigungen oder Erfahrung<br />

als Schauspieler/innen. Sie kommen aus der künstlerischen Produktion<br />

und/oder organisatorischen Kontexten und ermöglichen<br />

auf diese Weise eine einzigartige Vielfalt an Kreativität, Arbeitsmethoden<br />

und Medien innerhalb des TPZ.<br />

Von diesem Selbstverständnis her „denkt“ das TPZ von vornherein<br />

in Netzwerken,<br />

>> um sich als projektorientierte Institution maximale Flexibilität<br />

zu bewahren und immer wieder neue, zeitgemäße Wege gehen<br />

zu können;<br />

>> um persönliche Entwicklungsprozesse bei Teilnehmenden,<br />

Partnern und Mitgliedern zu ermöglichen;<br />

>> um mit verschiedensten Zielgruppen tatsächlich und nachhaltig<br />

in Kontakt zu treten;<br />

>> um sich mit Freude und Innovation an immer wieder neue<br />

Herausforderungen wagen zu können;<br />

>> und um Voraussetzungen sowie Rahmenbedingungen für sowohl<br />

pädagogisch als auch künstlerisch bemerkenswerte Projekte<br />

zu schaffen.<br />

netzwerke im rahmen<br />

theaterpädagogischer Fort- und weiterbildung<br />

Ein Netzwerk lebt von gegenseitiger Anregung. Deshalb veranstaltet<br />

das TPZ monatliche Austauschtreffen, zu denen sowohl<br />

die eigenen Theater- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen eingeladen<br />

sind als auch Kollegen/innen aus der Region, die nicht Mitglied<br />

sind. Jeder hat die Möglichkeit, über „seine“ Themen und besonderen<br />

Fertigkeiten zu sprechen, und sie den anderen zu vermitteln.<br />

Arbeitsimpulse erhalten die TPZ-Mitglieder zudem zweimal<br />

jährlich durch interne Fortbildungen zu neuen Themen mit externen<br />

Referenten/innen.<br />

Neben seinen Kursen, Workshops und Projekten bietet das TPZ<br />

verschiedene Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, z. B. die<br />

Fortbildungen „Darstellendes Spiel“ oder „Theaterspielen mit<br />

Kindern“ für Pädagogen/innen, Lehrer/innen, Erzieher/innen<br />

u. a. an. Auch diese sind für das TPZ eine Form des Netzwerkens<br />

und der Mitgliedergewinnung.<br />

netzwerke im rahmen eigener Kooperationsprojekte<br />

Projekte werden allesamt gemeinsam mit mindestens einem<br />

Partner realisiert. Für die konkrete theaterpädagogische Arbeit<br />

gehen die Theaterpädagogen/innen zu den Menschen oder Institutionen<br />

bzw. zusammen mit ihnen ins Theater. So ist beispielsweise<br />

das Theater für Niedersachsen (TfN) ein überaus wichtiger<br />

Kooperationspartner. Zusammen mit der theaterpädagogischen<br />

Abteilung des TfN belebt das TPZ eine der Probebühnen fast rund<br />

um die Uhr. Die Zusammenarbeit ist hier sehr eng, da sich die<br />

theaterpädagogischen Projekte und Schulkooperationen des TfN<br />

und des TPZ gegenseitig ergänzen.<br />

Auch mit anderen Bildungsträgern und Institutionen in Hildesheim<br />

und der Region bestehen kooperative Partnerschaften, etwa<br />

mit dem soziokulturellen Zentrum <strong>Kultur</strong>fabrik Löseke, dem<br />

Theaterhaus, dem Mehrgenerationenhaus der Volkshochschule,<br />

der Stadt Hildesheim, der Diakonie Himmelsthür, dem Jobcenter,<br />

zu Grundschulen und den berufsbildenden <strong>Schule</strong>n, zu weiterführenden<br />

Gymnasien und Gesamtschulen.<br />

Es existieren Kooperationsverträge mit <strong>Schule</strong>n aller Formen, für<br />

welche das TPZ Theater-AGs anbietet oder individuelle Theaterlehrpläne<br />

gestaltet. In Abhängigkeit vom jeweiligen Projekt darf<br />

das TPZ auf die Unterstützung etablierter Kooperationspartner<br />

zählen, mit denen der Verein in vielen Punkten sehr unkompliziert<br />

zusammenarbeiten kann. Es kommen jedoch auch immer wieder<br />

neue Partner hinzu. So ist im Rahmen eines Berufsschul-Theaterprojekts,<br />

das im Jahr 2011 zum sechsten Mal realisiert wurde<br />

(s. Artikel „Vom Glück, sich spielend ganz neu kennenzulernen“ in<br />

diesem Band, S. 66ff.), im Schuljahr 2010/2011 zum ersten Mal<br />

eine Kooperation mit dem Bürgerradio Tonkuhle entstanden.<br />

Als weiteres Beispiel für ein gelungenes Schul-Netzwerkprojekt<br />

ist das „Theaterpädagogische Wildnis-Training“ aus dem Jahr<br />

2009/2010 zu nennen. Dieses von der Stadt initiierte Projekt


44_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />

mit 18 Klassen acht verschiedener Hildesheimer Grundschulen<br />

war in etliche Mikroprojekte unterteilt, in denen es darum ging,<br />

Zusammenhänge innerhalb von Systemen zu verstehen. In Absprache<br />

mit den Klassenlehrern/innen wurden die aktuell für<br />

die einzelnen Klassen relevanten Themen herausgearbeitet und<br />

anschließend theaterpädagogisch aufgegriffen – unter Einbeziehung<br />

von bis zu vier verschiedenen Fächern wie Sachkunde,<br />

Deutsch, Sport oder Kunst. Ergebnis waren mehrere gemeinsame<br />

Präsentationen sowie eine Ausstellung in der Stadtbücherei<br />

Hildesheim.<br />

netzwerke vor ort<br />

In Hildesheim bestehen mehrere Netzwerke, zu denen das TPZ<br />

gehört. Hierzu zählt IQ – Interessengemeinschaft <strong>Kultur</strong> Hildesheim<br />

e. V. Bei diesem „Runden Tisch <strong>Kultur</strong>“ geht es darum, <strong>Kultur</strong><br />

in Hildesheim sowie die Netzwerkarbeit zwischen den beteiligten<br />

Gruppen und Institutionen zu stärken – mit Netzwerkprojekten<br />

und strategischen Positionierungen zur kulturellen Entwicklungsplanung.<br />

Daneben entsteht in Hildesheim gerade ein „Netzwerk <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung“. Im Zuge des Themenjahres 2011 „leben lernen lernen<br />

leben“ wird im Leitbild der Stadt Hildesheim die Säule Bildung<br />

überarbeitet. Aus diesem Anlass wurde eine Arbeitsgruppe mit<br />

dem Schwerpunkt „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ gegründet, an der das TPZ<br />

maßgeblich beteiligt war. An den Treffen nehmen sowohl städtisch<br />

getragene Institutionen als auch unabhängige Organisationen<br />

und Vereine wie das TPZ teil; bislang u. a. die theaterpädagogische<br />

Abteilung des TfN, der Bürgerkanal Radio Tonkuhle,<br />

die Volkshochschule, die Musikschule, das Roemer-Pelizaeus-<br />

Museum sowie Universität und Hochschule für angewandte Wis-<br />

3.4 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong><br />

rücKBlIcK, eInBlIcK und auSBlIcK<br />

dieter wuttig<br />

Leiter des Fachbereichs Bildung und Qualifizierung der Landeshauptstadt<br />

Hannover<br />

marianne heyden-Busch<br />

Fachplanung <strong>Kultur</strong>elle Bildung im Fachbereich Bildung und<br />

Qualifizierung, Hannover<br />

Argumente für die <strong>Kultur</strong>elle Bildung – ob sozialwissenschaftlich,<br />

pädagogisch oder aus Sicht der Hirnforschung – gibt es<br />

genügend. Die Frage ist, wie und mit welchen Maßnahmen<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung in den Alltag aller Bildungseinrichtungen<br />

zu integrieren ist.<br />

Ein Umbau der Strukturen ist erforderlich, denn bisher ist die<br />

kulturelle Komponente der Bildungsprozesse nur als System<br />

der freiwilligen Zusammenarbeit herzustellen. Es fehlen<br />

strukturelle Grundlagen für die als Gemeinschaftsaufgabe zu<br />

senschaft und <strong>Kultur</strong> (HAWK) Hildesheim. Sie alle bemühen sich,<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung fest im Stadtleitbild zu verankern.<br />

Neben diesen beiden permanenten Netzwerken bilden sich immer<br />

wieder themenspezifische regionale <strong>Kultur</strong>netzwerke unter<br />

Beteiligung des TPZ, z. B. kooperierten alle im Bereich Soziokultur<br />

aktiven Einrichtungen anlässlich des Tages der Soziokultur. Aktuell<br />

wiederum setzen sich die Hildesheimer Theaterschaffenden<br />

aus TfN, Theaterhaus und TPZ zusammen, um mit vereinten Kräften<br />

den Bekanntheitsgrad des „Theaterfrühlings“ zu steigern,<br />

also sichtbar und erlebbar zu machen, was für ein vielfältiges<br />

Theaterangebot es in der kleinen Großstadt Hildesheim gibt.<br />

überregionale netzwerke<br />

In landes- und bundesweiten Netzwerken und Institutionen engagiert<br />

sich das TPZ ebenfalls, um <strong>Kultur</strong>elle Bildung und ihre<br />

Rahmenbedingungen auch überregional mitzugestalten. Hierzu<br />

zählen beispielsweise die Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinderund<br />

Jugendbildung e. V. (BKJ), die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung Niedersachsen e. V. (LKJ), die Landesarbeitsgemeinschaft<br />

Soziokultur Niedersachsen e. V. (LAGS), die Initiative<br />

Niedersächsische Kooperations- und Bildungsprojekte an schulischen<br />

Standorten (NiKo) sowie das Niedersächsische Landesinstitut<br />

für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ).<br />

An der Gründung des Landesverbandes Theaterpädagogik<br />

(LaT), der Theaterpädagogen/innen niedersachsenweit in ihren<br />

Arbeits- und Berufsfeldern vertritt, war das TPZ ebenfalls<br />

beteiligt.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.tpz-hildesheim.de<br />

vereinbarende Zusammenarbeit der verschiedenen staatlichen<br />

und kommunalen Ebenen.<br />

Bereits Mitte der 1980er Jahre hat sich der <strong>Kultur</strong>bereich<br />

der Landeshauptstadt Hannover dafür entschieden, <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung als Handlungsfeld der Kooperation mit den allgemeinbildenden<br />

<strong>Schule</strong>n zu definieren. Inhaltlich wurden<br />

Aktivitäten in verschiedenen kulturellen Feldern erarbeitet;<br />

als wesentlicher Schwerpunkt kristallisierte sich die Theaterarbeit<br />

heraus. Erste strukturelle Ansätze entwickelten sich<br />

mit dem 1992 gestarteten Modellversuch „Theaterpädagogisches<br />

Zentrum“. Die vom Land unterstützte und von der Stadt<br />

finanziell ermöglichte pädagogische Theaterarbeit in <strong>Schule</strong><br />

und Stadtteil entwickelte sich vom Versuch zu einer Institution<br />

kulturpädagogischer Kompetenz. Mit diesem Schritt war<br />

gleichzeitig verbunden, die bisher projektorientiert angelegten<br />

Aktivitäten in kontinuierliche Formen der Zusammenarbeit<br />

zu überführen.


Als weiteres Beispiel ist das Vorhaben „Hauptschule in Bewegung“<br />

zu nennen. Seit 16 Jahren nehmen jährlich Schüler/innen<br />

von Hauptschulen an Workshops zu Theater, Musik, Kunst, Tanz<br />

und den neuen Medien, geleitet von Künstlern/innen und <strong>Kultur</strong>schaffenden,<br />

teil. „Hauptschule in Bewegung“ bietet aktive<br />

Teilhabe und intensive Erfahrungen mit kulturellen Medien; im<br />

Jahr 2011 mit den acht Millennium-Entwicklungszielen, die im<br />

Jahr 2000 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.<br />

2005 wurde von den Fachbereichen Jugend, Familie und Bildung<br />

und Qualifizierung das Konzept „Flächendeckende Sprachförderung<br />

für Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder mit<br />

Sprachschwierigkeiten“ entwickelt. Diese sprachliche Förderung<br />

ist eine Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige und<br />

abgestimmte Förderung durch <strong>Kultur</strong>elle Bildung. 1<br />

Einhergehend mit der bundesweiten Diskussion über die Bedeutung<br />

der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung, insbesondere für Kinder und<br />

Jugendliche – wie sie die bekannten Positionen der Enquete-<br />

Kommission des Deutschen Bundestages, des Deutschen<br />

Städtetages und des Deutschen <strong>Kultur</strong>rates formulieren –<br />

haben sich in Hannover die <strong>Kultur</strong>verwaltung und insbesondere<br />

der Rat als politische Ebene für weitere Impulse in der<br />

<strong>Kultur</strong>ellen Bildung engagiert.<br />

Wenn im „Handlungsprogramm 2010“ und im „Lokalen Integrationsplan“<br />

die <strong>Kultur</strong>elle Bildung als wichtiger Aspekt kommunaler<br />

Aktivitäten dargestellt wurde, dann hat der Rat der<br />

Landeshauptstadt Hannover mit seinem Beschluss „Initiativen<br />

der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche“ zum Haushaltsplan<br />

2007 diesen Ansatz verstärkt und einen politisch<br />

markanten Akzent gesetzt. Wesentliches Ziel dieser Initiative<br />

war und ist es, neue Ansätze für Bildung zwischen <strong>Kultur</strong> und<br />

Sozialpädagogik zu erproben und in reguläre Angebote zu integrieren<br />

und weiterzuentwickeln.<br />

Die Eckpunkte der bisherigen Entwicklungen wie,<br />

>> pragmatische Handlungsansätze für projektorientierte Zusammenarbeit<br />

mit <strong>Schule</strong>n zu wählen,<br />

>> spartenbezogene institutionelle Strukturen zu ermöglichen,<br />

>> in kommunalen Programmen <strong>Kultur</strong>elle Bildung als integralen<br />

Bestandteil vorzufinden und<br />

>> Beschlüsse des Rates als politische Vorgabe zu bearbeiten,<br />

ermöglichen, in den nächsten Jahren weitere Phasen im<br />

Handlungsfeld „ <strong>Kultur</strong>elle Bildung“ einzuleiten.<br />

Als besonders bedeutsam ist dieses Handlungsfeld im Rahmen<br />

der sich immer mehr etablierenden Ganztagschulen anzusehen.<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung wird sich als wichtiger Partner der<br />

Ganztagsschule erweisen, weil die Chance besteht, integraler<br />

Bestandteil des Unterrichtes zu werden und innovatives Lernen<br />

zu bereichern.<br />

Theater, Musik, Tanz, Kunst, Literatur, Medien und Zirkus<br />

bieten unerschöpfliche Möglichkeiten, die Potenziale der Kinder<br />

und Jugendlichen zu erkennen, zu fördern und Fähigkeiten<br />

loKale und Kommunale VernetzunGen _45<br />

für eigenverantwortliches Handeln zu entwickeln. Bisher erarbeitete<br />

und in der Praxis erprobte Angebotsfelder <strong>Kultur</strong>eller<br />

Bildung stehen für die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen,<br />

den Schulalltag zu ergänzen.<br />

Beispielhaft seien genannt:<br />

>> Eng verzahnte, kontinuierliche Zusammenarbeit bei „<strong>Schule</strong><br />

im Stadtteil“ zwischen dem Schulverbund Herrenhausen-<br />

Stöcken und dem Freizeitheim Stöcken.<br />

>> „Kinder-<strong>Kultur</strong>-ABO“ für Grundschulen mit rezeptiven Veranstaltungen<br />

wie Theater-/Museumsbesuche, Lesungen und<br />

Kinofilm-Vorführungen und aktive Theater- oder Zirkusworkshops<br />

oder philosophische Talkshows (seit 2008). 2<br />

>> Projekt „Lesementoring“ (seit 2003), mit dem Bildungspass<br />

„Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“ (s. weitere Informationen S. 37)<br />

für Jugendliche als Kooperation zwischen dem Bereich Stadtteilkulturarbeit<br />

und den Stadtbibliotheken.<br />

>> Jährliche „Jugendbuchwoche“.<br />

>> Jahrgangsbezogene Projekttage mit Elternwerkstätten zu<br />

„Lust auf Lesen“ in Grundschulen (seit 2009).<br />

>> Tandem-Musikunterricht im Klassenverband als Kooperation<br />

zwischen der Musikschule der Landeshauptstadt Hannover<br />

und Grundschulen (seit 2007).<br />

>> Theaterprojekte in den jeweils den 3. und 4. Klassen in Grundschulen,<br />

in Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>eller<br />

Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) über ein<br />

halbes Jahr (seit 2005).<br />

>> „MoTS – Moderner Tanz in <strong>Schule</strong>n“ mit der Compagnie<br />

Fredeweß für Schüler/innen der weiterführenden <strong>Schule</strong>n<br />

(seit 2008).<br />

>> Kinderzirkus „Sahlino“ als Regelangebot mit 10 Unterrichtstagen<br />

und einer Aufführung als Unterricht für alle Schulformen<br />

im Stadtbezirk (seit 2010).<br />

>> Interaktive Ausstellungen in den Museen in Kooperation<br />

zwischen Stadtteilkultureinrichtungen, Kindertagestätten,<br />

Grundschulen und Museen.<br />

>> Stärkung der Medienkompetenz durch „Ich dreh ab...“ – an<br />

der Schnittstelle zur <strong>Schule</strong> – als Zusammenarbeit von<br />

Kinder- und Jugendarbeit, Jugendschutz, Haus der Jugend,<br />

Medienbus/Bereich Stadtteilkultur, Medienhaus Linden.<br />

>> Alle zwei Jahre Kinderfilmfest „Sehpferdchen“ als Kooperation<br />

zwischen medienpädagogischem Zentrum der Region,<br />

Kommunalem Kino, der LAG Film und der Landeshauptstadt<br />

Hannover (LHH), Bereich Stadtteilkulturarbeit.<br />

>> Mit „<strong>Kultur</strong>eller Bildung von der Kita...in die Grundschule...“ –<br />

Kooperation des Bereichs Stadtteilkulturarbeit der LHH mit<br />

allen Kindertagesstätten und Grundschulen im Stadtbezirk<br />

Ricklingen als Modelltransferprojekt vom Niedersächsischen<br />

Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) zur<br />

Unterstützung des Übergangs mit <strong>Kultur</strong>eller Bildung.<br />

Die Wirkungen der kulturellen Medien hinsichtlich positiver Entwicklungen<br />

der individuellen Bildungsbiografien sind vielfältig.<br />

Bisher gibt es einige Grenzen der freiwillig angelegten Zusam-<br />

1 Am 12.10.2011 wurde die Dokumentation „<strong>Kultur</strong>elle Bildung als Sprachförderung“ des Fachbereichs Bildung und Qualifizierung der Öffentlichkeit zur Diskussion<br />

vorgestellt.<br />

2 Inzwischen sind 25 Grundschulen, 12 Einrichtungen der Stadtteilkultur, 12 Stadtbibliotheken und 29 freiberufliche Anbieter aus allen künstlerischen Sparten beteiligt.


46_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />

menarbeit zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>. Die getrennten Welten<br />

der ministeriell festgelegten Lehrpläne und der relativ frei agierenden<br />

<strong>Kultur</strong>arbeit benötigen einen strukturellen Rahmen, der<br />

allerdings die innovative und kreative Eigenart, insbesondere<br />

der kulturellen Akteure nicht beeinträchtigen darf.<br />

Auf kommunaler Seite ist anzustreben, die personellen und finanziellen<br />

Ressourcen zu bündeln und so für <strong>Schule</strong> ein ganzheitliches<br />

Kompetenzsystem anzubieten. Dabei sind wesentlich<br />

die konzeptionellen Schnittstellen <strong>Kultur</strong>eller Bildung mit<br />

den Herausforderungen und Möglichkeiten einer vom Land gewollten<br />

und in der Bundesrepublik diskutierten frühkindlichen<br />

Bildung zu koordinieren. Erste wichtige Erfahrungen in der<br />

Zusammenarbeit mit dem nifbe liegen bereits vor und können<br />

als tragfähiges Fundament für weitere Entwicklungsprozesse<br />

angenommen werden.<br />

Aus kommunaler Sicht ist es erforderlich, für die vorhandenen<br />

Potenziale fachlicher und finanzieller Ressourcen Strukturen zu<br />

vereinbaren, die Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt der<br />

Bemühungen um erfolgreiche Bildungsbiografien rücken. Diese<br />

Aufgabe ist leistbar, setzt aber voraus, dass alle Akteursebenen<br />

sich zu einer bildungspolitischen Gemeinschaftsaufgabe bekennen<br />

und unzeitgemäße Debatten über Zuständigkeiten beenden.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.hannover.de<br />

3.5 <strong>Kultur</strong> trIFFt KlaSSe<br />

daS netzwerK „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“ In oSnaBrücK<br />

marita thöle<br />

Leiterin der Koordinierungsstelle „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“ im Fachbereich<br />

<strong>Kultur</strong> der Stadt Osnabrück<br />

Mit Musik, Malerei, Theater, Literatur, Tanz, Spiel und Medien<br />

erschließen sich Kinder und Jugendliche die Welt. Der aktive<br />

Umgang mit Kunst und <strong>Kultur</strong> hat eine große Bedeutung für das<br />

Aufwachsen junger Menschen und deren Persönlichkeitsentwicklung.<br />

Dabei ergänzen sich die schulischen und außerschulischen<br />

kulturellen Angebote und ermöglichen den Erwerb von<br />

musischer, kultureller und ästhetischer Kompetenz.<br />

Eine intensive Zusammenarbeit zwischen <strong>Schule</strong>n und <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />

entspricht den Forderungen nach einer verstärkten<br />

„Öffnung von <strong>Schule</strong>n“ und dem Wunsch, Kinder und<br />

Jugendliche schon sehr früh an Museen und andere <strong>Kultur</strong>institutionen<br />

heranzuführen. In Zukunft werden sich durch die<br />

größere Eigenständigkeit von <strong>Schule</strong>n und den Ausbau von<br />

Ganztagsangeboten weitere Chancen für eine noch engere<br />

Kooperation zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong> ergeben.<br />

In Osnabrück sind die beiden Bereiche seit vielen Jahren eng<br />

miteinander verzahnt. So sind z. B. 90 % der Osnabrücker<br />

<strong>Schule</strong>n Kooperationspartner der Städtischen Musik- und<br />

Kunstschule. Über 1000 Schulklassen besuchen jährlich Osnabrücker<br />

Museen, und die Stadtbibliothek pflegt Bildungspartnerschaften<br />

mit fast allen <strong>Schule</strong>n in Osnabrück. Herausragend<br />

ist auch das Engagement des Osnabrücker Theaters, das<br />

allein in der Spielzeit 2010/2011 von 19 000 Schülern/innen<br />

besucht wurde.<br />

Der Wunsch, das bislang Erreichte durch neue Angebote und<br />

Projekte weiter auszubauen und <strong>Schule</strong>n und <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />

noch weiter zu vernetzen, führte im Jahr 2004 in<br />

Osnabrück zur Gründung der städtischen Koordinierungs-<br />

stelle „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“. Sie übernimmt bei diesem Prozess<br />

die Funktion eines zentralen Service- und Informationszentrums<br />

für beide Bereiche. Partner der Koordinierungsstelle sind<br />

einerseits alle Osnabrücker Museen und <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />

und andererseits die rund 220 <strong>Schule</strong>n in Stadt und Landkreis<br />

Osnabrück.<br />

© Kirsten Mosel (Bildrechte: Landeshauptstadt Hannover)


Auf Einladung der Koordinierungsstelle treffen sich Vertreter/<br />

innen aller <strong>Kultur</strong>einrichtungen viermal im Jahr zu einem Informationsaustausch<br />

über ihre Arbeit mit <strong>Schule</strong>n und berichten über<br />

geplante Projekte. Im Rahmen dieser Treffen werden Möglichkeiten<br />

erörtert, gemeinsame Vorhaben auf den Weg zu bringen oder<br />

Schwerpunktthemen des Fachbereichs <strong>Kultur</strong> zu unterstützen.<br />

Auftaktveranstaltung für die Arbeit der Koordinierungsstelle war<br />

im Herbst 2004 die Messe „Jetzt einsteigen: <strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>!“,<br />

auf der sich alle <strong>Kultur</strong>einrichtungen mit ihren Kreativangeboten<br />

für <strong>Schule</strong>n vorstellen konnten. Wegen des großen Erfolgs fand<br />

diese Messe im Oktober 2006 erneut statt. Das Projekt „Kunst<br />

und <strong>Schule</strong>“ der Koordinierungsstelle vermittelt Künstler/innen<br />

in Osnabrücker <strong>Schule</strong>n. Unter dem Motto „Einfach mal probieren“<br />

werden Gutscheinhefte für Schüler/innen herausgegeben,<br />

die Tickets für kostenlose Museumsbesuche und Schnupperangebote<br />

in <strong>Kultur</strong>einrichtungen enthalten. Viermal im Jahr verschickt<br />

die Koordinierungsstelle die „Schultüte“ mit <strong>Kultur</strong>informationen<br />

an alle <strong>Schule</strong>n in der Region Osnabrück. Sogenannte<br />

von den Kollegien bestimmte <strong>Kultur</strong>-Kontakt-Personen nehmen<br />

die Schultüten vor Ort in Empfang und leiten die „<strong>Kultur</strong>-Infos“<br />

an interessierte Lehrer/innen weiter. Seit dem Jahr 2008 wird<br />

das Projekt „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ allen Osnabrücker Haupt- und<br />

Gesamtschulen angeboten – aus Sicht der Stadt Osnabrück ist<br />

es das wichtigste Projekt der Koordinierungsstelle und Themenschwerpunkt<br />

des Fachbereichs <strong>Kultur</strong> der Jahre 2011 und 2012.<br />

„<strong>Kultur</strong> schnuppern“<br />

Der Fachbereich <strong>Kultur</strong> der Stadt Osnabrück möchte möglichst<br />

alle Bevölkerungsgruppen erreichen und ihr Interesse an <strong>Kultur</strong><br />

wecken oder auch steigern. Dieses Ziel wird bei einigen<br />

Gruppen eher erreicht als bei anderen. Während z. B. Kinder<br />

noch leicht für kulturelle Angebote zu begeistern sind, lässt<br />

dieses Interesse bei Jugendlichen häufig nach, wobei dies je<br />

nach Schulform, Bildungsstand und Elternhaus variiert. Hauptschüler/innen<br />

sind in den verschiedenen <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />

der Stadt eher selten anzutreffen. Umso wichtiger war das<br />

bewusste Ansprechen dieser Schülergruppe. Es galt, ein Angebot<br />

zu schaffen, das diesen Jugendlichen einen Einblick in<br />

die kulturelle Landschaft Osnabrücks ermöglicht, um sie damit<br />

neugierig auf <strong>Kultur</strong> zu machen.<br />

Das Projekt „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ greift diesen Gedanken auf<br />

und wendet sich an Hauptschüler/innen der verschiedenen<br />

Osnabrücker Ganztagsschulen. Jede/r Schüler/in bekommt<br />

durch dieses Projekt die Möglichkeit, in die <strong>Kultur</strong>szene der<br />

Stadt hineinzuschnuppern und während der Schulzeit alle<br />

Osnabrücker <strong>Kultur</strong>einrichtungen kennenzulernen. Mit unterschiedlichsten<br />

Methoden werden die Jugendlichen eingebunden.<br />

Bei allen Veranstaltungen wird der Schwerpunkt auf sinnliches<br />

Erleben und kreatives Tun gelegt, um die Schüler/innen<br />

zu weiteren Besuchen von Museen und <strong>Kultur</strong>einrichtungen in<br />

ihrer Freizeit anzuregen.<br />

Das Projekt „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ hat sich seit dem Modellversuch<br />

mit einer Osnabrücker Hauptschule im Jahr<br />

Sehr gut<br />

Gut<br />

Mittel<br />

Weniger gut<br />

Schlecht<br />

loKale und Kommunale VernetzunGen _47<br />

2007 sehr positiv entwickelt. Ende 2010 waren acht Hauptschulklassen,<br />

AGs oder Wahlpflichtkurse für das Projekt<br />

angemeldet. Aktuell ist die neue Integrative Gesamtschule<br />

Osnabrück mit zwei Nachmittagsgruppen hinzugekommen.<br />

Wesentlichen Anteil am erfolgreichen Verlauf des Projektes<br />

„<strong>Kultur</strong> schnuppern“ hat die Klosterkammer Hannover, die in<br />

den Jahren 2009, 2010 und 2011 rund 70 % der Projektkosten<br />

übernahm. Die restlichen Mittel werden zu jeweils 50 % von den<br />

Fachbereichen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>/Sport zur Verfügung gestellt,<br />

sodass die Teilnahme für Osnabrücker <strong>Schule</strong>n bis Ende 2012<br />

kostenfrei bleiben kann.<br />

0 10 20 30 40<br />

abb. 1: Gesamtbewertung aus Sicht der Schüler/innen<br />

„<strong>Kultur</strong> schnuppern“ wurde im Wintersemester 2009/2010 von<br />

einer Gruppe Studierender der Fachhochschule (FH) Osnabrück<br />

(Studiengang Öffentliche Verwaltung) evaluiert. Die FH attestierte<br />

dem Projekt, eine große Akzeptanz von Schülern/innen,<br />

Lehrern/innen und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen. Eine der zentralen<br />

Fragen war hier: „Wie hat dir das Projekt ‚<strong>Kultur</strong> schnuppern‘ bisher<br />

insgesamt gefallen?“ Anhand dieser Statistik wird deutlich,<br />

dass mehr als zwei Drittel der Schüler/innen das Projekt mit<br />

der Note „gut“ oder „sehr gut“ bewerteten. 18,9 % der Befrag-<br />

ten fanden „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ „mittel“ und lediglich 13,2 %<br />

kreuzten bei dieser Frage „weniger gut“ oder „schlecht“ an.<br />

Die Durchschnittsnote liegt insgesamt bei 2,25 und damit nur<br />

knapp unter „gut“ (s. Abb. 1).<br />

Die Organisation durch die Koordinationsstelle „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“<br />

wurde ebenfalls gut bewertet. Erfreulicherweise konnte<br />

bei vielen Schülern/innen das Interesse an <strong>Kultur</strong> geweckt und<br />

ihnen der freiwillige Besuch von <strong>Kultur</strong>einrichtungen in ihrer<br />

Freizeit nahe gebracht werden. Vor diesem Hintergrund konstatierte<br />

die FH Osnabrück dem Projekt einen großen Erfolg. 1<br />

Abschließend sollen noch Schüler/innen der Käthe-Kollwitz-<br />

<strong>Schule</strong> in Osnabrück zitiert werden, die im Jahr 2008 durch<br />

1 vgl. Nierenberg, Inga u. a.: Evaluation des Projektes „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ der Stadt Osnabrück, Praxisprojekt, Fachhochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts-<br />

und Sozialwissenschaften, WS 2009/2010.


48_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />

Kristina Löpker vom Internetportal „OSCommunity“ zu ihren<br />

Erfahrungen mit „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ befragt wurden:<br />

„<strong>Kultur</strong> ist eigentlich nicht so mein Ding“, gibt z. B. Hüseyin<br />

ganz offen zu. Und doch hat er zum ersten Mal für einen Workshop<br />

das Felix-Nussbaum-Haus betreten. „Dort haben wir<br />

Bilder des Künstlers nachgemalt, was wirklich Spaß ge<strong>macht</strong><br />

hat“, sagt er. Özge hat durch das Projekt plötzlich Spaß am<br />

Theater gefunden. „Bei uns machen sie jetzt eine Theater-AG.<br />

Ich glaube, ich melde mich da jetzt einfach mal an“.<br />

„Richtig toll“ fanden Valerina, Özge und Hüseyin vor allem<br />

Stationen, in denen sie selbst aktiv werden durften: Graffiti-<br />

Sprayen in der Kunsthalle, Musizieren in der Kunst- und Musikschule<br />

oder auch der Besuch in der Bibliothek. „Mit Pausen<br />

und vielen Mitmach-Aktionen können wir das Projekt auf jeden<br />

Fall auch anderen Schulklassen empfehlen“, erklärten die drei<br />

abschließend.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.osnabrueck.de/11656.asp<br />

3.6 SchulzIrKuS und zIrKuS<strong>Schule</strong>n<br />

SIeh mal, waS Ich Kann!<br />

wolfgang Pruisken<br />

Lehrer der Zirkusklasse an der IGS Linden Hannover und<br />

1. Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Zirkus<br />

Jedes Kind zeigt gern Kunststücke und daher lieben Kinder den<br />

Zirkus nicht nur als Zuschauer/in. Sie probieren gern selber aus<br />

und präsentieren ihre Kunst mit Leidenschaft. Kein Wunder, dass<br />

Zirkus in immer mehr <strong>Schule</strong>n seinen Platz findet, ob als Projekt<br />

oder dauerhafte Einrichtung.<br />

Kinder- und Jugendzirkus in niedersachsen und Bremen<br />

Zirkus als Teil der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung hat in Deutschland eine<br />

vergleichsweise junge Geschichte. Vor ca. 25 Jahren gründeten<br />

sich mehr und mehr Gruppen unter Anleitung von Pädagogen/<br />

innen und Artisten/innen. Die Besonderheit in Niedersachsen:<br />

Klaus Hoyer, Fachmoderator für Sport/Freizeit an Gesamtschulen<br />

in Niedersachsen, der selbst an der IGS Garbsen eine Gruppe<br />

gegründet hatte, sorgte dafür, dass an fast jeder Gesamtschule<br />

auch ein Zirkusprojekt als Teil des Ganztagsangebots entstand.<br />

1992 vertraten drei Schulgruppen das Land Niedersachsen<br />

bei der „Expo“ in Sevilla. Dies war der Startpunkt für die<br />

Gründung der LAG Zirkus, in der mittlerweile 40 Gruppen mit<br />

fast 3000 Mitgliedern vertreten sind.<br />

In der neu gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG)<br />

Zirkuspädagogik organisieren sich Pädagogen/innen und Einrichtungen<br />

aus der ganzen Republik. Sie entwickeln Ausbildungsgänge<br />

und Standards für die zirkuspädagogische Arbeit.<br />

Eine eigene Arbeitsgruppe kümmert sich um die Kooperation<br />

mit <strong>Schule</strong>n. In Niedersachsen arbeiten alle Gruppen auch mit<br />

<strong>Schule</strong>n zusammen. Beispielhaft ist die Arbeit in Hannover. Dort<br />

entstand in Trägerschaft der LAG Zirkus und der Landeshauptstadt<br />

das Netzwerk „CircO“, das mittlerweile den Status eines<br />

„Kompetenzzentrum Zirkus“ hat. „CircO“ organisiert im Auftrag<br />

der Landeshauptstadt Hannover an mittlerweile 16 <strong>Schule</strong>n<br />

Angebote am Nachmittag. Im Stadtteil Sahlkamp kooperiert es<br />

sogar im Vormittagsbereich im Rahmen des Sportunterrichts mit<br />

wechselnden <strong>Schule</strong>n.<br />

zirkus wird von den <strong>Schule</strong>n stark nachgefragt<br />

Requisiten werden für bewegte Pausen angeschafft. Zirkus ist<br />

längst nicht mehr nur Thema für ein Fest. Mitarbeiter/innen<br />

aus Kindergärten und Horten bis hin zu gesamten Kollegien<br />

aus Einrichtungen der Jugendhilfe bilden sich fort und machen<br />

sich fit für Zirkus als Teil des Schulprogramms. Auch Förderschulen<br />

entdecken zunehmend seine „heilsame“ Wirkung. Die<br />

Länder Niedersachsen und Brandenburg stellen in den Kultusministerien<br />

eigens Fachberater/innen zur Verfügung, die<br />

<strong>Schule</strong>n bei der Suche nach Zirkusangeboten begleiten.<br />

ein Bereich für selbstbestimmtes lernen<br />

An den <strong>Schule</strong>n, die schon lange eigene Zirkusprojekte anbieten,<br />

höre ich von den Kindern, dass für sie der Zirkus auch eine Gegenwelt<br />

zur <strong>Schule</strong> ist: „Hier kann ich selbst entscheiden, hier lerne<br />

ich selber, hier redet mir der Lehrer nicht rein, hier sind meine<br />

Freunde“.<br />

Kinder und Jugendliche können im Zirkus einen Bereich<br />

finden, der Hartmut von Hentigs Forderung nach gutem pädagogischen<br />

Handeln erfüllt: Er meint, gute Pädagogen/innen,<br />

die jungen Menschen Werte vermitteln wollen, sollten ver-<br />

© Schäflein & Himmelreich (Bildrechte: LKJ Nds e.V.)


suchen, „den jungen Leuten durch spezielle Übungen auf die<br />

Beine zu helfen: Sie halten sie an, unter vielen Möglichkeiten<br />

frei und nach sorgfältiger Überlegung zu wählen; sie machen<br />

ihnen Mut, sich zu der einmal getroffenen Wahl zu bekennen,<br />

an ihr festzuhalten, mit ihr zufrieden zu sein; sie fordern sie<br />

auf, etwas mit dem Gewählten zu tun – und das wiederholt.“<br />

(2001, S. 77f.) Aktivitäten wie Jonglieren und Artistik hat von<br />

Hentig bei dieser Beschreibung sicher nicht im Kopf gehabt.<br />

Verblüffend ist aber die Übertragbarkeit auf die Inhalte des<br />

Zirkus: Besonders auch, was das Ziel einer Aufführung angeht,<br />

die im Unterschied zu den sonstigen Aktivitäten Ernstfall ist<br />

und nicht vorgibt zu sein. So ist es nicht verwunderlich, wenn<br />

<strong>Schule</strong>n auf das Medium Zirkus aufmerksam werden. Das ist<br />

leider zu häufig noch zufällig und auch in der Frage der pädagogischen<br />

Wirksamkeit nicht immer klar.<br />

was gute Projekte auszeichnet<br />

Wenn Lehrer/innen sich für ein Zirkusangebot für ihre Schüler/<br />

innen – ob in der <strong>Schule</strong> oder im Zirkuszelt – entscheiden, sollte<br />

maßgeblich sein, ihnen nicht nur ein einmaliges Erlebnis bieten<br />

zu wollen. Außerdem sollten sie prüfen, ob die Struktur des Angebots<br />

wirklich die versprochenen Wirkungen erzielen kann.<br />

Zirkuspädagogische Einrichtungen wie das TPZ in Lingen,<br />

der Zirkus Seifenblase in Oldenburg oder das „CircO“ in Hannover,<br />

die den <strong>Schule</strong>n von einwöchigen bis zu jahrelang laufenden<br />

Projekten Angebote machen können, und die auch bei der Finanzierung<br />

unterstützen, hat aber nicht jeder in der Nähe.<br />

Ob im Zelt oder in schulischen Räumen: Zirkus bietet als Besonderheit<br />

immer auch einen Ort, an dem Kinder verschiedenen<br />

Alters gleichberechtigt lernen können. Beispielhafte Projekte<br />

an <strong>Schule</strong>n sind so organisiert. Hier trainieren 18-Jährige neben<br />

11-Jährigen, treten mit ihnen auf und übernehmen natürlich<br />

auch Anleitungsaufgaben. Lernen voneinander ist in idealer Weise<br />

möglich. Davon berichten auch <strong>Schule</strong>n, die nur eine Woche<br />

lang klassen- und jahrgangsübergreifende Projekte angeboten<br />

haben. Wo sonst Konkurrenz herrschte, trat Zusammenarbeit an<br />

ihre Stelle und vereinte die <strong>Schule</strong> auf besondere Weise. Ganztagsschulen<br />

könnten diese Chance besonders nutzen.<br />

und der Sportunterricht?<br />

Seit ca. 25 Jahren versucht die Traumfabrik in Regensburg, mit<br />

Modellen des „Kreativen Sports“ den Sportunterricht zu verändern.<br />

Tausende von Sportlehrern/innen und anderen Päda-<br />

gogen/innen haben seitdem Kurse ge<strong>macht</strong> in Tanz, Jonglieren,<br />

Bewegungskünsten und vielem mehr. Parallel entwickelte sich<br />

die Jonglier- und Akrobatikszene immer weiter und wurde zunehmend<br />

größer. Das konnte man alles nicht mehr übergehen.<br />

Die Sportlehrerausbildung mit der Aufnahme des Themas „Freizeitsport“<br />

tat ein Übriges. So haben die Inhalte des Zirkus Einzug<br />

gehalten in die Inhalte des Sportunterrichts. In den „Rahmenrichtlinien<br />

Sport in Niedersachsen“ heißt z. B. der Bereich<br />

Turnen jetzt „Turnen und Bewegungskünste“. Es bewegt sich<br />

also etwas. Ich leite selbst seit Anfang der 1990er Jahre Fortbildungskurse<br />

für Lehrer/innen. Diese Kurse sind äußerst beliebt.<br />

Viele Lehrer/innen kommen mit eigenen Erfahrungen in der Leitung<br />

von AGs und den Versuchen, Zirkus in den Sportunterricht<br />

zu integrieren. Für andere ist der Inhalt neu und spannend. Sie<br />

lernen neue Bewegungsformen und haben dabei die Chance,<br />

die Seite zu wechseln, selber Lernende/r zu sein und damit die<br />

loKale und Kommunale VernetzunGen _49<br />

Position des/r Schülers/in besser zu verstehen. Solche Seminare<br />

sind geprägt von der Reflexion der eigenen Lernerfahrung<br />

im Verhältnis zur Lehrerrolle. Die Möglichkeit, sich unter vielen<br />

Requisiten und Bewegungsangeboten eines auszusuchen, wird<br />

schnell als die besondere Chance des Themas erkannt. Wie aber<br />

das im Unterricht umsetzen? Ohne Requisiten geht doch nichts.<br />

Wer hat in seiner Turnhalle Einräder, Laufkugeln, ein Drahtseil<br />

oder mehr als ein Trapez? Jonglierbälle sind schnell beschafft,<br />

schwieriger wird es meist bei den kostspieligeren Geräten. Die<br />

Anschaffung durchzusetzen erfordert einen langen Atem, aber<br />

es gelingt immer häufiger. In <strong>Schule</strong>n, die bereits eine funktionierende<br />

AG haben, ist vieles einfacher. Da muss oft nicht einmal<br />

der <strong>Schule</strong>tat her, weil die Gruppen sich mit ihren Auftritten<br />

ihre Requisiten selbst verdienen.<br />

zirkus kann die <strong>Schule</strong> verändern<br />

Zirkus kann ein neuer Erfahrungsraum sein, wie ihn sich von<br />

Hentig für die <strong>Schule</strong> vorstellt:<br />

„Ich wünsche [...], dass junge Menschen erfahren, was eine Gemeinschaft<br />

ist, was sie gibt und fordert – eine größere als die<br />

Familie, in die sie hineingeboren sind, und eine weniger künstliche<br />

und zufällige als die Schulklasse, in die man sie hineinverwaltet<br />

hat; sie sollen eine Gelegenheit haben, als ganze Person<br />

die verfasste Gemeinschaft, in der und von der sie leben, wahrzunehmen:<br />

dieses Erlebnis sollte so sein, dass sie vieles von dem,<br />

was sie lernen, für die Aufrechterhaltung dieser Gemeinschaft<br />

einzusetzen bereit sind, ja dass sie es zu einem großen Teil um<br />

ihretwillen – um ihrer Fortsetzung und Vervollkommnung willen<br />

– lernen.“ (Ebd. 2006, S. 17).<br />

Zirkus kann diese Gemeinschaft bieten, Gemeinschaft ist ein<br />

Leitziel. In kleinen und großen Projekten ist das möglich. Zirkus<br />

bietet die Chance, dass an die Stelle an einer pädagogisch erdachten<br />

Gemeinsamkeit, „eine von der Sache vorgegebene tritt, an die<br />

Stelle von verordnetem Pensum eine möglichst frei zu wählende<br />

Lerngelegenheit, an die Stelle von kollektiver Belehrung eine<br />

persönliche Bewährung in einem Lebenszusammenhang, an die<br />

Stelle von Leistungsverpflichtung eine Selbstverpflichtung, an<br />

die Stelle des abstrakten Gehorsams ein konkreter Vertrag mit<br />

der Gemeinschaft.“ (Ebd., S. 11).<br />

„Wie von Hentig immer gesagt hat: Es geschieht keine Erziehung<br />

für die Kunst, sondern eine Erziehung an der Kunst. Dieser Sinn<br />

impliziert gewisse Umgangsformen in der Vermittlung: Einladen,<br />

lassen, herausfordern, stützen, Erfindungen anregen, Gemeinsamkeit<br />

stiften – individualisieren, üben – zeigen.“ (Funke<br />

Wieneke 2006, S. 2).<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.lag-zirkus.de und www.circo-hannover.de<br />

lIteratur:<br />

von hentig, hartmut (2001): Ach, die Werte.<br />

Über eine Erziehung für das 21. Jahrhundert. Weinheim.<br />

von hentig, hartmut (2006): Bewährung, Von der nützlichen<br />

Erfahrung nützlich zu sein. München.<br />

Funke wieneke, Jürgen (2006): Der Zirkus als Erzieher.<br />

Überlegungen zu einer pädagogischen Interpretation einer<br />

volkstümlichen Kunst, Vortrag in Gschwend. Nov. 2006.<br />

[www.bag-zirkus.de, 29.11.2011].


50_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />

<strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> –<br />

tIPPS Für GelInGende KooPeratIonen – So Geht‘S!<br />

Abstimmung des<br />

unterrichtlichen und<br />

außerunterrichtlichen<br />

Angebots<br />

Angemessene<br />

Räumlichkeiten und<br />

Material<br />

Anerkennung<br />

des Wertes<br />

<strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />

Vereinbarte<br />

Ansprechpartner<br />

Einheitliche<br />

organisatorische<br />

und inhaltlichpädagogische<br />

Ziele<br />

Kontinuität<br />

Adäquate personelle<br />

Ausstattung<br />

beider Partner<br />

Klärung der<br />

Erwartungen,<br />

Aufgaben und Rollen<br />

Zeitstruktur, die<br />

der <strong>Schule</strong> und dem<br />

kulturpädagogischen<br />

Angebot gerecht wird<br />

Kooperationsbereiche<br />

definieren<br />

Angemessene<br />

finanzielle<br />

Ausstattung<br />

Abstimmung<br />

und Planung<br />

eines kooperativen<br />

Gesamtkonzepts<br />

© Maya Hässig


4. modellhaFte PraxIS<br />

landeSweIt<br />

„<strong>Kultur</strong>elle Bildung hat das Ziel, Menschen durch die aktive Auseinandersetzung mit künstlerischen<br />

Ausdrucksformen an den Umgang mit Kunst und <strong>Kultur</strong> heranzuführen, ihr Verständnis<br />

für künstlerische und kulturelle Phänomene zu fördern und ihre individuellen Ausdrucksmöglichkeiten<br />

durch den Einsatz künstlerischer Medien und künstlerischer Denk- und Handlungsweisen<br />

zu entwickeln. Dabei sollen Phantasie und Kreativität, sinnliche Wahrnehmung,<br />

Ausdrucksfähigkeit und die Entwicklung eines kritischen Verständnisses von Kunst und <strong>Kultur</strong><br />

gefördert werden. In der Auseinandersetzung damit werden ebenfalls Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten vermittelt, die auch in anderen Lebensbereichen von Bedeutung sein können<br />

und zur Persönlichkeitsbildung beitragen.“<br />

(Birgit Mandel, Prof. an der Universität Hildesheim)


52_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />

4.1 moBIleS KIno nIederSachSen<br />

FIlmVeranStaltunGen zum thema „moBBInG“<br />

mascha Fäskorn<br />

Mitarbeiterin „Mobiles Kino Niedersachsen“, Oldenburg<br />

Das „Mobile Kino Niedersachsen (MKN)“ ist ein <strong>Kultur</strong>projekt<br />

der LAG Jugend und Film Niedersachsen e. V. mit Sitz in Oldenburg.<br />

Das Konzept des „MKN“ ist seit seiner Gründung im Jahr<br />

1992, den Film auf große Leinwand in die Regionen abseits<br />

der großen Städte zu bringen, aber auch Veranstaltungsorte<br />

in städtischen Zentren zu bespielen, für die ein gewerbliches<br />

Kino keine Alternative bietet. Dabei arbeitet das „MKN“ mit dem<br />

Anspruch, mehr als nur eine reine Abspielstelle von Filmen zu<br />

sein. Der Rahmen eines Kinotages soll durch Begleitprogramme<br />

und Ansprache des Publikums zu einem kommunikativen<br />

Erlebnis werden, das den Filminhalt mit der Alltagsrealität in<br />

Bezug bringt.<br />

Im Jahr 2010 hat das „MKN“, das in dieser Form einzigartig in<br />

Niedersachsen ist, bei mehr als 350 Filmvorführungen rund<br />

18 000 Besucher/innen erreicht. Die Veranstaltungspartner<br />

des „MKN“ vor Ort sind neben vielen kulturellen Initiativen und<br />

Vereinen auch soziale Einrichtungen, Gemeinden und Kirchen,<br />

die ihr <strong>Kultur</strong>programm mit Unterstützung des „MKN“ um das<br />

Kinoangebot erweitern möchten. Aktuell umfasst das über<br />

Jahre gewachsene Netzwerk 150 Institutionen. Bei der Auswahl<br />

der Filme durch die Mitarbeiter/innen wird Wert auf eine<br />

ausgewogene Mischung von Inhalten und Herkunftsländern<br />

sowie dem Bekanntheitsgrad der Produktionen gelegt. Abgerundet<br />

wird das Repertoire durch Dokumentar- und Kurzfilme.<br />

Ein zweiter wichtiger Baustein des „MKN“ ist die Vermittlung<br />

von Medienkompetenz. Dazu bietet das „MKN“ <strong>Schule</strong>n und<br />

Jugendeinrichtungen Filmvorführungen mit medienpädagogischer<br />

Begleitung an, die altersgerechte Angebote zur Aufarbeitung<br />

der Filme umfasst. Das „MKN“ setzt sich seit 2007 thematische<br />

Schwerpunkte im Kinder- und Jugendbereich, unter<br />

deren inhaltlicher Ausrichtung Filme und medienpädagogische<br />

Begleitprogramme bestimmt werden. So wurden europäische<br />

Kinderfilme, Filme zur Gewaltprävention und Filme zur Integration<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund ausgewählt<br />

und gezeigt.<br />

Seit drei Jahren gibt es speziell für <strong>Schule</strong>n eine jährliche<br />

„Schultournee“. Dazu werden den <strong>Schule</strong>n zu einem jährlichen<br />

wechselnden Themenschwerpunkt altersgerechte Filme angeboten,<br />

die im Anschluss an die Vorführung mit den Schülern/<br />

innen im Filmgespräch reflektiert werden. Nach dem Schwerpunkt<br />

„Yes we are – gegen Rassismus“ im Jahr 2009 schlossen<br />

sich „Mobbing in <strong>Schule</strong>n“ (2010) und 2011 „Trainiere deine soziale<br />

Kompetenz“ an. Die Filme samt Begleitaktionen werden<br />

den <strong>Schule</strong>n fortwährend angeboten.<br />

„mobbing in <strong>Schule</strong>n“<br />

Aufgrund der großen positiven Resonanz auf das Projekt „Mobbing<br />

in <strong>Schule</strong>n“ (225 medienpädagogische Veranstaltungen<br />

im Jahr 2010) und der leider fortwährenden Aktualität des Themas<br />

liegt dem „MKN“ viel daran, dieses Angebot für <strong>Schule</strong>n<br />

und nicht-schulische Einrichtungen weiterhin zu ermöglichen.<br />

Deshalb bildet das Projekt seither einen festen Bestandteil der<br />

Zusammenarbeit mit <strong>Schule</strong>n.<br />

Das „MKN“ nutzt die Kinoveranstaltung als Mittel, die Problematik<br />

des Mobbens bewusst und ihre Auswirkungen nachvollziehbar<br />

zu machen sowie von Mobbing betroffene Personen<br />

zu stärken. Dabei helfen das Aufgreifen der Filmhandlung und<br />

die Identifikation der Zuschauer/innen mit den Protagonisten/<br />

innen des Films im anschließenden Filmgespräch oder während<br />

des Begleitangebots. Altersgerechte Produktionen sollen<br />

helfen, die Thematik „Mobbing“ über das nach wie vor beliebte<br />

audiovisuelle Mittel Film erfahrbar zu machen. In allen ausgewählten<br />

Filmen stehen die Hauptfiguren als Außenseiter da,<br />

die den systematischen offen oder verdeckt ausgeübten Attacken<br />

der Anderen ausgesetzt sind. Sie durchleben einen Konflikt<br />

und finden mit Unterstützung der Eltern oder Freunden<br />

eine Lösung, die ihnen ein Leben ohne die quälenden Übergriffe<br />

ermöglicht.<br />

Kinder lassen sich gern auf ein Begleitangebot ein, das den<br />

Filminhalt spielerisch aufgreift und die Verarbeitung erleichtert.<br />

Hierzu nutzt das „MKN“ Methoden wie selbst aufgestellte<br />

„Standfotos“ zum Thema, die in Kleingruppen dargestellt und<br />

fotografiert werden, um anschließend in der großen Gruppe<br />

diskutiert zu werden. Verschiedene Spiele zur Selbst- und<br />

Fremdwahrnehmung sowie Körper- und Selbstverteidigungsspiele<br />

und Gruppendiskussionen über den gezeigten Film dienen<br />

als Anknüpfungspunkt zu eigenen Mobbing-Erfahrungen.<br />

Für wen ist das Kino?<br />

Das Angebot des „MKN“ richtet sich an alle <strong>Schule</strong>n in ganz<br />

Niedersachsen, aber auch an die außerschulische Kinder- und<br />

Jugendarbeit, die das Thema „Mobbing“ auf eine audiovisuelle<br />

und anschließend auf eine theoretisch und praktisch reflektierende<br />

Art und Weise bearbeiten möchte. Zur Durchführung<br />

einer Filmveranstaltung werden lediglich ein verdunkelbarer<br />

Raum und ein einfacher 16A-Stromanschluss benötigt.<br />

Angesprochen werden sollen Kinder und Jugendliche<br />

zwischen der 3. und der 13. Klasse innerhalb und außerhalb<br />

eines schulischen Rahmens. Beteiligt an der Durchführung<br />

einer Filmveranstaltung sind jeweils ein/e Mitarbeiter/in<br />

des „MKN“ und eine Ansprechperson der kooperierenden<br />

Institution.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

mobiles-kino-niedersachsen.de


© Landesmusikakademie Niedersachsen<br />

modellhaFte PraxIS landeSweIt _53<br />

4.2 wenn Schüler/Innen zu lehrern/Innen werden<br />

dIe muSIKmentoren/Innen<br />

Jana-Kerstin lipnicki<br />

Referentin der Landesmusikakademie Niedersachsen,<br />

Wolfenbüttel<br />

Die „Musikmentorenausbildung“ wurde im Jahr 2007 in Niedersachsen<br />

eingeführt. Seitdem bietet der Landesmusikrat<br />

Niedersachsen bzw. seit 2010 die Landesmusikakademie<br />

Niedersachsen „Musikmentoren“-Kurse im Rahmen der Aktion<br />

„Hauptsache:Musik“, in Kooperation mit dem Niedersächsischen<br />

Kultusministerium und gefördert durch die Klosterkammer<br />

Hannover, an. Weitere Unterstützung erhält das<br />

Projekt durch den Landesmusikrat Niedersachsen, dessen<br />

angeschlossenen Laienmusikverbände sowie die Musikschulen<br />

Osnabrück und Stade. Die „Musikmentoren“-Kurse finden<br />

an vier Wochenenden pro Schuljahr in Hannover, Wolfenbüttel,<br />

Osnabrück und seit 2010 auch in Stade statt. Bisher wurden<br />

rund 350 Jugendliche aus Niedersachsen zu Musikmentoren<br />

ausgebildet. Durch das Musikmentorenprogramm können musikpädagogisch<br />

interessierte Schüler/innen ab 15 Jahren eine<br />

zusätzliche Grundqualifikation erwerben. Die Jugendlichen wirken<br />

in Schulorchestern, Chören, Big Bands oder Musikzügen bei<br />

Proben oder in Konzerten durch die Musikmentorenausbildung<br />

als Chor- oder Orchesterassistenten/innen mit.<br />

Wesentliches Ziel der „Musikmentorenausbildung“ ist es, musikpädagogische<br />

Begabungen zu fördern und dadurch Impulse<br />

für die Wahl eines musikpädagogischen Berufs zu geben.<br />

Darüber hinaus qualifiziert die Ausbildung Jugendliche für ein<br />

mögliches Engagement in der musikalischen Jugendarbeit in<br />

Vereinen und <strong>Schule</strong>n. Dabei sollen ihr musikalisches ebenso<br />

wie ihr soziales Engagement gefördert und ihre Selbstständigkeit<br />

und Mitverantwortung gestärkt werden. Drei der vier Kurswochenenden<br />

beschäftigen sich mit musikalischen Inhalten,<br />

an dem vierten Wochenende erhalten die Jugendlichen eine<br />

Einführung in Veranstaltungstechnik und -management. Seit<br />

2010 gibt es ein Curriculum zur Vereinheitlichung der Inhalte.<br />

Folgende Inhalte werden konkret gelehrt:<br />

Fachspezifik Vokal oder Instrumental (3 wochenenden)<br />

>> ein breit gefächerter Einstieg in die umfangreiche Ausbildung<br />

zur Leitung und Betreuung von Sing- oder Instrumental-<br />

gruppen,<br />

>> Vertiefen der eigenen Fähigkeiten mit der Stimme bzw. auf<br />

einem Instrument zu spielen,<br />

>> Erweitern des musiktheoretischen Wissens und für die Leitung<br />

eines Ensembles oder Chores wichtiger Kenntnisse in<br />

den Bereichen Dirigieren, Arrangieren oder Transkribieren etc.,<br />

>> Umsetzung und Erprobung der erlernten Inhalte mit Chören<br />

und Orchestern,<br />

>> Bausteine der Jugendgruppenleiterausbildung.<br />

Veranstaltungstechnik und -management (1 wochenende)<br />

>> Aufbau und Einsatz einer Beschallungsanlage,<br />

>> Mikrofonierung, Abmischen von Live-Aufnahmen,<br />

>> Planung von Events, Öffentlichkeitsarbeit, GEMA,<br />

>> Entwicklung von Finanzierungsplänen.<br />

Die Vermittlung der Inhalte an den Wochenenden findet dabei<br />

sehr praxisorientiert statt und parallel zur Ausbildung hospitieren<br />

die angehenden Mentoren/innen in ihren eigenen Chören/<br />

Orchestern, um erste Praxiserfahrungen zu sammeln. Bereits<br />

nach dem ersten Lehrgangswochenende bekommen die Teilnehmer/innen<br />

die Möglichkeit, sich während des Lehrgangs<br />

in ihrer <strong>Schule</strong> oder in ihrem Verein aktiv zu beteiligen, sei es<br />

durch die Leitung von Registerproben, durch das Übernehmen<br />

des Einsingens oder die Mithilfe bei Konzertplanungen.<br />

Während des Lehrgangs sorgt das regelmäßige Feedback der<br />

Dozenten/innen zu den praktischen Erfahrungen der Jugendlichen<br />

für eine enge Verzahnung der Kursinhalte mit den Tätigkeitsfeldern<br />

der zukünftigen Mentoren/innen.<br />

Die „Musikmentorenausbildung“ endet mit einem Zertifikat.<br />

Die Übergabe der Urkunden erfolgt im Rahmen einer feierlichen<br />

Abschlussveranstaltung<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.landesmusikakademie-niedersachsen.de


54_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />

4.3 der JulIuS-cluB<br />

eIn Sommer-leSe-VerGnüGen<br />

Stefanie thiem<br />

Referentin für Kinder- und Jugendprojekte, VGH-Stiftung,<br />

Hannover<br />

Der „Julius-Club“ ist ein Leseförderprojekt und ein spannendes<br />

Sommer-Ferien-Programm für 11- bis 14-Jährige. „Julius“<br />

steht dabei für „Jugend liest und schreibt“. Projektinitiatoren<br />

sind die VGH-Stiftung und die Büchereizentrale Niedersachsen.<br />

Nach einer sehr erfolgreichen Premiere im Jahr 2007<br />

findet der „Julius-Club“ jedes Jahr im Sommer statt. Er wird<br />

in Kooperation mit der Akademie für Leseförderung der Stiftung<br />

Lesen an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, dem<br />

Niedersächsischen Kultusministerium, dem Ministerium für<br />

Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> und der <strong>Kultur</strong>stiftung der Öffentlichen<br />

Versicherungen Oldenburg durchgeführt.<br />

Spaß am Lesen zu vermitteln, ist oberstes Ziel des „Julius-<br />

Clubs“. Das Projekt soll aber auch Lesekompetenz, Ausdrucksfähigkeit<br />

und Textverständnis der Jugendlichen fördern.<br />

Bibliotheken als attraktive lese- und Veranstaltungsorte<br />

Kurz vor Beginn der Sommerferien startet der „Julius-Club“ in<br />

den Öffentlichen Bibliotheken Niedersachsens, die sich für die<br />

Teilnahme erfolgreich beworben haben. Das sind jährlich mehr<br />

als 40 Bibliotheken. Sie stellen aus einer Anzahl von 100 Buchtiteln<br />

eine individuelle Auswahl von Büchern für ihre Bibliothek<br />

zusammen. Die Buchtitel wurden zuvor von einer Jury, die sich<br />

aus Experten/innen und Jugendlichen zusammensetzt, ausgewählt.<br />

Bis zum Ende der Sommerferien haben die jugendlichen<br />

Club-Mitglieder Gelegenheit, die „Julius-Bücher“ kostenlos auszuleihen,<br />

zu lesen und zu bewerten. Um das „Julius-Diplom“ und<br />

ein Geschenk zu erhalten, müssen mindestens zwei Bücher<br />

gelesen und bewertet werden. Bei fünf Büchern bekommt man<br />

ein „Vielleser-Diplom“.<br />

Während der gesamten Projektdauer begleiten die Bibliotheken<br />

vor Ort ihre Club-Mitglieder durch Auftakt- und Abschlussveranstaltungen,<br />

Clubtreffen, Lesungen und vielfältig gestaltete<br />

Aktionen wie Ausflüge, Schreibwerkstätten, Hörspiel-Workshops<br />

und vieles mehr.<br />

einbettung in die Kerncurricula und<br />

lesedidaktische Forschung<br />

Zu den wichtigsten Partnern der Bibliotheken vor Ort gehören<br />

die <strong>Schule</strong>n. Lesefreude und Leseinteresse bei Schülern/<br />

innen zu wecken und zu fördern, ist ein erklärtes Ziel der Kerncurricula<br />

im Fach Deutsch für alle Schulformen. So heißt es im<br />

„Kerncurriculum Deutsch“ für das Gymnasium in den Schuljahrgängen<br />

5 bis 10, dass das Lesen als „selbstverständliche<br />

kulturelle Praxis“ den Schülern/innen zugänglich ge<strong>macht</strong><br />

werden soll. Dabei kann die Berücksichtigung der individuellen<br />

Leseinteressen der Schüler/innen die Grundlage für die Auswahl<br />

einer gemeinsamen Lektüre sein. Bibliotheksbesuche,<br />

Autorenlesungen, Buchvorstellungen, die Anfertigung aktuel-<br />

ler Leselisten, die Einrichtung von Leseecken sowie die Arbeit<br />

mit Lesetagebüchern werden als „unverzichtbare Aufgaben<br />

des Deutschunterrichts“ ausdrücklich empfohlen. (Niedersächsisches<br />

Kultusministerium 2006, S. 9). Die Kerncurricula<br />

empfehlen außerdem, bei der Auswahl aktueller Jugendbücher,<br />

die Anregungen der außerschulischen Einrichtungen zur<br />

Leseförderung aufzugreifen.<br />

Mit seiner Zielgruppe der 11- bis 14-jährigen Schülern/<br />

innen nimmt der „Julius-Club“ insbesondere die Altersspanne<br />

ins Visier, für die eine Förderung der Lesemotivation besonders<br />

wichtig ist. In der Zeit der Pubertät stehen viele Schüler/<br />

innen dem Lesen sehr kritisch gegenüber. Die Leseforschung<br />

spricht von einem „Leseknick“. Die Bedeutung Gleichaltriger<br />

(Peergroup) für eine erfolgreiche Lesesozialisation nimmt zu.<br />

Diesem wachsenden Einfluss trägt der „Julius-Club“ mit seinem<br />

Club-Charakter Rechnung. Er bietet mit seiner Auswahl<br />

von 100 aktuellen Jugendbüchern vielfältige Ansätze, den<br />

individuellen Lesebedürfnissen der einzelnen Schüler/innen<br />

entgegenzukommen.<br />

wie kommt der „Julius-club“ in der <strong>Schule</strong>?<br />

Lehrkräfte können das Cub-Konzept in ihren Klassen vorstellen.<br />

Sie erhalten dazu Informationsmaterial von den am<br />

„Julius-Club“ beteiligten Bibliotheken. Ebenso finden sie eine<br />

komprimierte Darstellung des Leseförderprojektes auf den Internetseiten<br />

des „Julius-Clubs“. Es gibt auch die Möglichkeit,<br />

eine/n Mitarbeiter/in der Bibliothek in den Unterricht einzuladen.<br />

Einzelne Bibliotheken bieten Informationsveranstaltungen<br />

für Lehrkräfte über den „Julius-Club“ an und laden dazu<br />

gesondert ein.<br />

Eine gute Möglichkeit, auf den Club hinzuweisen, bietet der<br />

Besuch in der Öffentlichen Bibliothek. Zahlreiche Bibliotheken<br />

haben in den vergangenen Jahren ihr Angebot für Klassenführungen<br />

ausgeweitet und bieten mit unterschiedlichen Themen<br />

ein auf die einzelnen Altersstufen ausgerichtetes systematisches<br />

Konzept an. Insbesondere handlungs- und erlebnisorientierte<br />

Führungen fördern bei den Schülern/innen die Lesemotivation.<br />

anerkennung der teilnahme<br />

Ebenso wichtig ist es, einen erfolgreichen Abschluss entsprechend<br />

zu honorieren. Dieses kann einfach dadurch erfolgen,<br />

dass eine Teilnahme ähnlich wie bei einer AG auf dem Zeugnis<br />

oder in anderen Dokumenten vermerkt wird. Eine in <strong>Schule</strong>n<br />

bereits gängige Verfahrensweise. Auch die Möglichkeit, dass<br />

Schüler/innen im Unterricht über ihre Erfahrungen beim<br />

„Julius-Club“ berichten, kann sowohl für die Beteiligten als auch<br />

ihre Mitschüler/innen motivierend und anregend sein. Darüber<br />

hinaus kann der Klassenraum oder das Schulgebäude Aus-<br />

stellungsraum für die von den Schülern/innen verfassten<br />

Buchbesprechungen oder andere kreative Beiträge wie Wandzeitungen,<br />

Kunstobjekte oder selbst gestaltete Bücher sein.


© VGH-Stiftung, Franz Bischof<br />

„Julius-club“ und dann? –<br />

ausleihe einer „Julius-club-Bücherkiste“<br />

In Absprache mit den Öffentlichen Bibliotheken können im Anschluss<br />

an den „Julius-Club“ Bücherkisten mit den Büchern für<br />

einen bestimmten Zeitraum ausgeliehen und im Klassenraum<br />

oder der Schulbibliothek zur Verfügung gestellt werden.<br />

Im Vergleich zur traditionellen Klassenlektüre, die in den<br />

meisten Fällen von der Lehrkraft ausgewählt wird und für<br />

alle Schüler/innen verbindlich ist, bietet dieses Angebot die<br />

Chance, individuelle Leseinteressen zu berücksichtigen.<br />

Dadurch kann eine Brücke zwischen der Freizeit- und der<br />

Schullektüre geschlagen werden.<br />

attraktive Buchvorstellungen mit dem „Book Slam“<br />

Die einfachste Möglichkeit, die Bücher des „Julius-Clubs“ in<br />

den Unterricht einzubeziehen, sind Buchvorstellungen. Eine<br />

alternative Veranstaltungsform zu den herkömmlichen, häufig<br />

langatmigen Vorstellungen ist ein „Book Slam“. Die Idee zu<br />

dieser Form der Buchpräsentation stammt von Dr. Stephanie<br />

Jentgens, der Leiterin des Fachbereichs Literatur der Akademie<br />

Remscheid (ARS).<br />

Ein „Book Slam“ ist ein Bücher-Wettstreit, bei dem für die<br />

Präsentation der einzelnen Titel jeweils nur drei Minuten Zeit<br />

ist. Die Einhaltung der Zeit überwachen zwei Zuschauer/innen<br />

mit Stoppuhr und Trillerpfeife. Nach jeder Präsentation wird<br />

vom Publikum eine Wertung – wie beim Eiskunstlauf – vorgenommen.<br />

Zehn Punkte sind die beste, ein Punkt die schlechteste<br />

Note für ein Buch. Im Anschluss an die Buchvorstellungen<br />

werden die Punkte für jedes Buch zusammengezählt und das<br />

Siegerbuch ermittelt. Am Ende der Veranstaltung haben alle die<br />

Möglichkeit, in den präsentierten Büchern zu schmökern.<br />

weitere Informationen unter: www.bookslam.de<br />

modellhaFte PraxIS landeSweIt _55<br />

autorenlesung in zusammenarbeit<br />

mit der öffentlichen Bibliothek<br />

Die Begegnung mit Autoren/innen eines Buches fördert häufig<br />

eine intensive Auseinandersetzung mit der Literatur. Da die<br />

Durchführung für <strong>Schule</strong>n allein sehr aufwändig ist, bietet sich<br />

auch hier die Kooperation mit einer Öffentlichen Bibliothek an.<br />

Viele Bibliotheken führen bereits Autorenlesungen als Begleitveranstaltungen<br />

zum „Julius-Club“ in den Sommerferien<br />

durch. Autorenlesungen verlaufen zumeist dann sehr erfolgreich,<br />

wenn sie im Unterricht entsprechend vor- und nachbereitet<br />

werden. Als Alternative zum Besuch kann ein Briefwechsel<br />

mit den Autoren/innen initiiert werden. Unterstützung bei<br />

Autorenlesungen bietet der Friedrich-Boedecker-Kreis.<br />

weitere Informationen unter: www.boedecker-kreis.de<br />

lese-aG/Bücher-aG<br />

In der Vergangenheit haben sich an einigen Orten, an denen<br />

der „Julius-Club“ durchgeführt wurde, aus dem Club feste<br />

„Literatur“-Gruppen von Schülern/innen gebildet. Diese treffen<br />

sich regelmäßig, gestalten eigene Lese-Aktionen oder<br />

beteiligen sich mit Beiträgen rund ums Buch an Schul- oder<br />

Büchereifesten, Tagen der offenen Tür oder Projekttagen. So<br />

leistet der „Julius-Club“ einen nachhaltigen Beitrag zur Leseförderung<br />

in Niedersachsen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.julius-club.de und www.vgh-stiftung.de<br />

lIteratur:<br />

niedersächsisches Kultusministerium (hrsg.) (2006):<br />

Kerncurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5–10,<br />

Deutsch. Hrsg. vom Niedersächsischen Kultusministerium.


56_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />

4.4 BraSSamBa 2011<br />

latIn-Power In der SchulPraxIS<br />

Kurt Klose<br />

Komponist, Arrangeur, Bigband-Leiter, Workshop-Dozent für<br />

die LAG Jazz Niedersachsen, den Landesmusikrat und andere<br />

Institutionen, Wennigsen<br />

Frauke hohberger<br />

Musikpädagogin, Perkussionistin, erteilt Perkussionsunterricht<br />

für afro-brasilianische und afro-karibische Musik, Neustadt am<br />

Rübenberge<br />

Beim Fest der <strong>Kultur</strong>en vor dem Rathaus in Hannover begeisterten<br />

sie ihr Publikum. Aus ihnen sprudelten Sounds, die man sonst in<br />

Rio und Salvador hört. Sie lieferten brasilianische und karibische<br />

Rhythmen im Bigband-Gewand. Und sie zählten zu den jüngsten<br />

und gleichzeitig größten Latin-Orchestern in Niedersachsen. Die<br />

Rede ist von BRASSAMBA, einem Projekt-Ensemble, in dem 50<br />

junge Musiker/innen aus der Region Hannover mitwirkten.<br />

Unter der Trägerschaft der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz<br />

Niedersachsen (LAG Jazz) und der künstlerischen und pädagogischen<br />

Leitung von Kurt Klose und Frauke Hohberger fand<br />

der BRASSAMBA-Workshop für fortgeschrittene Bläserklassen<br />

und Perkussionsgruppen (Klassen 8 bis 10) nach einem erfolgreichen<br />

Start im Jahr 2010 im Folgejahr zum zweiten Mal statt.<br />

2011 entstand ein großes Orchester aus der Kooperation der<br />

Junior Big Band des Gymnasiums Bad Nenndorf (Leitung: Oberstudienrat<br />

Carsten Groß), der Latin-Jazz-Band CAMUBA der<br />

Calenberger Musikschule und jungen Perkussionisten aus privaten<br />

Unterrichtsgruppen von Frauke Hohberger. Als weiterer<br />

Kooperationspartner konnten der Pavillon Hannover und die<br />

Landesmusikakademie in Wolfenbüttel (für eine themenbezogene<br />

Lehrerfortbildung) gewonnen werden.<br />

Die Schüler/innen im Alter von 11 bis 16 Jahren hatten die Möglichkeit,<br />

in einem großen Klangkörper mitzuwirken und dabei<br />

Samba, Samba-Reggae, Afoxé, Chachacha und andere lateinamerikanische<br />

Stilvarianten kennenzulernen. Im Mittelpunkt<br />

stand die Erarbeitung und Präsentation aktualisierter und neuer<br />

Arrangements mit afro-brasilianischer und afro-karibischer<br />

Stilistik.<br />

Dies geschah an fünf intensiven Probentagen, auf die sich die<br />

einzelnen Gruppen in ihrem Unterricht bereits vorbereitet hatten.<br />

Noten und Hörbeispiele wurden von den Dozenten/innen<br />

im Vorfeld an alle Mitwirkenden verteilt. Alle Schüler/innen waren<br />

sehr engagiert und motiviert. Sie hatten vom ersten Tag an<br />

Spaß an dieser bereichernden Zusammenarbeit – und heraus<br />

kam ein aus sechs Titeln bestehendes Programm, das auf zwei<br />

großen Bühnen, beim „Fest der <strong>Kultur</strong>en“ in Hannover und einem<br />

Open-Air-Konzert in Bad Nenndorf, vor einem faszinierten<br />

Publikum präsentiert wurde.<br />

Carsten Groß vom Gymnasium Bad Nenndorf schilderte seine<br />

Einschätzung nach dem ersten BRASSAMBA-Auftritt: „Für die<br />

Schülerinnen und Schüler der Junior Big Band des Gymnasiums<br />

Bad Nenndorf und für mich als betreuenden Lehrer war<br />

BRASSAMBA 2011 ein großartiges Projekt, bei dem alle sehr<br />

viel gelernt haben. Die Probenphase verlief sehr effizient, in<br />

einer angenehmen und sehr konzentrierten Atmosphäre. Mich<br />

hat vor allem beeindruckt, wie sehr sich die Schüler in diesen<br />

© Andreas Donner


wenigen Wochen weiterentwickelt haben, wie sich auch der<br />

Klang des Ensembles weiterentwickelt hat. Höhepunkt war sicher<br />

das Konzert am 10. Juni, für meine jungen Bläser eine ganz besondere<br />

Erfahrung, vor dieser Kulisse in Hannover aufzutreten.“<br />

Alfons Schleinschock, Leiter der Calenberger Musikschule, freute<br />

sich: „Der 30-minütige Auftritt des BRASSAMBA-Orchesters<br />

am 10. Juni 2011 beim Fest der <strong>Kultur</strong>en in Hannover war ein<br />

krönender Abschluss der mehrwöchigen Probenarbeit und<br />

für die beteiligten Jugendlichen ein großartiges Erlebnis. Es<br />

ist erstaunlich, in welcher Qualität die 50 Musiker/innen auf<br />

der Bühne die verschiedenen Titel darboten. Für die Mitglieder<br />

unserer Jazzband CAMUBA, die am Projekt mitwirkten,<br />

war BRASSAMBA eine sehr effiziente Erweiterung der sonstigen<br />

Bandarbeit. Das Orchesterprojekt wird für unsere Schüler<br />

sicher nachhaltige Wirkungen zeigen.“<br />

modellhaFte PraxIS landeSweIt _57<br />

4.5 Ich wuSSte Gar nIcht, daSS SIe tanzen Können!<br />

hIPhoP School Für multIPlIKatoren/Innen<br />

Vera lüdeck<br />

Referentin der Landesarbeitsgemeinschaft Rock, Hannover<br />

Das Projekt „HipHop School“ der Landesarbeitsgemeinschaft<br />

Rock (Rock LAG) ist ein landesweites Projekt, das die Inter-<br />

essen der Schüler/innen sowie deren Lehrer/innen im länd-<br />

lichen Gebiet abdeckt. In den vergangenen Jahren wurden durch<br />

„HipHop School“ an knapp 50 Haupt-, Real- und Förderschulen<br />

in Niedersachsen Lehrer/innen für den modernen Musikunterricht<br />

fortgebildet. Diese Multiplikatorenausbildung ist sehr<br />

erfolgreich und beliebt. Wenn man davon ausgeht, dass es in<br />

Niedersachsen mehr als 3000 <strong>Schule</strong>n gibt, haben wir noch<br />

viel zu tun!<br />

Die insgesamt neun HipHop-Kurse werden im Klassenverband<br />

oder in Form von Schul-AGs an mehreren <strong>Schule</strong>n in Niedersachsen<br />

von Dozenten/innen der LAG Rock betreut. Die <strong>Schule</strong>n<br />

können sich zwischen den Kursen Rap, Gesang, Breakdance<br />

und HipHop-Tanz entscheiden. Am Ende des halben<br />

Jahres werden die Ergebnisse aller Gruppen vor Ort aufgeführt.<br />

Während der laufenden Kurszeit sind die Pädagogen/innen vor<br />

Ort mit Hintergrundwissen über HipHop bestens ausgerüstet.<br />

Zusätzlich erhalten sie nach und nach das Know-how, um Angebote<br />

dazu selbstständig anzubieten.<br />

Im Jahr 2011 fand zum ersten Mal ein zentrales Coaching für<br />

alle Lehrer/innen sowie alle Dozenten/innen statt. Hier konnten<br />

sich alle Multiplikatoren/innen austauschen und in Kleingruppen<br />

das Erlernte vertiefen. „HipHop School“ ist somit ein<br />

Netzwerkknoten für Kontakte unter den teilnehmenden Lehr-<br />

Auch die Mitveranstalterin des Festes der <strong>Kultur</strong>en, Traute<br />

Petershagen vom Pavillon Hannover, zeigte sich beeindruckt:<br />

„Nicht nur das begeisterte Publikum, sondern auch wir vom<br />

MASALA-Veranstaltungsteam freuten uns über die Teilnahme<br />

des Schüler-Projektorchesters BRASSAMBA der Landesarbeits-<br />

gemeinschaft Jazz Niedersachsen am diesjährigen Fest der<br />

<strong>Kultur</strong>en. Bereits in der farbenprächtigen MASALA-Kinder-<br />

karawane, die am Nachmittag durch Hannovers City zog,<br />

setzten die jungen Musiker einen ganz besonderen Akzent.<br />

Für das Bühnenprogramm auf dem Trammplatz vor dem neuen<br />

Rathaus in Hannover stellte der Auftritt des Orchesters eine<br />

große Bereicherung dar. Mit dem hohen Qualitätsniveau und<br />

uneingeschränkter Spielfreude hinterließ der aus mehreren<br />

<strong>Schule</strong>nsembles zusammengesetzte Klangkörper, geleitet von<br />

den Musikpädagogen Kurt Klose und Frauke Hohberger, bei der<br />

Zuhörerschaft einen nachhaltigen Eindruck.“<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.lag-jazz.de und www.drumandvoice.de<br />

kräften und Dozenten/innen. Letztere sind alle in der Musik-/<br />

Tanzszene beheimatet und haben Erfahrungen mit Lehrtätigkeiten.<br />

Somit sind sie der Brückenschlag zwischen der Theorie<br />

und Praxis, zwischen <strong>Schule</strong> und Musikszene.<br />

Die Verbindung zwischen einer Schüler-AG und einem begleitenden<br />

Multiplikatorencoaching ist in dieser Form absolut neu.<br />

Wir haben sehr gute Erfahrungen damit ge<strong>macht</strong>, die Lehrer/<br />

innen im direkten Lernfeld zu coachen, auch wenn es für die<br />

Lehrkräfte mehr Zeitaufwand bedeutet. Über die beteiligten<br />

Lehrer/innen wird das Projekt direkt in das Schulprogramm<br />

(meist in den AG-Bereich) eingebunden. Gemeinsam mit der<br />

Lehrkraft wird der Ablauf geplant und so sichergestellt, dass<br />

die Schüler/innen und die Lehrkraft größtmöglichen Nutzen<br />

aus der Fortbildung ziehen.<br />

„HipHop School“ kooperiert mit niedersächsischen <strong>Schule</strong>n<br />

und Musikinitiativen, Musikschulen, Tanzschulen, der HipHop<br />

Academie Hamburg etc. sowie lokalen Größen, wie z. B. Spax<br />

aus Hannover.<br />

ziele und erwartungen<br />

Jeder Mensch und gerade Jugendliche haben ein großes Bedürfnis<br />

nach kultureller Teilhabe. Dies äußert sich u. a. im Musikkonsum<br />

(fast jeder Mensch hört Musik). Aktives Musizieren<br />

ist in den verschiedenen Gesellschaftsschichten unterschiedlich<br />

ausgeprägt. „HipHop School“ setzt direkt dort an, wo alle<br />

Kinder und Jugendlichen, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit,<br />

der gesellschaftlichen Stellung der Eltern oder ihrer<br />

Herkunft zu finden sind: In der <strong>Schule</strong>!


58_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />

Die Jugendlichen sollen sich über das Medium „Musik/Tanz“<br />

mit ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinandersetzen. Sie können<br />

über ihre Ängste und Nöte singen und rappen oder dies mit<br />

Tanzen verdeutlichen. Der Lebenszusammenhang heutiger Jugendlicher<br />

ist oft kompliziert und Musik kann ein Mittel sein,<br />

um sich „den ganzen Frust von der Seele zu reden“.<br />

„HipHop School“ stärkt die Jugendlichen, weil es sie ernst<br />

nimmt. Gerade benachteiligten Jugendlichen kann so die Möglichkeit<br />

gegeben werden, sich in ihrem Medium auszudrücken<br />

und auf einem Gebiet Spezialist/in zu sein. Ziel von „HipHop<br />

School“ ist schwerpunktmäßig die Nachhaltigkeit der Workshops<br />

im Schulalltag. Aus diesem Grund werden die Lehrer/<br />

innen intensiv gecoacht.<br />

die multiplikatorenfortbildung<br />

Die LAG Rock hat langjährige Erfahrung im Bereich Jugendarbeit.<br />

Mit Programmen wie „DIE BAND“ und auch „HipHop<br />

School“ geht die LAG Rock neue Wege in der Multiplikatorenschulung.<br />

Zuerst finden 1,5 Stunden „normale“ AG-Arbeit mit<br />

den Schülern/innen statt, während die Lehrkräfte hospitieren.<br />

Anschließend werden die Methoden und Inhalte des HipHop-<br />

Unterrichts mit den Lehrkräften besprochen. Fließend werden<br />

sie in die Workshoparbeit integriert, übernehmen zuerst kleine<br />

Teilbereiche der Unterrichtsstunde (Aufwärmen, Textarbeit<br />

etc.) und später einzelne Module des HipHop-Unterrichts bis<br />

sie in der Lage sind, selbstständig einen Kurs anzuleiten.<br />

Bei „HipHop School“ geht es um das grundlegende Verständnis,<br />

wie AG-Arbeit unter modernen Gesichtspunkten aussehen<br />

kann. Die Lehrer/innen sollen über ihren „studierten Tellerrand“<br />

hinaussehen, ihre Schüler/innen verstehen lernen und<br />

Teile des neuen Konzeptes umsetzen. „HipHop School“ geht<br />

es um die Übertragbarkeit der „Szene“ (d. h. was in Tanzschulen,<br />

auf der Straße, in Battles, auf Bühnen, auf CDs etc. in der<br />

Realität stattfindet) in den Unterricht. Mit modernen Stilmitteln<br />

ergänzt „HipHop School“ den Musikunterricht sinnvoll und<br />

zeitgemäß. Die Feedbacks der bisher teilnehmenden <strong>Schule</strong>n/<br />

Lehrkräfte machen deutlich, dass diese Multiplikatorenreihe<br />

einen wichtigen Platz im Musikland Niedersachsen einnimmt.<br />

„hiphop School“ bewegt was<br />

Dieses Projekt will gezielt an <strong>Schule</strong>n in sozialen Brennpunkten,<br />

mit schwererziehbaren und lernbehinderten Kindern und Jugendlichen<br />

arbeiten. Zielgruppe sind Schüler/innen und Lehrer/<br />

innen an Haupt- und Förderschulen sowie an <strong>Schule</strong>n für Lernbehinderungen<br />

in Niedersachsen. Musikunterricht an <strong>Schule</strong>n<br />

und gerade an Haupt- und Sonderschulen findet sehr begrenzt<br />

und teilweise gar nicht statt. Die LAG Rock schließt mit diesem<br />

Projekt die Lücke zwischen den Bedürfnissen der Schüler/innen<br />

und den Möglichkeiten der Musiklehrer/innen.<br />

„HipHop School“ will über die modernen Stilmittel populärer<br />

Musik Jugendliche ansprechen und sie für eine kreative Arbeit<br />

interessieren. „HipHop School“ vermittelt den Jugendlichen<br />

Know-how und stärkt ihr Selbstbewusstsein. Über die gemeinsame<br />

Arbeit soll Verständnis für den anderen und Integration<br />

von ausländischen und deutschen Jugendlichen erreicht werden.<br />

„HipHop School“ will Hemmschwellen abbauen, Ängste<br />

ernst nehmen und damit die Akzeptanz und den gegenseitigen<br />

Respekt fördern.<br />

Die Workshops entwickeln neben den künstlerischen Gaben<br />

wie Singen, Texten, Tanzen und Scratchen auch Kommunikationsfähigkeiten<br />

und die Bildung von Einzel- und Gruppen-<br />

Identitäten. „HipHop School“ fördert die Selbstreflexion der<br />

Jugendlichen. Die Teilnehmer/innen lernen, sich auszudrücken,<br />

ihre Bedürfnisse zu formulieren und ernst zu nehmen.<br />

Aus dem passiven Konsumieren von Popularmusik wird ein<br />

kreatives Aneignen der Mittel moderner Popmusik unter individuellen<br />

Gesichtspunkten. „HipHop School“ fördert die Stärkung<br />

des Selbstwertgefühls, des Selbstvertrauens und des<br />

Selbstbewusstseins. Es ist eine Auseinandersetzung mit den<br />

eigenen Fähigkeiten, ein Sich-Ausprobieren, Grenzen erleben<br />

und Freude an der eigenen kreativen Betätigung erfahren. Die<br />

Abschlussveranstaltungen vor Freunden und der Familie dienen<br />

den Teilnehmern/innen dazu, sich einer Öffentlichkeit zu<br />

präsentieren und vor Publikum zu beweisen.<br />

Finanzierung<br />

Die zentrale Fortbildung für die außerschulischen Coaches<br />

und die Lehrer/innen wird aus Landesmitteln des Landes Niedersachsen<br />

finanziert. Die Bedeutung einer gemeinsamen<br />

Veranstaltung mit allen Beteiligten für die Nachhaltigkeit von<br />

„HipHop School“ ist immens wichtig.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.lagrock.de<br />

© Vera Lüdeck


© Schäflein & Himmelreich<br />

4.6 wIr machen dIe muSIK!<br />

daS muSIKalISIerunGSProGramm Für alle KInder In nIederSachSen<br />

mareike Knobloch<br />

Projektassistentin des Musikalisierungsprogramms „Wir machen<br />

die Musik!“ im Landesverband Niedersächsischer Musikschulen<br />

e. V., Hannover<br />

„Wir haben vor vier Jahren mit einer Orchesterklasse begonnen<br />

und bekommen ein sehr positives Feedback aus der <strong>Schule</strong>. Die<br />

Konstellation in der Schulklasse hat sich geändert und insgesamt<br />

ist eine sozialere Einstellung der Kinder untereinander zu beobachten.“<br />

(Eine Musikschullehrerin)<br />

musik ist Bildung<br />

Gemeinsames Singen und Musizieren in der <strong>Schule</strong> <strong>macht</strong> nicht<br />

nur Spaß, sondern stärkt die Klassengemeinschaft und wirkt<br />

sich positiv auf die Leistungsfähigkeit und das Lernverhalten von<br />

Schülern/innen aus. Dies belegen unabhängige wissenschaftliche<br />

Studien und langjährige Erfahrungen in der Praxis. Musik ist<br />

somit ein elementarer Bestandteil des Konzeptes schulischer<br />

Bildung und Erziehung. Musik ermöglicht eine ganzheitliche Förderung,<br />

die Emotionalität, Kreativität, Motorik, kognitives und<br />

soziales Lernen umfasst. Aus diesem Grund sollten möglichst<br />

viele Kinder in der Grundschule ein Angebot zum gemeinsamen<br />

Singen und Musikmachen erhalten.<br />

musik ist zukunft<br />

Der Landesverband Niedersächsischer Musikschulen e. V. (LVM)<br />

hat in enger Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen<br />

Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK), dem Niedersächsischen<br />

Kultusministerium (MK) sowie den Kommunalen<br />

Spitzenverbänden des Landes das Musikalisierungsprogramm<br />

„Wir machen die Musik!“ konzipiert. Es fördert seit dem Schuljahr<br />

2009/10 die Zusammenarbeit von Musikschulen mit Kindertageseinrichtungen<br />

sowie mit <strong>Schule</strong>n des Primarbereichs. Das<br />

Programm leistet damit einen elementaren Beitrag zur Entwicklung<br />

der kommunalen Bildungslandschaft.<br />

„Wir machen die Musik!“ will möglichst vielen Kindern verbesserte<br />

Entwicklungs- und Bildungschancen eröffnen. Sie<br />

sollen in allen Phasen ihrer Entwicklung, vor allem im Alter von<br />

0 bis 10 Jahren, ein wöchentliches und altersgerechtes musikalisches<br />

Angebot erhalten. Mit dem Förderprogramm ist bis<br />

zum Jahr 2016 landesweit die Teilnahme für etwa 30 % aller<br />

Grundschulkinder gesichert. Den inhaltlichen und organisatorischen<br />

Rahmen für alle musikalischen Angebote bilden vereinbarte<br />

„Förderleitlinien“.<br />

Träger des Programms ist der LVM, finanziert wird es mit Fördermitteln<br />

des MWK als Auftraggeber sowie mit Mitteln der örtlichen<br />

<strong>Schule</strong>n und Kindertagesstätten. Im Schuljahr 2011/12 stehen<br />

Landesmittel im Umfang von 1,55 Mio. Euro zur Verfügung.<br />

„Das Programm ist klasse. Das muss sein! Die Kinder brauchen<br />

es, das Land braucht es. Ich hoffe, dass das Programm eine große<br />

Wirkung erzielt und es wirklich jedes Kind in Niedersachsen<br />

erreichen kann.“ (Eine Musiklehrerin einer Grundschule)<br />

modellhaFte PraxIS landeSweIt _59<br />

musik hand in hand<br />

„Wir machen die Musik!“ vereint die Kräfte von allgemeinbildenden<br />

<strong>Schule</strong>n und Musikschulen durch gezielte Zusammenarbeit.<br />

Die musikalischen Angebote sind mit dem Kerncurriculum der<br />

<strong>Schule</strong>n verzahnt und ergänzen den Musikunterricht. Sie können<br />

sowohl im Klassenverband als auch im Rahmen von AGs stattfinden.<br />

Alle Kinder einer Grundschule, die ein besonderes Interesse<br />

an Musik haben, erhalten so die Möglichkeit, über den regulären<br />

Unterricht hinaus, aktiv Musik zu machen. Im Schuljahr 2011/12<br />

kooperieren 72 niedersächsische Musikschulen mit 470 allgemeinbildenden<br />

<strong>Schule</strong>n des Primarbereichs und erreichen auf<br />

diese Weise rund 12 500 Kinder. Alle teilnehmenden <strong>Schule</strong>n erhalten<br />

auf Wunsch ein „Signet“, das ihre Einrichtung als Kooperationspartner<br />

der jeweiligen Musikschule kennzeichnet. Auch<br />

Flyer, Plakate, Luftballons und andere Werbeartikel sind für die<br />

<strong>Schule</strong>n kostenlos erhältlich.<br />

wie es klingen kann – das musikalische angebot<br />

Folgende Angebote von öffentlichen Musikschulen an allgemeinbildenden<br />

<strong>Schule</strong>n werden im Rahmen von „Wir machen<br />

die Musik!“ gefördert:<br />

Instrumentale orientierungsangebote<br />

>> Kennenlernen aller Instrumente,<br />

>> Ausprobieren durch Anfassen, Hineinblasen,<br />

Anstreichen usw.,<br />

>> Erkennen von Interessen und Lieblingsinstrumenten<br />

der Kinder.


60_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />

angebote mit gleichen und gemischten Instrumenten<br />

(orchesterklasse)<br />

>> Elementarer Musikunterricht, verbunden mit dem Erlernen<br />

und Spielen eines Instruments in der Gruppe,<br />

>> große Auswahl an möglichen Instrumenten<br />

(Streich-, Blas-, Tasten-, Zupf- oder Perkussionsinstrumente),<br />

>> Einbeziehung von Instrumenten aus anderen<br />

<strong>Kultur</strong>kreisen, Rock- und Popmusik.<br />

Vokale angebote (Schwerpunkt Gesang)<br />

>> Sing- und Chorklassen als besondere Form<br />

des Klassenmusizierens,<br />

>> Stimmbildung und gemeinsames Singen stehen<br />

mehrmals in der Woche auf dem Stundenplan,<br />

>> Musiktheater- bzw. Musicalinszenierungen<br />

ergänzen das Angebot.<br />

Zur Teilnahme an allen Angeboten sind musikalische Vorkenntnisse<br />

der Kinder nicht erforderlich. Die Angebote der Musikschulen<br />

werden individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse der allgemeinbildenden<br />

<strong>Schule</strong>n abgestimmt.<br />

Qualität als maß der dinge<br />

Den großen Bedarf an Musikpädagogen/innen, die in schulischen<br />

Kooperationsprojekten einsetzbar sind, zu decken, ist eine wichtige<br />

Aufgabe und Erfolgsgrundlage des Programms. Musikalische<br />

Kooperationsprojekte stellen alle in den Partnereinrichtungen<br />

tätigen pädagogischen Kräfte vor neue Aufgaben. Eine vom LVM<br />

veranstaltete berufsbegleitende Fortbildung „Wir machen die<br />

Musik! – Fit für Kita & <strong>Schule</strong>“ startete im März 2011 und wurde<br />

für Musikschullehrkräfte, die in Kooperationsprojekten mitarbeiten,<br />

individuell konzipiert.<br />

„Ich finde ‚Wir machen die Musik!‘ sehr gut. Wir machen das Programm<br />

seit einem Jahr im eigenen Haus und sind glücklich, dass<br />

wir die Musikschule haben. Die Dozentin und die Erzieherinnen<br />

arbeiten gemeinsam und wenn die Dozentin die Kita wieder verlässt,<br />

machen die Erzieherinnen mit den Kindern alleine weiter.“<br />

(Leiterin einer Kindertagesstätte)<br />

Die Module im Arbeitsfeld <strong>Schule</strong> beinhalteten u. a. die Vermittlung<br />

allgemeiner Grundlagen über fächerübergreifende Elemente<br />

des Klassenmusizierens, unterrichts- und schulpraktische<br />

Themen sowie praktisch-methodische Anregungen zum Klassenmusizieren<br />

mit Blockflöten, Gitarren, Holzblas-, Perkussion-,<br />

Tasten- und Streichinstrumenten und die Arbeit mit Chorklassen.<br />

Bereits vorhandene, didaktisch-methodische Kompetenzen der<br />

Lehrkräfte können durch diese Zusatzqualifikationen vertieft<br />

und an neue Unterrichtsformen angepasst werden. Eine Wiederholung<br />

bzw. Fortsetzung der Fortbildung ist in Planung.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.wirmachendiemusik.de<br />

www.musikschulen-niedersachsen.de<br />

© Kris Finn<br />

© Schäflein & Himmelreich


5. modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

Das Ziel von <strong>Kultur</strong>eller Bildung in <strong>Schule</strong> ist: „Die Phantasie, Kreativität und das Vertrauen<br />

der Kinder in die eigene schöpferische Kraft zu fördern und frei von Leistungsdruck und schulischem<br />

Zwang ihre Kompetenzentwicklung zu fördern.“<br />

(Anne Bamford, Leiterin des „Engine Room“ an der Universität der Künste zu London)<br />

<strong>Kultur</strong>elle Bildung gewinnt weltweit an Bedeutung. „<strong>Kultur</strong>elle Bildung muss als Grundlage<br />

einer ausgewogenen kognitiven, emotionalen, ästhetischen und sozialen Entwicklung von<br />

Kindern und Jugendlichen begriffen werden“, so die Seoul-Agenda.<br />

(Zweite UNESCO-Weltkonferenz zur kulturellen Bildung in Seoul, Juni 2010)


62_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

5.1 BIldBerIchte üBer BerGen-BelSen<br />

eIne GelunGene KooPeratIonen Im FSJ <strong>Kultur</strong>/PolItIK<br />

Inka ostendorf<br />

Ehemalige Freiwillige aus dem Freiwilligen Sozialen Jahr Politik<br />

Von September 2009 bis August 2010 leistete ich in der Gedenk-<br />

stätte Bergen-Belsen bei Hannover ein sogenanntes Freiwilliges<br />

Soziales Jahr (FSJ) Politik unter der Trägerschaft der<br />

Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />

e. V. (LKJ).<br />

Bereits seit vielen Jahren können Jugendliche ein freiwilliges<br />

Jahr in sozialen Bereichen oder in kulturellen Einrichtungen<br />

(FSJ <strong>Kultur</strong>) absolvieren. Das FSJ Politik hat sich relativ<br />

neu entwickelt und erfreut sich immer größerer Beliebtheit.<br />

Junge Menschen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren erhalten<br />

die Möglichkeit, ein Jahr lang in „ihrer“ Einrichtung Erfahrungen<br />

zu sammeln und die dortige Arbeit hautnah mitzuerleben<br />

und vor allem auch mitzugestalten.<br />

Wesentlicher Bestandteil des „FSJ Politik/<strong>Kultur</strong>“ ist die<br />

Planung und Durchführung eines eigenverantwortlichen Projekts.<br />

Gemeinsam mit meinem FSJ-<strong>Kultur</strong>-Kollegen Tobias<br />

Trutz, habe ich ein dreitägiges Projekt unter dem Titel „Bildberichte<br />

über Bergen-Belsen“ in der Gedenkstätte durchgeführt.<br />

Da mein Kollege und ich während des FSJ beide gern mit<br />

Schülern/innen arbeiteten, entstand schnell die Idee, eine Kooperation<br />

mit einer Schulklasse von Tobias‘ ehemaligen Gymnasium<br />

in Celle anzustreben. Durch Zufall hatte er seinen damaligen<br />

Geschichtslehrer getroffen und ihm von unserer Idee<br />

erzählt. Dieser war auf Anhieb begeistert und hat uns seine<br />

Zusammenarbeit und die Teilnahme mit einer Schulklasse an<br />

unserem Projekt zugesichert.<br />

Konzept des Projekts<br />

Die Arbeit mit einer Schulklasse in Bergen-Belsen wäre nun<br />

nichts Neues gewesen, denn täglich sind meist mehr als drei<br />

Klassen in der Gedenkstätte und lernen durch Führungen und<br />

Studientage den historischen und heutigen Ort Bergen-Belsen<br />

kennen. Kurz zuvor hatten mein FSJ-Kollege und ich mit einem<br />

damaligen Mitarbeiter des Besucherdienstes die sogenannte<br />

Snapshot-Methode kennengelernt und auch versuchsweise<br />

mit durchgeführt. Bei dieser Methode gehen Schüler/innen in<br />

Gruppen allein auf das Gelände und fotografieren das, was sie<br />

interessiert, stutzig <strong>macht</strong>, erstaunt, bedrückt oder Fragen<br />

aufwirft, eben alles, was sie beachtlich finden. So entsteht der<br />

erste Kontakt zum heutigen Ort Bergen-Belsen. Die Gruppen<br />

entscheiden sich dann für eines der Bilder und überlegen sich,<br />

warum sie genau dieses gewählt haben.<br />

Anhand der ausgewählten Bilder entsteht im Anschluss ein<br />

Rundgang über das Gelände, eine individuelle Führung, bei der<br />

die Schüler/innen ihren Klassenkameraden/innen ihr jeweiliges<br />

Bild vorstellen und die Gründe für ihre Wahl erläutern. Ergänzt<br />

werden zudem Informationen über den historischen Ort<br />

Bergen-Belsen, also zu der Geschichte des ehemaligen Kriegsgefangenen-<br />

und Konzentrationslagers. Die Schüler/innen haben<br />

sich, so das Ziel dieser Methode, durch diese „Alternativ-<br />

führung“ das Gelände selbstständig erschlossen und machen<br />

ganz andere Erfahrungen als bei einer „Standardführung“.<br />

Wir entschieden uns, die Snapshot-Methode aufzugreifen und<br />

weiterzuentwickeln. Wie kann man diese Erfahrung vertiefen?<br />

Was kann mit den entstandenen Fotos geschehen? Wir wollten<br />

die gesammelten Eindrücke nachhaltig festhalten und auch<br />

für andere sichtbar machen, die nicht direkt dabei waren und<br />

entschlossen uns daher, eine kleine Ausstellung Teil unseres<br />

Projekts werden zu lassen. Zudem entschieden wir, das Projekt<br />

mit einem Film zu dokumentieren.<br />

Da wir in Bergen-Belsen immer wieder auch Überlebende trafen<br />

und uns die Begegnungen mit diesen Menschen stets besonders<br />

beeindruckten, wollten wir neben der Snapshot-Methode<br />

und der Ausstellung auch eine Zeitzeugenbegegnung organisieren.<br />

So entstanden drei wesentliche Ziele unter dem Motto<br />

„Bildberichte über Bergen-Belsen“: 1. Fotoerkundung des<br />

Geländes, 2. Zeitzeugenbegegnung und 3. Erarbeitung einer<br />

kleinen Ausstellung.<br />

durchführung<br />

Das auf drei Tage angelegte Projekt begann schließlich am<br />

26.05.2010 und wir konnten rund 20 Elfklässler/innen eines<br />

Geschichtskurses des Hermann-Billung-Gymnasiums gemeinsam<br />

mit ihrem Lehrer in der Gedenkstätte begrüßen. Unser<br />

Projekt, bei dem wir von einem Mitarbeiter der Gedenkstätte<br />

in der Durchführung unserer Ideen unterstützt wurden, hatte<br />

sich in der Zwischenzeit in fünf Teilmodule gespalten:<br />

1. Fotoerkundung über das Gelände der Gedenkstätte,<br />

2. Zeitzeugenbegegnung,<br />

3. Erarbeitung einer kleinen Ausstellung,<br />

4. Filmische Dokumentation des Seminars,<br />

5. Abschlusspräsentation mit Ausstellungseröffnung.<br />

Die Schüler/innen erkundeten das Gelände mit Fotokameras<br />

und so entstanden beeindruckende Bilder, aus denen sich<br />

dann ein Weg über das Gelände ergab, den wir gemeinsam auf<br />

einer Karte absteckten und dann bestritten (1.).<br />

Die von uns angestrebte Filmdokumentation wurde von<br />

vier Schülern der Klasse übernommen, die bei allen Aktivitäten<br />

mit einer Kamera unser Projekt festhielten.<br />

Am zweiten Tag fand dann die Zeitzeugenbegegnung statt.<br />

Ein Überlebender berichtete den Schülern/innen von seinen<br />

Erlebnissen, die er während der Befreiung des Lagers Bergen-<br />

Belsens 1945 als junger Feuerwehrmann ge<strong>macht</strong> hatte (2.).<br />

Die anschließende Erarbeitung der Ausstellung „Bildberichte<br />

über Bergen-Belsen“ fand dann zweigeteilt statt.<br />

Auf Grundlage der entstandenen Bilder durch die<br />

Snapshot-Methode, der historischen Führung und der Zeitzeugenbegegnung<br />

entwickelten die Schüler/innen verschiedene<br />

audiovisuelle Präsentationen, die der Öffentlichkeit gezeigt<br />

werden sollten und zu einer kleinen Ausstellung weiterkonzipiert<br />

wurden (3.).


© Andreas Mischok<br />

Die Filmgruppe sichtete das bisher entstandene Material, um<br />

daraus einen Film zu erstellen, der die wichtigsten Stationen<br />

auf dem Weg zur fertigen Ausstellung zeigen sollte. Ziel war es,<br />

die beiden Projekttage rückverfolgen zu können und einen Zusammenhang<br />

zwischen den Ergebnissen der anderen Gruppe<br />

herzustellen (4.).<br />

Am dritten Projekttag bereiteten wir mit den Schülern/<br />

innen die Eröffnung der Ausstellung vor und präsentierten<br />

schließlich die Ergebnisse der Öffentlichkeit (5.).<br />

So wurden die audiovisuellen Präsentationen und der Film<br />

von den Schülern/innen gezeigt. Zudem stellten wir die bei der<br />

Fotoerkundung entstandenen Bilder aus und zeichneten mit<br />

Hilfe eines Lageplans des heutigen Geländes der Gedenkstätte<br />

Bergen-Belsen den Weg nach, der sich aus den geschossenen<br />

Fotos für uns ergab.<br />

Fazit und ausblick<br />

Vor allem die Snapshot-Methode wurde von allen Schülern/<br />

innen als sehr positiv bewertet, da sie ihnen ein selbstständiges<br />

Arbeiten ermöglichte und sie so neue Eindrücke, Ansichten<br />

und Erkenntnisse von und über Bergen-Belsen gewinnen<br />

konnten. Außerdem sei eine gute Verknüpfung von Bildern des<br />

heutigen Ortes und der Geschichte Bergen-Belsens möglich,<br />

die letztlich auch auf die Individualität der Führung über das<br />

Gelände zurückzuführen ist.<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _63<br />

Zusammenfassend können Tobias und ich unser Projekt als<br />

großen Erfolg verbuchen. So hielt ein Schüler bei der Auswertung<br />

eines der Hauptziele, etwas Nachhaltiges zu schaffen,<br />

passenderweise mit folgenden Worten fest: „Man erinnert sich<br />

und das sehr intensiv.“<br />

Wir wissen nach unserem Projekt „Bildberichte über Bergen-Belsen“,<br />

dass auch bei einem im Vorfeld gut organisierten<br />

und strukturierten Ablauf nicht alles rund laufen kann. Dennoch<br />

hat es uns in unserer Meinung bestärkt, dass die individuelle<br />

Arbeit mit Schülern/innen, vor allem auch außerhalb des<br />

Kontexts „Unterricht“, gerade im Bereich der historischen Bildung<br />

zum Thema Nationalsozialismus von großer Bedeutung<br />

ist und fortgeführt werden sollte.<br />

Die große Bedeutung solcher Projekte zeigte sich auch, nachdem<br />

„Bildberichte über Bergen-Belsen“ bereits abgeschlossen<br />

war. So stellten die Teilnehmer/innen ihren Mitschülern/<br />

innen die Ideen und Ergebnisse der drei Projekttage an einem<br />

Projettag gebündelt vor. Letztlich haben auch unsere Nachfolger<br />

im „FSJ Politik/<strong>Kultur</strong>“ in der Gedenkstätte ein Projekt mit<br />

Schülern/innen durchgeführt, was die Bedeutsamkeit solcher<br />

Kooperationen weiterhin verdeutlicht.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

bergen-belsen.stiftung-ng.de


64_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

5.2 hannoVer hauPtBahnhoF<br />

motSBaSIc 2008 BIS 2011<br />

hans Fredeweß<br />

Choreograf und Tänzer, Hannover<br />

„Es ist ein bereicherndes Erlebnis zu sehen, mit welchem Selbstbewusstsein,<br />

welcher Bewegungsfreude und Selbstverständlichkeit<br />

sich die Jugendlichen auf der großen Theaterbühne im<br />

Aegi in Hannover präsentieren. Die Begeisterung der Schüler/<br />

innen sprang förmlich auf das Publikum über. Solche Projektergebnisse<br />

beflügeln unsere Arbeit in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung.“<br />

(Anja Krüger, Bildungsreferentin der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung Niedersachsen)<br />

Über drei Schuljahre hinweg brachte die Compagnie Fredeweß<br />

Kinder und Jugendliche der Anne-Frank-Hauptschule und der<br />

Johannes-Kepler-Realschule aus Hannover in Bewegung. Zum<br />

Abschluss des Projektes wurde eine Choreografie entwickelt,<br />

die von Alltagseindrücken der Beteiligten erzählte, die sie auf<br />

dem Hauptbahnhof sammelten: Der Hauptbahnhof am frühen<br />

Morgen. Er belebt sich langsam, wird zur Durchgangsstation<br />

für Tausende, bis die Hektik, die Dynamik und der Lärm ihren<br />

Höhepunkt erreichen.<br />

Musikalische Grundlage der Choreografie war eine Collage<br />

aus Geräuschen, Klängen und Sprachfetzen, die der Komponist<br />

Kostia Rapoport am Hauptbahnhof in Hannover aufgenommen<br />

und mit einigen Kindern und Jugendlichen gemeinsam bearbeitet<br />

hat.<br />

„MOTSbasic“ war mit seiner langen Laufzeit und seiner Verbindlichkeit<br />

für die Kinder und Jugendlichen ein Modellprojekt,<br />

das in Niedersachsen bisher einzigartig gewesen ist. „MOTS –<br />

Moderner Tanz in <strong>Schule</strong>n“ ist eine von der Compagnie<br />

Fredeweß gegründete Initiative, die Kinder und Jugendliche<br />

mit Modernem Tanz vertraut <strong>macht</strong> und ihre Bewegungsfähig-<br />

keit sowie ihre musikalischen und sozialen Kompetenzen<br />

schult. Die Compagnie Fredeweß besteht seit 1998 als professionelles<br />

freies Tanztheater in Hannover-Linden. Die Tanzkunstvermittlung<br />

durch den Choreografen Hans Fredeweß<br />

und professionelle Tänzer/innen steht im Mittelpunkt der<br />

„MOTS“-Arbeit. „MOTS“ bewegt Kinder und Jugendliche, indem<br />

es kreativ-künstlerische Lern- und Experimentierfelder bietet.<br />

Gewaltprävention und Konfliktfähigkeit werden gefördert,<br />

Integration, Partizipation und Kommunikation eingeübt. Nicht<br />

in freiwilligen Arbeitsgruppen, sondern im verbindlichen Klassenverband<br />

während der Schulzeit erfahren die Kinder und<br />

Jugendlichen Tanz durch Musik und Musik durch Tanz neu, bauen<br />

Hemmschwellen ab und begeistern sich für die Bewegung.<br />

Die Tänzer/innen zeigen zeitgenössischen Modernen Tanz von<br />

einer authentischen Seite und entwickeln während der „MOTS“-<br />

Projekte gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen eine<br />

Choreografie, die schließlich vor Publikum aufgeführt wird.<br />

In den ersten zwei der drei Projektjahren von „MOTSbasic“ waren<br />

jeweils bis zu acht Workshop-Termine über zwei bis drei<br />

Wochen in die Unterrichtsstruktur eingebunden. Am Ende jeder<br />

Workshop-Etappe stand eine Aufführung vor Publikum, um den<br />

Eltern, Parallelklassen, Lehrern/innen und Freunden einen Einblick<br />

in die Arbeit zu geben, und den Kindern und Jugendlichen<br />

zu ermöglichen, ihre Ergebnisse zu zeigen.<br />

Im Schulhalbjahr 2009/2010 gab es eine gemeinsame<br />

Klassenfahrt mit beiden beteiligten <strong>Schule</strong>n. Es folgte der große<br />

Abschluss des Projekts: Im Februar 2011 tanzten mehr als<br />

120 Kinder und Jugendliche auf der Bühne des Theaters am<br />

Aegi die Choreografie „Hannover Hauptbahnhof“ vor einem begeisterten<br />

Publikum.<br />

Durch „MOTS“ werden die Kinder und Jugendlichen in „Tanzhaft“<br />

genommen und erleben die Kunst und Künstler/innen im<br />

Schulalltag. Sie lernen, offen mit Fremdem umzugehen und sich<br />

auf Neues einzulassen. Durch die lange Laufzeit von „MOTSbasic“<br />

war es möglich, diese Ziele schrittweise und nachhaltig<br />

zu erreichen und den Blick bei jeder Etappe auf einen anderen<br />

Schwerpunkt zu werfen. Während der ersten beiden Etappen<br />

ging es vor allem um ein In-Bewegung-bringen aller Kinder und<br />

Jugendlichen und die Erfahrung des ganzen Körpers als Instrument<br />

der Bewegung nach der Methode „movement research“.<br />

Dabei wurden das Raumgefühl geschult, das eigene Körpergefühl<br />

intensiviert und eine erste Begeisterung für abstrakte<br />

Bewegungsformen geweckt. Der Schwierigkeitsgrad wurde im<br />

Verlauf des Projektes kontinuierlich gesteigert. In den letzten<br />

beiden Etappen trainierten die Kinder und Jugendlichen, aufbauend<br />

auf die ersten Workshops, komplexere Bewegungsabläufe.<br />

Teamfähigkeit und Kooperation standen im Mittelpunkt<br />

dieser Phase. Ebenso wurden erste choreografische Elemente<br />

für die Abschlusspräsentation erarbeitet.<br />

Besonders wichtig war in dieser Phase, dass die Kinder und Jugendlichen<br />

erkennen konnten: „Was kann ich besonders gut?<br />

Was kann der andere besonders gut?“ Der junge Komponist<br />

Kostia Rapoport entwickelte zusammen mit den Teilnehmern/<br />

innen eine Klangcollage für „Hannover Hauptbahnhof“. Die Jugendlichen<br />

begleiteten den kreativen Entstehungsprozess der<br />

Musik aus der Nähe und entdeckten selbst Klänge und Geräusche,<br />

die in die Komposition eingeflossen sind.<br />

Die Klassenfahrt mit den Teilnehmern/innen beider <strong>Schule</strong>n<br />

nach Wolfenbüttel stand bereits ganz im Zeichen der Abschlussaufführung.<br />

Um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen,<br />

unterstützten sich die Akteure gegenseitig. Die Reise trug dazu<br />

bei, dass die unterschiedlichen Leistungsniveaus von den Kindern<br />

und Jugendlichen akzeptiert und toleriert wurden und die<br />

Kooperationsbereitschaft zunahm. Die Choreografie wurde in<br />

der Trainingswoche entscheidend ausgearbeitet.<br />

Durch eine Kooperation mit der Fachhochschule Bielefeld konnten<br />

18 Studierende des Studiengangs Soziale Arbeit für „MOTSbasic“<br />

gewonnen werden. Außerdem assistierten Studierende<br />

verschiedener Fachrichtungen der Universität Hannover und<br />

der Universität Hildesheim. Die Studierenden nahmen hospi-


© Christian Burkert<br />

tierend an der Klassenfahrt sowie den Vorbereitungen und der<br />

Aufführung von „Hannover Hauptbahnhof“ teil. Damit unterstützten<br />

sie zum einen die Arbeit der Compagnie Fredeweß,<br />

zum anderen wurde das Projekt für die Kinder und Jugendlichen<br />

durch die jungen Erwachsenen um eine weitere Dimension bereichert.<br />

„MOTS“ wurde gefördert von der Landeshauptstadt Hannover,<br />

PwC Stiftung, TUI Stiftung, Klosterkammer Hannover, Stiftung<br />

Niedersachsen, Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.compagnie-fredewess.de<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _65


66_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

5.3 Vom GlücK, SIch SPIelend Ganz neu Kennenzulernen<br />

JuGend ForScht nach dem GlücK mIt theater, tanz und radIo<br />

annli von alvensleben<br />

Gründungs- und Vorstandsmitglied des TPZ Hildesheim<br />

Silke Pohl<br />

Mitarbeiterin des TPZ Hildesheim im Bereich Öffentlichkeitsarbeit<br />

Katrin tesch löwensprung<br />

Leiterin des TPZ Hildesheim<br />

„Besonders viel Kohle“, „Morgens wach werden und neben<br />

meiner Frau liegen“, Ein guter Job später“, „Mit der Familie was<br />

unternehmen“, „Wenn Hannover 96 gewinnt“, „Gesundheit“,<br />

„Mit Freunden zusammen sein“, „Essen“… Auf die Frage „Was<br />

bedeutet Glück für dich?“ fanden 52 Schüler/innen dreier berufsbildender<br />

<strong>Schule</strong>n in Hildesheim zwischen Oktober 2010<br />

und März 2011 ganz unterschiedliche Antworten, indem sie<br />

sich selbst befragten, aber auch Freunde, Bekannte und Eltern<br />

sowie Passanten auf der Straße. Parallel setzten sie sich,<br />

unterstützt von acht Theaterpädagogen/innen und Lehrern/<br />

innen, in Recherchen, Diskussionen und Improvisationen mit<br />

Glücksversprechen, Lebensentwürfen sowie persönlichen<br />

und globalen Bedürfnissen auseinander. Auf diese Weise entstanden<br />

drei 20-minütige Stücke und eine gemeinsame Tanzchoreografie,<br />

die Ende Februar 2011 als Gesamt-Performance<br />

in drei Aufführungen in Hildesheim auf die Bühne gebracht<br />

wurden und insgesamt 300 Zuschauer/innen begeisterten.<br />

„Glück.Wunsch“ ist das inzwischen fünfte Hildesheimer Berufs-<br />

schul-Theaterprojekt und das dritte in Trägerschaft des Theater-<br />

pädagogisches Zentrum Hildesheim e. V. (TPZ). Oberstudienrätin<br />

Conny Törber, die das Projekt an der Walter-Gropius-<strong>Schule</strong><br />

betreut, erläutert die Bedeutung der inzwischen etablierten<br />

Theaterarbeit aus Sicht des Kollegiums: „Wir sehen jedes Jahr,<br />

dass junge Menschen etwas leisten können, wenn man sie<br />

fördert und ihre Talente erkennt. Unsere Schüler/innen sind<br />

zuvor ja stets durch die Maschen des sozialen Netzes gefallen.<br />

Wir wollen aber nicht, dass Schüler/innen in ihren Defiziten<br />

bestärkt werden, sondern in ihren Talenten. Wir müssen<br />

mit ihnen arbeiten und ihnen Hilfen geben, damit sie sich ent-<br />

wickeln können. Und so ein Theaterprojekt ist eine ganz andere<br />

und besondere Gelegenheit, sich zu entwickeln.“<br />

2010: Glück –<br />

eine Suchbewegung zwischen theater, tanz und radio<br />

In der Spielzeit 2009/2010 entschieden sich die Projektverantwortlichen<br />

für eine Auseinandersetzung mit dem „Glück“.<br />

„Fragen, was Menschen glücklich <strong>macht</strong> und wie ein gutes, gelungenes<br />

Leben aussehen kann, spielen im Alltag der meisten<br />

jungen Menschen eine sehr große Rolle. Zugleich sind sehr viele<br />

Projektteilnehmer/innen – teils ohne Hauptschulabschluss<br />

und in berufsvorbereitenden Klassen – benachteiligt, was<br />

ihre gesellschaftliche Teilhabe und ihre Perspektive auf dem<br />

Arbeitsmarkt betrifft. Die Gesellschaft jedoch definiert Glück<br />

nach wie vor als eng verbunden mit beruflichem und finanziellem<br />

Erfolg. Hier neue Sichtweisen zu etablieren, ist eine Grundbedingung<br />

für die Lebenszufriedenheit all jener, die dies nicht<br />

für sich verbuchen können.“ (Eine betreuende Lehrerin)<br />

Das Thema „Glück“ wurde mit den beteiligten Schülern/innen<br />

in Bezug auf die aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche<br />

Situation kritisch diskutiert sowie künstlerisch mit Mitteln<br />

des Theaters, des Tanzes und des Bürgerradios umgesetzt. Zu<br />

den Projektzielen gehörte es, für die Jugendlichen über interkulturelle<br />

und generationsübergreifende Dialoge Zugänge zur<br />

<strong>Kultur</strong> zu schaffen und ihnen eine aktive Teilhabe am Hildesheimer<br />

<strong>Kultur</strong>leben zu ermöglichen, etwa durch den Besuch<br />

von Veranstaltungen. Parallel wurden sie im Probenprozess<br />

dazu ermutigt, sich aktiv und ausprobierend mit verschiedenen<br />

Kunstformen und einem bewusst hohen ästhetischen<br />

Anspruch zu beschäftigen.<br />

Glücksbedingungen: Partner, ausstattung und mittel<br />

Neu in der bereits etablierten Kooperation zwischen den drei<br />

berufsbildenden <strong>Schule</strong>n, dem TPZ Hildesheim, dem Theater<br />

für Niedersachsen (TfN) sowie dem soziokulturellen Zentrum<br />

<strong>Kultur</strong>Fabrik Löseke war 2010/2011 der Bürgerrundfunk Radio<br />

Tonkuhle. Neben erfahrenen Theater- und Tanzpädagogen/<br />

innen war s auch ein Medienpädagoge involviert. Alle drei Klassen<br />

nahmen an einer individuellen Führung durch das Studio<br />

von Radio Tonkuhle teil und wurden mit der Aufnahmetechnik<br />

vertraut ge<strong>macht</strong>. Auf diese Weise wurde eine neue Intermedialität<br />

des Projektes möglich. Die Beiträge der Klassen erstreckten<br />

sich von Interviews über Musikwünsche bis hin zu<br />

Hörspielsequenzen, die teilweise auch zur künstlerischen Ausgestaltung<br />

der Inszenierung verwendet wurden. Die Arbeitsergebnisse<br />

flossen zudem in eine Anfang Juli 2011 ausgestrahlte<br />

einstündige Sendung auf Radio Tonkuhle über „Glück.Wunsch“<br />

ein, die von den Schülern/innen produziert wurde. Das Projekt<br />

erhielt somit den Untertitel „Jugend forscht nach dem Glück.<br />

Eine kulturelle Expedition durch Theater, Tanz und Radio“.<br />

wie viel zeit braucht das Glück?<br />

Resultierend aus früheren Erfahrungen, gelang es sehr gut,<br />

Schulalltag und Projektarbeit in Einklang zu bringen. Die Theaterarbeit<br />

fand bewusst außerhalb des regulären Unterrichts<br />

und der schulischen Bewertung statt. Es wurde darauf geachtet,<br />

dass die Aufführungstermine nicht mit Praktika und Prüfungszeiten<br />

kollidierten. Zudem probten die drei Klassen von<br />

Oktober 2011 bis Januar 2012 nur im wöchentlichen Rhythmus.<br />

Mit maximaler Intensität wurde dann drei Wochen vor der<br />

Premiere in der <strong>Kultur</strong>Fabrik Löseke gearbeitet.<br />

Das TfN unterstützte „Glück.Wunsch“ als wichtiger Kooperationspartner<br />

in allen Bereichen und stellte u. a. Probenräume<br />

als außerschulische Lernorte zur Verfügung. Darüber hinaus<br />

hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, sich Probenstände<br />

und Aufführungen im TfN anzusehen.


© Andreas Hartmann<br />

Die Finanzierung des Projektes gewährleisteten das Niedersächsische<br />

Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong>, die<br />

Sparda-Bank Hannover-Stiftung, die Johannishof Stiftung, die<br />

Bürgerstiftung Hildesheim sowie die Stadt Hildesheim. Die<br />

Bürgerstiftung Hildesheim zeichnete „Glück.Wunsch“ darüber<br />

hinaus als eines der besten Jugendprojekte im Jahr 2010 aus.<br />

nach der aufführung ist das theater noch lange nicht vorbei<br />

Im Rahmen des Projektes konnten mit Hilfe der entsprechend<br />

geschulten TPZ-Theaterpädagogen/innen 32 „Kompetenznachweise<br />

<strong>Kultur</strong>“ (s. weitere Informationen S. 37) ausgestellt<br />

werden. Für alle Teilnehmenden gilt, dass sie im (Berufs-)Alltag<br />

und im Bewerbungsverfahren durch verbesserte Fremd- und<br />

Eigenwahrnehmung sowie gestärktes Selbstbewusstsein profitieren<br />

können. Die angehenden Erzieher/innen sind darüber<br />

hinaus in der Lage, die im Projekt erworbenen Methoden direkt<br />

im Berufsalltag anzuwenden.<br />

Des Weiteren gelang es, Teilnehmer/innen nachhaltig zu kultureller<br />

Teilhabe zu motivieren. Um den Jugendlichen nach Abschluss<br />

der ersten Projektphase Anknüpfungspunkte zum „Weitermachen“<br />

zu bieten, wurde ihnen die Teilnahme an einer weiterführenden<br />

schulübergreifenden Theatergruppe ermöglicht. Einige<br />

Teilnehmer/innen des Projektes in den Jahren 2010 und 2011<br />

wirkten in Folge an dem großen Kooperationsprojekt „Tanzt!“ des<br />

TfN mit, das im Juni 2011 im Großen Haus aufgeführt und Mitte<br />

September mit dem MIXED-UP-Preis 2011 ausgezeichnet wurde.<br />

„Für mich war es sehr spannend zu beobachten, wie Schüler/<br />

innen, die anfangs nicht einmal in einer geschützten Probensituation<br />

improvisieren wollten, sich Schritt für Schritt doch im-<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _67<br />

mer mehr trauten und wie das Vertrauen innerhalb der Gruppe<br />

wuchs. Viele der Teilnehmer/innen sagten hinterher, sie hätten<br />

in der Klasse eigentlich viel Stress miteinander gehabt, sich<br />

aber für die Aufführung zusammengerissen und zusammengehalten.<br />

Und dies sei auch nach der Aufführung noch so geblieben.<br />

Zudem berichtete mir eine Teilnehmerin, sie würde sich<br />

jetzt trauen, Leute anzusprechen und hätte nicht mehr so viel<br />

Angst vor Menschen. Eine andere führt es auf das Theaterstück<br />

zurück, dass es ihr jetzt gelingt, nicht mehr so schnell an die<br />

Decke zu gehen. Für fast alle war es ein riesengroßer Schritt,<br />

sich überhaupt zu trauen, auf die Bühne zu gehen.“<br />

(Annli von Alvensleben, Theaterpädagogin)<br />

Die teilnehmenden Schüler/innen lernten sich im Rahmen des<br />

Projektes nicht nur selbst und gegenseitig besser kennen und<br />

schätzen, auch ihre Freunde und Verwandten sowie die Lehrkräfte<br />

hatten Gelegenheit, die Jugendlichen in einem ganz<br />

neuen Licht zu erleben.<br />

„Ich habe mit den Schülern richtig mitgefiebert und war am<br />

Ende mächtig stolz, als ich gesehen habe, wie sie aus sich herausgegangen<br />

und auch gewachsen sind durch die Erfahrungen,<br />

die sie in der Probenzeit machen konnten. Hätte ich vorher<br />

einschätzen sollen, ob sie so etwas tun, hätte ich ‚Nein‘ gesagt.<br />

Als sie es dann ge<strong>macht</strong> hatten, dachte ich mir: ‚Sag niemals<br />

nie‘. Ich glaube, für die Schüler war das mit mächtig viel Stolz<br />

verbunden – für sich selbst vor allen Dingen.“<br />

(Eine Lehrerin nach der Premiere)<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.tpz-hildesheim.de


68_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

5.4 BleIB am Ball<br />

eIne auSStellunG mIt und Für KInder rund um den FuSSBall<br />

renate dittscheidt-Bartolosch<br />

M. A. Kunstwissenschaft, Museumspädagogin, Vorsitzende<br />

Zinnober – Ein Museum für Kinder in Hannover e. V.<br />

mark rozin<br />

Puppenspieler, freier museumspädagogischer Mitarbeiter am<br />

Historischen Museum Hannover und Kindertheater Tüte<br />

Sarah ubrig<br />

Dipl.-Designerin Fotografie und Medien, Hannover<br />

„In der Kategorie ‚Lernanstoß – der Fußball-Bildungspreis‘<br />

geht der ‚Deutsche Fußball-<strong>Kultur</strong>preis 2011‘ an… das Projekt<br />

‚Bleib am Ball – Eine Ausstellung mit und für Kinder rund um<br />

den Fußball!‘“<br />

Eigentlich gibt es in Hannover gar kein Kindermuseum. Der<br />

Verein Zinnober – Ein Museum für Kinder in Hannover e. V. veranstaltet<br />

aber seit 2001 immer wieder Ausstellungen. Das<br />

Besondere: Bei den Projekten zu Themen aus <strong>Kultur</strong>, Naturwissenschaft<br />

und Alltagsleben geht es nicht nur um das Anschauen,<br />

sondern vor allem ums Mitmachen und Selbermachen. Das<br />

Preisträger-Projekt „Bleib am Ball“ ist eine Ausstellung zum Mitspielen<br />

für Kinder von vier bis 14 Jahren rund um den Fußball.<br />

Sie fand zur WM der Frauen im Juni 2011 in Kooperation mit dem<br />

Stadtteilzentrum Vahrenwald in Hannover statt.<br />

eine ausstellung rund um Fußball zum mitmachen<br />

Fußball übt eine große Faszination auf viele Kinder aus. Sie<br />

spielen Fußball in der Freizeit, erleben ihn als Medienereignis<br />

und als Starkult, beispielweise über Sammelalben und den<br />

Tausch der Bildchen aktueller Bundesligaspieler/innen. Das<br />

pädagogische Konzept des Projektes „Bleib am Ball“ verfolgte<br />

eine vielfältige, aktive, die Kompetenzen der Kinder fördernde<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema „Fußball“ in ihrer Lebensumwelt.<br />

Mit dem Projekt sollten sie Fußball sportlich und<br />

kulturell mit Spaß und Freude sowie neue Zusammenhänge<br />

erfahren.<br />

Zentral war die Ausstellung „Bleib am Ball“ zum Mitspielen im<br />

Juni 2011. 96 Kinder aus zwei Grundschulen, einem Verein,<br />

einem Spielpark und einer Kita waren an der Ausstellungs-<br />

Vorbereitung beteiligt. Ab Januar 2011 waren sie in vier Projekten<br />

nicht nur sportlich unterwegs. Sie recherchierten und brachten<br />

ihre vielfältigen Ergebnisse und Erlebnisse in Foto- und Filmreportagen,<br />

Fotoalben, gemalten Bildern, einer Wandcollage<br />

und Fußballguckkästen in die Ausstellung ein. Ein wichtiges<br />

Anliegen war die Partizipation der Kinder bei der Konzeption<br />

und Umsetzung der Ausstellung.<br />

die Beteiligungsprojekte mit Schulkindern aus zwei <strong>Schule</strong>n<br />

Mehrere Wochen sind mehr als 60 Kinder in Sachen Fußball mit<br />

vielen Fragen unterwegs: Wie wird man Fußballerin oder Fuß-<br />

© Christoph Bartolosch


aller? Wer hat den Fußball erfunden? Werden Fans verhaftet?<br />

Wie machen wir ein Fußballturnier? Wie wird eine Sportreportage<br />

erstellt? Wie <strong>macht</strong> man gute Sportfotos? Wie sieht ein<br />

Stadion aus? Wie groß ist das Tor? Warum sind grüne Streifen<br />

auf dem Rasen des Spielfelds? Wann gibt es die Rote Karte?<br />

„Bleib fair am Ball“ mit Kindern<br />

einer 3. Klasse der Peter-Petersen-<strong>Schule</strong> hannover<br />

Das Thema „Fairness“ beschäftigte Kinder einer 3. Klasse der<br />

Peter-Petersen-<strong>Schule</strong> in Hannover. Nach einer Annäherung<br />

über eigene Fragen und bildliche Vorstellungen vom Fußball<br />

mit einem Steckbrief, erprobten die Mädchen und Jungen ein<br />

Fußballspiel nach geltenden Regeln, berichteten, fotografierten<br />

sich im Spielgeschehen, beim Rennen, Tore schießen, Mut<br />

zusprechen und bei Schiedsrichterentscheidungen. Die in den<br />

Regeln erfassten Verstöße gegen Fairness wurden anschließend<br />

auf eine große „Rote Karte“ und „Gelbe Karte“ notiert.<br />

Dazu erfanden die Kinder eine „Grüne Karte“, auf der sie gutes<br />

und faires Verhalten notierten.<br />

Eine Exkursion bei winterlichen Minusgraden führte die Schüler/<br />

innen in die Pferdeställe der Reiterstaffel der Polizei Hannover<br />

und zu einem Interview über gewaltbereite Fans mit dem<br />

szenekundigen Beamten. Die rege Nachfrage, Bereitschaft<br />

und Konzentration der Kinder erstaunten die Polizisten, die<br />

in der Regel mit älteren Schülern/innen Probleme mit Fans<br />

diskutieren.<br />

Die zweite Exkursion hatte das AWD-Stadion von Hannover<br />

96 zum Ziel. Hier erhielten die Kinder einen Einblick hinter die<br />

Kulissen, in die Umkleide, den Pressebereich, die VIP-Lounge,<br />

konnten auf der Spielerbank am Rand des gepflegten Rasens<br />

sitzen und erfuhren etwas über die Tätigkeiten des Platz- und<br />

Zeugwarts. Die Erlebnisse „verarbeiteten“ die Schüler/innen<br />

in kleinen Guckkästen mit „Fußballstadien“. Ihre Fotoserie mit<br />

Reportage wurde in einem Fotoalbum und in einer digitalen<br />

Bildpräsentation bearbeitet und festgehalten. Diese Ergebnisse<br />

sowie die im Fußballspiel entstandenen „Rote, Gelbe<br />

und Grüne Karte“ wurden in der Ausstellung präsentiert. Für<br />

die Ausstellung hatten die Kinder Fanporträts gezeichnet. Sie<br />

schmückten die Fenster des Spielfeldbereichs, animierten andere<br />

junge Besucher/innen, auch einen „Fan“ zu malen und ihn<br />

zur Fangemeinde hinzuzufügen.<br />

Der faire Umgang miteinander, der Zusammenhalt beim Spiel,<br />

im Klassenraum und unterwegs waren wichtige Erlebnisse.<br />

Einige Kinder nahmen an der Eröffnung teil und zeigten stolz<br />

ihre Fotos, Bilder, Guckkästen und Fanporträts allen Eltern und<br />

Besuchern/innen. Kurz danach konnte die ganze Klasse mit<br />

viel Spiel und Spaß die Ausstellung erobern.<br />

„das kickt!“ mit Kindern aus der Fridtjof-nansen-<strong>Schule</strong><br />

hannover und des SV Borussia<br />

Die Fridtjof-Nansen-<strong>Schule</strong> in Hannover und der SV Borussia arbeiteten<br />

bereits zusammen. Der Verein unterstützt die <strong>Schule</strong><br />

und fördert dort besonders den Mädchenfußball. Hier konnte<br />

das Projekt anknüpfen und legte seinen Themenschwerpunkt<br />

ebenfalls auf die Auseinandersetzung mit dem Mädchen- und<br />

Frauenfußball.<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _69<br />

Das Projekt begann mit Fußballturnieren für Mädchen und für<br />

Jungen. Mit der Frage „Wie mache ich tolle Sportfotos?“ nahmen<br />

die Reporterkinder ihre Arbeit auf. Sie schossen viele Bilder,<br />

berichteten über die Turnierereignisse und befragten die<br />

Spielerinnen am Rande des Geschehens. Es entstanden Fotoreportagen<br />

ihrer sportlichen Wettkämpfe und von den heiteren<br />

und bewegenden Erlebnissen sowie ein großes Fotoalbum. Diese<br />

Ergebnisse mit mehr als 600 Fotografien wurden bereits ab<br />

der Eröffnung in der Ausstellung „Bleib am Ball“ gezeigt. Neben<br />

den spannenden Sportfotos vermittelten sie den Besuchern/<br />

innen die Freude und den Spaß rund ums Fußballspielen.<br />

Exkursionen ins Historische Museum mit Fußballgeschichte<br />

der Stadt Hannover, in die Sportredaktion der Neuen Presse, in<br />

die AWD – Arena von Hannover 96 – und zur Ausstellung „Bleib<br />

am Ball“ brachten viele neue Erfahrungen und Kenntnisse.<br />

Als Ergebnisse der Aktivitäten wurde die Arbeit in einer eigenen<br />

Ausstellung präsentiert. Es entstanden Fotoserien und<br />

Interviews, aus der Fülle an Material gestalteten die Kinder<br />

Fotobücher, erfanden Bildunterschriften, zeichneten und<br />

schrieben, entwickelten Spielfragen, lernten mit Akkuschraubenziehern<br />

umzugehen und aus Fotografien und Holzplatten<br />

große Figuren der Spielerinnen für ihr Fußball-Quiz zu bauen.<br />

Kurz vor den Sommerferien wurde die Ausstellung „Das kickt!“<br />

mehrere Tage in der <strong>Schule</strong> und beim Tag der offenen Tür des<br />

SV Borussia der Schul- und Vereinsöffentlichkeit vorgestellt.<br />

Caroline Dolff, 10 Jahre, bringt es für alle auf den Punkt:<br />

„Mädchenfußball ist ein schöner Sport für Mädchen. Da kann<br />

man sich richtig austoben, wenn man etwas schlecht gelaunt<br />

ist.“<br />

Die Projekte und die Ausstellung „Bleib am Ball“ wurden gefördert<br />

durch die DFB-<strong>Kultur</strong>stiftung, die Niedersächsische Lotto<br />

– Sportstiftung, den Bezirks- und Integrationsrat Vahrenwald/<br />

List, die Region Hannover, den LandesSportBund Niedersachsen<br />

e. V. und die Landeshauptstadt Hannover.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.kindermuseum-hannover.de


70_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

5.5 dIe Verlorenen Söhne<br />

eIne BeGeGnunG mIt Grönland auF SPIeKerooG und Im landKreIS cuxhaVen<br />

Juliane lenssen<br />

Regisseurin Kinder- und Jugendtheater, Theater Das Letzte<br />

Kleinod, Schiffdorf<br />

Die Vorstellung „Die verlorenen Söhne“ basiert auf einer historischen<br />

Erzählung von zwei jungen Spiekeroogern, die um 1770<br />

zum Walfang nach Grönland ausfuhren. Ihr Schiff wurde in einer<br />

Eispressung zerdrückt. Über das Meereis erreichten sie die rettende<br />

Küste und überwinterten bei den Inuit. Erst viele Jahre<br />

später kehrten sie auf ihre Heimatinsel zurück.<br />

Das Stück wurde inspiriert durch Überlieferungen der Insel<br />

Spiekeroog. Noch immer ist das Schicksal der Walfänger im<br />

Brauchtum der Insel verankert. Das Theater Das Letzte Kleinod<br />

ging nicht nur auf den ostfriesischen Inseln auf Spurensuche.<br />

An der Westküste Grönlands sammelte der Regisseur Jens-<br />

Erwin Siemssen Berichte über den Walfang und das Leben im<br />

Eis. Die Vorstellung erzählt von der Begegnung zweier <strong>Kultur</strong>en<br />

im Eismeer. Das Theater spielte die Vorstellung „Die verlorenen<br />

Söhne“ im Mai 2010 auf der Insel Spiekeroog.<br />

In diesem Zusammenhang wurde ein Projekt mit der Inselschule<br />

auf Spiekeroog durchgeführt. Schüler/innen der 1. bis<br />

9. Klassen wurden eingeladen, mit den Künstlern/innen zum<br />

Thema „Walfang“ und dem Leben im Eis zu arbeiten. Aus dieser<br />

Begegnung entstand eine Präsentation, in welcher die Kinder<br />

Eindrücke der Geschichte der verlorenen Söhne und der Begegnungen<br />

im Eis aus eigener Sicht erzählten.<br />

Die Uraufführung der Vorstellung „Die verlorenen Söhne“ fand<br />

im alten Strandkorbschuppen in den Dünen von Spiekeroog<br />

statt. Dieser Schuppen war seinerzeit Aufführungsort des<br />

historischen Theaterstückes „De verloorne Söhns“. Eine der<br />

Schülergruppen arbeitete an diesem geschichtsträchtigen Ort.<br />

Andere Gruppen arbeiteten in der Inselschule selbst, in einem<br />

großen Holzatelier oder auch draußen auf dem Deich. Es entspricht<br />

dem Konzept der Projekttage, die Schüler/innen aus<br />

ihrem üblichen Umfeld in eine andere Umgebung zu versetzen,<br />

die im Bezug zum Thema steht.<br />

einbindung der regionalen Geschichte: die „wurstlooper“<br />

Jedes Jahr im Januar ziehen die Kinder auf der Insel Spiekeroog<br />

von Haus zu Haus, um mit dem Aufsagen eines traditionellen<br />

Reimes um Wurst und Geld zu bitten. Das traditionelle „Wurstloopen“<br />

stammt aus der Zeit des Walfangs und erinnert an die<br />

beiden Spiekerooger Walfänger. Der Legende nach sollen sie<br />

nach ihrer verspäteten Rückkehr ihren Lebensunterhalt auf der<br />

Insel durch das „Wurstloopen“ gesichert haben.<br />

Die Schulklassen der Spiekerooger Inselschule wurden eingeladen,<br />

eine eigene Fassung von Szenen der Vorstellung „Die Verlorenen<br />

Söhne“ zu gestalten. Von den Künstlern/innen wurden<br />

© Das Letzte Kleinod


sie in unterschiedlichen Gruppen mit den Motiven der Inszenierung<br />

vertraut ge<strong>macht</strong>. Die Kinder interviewten die grönländischen<br />

Schauspielerinnen Makka Kleist und Vivi Sörensen über<br />

den heutigen Walfang der Inuit und erfuhren auf eindrucksvolle<br />

Weise vom Leben der Walfänger.<br />

Die norwegische Geschichtenerzählerin Ragnhild Morch erarbeitete<br />

mit den Kindern der „Wurstlooper“ eine zeitgemäße Erzählung<br />

über den alten Insel-Brauch, während mit den grönländischen<br />

Schauspielern/innen Inuit-Gesänge einstudiert wurden.<br />

Einige Kinder spielten ein grönländisches Märchen nach, derweil<br />

eine weitere Gruppe auf „Walfangjagd“ ging, mit dem „Hundeschlitten“<br />

übers Eis fuhr und den Umgang mit Schlittenhunden<br />

lernte. Unter der Begleitung der Schauspieler/innen des Theaters<br />

Das Letzte Kleinod entstand aus den Erlebnissen eine Präsentation,<br />

die vor Mitschüler/innen und Eltern aufgeführt wurde.<br />

die Geschichte wird weitergetragen<br />

Mit einer anderen Schulklasse aus Bremerhaven fanden Ende<br />

Mai 2010 ebenfalls Projekttage zum Thema „Walfang“ vor<br />

Grönland in Zusammenarbeit mit und Finanzierung durch das<br />

Deutsche Schifffahrtsmuseum statt. Hierfür wurden zu einer<br />

weiteren Begegnung einige Schüler/innen der Inselschule von<br />

Spiekeroog eingeladen, um ihre Version der „Wurstlooper“ nach<br />

Bremerhaven zu bringen. Diese Reise wurde als Fortsetzung<br />

des Projektes auf Spiekeroog angelegt und mündete in einer<br />

gemeinsamen Begegnung sowie Präsentation der Klassen der<br />

Bremerhavener und Spiekerooger <strong>Schule</strong>n.<br />

Besonderheiten<br />

Beim Projekttag auf Spiekeroog wurde eine historische Begebenheit<br />

der Region für die Kinder sinnlich erlebbar ge<strong>macht</strong>. Die<br />

5.6 dIe BücherBIene<br />

eIne moBIle StadtteIlBüchereI<br />

Silke Boerma<br />

Geschäftsführerin, workshop hannover e. V. –<br />

Zentrum für kreatives Gestalten, Hannover<br />

Der workshop hannover e. V. ist ein 1971 als Künstlerinitiative gegründetes<br />

Zentrum für kreatives Gestalten. Hier bieten Künstler/<br />

innen Kurse an, führen soziokulturelle (Kunst-)Projekte durch,<br />

veranstalten Ausstellungen und künstlerische Aktionen. Wir<br />

wollen mit unserer Arbeit anderen die Auseinandersetzung mit<br />

sich selbst und ihrem Umfeld ermöglichen. Im workshop engagiert<br />

sich ein Pool von Künstlern/innen und Kunsthandwerker/<br />

innen mit umfangreicher Praxiserfahrung, die als Spezialisten<br />

unterschiedlicher Gewerke zur Verfügung stehen.<br />

wie alles begann<br />

Der workshop hannover e. V. hat vor zwei Jahren gemeinsam mit<br />

der Landeshauptstadt Hannover ein Projekt initiiert und seither<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _71<br />

Gruppen näherten sich dem Thema auf unterschiedliche Weise<br />

und bekamen einen Bezug zum Inhalt, der weit über die rein<br />

schulischen Möglichkeiten hinausging. Es wurde besonderer<br />

Wert darauf gelegt, dass dieses Projekt verschiedene Generationen<br />

zusammenführte. Die Auseinandersetzung mit einer<br />

regionalen geschichtlichen Begebenheit bewirkte einen Dialog<br />

zwischen den Generationen. Ziel des Projekttages war es auch,<br />

den Kindern auf lebendige Weise Zugang zu dieser wichtigen<br />

Epoche zu ermöglichen und damit dem Ort seine Geschichte<br />

zurückzugeben.<br />

Verbesserungen und aussichten<br />

Das Angebot wurde vollständig durch das Theater Das Letzte<br />

Kleinod personell und finanziell getragen. Es sind weitere Projekte<br />

auf Spiekeroog geplant, ebenso soll die Zusammenarbeit<br />

mit beiden <strong>Schule</strong>n (Inselschule auf Spiekeroog, Gymnasium<br />

Wesermünde für den Landkreis Cuxhaven) fortgesetzt werden<br />

sowie das Deutsche Schifffahrtsmuseum erneut als Kooperationspartner<br />

eingebunden werden. Maritime und geschichtliche<br />

Themen mit Bezug zur Region sind weiterhin Schwerpunkte des<br />

Theaters Das Letzte Kleinod. Diese Themen im ländlichen Raum<br />

und den Küstenregionen aufzuspüren und zu vermitteln, sind<br />

einer der Beweggründe für die Arbeit mit Kindern unterschiedlicher<br />

Altersgruppen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.das-letzte-kleinod.de<br />

durchgeführt, das sich der Gestaltung von Büchern widmet: Die<br />

„Bücherbiene“, eine mobile Mitmachbücherei. Das Projekt richtet<br />

sich gleichermaßen an Kinder und Jugendliche sowie an Erwachsene<br />

aller Altersstufen und wird in Kooperation mit <strong>Schule</strong>n und<br />

anderen Betreuungs-/Bildungseinrichtungen realisiert. In der<br />

folgenden Darstellung wird das Projekt insbesondere im Hinblick<br />

auf das Thema „<strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n“ reflektiert. Vorangestellt<br />

sei, dass die Gesamtkonzeption des Projektes nicht in<br />

Zusammenarbeit mit schulischen Einrichtungen entwickelt wurde,<br />

es handelt sich vielmehr um ein vom workshop hannover e. V.<br />

konzipiertes und durchgeführtes Angebot.<br />

Die „Bücherbiene“ ist ein künstlerisch gestalteter dreirädriger<br />

Piaggio-Transporter des Typs „Ape“, was auf Italienisch „Biene“<br />

bedeutet. Die „Bücherbiene“ braust und brummt durch Hannover<br />

und transportiert Bücher. Diese Bücher sind etwas Besonderes,<br />

weil sie vor allem von Kindern, aber auch von Jugendlichen und


72_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

Erwachsenen selber hergestellt worden sind. Es handelt sich<br />

um fantasievolle, individuell gestaltete Unikate, um Bücher mit<br />

erfundenen oder wahren Geschichten, mit Rezepten oder Weisheiten;<br />

um Tage- oder Reisebücher; mit vielen oder wenig Seiten.<br />

Entstanden sind die Bücher unter fachlicher Anleitung von Künstlern/innen<br />

in <strong>Schule</strong>n, Horten, vorschulischen Einrichtungen, in<br />

Seniorenzentren und auf Stadtteilfesten.<br />

„Die ‚Bücherbiene‘ ist ein Projekt, in dem Jugendlichen ein Raum<br />

für das Abenteuer Bildende Kunst geöffnet wird. Während der<br />

Buchwerkstätten habe ich oft eine beeindruckende Veränderung<br />

bei den Schülern erlebt. Nach anfänglicher Lust- und Konzentrationslosigkeit<br />

entwickelten die Schüler ein hohes Maß an Motivation.<br />

[...] Ein schönes Erlebnis war es auch, immer wieder aufs Neue<br />

zu beobachten, wie durch die gemeinsame Arbeit die Persönlichkeit<br />

der Schüler gestärkt wurde, gegenseitige Anerkennung auch<br />

durch die gemeinsame Erfahrung einer sich verändernden Wahrnehmung<br />

wachsen konnte und hierdurch integrative Prozesse<br />

gefördert wurden.“ (Anne Brömme, Projektleiterin verschiedener<br />

Buchwerkstätten)<br />

Die „Bücherbiene“ ist eine rollende Bücherei zum Mitmachen<br />

und zugleich eine Ausstellung auf drei Rädern. Zu bestimmten<br />

Anlässen hält sie direkt vor der <strong>Schule</strong>, der Stadtteilbibliothek,<br />

auf Stadtteilfesten, und dient als „Wahrzeichen für die Liebe zum<br />

Buch“, so die Schirmherrin des Projektes, Edelgard Bulmahn,<br />

ehemalige Bundesministerin für Bildung und Forschung. Das<br />

aufwändig gestaltete, bienenhafte Gefährt <strong>macht</strong> als liebens-<br />

wertes Symbol auf das Projekt aufmerksam und wirbt für die in ihr<br />

gesammelte Kreativität der Menschen, die die Bücher hergestellt<br />

haben.<br />

Die „Bücherbiene“ beherbergt die künstlerisch gestalteten<br />

Buchobjekte. Sie enthält hölzerne Waben, in denen die Bücher<br />

aufbewahrt werden. Stellt man die Waben als Tische um das Gefährt<br />

herum auf, können die Bücher ausgestellt und betrachtet<br />

werden. Außerdem enthält die „Bücherbiene“ eine Fotoausstellung<br />

darüber, wie die Bücher entstanden sind und wer sie<br />

ge<strong>macht</strong> hat.<br />

Bücher schlagen Brücken zwischen den Menschen und den <strong>Kultur</strong>en.<br />

Bücher sind und ermöglichen Kommunikation. Die „Bücherbiene“<br />

<strong>macht</strong> diesen Aspekt deutlich, und sie kann die Einübung<br />

für die Freude am Buch vermitteln – und dies losgelöst von<br />

Kontexten reiner Wissens- und Informationsvermittlung. Weil die<br />

„Bücherbiene“ partiell auch gezielt mit den Schülern/innen die<br />

Stadtteilbibliothek besucht, wirbt sie direkt wie indirekt für die<br />

Nutzung dieser Institution.<br />

Während der ersten Projektphase wurden gezielt <strong>Schule</strong>n vom<br />

workshop angeschrieben und auf das Projekt und die Angebote<br />

hingewiesen. Die Kooperationen entwickelten sich im<br />

Allgemeinen durch die Kontaktaufnahme seitens interessierter<br />

Lehrer/innen, oftmals anlässlich der im Stadtteil durchgeführten<br />

„Bücherbienen“-Aktionen.<br />

die arbeit der fleißigen Bienen<br />

„Es war für meine Schüler eine sehr intensive Woche, die Kinder<br />

waren engagiert bei der Sache, haben mit viel Eifer an ihrem<br />

Buch für die Bücherbiene gearbeitet und dabei viel Fantasie und<br />

Kreativität im Umgang mit den vielen unterschiedlichen Materialien,<br />

die angeboten wurden, entwickelt. U. a. dadurch bleibt die<br />

Erinnerung lebendig und die Kinder denken noch gerne an die<br />

Woche zurück.“ (Barbara Hirsch, Lehrerin an der Ihmeschule,<br />

Projekt „Träume“, 4. Klasse)<br />

Das Ziel des Projektes „Bücherbiene“ ist es, möglichst vielen<br />

Menschen Zugang zu Büchern und Zugang zum eigenen Ausdruck<br />

zu ermöglichen. Es ermöglicht den Beteiligten, sich unter<br />

der Anleitung von Künstlern/innen mit Bildern, Worten und<br />

Materialien auseinanderzusetzen und kunst-/handwerkliche<br />

Techniken der Buchherstellung kennenzulernen. Inhaltlich<br />

können alle möglichen Themen bearbeitet werden – wichtig<br />

ist, dass die Teilnehmenden ihre eigene Identität und Lebenswelt<br />

reflektieren können, auf eine spielerische, sinnliche und<br />

kreative Weise. Sie können in den Büchern einen eigenen Ausdruck<br />

finden. Zudem erleben sie den selbstverständlichen Umgang<br />

mit dem Medium Buch und (möglicherweise) die Freude<br />

am Lesen und an der Literatur.<br />

© Sven Reimann


die „Bücherbiene“ in der <strong>Schule</strong><br />

Die Buchobjekte entstehen in den <strong>Schule</strong>n im Rahmen von<br />

Projektwochen oder in mehrwöchigen AGs. Zumeist sind die<br />

Themen eingebunden in aktuelle Unterrichtsschwerpunkte.<br />

Durchgeführt wurden u. a. Werkstätten zu den Themen „Unterwasserwelten“,<br />

„Ich bin ich – jeder ist anders“, „Selbstportraits“,<br />

„Leporello“, „Scherenschnitt“, „Visionen“, „Piraten“ etc. Da die<br />

Projektarbeit keineswegs auf die Vermittlung von Wissensinhalten<br />

zielt, sondern auf die Förderung der kreativ-ästhetischen und<br />

individuellen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, werden<br />

die spezifischen Bedürfnisse und Interessen der Schüler/innen<br />

in besonderem Maße berücksichtigt. Dies schließt das soziale<br />

Umfeld der Schüler/innen selbstverständlich mit ein.<br />

„Kinder und Jugendliche haben durch die ‚Bücherbiene‘ die Möglichkeit<br />

der Begegnung mit Bildenden Künstlern und Schriftstellern,<br />

die die Wahrnehmung differenzieren und junge Menschen<br />

zu einem eigenen Ausdruck, einer eigenen Gestaltung ermutigen!<br />

Es ist für die Kinder immer wieder eine Freude, dass sie durch<br />

ihre Bücher Spuren hinterlassen. Selbst Kinder, die im Unterricht<br />

eher abwesend scheinen, fühlen sich durch die Bücherbiene<br />

5.7 theater In dIe <strong>Schule</strong><br />

auF dem weG zur <strong>Kultur</strong><strong>Schule</strong><br />

lisa degenhardt<br />

Theaterpädagogin, Staatstheater Braunschweig<br />

Als Theaterpädagogin an einem Theaterhaus bietet sich für<br />

gewöhnlich selten die Möglichkeit, längerfristig und intensiv<br />

mit denselben Schülern/innen, Eltern und Lehrkräften zusammenzuarbeiten.<br />

Zwar kommen viele <strong>Schule</strong>n regelmäßig<br />

ins Theater, nehmen an Vor- und Nachbereitungen zu Inszenierungen<br />

teil und besuchen Proben u. v. m. Hin und wieder<br />

ergeben sich sogar kleine Projekte, die gemeinsam von Theater<br />

und <strong>Schule</strong> realisiert werden und zum Teil auch über einen<br />

längeren Zeitraum stattfinden. Obwohl jeder Austausch auf<br />

seine Art nachhaltig ist, fehlt oft eine tatsächliche Kooperation,<br />

in der auf Augenhöhe miteinander gearbeitet, gemeinsam<br />

langfristige Ziele formuliert werden und jeder aktiv in der je<br />

anderen Institution teilhaben kann.<br />

Anders ergeht es mir als Theaterpädagogin in dem Projekt<br />

„Theater in die <strong>Schule</strong>“, das am Staatstheater Braunschweig<br />

bereits im vierten Jahr läuft und von der Braunschweiger Bürgerstiftung<br />

initiiert und mitfinanziert wird. Hier treffen sich<br />

Schüler/innen, Künstler/innen und Pädagogen/innen, um<br />

gleichberechtigt schöpferisch und künstlerisch zu arbeiten<br />

und gemeinsam den Weg zur <strong>Kultur</strong>schule zu gehen. Dies nicht<br />

nur punktuell, sondern im besten Fall über das ganze Schulleben<br />

hinweg. „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ und andersherum „<strong>macht</strong><br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _73<br />

angesprochen und motiviert, sodass sie durch das experimentelle<br />

Arbeiten einen neuen Zugang zum gestalterischen Lernen<br />

finden.“ (Bozena Kopij-Machnik, Projektleiterin verschiedener<br />

Buchwerkstätten)<br />

Förderung<br />

Die Angebote (Buchwerkstätten, Aktionen etc.), die der workshop<br />

im Rahmen des Projektes „Bücherbiene“ durchführt, sind für die<br />

Teilnehmer/innen unentgeltlich. Ermöglicht wird dies durch eine<br />

umfangreiche Gesamtfinanzierung des Projektes. Die Landeshauptstadt<br />

Hannover (Fachbereich Bildung und Qualifizierung)<br />

ist Mitinitiator und Kooperationspartner der „Bücherbiene“. Neben<br />

der Landeshauptstadt Hannover konnte der workshop per<br />

Antragstellung und intensiver vorbereitender Planung für die<br />

Gesamtförderung der „Bücherbiene“ für die Dauer von 2 Jahren<br />

das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> Niedersachsen,<br />

die Stiftung Niedersachsen, den Fonds Soziokultur, die Linden-<br />

Limmer-Stiftung sowie ver.di gewinnen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.workshop-ev.de<br />

<strong>Schule</strong> hier auch <strong>Kultur</strong>“. Denn beide Institutionen, <strong>Schule</strong> und<br />

Theater, müssen sich dem Auftrag verpflichtet sehen, <strong>Kultur</strong>elle<br />

Bildung langfristig und nachhaltig zu fördern und dies als<br />

Kooperationspartner gemeinsam vorantreiben – diese Überzeugung<br />

ist der Motor von „Theater in die <strong>Schule</strong>“.<br />

Zu „Theater in die <strong>Schule</strong>“ gehören das Staatstheater Braunschweig<br />

mit seinen fast 490 Mitarbeitern/innen, die Realschule<br />

Sidonienstraße mit ca. 400 Schülern/innen und 23 Lehrkräften,<br />

die IGS Volkmarode mit momentan 450 Schülern/innen<br />

und 31 Lehrkräften sowie die Bürgerstiftung Braunschweig,<br />

die sich nicht nur finanziell an dem Projekt beteiligt, sondern<br />

auch stetiger konzeptioneller Austausch- und Reflexionspartner<br />

ist (s. Abb. 1).<br />

Die Koordination der drei Institutionen, samt ihrer unterschiedlichen<br />

Strukturen und Bedürfnisse, mit dem Ziel der best-<br />

möglichen Vernetzung, stellt eine der größten Herausforderungen<br />

des Projektes dar. Gerade aber in der gleichberechtigten<br />

Zusammenarbeit liegt das Bildungspotenzial von „Theater<br />

in die <strong>Schule</strong>“: In dem Aufeinandertreffen der Institutionen<br />

und in der Auseinandersetzung mit den je anderen Aufgaben,<br />

Herausforderungen und Denkansätzen lernen nicht nur die<br />

Schüler/innen, sondern auch die Lehrkräfte und Theatermitarbeiter/innen<br />

von- und miteinander und entdecken die Lust,<br />

gewohnte und alltägliche Denkmuster zu verlassen, um den


74_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

KooPeratIon<br />

<strong>Schule</strong>n<br />

Partner<br />

abb. 1: Kooperationsstruktur von „Theater in die <strong>Schule</strong>“<br />

IGS Volksmarode<br />

RS Sidonienstraße<br />

Staatstheater Braunschweig<br />

Bürgerstiftung Braunschweig<br />

gemeinsamen künstlerisch-kreativen Prozess als Möglichkeit<br />

des Suchens, Wagens, Verwerfens, Reflektierens und Findens<br />

zu erfahren.<br />

Wie funktioniert also ein so groß angelegtes Projekt wie<br />

„Theater in die <strong>Schule</strong>“ mit so unterschiedlich arbeitenden<br />

Projektpartnern? Auf welche Bausteine stützt sich das Projekt<br />

und wie kann das schwer greifbare Ziel, <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />

nachhaltig und langfristig zu fördern, eingelöst werden?<br />

Im Theater werden Unterrichtsinhalte miteinander verknüpft<br />

und so differenziert interdisziplinäres und kooperatives<br />

Lernen ermöglicht. Durch die Anbindung an Projekte eröffnen<br />

sich fächer- und jahrgangsübergreifende Angebote, die<br />

nicht nur den Schülern/innen zugutekommen. Der Austausch<br />

unter den Lehrenden wird intensiviert und das Konzept „eine<br />

Lehrkraft, ein Fach, eine Klasse, eine Unterrichtstunde“ aufgelöst.<br />

Der gemeinsame Bezugsrahmen „Theater“ ermöglicht die<br />

Umsetzung eines Um- und Neudenkens von Schulabläufen und<br />

Lehr- und Lernmethoden. Den Schülern/innen wird eine Perspektivenvielfalt<br />

auf alltagswirkliche Phänomene eröffnet, die<br />

ein „normaler“ Unterricht so nicht leisten kann.<br />

Theatersehen, Theatermachen, das Reflektieren der dort ge<strong>macht</strong>en<br />

Erfahrungen, die beiden Lernorte Theater und <strong>Schule</strong><br />

müssen, um sich die Möglichkeiten, die Theater bietet, nachhaltig<br />

erschließen zu können, gut aufeinander abgestimmt<br />

und vernetzt werden. Folgende Aspekte dienen dafür als Bausteine:<br />

Alle Schüler/innen eines Jahrgangs können in jedem Schuljahr<br />

jeweils eine Kunstsparte am Staatstheater Braunschweig<br />

(Tanz, Musiktheater, Schauspiel) intensiv kennenlernen. Dafür<br />

wird je Jahrgang eine Inszenierung gewählt, deren Inhalte<br />

Ausgangspunkt für das jeweilige Projektjahr sind. Begleitend<br />

zu den Inszenierungen nehmen die Schüler/innen und Lehrenden<br />

an theaterpädagogischen Angeboten teil. Sie besuchen<br />

die Werkstätten des Theaters, diskutieren mit Regisseuren/<br />

innen, Dramaturgen/innen und Darstellern/innen und wohnen<br />

den Proben bei. Darüber hinaus erproben sie praktisch Thematiken<br />

und Aspekte der Inszenierungen in theaterpädagogischen<br />

Workshops und lernen von einzelnen „Experten/innen“<br />

aus unterschiedlichen Abteilungen (Maske, Requisite, Licht<br />

Schüler/innen<br />

Lehrer/innen<br />

Eltern<br />

Schulleitung/Kollegium<br />

Teilnehmer/innen bei „Kinder zum Olymp!“<br />

Theaterpädagogen/innen<br />

HBK-Braunschweig/TU Braunschweig<br />

Künstler/innen, Experten/innen<br />

Netzwerke: Stadt/Gemeinde/Landkreis<br />

Braunschweiger Zeitung<br />

Magret nd Rolf Rettich-Stiftung*<br />

Sparda-Bank Hannover-Stiftung*<br />

Volksbank Brawo Stiftung*<br />

* weitere Förderer<br />

etc.). In „Expeditionen“ erforschen sie einen spezifischen Aspekt<br />

einer Inszenierung und setzen diesen künstlerisch um.<br />

Für das Projekt werden Vorlesungen an der Kinder-Universität<br />

organisiert, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem<br />

jeweiligen Thema ermöglichen. Dafür werden gemeinsam mit<br />

verschiedenen Fakultäten der Technischen Universität und der<br />

Hochschule Bildender Künste Braunschweig entsprechende<br />

Angebote konzipiert.<br />

In den <strong>Schule</strong>n finden anknüpfend an die jeweilige Inszenierung<br />

eigene künstlerische Projekte statt, die während der Projekttage<br />

und -wochen intensiviert werden. Hier erforschen die<br />

Schüler/innen unter Anleitung der Lehrkräfte in Expertengruppen<br />

ein Gebiet rund um die Inszenierung. Unterstützt werden<br />

sie gemeinsam von Mitarbeitern/innen des Theaters, die als<br />

jeweilige Experten/innen zusammen mit den Projektgruppen<br />

forschen und gestalten. Mit dem Arbeiten an unterschiedlichen<br />

Schwerpunkten und einem anschließenden Austausch<br />

bereichern sich die Schüler/innen gegenseitig. Die Präsenta-<br />

tion der Ergebnisse rundet die Projektphase ab, denn in der Aufführungssituation<br />

bündeln sich die im künstlerisch-pädago-<br />

gischen Prozess ge<strong>macht</strong>en Erfahrungen. Hier entsteht die<br />

Chance zu erfahren, dass die sichtbar ge<strong>macht</strong>en Prozesse in<br />

der Kommunikation mit dem Publikum „etwas bedeuten“. Dabei<br />

heißt „Aufführung“ nicht zwingend, dass ein „einstudiertes<br />

Stück“ präsentiert wird. Im Gegenteil geht es immer auch darum,<br />

verschiedene Theaterformate und Präsentationsformen<br />

kennenzulernen und entstehen zu lassen.<br />

Damit der Austausch zwischen Theater und <strong>Schule</strong> komplett<br />

wird, zeigen die Schüler/innen, Lehrkräfte und Theatermitarbeiter/innen<br />

ihre Projektergebnisse auch im Theater,<br />

z. B. in Form von Ausstellungen, die begleitend zu den jeweiligen<br />

Aufführungsterminen zu sehen sind.<br />

Im Fachunterricht werden verschiedene Aspekte aus den Inszenierungen<br />

herausgegriffen und in die curricularen Vorgaben<br />

eingebettet. Der Fachunterricht wird durch das Theater<br />

als außerschulischer Lernort ergänzt, Lehr- und Lernmethoden<br />

werden daraufhin abgestimmt. So ermöglichen wir ein<br />

praxisorientiertes und wirklichkeitsnahes Lernen, nicht von<br />

„außen aufgesetzt“ sondern als integrativer Bestandteil des<br />

Schulalltags.


© Schäflein & Himmelreich<br />

Es werden Wege bereitet, das Profil Theater langfristig in den<br />

Schulalltag zu integrieren, indem z. B. Wahlpflichtkurse wie<br />

Darstellendes Spiel eingeführt werden. In Bewerbungsgesprächen<br />

mit Lehrern/innen wird die Möglichkeit der aktiven Mitarbeit<br />

an dem Projekt abgefragt.<br />

Auch das Theater profitiert von dem Austausch: durch den<br />

engen Kontakt mit den Schülern/innen, wird der Blick für neue<br />

Perspektiven geöffnet. Es bietet sich die Möglichkeit, die Alltagsrealität<br />

von Schülern/innen und Lehrern/innen kennenzulernen<br />

und zu verstehen und hilft dadurch, seinem Publikum<br />

näher zu kommen. Die Begegnung der Lebenswirklichkeit<br />

von Schülern/innen auf der einen und von Theateralltag auf<br />

der anderen Seite, dient dabei nicht zuletzt als künstlerisch-<br />

kreative Reibungsfläche. Das Projekt erreicht alle Kinder und<br />

Jugendlichen, auch diejenigen, die vorher noch keine Begegnung<br />

mit Theater hatten. Gerade dieser Kontakt ist für das<br />

Theater wichtig, denn nur so bleibt es lebendig und kann als<br />

Kunst- und <strong>Kultur</strong>form überleben.<br />

zusammengefasst bedeutet das für ein Projekt<br />

wie „theater in die <strong>Schule</strong>“:<br />

Alle am Projekt beteiligten Institutionen müssen am gleichen<br />

Strang ziehen, sich den gleichen Zielen verpflichtet sehen, das<br />

Potenzial für die je eigene Arbeit erkennen und bereit sein, dafür<br />

auch über die gewohnten Arbeitsprozesse hinaus Kraft und<br />

Ideen zu investieren. Um dies über einen langen Zeitraum zu<br />

gewährleisten, müssen die genannten Aspekte immer wieder<br />

abgeglichen, überprüft und reflektiert werden. Dazu gehört<br />

auch, grundsätzlich zu fragen, ob sich das Vorhaben auf dem<br />

richtigen Weg befindet. Eine Evaluation kann hier unterstützend<br />

sein (s. Artikel „<strong>Kultur</strong>- und Theaterarbeit in der Evaluation“<br />

in diesem Band, S. 33).<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.staatstheater-braunschweig.de<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _75<br />

5.8 dIe oFFene drucKwerKStatt und dIe KunStStatIon<br />

zweI auSSerSchulISche und dezentrale lernorte<br />

manfred Blieffert<br />

Bildender Künstler, Dozent und stellvertretender Leiter der<br />

Musik- und Kunstschule der Stadt Osnabrück<br />

„Herr Blieffert, heute müssen wir ganz langsam zurück in die<br />

<strong>Schule</strong> gehen“, sagt der neunjährige Hussein. „Wieso denn<br />

das?“ – „Hier guck mal.“ Hochmotiviert ist Hussein durch die<br />

große Werkstatt der Kunstschule gestreift und hat alles Interessante<br />

aufgenommen. Er zeigt auf einen Zettel am Materialraum<br />

für die Druckutensilien: „‘Es ist besser, kleine Schritte<br />

zu tun, als große Gedanken nur im Kopf zu bewegen‘, sagte der<br />

französische Reformpädagoge Celestine Freinet, der schon in<br />

der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts das Drucken in der<br />

<strong>Schule</strong> fördern wollte.“ Bei dem Wort „Reformpädagoge“ und<br />

dem Namen hat Hussein zwar ein wenig Schwierigkeiten mit<br />

der Aussprache, aber er hat den Satz herausbekommen. Gemeint<br />

hat Freinet es zwar etwas anders, aber ein gemächlicher<br />

Rückweg zur <strong>Schule</strong> ist vielleicht schon ein Anfang.<br />

Für ein Vierteljahr kommt die Klasse einmal wöchentlich in die<br />

„Offene Druckwerkstatt“ der Musik&Kunstschule der Stadt<br />

Osnabrück. Pro Jahr kommen acht Klassen aus dem gesamten<br />

Stadtgebiet in den Genuss, das Drucken wie zu Johannes<br />

Gutenbergs Zeiten kennenzulernen. Es entstehen von Schülern/innen<br />

selbst geschriebene, selbst gesetzte, gedruckte<br />

und selbst illustrierte Bücher in kleinen Auflagen, sodass alle<br />

Beteiligten nach dem Projekt ein gleiches, eigenes Exemplar in<br />

der Hand halten. Ein paar weitere Exemplare werden für Wettbewerbe,<br />

zum Verschenken oder für Ausstellungen hergestellt.<br />

Regelmäßig werden die Bücher natürlich in den <strong>Schule</strong>n, in der


76_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

Galerie der Musik&Kunstschule oder in den Partnerstädten<br />

Osnabrücks präsentiert. Die Wettbewerbsbilanz der „Offenen<br />

Druckwerkstatt“ kann sich sehen lassen: Je zweimal wurde der<br />

Preis „Kinder zum Olymp“ und der „1. Preis des Zeitbildverlages“<br />

gewonnen, und mehrere 2. Plätze im Wettbewerb „Das lesende<br />

Klassenzimmer“ des Börsenvereins des deutschen Buchhandels<br />

und des Georg Tappert Preises des Bildungs- und Förderwerkes<br />

der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V.<br />

Was <strong>macht</strong> den Erfolg dieses Projektes aus? Was ist das Besondere,<br />

das diese Bildungspartnerschaft zwischen <strong>Schule</strong><br />

und Kunstschule gelingen lässt?<br />

Die Kunstschule bietet als dezentraler Lernstandort einen tatsächlichen<br />

sinnlichen Erfahrungsraum, wie ihn eine allgemeinbildende<br />

<strong>Schule</strong> nicht bieten kann. Druckerpressen, Setzmaterial,<br />

Farbe, Walzen, das gesamte Equipment, um Druckstöcke für die<br />

Illustrationen herzustellen – alles ist in der Werkstatt komplett<br />

vorhanden und kann mit minimaler Vorbereitung sofort benutzt<br />

werden. Selbst große Klassen mit fast 30 Kindern finden hier<br />

genug Gelegenheit, aktiv zu gestalten und ins (Lern-)Geschehen<br />

einzusteigen. Es werden Texte geschrieben, gesetzt, in kleiner<br />

Auflage gedruckt, während andere Schüler/innen die bereits gedruckten<br />

Texte in die Setzkästen zurückordnen. Zugleich werden<br />

Druckvorlagen für die Illustrationen entworfen, aus Moosgummi<br />

hergestellt oder in Linoleum geschnitten. Auch die Illustrationen<br />

werden natürlich in der entsprechenden Auflage gedruckt.<br />

Für diese Tätigkeiten steht das Personal der Kunstschule beratend<br />

und anleitend zur Verfügung. Das Einzige, was die Klassen<br />

mitbringen müssen, ist das Thema des jeweiligen Buches.<br />

Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt und zumeist<br />

kommt es zu Überschneidungen mit anderen Schulfächern<br />

wie Deutsch, Sachunterricht, Religion, Musik usw. Anteile der<br />

Kunst sind ja in jedem Projekt automatisch vorhanden und<br />

historische Aspekte durch den traditionellen Buchdruck ebenfalls.<br />

Es handelt sich hier also um ein fächerübergreifendes,<br />

ganzheitliches, soziales und sinnliches Lernen, das durch<br />

die Kooperation von <strong>Schule</strong> und Kunstschule als außerschulischem<br />

Bildungspartner möglich wird.<br />

Soziales Lernen entsteht durch die Natur des Projektes: Alle<br />

Kinder haben die Möglichkeit, sich mit ihren besonderen Stärken<br />

und Schwächen in das Projekt einzubringen und Mitschülern/innen,<br />

die über andere Stärken und Schwächen verfügen,<br />

kennen und in der Arbeit schätzen zu lernen. Die eine mag<br />

fantasievoller sein, der andere ausdauernder, wenn es darum<br />

geht, einen langen Text zu setzen oder sich am Auflagendruck<br />

zu beteiligen. Die Schüler/innen disziplinieren sich durch die<br />

gemeinsame Arbeit am Klassenprojekt selbst.<br />

An dieser Stelle wird auch deutlich, dass durch das Co- oder Teamteaching<br />

zusammen mit den Lehrern/innen ihre traditionelle Rolle<br />

eine andere wird. Die Schüler/innen lernen ihre Lehrer/innen<br />

anders kennen und auch die Lehrer/innen befreien sich aus den<br />

ihnen angestammten Stereotypen. Sie können ihre Klasse endlich<br />

einmal mit einem anderen Blick beobachten. Dabei erkennen<br />

sie oftmals an ihren Schülern/innen Seiten, die ihnen bisher verborgen<br />

geblieben sind.<br />

Was bietet die Druckwerkstatt im Hinblick auf das Stichwort<br />

„sinnliches Lernen“? Die Kinder erobern sich das <strong>Kultur</strong>gut<br />

Buch durch das Selbermachen. Der gesamte Entstehungsprozess<br />

wird im wahrsten Sinne des Wortes „begriffen“: Die Kinder<br />

lernen mit der Hand, sie haben das Wort – inhaltlich und genauso<br />

gegenständlich, haptisch.<br />

Es bleibt die Frage nach dem historischen Nutzen angesichts<br />

von Haushalten, in denen PC und Drucker so selbstverständlich<br />

sind wie Radio und Fernseher. Die Kinder beherrschen am<br />

Ende des Projektes jeden einzelnen Arbeitsschritt. Die Projekte<br />

sind umweg- und fehlerfreundlich. Jeder Fehler kann<br />

repariert werden oder zumindest, wenn schon alles gedruckt<br />

und fertig ist, erklärt werden. Jedes einzelne Detail, jeder einzelne<br />

Schritt ist beherrschbar und nachvollziehbar. Die Kinder<br />

haben das komplette Know-how. Es ist „ihr“ Projekt. Hier liegt<br />

der Unterschied zur Hightech-Technologie und das Erstaunliche<br />

ist, dass die Kinder die Begrenztheit der technischen<br />

Möglichkeiten nach den ersten eigenen Erfahrungen sofort<br />

akzeptieren.<br />

Nicht zuletzt lernen die Kinder auch, sich durchzubeißen.<br />

Sie lernen – und zwar als Gruppe – dass es sich lohnt, Arbeit zu<br />

investieren, und dass dann auch ein gutes Ergebnis dabei herauskommt.<br />

All dies bietet die Musik&Kunstschule seit über<br />

15 Jahren in ihrer Werkstatt für <strong>Schule</strong>n aus dem gesamten<br />

Stadtgebiet an. Im Jahr 2012 feiert die „Offene Druckwerkstatt“<br />

das 100ste Buch.<br />

was sind die Voraussetzungen für das Gelingen<br />

dieser Kooperation?<br />

Neben dem Fachpersonal der Druckwerkstatt ist die optimal<br />

ausgestattete Werkstatt zu benennen. Die Werkstatt bietet<br />

eine offene, angenehme, motivierende Arbeitsatmosphäre.<br />

© Manfred Blieffert


© Manfred Blieffert<br />

Das Angebot an Materialien, Werkzeug und handbetriebenen<br />

Druckerpressen <strong>macht</strong> Lust darauf, die Arbeit selbst in die Hand<br />

zu nehmen und sofort in den Schaffensprozess einzusteigen.<br />

Neben der Ausstattung ist die Raumgröße ein zweiter, elementar<br />

wichtiger Faktor. Im Arbeitsprozess entwickeln die Kinder<br />

eine solch überbordende Energie, die auch ausgelebt werden<br />

muss. Nicht nur für die geistige, körperliche und kreative Aktivität<br />

brauchen die Kinder Raum, auch um stillere Arbeiten, die<br />

Konzentration verlangen, auszuführen, z. B. das Setzen der<br />

Texte oder Redaktionsbesprechungen im kleinen Team.<br />

All dies <strong>macht</strong> deutlich, was der außerschulische Bildungspartner<br />

Kunstschule hier leistet, beziehungsweise, was eine<br />

allgemeinbildende <strong>Schule</strong> allein gar nicht bewältigen kann. Kinder<br />

und Lehrende lernen hier eine andere Art der Aneignung<br />

kennen. Ein Lernen, das sich an künstlerischen Strategien orientiert:<br />

Ergebnisoffen, prozesshaft, umwegfreundlich, mäandernd,<br />

ohne Zeitdruck, prozesshaft, nicht zielorientiert.<br />

Was bietet die Druckwerkstatt außerdem? Hier wird themenzentriert<br />

gearbeitet, in einem offenen Zeitrahmen. Es wird immer<br />

an verschiedenen Seiten zugleich gearbeitet. Braucht ein/e<br />

Schüler/in für eine Textseite länger, wird eben zuerst eine andere<br />

Seite gedruckt. Es ist kein Sandkastenspiel, keine Übung im<br />

Schreibheft, die vielleicht ansonsten nur der/die Lehrer/in und<br />

die Mutter oder der Vater zu sehen bekommen. Nein, durch den<br />

Auflagendruck erreicht die Arbeit ein größere Öffentlichkeit, einen<br />

höheren Verbreitungsgrad. Wenn das kein Grund und keine<br />

Motivation ist, sich Mühe zu geben und sich mit dem gemeinsamen<br />

Vorhaben zu identifizieren?!<br />

1 s. www.mixed-up-wettbewerb.de<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _77<br />

Die Musik&Kunstschule war seit ihrer Gründung vor über 25 Jahren<br />

in der glücklichen Lage, einen klar umrissenen kulturpolitischen<br />

Auftrag zu haben! Die beiden „<strong>Kultur</strong>entwicklungspläne<br />

I und II“ der Stadt Osnabrück schrieben der Musik&Kunstschule<br />

die breitgefächerte Arbeit an den Osnabrücker <strong>Schule</strong>n ins<br />

Stammbuch. Zugleich wurde die Musik&Kunstschule derart mit<br />

Planstellen und Finanzmitteln ausgestattet, dass dieser Unterricht<br />

an <strong>Schule</strong>n – immer im Co-Teaching mit einer schulischen<br />

Lehrkraft – für die Schüler/innen kostenfrei sein sollte. Aus heutiger<br />

Sicht eine beneidenswerte, kaum noch vorstellbare Situation.<br />

Hierdurch war die Musik&Kunstschule in der Lage, selbst<br />

ein vielfältiges Angebot für die verschiedenen Schultypen zu<br />

entwickeln, von denen die „Offene Druckwerkstatt“ nur ein Beispiel<br />

ist. Mit schuljahresbegleitenden Theaterprojekten, musikalischer<br />

Früherziehung, Wandmalereien, Musicals, Orchester-,<br />

Streicher-, Bläser-, Percussion-, Gitarren- oder Chorklassen ist<br />

die Musik&Kunstschule mittlerweile Kooperationspartner von<br />

über 90 % aller Osnabrücker <strong>Schule</strong>n und erhielt hierfür im Jahr<br />

2007 den MIXED UP-Preis 1 der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />

Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ). Der Juryspruch lobte<br />

hierbei ausdrücklich das mustergültig selbst geschaffene<br />

lokale Bildungsnetzwerk.<br />

Vor dem Hintergrund von Finanzkrise und der allgemeinen<br />

Haushaltssituation der Kommunen ließ sich die Kostenfreiheit<br />

für die Kooperationsschulen nicht aufrechterhalten. Für die<br />

„Offene Druckwerkstatt“ berechnet die Musik&Kunstschule<br />

den <strong>Schule</strong>n heute pro Schüler/in pro Termin einen Euro plus<br />

Materialpauschale für das gesamte Projekt. Als Angebot für<br />

den offenen Ganztag ist die Druckwerkstatt in der hier dargestellten<br />

Form nicht tauglich. Es fehlen der Klassenzusammen-


78_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

hang und die gemeinsame Orientierung an einem gemeinsamen<br />

Thema. Oftmals sind die Themen eben auch zur Vertiefung<br />

an bisherigen Unterrichtsgegenständen orientiert und all dies<br />

ist im lockeren Verbund des offenen Angebots nach dem Mittag<br />

nicht zu gewährleiten.<br />

Kunststation – das offene Schulatelier<br />

Neben der „Offenen Druckwerkstatt“ bietet die Kunstschule &<br />

Musikschule Osnabrück außerdem das „Offene Schulatelier“<br />

für <strong>Schule</strong>n an. Mit dem Konzept „Kunststation“ entwickelte<br />

die Kunstschule&Musikschule ein Modell, das die Erkenntnisse<br />

der „Offenen Druckwerkstatt“ für die dezentrale Arbeit an<br />

<strong>Schule</strong>n nutzt. Derzeit hat die Kunstschule in den <strong>Schule</strong>n mit<br />

dem höchsten Anteil an Migranten/innen in Stadtteilen mit erhöhtem<br />

Förderbedarf die „Kunststation“ fest etabliert.<br />

Ziel dieses Projektentwurfes ist es, flächendeckend in <strong>Schule</strong>n<br />

„Offene Ateliers“ für die eigene Beschäftigung mit Kunst einzurichten.<br />

Dieses können bisherige Kunsträume sein, aber auch<br />

Räume, die durch sinkende Schülerzahlen frei werden. Mit der<br />

Einrichtung des Klassenmusizierens, das mittlerweile in ganz<br />

Deutschland Fuß gefasst hat, hat der Verband deutscher Musik-<br />

schulen e. V. (VdM) ein äußerst erfolgreiches Unterrichtsmodell<br />

entwickelt. Für die Bildende Kunst gibt es ein solches<br />

Modell bisher nicht.<br />

Das hier vorgeschlagene Modell des „Offenen Schulateliers“<br />

bietet einen Ort des Öffnens, aber auch des Rückzugs und der<br />

Vertiefung. Hier finden künstlerische Bildungsprozesse statt,<br />

es ist ein Ort des Lernens mit allen Sinnen, ein Ort, an dem die<br />

Qualitäten der Kunst zum Tragen kommen können. Das „Offene<br />

Schulatelier“ ist kein Raum der Kunsterziehung und unterliegt<br />

nicht den schulischen Rahmenrichtlinien des Faches Kunst. Es<br />

ist ein Ort der künstlerischen Unabhängigkeit und Freiheit, ein<br />

Ort der Schüler/innen.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.osnabrueck.de/musikschule<br />

© sxu.hu


© Klaus Gottschick<br />

5.9 PacK deInen KoFFer In den KäFer<br />

eIne reISe In dIe autoStadt wolFSBurG<br />

Brenda Frey<br />

Projektleiterin Erwachsenenbildung und Inszenierte Bildung,<br />

Autostadt Wolfsburg<br />

Das Projekt untersuchte als intergeneratives Bildungsangebot<br />

zwischen allgemeinbildender <strong>Schule</strong> und außerschulischem<br />

Lernort die Veränderung der Mobilität und der automobilen<br />

Technik in ihrer Verbindung mit der deutschen Nachkriegsgeschichte,<br />

der Geschichte der Stadt Wolfsburg und der Lebensgeschichte<br />

ihrer Bewohner/innen. Als zeitlicher Rahmen dienten<br />

die Jahre zwischen 1949 und 1974 – eine Zeit, in der sich<br />

Wirtschaftswunder und Käfer-Produktion gegenseitig bedingten<br />

und befruchteten. 1974 wurde die Produktion vom Käfer<br />

auf den Golf umgestellt; eine neue Ära begann.<br />

Das Projekt erfüllte den Anspruch an eine nachhaltige Bildung,<br />

indem die Forschungsergebnisse in Form von Reportagen<br />

und schriftlichen Dokumentationen sowie eines abschließ-<br />

enden dokumentarisch-biografischen Theaterstücks umgesetzt<br />

wurden. Die Erarbeitung realisierte zudem den Anspruch an<br />

eine freizeitkulturelle Bildungsarbeit im Kontext Lebens-<br />

langen Lernens.<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _79<br />

wie alles begann<br />

Im ersten Teil des Projekts untersuchten Schüler/innen gemeinsam<br />

mit Teilnehmern/innen der „Generation 55plus“ (ein<br />

besonderes Lernangebot für Menschen außerhalb von <strong>Schule</strong><br />

und Beruf) bedeutende Meilensteine in der Stadt- und Werksgeschichte<br />

Wolfsburgs, am Beispiel der Entwicklung des VW-<br />

Käfers von der Nachkriegszeit bis 1974. Die Teilnehmer/innen<br />

der „Generation 55plus“ agierten hierbei als Zeitzeugen und ergänzten<br />

die historischen Nachforschungen mit authentischen<br />

Erfahrungen und Berichten. Diese wurden mit den parallelen<br />

Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in<br />

Verbindung gesetzt. So fand eine Verknüpfung von Stadt- und<br />

Werksgeschichte mit der Geschichte der BRD statt, die sich<br />

nachweislich beeinflussten, denn Wolfsburg galt als Musterstadt<br />

für bundesrepublikanische Trends.<br />

Das Fach Darstellendes Spiel bot die methodische Grundlage<br />

für das Projekt. Gemeinsam mit Teilnehmern/innen des<br />

Programms „Generation 55plus“ der „Inszenierten Bildung“<br />

(pädagogischer Fachbereich der Autostadt) der Autostadt<br />

entwickelten die Schüler/innen unter der Spielleitung zweier<br />

Fachlehrer und fachkundiger Unterstützung einer Theater-


80_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

pädagogin ein dokumentarisch-biografisches Theaterstück,<br />

das im Mai und Juni 2011 aufgeführt wurde.<br />

In dem Theaterstück wurden fiktive Wolfsburger Lebensgeschichten<br />

inszeniert, die symbolisch für die charakteristische<br />

Zeit des VW-Käfers stehen. Anekdoten mit wahrem Kern, von<br />

Wolfsburgern erzählt, bündelten sich mit dem erdachten, stereotypen<br />

Zeitgeist und inszenierten eine Collage der damaligen<br />

Zeit. Erzählte Erinnerungen verschmolzen mit Musik und<br />

Bildern der 1950er und 1960er Jahre, weckten fast vergessene<br />

Erinnerungen beim älteren Publikum und erlaubten eine<br />

Auseinandersetzung des jüngeren Publikums mit jener in die<br />

Zukunft wegweisenden Zeit. Projektionen, körpersprachliche<br />

Aktionen und kurze Dialoge riefen eine lebendige Erinnerung<br />

der Zeit zwischen 1949 und 1974 hervor – der Zeit des Wirtschaftswunders,<br />

des Twists, der frühen Gastarbeiter, der ersten<br />

Urlaubsreisen nach Italien und natürlich des legendären<br />

VW-Käfers.<br />

Im Rahmen des Schulfachs Darstellendes Spiel fand das Projekt<br />

hauptsächlich in der Aula des Ratsgymnasiums statt,<br />

in der das Theaterstück geprobt und aufgeführt wurde. Ergänzend<br />

wurden die Räume der Autostadt insbesondere zur<br />

Durchführung begleitender Workshops genutzt.<br />

Daneben bereicherten zahlreiche Exkursionen zu verschiedenen<br />

Orten der Stadt Wolfsburg das Projekt. So erkundeten<br />

die Teilnehmenden das Unternehmensarchiv der historischen<br />

Kommunikation des Volkswagen Konzerns und besuchten<br />

die Erinnerungsstätte über die Auseinandersetzung<br />

mit der Geschichte des Unternehmens im Nationalsozialismus.<br />

Sie besuchten das Stadtarchiv des Instituts für Zeitgeschichte<br />

und Stadtpräsentation sowie eine Museumswohnung aus dem<br />

Jahr 1942 und die Bibliothek im Alvar Aalto <strong>Kultur</strong>haus, das für<br />

die Inszenierung des Stücks Grundlage war. Eine Besichtigung<br />

im Volkswagen-Werk selbst ließ erahnen, unter welchen Bedin-<br />

gungen noch der Käfer produziert worden sein könnte. Ein zusätzliches<br />

Wochenende im Schullandheim der Stadt Wolfsburg<br />

diente dem gegenseitigen Kennenlernen der Teilnehmenden<br />

sowie der intensiven Erarbeitung des Themas.<br />

In vier groben Abschnitten wurde das Projekt realisiert. In einer<br />

ersten Phase vor Beginn des Schuljahres erfolgten Absprachen<br />

zwischen <strong>Schule</strong> und Autostadt sowie die konzeptionelle Erarbeitung<br />

des Projekts und erste Werbemaßnahmen. Das Schuljahr<br />

startete mit der inhaltlichen Recherche-Phase, die mit<br />

Proben und dem Ausprobieren von Darstellungsmethoden ergänzt<br />

wurde. Im Anschluss begannen die Ausarbeitungen und<br />

Proben der einzelnen Spielszenen und der Gesamtdramaturgie<br />

des Stücks. Nach der Premiere begannen im letzten Abschnitt<br />

das Festhalten der Inhalte in einer filmischen Dokumentation<br />

sowie die Rückschau auf das Projekt im Dialog zwischen den<br />

Teilnehmenden. Die Methodik des Darstellenden Spiels sprach<br />

darüber hinaus ebenso Jung und Alt an. Während es bei den<br />

Jüngeren um Persönlichkeitsentfaltung ging, lernten die Älteren<br />

neue Methoden kennen, ihre gestandenen Persönlichkeiten<br />

auf eine andere, für sie neue Art zu fordern.<br />

Auf einer dritten Ebene wurde mit der Aufführung des Theaterstücks<br />

ein breites Publikum angesprochen. Dieses Publikum<br />

setzte sich nicht nur aus all denen zusammen, die sich<br />

als Wolfsburger empfinden, sondern auch aus denen, für die<br />

die Nachkriegszeit, die Zeit des Wirtschaftswunders, die Demokratiewerdung<br />

Deutschlands und die neuen Dimensionen<br />

durch steigende Mobilität bewegende Erinnerungen bedeuten.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.autostadt.de/de/lernangebote/schule/<br />

angebote-fuer-schulen<br />

www.ratsgymnasium-wolfsburg.de<br />

© Klaus Gottschick


© Dagmar Riggers<br />

5.10 GöttInGen: damalS und heute<br />

IGS-Schüler/Innen werden zu StadtFührern/Innen<br />

anne moldenhauer<br />

Sozialpädagogin, Kommunikations- und Aktionszentrum<br />

Göttingen<br />

In einem achttägigen Projekt entwickelten Schüler/innen des<br />

8. Jahrgangs innerhalb eines Projekts des Göttinger Kom-<br />

munikations- und Aktionszentrum (KAZ), in Kooperation mit<br />

dem Städtischen Museum Göttingen und mit Unterstützung<br />

der Göttinger Tourismus, einen Stadtrundgang für jüngere<br />

Kinder. Das Projekt wurde vom Landschaftsverband Süd-<br />

niedersachsen finanziell unterstützt. Durchgeführt wurde<br />

das Projekt von der Sozialpädagogin Dagmar Riggers und der<br />

Theaterpädagogin Christine Suttkus.<br />

Zunächst wurden die Teilnehmer/innen des „Stadtführungsprojektes“<br />

thematisch in das Projekt eingeführt. Eine Museumspädagogin<br />

stellte Wissenswertes zu der Ausstellung „Hundert<br />

Augenblicke“ – Göttingen im Hochmittelalter sowie zu<br />

historisch spannenden Punkten in der Göttinger Altstadt vor.<br />

Darüber hinaus recherchierten die Kinder zu aktuellen <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />

(u. a. Junges Theater, KAZ und Jugendtreff Point<br />

6), die für sie eine Rolle spielten. Die Jugendlichen waren sich<br />

einig: die Stadtführung sollte „lebendig, kreativ, informativ<br />

sein und nicht viel Gelatsche, Gerede und Langweiliges beinhalten“.<br />

So vermittelten sie die Informationen anhand kleiner<br />

Theatersequenzen, einem Quiz und einer Schatzsuche. Die<br />

benötigten Materialien wurden zum großen Teil in der Zusammenarbeit<br />

von Städtischem Museum und KAZ bereitgestellt.<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _81<br />

Ergebnisse früherer Projekte wurden im KAZ gelagert, sodass<br />

man sofort auf sie zurückgreifen konnte.<br />

Das Projekt fand sowohl in Räumen des KAZ als auch im<br />

Städtischen Museum und in der Stadt Göttingen, vor allem<br />

im Alten und Neuen Rathaus und an historisch bedeutenden<br />

Orten (z. B. Karzer) statt. Die Schüler/innen gelangten zu<br />

interessanten <strong>Kultur</strong>orten, wie das Junge Theater oder der<br />

Kinder- und Jugendtreff Point 6.<br />

Die jungen Stadtführer/innen bekamen nach drei erfolgreichen<br />

Durchläufen großes Lob. „Ihr habt tolle Stationen ausgesucht<br />

und es hat richtig viel Spaß ge<strong>macht</strong>“, bekamen sie als Rückmeldung<br />

von den teilnehmenden Schülern/innen aus den Jahrgängen<br />

drei, fünf und sechs. Die Jugendlichen selbst möchten<br />

gern weitermachen. Ihr Fazit: „Es hat uns riesig Spaß ge<strong>macht</strong><br />

und wir haben Lust, die Stadtführung weiter durchzuführen“.<br />

Im Anschluss an das Projekt kamen auch viele weitere Anfragen<br />

von <strong>Schule</strong>n.<br />

Wir informierten die <strong>Schule</strong>n, dass die „Stadtführungen“ im<br />

Städtischen Museum in Göttingen ausleihbar seien. Jetzt<br />

können interessierte Schulklassen oder Jugendgruppen die<br />

erarbeitete Führung eigenständig leiten. Ihnen stehen eine<br />

„Schatzkiste“ mit Stadtplan, auf dem die Stationen eingezeichnet<br />

sind, dazu ein Glossar zu den Stationen, eine Spiel- bzw.<br />

Durchführungsanleitung und Buchstaben und alle Bestandteile<br />

des Stadtführungsquiz zur Verfügung.


82_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />

Ko| ope | ra| ti‘on, die; -,-en<br />

(lat. cooperatio - „Zusammenwirkung“, „Mitwirkung“) ist das Zusammenwirken von Handlungen zweier oder mehrerer<br />

Lebewesen, Personen oder Systeme. Kooperieren Dienste, Projekte, Behörden oder Personengruppen, die einander kennen,<br />

so spricht man von Vernetzung. [...] Kooperation ist zumindest für deren Dauer ein Zusammenschluss im Sinne von Systembildung.<br />

Es bildet sich auf einer höheren Ebene (zeitweise) ein neues System. Deren Elemente – die Kooperationspartner –<br />

erwarten ein der Kooperation entsprechendes Verhalten (Quid pro quo). Diese Erwartungen können als Rechte und Pflichten<br />

verhandelt und fixiert werden. (Quelle: services.langenscheidt.de, 12.12.2011)<br />

eckdaten zu unseren Kooperationen<br />

Seit dem Jahr 2006 führt das Göttinger KAZ meist einmal im<br />

Jahr ein Projekt in Kooperation mit der IGS Göttingen durch.<br />

Sowohl die Themen als auch die beteiligten Klassen und deren<br />

Lehrer/innen wechseln dabei. Konstant ist die Zusammenarbeit<br />

zwischen den Mitarbeitern/innen des KAZ und einer<br />

Sozialpädagogin, die in Absprache mit den jeweiligen Lehrern/<br />

innen die zuvor von KAZ und der Pädagogin konzipierten<br />

Projekte weiterentwickeln, um dann einen geeigneten Zeit-<br />

rahmen, Projektziele und einen Ablaufplan festzulegen.<br />

Bei der Entwicklung der Projekte steht die Lebenswelt<br />

der Schüler/innen im Mittelpunkt. Die Projektkonzeption sieht<br />

immer eine Beteiligung der Kinder und eine Berücksichtigung<br />

ihrer Interessen, Stärken und Ideen vor.<br />

Da wir aufgrund von begrenzten finanziellen und vor allem personellen<br />

Mitteln nur zeitlich fest umrissene, kürzere Projekte<br />

durchführen können, finden die Projekte in enger Absprache<br />

mit den Lehrern/innen, meist innerhalb eines Monats statt.<br />

Am Projekt „Stadtführung“ waren Schüler/innen aus unterschiedlichen<br />

Jahrgängen und <strong>Schule</strong>n und ihre jeweiligen<br />

Lehrer/innen, Mitarbeiter/innen des KAZ und des Städtischen<br />

Museums Göttingen und der Leiter des Stadtarchivs Göttingen<br />

beteiligt. Schon in der Konzeptionsphase haben wir mit<br />

dem Leiter des Museums und des Stadtarchivs eng zusam-<br />

mengearbeitet. In einer zweiten Phase wurden die Lehrer/<br />

innen der IGS Göttingen miteinbezogen.<br />

Je nach Projektinhalten arbeitet das KAZ mit unterschiedlichen<br />

Kooperationspartnern und zusätzlichen Fachkräften<br />

zusammen. Im Projekt „Stadtführung“ war eine Theaterpädagogin<br />

eingebunden und es gab eine enge Zusammenarbeit mit<br />

dem Leiter des Stadtarchivs, des Museums, einer Stadtführerin<br />

der Göttingen Tourismus und der Museumspädagogin.<br />

Für die jeweiligen Projekte beantragt das KAZ bei unterschiedlichen<br />

Stellen (Landschaftsverband, Stiftungen, Stadt Göttingen)<br />

Fördergelder. Hinzu kommen Unterstützungen des Kooperationspartners<br />

und der <strong>Schule</strong> über den Elternverein. Das KAZ<br />

selbst bringt Eigenmittel in Form von Räumen, Material und<br />

Personal mit ein.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.kaz-goettingen.de<br />

© Manu Wittl


5.11 mItten Im leBen<br />

eIn theater-muSIKProJeKt<br />

waldo Bleeker<br />

Freiberuflicher Musiker und Theaterpädagoge, Mitarbeiter im<br />

Blauschimmel Atelier e. V. Oldenburg seit 2002 und Leiter vom<br />

„Eden Theater“ Lemwerder<br />

Die Saallichter gehen aus, die Scheinwerfer beleuchten die<br />

Bühne.<br />

Christiane Pasternak, Lehrerin der Comeniusschule und Waldo<br />

Bleeker, Theaterpädagoge aus dem Blauschimmel Atelier Oldenburg<br />

betreten die Bühne:<br />

„Herzlich willkommen zu unserer Premiere. Schülerinnen und<br />

Schüler der Comeniusschule Oldenburg haben seit zehn Monaten<br />

mit Spaß an einem Theaterstück gearbeitet. Wir freuen uns<br />

jetzt, Ihnen ihre Produktion ‚Mitten im Leben!‘ vorzustellen.“<br />

Eine Schülerin und ein Schüler betreten die Bühne:<br />

„Stopp! Stopp! Was heißt hier zehn Monate mit Spaß? Können<br />

Sie, sehr geehrtes Publikum sich vorstellen, was es heißt, jeden<br />

Mittwoch zwei Stunden Theater, Musik, Maskenspiel? Nicht<br />

freiwillig, nein, wir mussten, es war Schulzeit. – Aber ehrlich<br />

gesagt, hat es mit der Zeit wirklich Spaß ge<strong>macht</strong>!“<br />

Angefangen hatte es mit der Idee, ein künstlerisches Projekt<br />

in Kooperation zwischen der Comeniusschule Oldenburg und<br />

dem Blauschimmel Atelier e. V. Oldenburg durchzuführen. Bei<br />

dem ersten Treffen wurde klar, ein solches Vorhaben kann nur<br />

dann erfolgreich sein, wenn Lehrer/innen und Schulleitung<br />

nicht nur Notwendigkeiten und Interessen vertreten, sondern<br />

persönlichen Spaß an diesem Projekten mitbringen.<br />

Ein gemeinsames Leitbild wurde erarbeitet. Das Ziel war, in<br />

einem Zeitraum von zehn Monaten ein Musiktheaterprojekt<br />

mit Schülern/innen zu erarbeiten, indem sie in erster Linie<br />

ihre eigenen Ideen einbringen sollten. Es wurden verschiedene<br />

künstlerische Bereiche angeboten: Darstellendes Spiel,<br />

experimentelle Musik, Maskenbau- und spiel. Hinzu kamen die<br />

Bereiche Foto- und Filmdokumentation, Bühnenbild, Requisiten,<br />

Kostüme sowie Flyer- und Plakatgestaltung. An vier Tagen<br />

konnten sich die Schüler/innen in den verschiedenen Disziplinen<br />

ausprobieren, danach entschieden sie sich, in welche Arbeit<br />

sie tiefer einsteigen wollten. In den ersten Wochen wurden<br />

Grundlagen erarbeitet und erste Ideen entwickelt.<br />

Die Jugendlichen der Darstellendes Spiel-Gruppe bestimmten<br />

aus einer Auswahl von Theaterszenen ihre Favoriten und<br />

überarbeiteten diese in Diskussionen und Improvisationen.<br />

Die Schüler/innen, die sich mit experimenteller Musik beschäftigten,<br />

erforschten die Vielfalt von Instrumenten, die in<br />

erster Linie aus Schrott und Alltagsgegenständen bestanden,<br />

nach Klängen. Nachdem jede/r Jugendliche/r sich ein eigenes<br />

Instrumentarium zusammengestellt hatte, wurden gemeinsam<br />

Ideen für eigene Kompositionen entwickelt. Die Gruppe<br />

Maskenbau/-spiel entschied sich für den Bau von Menschenmasken.<br />

modellhaFte PraxIS reGIonal _83<br />

Nach dieser ersten Phase wurden die Ergebnisse zusammengetragen.<br />

Die einzelnen Gruppen besuchten sich gegenseitig,<br />

um einen Eindruck von der Arbeit der anderen Bereiche zu<br />

sehen und zu hören. Für die Musikgruppe gab es zwei Ziele:<br />

Einmal das Entwickeln von eigenen, in sich geschlossenen Musikstücken,<br />

und zweitens die Erstellung von dramaturgischer<br />

Musik zu den Theater- und Maskenspielszenen. Nach einer<br />

Ganztagsprobe, in der alle Gruppen im Foyer der <strong>Schule</strong> ihre<br />

Ergebnisse zeigten, wurde allen Jugendlichen die Dimension<br />

dieses Projektes klar.<br />

Die Projektarbeit wurde von Beginn an von Schülern/innen mit<br />

der Kamera dokumentiert. Die Premiere und die Schulvorstellung<br />

von „Mitten im Leben!“ waren sehr gut besucht. Eine weitere<br />

erfolgreiche Aufführung mit anschließender Diskussion<br />

der Darsteller/innen mit dem Publikum fand im Rahmen der<br />

„Jugendtheatertage 2011“ im Staatstheater Oldenburg statt.<br />

Gegenüber früheren Projekten, die nur in der <strong>Schule</strong> stattfanden,<br />

waren hier positive Veränderungen bei den Jugendlichen<br />

zu beobachten. Höhere Konzentrationsfähigkeit, respektvoller<br />

Umgang miteinander und Ernsthaftigkeit dem Theater<br />

gegenüber, führten zu einem bereichernden Ergebnis für alle<br />

Beteiligten.<br />

An der Planung und Durchführung des Projektes waren fünf<br />

Lehrer/innen der Comeniusschule und ein Theaterpädagoge<br />

des Blauschimmel Ateliers als künstlerischer Gesamtleiter<br />

beteiligt. Das Theaterprojekt wurde, ergänzt durch eine Unterstützung<br />

der Gesellschafter-Initiative der Aktion Mensch aus<br />

Mitteln der Comeniusschule Oldenburg finanziert.<br />

Das Blauschimmel Atelier arbeitet seit Jahren mit <strong>Schule</strong>n in<br />

Oldenburg und Umgebung zusammen. Dabei gibt es unterschiedliche<br />

Kooperationsmodelle:<br />

1. Ein/e Teamer/in geht in eine <strong>Schule</strong> und arbeitet dort vor Ort mit<br />

den Schülern/innen.<br />

2. Eine Schulklasse nimmt an einem Blauschimmelprojekt teil.<br />

Hier kommen die Schüler/innen in das Blauschimmel Atelier und<br />

arbeiten zusammen mit Menschen mit und ohne Behinderungen.<br />

3. Eine Schulklasse kooperiert mit anderen Gruppen und Einzelkünstlern/innen,<br />

unter der Leitung des Blauschimmel Ateliers.<br />

KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />

www.blauschimmel-atelier.de


84_ Kolumne<br />

nachwort


© sxu.hu<br />

nachwort<br />

Diese Publikation zeigt, wie bunt und vielfältig die Kooperationslandschaft<br />

in Niedersachsen ist. Sie zeigt aber auch, dass<br />

die gelungenen Kooperationen eher ein additives Bild liefern.<br />

Es ist in Niedersachsen keine Infrastruktur für diesen Bildungsbereich<br />

vorhanden. Das notwendige Potenzial, pädagogisches<br />

Know-how und die künstlerischen Kompetenzen sind sowohl<br />

bei Lehrkräften und <strong>Kultur</strong>schaffenden vorhanden. Was fehlt,<br />

ist eine Infrastruktur für die Kooperationsumsetzungen im<br />

Land. Koordinierungsstellen, die im Land flächendeckend verteilt<br />

sind, könnten Kontinuität für Kooperationen bieten und die<br />

Qualität von <strong>Kultur</strong>eller Bildung in <strong>Schule</strong>n sichern. Es besteht<br />

der Wunsch nach einer Projektstruktur, statt nach einem landesweiten<br />

„Projektgestrüpp“. Das Gelingen der Kooperationen<br />

zwischen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> hängt heute leider immer noch vom<br />

Engagement Einzelner ab. So ist es auch bei dieser Publikation.<br />

Wir sagen Danke bei:<br />

Den 40 Autoren/innen, von denen viele mit ihrem freiwilligen<br />

Engagement ihre Zeit gespendet haben, um eine Betrachtung,<br />

häufig unter erschwerten Bedingungen, für das Gesamtwerk zu<br />

schreiben. Sie haben getextet, kreiert und gesammelt und somit<br />

einen wichtigen Teil zu dem Abbild der Landschaft „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />

<strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen beigetragen.<br />

Der Fachstelle „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ der BKJ, im Besonderen<br />

bei Viola Kelb, die es für das Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong><br />

<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ Niedersachsen möglich ge<strong>macht</strong> hat, diese Publikation<br />

zu veröffentlichen.<br />

nachwort _85<br />

Kerstin Hübner von der BKJ, die immer ein offenes Ohr für unsere<br />

Redaktionssorgen hatte und durch ihre freundliche und konstruktive<br />

Kritik für das runde Ergebnis mitverantwortlich ist.<br />

Helga Bergers für die hilfreiche Unterstützung bei Textverarbeitungsraffinessen<br />

und ihre wohlwollende Geduld im<br />

Umgang mit uns.<br />

Zu guter Letzt möchte ich mich persönlich bei Malin Kettel für<br />

ihre Mitarbeit an dieser Publikation bedanken. Sie hat es mit<br />

ihrer schnellen, zuverlässigen und kompetenten Arbeitsweise<br />

möglich ge<strong>macht</strong>, dass wir innerhalb kürzester Zeit dieses Werk<br />

vollbracht haben. Ich finde es sehr bemerkenswert, wie sehr wir<br />

Hand in Hand zusammenarbeiten konnten.<br />

Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ der<br />

landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />

niedersachen. e. V.<br />

Anja Krüger<br />

Arnswaldtstr. 28, 30159 Hannover<br />

Fon 0511.60 06 05 56<br />

Fax 0511.60 06 05 60<br />

a.krueger@lkjnds.de<br />

www.lkjnds.de


86_ Kolumne<br />

adreSSen


adreSSen<br />

mItGlIeder der landeSVereInIGunG<br />

<strong>Kultur</strong>elle JuGendBIldunG nIederSachen. e. V.<br />

amateurtheaterverband niedersachsen e. V.<br />

Bruchhöfener Straße 21, 27305 Bruchhausen-Vilsen<br />

brigitte.sante@amateurtheater-niedersachsen.de<br />

www.amateurtheater-niedersachsen.de<br />

arbeitskreis museumspädagogik norddeutschland e. V.<br />

Wasser West 39, 21682 Stade<br />

info@rv-mp-nord.de<br />

www.rv-mp-nord.de<br />

arbeitskreis musik in der Jugend e. V. (amJ)<br />

Grüner Platz 30, 38302 Wolfenbüttel<br />

info@amj-musik.de<br />

www.amj-musik.de<br />

Blauschimmel atelier<br />

Klävemannstraße 16, 26122 Oldenburg<br />

blauschimmel.atelier@ewetel.net<br />

www.blauschimmel-atelier.de<br />

chorjugend im chorverband niedersachsen-Bremen e. V.<br />

Violenstraße 7, 28195 Bremen<br />

post@chorjugend-cvnb.de<br />

www.chorjugend-cvnb.de<br />

drübberholz e. V.<br />

Drübber 4, 27313 Dörverden<br />

Druebberholz@t-online.de<br />

www.druebberholz.de<br />

Fachverband Schultheater –<br />

darstellendes Spiel niedersachsen e. V.<br />

Hauptstraße 6a, 31303 Burgdorf<br />

vorstand@schultheater-nds.de<br />

www.schultheater-nds.de<br />

Friedrich-Bödecker-Kreis e. V. in niedersachsen<br />

Künstlerhaus, Sophienstraße 2, 30159 Hannover<br />

fbk.nds@t-online.de<br />

www.nds.boedecker-kreis.de<br />

www.boedecker-kreis.de<br />

Gesellschaft für theaterpädagogik niedersachsen e. V.<br />

c/o Florian Vaßen<br />

Immengarten 5, 30177 Hannover<br />

florian.vassen@germanistik.uni-hannover.de<br />

www.gesellschaftfuertheaterpaedagogik.net<br />

Jeunesses musicales deutschland e. V.<br />

LV Niedersachsen –<br />

Fortbildungszentrum für Neue Musik Lüneburg<br />

An der Münze 7, 21335 Lüneburg<br />

helmut.w.erdmann@neue-musik-lueneburg.de<br />

www.jmd-niedersachsen.de<br />

www.neue-musik-lueneburg.de<br />

adreSSen _87<br />

Jugendkulturarbeit e. V.<br />

IJP-Oldenburg (Internationales Jugendprojekthaus Oldenburg)<br />

Kranbergstraße 55, 26123 Oldenburg<br />

info@jugendkulturarbeit.eu<br />

www.jugendkulturarbeit.eu<br />

Kommunikations- und aktionszentrum Göttingen (Kaz)<br />

Hospitalstraße 6, 37073 Göttingen<br />

mail@kaz-goettingen.de<br />

www.kaz-goettingen.de<br />

Koppelschleuse meppen<br />

Jugend- und <strong>Kultur</strong>gästehaus<br />

Helter Damm 1, 49716 Meppen<br />

info@koppelschleuse-meppen.de<br />

www.koppelschleuse-meppen.de<br />

<strong>Kultur</strong>werkstatt lüneburg<br />

Sozial-, Jugend- und <strong>Kultur</strong>arbeit<br />

Am Bahndamm 28, 21358 Mechtersen<br />

kusche@fhnon.de<br />

Kunst & Gut –<br />

landesverband der Kunstschulen niedersachsen e. V.<br />

Arnswaldtstraße 28, 30159 Hannover<br />

info@kunst-und-gut.de<br />

www.kunst-und-gut.de<br />

landesarbeitsgemeinschaft (laG) Jazz in niedersachsen e. V.<br />

Zum Rießenfelde 6, 30974 Wennigsen<br />

info@lag-jazz.de<br />

www.lag-jazz.de<br />

landesarbeitsgemeinschaft (laG)<br />

Jugend & Film niedersachsen e. V.<br />

Zaltbommeler Straße 16, 29664 Walsrode<br />

info@lag-jugend-und-film.de<br />

www.lag-jugend-und-film.de<br />

landesarbeitsgemeinschaft (laG) rock in niedersachsen e. V.<br />

Emil-Meyer-Straße 28, 30165 Hannover<br />

info@lagrock.de<br />

www.lagrock.de


88_ adreSSen<br />

landesarbeitsgemeinschaft (laG) tanz niedersachsen e. V.<br />

Neue Reihe 2, 31515 Wunstorf<br />

info@lag-tanz-nds.de<br />

www.lag-tanz-nds.de<br />

landesarbeitsgemeinschaft (laG)<br />

zirkus niedersachsen und Bremen e. V.<br />

Badenstedter Straße 35, 30449 Hannover<br />

Pruisken@Circo-Hannover.de,<br />

www.lag-zirkus.de, www.circaholix.de<br />

www.circo-hannover.de<br />

landestrachtenverband niedersachsen e. V.<br />

Parkstraße 70, 26605 Aurich<br />

wdubiel@l-t-n.de<br />

www.l-t-n.de<br />

landesverband niedersächsischer musikschulen e. V.<br />

Arnswaldtstraße 28, 30159 Hannover<br />

info@musikschulen-niedersachsen.de<br />

www.musikschulen-niedersachsen.de<br />

landesverband rhythmische erziehung<br />

niedersachsen/Bremen e. V.<br />

Im Klingenkampe 30, 30659 Hannover<br />

lreniebre@gmx.de<br />

landesverband theaterpädagogik niedersachsen e. V. (lat)<br />

c/o Jugendkulturarbeit e. V.<br />

Kranbergstraße 55, 261123 Oldenburg<br />

kontakt@lat-niedersachsen.de<br />

www.lat-niedersachsen.de<br />

niedersächsischer musikverband e. V.<br />

Osnabrücker Straße 21, 49170 Hagen am Teutoburger Wald<br />

grba@nds-musikverband.de<br />

www.nds-musikverband.de<br />

theaterpädagogisches<br />

zentrum der emsländischen landschaft e. V. (tPz lingen)<br />

Universitätsplatz 5–6, 49808 Lingen<br />

info@tpz-lingen.de<br />

www.tpz-lingen.de<br />

theaterpädagogisches zentrum hannover e. V. (tPz hannover)<br />

Mühlenberger Markt 1, 30457 Hannover<br />

tpz.hannover@hannover-stadt.de<br />

www.tpz-hannover.de<br />

theaterpädagogisches zentrum hildesheim e. V.<br />

(tPz hildesheim)<br />

Am Ratsbauhof 1c, 31134 Hildesheim<br />

info@tpz-hildesheim.de<br />

www.tpz-hildesheim.de<br />

werkschule albstedt e. V.<br />

Theaterwerk Albstedt<br />

Albstedter Straße 29, 27628 Albstedt<br />

info@theaterwerk.de<br />

www.theaterwerk.de<br />

workshop hannover e. V. – zentrum für kreatives Gestalten<br />

Lister Meile 4, 30161 Hannover<br />

box@workshop-ev.de<br />

www.workshop-ev.de<br />

zinnober –<br />

ein museum für Kinder und Jugendliche in hannover e. V.<br />

c/o Stadtteilzentrum Vahrenwald<br />

Vahrenwalder Straße 92, 30165 Hannover<br />

info@kindermuseum-hannover.de<br />

www.kindermuseum-hannover.de<br />

KooPeratIVe mItGlIeder<br />

Bund Bildender Künstler für niedersachsen e. V. (BBK)<br />

Goseriede 4, 30159 Hannover<br />

kunst@bbk-niedersachsen.de<br />

www.bbk-niedersachsen.de<br />

landesmusikrat niedersachsen e. V. (lmr)<br />

Arnswaldtsraße 28, 30159 Hannover<br />

info@lmr-nds.de<br />

www.landesmusikrat-niedersachsen.de


www.kultur-<strong>macht</strong>-schule.de<br />

Das Online-Fachportal für mehr <strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!