Download - Kultur macht Schule
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in niedersachsen<br />
Bundesvereinigung<br />
<strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung e.V.
IMPRESSUM<br />
Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V.<br />
Küppelstein 34 , 42857 Remscheid, Fon 02191.79 43 98, Fax 02191.79 43 89, info@bkj.de, www.bkj.de<br />
in Kooperation mit der<br />
Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen (LKJ) e. V.<br />
Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“<br />
Arnswaldtstraße 28, 30159 Hannover<br />
Fon: 0511.600 605 50, Fax: 0511.600 605 60<br />
info@lkjnds.de, www.lkjnds.de<br />
Die länderbezogene Publikationsreihe „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> ...“ ist entstanden im Rahmen<br />
der bundesweiten Fachstelle „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ der BKJ. Ziel ist es, föderale Modelle, Impulse und<br />
Entwicklungen rund um das Thema „<strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n“ zu bündeln und zu reflektieren.<br />
Redaktion: Anja Krüger, Malin Kettel, Kerstin Hübner<br />
Lektorat und Korrektorat: Helga Bergers, Redaktionsdepot, Köln<br />
Gestaltung: Maya Hässig, Sandra Brand, Jeannette Corneille, luxsiebenzwoplus, Köln<br />
Bildrechte: Umschlag © Maya Hässig, Sarah Ubrig, photocase: marqs / Undschuldslamm<br />
Druck: Druckhaus Süd, Köln<br />
ISBN: 978-3-924407-96-4<br />
Remscheid/Hannover 2012<br />
Bundesvereinigung<br />
<strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung e.V.<br />
gefördert vom:
Inhalt<br />
Vor- und GruSSworte<br />
Vorwort // Viola Kelb (BKJ, Fachstelle „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“) 03<br />
Grußwort der niedersächsischen Ministerin für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> // Prof. Dr. Johanna Wanka 04<br />
Grußwort des niedersächsischen Kultusministers // Dr. Bernd Althusmann 05<br />
Einführung // Anja Krüger (Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen) 06<br />
1. ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />
1.1 Warum sind die Sterne so unordentlich verteilt? –<br />
Über die Potenziale frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung // Vanessa-Isabelle Reinwand 09<br />
1.2 Das kulturell lernende Gehirn –<br />
Neurobiologische Grundlagen <strong>Kultur</strong>eller Bildung // Kristian Folta-Schoofs 11<br />
1.3 Quarks & Wirks – Vernetztes Denken und Handeln in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung // Juliane Steinmann 13<br />
1.4 Das Potenzial ästhetischer Erfahrungen – Der Ursprung von <strong>Schule</strong> // Christoph Schönfelder/ Henrik Cohnen 16<br />
2. allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
2.1 Zwischen Sonntagsreden und Alltagshandeln in Niedersachsen // Insa Lienemann 20<br />
2.2 Förderung der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Niedersachsen // Annette Schwandner 22<br />
2.3 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> – Modelle aus Niedersachsen // Marion Heuer 24<br />
2.4 Das Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ – Im Interview: Anja Krüger 27<br />
2.5 Dialog „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen geht in die erste Runde! // Malin Kettel 29<br />
2.6 Wie Weiterbildung die Qualität <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
in der <strong>Schule</strong> fördern kann // Thomas Lang/ Claudia Wenzel 30<br />
2.7 Darstellendes Spiel an der Leibniz Universität Hannover – Im Interview: Ole Hruschka 32<br />
2.8 <strong>Kultur</strong>- und Theaterarbeit in der Evaluation // Mascha Grieschat 33<br />
3. loKale und Kommunale VernetzunGen<br />
3.1 <strong>Kultur</strong>elle Bildung in der Stadt Oldenburg // Christiane Maaß 39<br />
3.2 Der Landesverband Theaterpädagogik Niedersachsen –<br />
Geschichte, Organisation und Perspektive // Jörg Kowollik/ Iris Hörtzsch/ Florian Vaßen 41<br />
3.3 Das Ganze ist mehr als die Summe auf dem Konto // Katrin Tesch Löwensprung/Anke Persson 43<br />
3.4 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> – Rückblick, Einblick und Ausblick // Dieter Wuttig/ Marianne Heyden-Busch 44<br />
3.5 <strong>Kultur</strong> trifft Klasse – Das Netzwerk „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“ in Osnabrück // Marita Thöle 46<br />
3.6 Schulzirkus und Zirkusschulen – Sieh mal, was ich kann! // Wolfgang Pruisken 48<br />
4. modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />
4.1 Mobiles Kino Niedersachsen –<br />
Filmveranstaltungen zum Thema „Mobbing“ // Mascha Fäskorn 52<br />
4.2 Wenn Schüler/innen zu Lehrern/innen werden –<br />
Die Musikmentoren/innen // Jana-Kerstin Lipnicki 53<br />
4.3 Der Julius Club – Ein Sommer-Lese-Vergnügen // Stefanie Thiem 54<br />
4.4 BRASSAMBA 2011 – Latin-Power in der Schulpraxis // Kurt Klose/ Frauke Hohberger 56<br />
4.5 Ich wusste gar nicht, dass Sie tanzen können! –<br />
HipHop School für Multiplikatoren/innen // Vera Lüdeck 57<br />
4.6 Wir machen die Musik! – Das Musikalisierungsprogramm<br />
für alle Kinder in Niedersachsen // Mareike Knobloch 59
5. modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
5.1 Bildberichte über Bergen-Belsen –<br />
Eine gelungene Kooperation im FSJ <strong>Kultur</strong>/Politik // Inka Ostendorf 62<br />
5.2 Hannover Hauptbahnhof – MOTSbasic 2008 bis 2011 // Hans Fredeweß 64<br />
5.3 Vom Glück, sich spielend ganz neu kennenzulernen – Jugend forscht nach dem Glück mit Theater,<br />
Tanz und Radio // Annli von Alvensleben/ Silke Pohl/ Katrin Tesch Löwensprung 66<br />
5.4 Bleib am Ball – Eine Ausstellung mit und für Kinder<br />
rund um den Fußball // Renate Dittscheidt-Bartolosch/ Mark Rozin/ Sarah Ubrig 68<br />
5.5 Die verlorenen Söhne – Eine Begegnung mit Grönland<br />
auf Spiekeroog und im Landkreis Cuxhaven // Juliane Lenssen 70<br />
5.6 Die Bücherbiene – Eine mobile Stadtteilbücherei // Silke Boerma 71<br />
5.7 Theater in die <strong>Schule</strong> – Auf dem Weg zur <strong>Kultur</strong>schule // Lisa Degenhardt 73<br />
5.8 Die Offene Druckwerkstatt und die Kunststation –<br />
Zwei außerschulische und dezentrale Lernorte // Manfred Blieffert 75<br />
5.9 Pack deinen Koffer in den Käfer –<br />
Eine Reise in die Autostadt Wolfsburg // Brenda Frey 79<br />
5.10 Göttingen: Damals und heute –<br />
IGS-Schüler/innen werden zu Stadtführern/innen // Anne Moldenhauer 81<br />
5.11 Mitten im Leben – Ein Theater-Musikprojekt // Waldo Bleeker 83<br />
nachwort 85<br />
adreSSen 87
Vorwort<br />
<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> In nIederSachSen<br />
„Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Spiel und Kunst“,<br />
so formuliert es die UN-Kinderrechtskonvention. Gemeinsam<br />
haben <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> die besten Voraussetzungen, diese<br />
Forderung in die Praxis umzusetzen! Zum einen, weil die <strong>Schule</strong>n<br />
der Ort sind, an dem die Träger und Einrichtungen der <strong>Kultur</strong>ellen<br />
Bildung alle Kinder und Jugendlichen erreichen – auch<br />
diejenigen, deren Zugang zu Kunst und <strong>Kultur</strong> innerhalb unseres<br />
Bildungssystems erschwert ist. Zum anderen, weil es über<br />
die verschiedenen Künste und kulturpädagogischen Arbeitsformen<br />
gelingen kann, unverzichtbare Lebenskompetenzen<br />
und die Persönlichkeitsentwicklung zu stärken.<br />
Unter dem Label „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ setzt sich der Dachverband,<br />
die Bundesvereinigung für <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und<br />
Jugendbildung e. V. (BKJ), deshalb seit vielen Jahren für mehr<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n ein und fordert eine systembezogene<br />
Vernetzung der Träger und Einrichtungen <strong>Kultur</strong>eller<br />
Bildung mit den Orten der formalen Bildung, insbesondere der<br />
<strong>Schule</strong>n und Kindertagesstätten. Gleichzeitig muss <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung Verankerung in Familien, Jugendarbeit, Kinder- und<br />
Jugendhilfe sowie in der <strong>Kultur</strong>förderung finden. In ihrem im<br />
Jahr 2011 veröffentlichten Positionspapier bekennt die BKJ:<br />
„<strong>Kultur</strong>elle Bildung vor Ort gelingt dann am besten, wenn die<br />
Akteure vernetzt arbeiten und zusammen mit der Kommunalpolitik<br />
ein gemeinsames Verständnis und strukturierte Handlungsmodelle<br />
für die Verankerung <strong>Kultur</strong>eller Bildung in den<br />
lokalen Bildungslandschaften entwickeln.“<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung sollte immer als eine Querschnittsaufgabe<br />
der Ressorts Jugend, <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> verstanden werden.<br />
Dies gilt für die lokale Ebene ebenso wie für die Ebene des<br />
Bundes und der Länder. Das Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />
<strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen hat erstmals einen Dialog mit allen<br />
Beteiligten (Politik, Verwaltung und Praktiker/innen) veranstaltet.<br />
Nun gilt es, einen solchen interministeriellen Dialog,<br />
aus dem konkrete Vereinbarungen hervorgehen müssen, zu<br />
institutionalisieren.<br />
Einen wichtigen Impuls bietet in Niedersachsen z. B. das<br />
Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung<br />
(nifbe), das mit seiner Zielgruppenorientierung „Frühe<br />
Förderung“ auch den Grundschulbereich mit einschließt. Hier<br />
werden nicht nur konkrete, u. a. kulturelle Praxisprojekte relativ<br />
breit gefördert, sondern auch wissenschaftlich begleitet, so<br />
dass Wirksamkeit sichtbar ge<strong>macht</strong> und Schlussfolgerungen<br />
gezogen werden können.<br />
Vor- und GruSSworte _3<br />
Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />
e. V. (LKJ) bietet mit ihrem Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong><br />
<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ einen landesweiten Service der Qualitätsentwicklung<br />
und ressortübergreifenden Vernetzung. Gefördert<br />
wird dieses Koordinationsbüro vom Ministerium für Wissenschaft<br />
und <strong>Kultur</strong> (MWK), das damit seine Verantwortung für<br />
die Entwicklung einer vielfältigen Kooperationspraxis zwischen<br />
außerschulischer <strong>Kultur</strong>arbeit und <strong>Schule</strong>n verdeutlicht.<br />
Dieses Koordinationsbüro steht für eine deutschlandweit<br />
sehr seltene Möglichkeit, Impulse zu setzen und Diskurse<br />
auf Landesebene zu bündeln.<br />
Dies – wie auch Entwicklungen in anderen Bundesländern,<br />
vergleichbar dem „Modellland <strong>Kultur</strong>elle Bildung Nordrhein-<br />
Westfalen“ und der dort verankerten Arbeitsstelle <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung in Jugendarbeit und <strong>Schule</strong> in Remscheid – könnte<br />
beispielgebend für Programme sein, die den Inhalt „<strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung in <strong>Schule</strong>n“ mit Strukturförderung und flächendeckender<br />
Implementierung verbinden.<br />
Derartige Initiativen sind wichtige Motoren für die Entwicklung<br />
der Bildungskooperationen und -landschaften vor<br />
Ort. Das Land Niedersachsen erfreut sich einer vielfältigen<br />
Angebotsstruktur kultureller Kinder- und Jugendbildung, mit<br />
lebendigen Netzwerken und zahlreichen engagierten Fachkräften.<br />
Zukünftig sollte es gelten, diese Potenziale verstärkt<br />
für den Auf- und Ausbau lokaler Bildungslandschaften zu nutzen.<br />
Jugend-, <strong>Kultur</strong>- und Bildungspolitik müssen dafür entsprechende<br />
Rahmenbedingungen schaffen!<br />
Unser Dank gilt der LKJ, die die Redaktion der vorliegenden<br />
Publikation übernommen hat und den Leserinnen und Lesern<br />
umfassende Informationen, interessante Positionen und viele<br />
nachahmenswerte Beispiele rund um das Thema „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />
<strong>Schule</strong>“ bereitstellt!<br />
Viola Kelb<br />
Geschäftsbereichsleiterin<br />
„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“<br />
der Bundesvereinigung<br />
<strong>Kultur</strong>elle Kinder-<br />
und Jugendbildung e. V. (BKJ)
4_ Vor- und GruSSworte<br />
GruSSwort der nIederSächSISchen mInISterIn<br />
Für wISSenSchaFt und <strong>Kultur</strong><br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />
Bildung ist wichtig für unser Leben und eine wesentliche<br />
Grundlage für die gesellschaftliche Teilhabe. Und ohne Kunst<br />
fehlte unserem Leben eine wichtige Facette. <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />
soll daher besonders jungen Menschen eine Teilhabe am kulturellen<br />
Leben ermöglichen. Sie soll zum differenzierten Umgang<br />
mit Kunst und <strong>Kultur</strong> befähigen und zum gestalterisch-ästhetischen<br />
Handeln in allen künstlerischen Sparten anregen.<br />
Die Bandbreite der 31 Mitglieder der Landesvereinigung<br />
<strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) <strong>macht</strong><br />
deutlich, wie vielfältig die Praxis der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung ist:<br />
Vom jungen Landesverband für Theaterpädagogik bis zur etablierten<br />
Landesarbeitsgemeinschaft Zirkus sind Verbände aus<br />
verschiedensten Kunstsparten vertreten.<br />
Die vom Land Niedersachsen geförderte Koordinationsstelle<br />
„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ steuert und initiiert Kooperationen<br />
zwischen außerschulischen kulturellen Bildungsträgern<br />
und <strong>Schule</strong>n. Damit sollen auch Kinder und Jugendliche mit<br />
Angeboten der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung erreicht werden, die bisher<br />
ausgeschlossen waren.<br />
Die LKJ setzt sich dafür ein, dass zwischen ihren Mitgliedsverbänden<br />
und den örtlichen <strong>Schule</strong>n Bildungspartnerschaften<br />
entstehen bzw. weiterentwickelt werden. Ein wichtiges<br />
Ergebnis dieser Netzwerkarbeit im Rahmen von „<strong>Kultur</strong><br />
<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ ist, dass fast die Hälfte der Mitgliedsverbände<br />
der LKJ kontinuierlich mit <strong>Schule</strong>n kooperiert. Zahlreiche weitere<br />
arbeiten in Projekten mit <strong>Schule</strong>n zusammen. Insgesamt<br />
haben ca. 80% der Mitgliedsverbände Formen der Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Schule</strong>n entwickelt.<br />
Damit leistet die LKJ einen wichtigen Beitrag, um die<br />
Infrastruktur für das Netzwerk der kulturellen Kinder- und<br />
Jugendbildung im Flächenland Niedersachsen zu sichern. Das<br />
Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK) fördert diese<br />
wertvolle Arbeit im Rahmen einer Zielvereinbarung, die bis<br />
zum Jahr 2013 für Planungssicherheit sorgt.<br />
Die kulturelle Jugendbildung hat für uns in Niedersachsen<br />
einen hohen Stellenwert. Dabei ist das Projekt „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />
<strong>Schule</strong>“ ein bedeutendes Element. Für das große Engagement<br />
bedanke ich mich herzlich und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.<br />
Prof. dr. Johanna wanka<br />
Niedersächsische Ministerin<br />
für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />
© Schäflein & Himmelreich // Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong>
nIederSächSISchen KultuSmInISterS<br />
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,<br />
die Zusammenarbeit zwischen <strong>Schule</strong>n und außerschulischen<br />
Partnern ist der Niedersächsischen Landesregierung ein besonderes<br />
Anliegen.<br />
So wirbt das niedersächsische Aktionsprogramm „Hauptsache:<br />
Musik“ seit mehr als 10 Jahren für die erfolgreiche Zu-<br />
sammenarbeit zwischen <strong>Schule</strong>n und außerschulischen musik-<br />
schaffenden Anbietern. Dies motiviert unsere Schüler/innen<br />
nachhaltig zur aktiven Gestaltung beim Singen, Musizieren<br />
oder Tanzen. Eindrucksvoll dokumentiert dies der alle zwei<br />
Jahre stattfindende Bläserklassentag in einer ausgewählten<br />
Stadt Niedersachsens, bei dem regelmäßig 2500 Schüler/<br />
innen gemeinsam musizieren.<br />
Als kompetenter Kooperationspartner haben sich auch die<br />
Musikschulen mit ihrem Musikalisierungsprogramm „Wir machen<br />
die Musik!“ erwiesen. Aber auch in anderen Bereichen der<br />
kulturellen Jugendbildung möchten wir die Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>Schule</strong>n und außerschulischen Partnern stärken.<br />
Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Tandem Kunst und <strong>Schule</strong>“,<br />
eine Kooperation zwischen Kunstschulen und <strong>Schule</strong>n im<br />
Raum Hannover. In Hildesheim wiederum nutzen begabte<br />
Schüler/innen der gymnasialen Oberstufe auch außerhalb der<br />
regulären Unterrichtszeiten die Räume der Hochschule für<br />
angewandte Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (HAWK) und entwickeln<br />
so ihre kreativ-gestalterischen Kompetenzen stetig weiter.<br />
Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />
e. V. (LKJ) vermittelt Angebote auf Nachfrage auch an<br />
<strong>Schule</strong>n in ländlichen Gebieten und an Brennpunktschulen und<br />
erweist sich dabei als engagierter und verlässlicher Partner.<br />
Diese Angebote ermöglichen Schülern/innen, wertvolle Erfah-<br />
© Sarah Gert // Niedersächsisches Kultusministerium GruSSwort deS<br />
Vor- und GruSSworte _5<br />
rungen im kreativ-gestalterischen Lernbereich, die sich wiederum<br />
positiv auf das Lernen in den Kernfächern auswirken.<br />
Die zunehmende Einrichtung des Ganztagsbetriebs an unseren<br />
<strong>Schule</strong>n eröffnet vielfältige Möglichkeiten, neue Prozesse<br />
in Gang zu setzen, Projekte anzugehen und Visionen für zukünftige<br />
Kooperationsmöglichkeiten zu entwickeln. Ich möchte Sie<br />
ausdrücklich ermutigen, hier kreativ und erfinderisch zu sein<br />
und alle Chancen zu nutzen. Allen <strong>Kultur</strong>schaffenden sollte es<br />
dabei ein Anliegen sein, ihre Projekte innerhalb und außerhalb<br />
der <strong>Schule</strong> immer weiter abzustimmen und Vernetzungssysteme<br />
auszubauen. Dadurch erzielte Synergieeffekte der Künste<br />
untereinander wirken sich gewinnbringend auf individuelle und<br />
gruppenspezifische Vorhaben aus, wie wir den folgenden Interviews<br />
und Präsentationen entnehmen können.<br />
Mein Dank gilt allen Erziehern/innen, unseren Lehrkräften,<br />
den Künstlern/innen und allen, die sich um die Persönlichkeitsentwicklung<br />
unserer Kinder und Jugendlichen verdient<br />
machen.<br />
Allen, die gemeinsam mit professionellen Künstlern/innen malen,<br />
musizieren und werken, wünsche ich viel Freude an dieser<br />
kreativen Arbeit.<br />
dr. Bernd althusmann<br />
Niedersächsischer Kultusminister
6_ Vor- und GruSSworte<br />
eInFührunG<br />
<strong>Kultur</strong>elle BIldunG – allheIlmIttel mIt rISIKen und neBenwIrKunGen<br />
anja Krüger<br />
Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />
Niedersachsen e. V. (LKJ),<br />
Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“,<br />
Hannover<br />
„Heranwachsende brauchen eine Welt, in der es – wie bei sportlichen<br />
Wettkämpfen – interaktiv zugeht. Sie müssen möglichst<br />
viele Herausforderungen meistern, damit die wichtigen Vernetzungen<br />
in ihrem Hirn entstehen können.“<br />
(Alexandra Rigos, Journalistin)<br />
Mit der kulturellen Jugendbildung ist es so wie mit Heranwachsenden.<br />
Sie braucht eine interaktive Welt mit möglichst vielen<br />
Anregungen, um überhaupt Fuß fassen zu können, wichtige<br />
Vernetzungen entstehen zu lassen und Herausforderungen<br />
zu meistern. Nur dann kann kulturelle Jugendbildung sich fließend<br />
gestalten. „Panta rhei!“ – „Alles fließt!“ – auf Griechisch<br />
mit Heraklit gesprochen. Alles ist in Bewegung, alles entwickelt<br />
sich und nichts bleibt so, wie es einmal war. Menschen<br />
sind in Bewegung und gestalten.<br />
Im Jahr 2010 feierte die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />
Niedersachsen e. V. (LKJ) ihr 30-jähriges Jubiläum,<br />
eine vergleichsweise junge Erscheinung, blickt man auf die<br />
lange Entwicklung von Kunst und <strong>Kultur</strong> zurück. Was treibt<br />
den Menschen dazu, vermeintlich nutzlose Dinge zu tun, wie<br />
ein Bild zu malen, eine Skulptur zu gestalten, eine Figur theatralisch<br />
auf die Bühne zu bringen oder einem Gefühl einen Tanz<br />
zu widmen? Forscher/innen können keine eindeutige Antwort<br />
geben, warum vor 40 000 Jahren die Venus vom Hohlen Fels<br />
kreiert wurde. Sie ist eine der ersten figürlichen Skulpturen,<br />
die zugleich Fortpflanzung und Geburt darstellt. Wie auch immer<br />
die Antwort zu diesem Rätsel ausfallen mag, der Paläoanthropologe<br />
Nicholas Conrad ordnet diese Figur der Kunst zu,<br />
weil sie nicht eindeutig, sondern mehrdeutig gestaltet ist.<br />
Kann auch <strong>Kultur</strong>elle Bildung mehrdeutig sein?<br />
was heißt das für <strong>Kultur</strong>elle Bildung und welche Bedeutung<br />
hat es für uns?<br />
Jugendliche werden künstlerisch und kreativ auf mehreren<br />
Ebenen angesprochen. Sie gewinnen den Freiraum der Gestaltung<br />
zurück und entwickeln, angeregt durch kreative Prozesse,<br />
Schlüsselkompetenzen, wie z. B. Selbstbewusstsein, Teamfähigkeit<br />
und Experimentierfreude. Kurzum, sie sind nicht nur<br />
kreativ, sondern bilden ganz nebenbei Schlüsselkompetenzen.<br />
Nicht nur die künstlerischen Ergebnisse entsprechen der<br />
Definition des Paläoanthropologen, auch die Beschäftigung<br />
der Jugendlichen an und für sich, ausgelöst durch kulturelle<br />
Vermittlungsmethoden, findet mehrgleisig statt.<br />
worin stecken nun die herausforderungen für <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung, wenn sie bildungswirksam für Jugendliche sein soll?<br />
Eines der höchsten Ziele ist die Forderung nach „<strong>Kultur</strong> für alle<br />
und möglichst von Anfang an“. Wo kann <strong>Kultur</strong>elle Bildung alle<br />
Jugendlichen erreichen? In der <strong>Schule</strong>. Zwei unterschiedliche<br />
Systeme treffen aufeinander und versuchen, sich anzunähern.<br />
Hierin steckt die erste Herausforderung für alle Beteiligten einer<br />
Kooperation. Die Maximen lauten: „Arbeiten auf Augenhöhe“<br />
oder „Entwickeln eines gemeinsamen Bildungsverständnisses“,<br />
das ist einfacher geschrieben, als in der Praxis umgesetzt.<br />
Das Kooperationsverständnis bleibt bei den meisten<br />
Projekten diffus und daraus entstehen Unzufriedenheit und<br />
Konflikte.<br />
Angebote <strong>Kultur</strong>eller Bildung im schulischen Alltag sind leider<br />
oft Anhängsel am Nachmittag. Auf den ersten Blick ist zu sehen,<br />
dass sich in Niedersachsen 1300 <strong>Schule</strong>n dem Ganztagsschulprinzip<br />
angeschlossen haben. Diese Tatsache gibt Hoffnung,<br />
impliziert sie doch die Möglichkeit eines Unterrichts, der<br />
nicht zwischen Vor- und Nachmittag unterscheidet, sondern<br />
den Tag als ein Gesamtes betrachtet. Auf den zweiten Blick<br />
ist zu erkennen, dass ein Großteil dieser Ganztagsschulen<br />
offene Ganztagsschulen sind, was so viel bedeutet, dass der<br />
verpflichtende Unterrichtsanteil nur am Vormittag stattfindet.<br />
Dementsprechend ist das Nachmittagsangebot inhaltlich<br />
nicht mit dem Vormittag verzahnt, weil kein Gesamtkonzept<br />
für den ganzen Tag vorliegt. Solange niedersächsische Ganztagsschulen<br />
offene Ganztagsschulen sind, wird <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung meist ein Anhängsel bleiben. Trotzdem hat <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung auch in <strong>Schule</strong>n Hochkonjunktur, es soll ein Allheilmittel<br />
zur Bekämpfung des Virus „Pisa-Misere“ sein. Einige Risiken<br />
des Mittels wurden soeben beschrieben. Die Nebenwirkungen<br />
gestalten sich für Kinder und Jugendliche positiv. Es fördert<br />
quasi nebenbei ihre Kompetenzentwicklung, gibt ihnen Selbstvertrauen<br />
und setzt Impulse in ihrer Bildungsbiografie. Welche<br />
Formen das vermeintliche Allheilmittel in Niedersachsen entwickelt<br />
hat, ist exemplarisch in dieser Veröffentlichung zusammengetragen.<br />
Niedersachsen ist eine blühende Heilmittelapotheke. <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung gestaltet sich immer bunter und vielfältiger. „<strong>Kultur</strong><br />
<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ ist eine relativ junge Arznei, welche ihr Entfaltungspotenzial<br />
noch entwickelt und besonders unerprobte<br />
Medizin braucht viel Aufmerksamkeit, um ihre volle Wirkung<br />
entfalten zu können.<br />
Die naturwissenschaftliche Forschung versucht, Wirkungsweisen<br />
von <strong>Kultur</strong>eller Bildung im Gehirn zu fixieren. Neurobiologisch<br />
betrachtet, setzt künstlerische Betätigung Impulse im Gehirn<br />
frei. Das bestätigt die Ausgangsthese, dass Heranwachsende<br />
und <strong>Kultur</strong>elle Bildung in ihrer Entwicklung auf Impulse angewiesen<br />
sind, um Vernetzungen entstehen lassen zu können.<br />
© Schäflein & Himmelreich
© Schäflein & Himmelreich<br />
Aus Sicht der Forschung zur <strong>Kultur</strong>ellen Bildung beschreiben<br />
christoph Schönfelder und henrik cohnen von der Initiative<br />
ästhetische Erfahrung im ersten Teil der Publikation anschaulich<br />
zwei Momente menschlichen Handelns: Krise und Routine.<br />
Sie sehen in der persönlichen Krisenlösung ein Potenzial<br />
ästhetischer Erfahrung, die Basis von jeglicher Erkenntnis<br />
ist. Zur Krisenlösung bedarf es an Schlüsselkompetenzen, die<br />
Kinder und Jugendliche als Engagierte in <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
erfahren und erlernen.<br />
Die landesweite Förderung von <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> stellen<br />
annette Schwandner vom Ministerium für Wissenschaft und<br />
<strong>Kultur</strong> und marion heuer vom Kultusministerium im zweiten Teil<br />
dar. Die Entwicklung und den Stand der Dinge zeigt die Redaktion<br />
in Vertretung der lKJ in Form ihrer aktuellsten Datenerhebung<br />
und in einem Interview mit dem Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong><br />
<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“. Zu der Frage, wie durch Lehrer-Fortbildungen<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung in <strong>Schule</strong>n qualitativ verbessert werden<br />
kann, geben thomas lang und claudia wenzel von der Bundesakademie<br />
für kulturelle Bildung Wolfenbüttel am Beispiel der<br />
Qualifizierung „Filmlehrer“ Antwort.<br />
Beispiele regionaler Gesamtkonzepte zur Förderung von <strong>Kultur</strong>eller<br />
Bildung in <strong>Schule</strong> kommen aus Hannover, Oldenburg und<br />
Osnabrück. Gelungene Vernetzungen einzelner Institutionen<br />
zeigen Katrin tesch löwensprung und anke Persson vom Theaterpädagogischen<br />
Zentrum Hildesheim und wolfgang Pruisken<br />
von der Landesarbeitsgemeinschaft Zirkus. Alle Vernetzungsmodelle<br />
sind im dritten Teil des Heftes zu finden.<br />
Vor- und GruSSworte _7<br />
Im vierten und fünften Teil werden aus unterschiedlichen Spar-<br />
ten und verschiedenen Wirkungsfeldern exemplarisch Koopera-<br />
tionen zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong> präsentiert. Die Sammlung<br />
hegt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern bildet im<br />
Querschnitt die Praxis-Vielfalt der niedersächsischen Bildungslandschaft<br />
ab.<br />
Trotz einer Vielzahl von vorbildlichen Kooperationsprojekten<br />
verursacht der Umgang mit dem Allheilmittel Risiken. Nur wer<br />
ist der Apotheker, der befragt werden kann? Die Hirnforschung<br />
belegt, dass das menschliche Gehirn auf Impulse angewiesen<br />
ist, nur dann kann es vernetzen, umformen und gestalten.<br />
Risiken werden durch Impulse <strong>Kultur</strong>eller Bildung neutralisiert.<br />
Das ist Grund genug, weiterhin Ideen zu entwickeln und<br />
sie in die Welt zu schicken.<br />
Die Forschung der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung ahnt zudem, dass kreatives<br />
Tun für die Entwicklung und Selbstwirksamkeit von Kindern<br />
und Jugendlichen förderlich ist, aber sucht weiterhin nach geeigneten<br />
Messverfahren, um die Auswirkung <strong>Kultur</strong>eller Bildung zu<br />
belegen.<br />
Lehrer/innen und <strong>Kultur</strong>schaffende mit Kooperationserfahrungen<br />
kennen die Risiken, nehmen sie aber für die positiven<br />
Nebenwirkungen in Kauf. Kinder und Jugendliche, die an <strong>Kultur</strong><br />
teilhaben, genießen und nutzen die heilsame Wirkung des<br />
Mittels „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ längst. Bleibt zu hoffen, dass es<br />
für „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ auf allen Ebenen weitere Impulse<br />
geben wird, die die Risiken neutralisieren werden und positive<br />
Effekte, wie die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen, im<br />
Bildungskanon mit sich bringen.
1. ForSchunG<br />
und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />
„<strong>Kultur</strong>elle Bildung in den Künsten und durch sie ist integraler Bestandteil der allgemeinen<br />
Bildung von Anfang an. Sie ermöglicht und befördert Selbstbildungsprozesse wie Wahrnehmung,<br />
Verhalten, Werthaltungen, Identität sowie Lebensgestaltung. Sie erweitert eine Vielzahl<br />
individueller und sozialer Kompetenzen und stärkt gesellschaftspolitische Verantwortungsfähigkeit.<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung sensibilisiert für unterschiedliche kulturelle Bedeutungssysteme<br />
und stärkt kreativ-künstlerische Entwicklungsprozesse. [...] Einen besonderen Platz hat die<br />
kulturelle Bildung in der <strong>Schule</strong>. Hier ist sie Bildung in den Künsten, aber auch Bildung zur<br />
Orientierung in der Welt durch die Künste.“<br />
(Stellungnahme des Deutschen <strong>Kultur</strong>rats, „<strong>Kultur</strong>elle Bildung in der <strong>Schule</strong>“, Berlin, 7. Januar 2009)
© Jonas Gonell<br />
ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _9<br />
1.1 warum SInd dIe Sterne So unordentlIch VerteIlt?<br />
üBer dIe PotenzIale FrühKIndlIcher <strong>Kultur</strong>eller BIldunG<br />
Vanessa-Isabelle reinwand<br />
Prof. Dr., Juniorprofessorin für <strong>Kultur</strong>elle Bildung am Institut für<br />
<strong>Kultur</strong>politik der Universität Hildesheim<br />
Der Denkanstoß von Fischli/Weiss: „Warum sind die Sterne<br />
so unordentlich verteilt?“ in ihrem kreativen Büchlein „Findet<br />
mich das Glück?“ führt uns geradewegs hinein in das Thema<br />
der Forschung über die Umsetzung frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller<br />
Bildung. Damit ist im Folgenden <strong>Kultur</strong>elle Bildung für Kinder<br />
der Altersgruppe von 0 bis 10 Jahren, also im Kindergarten-<br />
und Grundschulalter gemeint. Man kann auf die ungewöhnliche<br />
Frage der beiden Autoren mindestens drei Impulse mit Blick<br />
auf das Feld der frühkindlichen <strong>Kultur</strong>ellen Bildung anführen.<br />
Potenziale frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
Der erste Denkimpuls widmet sich dem Verständnis von Bildung,<br />
wenn wir die oben genannte Frage als diejenige eines<br />
Kindes verstehen, das Welt begreifen möchte. In der in den<br />
letzten Jahren wieder neu aufgeworfenen Diskussion um frühkindliche<br />
(<strong>Kultur</strong>elle) Bildung geht man von der Grundannahme<br />
aus, dass Lern- und (Selbst-)Bildungsprozesse besonders in<br />
den ersten Jahren durch konkrete Lernanlässe (Personen, Gegenstände,<br />
Situationen...) der Lebenswelt motiviert sind. Die<br />
Aufgabe, insbesondere von <strong>Kultur</strong>eller Bildung, liegt darin, die<br />
kindliche Art und Weise Welt zu entdecken, sich neugierig Wissen<br />
anzueignen und Erfahrungen zu machen und zu unterstützen.<br />
Es gilt, eine Atmosphäre zu schaffen, in der immer wieder<br />
neue Fragen aufgeworfen, aber diese nicht sofort abschließend<br />
und erschöpfend durch einen Erwachsenen beantwortet<br />
bzw. gelenkt werden. Das geeignete Medium, durch das diese<br />
Form der Weltaneignung und Selbstbewusstwerdung geschehen<br />
kann, bilden die Künste wie Musik, Tanz, Theater, Bildende<br />
Kunst, Zirkus etc., die sinnliche Möglichkeitsräume darstellen<br />
ohne ein festes Curriculum vorzugeben.<br />
Es ist also, dem skizzierten Bildungsverständnis folgend,<br />
nicht die Intention von frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung, aus<br />
Kindern professionelle Künstler/innen zu machen oder sie<br />
grundsätzlich schon als solche anzusehen, sondern sinnliche<br />
Lern- und Bildungsprozesse zu ermöglichen und zu begleiten.<br />
Kinder lernen in den ersten Jahren vor allem durch konkrete,<br />
dingliche Erfahrungen, welche künstlerisches Handeln zahlreich<br />
zur Verfügung stellt. Ästhetische Symbole nehmen dabei<br />
die Funktion von „Übergangsobjekten“ (Winnicott 1985) ein,<br />
wie Mollenhauer (1996, S. 260) feststellt, d. h. sie vermitteln<br />
zwischen der Innenwelt des Kindes und der äußeren sozialen<br />
Realität. So fördert z. B. eine qualitativ hochwertige musikalische<br />
Bildung Basisfähigkeiten wie Zuhören, Aufmerksamkeit<br />
und Sprachkompetenzen durch die Auseinandersetzung<br />
mit Tonhöhe, Rhythmus, Melodie oder auch das Einhalten<br />
von Pausen. Theater dagegen lebt von sinnlich erfahrbarem<br />
Textverständnis, kann soziales und kommunikatives Verhalten<br />
befördern (vgl. z. B.. Liebau/Klepacki/Zirfas 2009) und<br />
unterstützt die Erprobung verschiedener Wirklichkeiten und<br />
die Mentalisierung, d. h. die für sprachliche Prozesse wichtige<br />
Fähigkeit, andere als „geistige Akteure“ (Tomasello 2006,<br />
S. 228) zu verstehen. Im Tanz wiederum können motorische<br />
Fähigkeiten entwickelt werden, die Ausbildung eines Raum-<br />
und Körpergefühls (z. B. Westphal 2008) wird unterstützt und<br />
die Selbstwahrnehmung reflektiert. In der frühen Beschäftigung<br />
mit Bildender Kunst stehen wieder andere Potenziale<br />
im Mittelpunkt: Materialerfahrung, Veränderung von Perspektiven,<br />
aktive Gestaltung der Umwelt und dadurch verstärkte<br />
Beziehungserfahrungen (vgl. z. B. Peez 2005).<br />
Leicht ließe sich diese „Potenzial-Liste“ auf andere Kunstsparten<br />
und natürlich auch um zusätzliche Dimensionen erweitern.<br />
Wie die unterschiedlichen Künste tatsächlich rezeptiv<br />
und/oder produktiv auf Kinder wirken, hängt also stark von<br />
der Kunstsparte ab, jedoch auch vom jeweiligen Angebot, der<br />
Qualität und Professionalität der Durchführung und nicht zu-<br />
letzt von der Individualität jedes einzelnen Kindes, was die<br />
Transfer- und Wirkungsforschung der Kuturellen Bildung<br />
schwierig gestaltet. Zudem <strong>macht</strong> es wenig Sinn, (frühe)<br />
kulturelle Bildungsangebote isoliert von der Lebenswelt<br />
der Kinder zu untersuchen, was jedoch für eine eindeutige<br />
Kausalität zwischen Intervention und Entwicklung wissenschaftlich<br />
notwendig wäre.<br />
Dennoch attestieren – meist aufgrund von methodisch gestützten<br />
Beobachtungen – (Forschungs-)Projekte in Niedersachsen,<br />
Potenziale frühkindlicher <strong>Kultur</strong>eller Bildung (Landeshauptstadt<br />
Hannover, Fachbereich Bildung und Qualifizierung)<br />
oder positive Transfereffekte wie mit „Zeig mal – lass<br />
hören!“ (Universität Hildesheim). Bei einigen Projekten wie<br />
„Mit Musik geht manches besser!“ (Technische Universität<br />
Braunschweig) oder „Musik, Malen und die kindliche Entwicklung“<br />
(Universitätsmedizin Göttingen) darf man auf die Ergebnisse<br />
gespannt sein. Das Niedersächsische Institut für frühkindliche<br />
Bildung und Entwicklung (nifbe) trägt dazu bei, dass<br />
auch in der Ästhetischen und <strong>Kultur</strong>ellen Bildung nach und<br />
nach aussagekräftige Ergebnisse entstehen. Und das Kompetenzzentrum<br />
Frühe Kindheit Niedersachsen an der Universität<br />
Hildesheim stärkt die interdisziplinäre Forschung in Bezug auf<br />
diese Altersgruppe und besitzt eine eigene Forschungseinheit<br />
zum Thema „Ästhetisch-<strong>Kultur</strong>elle Bildung“. Insgesamt sind<br />
die Künste in ihrer jeweiligen und individuellen Wirkungsweise<br />
jedoch noch ungenügend erforscht. Im Bereich der Effekte<br />
früher musikalischer Bildung und Bewegungsförderung existieren<br />
wohl derzeit die meisten Studien, andere Sparten sind<br />
noch weit weniger ergründet.<br />
Frühkindliche <strong>Kultur</strong>elle Bildung für alle in niedersachsen?<br />
„Warum sind die Sterne so unordentlich verteilt?“ In einer zweiten<br />
Lesart können wir diese Eingangsfrage als Anstoß nehmen,<br />
um über Chancengerechtigkeit in der frühen <strong>Kultur</strong>ellen<br />
Bildung und eine „<strong>Kultur</strong>politik für Kinder“ (Schneider 2009)<br />
nachzudenken. Das Recht aller Kinder auf Teilhabe am kultu-
10_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />
rellen und künstlerischen Leben ist in der UN-Kinderrechtskonvention<br />
„Übereinkommen über die Rechte des Kindes“<br />
(1989) in Artikel 31 festgehalten. Im Bildungsauftrag der niedersächsischen<br />
Tageseinrichtungen für Kinder (2002) werden<br />
immerhin als Lernziele die Stärkung der Persönlichkeit und<br />
auch die Förderung von „Erlebnisfähigkeit, Kreativität und<br />
Fantasie“ (§2(1)) formuliert, während im Niedersächsischen<br />
Schulgesetz (2011) in dem analogen § 2 (1) „Bildungsauftrag<br />
der <strong>Schule</strong>n“ Schüler/innen sehr allgemein befähigt werden<br />
sollen, „nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse<br />
und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten“. Auch die<br />
Niedersächsische Verfassung (1993) vermittelt mit der knappen<br />
Äußerung – „Das Land, die Gemeinden und die Landkreise<br />
schützen und fördern Kunst, <strong>Kultur</strong> und Sport“ (Artikel 6) –<br />
nicht gerade den Anschein eines <strong>Kultur</strong>staates.<br />
An diesen Stellen wie auch durch die Bundesländerstudie<br />
„<strong>Kultur</strong>politik für Kinder“ (Schneider 2009) gewinnt man insgesamt<br />
den Eindruck, dass (frühe) <strong>Kultur</strong>elle Bildung und die<br />
Verstetigung in Form von kulturpolitischen Konzepten für<br />
Kinder in Niedersachsen noch deutlichen Nachholbedarf besitzt.<br />
In den letzten Jahren sind zwar viele sinnvolle Kita- und<br />
Schulprojekte über die Initiative „Musikland Niedersachsen“<br />
des Ministeriums für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK) angestoßen<br />
worden, allerdings führt diese Entscheidung dazu,<br />
dass andere Kunstsparten dauerhaft im Schatten stehen.<br />
Auch durch eine „Rahmenvereinbarung zwischen der LKJ und<br />
dem Niedersächsischen Kultusministerium“ (2004) und einer<br />
Zielvereinbarung mit dem MWK und dem Koordinationsbüro<br />
„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ (2005) wurde viel erreicht. Um nachhaltige<br />
Konzepte zu befördern, mangelt es jedoch nach wie vor an<br />
vertikalen wie horizontalen Netzwerken (vgl. auch Schneider<br />
2009, S. 75): zwischen Kitas, <strong>Schule</strong>n und <strong>Kultur</strong>einrichtungen,<br />
zwischen Einrichtungen auf kommunaler Ebene und in<br />
der Zusammenarbeit der drei Zuständigkeiten <strong>Kultur</strong>, Kultus<br />
und Jugend/Soziales auf der föderalen Ebene. Nicht zuletzt<br />
erschwert die Fläche des Landes Niedersachsen eine „ordentliche<br />
Verteilung der Kunststerne“ auf alle Kinder, in urbanen<br />
wie ländlichen Gebieten.<br />
<strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>:<br />
eine stabile Partnerschaft in niedersachsen?<br />
Daran anknüpfend, beschäftigt sich ein dritter und letzter Frageimpuls<br />
mit dem Status quo früher kultureller Bildungsprojekte<br />
mit und in Kitas sowie <strong>Schule</strong>n im Land Niedersachsen. Auch<br />
hier gibt es zahlreiche „Sterne“, die jedoch längst nicht den Alltag<br />
in den Bildungseinrichtungen darstellen. Positiv beispielhaft<br />
erwähnt sei hier die Tanzcompagnie Fredeweß, die seit Jahren<br />
Tanzprojekte in Kooperation mit <strong>Schule</strong>n durchführt. Aber auch<br />
gelungene Kita-Projekte wie das „Mobile Atelier“ zeigen, dass<br />
Künstler/innen und Bildungseinrichtungen durchaus harmonisch<br />
zusammenarbeiten können, wenn auch die Herangehensweisen,<br />
Vorstellungen über Kunst und Pädagogik sowie die Zeitrhythmen<br />
oft – verständlicherweise – sehr unterschiedlich sind.<br />
Abschließend, wenn man alle engagierten Initiativen, die hier<br />
nicht zur Erwähnung kommen konnten, in das Blickfeld nimmt,<br />
ist zu konstatieren, dass sich in Niedersachsen die Akteure<br />
von <strong>Kultur</strong>einrichtungen und Kitas/<strong>Schule</strong>n durchaus schon<br />
gegenseitig öfter besuchen – der eine ist allerdings immer<br />
noch „nur“ Gast im Haus des anderen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.uni-hildesheim.de<br />
lIteratur:<br />
Fischli, Peter/weiss, david (2007): Findet mich das Glück?<br />
Köln.<br />
landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung niedersachsen/<br />
niedersächsisches Kultusministerium (2004):<br />
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Ganztagesschulen. [http://lkjnds.de/index.php?kms_in_<br />
aller_kuerze, 07. 12. 2011].<br />
liebau, eckart/Klepacki, leopold/zirfas, Jörg (2009):<br />
Theatrale Bildung: Theaterpädagogische Grundlagen und<br />
kulturpädagogische Perspektiven für die <strong>Schule</strong>. Weinheim.<br />
mollenhauer, Klaus (1996): Grundfragen ästhetischer<br />
Bildung. Theoretische und empirische Befunde zur<br />
ästhetischen Erfahrung von Kindern. Weinheim.<br />
niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und<br />
entwicklung (2011): Transfer- und Forschungsprojekte<br />
im nifbe. Projektreader [http://nifbe.de/pages/posts/<br />
nifbe-kongress-zeigt-wege-zur-kita-2020-auf-381.php,<br />
10. 10. 2011].<br />
niedersächsisches Kultusministerium (2002): Gesetz über<br />
Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) in der Fassung vom<br />
7. Februar 2002 (Nds.GVBL. Nr.6/ 2002, S. 57).<br />
[www.schure.de/2113003/kitag.htm#p1, 07.12. 2011].<br />
niedersächsisches Kultusministerium (2011): Niedersächsisches<br />
Schulgesetz (NSchG). [www.mk.niedersachsen.de/<br />
portal/live.php?navigation_id=24742&article_id=6520&_<br />
psmand=8, 07.12. 2011].<br />
niedersächsischer landtag (1993): Niedersächsische<br />
Verfassung vom 19. Mai 1993. [www.recht-niedersachsen.<br />
de/verfnds/verfin.htm, 07. 12. 2011].<br />
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Schneider, wolfgang (2009): <strong>Kultur</strong>politik für Kinder. Eine<br />
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coalition.de/pdf/UN-Kinderrechtskonvention.pdf, 10.10. 2011].<br />
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(Hrsg.). Tanzwelten. Münster, S. 45 – 64.<br />
winnicott, donald (1985): Vom Spiel zur Kreativität. Stuttgart.
1.2 daS <strong>Kultur</strong>ell lernende GehIrn<br />
neuroBIoloGISche GrundlaGen <strong>Kultur</strong>eller BIldunG<br />
Kristian Folta-Schoofs<br />
Prof. Dr., Juniorprofessur für Neurobiologische Grundlagen des<br />
Lernens am Institut für Psychologie, Universität Hildesheim,<br />
Mitglied der interdisziplinären Sprechergruppe des Kompetenzzentrums<br />
Frühe Kindheit Niedersachsen<br />
In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Bild vom Menschen<br />
durch die Vorstellung eines „Homo oeconomicus“ geprägt –<br />
einem vorwiegend rational und logisch denkenden Wesen, dessen<br />
allgemeine Informationsverarbeitung Wissenschaftler/<br />
innen weitestgehend vollständig durch die Prinzipien der rationalen<br />
Vernunft und der logischen Analyse von Zusammenhängen<br />
der Welt geleitet ansahen. Der Kerngedanke von Bildung reduzierte<br />
sich entsprechend eines solchen Menschenbildes auf die<br />
Vermittlung von Faktenwissen und rationalen Problemlöse- und<br />
Denkstrategien. Heute widersprechen die neuesten hirnbiologischen<br />
Erkenntnisse der Neurowissenschaften einer primär von<br />
der Vernunft geleiteten Sichtweise vom menschlichen Erleben<br />
und Verhalten. Im Gegensatz zum Menschenbild eines „Homo<br />
oeconomicus“ lassen die Erkenntnisse der Neurowissenschaftler/<br />
innen vermuten, dass der Mensch und dessen alltägliche Erlebens-<br />
und Verhaltensweisen durch vielfältige wechselseitige<br />
Abhängigkeiten zwischen sozialen, emotional-ganzheitlichen<br />
sowie rational-logischen und sequenziell-analytischen Wahrnehmungs-,<br />
Lern- und Bewertungsprozessen beeinflusst wird.<br />
Mit der Anerkennung neurowissenschaftlicher Methoden und<br />
Erkenntnisse, veränderte sich in den vergangenen zehn Jahren<br />
auch die Diskussion um die Inhalte und Ziele frühkindlicher und<br />
kindlicher Bildungsprozesse. Aus dem neuen Menschenbild ist<br />
die Idee einer pädagogisch sinnvollen Integration von analytischen<br />
und emotional-ganzheitlichen Wahrnehmungs-, Lern-<br />
und Bewertungsprozessen erwachsen. Sie trägt gegenwärtig in<br />
einem ganz entscheidenden Maße dazu bei, dass die öffentlich<br />
geführte Diskussion um die Bedeutung von <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
für eine hirngerechte kindliche Entwicklung und sinnvolle pädagogische<br />
Förderung eine wachsende Zahl an Fürsprechern<br />
erhält. Schließlich wird die/der Lernende im Zuge einer erfolgreichen<br />
kulturellen Lernentwicklung in einem ganz besonderen<br />
Ausmaß dazu befähigt, sich selbst und der eigenen sozialen<br />
und gegenständlichen Welt sowohl rational als auch sozio-emo-<br />
tional kompetent begegnen zu können. Von Seiten der Neurowissenschaften<br />
erhoffen sich die Befürworter und Protago-<br />
nisten <strong>Kultur</strong>eller Bildung vielerlei Antworten zu bisher ungelösten<br />
Fragen einer altersgerechten und entwicklungsförderlichen<br />
Gestaltung von Inhalten und Rahmenbedingungen<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Lernens.<br />
Neurowissenschaftlich gesehen, beinhaltet das <strong>Kultur</strong>elle Lernen<br />
alle zeitlich langfristigen Veränderungen von neuronalen<br />
Strukturen und Prozessen, die zu Veränderungen im Verhalten<br />
oder Verhaltenspotenzial führen und ganz unmittelbar an<br />
kulturelle Erfahrung, Übung und/oder Beobachtung gebunden<br />
sind. Die neurobiologische Ausformung und Strukturierung von<br />
ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _11<br />
erlebens- und verhaltensrelevanten Hirnregionen, die einer so<br />
komplexen Lernform wie dem <strong>Kultur</strong>ellen Lernen zugrunde liegen,<br />
erfolgt mit hoher Wahrscheinlichkeit erst ab dem dritten<br />
Lebensjahr, erreicht mit etwa dem 12. Lebensjahr einen vorläufigen<br />
Höhepunkt und gilt mit dem Erreichen des 25. Lebensjahres<br />
als weitestgehend abgeschlossen. Die Tatsache, dass<br />
das Gehirn des Menschen im Prinzip bis ins hohe Lebensalter<br />
hinein strukturellen und funktionalen Veränderungen unterworfen<br />
sein kann, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass<br />
die neuronalen Voraussetzungen einer erfolgreichen <strong>Kultur</strong>ellen<br />
(Weiter-)Bildung im Erwachsenenalter bereits während<br />
der ersten Lebensjahre geschaffen werden. Daher tragen die<br />
individuellen Lern- und Sozialisationserfahrungen der ersten<br />
Lebensjahre eines Kindes ganz maßgeblich dazu bei, welche<br />
Gewichtungen den rationalen und emotionalen Verarbeitungsprozessen<br />
für den Aufbau des eigenen Weltwissens und die<br />
aus solchem Wissen abgeleitete eigene Sicht auf die belebte<br />
und unbelebte Natur zukommt. Solchen komplexen Veränderungen<br />
gehen einige bedeutsame Hirnentwicklungen voraus,<br />
die sich während der ersten drei Lebensjahre eines Kindes<br />
beobachten lassen. So stabilisieren und strukturieren sich im<br />
Zuge von ersten frühkindlichen Erfahrungen zunächst die für<br />
die Willkürmotorik und Körpersensibilität verantwortlichen<br />
zentralen Hirnrindenbereiche, gefolgt von Hirnrindenarealen,<br />
die dem visuell-räumlichen Sehen, der Koordination von<br />
Seheindrücken und der Generierung von visuell geleiteten motorischen<br />
Handlungen zugrunde liegen.<br />
Die für komplexe Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozesse,<br />
die Steuerung und Bewertung von sozialen Interaktionen<br />
und für Entscheidungen und Problemlösungen erforderlichen<br />
Informationsverarbeitungsnetzwerke der assoziativen Hirnrinde<br />
(dem sogenannten Assoziationscortex) entwickeln sich<br />
in wesentlichen Teilen erst nach dem dritten Lebensjahr. Da<br />
diese Fähigkeiten eine unerlässliche Grundlage für kulturelle<br />
Lernprozesse darstellen, kann <strong>Kultur</strong>elle Bildung nach neurowissenschaftlichem<br />
Verständnis erst zwischen dem 3. und 12.<br />
Lebensjahr erfolgreich dazu beitragen, dass Informationen der<br />
Welt emotional-ganzheitlich und sequenziell-logisch analysiert,<br />
und in der Folge einer solchen Analyse, integrierte Weltsichtrepräsentationen<br />
konstituiert werden, die dem Kind im gleichen<br />
Ausmaß rationale wie emotionale und ganzheitliche Betrachtungsweisen<br />
ermöglichen.<br />
Derartige, im Zuge von <strong>Kultur</strong>eller Bildung angestoßene Prozesse<br />
manifestieren sich vor allem im limbischen System des Gehirns,<br />
das aus einem funktionalen Netzwerk von Hirnbereichen<br />
besteht, welches sich für Lern- und Gedächtnisprozesse, die Generierung,<br />
Festigung und Differenzierung von Weltwissen und<br />
die emotionale Verarbeitung und Wertung von Sinnesinformationen<br />
verantwortlich zeichnet. Innerhalb des limbischen Systems<br />
lassen sich zwei bedeutsame neuronale Schaltkreise, den<br />
Papez-Neuronenkreis und basolateral-limbischen Kreis voneinander<br />
unterscheiden. Während dem Papez-Neuronenkreis eine
12_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />
dominante Rolle für die sachlich-logische Analyse zukommt,<br />
spielt der basolateral-limbische Kreis eine dominantere Rolle<br />
für die emotionale Analyse abzuspeichernden Weltwissens.<br />
Beide Schaltkreise verfügen über gemeinsame Schnittstellen<br />
und wechselseitige Projektionen, die eine Kommunikation<br />
zwischen beiden Neuronenkreisen ermöglichen. Zudem finden<br />
sich die Kreisläufe sowohl in der linken wie auch in der rechten<br />
Hirnhälfte und können sich wechselseitig interhemisphärisch<br />
beeinflussen.<br />
Einige Wissenschaftler/innen argumentieren, dass emotionales<br />
und ganzheitliches Weltwissen mit raum-zeitlichen und<br />
persönlichen Bezügen im Assoziationscortex der rechten Hemisphäre<br />
repräsentiert und dominant über diese Hirnhälfte<br />
abgerufen wird. Emotionsfreies analytisches Wissen der Welt<br />
soll hingegen dominant in der linken Hirnhälfte gespeichert<br />
und auch von dort abgerufen werden. Wäre diese Sichtweise<br />
korrekt, so stellt sich die Frage, wie es zu einer funktionalen<br />
Spezialisierung der beiden Hirnhälften in Bezug auf die Einspeicherung<br />
und den Abruf von Wissensinhalten kommen kann.<br />
Hier lässt sich bisher nur vermuten, dass bereits während der<br />
Festigung und dauerhaften Abspeicherung des Weltwissens<br />
die Prozesse des Papez-Neuronenkreises und des basolateral-<br />
limbischen Kreises in beiden Hemisphären unterschiedlich<br />
stark gewichtet werden. So könnte dem basolateral-limbischen<br />
Kreis der linken Hirnhälfte nur eine sehr geringe Bedeutung für<br />
die emotionale Festigung des Weltwissens zukommen. Dadurch<br />
würde der Konstitutionsprozess der linken Hirnhälfte Informationen<br />
stärker emotionsfrei (d. h. dominant durch den Papez-<br />
Neuronenkreis) kodieren und diese als emotionsfreies und analytisches<br />
Faktenwissen im Assoziationskortex derselben Seite<br />
dauerhaft repräsentieren. In der rechten Hirnhälfte könnten<br />
hingegen die Prozesse des basolateral-limbischen Kreislaufs<br />
dominant berücksichtigt werden. Entsprechend einer solchen<br />
Sichtweise von lateralisierten Verhaltensfunktionen würde <strong>Kultur</strong>elles<br />
Lernen dazu anleiten, dass Informationsverarbeitungsprozesse<br />
der linken und rechten Hirnhälfte im gleichen Maße<br />
zu Wahrnehmungs-, Denk- und Entscheidungsprozessen des<br />
Kindes beitragen können.<br />
Zusammenfassen lässt sich aus den wenigen bisher verfügbaren<br />
Erkenntnissen der Neurowissenschaften ableiten, dass der<br />
für <strong>Kultur</strong>elle Bildung sinnvoll anzusetzende Zeitraum zwischen<br />
dem 3. und 12. Lebensjahr gesetzt werden sollte, wenngleich<br />
ganz unbestritten auch in späteren Lebensjahren Förderungen<br />
durchaus noch sinnvoll sein können. Dennoch wird das heranwachsende<br />
Kind in jüngeren Lebensjahren in einem besonderen<br />
Maße dazu befähigt, die grundsätzlich verfügbaren Ebenen analytischer<br />
und emotionaler Wahrnehmungs-, Denk- und Bewertungsweisen<br />
in einem vergleichbaren Ausmaß zu gewichten. Die<br />
Grundlage für solche Gewichtungen bilden dauerhafte Modulationen<br />
der Informationsverarbeitung innerhalb und zwischen<br />
den beiden Hirnhälften, die auch eine bedeutende Grundlage<br />
der Persönlichkeitsbildung darstellen könnten. Einer potenziellen<br />
Ausweitung des Konzeptes der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung auf die<br />
ersten drei Lebensjahre eines Kindes sollte angesichts der bisherigen<br />
Befunde zur kindlichen Hirnentwicklung eher kritisch<br />
begegnet werden.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.fruehe-kindheit-niedersachsen.de<br />
lIteratur:<br />
afifi, adel K./Bergmann, ronald a. (2005):<br />
Functional Neuroanatomy. 2nd edition. New York.<br />
Kandel, eric r./Schwartz, James h./Jessell, thomas m. (2000):<br />
Principles of Neural Science. 4th Edition. New York.<br />
Pritzel, monika/Brand, matthias/markowitsch,<br />
hans J. (2003): Gehirn und Verhalten: Ein Grundkurs der<br />
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Purves, dale/Brannon, elizabeth m./cabeza, roberto/<br />
huettel, Scott a./laBar, Kevin S./Platt, micheal l./woldorff,<br />
marty G. (2008): Principles of Cognitive Neuroscience.<br />
Sunderland, Mass.<br />
© Schäflein & Himmelreich (Bildrechte: LKJ Nds e.V.)
1.3 QuarKS & wIrKS<br />
VernetzteS denKen und handeln In der <strong>Kultur</strong>ellen BIldunG<br />
Juliane Steinmann<br />
Dipl.-<strong>Kultur</strong>pädagogin, Theaterpädagogin, Gastdozentin an der<br />
Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK)<br />
Hildesheim<br />
Der Physiker Nick Herbert vergleicht die Erforschung von Quanten<br />
mit dem Schicksal König Midas’, der niemals etwas anfassen<br />
konnte, ohne dass es sich sofort zu Gold verwandelte:<br />
Genauso können wir, laut Herbert, niemals die wahre Struktur<br />
der Quanten erfahren, ohne diese gleichzeitig – allein durch<br />
unsere Beobachtung – in Material umzuwandeln (vgl. Bohm/<br />
Peat 1990, S. 33). 1 Macht es also Sinn, Eigenschaften und Qualitäten<br />
von subatomaren Partikeln zu bestimmen, wenn diese<br />
ausschließlich in Anwesenheit eines Beobachters auftreten 2<br />
(vgl. ebd., S. 35)? Weiter fand David Bohm, Atomphysiker, dass<br />
manche Dinge auf Quantenebene sich in klarer Ordnung befanden,<br />
andere scheinbar in Unordnung. Bei näherer Untersuchung<br />
stellte sich jedoch heraus, dass die Unordnung tatsächlich eine<br />
höhere Ordnung darstellte und deshalb schwerer zu erkennen<br />
war (vgl. ebd., S. 40 ff.).<br />
Subatomare Partikel zeichnen sich durch ihre Wandelbarkeit<br />
und Bewegung aus. Quanten sind auf subatomarer Ebene in<br />
ihrer Position nicht festgelegt. Sie können überall zugleich und<br />
insofern auch nicht von etwas anderem getrennt sein. Physiker/<br />
innen nennen das „Nonlocality“ (Nicht-Ortsgebundenheit) –<br />
eine überraschende Ähnlichkeit mit dem, was wir seit einigen<br />
Jahren über die Funktionsweise unseres Gehirns und Nervensystems<br />
erfahren (vgl. Bauer 2006). Der Anteil unserer Erfahrungen,<br />
in Netzwerken unseres Gehirns multidimensional und<br />
nicht-lokal gespeichert, hat einen höheren Anteil an der Bewertung<br />
unserer Sinneswahrnehmung als die Signale, die durch die<br />
Sinnesorgane an das Gehirn geleitet werden. Was wir also bereits<br />
kennen und wissen, bestimmt das, was wir wahrnehmen<br />
und verstehen. Die Vorauswahl von Information nimmt somit<br />
einen wesentlichen Teil an der Wahrnehmung ein, die wiederum<br />
stark selektiv ist.<br />
In der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung kennen wir all diese Phänomene:<br />
Den Einfluss von Beobachtern/innen auf den Prozess, die Vieldimensionalität,<br />
die oft sprachlich nicht mehr darstellbar und<br />
begrifflich nicht mehr zu fassen ist. Wir kennen und gestalten<br />
unterschiedlichste Formen von Netzwerken, die beweglich,<br />
verschiebbar und umdeutbar sind. Wir spielen mit Impulsen, die<br />
interferieren und nicht klar zuzuordnen sind. Wir kennen die prozessbedingte,<br />
scheinbare Unordnung, die zufällige Betrachter/<br />
innen als Konzeptlosigkeit oder Leitungsvakuum fehldeuten<br />
können, da sie eine höhere Ordnung darstellt. Wir kennen auch<br />
das tatsächliche Chaos, das uns über den Kopf wächst wie eine<br />
ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _13<br />
unberechenbare Dschungelpflanze. Wir beobachten die Nicht-<br />
Lokalität von Information, die von Kopf zu Kopf, von Gehirnregion<br />
zu Gehirnregion oder zwischen Raum, Körper und Gruppe<br />
hin und her springt. So werden neue Ideen entfacht, Dynamik<br />
gesteigert, gut gemeinte vorstrukturierte Organisation manchmal<br />
unmöglich ge<strong>macht</strong> und dabei mitunter der eigentliche<br />
Spiel- und Arbeitsgenuss erhöht. Kurz: Wir sind trainiert im Erfinden<br />
von Wahrheiten, die immer subjektiv sind und dabei die<br />
eigene, persönliche Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion<br />
wiedergeben. Sie spiegeln die Welt, wie unsere Sinne und<br />
unsere Gehirne sie verstehen und deuten können, im Großen<br />
wie im Kleinen.<br />
In der kulturpädagogischen Arbeit kennen wir den Umgang mit<br />
so unterschiedlichen energetischen Erscheinungsformen wie<br />
Wellen und Teilchen. Wir arbeiten auf den unterschiedlichsten<br />
Lern-, Bewegungs- und Persönlichkeitsebenen, mit verschiedensten<br />
Formen, Mitteln und Methoden, die die Zeit dehnen<br />
oder auch verkürzen können und Wertigkeiten verschieben.<br />
Das ist unser Arbeitsmaterial.<br />
Obwohl wir das kennen und wissen, Bücher über Konstruktivismus<br />
in unseren Regalen stehen und wir die neuesten Erkenntnisse<br />
der Gehirnforschung beim Frühstücksbrunch verhandeln,<br />
versuchen wir, die Wirkungen und Prozesse <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
mehr oder weniger herkömmlich wissenschaftlich zu beobachten<br />
und zu beschreiben. Wir suchen auch etwas, was wir uns<br />
auf die Fahnen schreiben können. Wie König Midas haben wir<br />
es aber sofort nicht mehr mit den eigentlichen Qualitäten von<br />
partizipativer <strong>Kultur</strong>arbeit zu tun, denn wir haben den Gegenstand<br />
der Beobachtung und seine Subjekte bereits in Material,<br />
in Gold, verwandelt – ja, wir suchen auch etwas, was glänzt<br />
und viel wert ist. Und dabei ist die wesentlichste der Qualitäten<br />
sicher das tiefe, seelische, sinnliche, geistige und körperliche<br />
Erleben, dass das Ergebnis kultureller Gemeinschaftproduktion<br />
weit mehr ist als die Summe seiner Bestandteile: die Emergenz<br />
von Ereignissen, die so häufig beschrieben wird und die<br />
ein Grund für die Euphorie ist, mit der wir unsere Anstrengungen<br />
belohnen (vgl. Klepacki 2009, S. 37).<br />
Für die Beobachtung kultureller Bildungsprozesse kommt erschwerend<br />
hinzu, dass wir Phänomene beobachten wollen, die<br />
sich in anderen Menschen abspielen und die wir zusätzlich zu<br />
dieser Schwierigkeit nur durch unser eigenes Wahrnehmungssystem<br />
hindurch aufnehmen können. Unsere Wahrnehmung<br />
setzt sich zusammen in einem Gehirn, das, verkürzt dargestellt,<br />
zunächst dem Überleben dient und nicht der Produktion<br />
von Philosophie und Sinn (vgl. ebd., S. 33). Auch wenn wir<br />
heute wissen, dass wir ein soziales Gehirn haben, das alle<br />
1 Im Original: „Likewise humans can never experience the true texture of quantum reality because everything we touch turns to matter.“<br />
2 Niels Bohr, der Gründungsvater der Quantenphysik, wörtlich: „If subatomic particles only come into existence in the presence of an observer, then it is also<br />
meaningless to speak of a particles properties and characteristics as existing before they are observed.“
14_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />
wesentlichen Kriterien der Wirklichkeitserkennung mit unserem<br />
Umfeld teilt, sind dort für das geordnete Erkennen nicht die bewegten,<br />
die fließenden oder dynamischen Muster vorrangig, die<br />
beispielsweise in komplexen ästhetischen Prozessen wichtig<br />
erscheinen (vgl. Rizzolatti et al. 2008): Wir ordnen die uns umgebende<br />
Welt nach Beständigkeit, nach dem, was wir als feste<br />
Konturen, als Material, als Wiedererkennbares ausmachen und<br />
bestimmen können, und das drückt sich in unserer Sprache aus<br />
wie in allen Ordnungsmustern, die uns helfen, die Unwägbarkeiten<br />
des Lebens zu verkraften (vgl. Capra 1996). 3 Mit Wolf<br />
Singer (2004) gesprochen: „Wir können nur wissen, was das<br />
Gehirn uns zu wissen erlaubt.“<br />
Wir sind die mitgestaltenden Beobachter/innen. Wir beschäftigen<br />
uns immer nur mit der Darstellung, der Abbildung dessen,<br />
was wir als Wirklichkeit erkennen. Aber: Das ist keine Pfeife!<br />
Wahrheit ist eben keine objektive Übereinstimmung der Beschreibung<br />
mit dem Beschriebenen – der Physiker Fritjof Capra<br />
spricht deshalb nur noch von Annäherung statt von Wahrheit.<br />
Drehen wir die <strong>Kultur</strong>elle Bildung durch den Fleischwolf eingeschränkter<br />
Denkmuster, kommen einzelne Erkenntnisstränge<br />
dabei heraus, die durchaus weitere Diskussionen nähren, aber<br />
nicht mehr dem Gesamtzusammenhang gerecht werden können.<br />
Geist und Gehirn stehen, nach Capra, in einem Verhältnis miteinander<br />
wie Prozess und Struktur, oder, um es mit der Quantenphysik<br />
zu sagen: wie Welle und Teilchen (vgl. Capra 1996,<br />
2003). Beide bedingen das Geschehen und beide können einzeln<br />
betrachtet kein komplettes Bild geben von dem Gesamtgeschehen.<br />
Prozess und Struktur sind auch die Koordinaten<br />
der kulturpädagogischen Projektarbeit: Prozess und Struktur,<br />
Raum und Zeit.<br />
Die Problematik der Unbeschreibbarkeit ist, soweit man die<br />
Literatur über theoretische Annahmen zur <strong>Kultur</strong>pädagogik und<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung durchleuchtet, allen Forschenden bekannt.<br />
Sie führt in der wissenschaftlichen Betrachtung zu zwei signifikanten<br />
Reaktionen:<br />
1. Dem allgemein gefühlten Rechtfertigungsdruck wird mit angemessener<br />
wissenschaftlicher Bescheidenheit begegnet<br />
(vgl. Bilstein 2007) 4 , die allenthalben auf den Missstand hinweist,<br />
wie schwer messbar Wirkungen ästhetischer Arbeit und<br />
wie schwer beobachtbar Prozesse seien. Dem folgt unisono<br />
die Beteuerung, keine Heilsversprechen zu machen (vgl. von<br />
Hentschel 2008).<br />
2. Trotz spürbarer Begeisterung und trotz allseitiger Euphorie<br />
wird versucht, entsprechend dem bewährten Muster etwas<br />
Ähnliches wie Objektivität herstellen zu wollen, der Fokus<br />
wird verengt, es wird also selektiert und segmentiert: Handlungsabläufe,<br />
Prozesse, Zustände, Bedingungen, Methoden,<br />
Kriterien usw. werden einzeln analysiert, um wenigstens Teilbereiche<br />
der ästhetischen Erfahrung beschreiben zu können.<br />
Das Universum wird in der Wissenschaft als lebendiges System<br />
begriffen (vgl. von Lüpke 2003). Anders als das Schulsystem,<br />
von dem der Quantenphysiker und Systemiker Gerd Binning<br />
sagt: „Unser Schulsystem ist kein lebendiges System, da es<br />
sehr träge und damit nicht lernfähig ist. <strong>Schule</strong> [sollte] noch<br />
spielerischer sein als das Leben, weil Kinder einen viel größeren<br />
Spieltrieb haben.“ (Binning 2003, S. 144).<br />
Diese Beweglichkeit und Spielbereitschaft finden wir in der<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Hier werden Räume geöffnet, freies Experimentieren,<br />
Spielen, neu Erfinden und Verwerfen ist ungestraft<br />
möglich. Die <strong>Kultur</strong>elle Bildung öffnet „entspannte Räume“ (vgl.<br />
Meyer-Holzapfel 1958), die Sicherheit genauso wie Anregung<br />
bieten und die wir zum Lernen und Wachsen als entscheidende<br />
Grundlage benötigen (vgl. Hermann 2009).<br />
Ich möchte mit meinen Ausführungen dazu ermutigen, die<br />
wissenschaftliche Bescheidenheit respektvoll als notwendige<br />
Übergangshaltung zu verstehen: Sie gestaltet den Übergang zwischen<br />
anfänglichem sympathisch unbedarftem Überschwang<br />
und fröhlich unreflektiertem Aktionismus der 1970er-<strong>Kultur</strong>pädagogik<br />
(vgl. Batz/Schroth 1983), die sich später in eine Phase<br />
der Selbstvergewisserung und tiefernsten Reflexion wandelte.<br />
Gekoppelt mit zunehmend gefühltem Rechtfertigungsdruck,<br />
kam es zu einer Verengung der Begrifflichkeiten, die mehr Genauigkeit<br />
und eine verbesserte Verständigung der Fachleute<br />
untereinander und nach außen ermöglichte. Zurzeit erleben<br />
wir einen gern um sich selbst kreisenden Fokus innerhalb der<br />
Diskussion über <strong>Kultur</strong> und <strong>Kultur</strong>elle Bildung. Man zitiert sich<br />
gegenseitig, man hat sich auf einen Pool von Begriffen geeinigt,<br />
der hin und wieder Züge eines Spiegellabyrinths bekommt.<br />
Eine neue Phase der Forschung in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />
könnte gekennzeichnet sein durch eine selbstbewusste,<br />
konsequent spielerische, reflektierte, dabei aber gedanklich<br />
geweitete Haltung. Diese geweitete Haltung in der kulturpädagogischen<br />
Praxis und Theorie schöpft Impulse aus allen<br />
Disziplinen und Wissenschaftsfeldern, die ihr interessant erscheinen,<br />
unabhängig von ihrer Einordnung als verwandt oder<br />
3 „Der Lebensprozess ist Kognition, wie er von Gregory Bateson und Maturana und Varela definiert wurde. In dieser Aktivität vollzieht sich die ständige Gestaltung<br />
des Organisationsmusters.“<br />
4 Johannes Bilstein geht sogar so weit, darauf hinzuweisen, dass vom Chemieunterricht niemand erwarte, etwas anderes vermittelt zu bekommen als Fachwissen.<br />
René Magritte, "La trahison des images", 1929, (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2012
kunstfern, naturwissenschaftlich, technisch, philosophisch<br />
oder abstrakt. Diese Haltung erlaubt Erkenntnisse aus einer<br />
neuen Interdisziplinarität, die weit über die bisher praktizierte<br />
Zusammenarbeit zwischen den Künsten und den Geistes- und<br />
Sozialwissenschaften hinausgeht. Zu allererst kann man sich<br />
darüber Gedanken machen, ob Bildung und Förderung tatsächlich<br />
die passenden Begriffe sind, um eine neue Denkrichtung<br />
zu transportieren, die viel eher von intrinsischen Faktoren geleitet<br />
wird und natürlichen Impulsen folgt, als vorgegebenen<br />
Mustern. Als nächstes wird man darüber nachdenken müssen,<br />
ob das derzeitige Schulsystem tatsächlich noch ein vertretbarer<br />
Partner für die Anliegen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung sein kann.<br />
Denn, wenn wir die Erkenntnisse anderer Wissenschaftsfelder<br />
ernst nehmen und beispielsweise unser Gehirn nur in Abwesenheit<br />
von Strafe und Angst und am besten in Anwesenheit von<br />
Spaß, Sicherheit, Neugier und Anregung lernen kann, wenn wir<br />
innovatives Denken und Handeln von selbstbestimmten Subjekten<br />
in Gemeinschaft ermöglichen möchten, dann brauchen<br />
wir Partner, die diesen Grundsätzen gerecht werden. In diesem<br />
Zusammenhang wäre auch anzuschauen, wie pädagogische<br />
und ästhetische Herangehensweisen miteinander harmonieren,<br />
und ob Einflüsse aus dem Konstruktivismus, der Systemik<br />
und der Hirnforschung nicht auch ein gründliches Aussortieren<br />
pädagogischer Methoden erforderlich <strong>macht</strong>.<br />
Wir nähern uns dem Verständnis von Wirklichkeit über Metaphern.<br />
Hier liegt ein unglaubliches Potenzial der kulturpädagogischen<br />
Praxis. Wird das inneliegende Potenzial und die allenthalben<br />
erhofften Wirkungsweisen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />
in konkretes Handeln und vernetztes Denken eingebracht,<br />
wird auch gesellschaftliche und politische Wirklichkeit aktiv<br />
neu kreiert. Unser Gehirn als soziales Organ weitet seine Handlungsvorstellungen.<br />
Es kreiert neue Konzepte, es interagiert<br />
mit anderen Gehirnen. Gelingt es uns, für unsere Weiterentwicklung<br />
entspannte Räume zu schaffen, freue ich mich auf<br />
Innovationen, die sich bisher noch nicht denken ließen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.hawk-hhg.de<br />
ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _15<br />
lIteratur:<br />
Batz, michael/Schroth, horst (1983): Theater zwischen Tür<br />
und Angel. Reinbek bei Hamburg.<br />
Bauer, Joachim (2006): Warum ich fühle was Du fühlst.<br />
Hamburg.<br />
Bilstein, Johannes (2007): „Paradoxien des Unnützen“. In:<br />
Bilstein, Johannes (Hrsg.): Curriculum des Unwägbaren.<br />
Oberhausen, S. 176.<br />
Binning, Gerd (2003): „Von der Natur lernen“. In: von Lüpke,<br />
Geseko: Politik des Herzens. Uhlstädt-Kirchhasel, S. 144.<br />
Bohm, david/Peat, david (1990): Das neue Weltbild. München.<br />
capra, Fritjof (1996): Lebensnetz. Das neue Verständnis der<br />
lebendigen Welt. Bern, München, Wien.<br />
capra, Fritjof (2003): „Grundprinzipien systemischen<br />
Denkens“. In: von Lüpke, Geseko: Politik des Herzens.<br />
Uhlstädt-Kirchhasel, S. 85.<br />
von hentschel, hartmut (2008): „Bildungsprozesse durch<br />
Theaterspielen“. In: Pinkert, Ute: Körper im Spiel.<br />
Ucherland, S. 83.<br />
herrmann, ulrich (2009): Neurodidaktik. Grundlagen und<br />
Vorschläge für gehirngerechtes Lehren und Lernen.<br />
Weinheim, Basel.<br />
Klepacki, leopold (2009): „Theater: Was man lernen kann<br />
und was man lernen muss“. In: Vaßen, Florian (2010):<br />
K orrespondenzen. Uckerland, S. 31f.<br />
von lüpke, Geseko (2003): Politik des Herzens.<br />
Uhlstädt-Kirchhasel.<br />
maturana, humberto r./Varela, Francisco J. (1987):<br />
Der Baum der Erkenntnis. Bern, München, Wien.<br />
meyer-holzapfel, martina (1958): „Soziale Beziehungen bei<br />
Säugetieren“. In: Lehmann, Fritz E.: Gestaltungen sozialen<br />
Lebens bei Tier und Mensch. Berlin, S. 87.<br />
rizzolatti, Giacomo et al. (2008): Empathie und Spiegelneurone.<br />
Frankfurt a. M.<br />
Singer, wolf (2004): Unser Menschenbild – Neuere<br />
Erkenntnisse der Hirnforschung. Vortrag Heidelberg 2004,<br />
DVD. Hrsg. Bernd Ulrich: Auditorium Netzwerk.<br />
Müllheim-Baden.<br />
talbot, michael (1992): Holografic Universe. New York, S. 35.<br />
Schu | le, die; -,-en<br />
[griechisch schole¯, „Muße“, „freie Zeit“, „Müßiggang, Nichtstun“] ursprünglich die schöpferische Lehr- und Lerntätigkeit<br />
der griechischen Philosophen und ihrer Schüler; heute noch Bezeichnung für Richtungen in Philosophie, Wissenschaft und<br />
Kunst. Das lateinische Wort schola bezeichnete zuerst die dem Lernen gewidmete Zeit, später den zum Lernen bestimmten<br />
Ort sowie die Ausbildung in den Artes liberales. (Quelle: www.wissen.de, 12.11.2011)
16_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />
1.4 daS PotenzIal äSthetIScher erFahrunGen<br />
der urSPrunG Von <strong>Schule</strong><br />
christoph Schönfelder und henrik cohnen<br />
Dr. Schönfelder und Dr. Cohen sind Gründungsmitglieder der<br />
Initiative ästhetische Erfahrung, Bönen<br />
Das Wort „<strong>Schule</strong>“ ist ein Lehnwort und stammt ursprünglich vom<br />
griechischen Wort „scholē“, das Muße, Ruhe, Innehalten, Zeit für<br />
geistige und zweckfrei Tätigkeiten bedeutet. Es wurde anschließend<br />
in das lateinische Wort „schola“ entlehnt und stand als solches<br />
für gelehrter Vortrag, Vorlesung und Philosophenschule.<br />
Darüber hinaus bezeichnete dieses Wort im antiken Rom die Ruhebank,<br />
als Ort der Erholung und Geselligkeit, und bekam so eine<br />
örtliche Komponente (vgl. Bauer/Baur/Faust-Siehl/Wallaschenk<br />
1999, S. 40f.).<br />
Unter den Begriff „<strong>Schule</strong>“ werden insgesamt vier Bereiche<br />
subsumiert. Der hier verwendete Begriff von „<strong>Schule</strong>“ zielt<br />
auf öffentliche oder private Einrichtungen, die mit der Aufgabe<br />
beauftragt sind, vorwiegend Kindern, Jugendlichen und<br />
jungen Erwachsenen durch planmäßigen Unterricht Wissen,<br />
Erkenntnis, Einsicht und die Fähigkeit zu begründetem Urteil<br />
zu vermitteln (vgl. Brockhaus 2004). Neben der Qualifikation<br />
müssen zusätzlich die Sozialisation, Selektion und Legitimation<br />
als wichtige Funktion der <strong>Schule</strong> angesehen werden.<br />
Wie bereits das ursprüngliche Moment des Wortes „<strong>Schule</strong>“<br />
offenbart, sind Muße, Ruhe, Innehalten und Zeit für geistige<br />
und zweckfreie Tätigkeiten notwendige Voraussetzungen für<br />
ästhetische Erfahrungen. Warum diese Art der Erfahrung für<br />
die Erfüllung der aufgeführten Aufgaben und Funktionen der<br />
<strong>Schule</strong> notwendig ist, offenbart die folgende Beschreibung der<br />
zwei Momente menschlichen Handelns – Krise und Routine – und<br />
der damit einhergehenden drei „Krisentypen“.<br />
Handeln im Alltag wird überwiegend durch Routinen bestimmt.<br />
Z. B. folgen wir in der Regel jeden Morgen denselben Routinen:<br />
Wecker ausschalten, Aufstehen, Anziehen, Zähneputzen, Frühstücken...<br />
Routinen sind Lösungen von Handlungsproblemen,<br />
mit denen wir im Laufe unseres Lebens bereits konfrontiert wurden.<br />
Entweder haben wir uns diese Lösungen selbst erarbeitet<br />
oder wir haben gelungene Lösungen anderer schlicht übernommen.<br />
Tritt jedoch eine Situation ein, in der zur Erreichung eines<br />
bestimmten Handlungsziels, zur Lösung eines bestimmten<br />
Hand-lungsproblems auf keine Routine zurückgegriffen werden<br />
kann, befinden wir uns in der Krise. Denn in der Krise versucht<br />
der Mensch, die ihm fehlende Lösung zu finden, um sein<br />
Handlungsziel zu erreichen. Gelingt ihm dies, so wird er in späteren<br />
vergleichbaren Situationen auf diese Krisenlösung zurückgreifen,<br />
er wird sie, wenn sie sich praktisch bewährt hat,<br />
in eine Routine überführen. Beide Momente, Krise und Routine,<br />
sind folglich für die Erklärung menschlichen Handelns untrennbar<br />
miteinander verknüpft.<br />
Es gibt insgesamt drei unterschiedliche Krisentypen für menschliches<br />
Handeln: Die traumatische Krise, die Entscheidungskrise<br />
und die Krise durch Muße.<br />
Die traumatische Krise hatten Pierce und die Pragmatisten vor<br />
allem im Auge, wenn sie von den Überraschungen durch „brute<br />
facts“ sprachen (vgl. Oevermann 2004, S. 165). Diese Krise<br />
entsteht dann, wenn man mit etwas Unvorhergesehenem konfrontiert<br />
wird (vgl. ebd. und 1998, S. 87). Die Ereignisse können<br />
sowohl negativ als auch positiv empfunden werden (vgl. ebd.<br />
2004, S. 165 und 2008, S. 18). Dieser Krisentyp konstituiert Naturerfahrungen<br />
und leibliche Erfahrungen. Es gilt, dass auf das<br />
überraschende Ereignis nicht nicht reagiert werden kann, da<br />
schon die erste spontane Reaktion zur Krisenlösung zählt (vgl.<br />
ebd. 2004, S. 165).<br />
Die entscheidungskrise kommt von allen Krisentypen am häufigsten<br />
vor. Sie wird immer, im Gegensatz zur traumatischen Krise,<br />
vom Menschen selbst herbeigeführt (vgl. ebd. und 2008, S.<br />
19). Dieser Krisentyp tritt zwangsläufig bei einer Entscheidung<br />
auf. Die Krise wird dadurch ausgelöst, dass man sich für eine der<br />
vielen möglichen Alternativen entscheiden muss, ohne im Zeitpunkt<br />
der Auswahl zu wissen, ob die Gründe für die Auswahl auch<br />
in der Zukunft Bestand haben werden. Darüber hinaus ist die Entscheidung<br />
immer mit einer Selbstrechtfertigung verbunden, die<br />
aus der strukturell erforderlichen Begründung für die konkrete<br />
Entscheidung hervorgeht. Die Entscheidungskrise kennzeichnet<br />
somit die Einheit von Entscheidung und Selbstrechtfertigung<br />
(vgl. Loer 2006, S. 16). Bei der Entscheidungskrise gilt, dass man<br />
nicht nicht entscheiden kann (vgl. Oevermann 2004, S. 166 und<br />
2008, S. 19). Zu beachten gilt, dass, obwohl der Mensch täglich<br />
hundertfach entscheidet, er selten in die Entscheidungskrise<br />
gerät. In der Regel wird bei alltäglichen Entscheidungen auf bestehende<br />
Handlungsroutinen, also auf einmal gefundene oder<br />
übernommene und bewährte Lösungen zurückgegriffen. Die<br />
Entscheidungskrise rückt häufig erst bei Entscheidungen von<br />
großer Tragweite ins Bewusstsein, so z. B. bei der Partner- oder<br />
Berufswahl (vgl. ebd.).<br />
Die Krise durch muße ermöglicht ästhetische Erfahrungen. Sie<br />
tritt in Zeiten der Muße auf, also dann, wenn man frei von äußeren<br />
Handlungszwängen ist – insofern steht sie im Gegensatz zur<br />
Entscheidungskrise: Man muss sich gerade nicht entscheiden.<br />
Befindet man sich in einem solchen Zustand der Muße, in der<br />
Handlungsentlastetheit herrscht, so wird die eigene Wahrnehmung<br />
gegenüber allem geöffnet. Schließlich bestimmt allein die<br />
Wahrnehmung in dieser Situation das Handeln (vgl. ebd. 2004,<br />
S. 167). Hier kann plötzlich etwas Unvorhergesehenes – etwas<br />
Überraschendes oder Unbekanntes – in den Fokus der Wahrnehmung<br />
rücken. Dieses kann dabei sowohl aus der Wahrnehmung<br />
der inneren, als auch der äußeren Realität stammen. Das
© Schäflein & Himmelreich<br />
Unbekannte kann verunsichern oder Neugierde wecken. In einem<br />
solchen Erregungszustand zeigt sich die Krise durch Muße. Um<br />
diese Krise zu lösen, muss sich zunächst die Wahrnehmung unvoreingenommen<br />
und zugleich aufmerksam auf das Unbekannte<br />
richten, um es zu verstehen. Hierbei werden vielfältige Erfahrungen<br />
ge<strong>macht</strong> und Erkenntnisse gewonnen; dies sind die Momente<br />
der Krisenlösung.<br />
Die durch die Krisenlösung wahrnehmbare ästhetische Erfahrung<br />
bildet somit die Basis jeglicher Erkenntnis, vor allem aber<br />
jeglicher Erfahrungserweiterung und -modifikation (vgl. ebd.<br />
1996, S. 15) und kann als Urform von Erkenntnis, wie Erkenntnis<br />
im besten Sinne nur sein kann, weil sie sich um ihrer selbst willen<br />
vollzieht, gesehen werden (vgl. ebd. 2004, 167). Genau dies<br />
sollte das Fundament schulischer Erkenntnisvielfalt und Erfahrungsreichtums<br />
darstellen.<br />
Das Potenzial ästhetischer erfahrung für die <strong>Schule</strong> liegt somit<br />
auf der Hand:<br />
1. Verbesserung der eigenen wahrnehmung<br />
Schüler/innen bekommen im Rahmen ästhetischer Erfahrungen<br />
die Möglichkeit, ihre Wahrnehmung gegenüber der Welt im<br />
Allgemeinen, den Gegenständen, mit denen sie in dem jeweiligen<br />
Schulfach konfrontiert sind, völlig zu öffnen. Dies birgt die<br />
Chance, die Welt bewusster kennenzulernen und die eigene<br />
Wahrnehmung zu verbessern.<br />
2. entdeckung von subjektiv und objektiv neuem<br />
Mit Hilfe ästhetischer Erfahrung werden in unterschied-<br />
lichen Bereichen neue Kenntnisse erzeugt und die Grundlage<br />
von Erkenntnis erweitert. Ästhetische Erfahrung ermöglicht<br />
den Schülern/innen das Entdecken von Neuem und<br />
fördert ganzheitliches Handeln. Denn das Erkennen seiner<br />
Selbst und der Wirklichkeit, die die Schüler/innen umgibt, ist<br />
Voraussetzung dafür.<br />
ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG _17<br />
3. Steigerung der eigenen Selbstzufriedenheit und des Selbstbewusstseins<br />
Der mit ästhetischer Erfahrung gewonnene Erfahrungsreichtum<br />
und die hierdurch begründete Erkenntnisvielfalt helfen,<br />
das Scheitern von Handlungsroutinen nachhaltig zu reduzieren.<br />
Dies wirkt positiv auf die Selbstzufriedenheit und das Selbstbewusstsein.<br />
Beides ist zentral für die Sozialisation.<br />
4. aufbau struktureller offenheit gegenüber Krise<br />
Auch die Einstellung gegenüber Krisen verändert sich mit Hilfe<br />
ästhetischer Erfahrung. Durch die „Handlungsentlastetheit“ in<br />
Zeiten der Muße – es gibt hier keinen Druck, eine Lösung zu<br />
finden – geht der/die Schüler/in spielerisch mit Krisen und ihren<br />
Lösungen um. Dies ermöglicht, sich der Krise strukturell<br />
zu öffnen, sodass er/sie grundsätzlich Veränderungen, die das<br />
Verlassen von bestehenden Routinen initiieren, nicht mehr lediglich<br />
als Risiko, sondern vor allem als Chance begreift. Hierdurch<br />
entsteht Freimut!<br />
5. ausbau authentischen wissens<br />
Die gewonnenen Erkenntnisse werden selbst erarbeitet. Im Gegensatz<br />
zur Übernahme fremden Wissens, ist authentisches, in<br />
Erfahrung gewonnenes Wissen dauerhafter.<br />
Alle fünf Potenziale sind besonders unter Berücksichtigung<br />
aktueller Veränderungen der <strong>Schule</strong> von hoher Bedeutung. Durch<br />
die Verkürzung der Schulzeit mit Konzentration auf Unterrichtsfächer<br />
mit vermeintlicher Verwertbarkeit für den Arbeitsmarkt,<br />
bei gleichzeitiger Vernachlässigung musischer Unterrichts-<br />
fächer, wird die Erfüllung der Aufgaben und Funktionen der<br />
<strong>Schule</strong> erschwert. Schülern/innen wird so bereits mit Eintritt in<br />
das Schulsystem vermittelt, dass musische Tätigkeiten für das<br />
spätere Leben unbedeutend sind. Diese Verkürzung impliziert<br />
eine Einschränkung individueller Potenziale. Als Folge droht u. a.<br />
die Verarmung kultureller und sozialer Fähigkeiten künftiger
18_ ForSchunG und <strong>Kultur</strong>elle BIldunG<br />
Generationen und die Verschärfung gesellschaftlicher Ungleichheit<br />
– denn nur solche Kinder und Jugendliche werden zukünftig<br />
noch musisch gefördert, deren familiärer Hintergrund dies erlaubt<br />
und die konstitutive Bedeutung ästhetischer Erfahrung für<br />
die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen erkennt.<br />
Ästhetische Erfahrung steht zwar in der Alltagspraxis als solche<br />
am Rande, erst recht für die moderne Alltagspraxis einer immer<br />
stärker unter dem Postulat ökonomischer Rationalisierung stehenden<br />
Gesellschaft. Sie erlaubt jedoch, über die dramatisch in<br />
die Alltagspraxis hineinbrechende Krise hinaus Krisen gewissermaßen<br />
eingebettet in der Muße zu simulieren (vgl. ebd. 1996,<br />
S. 10f.) und ermöglicht eine Restrukturierung der begrifflichen<br />
Welt (vgl. Loer 1991, S. 169). Darüber hinaus wird mit Hilfe der<br />
ästhetischen Erfahrung die Wahrnehmung der sachlichen, kulturellen<br />
und ästhetischen Sinnstrukturen verbessert, subjektiv<br />
und objektiv Neues entdeckt, strukturelle Offenheit gegenüber<br />
einer Krise aufgebaut und die Kreativität gesteigert. Gleichzeitig<br />
muss davon ausgegangen werden, dass hierdurch bei Kindern,<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen Freimut und Offenheit<br />
aufgebaut wird.<br />
Letztlich lässt sich damit festhalten: Ästhetische Erfahrung ist<br />
per se Ursprung von <strong>Schule</strong> und muss zwangsläufig an diese unmittelbar<br />
gekoppelt sein, um die genuinen Funktionen und Aufgaben<br />
der <strong>Schule</strong> als Institution gesellschaftlicher Bildung und<br />
Erziehung erfüllen zu können.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.zeitfuermusse.de<br />
lIteratur:<br />
Brockhaus (2004): Brockhaus Multimedial. Gütersloh.<br />
Faust-Siehl, Gabriele/Bauer, eva-maria/Baur, werner/<br />
wallaschenk, uta (1999): Mit Kindern Stille entdecken.<br />
Braunschweig.<br />
loer, thomas (1991): „Ästhetik im Ausgang vom Werk.<br />
Eugène Delacroix: Fantasie arabe (1833). Exemplarische<br />
Überlegungen“. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine<br />
Kunstwissenschaft, Band 36, November 1993, S. 154 –170.<br />
loer, thomas (2006): Zum Unternehmerhabitus –<br />
Eine kultursoziologische Bestimmung im Hinblick auf<br />
Schumpeter. Studienhefte des Interfakultativen Instituts für<br />
Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe.<br />
Heft 3. Karlsruhe.<br />
[www.uvka.de/univerlag/volltexte/2006/125, 23.11. 2011].<br />
oevermann, ulrich (1996): Krise und Muße. Struktureigenschaften<br />
ästhetischer Erfahrung aus soziologischer Sicht.<br />
Vortrag am 19. 06. 1996 in der Städelschule. Frankfurt a. M.<br />
oevermann, ulrich (1998): Der professionalsierungstheoretische<br />
Ansatz des Teilprojekts „Struktur und Genese<br />
professionalsierter Praxis als Ortes der stellvertretenden<br />
Krisenbewältigung“, seine Stellung im Rahmenthema des<br />
Forschungskollegs und sein Verhältnis zur historischen<br />
Forschung über die Entstehung der Professionen im 19. und<br />
20. Jahrhundert. Unveröffentl. Manuskript. Frankfurt a. M.<br />
oevermann, ulrich (2004): „Sozialisation als Prozess der<br />
Krisenbewältigung“. In: Geulen, Dieter/Veith, Hermann Veith<br />
(Hrsg.): Sozialisationstheorie interdisziplinär. Aktuelle<br />
Perspektiven. Stuttgart, S. 155 –181.<br />
oevermann, ulrich (2008): „Krise und Routine“ als ana lytisches<br />
Paradigma in den Sozialwissenschaften. Manuskript der<br />
Abschiedsvorlesung am 28. 04. 2008 in Frankfurt a. M.<br />
Kul | tur , die; -,-en<br />
(zu Lateinisch cultura, „Bearbeitung“, „Pflege“, „Ackerbau“, von colere, „wohnen“, „pflegen“, „den Acker bestellen“) ist im<br />
weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt, im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen<br />
und nicht veränderten Natur. <strong>Kultur</strong>leistungen sind alle formenden Umgestaltungen eines gegebenen Materials, wie in der<br />
Technik, der Bildenden Kunst, aber auch geistiger Gebilde wie etwa im Recht, in der Moral, der Religion, der Wirtschaft und<br />
der Wissenschaft. (Quelle: www.lexikapool.de, 12.12.2011)<br />
© Jeannette Corneille
2. allGemeIne landeSweIte<br />
entwIcKlunGen, PoSItIonen<br />
und reFlexIonen<br />
Kolumne _19<br />
„<strong>Kultur</strong>elle Bildung bedeutet Bildung zur kulturellen Teilhabe. <strong>Kultur</strong>elle Teilhabe bedeutet<br />
Partizipation am künstlerisch kulturellen Geschehen einer Gesellschaft im Besonderen und<br />
an ihren Lebens- und Handlungsvollzügen im Allgemeinen. <strong>Kultur</strong>elle Bildung gehört zu den<br />
Voraussetzungen für ein geglücktes Leben in seiner personalen wie in seiner gesellschaftlichen<br />
Dimension. <strong>Kultur</strong>elle Bildung ist konstitutiver Bestandteil von allgemeiner Bildung.“<br />
(Karl Ermert, Direktor der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel)
20_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
2.1 zwISchen SonntaGSreden<br />
und alltaGShandeln In nIederSachSen<br />
Insa lienemann<br />
Geschäftsführerin der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />
Niedersachsen e. V. (LKJ), Hannover<br />
Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />
e. V. (LKJ) ist der Dachverband von 31 Fachverbänden und Institutionen<br />
aus Niedersachsen, die landesweit im Arbeitsfeld der<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung aktiv sind. Es sind Kunstsparten vertreten<br />
wie Musik, Spiel, Theater, Zirkus, Tanz, Rhythmik, Bildende Kunst,<br />
Kindermuseum, Literatur, Fotografie, Film und Video. Die LKJ hat<br />
sich seit ihrer Gründung im Jahr 1980 bis heute stetig mit ihren<br />
Angeboten aktuellen Diskursen angepasst. Sie fördert und entwickelt<br />
die kulturelle Kinder- und Jugendbildung in Niedersachsen<br />
nicht nur mit dem „Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) <strong>Kultur</strong>“ und<br />
dem „FSJ Politik“, sondern auch mit so engagierten Projekten<br />
wie dem „Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“ (s. weitere Informationen<br />
S. 37) oder „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“.<br />
Die kulturelle Kinder- und Jugendbildung, wie sie in Niedersachsen<br />
unter dem Dach der LKJ gemeinsam getragen wird,<br />
gewinnt aktuell immer mehr an gesellschaftlicher Bedeutung.<br />
niedersachsenweit aktiv: die 31 mitgliedsorganisationen der lKJ<br />
abb. 1: Mitglieder der LKJ Niedersachsen<br />
„Dennoch klaffen Sonntagsreden und Alltagshandeln dabei<br />
fast nirgendwo so eklatant auseinander wie in der kulturellen<br />
Bildung. Führende Akteure aus allen gesellschaftlichen Bereichen<br />
zögern nicht, sich immer wieder zu der Bedeutung der<br />
kulturellen Bildung für den Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt<br />
zu bekennen, konkrete Folgen für die Praxis der kulturellen<br />
Bildung bleiben hingegen immer noch zu häufig aus“, so<br />
konstatiert die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags<br />
in dem Bericht „<strong>Kultur</strong> in Deutschland“ (2007, S. 377) im<br />
Kapitel 6 zur <strong>Kultur</strong>ellen Bildung.<br />
Für das Jubiläumsjahr „30 Jahre LKJ“ im Jahr 2010 hatte sich<br />
der niedersächsische Dachverband das Ziel gesetzt, verstärkt<br />
auf die Situation ihrer Mitgliedsorganisationen aufmerksam zu<br />
machen. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Entwicklungsplanung<br />
und Strukturforschung Hannover (ies) entstand ein Fragebogen<br />
für eine quantifizierende Mitgliederbefragung zu ihrer<br />
Arbeit. Alle 31 Mitglieder haben den Fragebogen ausgefüllt.<br />
Die Ergebnisse wurden vom ies ausgewertet und sprechen<br />
für sich. Sie belegen eindrucksvoll, dass die Arbeit der Mitglieder<br />
stark von den Zielgruppen nachgefragt und frequentiert<br />
erstellt von Manfred Postler (© LKJ Niedersachsen e.V.)
ist, dass viele Menschen – vor allem Kinder und Jugendliche –<br />
erreicht werden, und dass die Arbeit von starkem Engagement<br />
haupt- und nebenamtlicher Mitarbeiter/innen getragen wird.<br />
Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass das Ziel, kulturelle<br />
Jugendbildung strukturell zu fördern, mehr als überfällig ist.<br />
Die Mitglieder der LKJ, die Fachverbände und Institutionen der<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Niedersachsen, verfügen nach wie vor<br />
über zu geringe finanzielle Unterstützung zur Infrastruktursicherung.<br />
Das oben genannte Zitat aus dem Enquete-Bericht<br />
wird in einem Maße bestätigt, wie selbst Kenner und Akteure<br />
es nicht erwartet hätten.<br />
organisationsstruktur der lKJ-mitglieder<br />
In den Mitgliedsorganisationen der LKJ finden sich weite Bereiche<br />
aus dem vielfältigen kulturellen Leben in Niedersachsen<br />
wieder. Thematisch zeigt sich eine große Vielfalt; die Mitglieder<br />
decken alle Kunstsparten ab. Schwerpunkte liegen in den Sparten<br />
Theater (10 Mitglieder), Musik (5), Bildende Kunst sowie<br />
Tanz/Rhythmik (jeweils 3) und kunstspartenübergreifend (6).<br />
Insgesamt repräsentieren die 31 Mitgliedsorganisationen<br />
rund 1700 Gruppen und Institutionen. Dabei zeigen sich folgende<br />
Schwerpunkte:<br />
In der Gesamtzahl sind 1098 Gruppen enthalten. Von diesen<br />
bilden die 475 Musikvereine im Niedersächsischen Musikverband<br />
den größten Anteil. Aber auch die Chorjugend (166),<br />
der Landestrachtenverband (148), der Amateurtheaterverband<br />
(105) und die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Tanz<br />
Niedersachsen (80) vereinen jeweils eine große Gruppenzahl.<br />
478 örtliche und regionale Institutionen sind bei den LKJ-<br />
Mitgliedern organisiert. Der Friedrich-Bödecker-Kreis vertritt<br />
davon 148 und die LAG Jugend und Film 140. Ebenfalls viele<br />
Institutionen stehen hinter dem Landesverband Niedersächsischer<br />
Musikschulen (72), dem Landesverband der Kunstschulen<br />
Niedersachsen „Kunst & Gut“ (42) und der Chorjugend (32).<br />
Zu den 130 „sonstigen“ Gruppen oder Institutionen zählen z. B.<br />
<strong>Schule</strong>n und Bibliotheken, Ensembles oder auch Familien.<br />
Kooperation mit <strong>Schule</strong>n<br />
Die Zusammenarbeit mit <strong>Schule</strong>n ist für die Mitgliedsorganisationen<br />
der LKJ (und wiederum deren Mitglieder) ein wesentliches<br />
Kennzeichen ihrer Arbeit. Die weitaus meisten von ihnen<br />
kooperieren mit <strong>Schule</strong>n, fast die Hälfte sogar kontinuierlich<br />
(s. Abb. 2).<br />
Wie die folgende Abbildung zeigt, findet die Zusammenarbeit<br />
am häufigsten im Rahmen von Projektwochen statt; dies berichten<br />
mehr als die Hälfte aller LKJ-Mitgliedsorganisationen,<br />
also nicht nur diejenigen, die kooperieren. Häufig ist ebenfalls<br />
die Betreuung von AGs außerhalb des Unterrichts. Jeweils 29,0<br />
% wirken direkt am Unterricht mit, ebenso viele berichten von<br />
sonstigen Angeboten. Hierzu zählen etwa Fortbildungen an<br />
<strong>Schule</strong>n, an denen Lehrkräfte teilgenommen haben, kulturelle<br />
Angebote für Klassenfahrten, Werkstätten und Schulfilmveranstaltungen.<br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _21<br />
Wenn mit <strong>Schule</strong>n kooperiert wird, dann ist die Zusammenarbeit<br />
in der Hälfte dieser Fälle auch schriftlich geregelt, z. B.<br />
durch einen Vertrag (13 Mitgliedsorganisationen).<br />
n = 31<br />
Ja – kontinuierlich<br />
Ja – gelegentlich, projektbezogen, punktuell<br />
Nein<br />
abb. 2: Hat Ihre Organisation oder deren Mitgliedsorganisation im Jahr 2008<br />
mit <strong>Schule</strong>n kooperiert?<br />
n = 31<br />
19,4%<br />
41,9 %<br />
Projektwochen<br />
Betreuung von Arbeitsgemeinschaften<br />
außerhalb des Unterrichts<br />
Arbeit mit Klassen im Unterricht<br />
sonstige Angebote<br />
37,7 %<br />
29,0 %<br />
29,0 %<br />
41,9 %<br />
58,1 %<br />
0% 20% 40% 60% 80%<br />
abb. 3: Wenn Ihre Organisation oder deren Mitgliedsorganisation mit <strong>Schule</strong>n<br />
kooperiert haben: Welcher Art war die Zusammenarbeit mit <strong>Schule</strong>n?<br />
weitere Kooperationen im In- und ausland<br />
Die Mitglieder der LKJ, die Landesverbände und Institutionen<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung, sind innerhalb Deutschlands entweder<br />
direkt als Landesverband oder über Einrichtungen aus ihrem<br />
Mitgliederspektrum mit einer Vielzahl von anderen Institutionen<br />
vernetzt. Fast alle berichten von Kooperationsbeziehungen oder<br />
Vernetzungsstrukturen.<br />
Die LKJ-Mitglieder unterhalten nicht nur Kooperationsbeziehungen<br />
zu anderen örtlichen oder landesweit tätigen Institutionen<br />
und Einrichtungen und sind untereinander vernetzt. Viele der<br />
Mitglieder sind in bundesweite Netzwerke eingebunden, primär<br />
arbeiten sie hier mit Organisationen, die schwerpunktmäßig für<br />
das jeweilige Tätigkeitsfeld bzw. die Sparte zuständig sind, wie<br />
z. B. die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, der Deutsche<br />
Bundesverband Tanz, die Bundearbeitsgemeinschaft (BAG)<br />
Zirkuspädagogik und der Deutsche Komponistenverband.
22_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
Die folgende Abbildung zeigt, dass annähernd drei Viertel aller<br />
LKJ-Mitglieder Beziehungen zu kulturellen Fachverbänden<br />
halten. Hierzu zählen Bundesverbände, Landesverbände und<br />
weitere Institutionen. Rund ein Drittel kooperiert mit Bildungseinrichtungen,<br />
z. B. Volkshochschulen, Universitäten oder Institutionen<br />
der politischen Bildung. Annähernd ebenso viele<br />
berichten von Kooperationen auf kommunaler Ebene. Hierzu<br />
zählen beispielsweise Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe,<br />
wie Jugendzentren oder Kindertageseinrichtungen, sowie<br />
kulturelle Einrichtungen (Museen, Theater, Bibliotheken u. a.).<br />
Zu den weiteren Kooperationspartnern lassen sich private und<br />
öffentliche Fördereinrichtungen sowie kirchliche, soziale und<br />
politische Verbände und Einrichtungen zuordnen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.lkjnds.de<br />
lIteratur:<br />
deutscher Bundestag (2007): Schlussbericht der Enquête-<br />
Kommission „<strong>Kultur</strong> in Deutschland“. 16. Wahlperiode,<br />
Drucksache 16/7000. Berlin, 11.12.2007.<br />
2.2 FörderunG der <strong>Kultur</strong>ellen BIldunG<br />
In nIederSachSen<br />
annette Schwandner<br />
Dr., Abteilungsleiterin <strong>Kultur</strong>, Niedersächsisches Ministerium<br />
für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />
„<strong>Kultur</strong> und Bildung“ und „Musikland Niedersachsen“ sind<br />
wichtige Bereiche der <strong>Kultur</strong>förderung des Landes Niedersachsens.<br />
Kunst und <strong>Kultur</strong> gehören zu den grundlegenden gesellschaftlichen<br />
Bedürfnissen, Werten und Ausdrucksformen.<br />
Sie vermitteln Menschen aller Altersgruppen Maßstäbe und<br />
Orientierung für verantwortungsvolles Handeln und Toleranz.<br />
Sie tragen zur Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft bei. Ihre<br />
Förderung ist eine wichtige öffentliche Aufgabe.<br />
Das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK) misst der<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung große Bedeutung zu. Als Träger von <strong>Kultur</strong><br />
und Bildung fördert das Land die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />
Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) und den Landesverband<br />
der Kunstschulen in Niedersachsen e. V. (LVKS).<br />
Die LKJ hat niedersachsenweit 31 Mitgliedsverbände und der<br />
LVKS vertritt die Interessen von 40 Kunstschulen des Landes.<br />
LKJ und LVKS werden auf Grundlage einer Zielvereinbarung<br />
institutionell mit insgesamt 353 000 Euro pro Jahr vom MWK<br />
gefördert. In diesem Betrag sind 126 000 Euro für das „Freiwillige<br />
Soziale Jahr (FSJ) <strong>Kultur</strong>“ und 24 800 Euro für das Projekt<br />
„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ und den „Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“<br />
(s. weitere Informationen S. 37) enthalten. In der Vereinbarung<br />
sind folgende Ziele festgehalten:<br />
n = 31<br />
kulturelle Fachverbände<br />
und Institutionen<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
Kommune/kommunale<br />
Einrichtungen<br />
Kirchliche, soziale und politische<br />
Verbände/Einrichtungen<br />
Private Förderer<br />
Öffentliche Förderer<br />
Sonstige<br />
9,7 %<br />
6,5%<br />
25,8 %<br />
19,4%<br />
35,5 %<br />
32,3 %<br />
71,0 %<br />
0 % 20 % 40 % 60 % 80 %<br />
abb. 4: Welche sonstigen Kooperationspartner haben Ihre Organisation und<br />
deren Mitgliedsorganisationen in Deutschland?<br />
1. Die landesweite Förderung der kulturellen Kinder- und Jugendbildung<br />
durch Koordinierung und Vernetzung der in<br />
diesem Feld tätigen Akteure, Beratung und Unterstützung<br />
der Akteure sowie die Entwicklung von Qualifizierungs- und<br />
Qualitätskonzepten.<br />
2. Die landesweite Förderung der Arbeit der Kunstschulen durch<br />
Koordinierung, Vernetzung, Beratung und Entwicklung von<br />
Qualifizierungs- und Qualitätskonzepten zur ästhetischkünstlerischen<br />
Bildung.<br />
Die LKJ betreut u. a. das Projekt „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“, in dem<br />
Kooperationen zwischen (freien) Trägern von <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
und <strong>Schule</strong>n entwickelt werden. Durch die Zusammenarbeit<br />
der Einrichtungen von <strong>Kultur</strong>- und Jugendarbeit mit<br />
<strong>Schule</strong>n sollen vor allem jene Kinder und Jugendlichen inte-<br />
griert werden, die mit außerschulischen kulturellen Angeboten<br />
bislang nicht erreicht werden. Weitere Aufgaben, mit denen das<br />
Land Niedersachsen die LKJ betraut hat, sind die Koordination<br />
des „FSJ <strong>Kultur</strong>“ und des „FSJ Politik“ sowie des „Kompetenznachweises<br />
<strong>Kultur</strong>“. „FSJ <strong>Kultur</strong> und Politik“ leisten einen wichtigen<br />
Beitrag beim Übergang junger Menschen von der <strong>Schule</strong><br />
ins Berufsleben. Sie ermöglichen ihnen, sich für ein Jahr in<br />
<strong>Kultur</strong> oder Politik auszuprobieren und fördern die berufliche<br />
Orientierung. „Der Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“ ist ein Zertifikat<br />
für Jugendliche, mit dem qualitatives und quantitatives<br />
Engagement in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung anerkannt wird.
© Jonas Gonell<br />
Das MWK und der LVKS haben in Kooperation mit Beratern/<br />
innen der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur Nieder-<br />
sachsen (LAGS) das Strukturentwicklungskonzept „Kunstschulen<br />
2020“ initiiert. Ziel des Programms ist es, auch zukünftig<br />
ein an der Kunst orientiertes professionelles Angebot an ästhetischer<br />
und künstlerischer Bildung für Kinder und Jugendliche<br />
jenseits von <strong>Schule</strong> bereitzustellen. Auch mit diesem Projekt<br />
sollen Kooperationen zwischen <strong>Schule</strong>n und freien <strong>Kultur</strong>-<br />
trägern, hier Kunstschulen, entwickelt und ausgebaut werden.<br />
Seit dem Schuljahr 2009/2010 fördert das MWK im Rahmen<br />
des Musikalisierungsprogramms „Wir machen die Musik!“ die<br />
Kooperation von kommunalen wie privaten Musikschulen mit<br />
Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Unabhängig von<br />
der sozialen Herkunft werden Kinder auf professionelle Weise<br />
an Musik herangeführt. Neben der Freude am gemeinsamen<br />
Musizieren fördert das Projekt vor allem Schlüsselkompetenzen<br />
wie Konzentration, Leistungsfähigkeit und Ausdauer.<br />
Bis zum Jahr 2016 sollen 80% aller Kinder in Kitas und 30 %<br />
der Kinder in Grundschulen erreicht werden. Im Schuljahr<br />
2011/2012 beträgt die Förderung durch das MWK 1,6 Millionen<br />
Euro, ab dem Schuljahr 2012/2013 wird das Musikalisierungsprojekt<br />
jährlich aufgestockt.<br />
1 s. www.alf-hannover.de<br />
2 s. www.schubi-ol.de<br />
3 s. www.hermannshof.de; www.fruehe-kindheit-niedersachsen.de<br />
4 s. www.boedecker-kreis.de<br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _23<br />
Das Land Niedersachsen unterstützt weitere Träger <strong>Kultur</strong>eller<br />
Bildung bei Schulkooperationen und fördert <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung im Rahmen der regionalen <strong>Kultur</strong>förderung durch die<br />
Landschaften und Landschaftsverbände. Dafür seien beispielhaft<br />
genannt:<br />
>> Die Akademie für Leseförderung der Stiftung Lesen<br />
an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, Hannover 1 ,<br />
>> SchuBi – <strong>Schule</strong> und Bibliothek – Bildungspartner<br />
für Lese- und Informationskompetenz, Oldenburg 2 ,<br />
>> Projekt „Zeig mal – lass hören“ – Sprachförderung<br />
durch Kunst, Hermannshof, Springe 3 ,<br />
>> Schreibwerkstätten und Autorenlesungen an <strong>Schule</strong>n,<br />
Friedrich-Bödecker-Kreis e. V. in Niedersachsen, Hannover 4 .<br />
Für das Land Niedersachsen ist (früh-)kindliche <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />
ein wichtiger Förderschwerpunkt und es wird diese auch<br />
in Zukunft unterstützen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.mwk.niedersachsen.de und<br />
www.kulturellejugendbildung.niedersachsen.de
24_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
2.3 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong><br />
modelle auS nIederSachSen<br />
marion heuer<br />
Referentin für Musik und <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />
im Niedersächsischen Kultusministerium<br />
Musik und Bildende Kunst, mit all ihren Gattungen, sind besonders<br />
ausgeprägte Ausdrucksweisen von Kreativität, Fantasie<br />
und Emotion, aber auch Intelligenz und handwerklichem Können.<br />
Darum fördert das Land Niedersachsen Bildungsangebote<br />
der Sparten Theater, Bildende Kunst, Musik und audiovisuelle<br />
Medien (Film), die Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit<br />
geben, sich aktiv und spielerisch mit der eigenen und<br />
der Lebenssituation anderer auseinanderzusetzen.<br />
Das Niedersächsische Kultusministerium unterstützt zahlreiche<br />
sehr unterschiedliche Projekte der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung, sowohl<br />
ideell als auch finanziell. Dabei werden Kunstförderprojekte<br />
in Kooperationen mit Hochschulen oder in besonderen<br />
Bereichen des Schulalltags, z. B. Zirkuspädagogik oder Theaterangebote,<br />
unterstützt. Die Breitenförderung der <strong>Kultur</strong>ellen<br />
Bildung ist dem Kultusministerium dabei ebenso ein Anliegen<br />
wie auch die Begabtenförderung bei besonderen Talenten im<br />
Rahmen der Begabtenförderung und der Kooperationsverbünde<br />
in den Regionen.<br />
Um dem Fachlehrermangel für Musikunterricht entgegenzuwirken,<br />
wurde eine Weiterbildung für fachfremd unterrichtende<br />
Lehrkräfte in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für<br />
schulische Qualitätsentwicklung und der Bundesakademie für<br />
kulturelle Bildung Wolfenbüttel bereits zweimal sehr erfolgreich<br />
durchgeführt. Diese Maßnahme trägt erheblich zur Qualitätssteigerung<br />
des Musikunterrichts bei. Die vergleichbare<br />
Weiterbildungsmaßnahme „Darstellendes Spiel zum/r Theaterlehrer/in“<br />
wird ebenfalls für die Sekundarstufe in Verbindung<br />
mit der Bundesakademie angeboten und ist stark nachgefragt.<br />
Für eine Qualitätssteigerung in den Fächern Musik, Kunst, Werken<br />
und textiles Gestalten wurden für alle Schulstufen Fachberater/innen<br />
berufen und besonders im Hinblick auf <strong>Schule</strong>ntwicklungsplanung<br />
ausgebildet. Sie sorgen an den <strong>Schule</strong>n<br />
für fachlichen Input und helfen in ihrer Beraterfunktionen beispielsweise<br />
bei der Entwicklung der schuleigenen Arbeitspläne<br />
zur Implementierung der Kerncurricula. Themenbezogene<br />
Fortbildungen aller kulturellen Fächer sind über den „Niedersächsischen<br />
Bildungsserver“ 1 abrufbar.<br />
Im Folgenden werden einige niedersächsische Bildungsangebote<br />
vorgestellt:<br />
landeswettbewerb „Jugend gestaltet“<br />
Der bundesweit einmalige künstlerisch-kreative Landes-<br />
1 s. www.nibis.de<br />
wettbewerb „Jugend zeichnet und gestaltet“ wird seit vielen<br />
Jahren niedersachsenweit erfolgreich alle zwei Jahre vom<br />
gleichnamigen Verein durchgeführt. Der Wettbewerb steht<br />
unter der Schirmherrschaft des/r jeweils amtierenden Niedersächsischen<br />
Kultusministers/in und wird vom Kultusministerium<br />
ideell und finanziell unterstützt. An dem Wettbewerb<br />
beteiligen sich regelmäßig ca. 200 <strong>Schule</strong>n aller Schulformen<br />
aus ganz Niedersachsen. Es können Arbeiten in den Kunstsparten<br />
Malerei, Zeichnung, Grafik, Fotografie, Video, Plastik<br />
und dreidimensionale Werke eingereicht werden. Eine Fachjury<br />
besteht aus Kunstprofessoren/innen, Künstlern/innen<br />
und Pädagogen/innen. Der Wettbewerb „Jugend zeichnet und<br />
gestaltet“ ist seit vielen Jahren ein geeignetes Instrument<br />
zur Darstellung hochwertiger künstlerischer Arbeiten von<br />
Schülern/innen unterschiedlicher Schulformen in Niedersachsen.<br />
Für viele der bisherigen Preisträger war der Wettbewerb<br />
motivierender Anlass, ihre kreativ-künstlerischen Kompe-<br />
tenzen weiter auszubauen.<br />
weitere Informationen: www.jugendgestaltet.de<br />
Kunst und hochbegabung<br />
Im Allgemeinen wird bei besonderer Leistungsbereitschaft<br />
und Leistungsfähigkeit von einer Hochbegabung in mathematisch-logischen,<br />
musikalischen, sprachlichen oder weiteren<br />
Bereichen ausgegangen. Das Kultusministerium ist sich der<br />
Verantwortung der Förderung Hochbegabter bewusst und hat<br />
in Kooperation mit verschiedenen Partnern dazu Kooperationsprojekte<br />
entwickelt. In Zusammenarbeit mit der Landesschulbehörde<br />
– Abteilung Osnabrück – werden seit dem Herbst 2008<br />
erfolgreich „JuniorAkademien“ durchgeführt. Ziel ist es, Schülern/innen<br />
eine intellektuell anspruchsvolle, innovative und<br />
kreative Begabungsförderung und Herausforderung zu bieten,<br />
deren sie sich mit Fach- und Lehrkräften stellen.<br />
Der große Erfolg der „JuniorAkademien“ führt zu einer weiteren<br />
Ergänzung der Angebote in Niedersachsen. In Kooperation<br />
der Malschule der Kunsthalle Emden mit der Landessschulbehörde,<br />
Abteilung Osnabrück, und dem Kultusministerium<br />
wird nun eine zweite „KunstAkademie“ an einem Wochenende<br />
im Rahmen der Begabungsförderung angeboten. Dieses Projekt<br />
soll zunächst auf Oldenburg, Ganderkesee und Delmenhorst<br />
begrenzt sein. Eine Ausweitung auf die gesamte Region<br />
Weser-Ems ist beabsichtigt. Angesprochen werden Schüler/<br />
innen der 9. und 10. Jahrgangsstufe.<br />
Die „Kunstbegabungsförderung (KBF)“ ist eine in Hildesheim<br />
eingerichtete und vom Niedersächsischen Kultusministerium<br />
autorisierte Maßnahme für Schüler/innen der <strong>Schule</strong>n<br />
mit gymnasialer Oberstufe. Die KBF-Hildesheim arbeitet mit<br />
den <strong>Schule</strong>n und der Hochschule für Angewandte Wissenschaft<br />
und Kunst (HAWK) zusammen. Für junge Menschen bietet sich<br />
hier eine Plattform, ihre kreativen Neigungen und Fähigkeiten
zu erfahren, entfalten und ausbauen zu können. Ziel ist der<br />
Aufbau einer soliden Wissensbasis, die Schärfung visueller<br />
und haptischer Erfahrungen, die Förderung der synästhetischen<br />
Erlebnisfähigkeit und des Vermögens zu bildhafter Vorstellung<br />
sowie der Ergänzung und Erweiterung kunstfachspezifischer<br />
Kompetenzen. Dabei sollen kunstbegabte Schüler/<br />
innen erleben, mit ihren eventuell auch ungewöhnlichen Fragen<br />
und Spezialinteressen ernst genommen zu werden. Ihre<br />
kreative Haltung, die durch Risikobereitschaft, Fantasie, Mut<br />
zum Experiment und zur Innovation bestimmt sein kann, soll<br />
gewürdigt und gefördert werden.<br />
weitere Informationen: http://kunstbegabte-hi.blogspot.com<br />
Programm „tandem Kunst-<strong>Schule</strong>“ – Pilotprojekt in Springe<br />
„zeig mal, lass hören“<br />
Seit Anfang 2010 findet in der Stadt Springe bei Hannover ein<br />
Modellprojekt der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung zur Sprachförderung<br />
für Kindergarten- und Grundschulkinder statt. Beteiligt sind<br />
drei Kindergärten, eine Grundschule und zahlreiche Künstler/<br />
innen.<br />
Ziel des Projektes ist es, die Kinder durch die Arbeit mit<br />
Künstlern/innen in der Entwicklung ihrer verbalen und nonverbalen<br />
Ausdrucks- und Gestaltungsfähigkeiten zu stärken.<br />
Die Künste, in diesem Fall die Bildenden Künste, das Theater,<br />
der Tanz und die Musik, können als eigene Symbolsprachen<br />
verstanden werden.<br />
Parallel zur Evaluation erfolgte eine Ausweitung und Weiterentwicklung<br />
dieses Pilotprojekts zu dem Programm „Tandem<br />
Kunst-<strong>Schule</strong>“. Dies soll zunächst über drei Jahre erprobt<br />
und in Kooperation mit der VGH-Stiftung, dem Kultusministerium<br />
(MK) und dem Landesverband der Kunstschulen Niedersachsen<br />
(LVKS) durchgeführt werden. Offizieller Start für die<br />
Praxis ist das Schuljahr 2011/2012.<br />
audiovisuelle medien: Qualifizierungsmaßnahme „Filmlehrer“<br />
Der Grundgedanke der berufsbegleitenden Qualifizierung zum<br />
„Filmlehrer“ ist die aktive Auseinandersetzung mit dem Thema<br />
„Filmbildung“. Neben der Rezeption steht auch die Produktion<br />
von Filmen im Vordergrund der späteren Unterrichtsgestaltung.<br />
Die Qualifizierung der „Filmlehrer“ beinhaltet auch<br />
die Teilnahme an Fachtagungen mit praxisorientierten Workshops.<br />
„Filmlehrer“ richtet sich an alle Schularten und alle<br />
Fächer – Film kann als praktisches Medium fast überall eingesetzt<br />
werden, vom Geschichts- bis zum Kunstunterricht,<br />
von der Grundschule bis zum Berufskolleg, im regulären<br />
Unterricht und in der AG. Auf der Homepage von „Filmlehrer“<br />
werden ausgewählte Kollegen/innen mit ihrer schulischen<br />
Medienarbeit vorgestellt, Kontaktdaten und Links ermöglichen<br />
es Interessierten, berufserfahrene „Filmlehrer“ zu kontak-<br />
tieren. Die Qualifizierung „Filmlehrer“ hat Modellcharakter<br />
und ist bundesweit einmalig.<br />
weitere Informationen: www.filmlehrer.de<br />
Film und musik: „cItYzoomS music“<br />
Darüber hinaus wurde das Projekt „CITYZOOMS music“ im Rahmen<br />
des Programms „Hauptsache:Musik“ in Kooperation mit<br />
„up and coming“ vom Kultusministerium gefördert. Dies ist ein<br />
Pilotprojekt zur nachhaltigen Auseinandersetzung von Schülern/innen<br />
mit Musik und Film im Kontext. Die Schüler/innen<br />
arbeiten an einem gemeinsamen Filmmusikprojekt, das die<br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _25<br />
Ideenfindung, Umsetzung, Filmmusikkomposition und Filmerstellung<br />
einschließt und den Fokus auf die Sound-/Musikbearbeitung<br />
und -erarbeitung richtet.<br />
weitere Informationen: www.cityzoomsmusic.de<br />
theater<br />
In Grund- und Förderschulen wie in der Sekundarstufe I gibt<br />
es zahlreiche Angebote zur theaterpädagogischen Arbeit,<br />
hier besonders in Form von AGs. Das Fach Darstellendes Spiel<br />
kann mittlerweile als Abiturfach belegt werden. Das Kultusministerium<br />
fördert darüber hinaus das „Niedersächsische<br />
Schülertheatertreffen“. Ein Austausch zur Erweiterung der<br />
schulischen Angebote und Bedingungen wird seitens des Kultusministeriums<br />
mit dem Fachverband Schultheater – Darstellendes<br />
Spiel Niedersachsen e. V. sowie der Niedersächsischen<br />
Landesbühne gepflegt.<br />
weitere Informationen: www.schultheater-nds.de<br />
Im November 2011 fand in Zusammenarbeit mit der Bundesakademie<br />
für kulturelle Bildung Wolfenbüttel, der Landesvereinigung<br />
<strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen e. V. sowie<br />
dem Landesverband Theaterpädagogik Niedersachsen e. V.<br />
die Tagung „Zusammenspiel – Theaterpädagogik und <strong>Schule</strong>“<br />
in Wolfenbüttel statt. Es war ein Fachtreffen unterschiedlicher<br />
theaterpädagogischer Interessengruppen mit dem Ziel, Perspektiven<br />
für eine ausgeweitete, qualitätsvolle theaterpädagogische<br />
Arbeit in den <strong>Schule</strong>n zu entwickeln.<br />
weitere Informationen: www.lat-niedersachsen.de<br />
musik<br />
Das Aktionsprogramm „Hauptsache:Musik“ arbeitet seit mehr<br />
als zehn Jahren sehr erfolgreich als pädagogische Säule der<br />
schulischen Musikerziehung. Der Entschließungsantrag aus<br />
dem Jahr 2008 bringt zum Ausdruck, dass musikalische Bildung<br />
in besonderem Maße zu fördern sei. Im Folgenden wird<br />
ein kurzer Überblick über die vielfältige musikalisch-kooperative<br />
Bildungslandschaft in Niedersachsen gegeben.<br />
Es wurde in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik<br />
und Theater ein Modell für Chorklassen entwickelt. Dazu<br />
finden regelmäßige Chorklassentreffen statt. Die Kooperation<br />
mit dem Chorverband Niedersachsen-Bremen und dem<br />
Niedersächsischen Chorverband hat eine lange Tradition und<br />
wird stetig ausgebaut.<br />
Beim landesweiten Projekt „Klasse, wir singen!“ haben im<br />
Jahr 2011 rund 135 000 Schüler/innen sowie 13 000 Lehrkräfte<br />
und 200 000 Gäste an 81 Liederfesten teilgenommen. So<br />
konnte ein Meilenstein zur musikalischen Basiskompetenzförderung<br />
gesetzt werden. Die Motivation, in den <strong>Schule</strong>n zu<br />
singen, hält stark an, es werden zahlreiche neue Schulchöre<br />
gegründet, oft in Kooperation mit außerschulischen Partnern.<br />
Diese können z. B. beim Gemeinschaftsprojekt mit dem Landesmusikrat<br />
im Jahr 2012 „Kleine Leute, bunte Lieder“ an 24<br />
Regionalfesten und dem Abschlussfest beim Norddeutschen<br />
Rundfunk (NDR) ihr sängerisches Können unter Beweis stellen.<br />
weitere Informationen: www.hauptsachemusik.nibis.de<br />
Die Angebote für Bläserklassen in der Sekundarstufe sind weit<br />
ausgebaut. Alle zwei Jahre finden Bläserklassentreffen statt,<br />
an denen rund 2500 Schüler/innen teilnehmen. Insgesamt<br />
gibt es landesweit mehr als 200 Bläserklassen, die wiederum
26_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
mit außerschulischen Partnern, vor allem den Musikschulen,<br />
kooperieren. Für die Förder- und Hauptschule wurde mit der<br />
Sparkassenstiftung und dem Niedersächsischen Musikverband<br />
e. V. ein eigenes Modell entwickelt.<br />
Im Zuge des bildungspolitischen Schwerpunktes der „Inklusion“<br />
wurde die Arbeitsgruppe „Musik integrativ“ gemeinsam mit<br />
dem „Musikland Niedersachsen“ gegründet. Integrative Musikprojekte<br />
(z. B. „Hannoversches Integratives Soundfestival<br />
(HIS)“) werden mit Musikschulen und Musikerziehern/innen in<br />
Förderschulen durchgeführt.<br />
Andere Kooperationspartner, die sich mit populärer Musik beschäftigen<br />
und diese in die Alltagswelt der Jugendlichen integrieren<br />
möchten, sind die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG)<br />
Rock und die LAG Jazz. Für Schüler/innen mit Migrationshintergrund<br />
sind hier zahlreiche integrative Angebote zu finden.<br />
Auf diese Weise begegnen sich unterschiedliche <strong>Kultur</strong>en musikalisch<br />
und leisten einen Beitrag zur Toleranzerziehung im<br />
gemeinsamen Umgang. Im ländlichen Raum bietet das „Rhythmikmobil“<br />
der Landesmusikakademie Rhythmikschulung mit<br />
dem Schwerpunkt der interkulturellen Musikerziehung an<br />
Grundschulen an. Die Stiftung Niedersachsen unterstützt diese<br />
Projekte im Rahmen von „Hauptsache:Musik“.<br />
Um weitere Nachwuchskräfte für musikpädagogische Berufe<br />
im Lehramt zu gewinnen, wird das sehr erfolgreiche Programm<br />
„Musikmentoren“ gemeinsam mit dem Landesmusikrat in den<br />
Bereichen Vokal, Instrumental, und Studio – und seit dem Jahr<br />
2012 auch Videotechnik – an vier regionalen Standorten, u. a. in<br />
der Landesmusikakademie in Wolfenbüttel durchgeführt. Weiterhin<br />
haben die Schüler/innen die Möglichkeit, in den von ihnen<br />
gewählten Favoriten an vier Wochenenden in einem Schuljahr<br />
pädagogische Erfahrungen zu sammeln, die sie im Anschluss in<br />
ihren <strong>Schule</strong>n, z. B. als Chorassistent/innen, umsetzen können.<br />
Bei der „musikalischen Exzellenzförderung“ ist das Institut<br />
zur Frühförderung (Iff) in Kooperation mit der Hochschule für<br />
Musik, Theater und Medien Hannover zu nennen. Dort werden<br />
musikalisch sehr begabte und hochbegabte junge Musiker/<br />
innen individuell schon vor Erreichen des hochschulfähigen<br />
Alters, zusätzlich zu ihren Studien am Instrument, auch in den<br />
theoretischen Fächern intensiv gefördert und betreut. Dieses<br />
Angebot ist europaweit einmalig und stark nachgefragt. Das<br />
Programm ist auch auf die Grundschule an vier regionalen<br />
Standorten in Niedersachsen ausgeweitet. Dazu stellt das Niedersächsische<br />
Kultusministerium eigens eine pädagogische<br />
Koordinatorin zur Verfügung.<br />
weitere Informationen: www.mk.niedersachsen.de<br />
© Kris Finn
© Schäflein & Himmelreich<br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _27<br />
2.4 daS KoordInatIonSBüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“<br />
Im InterVIew: anJa KrüGer<br />
anja Krüger ist Bildungsreferentin der<br />
Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />
Niedersachsen e. V. (LKJ),<br />
Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“,<br />
Hannover<br />
Anja Krüger, welche Aufgaben hat das Koordinationsbüro<br />
„<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ (KmS) Niedersachsen?<br />
Das Koordinationsbüro „KmS“ übernimmt die Kommunikation<br />
und Vermittlung zwischen den Mitgliedern der LKJ, der<br />
Verwaltung und der Politik in Niedersachsen. Wir erfragen die<br />
Bedürfnisse, Anregungen und Wünsche unserer Mitglieder und<br />
vereinbaren die politischen Rahmenbedingungen für Kooperationen<br />
mit <strong>Schule</strong>n. Des Weiteren vernetzen wir die Träger <strong>Kultur</strong>eller<br />
Bildung und <strong>Schule</strong>n, stellen Bildungspartnerschaften<br />
her und beraten und unterstützen die Kooperationspartner mit<br />
Arbeitshilfen, Fortbildungen und Möglichkeiten zum Fachaustausch.<br />
Zusätzlich pflegen wir eine Datenbank mit Angeboten<br />
<strong>Kultur</strong>eller Bildung, in der <strong>Schule</strong>n außerschulische kulturelle<br />
Kooperationspartner finden und so ihr Schulprofil erweitern<br />
können.<br />
Wie wird das Koordinationsbüro finanziert?<br />
Die LKJ stellt für das Koordinationsbüro Mittel aus dem<br />
Stammhaushalt zur Verfügung. Seit dem Jahr 2005 formulieren<br />
die LKJ und das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />
im Vierjahresrhythmus eine Zielvereinbarung zur Sicherung<br />
der institutionellen Förderung. Dort wird das Koordinationsbüro<br />
sowohl inhaltlich als auch finanziell abgesichert.<br />
Wie sieht die <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />
an Niedersachsens <strong>Schule</strong>n zurzeit aus?<br />
Die Praxis der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung an Niedersachsens <strong>Schule</strong>n<br />
ist ein großes, sehr aktives Feld. Sie ist schon sehr viel<br />
weiter ausgebaut als in der wissenschaftlichen Theorie oder<br />
den politischen Rahmenbedingungen. Die meisten Kontakte<br />
zwischen Kooperationspartnern kommen durch persönliche<br />
Verbindungen oder das Engagement Einzelner (beispielsweise<br />
interessierter Lehrer/innen) zustande. Strukturelle Rahmenbedingungen<br />
für diese Kooperationen gibt es kaum. Gefördert<br />
und finanziert werden sie hauptsächlich in der geschlossenen<br />
Ganztagsschule, den Integrierten Gesamtschulen und den<br />
Gymnasien. Andere Schulformen haben wesentlich größere<br />
Schwierigkeiten, Kooperationen mit Qualität zu finanzieren.<br />
Vor allem in den offenen Ganztagsschulen, in denen die Nachmittagsangebote<br />
für die Schüler/innen freiwillig sind, fehlt eine<br />
ausreichende Finanzierung für qualitativ kulturelle Bildungsangebote.<br />
Diese <strong>Schule</strong>n müssen sich für ihre Projekte um private<br />
Förderer, Stiftungen oder landesweite, europaweite oder<br />
1 s. www.mixed-up-wettbewerb.de<br />
bundesweite Unterstützungen bemühen. Die Landeshauptstadt<br />
Hannover setzt beispielsweise eine vorbildliche kommunale<br />
Förderung um, während die Finanzierung für Kooperationen<br />
im ländlichen Raum wesentlich schwieriger ist. Insgesamt<br />
ist es beeindruckend, wie erfolgreich, vielfältig und vielseitig<br />
die Praxis trotz erschwerter Rahmenbedingungen im ganzen<br />
Land mit Engagement umgesetzt wird.<br />
Wie lange gibt es das Kooperationsbüro<br />
und was hat seine Arbeit bis jetzt bewirkt?<br />
Das Koordinationsbüro in Niedersachsen ist noch relativ jung.<br />
Es besteht seit März 2008. Unsere größten Erfolge sind zum<br />
einen die Vernetzung unterschiedlicher Partner in Niedersachsen.<br />
Zu diesen gehören die Serviceagentur Ganztägig Lernen,<br />
das <strong>Kultur</strong>büro Oldenburg, die Agentur für Erwachsenen- und<br />
Weiterbildung und die Landeshauptstadt Hannover. Zum anderen<br />
liegt in dem sich stetig intensivierendem Kontakt zu Verwaltung<br />
und Politik, also den Niedersächsischen Ministerien,<br />
sowie in der bundesweiten Präsenz des Koordinationsbüros<br />
„KmS“ großes Potenzial. Die Tatsache, dass das Ministerium<br />
für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> Niedersachsen das Koordinationsbüro<br />
finanziert, zeigt, dass im Ministerium der Bedarf<br />
für die Förderung kultureller Kooperationen gesehen und unterstützt<br />
wird. Dies ist ein Erfolg der Bemühungen der LKJ-<br />
Geschäftsführerin Insa Lienemann in der Kommunikation mit<br />
dem Ministerium.<br />
Erfolgreiche Kooperationsprojekte zwischen <strong>Kultur</strong> und<br />
<strong>Schule</strong>, in denen wir als Projektträger agieren sind „Theaterspielen<br />
in der Grundschule“ und der „KunstSommer“. Außerdem<br />
sind wir Kooperationspartner für das Projekt „Lesementoring“.<br />
Der erste große Erfolg unserer Arbeit war die Gründung<br />
des Landesverbandes Theaterpädagogik, der sich bereits acht<br />
Monate nach Einrichtung des Koordinationsbüros Ende 2008<br />
gründete.<br />
Im politischen Bereich haben wir bisher zwei Fachtage<br />
organisiert, aus denen weitere Arbeitskreise entstanden sind.<br />
Wir haben erstmalig mit unserem Dialog „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“<br />
im Juni 2011 Vertreter/innen aus <strong>Kultur</strong>, Politik, <strong>Schule</strong> und<br />
Verwaltung zum Gespräch an einen Tisch geholt, wo diese<br />
über die Zukunft der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Kooperation mit<br />
<strong>Schule</strong> in Niedersachsen diskutierten. Ein weiterer Schritt,<br />
Rahmenbedingungen in Niedersachsen für <strong>Kultur</strong>schaffende<br />
und <strong>Schule</strong>n zu verbessern.<br />
Welches sind die erfolgreichsten Kooperationsprojekte<br />
in Niedersachsen?<br />
Seit dem Jahr 2007 wurde in jedem Jahr ein Kooperationsprojekt<br />
aus Niedersachsen mit dem Bundespreis „MIXED UP“ 1<br />
der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung<br />
(BKJ) ausgezeichnet. In diesem Jahr waren es das Projekt<br />
„TANZT“ mit dem Theater für Niedersachsen in Kooperation mit
28_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
der Hauptschule Alter Markt und dem Theaterpädagogischen<br />
Zentrum in Hildesheim. Außerdem ging der Sonderpreis „Netzwerker“<br />
an „<strong>Kultur</strong>elle Bildung in Oldenburg“. Somit hatten wir<br />
2011 gleich zwei niedersächsische Preisträger. Von 2007 bis<br />
2010 erhielten vier Konzepte unserer Mitgliedsverbände eine<br />
dreijährige Förderung im Rahmen des BKJ-Modellprojekts<br />
„Lebenskunst lernen“ 2 .<br />
Das sind die erfolgreichsten Kooperationen, die in der Öffentlichkeit<br />
bekannt sind, aber den größten Erfolg möchte ich<br />
denen zusprechen, die es schaffen, seit Jahren kontinuierlich<br />
Kindern und Jugendlichen <strong>Kultur</strong>elle Bildung im Schulzusammenhang<br />
zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, es gibt noch eine<br />
Vielzahl von erfolgreichen und längerfristigen Projekten, von<br />
denen ich im Koordinationsbüro nichts erfahre. Niedersachsen<br />
ist ein Flächenland und so mancher Diamant liegt für das<br />
Koordinationsbüro noch unentdeckt im Verborgenen.<br />
Welche Schwierigkeiten bestehen bei Ihrer Arbeit?<br />
Leider existieren kaum lückenlose Förderungen für <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung an <strong>Schule</strong>n und damit nur vereinzelt qualitätssichernde<br />
Strukturen. Die größten Schwierigkeiten ergeben<br />
sich daher aus der mangelnden strukturellen und finanziellen<br />
Ausstattung für Kooperationen zwischen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>.<br />
Unser Arbeitsfeld liegt in der Schnittmenge aus <strong>Schule</strong> und<br />
<strong>Kultur</strong>, und es würde unser Handeln erleichtern, wenn die beiden<br />
zuständigen Ministerien an dieser Stelle zusammenarbeiten<br />
würden. Das Aufeinanderprallen zweier unterschiedlicher<br />
Systeme von <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong> und deren verschiedenen<br />
Vermittlungsformen führen immer wieder zu Problemen, aber<br />
auch Aha-Erlebnissen.<br />
Was sind – Ihrer Meinung nach –<br />
die Kriterien für eine erfolgreiche Kooperation?<br />
Die wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Kooperation<br />
ist ein gemeinsames Bildungsverständnis zwischen dem<br />
außerschulischen Partner und der <strong>Schule</strong>. Hierzu ist es wichtig,<br />
dass sich die Kooperierenden auf Augenhöhe begegnen.<br />
Am besten ist es, wenn die Möglichkeit besteht, dass beide<br />
gemeinsam das Konzept des Projektes erstellen und jede Einrichtung<br />
den Grund und Nutzen der Arbeit sieht. Die Partner<br />
sollten zuständige Kontaktpersonen haben, denn eine gute<br />
Kommunikationsstruktur erleichtert die Arbeit wesentlich.<br />
Grundsätzlich sollte in den Projekten das Kind oder die/der<br />
Jugendliche im Mittelpunkt stehen. Es sollte von ihnen aus<br />
gedacht und gehandelt werden und nicht ausgehend von den<br />
Interessen der Partner.<br />
Was wünschen Sie sich für die Zukunft<br />
des Koordinationsbüros „KmS“?<br />
Im Interesse funktionsfähiger Kooperationen aus <strong>Kultur</strong> und<br />
<strong>Schule</strong> wünsche ich mir vor allem eine Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />
für ihr Zustandekommen. Hierzu gehören<br />
angemessene und verbindliche (finanzielle, räumliche und<br />
organisatorische) Rahmenbedingungen, die Anerkennung<br />
der außerschulischen Angebote der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in<br />
<strong>Schule</strong>n als professionelle Bildung und eine Flexibilisierung<br />
des Schulalltags, um Unterricht und Freizeit im Interesse<br />
2 s. www.lebenskunstlernen.de<br />
der Schüler/innen abwechslungsreicher gestalten zu können.<br />
Eine Qualifizierung der beteiligten Lehrer/innen wäre ebenfalls<br />
wünschenswert. Vorzugsweise gemeinsam mit den beteiligten<br />
<strong>Kultur</strong>pädagogen/innen, um so die Grundlage für ein gemein-<br />
sames Bildungsverständnis zu legen und gemeinsam Ziele,<br />
Maßnahmen und Methoden der Projekte zu erarbeiten. Langfristig<br />
wäre es eine große Erleichterung, wenn kulturelle Angebote<br />
als Lerninhalte im Lehrplan verankert würden. Wäre <strong>Schule</strong> ein<br />
Lebensraum von Kindern und Jugendlichen, so könnten die Konzepte<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung dort viel besser Fuß fassen.<br />
Für das Koordinationsbüro „KmS“ wünsche ich mir einen Ausbau<br />
der personellen Ressourcen, um „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ im<br />
größeren Rahmen umsetzen zu können. Des Weiteren könnte<br />
ich mir mehrere Netzwerkbüros in Niedersachsen, vor allem im<br />
ländlichen Raum vorstellen, die flächendeckend die Entwicklung<br />
von Kooperationen unterstützen und fördern. Auch wenn<br />
das Koordinationsbüro im Land schon gut vernetzt ist, lässt<br />
sich mit einer dreiviertel Personalstelle in Hannover nicht alles<br />
umsetzten, was möglich wäre.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.lkjnds.de<br />
© Anna Schäflein
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _29<br />
2.5 dIaloG „<strong>Kultur</strong> trIFFt <strong>Schule</strong>“ In nIederSachSen<br />
Geht In dIe erSte runde!<br />
malin Kettel<br />
Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />
e. V. (LKJ), Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“, Hannover<br />
Die erste Begegnung von <strong>Kultur</strong> und Politik in Niedersachsen<br />
<strong>macht</strong> Hoffnung für die Zukunft. Die Besucher/innen des Treffens<br />
sind sich einig, dass kulturelle Kooperationen mit <strong>Schule</strong>n<br />
ein wichtiger Bestandteil der kulturellen Kinder- und Jugendbildung<br />
sind.<br />
Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags, Lehrer/innen,<br />
<strong>Kultur</strong>pädagogen/innen und Künstler/innen trafen sich am<br />
15. Juni 2011 im Landesmuseum in Hannover, um sich über<br />
die Zukunft der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung an Niedersachsens <strong>Schule</strong>n<br />
auszutauschen. Die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />
Niedersachsen e. V. (LKJ) hatte zu dieser Veranstaltung<br />
eingeladen. Zum ersten Mal trafen Politik und Praxis in diesem<br />
Rahmen aufeinander.<br />
Dr. Katja Lembke vom Niedersächsischen Landesmuseum eröffnete<br />
die Veranstaltung und <strong>macht</strong>e am Beispiel der Kooperation<br />
von <strong>Schule</strong> und Museum deutlich, dass kulturelle Projekte<br />
den Bildungskanon der <strong>Schule</strong> erweitern. Schüler/innen<br />
erfahren durch die kreativen und emotionalen Prozesse neue<br />
Zugänge zu ihren Fähigkeiten und damit eine neue Form von<br />
Wissensaneignung. Auch die Niedersächsische Landesregierung<br />
misst der kulturellen Jugendbildung einen hohen Stellenwert<br />
zu. Im Rahmen der Neuordnung der <strong>Kultur</strong>förderung hat<br />
das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong><br />
(MWK) mit der LKJ und dem Landesverband der Kunstschulen<br />
(LVKS) bereits die zweite Zielvereinbarung geschlossen,<br />
die für Planungssicherheit bis zum 31. 12. 2013 sorgt. Heike<br />
Fliess vom MWK unterstrich, dass kulturelle Jugendbildung<br />
eine Querschnittsaufgabe sei. Die Träger <strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
seien heute ein wichtiger Partner für <strong>Schule</strong>n. Die Veranstaltung<br />
„<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“ trage dem Gedanken der Kooperation<br />
und der Vernetzung zwischen <strong>Schule</strong> und außerschulischen<br />
Bildungsträgern in Niedersachsen Rechnung.<br />
Im Anschluss stellten Insa Lienemann von der LKJ und Anja<br />
Krüger, Leiterin des Koordinationsbüros „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“,<br />
beispielhafte <strong>Kultur</strong>projekte in Kooperation mit <strong>Schule</strong> vor.<br />
Diese wurden in den folgenden 45 Minuten an Thementischen<br />
vertieft und reflektiert. Die Einbindung der Projekte in den<br />
schulischen Alltag wurde in den Kleingruppen als größte Herausforderung<br />
genannt. Diskutiert wurde, wie Unterrichtsinhalte<br />
mit kulturellen Projekten verknüpft werden können, um<br />
einen positiven Effekt für Kinder und Jugendliche und <strong>Schule</strong>n<br />
zu erzielen.<br />
1 s. www.loccum.de/schulvorstand/<strong>Download</strong>s/allgemein/Krohne_Dereg.pdf<br />
Björn Försterling, FDP-Landtagsabgeordneter und Mitglied<br />
des Kultusausschusses, regte an, mit fächerübergreifendem<br />
Unterricht und der Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachlehrer/innen<br />
die <strong>Schule</strong>n in ihren Strukturen mehr zu öffnen.<br />
So wäre die Zusammenarbeit mit außerschulischen <strong>Kultur</strong>partnern<br />
leichter. Karl-Ludwig von Danwitz (CDU), ebenfalls<br />
Mitglied des Kultusausschusses, stimmte seinem Kollegen zu,<br />
wies jedoch darauf hin, dass der schulische Alltag bereits flexibler<br />
gestaltet werden könne. Mit der Einführung des Abiturs<br />
nach 12 Jahren (G8) und dem damit etablierten Kerncurriculum<br />
hätten die <strong>Schule</strong>n mehr Freiräume als früher. Er betonte,<br />
dass die Rahmenbedingungen für Kooperationen mit <strong>Schule</strong>n<br />
selten so offen waren wie heute. Bereits 2007 erhielten die<br />
<strong>Schule</strong>n eine „Übertragung erweiterter Entscheidungsspielräume“<br />
1 vom Niedersächsischen Kultusministerium. Durch<br />
diese haben die <strong>Schule</strong>n u. a. die Möglichkeit, den 45-minütigen<br />
Stundentakt zu lockern und Projektunterricht anzubieten.<br />
Marina de Greef vom Niedersächsischen Kultusministerium re-<br />
gte an, stärker für eine Mitwirkung der Lehrkräfte bei kul-<br />
turellen Kooperationsprojekten mit <strong>Schule</strong>n zu werben. Mitglieder<br />
der LKJ wiesen darauf hin, dass parallel zu den Angeboten<br />
für die Schüler/innen oft Lehrerfortbildungen angeboten würden<br />
oder Lehrer/innen die Projekte begleiteten.<br />
In der abschließenden gemeinsamen Diskussion wurde deutlich,<br />
dass Schwierigkeiten bestehen, die <strong>Schule</strong>n mit außerschulischen<br />
Projektpartnern in Kontakt zu bringen. Försterling<br />
schlug vor, dass Lehrkräfte mehr Freiräume bekommen sollten,<br />
um Kooperationen betreuen zu können. Marianne Heyden-<br />
Busch vom Fachbereich Stadtteilkulturarbeit der Stadt Hannover<br />
forderte ein Umdenken aller Beteiligten für neue Kommunikationsformen<br />
zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>. Christiane Maaß<br />
vom <strong>Kultur</strong>büro Oldenburg regte an, dass die Schulleitungen<br />
entlastet werden müssten, um mehr Zeit für die Organisation<br />
von kulturellen Kooperationen zu haben. Schließlich forderte<br />
Försterling sogar, dass den <strong>Schule</strong>n mehr Geld für kultu-<br />
relle Projekte und deren Organisationen zu Verfügung gestellt<br />
werden müsse.<br />
Die Veranstaltung „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>“ <strong>macht</strong> große Hoffnung<br />
für die <strong>Kultur</strong>elle Bildung in Kooperation mit Niedersachsens<br />
<strong>Schule</strong>n, denn alle Mitwirkenden waren sich einig, dass <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung ein wichtiger Bestandteil des schulischen Alltags<br />
ist. Es wurde deutlich, dass sich alle Beteiligten um Möglichkeiten<br />
bemühen, Kooperationen mit außerschulischen <strong>Kultur</strong>projekten<br />
zu vereinfachen. Der Dialog „<strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong><br />
in Niedersachsen“ soll in Zukunft in regelmäßigen Abständen<br />
stattfinden. Bisher besprochene Themen sollen dort vertieft<br />
und weitergedacht werden.<br />
Quelle: Pressemitteilung der LKJ Niedersachsen, Hannover,<br />
18. 06. 2011, www.lkjnds.de.
30_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
2.6 wIe weIterBIldunG dIe QualItät<br />
<strong>Kultur</strong>eller BIldunG In der <strong>Schule</strong> Fördern Kann<br />
thomas lang und claudia wenzel<br />
Referent/Referentin der Bundesakademie für kulturelle<br />
Bildung Wolfenbüttel<br />
Die Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel<br />
versteht sich als „Ort für Kunst, <strong>Kultur</strong> und ihre Vermittler“<br />
und als „Ort, wo aus Kunst <strong>Kultur</strong> wird“. Denn die Künste werden<br />
erst durch Wahrnehmung und Vermittlung zur <strong>Kultur</strong>. Ein<br />
umfangreiches Kurs-, Seminar-, Werkstatt- und Tagungsprogramm<br />
wendet sich an Akteure und Institutionen der <strong>Kultur</strong><br />
und der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Orchester, Theater, Museen, soziokulturelle<br />
Zentren, Volkshochschulen und deren Mitarbeiter/<br />
innen erhalten in Wolfenbüttel Hinweise, Anregungen und<br />
Fortbildungsangebote zu Vermittlungsstrategien von Kunst<br />
und <strong>Kultur</strong>, zu Konzepten von Ansprache, Darstellung und<br />
Partizipation. Bildende Künstler/innen, Autoren/innen, Chorleiter/innen<br />
und Kunst- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen finden<br />
in den Kursangeboten der Akademie neues Wissen und neue<br />
Fertigkeiten, die ihnen in ihrer Praxis nützen, Qualifizierungsreihen<br />
zur beruflichen Weiterentwicklung und Angebote zur<br />
Entfaltung fachlicher und persönlicher Kompetenzen. Es gilt,<br />
den Zugang zu <strong>Kultur</strong> und zur Wahrnehmung der Angebote der<br />
kulturellen Institutionen zu erweitern, mehr Menschen dafür<br />
zu begeistern und Hinweise zu geben, sich selber partizipativ<br />
und beteiligend, aktiv und kooperativ, künstlerisch und gesellschaftlich<br />
zu äußern.<br />
In zunehmendem Maße kooperieren <strong>Kultur</strong>institutionen mit<br />
<strong>Schule</strong>, mit Lehrern/innen und Schülern/innen. Modellversuche<br />
werden gestartet, gelungene Beispiele auf Festivals<br />
präsentiert, Tagungen und Kongresse veranstaltet. Viel wird<br />
gesprochen zurzeit über das Zusammenwirken dieser beiden<br />
mächtigen Monopolbetriebe, dem der <strong>Schule</strong> und dem der <strong>Kultur</strong>institutionen.<br />
Und es liegt nahe und klingt plausibel, Kooperationen<br />
zu verstärken. Die <strong>Schule</strong> ist gesellschaftlich auf- und<br />
herausgefordert, ihre tradierten Vorgehensweisen und Unterrichtsstrategien<br />
in den Bereichen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung zu<br />
befragen und zu erweitern. Und etablierte <strong>Kultur</strong>institutionen<br />
suchen in einer sich demografisch verändernden Gesellschaft<br />
den Umgang mit anderen und neuen Zuschauergruppen.<br />
„Künstler an die <strong>Schule</strong>“ ist in Mode. Man verspricht sich von<br />
einer Unterrichtstätigkeit der Künstler/innen, die partiell an<br />
<strong>Schule</strong>n unterrichten, neue Impulse für die Weiterentwicklung<br />
von Methoden, Motivationen und Ausdrucksweisen.<br />
Im gleichen Maße interessieren sich Lehrer/innen für die Einbeziehung<br />
künstlerischer Ausdrucksformen in Unterricht, Projektarbeit<br />
und schulischen Freizeitangeboten. Und auch hier<br />
greifen die Angebote der Bundesakademie ein und fordern<br />
und fördern die Interessen an Entdeckung und Qualifizierung<br />
kulturpädagogischer Vorgänge. In Kursen zur Literaturdidaktik<br />
werden Hinweise gegeben auf literarische Aktivitäten von<br />
Schülern/innen. Musikalisch Interessierte, auch fachfremd<br />
unterrichtende Lehrer/innen, finden Kurse und Qualifizierun-<br />
gen zur Anleitung von Schul- und Kinderchor, Rock-AG und Bläserklassen.<br />
Museumskuratoren/innen und Geschichtslehrer/<br />
innen erarbeiten Konzepte zur Einbindung musealer Objekte in<br />
Unterricht und Welterkundung. Die Akademie unterrichtet Performance<br />
in Bildender Kunst und Theater, Lyrik schreiben im<br />
Deutschunterricht und theaterpädagogische Annäherungen<br />
an Mathematik und Naturwissenschaften, Sportlehrer/innen<br />
studieren zeitgenössischen Tanz.<br />
Filmen in der <strong>Schule</strong>: die Qualifizierungsreihe „taschengeldkino“<br />
Wie solche Qualifizierungsreihen aussehen können, soll an einem<br />
Beispiel genauer ausgeführt werden: „Taschengeldkino“<br />
bietet Lehrern/innen eine umfangreiche Fortbildung zu Methoden,<br />
Kompetenzen und Strategien zur Förderung des Filmens in<br />
<strong>Schule</strong>n.<br />
„Taschengeldkino“, das ist der Film der jungen Leute, ge<strong>macht</strong><br />
mit knappen Mitteln. Die Technik ist da und allen verfügbar. Jeder,<br />
der ein Handy besitzt, und wer tut das nicht, findet dort ein<br />
paar Minuten Filmspeicher und mit ein paar Bits und Bites und<br />
einem preisgünstigen Schnittprogramm ist der erste eigene<br />
Kurzfilm bald auf YouTube zu sehen.<br />
Mit Taschengeldkino ist deshalb auch eine Qualifizierungsreihe<br />
benannt, die Lehrern/innen ein filmästhetisches und filmhandwerkliches<br />
Know-how vermittelt, basierend auf deren Interessen<br />
und Vorkenntnissen, mit dem Ziel, Jugendliche in der<br />
<strong>Schule</strong> (und anderswo) zu Filmproduktionen anzuregen, anzuleiten<br />
und selbstbewusst und stilsicherer zu unterstützen.<br />
Film ist zwar inzwischen selbstverständlicher Bestandteil der<br />
Unterrichtsgestaltung. Als Methode, als Inhalt oder als ästhetisches<br />
Produkt wird er immer wieder zum Gegenstand schulischer<br />
Praxis, im Unterricht, in Film-AGs und an Projekttagen:<br />
Der Deutschunterricht nutzt Film als kommentierende Auseinandersetzung<br />
mit Texten und Literatur, der Dokumentarfilm<br />
im Geschichtsunterricht bietet Bildmaterial zu kritischen Reflexionen<br />
und der Kunstunterricht sieht Film als Kunst und<br />
Kunstform.<br />
Es gilt nun, für Schulleben und Unterricht, das Filmen selbst,<br />
die Herstellung von Film und deren Veröffentlichung als Erweiterung<br />
von Anwendungsmöglichkeiten zu entdecken.<br />
Schülerfilmproduktionen zeigen jenseits des Mainstreams,<br />
wie ungewöhnlich und eigenwillig Filme sein können. Dieses<br />
„Filmemachen yourself“ wird so unmittelbar praktizierte Medienbildung.<br />
Das, was Schulpädagogen/innen nutzt, um Schülern/innen<br />
hilfreich zur Seite stehen zu können, sind Überblick und punktuelle<br />
Einblicke in Produktionsabläufe und deren methodische<br />
Übersetzungen in kooperative Lernprozesse, dazu Entfaltung<br />
von Stilsicherheit und Wissen zu Standardstrukturen in<br />
Filmsprache und Filmdramaturgie. Und Mut und Wissen, wie
© Claudia Wenzel<br />
filmpraktische Projekte anzugehen sind. Das will die Qualifizierungsreihe<br />
„Taschengeldkino“ erreichen.<br />
Als Dozenten/innen für die dreitägigen Arbeitsphasen werden<br />
filmpraktisch erfahrene, im Filmgeschäft Berufstätige angesprochen,<br />
motiviert und „Crash gecoacht“ für das fremde Fach<br />
„Lehrerfortbildung“. So wurden u. a. die mit der Wacken-Dokumentation<br />
„Full Metal Village“ bekannt gewordene Dokumentarfilmerin<br />
Sung-Hyung Cho oder der iranische Film-Regisseur<br />
Ali Samadi Ahadi („Salami Aleikum“) gewonnen. Deren Kompetenz:<br />
natürlich filmische Stilsicherheit und die Aura und Autorität<br />
des Könnens und der Berufswirklichkeit, aber vor allem<br />
eine durch effektivitätsorientierte Berufserfahrung gestählte<br />
Knappheit in der Formulierung. Interessant zu beobachten war<br />
im bisherigen Verlauf der Qualifizierungsreihe, dass anfangs<br />
sorgfältig konzipierte Erarbeitungen zeitgemäßer schulpä-<br />
dagogischer Umsetzungsstrategien im Verlauf der Arbeitsphasen<br />
mehr und mehr vernachlässigt werden konnten. Interessant<br />
deswegen, weil andere Erfahrungen im kunstpädagogischen<br />
Feld sonst oft gegenläufig sind. Die eigenpraktischen<br />
Erfahrungen der teilnehmenden Pädagogen/innen während<br />
der einzelnen Arbeitsphasen trugen diese didaktischen Einbindungen<br />
und methodischen Umsetzungen in einen zukünftigen<br />
Unterricht quasi in sich. Sie wurden, bedingt durch eine äußerst<br />
präzise und knapp gehaltene Unterrichts- und Dozierweise der<br />
Dozenten/innen, als ständig präsent erfahren, ohne extra angesprochen<br />
und trainiert werden zu müssen, unterrichteten<br />
sie sich quasi „von selbst“ und konnten der Kompetenz der<br />
Pädagogen/innen überlassen werden. Deren Konzentration<br />
galt dann schnell filmischen Erzählweisen, Dramaturgien und<br />
Bildkompositionen sowie Mitteilungsstrategien „jenseits des<br />
Selbstverständlichen“.<br />
Die Abfolge der sieben Phasen (jeweils dreitägig, zum Teil Unterrichtszeit,<br />
zum Teil Wochenende), methodisch abwechslungsreich<br />
und plausibel aufbauend, transparent strukturiert,<br />
folgt natürlichen Produktionsabläufen, von der Ideenfindung zu<br />
detailgenauen Beobachtungen, von Grundlagen des filmischen<br />
Erzählens über den Dokumentarfilm zum Kurzspielfilm, vom<br />
Drehbuch über Kamera und Licht zu Filmschauspiel und Filmschnitt,<br />
methodisch gegengelesen und flankiert von Filmfestivalbesuchen,<br />
Projektreflexionen und Vernetzungsangeboten.<br />
Das gelingt keinem allein, so etwas <strong>macht</strong> man nicht so eben<br />
nebenbei, dazu braucht es Überblick und starke Partner. Und<br />
Glück und Netzwerke wollten es, dass die daran Beteiligten<br />
offen, kooperativ und vertrauensvoll zusammenarbeiten, inklusive<br />
sorgfältiger vertraglicher Regelungen der baren wie<br />
unbaren jeweiligen Leistungen. Als „Herausgeber“ fungiert dabei<br />
das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung<br />
(NLQ) mit einer ausgeprägten und bestens<br />
vernetzten medienpädagogischen Struktur und attraktiven<br />
baren Beiträgen, die es den an den Qualifizierungsreihen beteiligten<br />
Lehrkräften erleichtert, engagiert und vertrauensvoll<br />
mitzuarbeiten, gestützt von deren <strong>Schule</strong>n, die einen Teil der<br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _31<br />
Fortbildungszeit dem Unterricht entnehmen. Ein Herzstück:<br />
eine semiprofessionelle Ausstattung (Kamera- und Lichttechnik<br />
sowie Schnittprogramme, Low Budget wie High Budget) für<br />
das Seminargeschehen, mit Support und mit der dazugehörigen<br />
Manpower für die Bereitstellung und anwendungsorientierte<br />
Instruktion.<br />
Outsourcing ist dann angesagt. Für die Durchführung sorgt<br />
das Büro des Bundesweiten Schülerfilm- und Videozentrums<br />
in Hannover, aus Bundesmitteln gefördert. Hier angesiedelt<br />
ist das Internationale Nachwuchsfilmfestival „up and<br />
coming“ 1 mit der Initiative „Filmlehrer.de“ 2 . „Filmlehrer.de“<br />
steht für das Dozentencoaching und eine sorgfältige zeitgemäße<br />
filmkünstlerische und medienpädagogische Modera-<br />
tion, basierend auf eigenmotivierter AG-Praxis und fach-<br />
lich fundierten Reflexionsphasen. Ein Vorgehen, das es den<br />
Dozenten/innen ermöglicht, Fachkompetenz einzubrin-<br />
gen, ohne sich in Organisation und Gruppenprozessen zu verirren.<br />
Ort des Geschehens: die Bundesakademie für kulturelle<br />
Bildung Wolfenbüttel mit ansprechenden und ausreichenden<br />
Arbeitsräumen, einem Gästehaus und etlicher Erfahrung in der<br />
kulturpädagogischen Erwachsenenbildung.<br />
So geht die Kooperation von <strong>Schule</strong> und außerschulischen<br />
Fachinstitutionen: die Stärken stärken und die Kompetenzen<br />
der Gegenüber suchen und selbstbewusst und respektvoll<br />
wahrnehmen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.bundesakademie.de<br />
1 s. www.up-and-coming.de<br />
2 s. www.filmlehrer.de, s. auch den Artikel „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong> – Modelle aus Niedersachsen“ in diesem Band, S. 24 ff
32_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
2.7 darStellendeS SPIel an der<br />
leIBnIz unIVerSItät hannoVer<br />
Im InterVIew: ole hruSchKa<br />
dr. ole hruscka ist Hochschullehrer für<br />
Literatur- und Theaterwissenschaft und<br />
Leiter des Studienfachs Darstellendes<br />
Spiel an der Leibniz Universität Hannover.<br />
Was beinhaltet das Studium Darstellendes Spiel an der<br />
Universität Hannover? Wo liegen die Schwerpunkte und Ziele?<br />
Bei dem niedersächsischen Studiengang Darstellendes Spiel<br />
handelt es sich um die bundesweit einzige grundständige<br />
Ausbildung für Lehrer/innen, die das Fach Theater in der gymnasialen<br />
Oberstufe vertreten sollen. Durch eine hochschulübergreifende<br />
Kooperation verfügen wir über ein vielfältiges<br />
Studienangebot, das verschiedene Darstellungsformen und<br />
Kunstdisziplinen – Literatur, Bildende Künste, Musik – inte-<br />
griert. Das Studium, für das man sich nach einer Aufnahmeprüfung<br />
an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig<br />
und an der Leibniz Universität in Hannover einschreiben kann,<br />
verbindet Theaterpraxis und Theatertheorie, hat zudem immer<br />
auch didaktische Fragestellungen im Blick. Die Studierenden<br />
müssen in ihrem späteren Berufsfeld selbst künstlerische Ideen<br />
entwickeln, wie man zu gemeinsamer Projektarbeit anregen<br />
und innovative Lehr- und Lernformen etablieren kann. Dafür<br />
lernen sie während ihres Studiums unterschiedliche Spielarten<br />
des Gegenwartstheaters kennen, entdecken die besonderen<br />
Möglichkeiten des Theatermediums in eigenen universitären<br />
Produktionen. Sie brauchen eine große Offenheit und Neugier,<br />
was neuere Dramaturgien betrifft und einen guten Überblick<br />
über Theaterliteratur und -geschichte. Ziel der Ausbildung ist<br />
es, kompetente Theaterpersönlichkeiten hervorzubringen, die<br />
nicht zuletzt auch in der Lage sind, mit professionellen Theatern<br />
auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten.<br />
Wie schätzen Sie die Ausbildung<br />
für <strong>Kultur</strong>fachkräfte in Niedersachsen allgemein ein?<br />
Die Existenz des eben skizzierten Studiengangs und die Einrichtung<br />
von drei Studienseminaren in Niedersachsen sind<br />
Erfolge, die eine Signalwirkung haben, auch auf andere Bundesländer.<br />
In Hamburg und Hessen werden derzeit weitere Studienseminare<br />
eröffnet, um Theaterlehrer/innen in einer zweiten<br />
Ausbildungsphase, also dem Referendariat, an die <strong>Schule</strong><br />
heranzuführen.<br />
Im Bereich der <strong>Kultur</strong>vermittlung verfügt Niedersachsen<br />
damit insgesamt – nicht zuletzt auch durch die Praxisorientierung<br />
der Hildesheimer <strong>Kultur</strong>wissenschaften – über äußerst<br />
erfolgreiche und wegweisende Ausbildungsmodelle.<br />
Wie kann die Ausbildung der Fachkräfte<br />
die <strong>Kultur</strong>landschaft in Niedersachsens <strong>Schule</strong>n beeinflussen?<br />
Ich bin sicher, dass das Theater als soziale Kunstform gerade<br />
im schulischen Kontext ein besonderes Erfahrungspotenzial<br />
besitzt. Dort, wo dies wirklich ernst genommen wird, wird es<br />
große Auswirkungen auf die Schulkultur haben – nach innen<br />
und in der Außendarstellung. Dazu werden unsere Absolventinnen<br />
und Absolventen künftig ihren Teil beitragen.<br />
Ein aktuelles Beispiel dafür, dass Ansätze und Methoden<br />
aus der Theaterpädagogik auch den Unterricht in anderen Fächern<br />
befruchten können, liefert der im Jahr 2011 erschienene<br />
Materialienband der Bundeszentrale für politische Bildung<br />
(bpb) „Theater probieren, Politik entdecken.“ Diese Publikation<br />
enthält „Bausteine”, Aufgaben und Impulse, die auch in<br />
Fächern wie Politik, Geschichte oder Erdkunde bei der Vermittlung<br />
gesellschaftspolitischer Themen relevant sind.<br />
Welche Erfahrungen haben Sie im Bereich Kooperation <strong>Kultur</strong><br />
und <strong>Schule</strong> in Niedersachsen? Positive oder negative?<br />
Wo entstehen (politische) Schwierigkeiten?<br />
Auf den eben genannten Erfolgen können wir uns keineswegs<br />
ausruhen. Theater/Darstellendes Spiel hat sich in der niedersächsischen<br />
Schullandschaft noch längst nicht überall als reguläres<br />
Fach durchgesetzt. Unsere Absolventen/innen haben<br />
daher faktisch oft noch nicht dieselben Einstellungsbedingungen<br />
wie Lehrer/innen in den anderen Fächern – das sollte<br />
dringend verbessert werden. Perspektivisch sollte in Niedersachsen<br />
eine entsprechende Ausbildung für Theaterlehrer/<br />
innen auch auf die Mittelstufe bzw. auf Grund-, Haupt- und<br />
Realschulen erweitert werden. Da scheint mir bildungs- und<br />
kulturpolitisch einiges ungeklärt: Man fördert zwar punktuell<br />
vielversprechende Ansätze, agiert jedoch noch zu zurückhaltend,<br />
wenn es darum geht, Angebote im Bereich der ästhetischen<br />
Bildung flächendeckend zu ermöglichen.<br />
„Kooperation zwischen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>” – das klingt<br />
zunächst ja gut und keiner wird etwas dagegen haben. Hinter<br />
diesem Konsens verbergen sich aber durchaus unterschiedliche<br />
Interessen und Gemütslagen. Ich nenne mal zugespitzt<br />
zwei konkrete Beispiele: Oft verbinden Lehrer/innen mit dem<br />
Stichwort „Theater“ noch immer den Wunsch, die Spielpläne<br />
sollten sich doch möglichst am Lehrplan orientieren; ambitionierte<br />
Theaterkunst empfinden sie dagegen als Zumutung<br />
für ihre angeblich überforderten Schüler/innen. Seitens der<br />
Theater wiederum besteht die Gefahr, dass sie die Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Schule</strong> als reine Zuschauerbeschaffungsmaßnahme<br />
begreifen; Theaterpädagogik am Theater wird dann nur als verlängerter<br />
Arm der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit betrachtet.<br />
Wie sehen Sie die Zukunft der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />
in Niedersachsens <strong>Schule</strong>n?<br />
Die <strong>Schule</strong>n sind insgesamt aufgefordert, ihr jeweiliges Profil<br />
zu schärfen. Welchen Stellenwert dabei ein projektorientierter<br />
Unterricht in den Künsten hat, variiert also je nach Schulprofil.<br />
Der Stundentakt und die ständigen Reformen, die die <strong>Schule</strong>n<br />
zu bewältigen haben, stellen große Anforderungen an jene<br />
Kollegen/innen, die an den <strong>Schule</strong>n kreative Prozesse in Gang<br />
setzen wollen. Soweit ich sehe, herrscht insgesamt an den<br />
<strong>Schule</strong>n dennoch ein großer Bedarf an Angeboten im Bereich<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung – weil die <strong>Schule</strong>n untereinander mit
diesen Angeboten konkurrieren, aber auch, weil man sich von<br />
diesem Bereich eben viele positive Effekte erhofft. Insgesamt<br />
kann man also, was die künftige Entwicklung im Bereich der<br />
<strong>Kultur</strong>angebote an den <strong>Schule</strong>n angeht, zuversichtlich sein.<br />
Denn dieser Bedarf wird wohl weiter wachsen, zumal im Rahmen<br />
der immer weiter verbreiteten Ganztagsbetreuung.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.darstellendesspiel.uni-hannover.de<br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _33<br />
lIteratur:<br />
Bundeszentrale für politische Bildung (2011):<br />
Theater probieren, Politik entdecken. Bonn.<br />
[www.bpb.de/files/4WXKZM.pdf, 08.12. 2011].<br />
2.8 <strong>Kultur</strong>- und theaterarBeIt In der eValuatIon<br />
mascha Grieschat<br />
Theaterpädagogin, Hamburg<br />
Ausgehend von der Frage, wie und ob Lernziele in Prozessen<br />
<strong>Kultur</strong>eller Bildung belegt werden können, fand im Rahmen des<br />
Projektes „Theater in die <strong>Schule</strong>“ eine Kooperation zwischen<br />
dem Staatstheater Braunschweig und den Braunschweiger Universitäten<br />
statt. In ihrer Masterarbeit im Studiengang Master of<br />
Education mit den Fächern Darstellendes Spiel und Germanistik<br />
hat Mascha Grieschat sich mit der Problematik befasst, künstlerische<br />
Projekte in pädagogischen Kontexten zu evaluieren<br />
(„<strong>Kultur</strong>- und Theaterarbeit in der Evaluation“, 2011).<br />
Wie ist es möglich, ein kulturelles Kooperationsprojekt sinnvoll<br />
zu evaluieren? Und was bedeutet überhaupt eine Evaluation<br />
im Kontext von <strong>Kultur</strong>-und Theaterarbeit? Zunächst ist eine<br />
Evaluation immer ein Instrument zur empirischen Generierung<br />
von Wissen, welches „mit einer Bewertung verknüpft wird, um<br />
zielgerichtete Entscheidungen zu treffen.“ (Stockmann/Meyer<br />
2010, S. 64). Nun gestaltet sich die Bewertung von künst-<br />
lerisch-pädagogischer Arbeit sowie die Untersuchung ihrer<br />
Wirkungsweisen aber nicht immer leicht und ist zudem häufig<br />
mit Vorurteilen behaftet:<br />
„Für die einen ist [Evaluation] der Inbegriff des Instruments<br />
um Nicht-Messbares endlich messbar [...], um Erfolg anhand von<br />
Kennzahlen transparent zu machen. Für die anderen ist [sie] das<br />
Schreckgespinst, das unmögliche Instrument, das nichts bringt<br />
und versucht, Kunst messbar zu machen.“ (Birnkraut 2011, S. 7).<br />
Häufig werden Befragungen – insbesondere im künstlerisch-kulturellen<br />
Bereich – auch missverstanden oder gar<br />
gefürchtet, weil sie falsch eingesetzt oder (speziell in der Auswertung)<br />
nicht ausreichend genutzt werden.<br />
Bei „Theater in die <strong>Schule</strong>“ sollte es anders sein:<br />
Mich reizte es, mit den Möglichkeiten der „theaterpädagogischen<br />
Praxisforschung“ (vgl. Schilling 2005, S. 58) ein eigenes<br />
Evaluationskonzept zu entwickeln und Pionierarbeit im<br />
Bereich von kultureller Evaluation zu leisten. Hier hatte Wissenschaftlichkeit<br />
oberste Priorität. Darum waren u. a. die Evaluationsstandards<br />
der DeGEval-Gesellschaft für Evaluation<br />
e. V. (vgl. 2008, S. 10–13), zu denen die vier grundlegenden<br />
Eigenschaften Nützlichkeit, Durchführbarkeit, Fairness und<br />
Genauigkeit gehören, besonders relevant. Denn nur durch<br />
eine wissenschaftlich fundierte Auswertung können Erfolge<br />
in der <strong>Kultur</strong>arbeit anhand von Zahlen veranschaulicht und<br />
Rückschlüsse zur Verbesserung des Projekts gezogen werden.<br />
Darüber hinaus sollte Evaluation im Idealfall immer ein integraler<br />
Anteil von Lernen und Bildung sein – „Evaluation is a powerful<br />
tool for learning.“ (Woolf 2004, S. 7). Nicht nur als Momentaufnahme,<br />
sondern optimalerweise als interaktiver Prozess,<br />
kann sie einen entscheidenden Mehrwert für die Institution<br />
und ein Projekt bedeuten. Dafür gilt im Einzelnen:<br />
>> Evaluation soll als Selbstlernprozess, als etwas Positives und<br />
neue Impulse Gebendes betrachtet werden, was die aktive<br />
Mitarbeit aller Beteiligten erfordert.<br />
>> Darum soll – auch von Externen – nicht „blind“ evaluiert, sondern<br />
eine Methode entwickelt werden, die eine langfristige,<br />
nachhaltige Verbesserung des Projekts als „lernende Organisation“<br />
(Birnkraut 2011, S. 8) mit sich bringt.<br />
Jede Evaluation dient einem Zweck. Und darum müssen vorab<br />
Ziele formuliert werden, die im Evaluationsprozess erfragt und<br />
beantwortet werden sollen. Ziel der Untersuchung im Fall von<br />
„Theater in die <strong>Schule</strong>“ war es, das Projekt zu beleuchten, zu<br />
hinterfragen, Misserfolge bzw. Probleme zu benennen sowie<br />
Erfolge in Zahlen und Argumenten auszudrücken, um aussagekräftige<br />
Schlüsse ziehen zu können: Was funktioniert – und<br />
was nicht? Wo wollen wir loben, wo optimieren?<br />
Konkret ging es demnach darum,<br />
>> Praxis und Gewohnheiten aller Kooperationspartner aufzuzeigen<br />
und zur Verbesserung und Weiterentwicklung (auch<br />
im laufenden Projekt) beizutragen,<br />
>> Daten und Argumente für weitere Konzeptentwicklung oder<br />
-veränderung zu erhalten (z. B. sensiblere Auswahl von altersgerechten<br />
Stücken),<br />
>> Interessen der Schüler/innen besser zu erkennen und<br />
daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können (z. B. im Work-<br />
shop mehr Einsatz von Kostümen),
34_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
>> etwas über die Wirkung des Theaterspielens und -sehens herauszufinden,<br />
>> Vermittlung von (Schlüssel-)Kompetenzen und andere Lernziele<br />
zu überprüfen,<br />
>> Standards für die Zukunft zu entwickeln und evtl. anzupassen,<br />
>> Erfolg anhand von Zahlen zu belegen und kulturpolitisch damit<br />
zu argumentieren.<br />
Um im Endbericht der Evaluation konkrete und wissenschaftlich<br />
fundierte Handlungsempfehlungen für das Projekt aussprechen<br />
zu können, waren mehrere Arbeitsschritte nötig:<br />
anfangs erfolgten die genauen Zielformulierungen, der dann<br />
die Auswahl von geeigneten „Messmethoden“ (Indikatoren)<br />
und anschließend die eigentlichen Programmdurchführung<br />
(mit Datenerhebung und -auswertung) – (vgl. Abb. 1) folgten.<br />
Dabei arbeitete ich mit einer Kombination aus quantitativen<br />
und qualitativen Methoden, da es mir einerseits um die numerischen<br />
Darstellung empirischer Sachverhalte ging: „Wie oft<br />
gehen die Schüler/innen ins Theater?“ (ein Vorzug der quantitativen<br />
Methoden) und andererseits um die Überprüfung von<br />
Hypothesen und Fragestellungen: „Motiviert ‚Theater in die<br />
<strong>Schule</strong>‘ die Schüler/innen nachhaltig ins Theater zu gehen?“<br />
(mit Hilfe von Beobachtung, Befragung und Interview, mit qualitativen<br />
Methoden möglich).<br />
Wesentlicher Teil der Evaluation war die Durchführung<br />
einer Umfrage mittels Fragebögen, die sich an die Beteiligten<br />
der beiden <strong>Schule</strong>n (Schüler/innen, Lehrer/innen, Erziehungsberechtigte)<br />
richtete. Folgende Punkte wurden untersucht:<br />
>> Benotung/Bewertung des Projekts,<br />
>> Einordnung des Projekts: ästhetisches Projekt vs. Projekt<br />
der sozialen Arbeit,<br />
>> Frequenz der Theaterbesuche vor und mit dem Projekt<br />
(Schüler/innen),<br />
>> Individuelle Äußerungen zu Lob, Kritik und Anregungen,<br />
>> Informiertheit über das Projekt,<br />
>> Interesse der Schüler/innen am Theater,<br />
abb. 1: Evaluationskreislauf<br />
ziel/Fragestellung festlegen:<br />
Welche Kompetenzen werden vermittelt?<br />
Wie profitieren die Institutionen?<br />
Wurden die Mittel gut eingesetzt?<br />
Wo ist Verbesserungsbedarf?<br />
Was funktioniert? Was nicht?<br />
Wirkt es?<br />
evaluation von<br />
»theater in der <strong>Schule</strong>«<br />
rückblick und<br />
handlungsempfehlungen<br />
>> Kompetenzförderung,<br />
>> Vor- und Nachteile des Projekts,<br />
>> Wunsch nach Weiterführung.<br />
Da die Auswertung der Befragung sehr umfangreich ist, können<br />
hier leider nur einige Ergebnisse exemplarisch vorgestellt<br />
und damit ein kleiner Einblick gewährt werden:<br />
Die Gesamtnotengebung (vgl. Tab. 1) für das Projekt fällt<br />
mit 2,31 insgesamt „gut“ aus. Die Beteiligten der Realschule<br />
Sidonienstraße beurteilen dabei durchschnittlich schlechter<br />
als die der IGS Volkmarode. Dass man klar zwischen der Umsetzung<br />
und Bewertung des Projekts an den beiden <strong>Schule</strong>n<br />
unterscheiden muss, zeigt sich nicht nur an den jeweiligen<br />
Durchschnittsnoten. Beim Vergleich der beiden <strong>Schule</strong>n fällt<br />
eine etwas unterschiedliche Streuung auf. Während es bei den<br />
jeweiligen Gruppen (Eltern, Lehrer/innen, Schüler/innen) einer<br />
<strong>Schule</strong> keine größere Abweichung als 15 % gab (z. B. gaben bei<br />
der Realschule Sidonienstraße 37 % der Eltern und 23 % der<br />
Lehrer/innen die Note 3 – die Abweichung beträgt also 14 %),<br />
was für eine jeweils recht einheitliche „Schulmeinung“ spricht.<br />
Vier Fünftel der Befragten gaben außerdem an, das Projekt sei<br />
„sehr/eher sinnvoll“ (vgl. Tab. 2). Wieder fällt die unterschiedliche<br />
Streuung auf.<br />
Um herauszufinden, welche Kompetenzen durch das Projekt<br />
am meisten gefördert werden, habe ich eine Vorauswahl von<br />
sechs Kompetenzen getroffen (vgl. Tab. 3), welche in eine Reihenfolge<br />
(„im Projekt am wichtigsten“) gebracht werden sollten.<br />
Das Ranking (ein Vergeben der Plätze 1 bis 6) ergab unterschiedliche<br />
Ergebnisse. In der Gesamtauswertung teilen sich<br />
„Präsentationskompetenz“ und „soziale Kompetenz“ beinahe<br />
den ersten Platz, „literarische Kompetenz“ und die „Kompetenz<br />
als Theaterzuschauer/in“ (Theater „reflektieren können“)<br />
scheinen am wenigsten gefördert. Auf den mittleren Rängen<br />
sind „Persönlichkeitsentwicklung“ und „fachliche Kompetenz“<br />
angesiedelt. Überraschend ist vor allem die unterschiedliche<br />
Einschätzung von Erwachsenen und Kindern in Bezug auf die<br />
Geeignete quantitative<br />
und qualitative Studien<br />
(Indikatoren)wählen:<br />
Wie wird das Projekt<br />
gemessen?<br />
Programmdurchführung:<br />
Beobachtungen, Interviews,<br />
Umfrage, Auswertung usw.
note für das<br />
gesamte Projekt<br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _35<br />
Sidonienstraße Volkmarode Gesamt<br />
E L S E L S Ø<br />
1 – sehr gut 10 % 15 % 10 % 16 % 35 % 21% 18 %<br />
2 – gut 41 % 54% 45 % 61% 47% 52% 50%<br />
3 – befriedigend 37 % 23% 37 % 19 % 12 % 15 % 24%<br />
4 – ausreichend 10 % 8% 6% 4% 6% 2% 6%<br />
5– mangelhaft 1% 0% 0% 0% 0% 5% 1%<br />
6 – ungenügend 1% 0% 2% 0% 0% 6% 2%<br />
Durchschnittsnote 2,56 2,23 2,69 2,11 1,88 2,41 2,31<br />
tab. 1: Durchschnittliche Bewertung<br />
Für wie sinnvoll halten Sie<br />
das Projekt insgesamt?<br />
Sidonienstraße Volkmarode Gesamt<br />
in %<br />
E L E L<br />
1 sehr sinnvoll 11 46 46 71 44<br />
2 eher sinnvoll 47 38 42 29 39<br />
3 eingeschränkt sinnvoll 28 8 13 0 12<br />
4 wenig sinnvoll 11 8 1 0 5<br />
5 gar nicht sinnvoll 4 0 0 0 1<br />
tab. 2: Einschätzung der Bedeutung des Projektes<br />
rang Geförderte<br />
Kompetenz<br />
Sidonienstraße Volkmarode Gesamt<br />
E L S E L S E L S Ø<br />
1 Präsentationskompetenz 2,73 2,69 2,58 2,28 2,19 1,08 2,51 2,44 1,83 2,26<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
soziale Komeptenz<br />
(Teamfähigkeit)<br />
Selbstreflexionsfähigkeit/<br />
Persönlichkeitsentwicklung<br />
fachliche Kompetenz –<br />
Wissen über Berufe<br />
und Abläufe im Theater<br />
Kompetenz als<br />
Theaterzuschauer<br />
2,14 2,15 3,34 1,91 1,31 2,84 2,03 1,73 3,09 2,28<br />
2,56 3,08 3,40 2,24 2,63 3,94 2,40 2,86 3,67 2,98<br />
3,12 3,58 3,32 3,07 3,75 2,21 3,10 3,67 2,77 3,18<br />
3,42 3,08 3,30 37,3 4,63 5,06 3,58 3,86 4,18 3,87<br />
6 literarische Kompetenz 3,65 4,08 4,00 3,61 5,44 5,82 3,63 4,76 4,91 4,43<br />
tab. 3: Geförderte Kompetenzen<br />
wie oft gehst du mit deinen<br />
eltern/Großeltern ins theater?<br />
Sidonienstraße Volkmarode Durchschnitt<br />
in %<br />
noch nie 62% 21% 42%<br />
seltener als 1 x Jahr 30 % 54% 42 %<br />
1 – 2 x pro Jahr 8% 11% 10 %<br />
mehrmals im Jahr 0% 11% 6%<br />
einmal im Monat & öfter 0% 3% 2%<br />
tab. 4: Frequenz der Theaterbesuche
36_ allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen<br />
Ränge 1 und 2. Während die Erwachsenen „Teamfähigkeit“ als<br />
die am meisten geförderte Kompetenz ansahen, gaben die<br />
Schüler/innen ihr nur Platz 2 oder 3. Umgekehrt erlangte die<br />
fachliche Kompetenz bei den Schülern/innen einen besseren<br />
Platz (2 oder 3) als im Durchschnitt (Rang 4). Zwar kann man<br />
nicht von einem Ist- und Soll-Zustand sprechen, jedoch sollte<br />
diese unterschiedliche Einschätzung für die Zielformulierung<br />
für kommende Projektjahre berücksichtigt werden. Dies<br />
gilt ebenfalls für die Kompetenz als Theaterzuschauer/in,<br />
deren insgesamt eher „schlechte Bewertung“ besonders<br />
hervorstach.<br />
Sehr auffällig bei der Betrachtung der Frequenz der Theaterbesuche<br />
(vgl. Tab. 4), war der große Unterschied zwischen den<br />
Schülern/innen der Realschule Sidonienstraße und denen der<br />
IGS Volkmarode. (Hier muss unbedingt das unterschiedliche<br />
Einzugsgebiet bzw. das Schülerklientel berücksichtig werden.)<br />
Deutlich über die Hälfte der Realschulkinder war „noch nie“ mit<br />
ihren Eltern im Theater. Während es bei den IGS-Kindern nach<br />
Aussagen der Schüler/innen nur ca. ein Fünftel (21 %), nach<br />
Aussagen der Eltern sogar noch weniger (12 %) sind, die „noch<br />
nie“ mit ihren Eltern ein Theater besuchten. Die Schülerantworten<br />
ergaben ebenfalls, dass der Anteil der häufigeren Besuche<br />
(mindestens einmal pro Jahr und öfter) an der IGS mit über 20<br />
% zudem deutlich höher ist. Da die Elternbefragung jeweils ein<br />
sehr ähnliches Bild ergab, kann bei so großer Übereinstimmung<br />
von einer „realistischen (Selbst-)Einschätzung“ gesprochen<br />
werden.<br />
Wie eingangs beschrieben, sollte die Evaluation des Kooperationsprojekts<br />
„Theater in die <strong>Schule</strong>“ Einblick in das Projekt<br />
und seine Wirkungsweise geben. Damit auf Fakten beruhende<br />
Handlungsempfehlungen zur Verbesserung und Weiterentwicklung<br />
des Projektes ausgesprochen werden können, waren<br />
komplexe Zusammenhänge zu klären und bei der Auswertung<br />
von Fragebögen, Interviews und Beobachtungen viel Datenmaterial<br />
zu berücksichtigen.<br />
Um an dieser Stelle ein paar konkrete Beispiele zur Optimierung<br />
des Projektes zu nennen, folgt eine kleine Auswahl der Ergebnisse.<br />
Z. B. kann in Bezug auf die Projektwochen und Stückeinführungen<br />
empfohlen werden, dass die Stückauswahl sensibler<br />
getroffen und die Themen altersgerechter ausgesucht<br />
werden müssten. Außerdem sollte das Gestaltungsmittel<br />
Kostüm mehr zum Einsatz kommen sowie das Raumkonzept<br />
verbessert werden.<br />
Insgesamt scheint „Theater in die <strong>Schule</strong>“ besser an <strong>Schule</strong>n<br />
zu funktionieren, die bereits Erfahrung mit projektbegleitendem,<br />
fächerübergreifendem Lernen haben. Allerdings kann<br />
es umgekehrt zum Umdenken von <strong>Schule</strong> anregen und helfen,<br />
neue Konzepte an einer <strong>Schule</strong> zu etablieren. Hier gilt es, das<br />
Projekt noch besser in die <strong>Schule</strong>n – insbesondere die Realschule<br />
– zu integrieren. Ein besseres Informationskonzept<br />
(z. B. Flyer für Eltern) ist diesbezüglich ein wichtiges Ergebnis<br />
(denn: je besser die Informiertheit, desto positiver die Einstellung<br />
zum Projekt). Ein zweiter belangreicher Aspekt betrifft<br />
die Organisation: die Koordination/Kommunikation zwischen<br />
den Institutionen muss verbessert werden. Dies ist z. B. durch<br />
langfristig geplante, feste Teamsitzungen oder Nutzung der Internetplattform<br />
„IServe“ möglich.<br />
Alles in allem sollte hervorgehoben werden, dass die genannten<br />
Optimierungsvorschläge auf hohem Niveau angesiedelt<br />
sind. Eltern, Lehrer/innen und Schüler/innen sprachen viel<br />
Lob aus. Die Auswertung zeigte deutlich: Das Projekt ist „rund“,<br />
das Konzept geht auf. So konnte durch die Evaluation deutlich<br />
festgestellt werden, dass „Theater in die <strong>Schule</strong>“ den zentralen<br />
Zielen der <strong>Kultur</strong>vermittlung gerecht wird. Diesbezüglich sei<br />
besonders hervorgehoben, dass Schüler/innen unabhängig<br />
von ihrer Schulform oder ihrem sozialen Umfeld den eigenen<br />
Lebensraum als wichtigen Ort der kulturellen Erfahrung und<br />
des kulturellen Lernens (vgl. Mandel 2005, S. 12) erleben sowie<br />
künstlerisch-gestalterische Kompetenzen beim Experimentieren<br />
und Präsentieren erlernen. Im Zusammenhang mit<br />
dem Hauptziel, alle Kinder eines Jahrgangs anzusprechen,<br />
kann ein Erfolg verbucht werden. Jedes Kind hatte eine Aufgabe,<br />
war beteiligt und erhielt die Gelegenheit, Theater zu sehen<br />
und zu spielen.<br />
Daher verwundert es nicht, dass sich insgesamt mehr als zwei<br />
Drittel der Beteiligten für eine Weiterführung des Projekts,<br />
weitere 17 % für eine modifizierte Umsetzung aussprachen.<br />
„Theater in die <strong>Schule</strong>“ kann sich mit dieser stark signalisierten<br />
Bereitschaft zu Fortführung und Veränderung noch weiterentwickeln<br />
und sich als „lernendes Projekt“ begreifen. Darum<br />
wurde konsequent entschieden, die Evaluation auch in der<br />
kommenden Spielzeit fortzuführen. Vielleicht zeigt sich hier<br />
bereits das Potenzial von Evaluation, als politisches Handlungsinstrument<br />
wirken zu können. So ist z. B. die Fortführung<br />
von „Theater in die <strong>Schule</strong>“ für die kommenden drei Jahre zugesagt<br />
worden.<br />
Dennoch: Auch wenn <strong>Kultur</strong>elle Bildung Schlüsselkompetenzen<br />
vermittelt, welche z. T. „gemessen“ und bewertet werden<br />
können, darf nicht vergessen werden, dass allein der Umgang<br />
mit den Künsten eine Bereicherung für das Leben ist, die sich<br />
nicht immer in Zahlen festhalten lässt.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
mascha.grieschat@gmx.de<br />
lIteratur:<br />
Birnkraut, Gesa (2011): „Evaluation im <strong>Kultur</strong>betrieb“. In:<br />
Hausmann, Andrea: (Hrsg.): Kunst- und <strong>Kultur</strong>management.<br />
Wiesbaden, S. 7– 8.<br />
deGeval – Gesellschaft für evaluation e. V. (hrsg.) (2008):<br />
Standards für Evaluation. 4. Aufl. Mainz. [www.degeval.de/<br />
publikationen/standards-fuer-evaluation, 15. 10. 2011].<br />
mandel, Birgit (hrsg.) (2005): <strong>Kultur</strong>vermittlung. Zwischen<br />
kultureller Bildung und <strong>Kultur</strong>marketing. Eine Profession<br />
mit Zukunft. <strong>Kultur</strong>- und Museumsmanagement. Bielefeld.<br />
Schilling, Kirsten (2005): „Es geht um was beim Theaterspielen.<br />
(Wie) lässt sich das Theaterspielen empirisch<br />
erforschen?“ In: Korrespondenzen. Zeitschrift für Theaterpädagogik,<br />
21. Jg. Heft 46., März 2005. Hannover.<br />
Stockmann, reinhard/wolfgang meyer (2010): Evaluation.<br />
Eine Einführung. Opladen.<br />
woolf, Felicity (2004): Partnerships for Learning. A Guide to<br />
Evaluating Arts Education Projects. Arts Council England.
© Jonas Gonell<br />
der KomPetenznachweIS <strong>Kultur</strong><br />
allGemeIne landeSweIte entwIcKlunGen, PoSItIonen und reFlexIonen _37<br />
Der Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong> – kurz: KNK – ist ein individueller Bildungspass. Er wird an Jugendliche und junge<br />
Erwachsene im Alter zwischen 12 und 27 Jahren vergeben, die aktiv an künstlerischen und kulturpädagogischen<br />
Angeboten teilnehmen. Der KNK ist ein Nachweis darüber, welche individuellen personalen, sozialen, methodischen<br />
und künstlerischen Kompetenzen sie dabei gezeigt und weiterentwickelt haben.<br />
Zwischen Berater/in – Künstler/in oder <strong>Kultur</strong>pädagogin/en – und den Jugendlichen entsteht ein zeitlich begrenzter,<br />
intensiver Austausch über die individuellen Stärken und über die Lernerfahrungen im eigenen künstlerischen<br />
Tun. Dieser Austausch wird dokumentiert und mündet in den Bildungspass.<br />
Der KNK wurde von der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) entwickelt. Seit dem<br />
Jahr 2004 haben bundesweit über 3000 Jugendliche den KNK erhalten. Die abgeschlossene Fortbildung zum/r<br />
„Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong> Berater/in“ berechtigt zur Vergabe des Kompetenznachweises.<br />
weitere Informationen:<br />
www.kompetenznachweiskultur.de<br />
www.bkj.de
3. loKale und Kommunale<br />
VernetzunGen<br />
„Die Auseinandersetzung mit Kunst und <strong>Kultur</strong> prägt Persönlichkeit und Identität, sie vermittelt<br />
Werte und Orientierung, sie nimmt Einfluss auf die individuelle Entwicklung – die Entwicklung der<br />
Sinne, der kreativen Fertigkeiten und die Stärkung der sozialen Kompetenz. So fördert beispielsweise<br />
gemeinsames Musizieren die soziale Bindung in Schulklassen maßgeblich. <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung ist aber auch eine <strong>Schule</strong> der Toleranz, indem sie Verstehen ermöglicht und so die Integration<br />
fördert – mit Sicherheit eines der Schlüsselthemen unserer Gegenwart, dessen Bewältigung<br />
für die Zukunft unserer Gesellschaft Weichen stellen wird.“<br />
(<strong>Kultur</strong>staatsminister Bernd Neumann, Beauftragter für <strong>Kultur</strong> und Medien)
© Schäflein & Himmelreich<br />
loKale und Kommunale VernetzunGen _39<br />
3.1 <strong>Kultur</strong>elle BIldunG In der Stadt oldenBurG<br />
christiane maaß<br />
Leiterin des <strong>Kultur</strong>büros der Stadt Oldenburg<br />
die Idee<br />
Die Stadt Oldenburg hat sich in der Folge ihres „Masterplans <strong>Kultur</strong>“<br />
entschlossen, das Handlungsfeld <strong>Kultur</strong>elle Bildung weiterzuentwickeln<br />
und zu stärken. Sie möchte ein Netzwerk knüpfen<br />
zwischen Schulleitungen und Lehrkräften an Oldenburger <strong>Schule</strong>n<br />
einerseits sowie Vertretern/innen von Oldenburger <strong>Kultur</strong>einrichtungen,<br />
<strong>Kultur</strong>initiativen und Künstlern/innen verschiedener<br />
Sparten andererseits. Dabei geht es zunächst einmal darum, vorhandene<br />
Strukturen zu stärken, zu vernetzen und ein bedarfsorientiertes<br />
Unterstützungssystem aufzubauen. Darüber hinaus<br />
aber gilt es, Impulse zu geben für neue Partnerschaften und Projekte<br />
und diese dann auch zu verstetigen. Das Projekt „<strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung“ wurde angesiedelt im Schnittpunkt der Bereiche <strong>Kultur</strong>,<br />
Bildung und Jugend. Das Projektmanagement „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“<br />
ist als strukturbildende, koordinierende Stelle im Februar<br />
2009 im <strong>Kultur</strong>amt eingerichtet worden. Am Horizont der nächsten<br />
Jahre entsteht so eine „Bildungslandschaft Oldenburg“, in<br />
der die <strong>Kultur</strong>elle Bildung integraler Bestandteil ist.<br />
Kontaktpunkte und netzwerktreffen<br />
Als Impulsgeber und Katalysatoren für das Projekt „<strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung“ wurden die „Kontaktpunkte <strong>Schule</strong> – <strong>Kultur</strong>“ konzipiert.<br />
Bei diesen zentralen, alle zwei Jahre stattfindenden Veranstaltungen<br />
können Schulleitungen und Lehrkräfte an Oldenburger<br />
<strong>Schule</strong>n einerseits sowie Vertreter/innen von Oldenburger<br />
<strong>Kultur</strong>einrichtungen, <strong>Kultur</strong>initiativen und Künstler/innen<br />
verschiedener Sparten andererseits miteinander ins Gespräch<br />
kommen. Auch Vertreter/innen der Schulbehörde und des Ministeriums<br />
werden geladen. Die Veranstaltungen sollen der<br />
Entwicklung, Förderung und Verstetigung von Projekten der<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung dienen. Hatte der erste „Kontaktpunkt“<br />
noch eher Messe-Charakter, so wurde beim zweiten mit großem<br />
Erfolg die sogenannte Marktplatz-Methode der Bertelsmann-Stiftung<br />
1 adaptiert. Daneben finden jährlich zwei bis drei<br />
kleinere Netzwerktreffen zu unterschiedlichen Themen, wie<br />
z. B. dem „Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“(s. weitere Informationen<br />
S. 37), zu Fördermöglichkeiten für <strong>Kultur</strong>elle Bildung an<br />
<strong>Schule</strong>n oder „Ausflüge in die Kunst. Eine Entdeckungsreise zu<br />
außerschulischen Lernorten“ statt. 2011 wurde ein „Bühnentag<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung“ durchgeführt.<br />
modellprojekte und Projektbörse<br />
Besonders erfolgreiche und beispielhafte Projekte der <strong>Kultur</strong>ellen<br />
Bildung werden auf den Internetseiten von „<strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung“ dokumentiert. Zugleich werden hier Projekte vorgestellt,<br />
die gezielt als Modelle gefördert worden sind. Sie zeich-<br />
1 s. www.gute-geschaefte.org<br />
2 s. www.oldenburg.de/kulturellebildung<br />
nen sich durch ihre leicht übertragbare, praxisorientierte und<br />
zugleich richtungsweisende Struktur und Qualität aus. Eine<br />
Nachahmung ist ausdrücklich erwünscht. Bislang wurden ein<br />
jahrgangsübergreifendes, trilaterales und binationales Tanzprojekt<br />
und der „KUNSTPASS_OL“, ein Projekt für einen niedrigschwelligen<br />
Zugang für Schüler/innen zu Museen und Kunsthäusern,<br />
zu Modellprojekten erklärt.<br />
öffentlichkeitsarbeit<br />
Die Internetpräsenz 2 dient als zentrale Kommunikationsplattform<br />
für das Projektmanagement und für andere an der<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Oldenburg Interessierte. Regelmäßig<br />
verschickt das Projektmanagement Mailings mit aktuellen Informationen<br />
zur <strong>Kultur</strong>ellen Bildung an die Netzwerkpartner.<br />
Die lokale und regionale Pressearbeit läuft über das städtische<br />
Pressebüro.<br />
mitarbeit an kooperativer Ganztagsbildung an Grundschulen<br />
Die Stadt Oldenburg hat in einem Interessenbekundungsverfahren<br />
unter dem Motto „Kooperative Ganztagsbildung an<br />
Grundschulen“ alle Oldenburger Grundschulen, Jugendhilfeträger<br />
und Vertreter/innen aus den Bereichen <strong>Kultur</strong> und Sport<br />
dazu eingeladen, an der Entwicklung innovativer Modelle für<br />
eine „Kooperative Ganztagsbildung“ mitzuwirken. Die Projektleitung<br />
„<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ hat einen festen Sitz in der AG<br />
und motiviert regelmäßig <strong>Kultur</strong>schaffende mitzuwirken. Die<br />
Stadt Oldenburg beabsichtigt, beginnend mit dem Schuljahr<br />
2012/2013 Modellprojekte mit einer Laufzeit von vier Jahren<br />
zu starten. Die kooperative Ganztagsbildung an Grundschulen<br />
birgt enorme Chancen für mehr Teilhabegerechtigkeit und eine<br />
ganzheitliche und auf individuelle Fähigkeiten zugeschnittene<br />
Bildung. Angebote der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung sollen dabei eine tragende<br />
Rolle spielen.<br />
mitglied in der lenkungsgruppe<br />
des Präventionsrates oldenburg Pro<br />
Das Projektmanagement „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ hat seit 2010<br />
einen Sitz in der Lenkungsgruppe des Präventionsrates Oldenburg<br />
(PRO) inne. Der PRO möchte seine Aktivitäten im kulturellen<br />
Bereich verstärken und sich dabei fachlich beraten lassen.<br />
Der PRO wiederum bietet für die <strong>Kultur</strong>elle Bildung eine Fülle<br />
von stadtweiten Vernetzungsmöglichkeiten. Mehrere Projekte<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung wurden bereits vom Förderverein des<br />
PRO unterstützt, u. a. das „Modell-Tanzprojekt“ und der „Förderpreis<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung“.<br />
Beratungstätigkeiten<br />
Als Netzwerkstelle berät die Projektleitung „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“<br />
in Oldenburg sowohl innerhalb der Stadtverwaltung als auch
40_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />
Externe wie <strong>Schule</strong>n, <strong>Kultur</strong>einrichtungen und Künstler/innen<br />
in allen Fragen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Auf Anfrage werden<br />
Kontakte zu potenziellen Kooperationspartnern für Projekte<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung vermittelt. Im Internet gibt es hierzu<br />
eine spezielle Projektbörse, in der sich Künstler/innen vorstellen,<br />
die mit <strong>Schule</strong>n zusammenarbeiten wollen. Konkrete<br />
Projektangebote werden auch per Rundmail an die Netzwerkpartner<br />
versandt.<br />
Initiierung von Gesprächskreisen<br />
Kommunikation und persönliche Kontakte erleichtern die Arbeit<br />
– auch auf dem Feld der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung. Daher regt<br />
die Projektleitung Gesprächskreise an, die sich nach Bedarf<br />
treffen und austauschen. So wurde ein „Gesprächskreis der<br />
Kompetenzberater/innen <strong>Kultur</strong> in Oldenburg“ initiiert und mit<br />
einer Gruppe von Kreativen zusammengebracht, die am Rande<br />
des Oldenburger Bahnhofsviertels einen Kreativraum 3 bespielen.<br />
Eine weitere Gruppe von Künstlern/innen, die an <strong>Schule</strong>n<br />
arbeiten (wollen), kommt unregelmäßig zusammen, zuletzt<br />
z. B., um die Chancen auszuloten, die das neue Rahmenkonzept<br />
„Kooperative Ganztagsbildung an Grundschulen“ eröffnet.<br />
Fortbildungsveranstaltungen<br />
2010/11 fand die erste Fortbildung zur/zum „Kompetenznachweis<br />
<strong>Kultur</strong>-Berater/in“ in Oldenburg statt. Die Fortbildung<br />
wurde von der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />
Niedersachsen e. V. (LKJ) und dem <strong>Kultur</strong>büro der Stadt Oldenburg<br />
durchgeführt. Daraus sind zehn neue Kompetenznachweis<br />
<strong>Kultur</strong>-Berater/innen hervorgegangen. In Zusammenarbeit<br />
mit dem Oldenburger Fortbildungszentrum (ofz) an der<br />
3 s. www.staublau.de<br />
4 s. www.mixed-up-wettbewerb.de<br />
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg soll in naher Zukunft<br />
eine Lehrer-Fortbildung zum Thema „Schlüsselkompetenzen“<br />
angeboten werden.<br />
Das <strong>Kultur</strong>büro bietet Studierenden der Carl von Ossietzky Universität<br />
Oldenburg die Möglichkeit, Semester- oder Abschlussarbeiten<br />
im Bereich der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung in Anbindung an<br />
das <strong>Kultur</strong>büro zu verfassen. Studierende begleiten überdies<br />
regelmäßig die Kontaktpunkte und Netzwerktreffen als Hilfskräfte.<br />
Außerdem nehmen Oldenburger Lehramtsanwärter/<br />
innen ebenfalls an diesen Veranstaltungen teil.<br />
aktuelles<br />
Das Projekt „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ im <strong>Kultur</strong>büro der Stadt Oldenburg<br />
hat 2011 den Sonderpreis „Netzwerker“ beim bundesweiten<br />
Wettbewerb „MIXED UP“ 4 der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />
Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ) erhalten. Zur Preisverleihung<br />
in Köln reiste ein gutes Dutzend der im Oldenburger<br />
Netzwerk Aktiven, darunter Künstler/innen, Schulleitungen,<br />
KNK-Berater/innen sowie Vertreter/innen von Oldenburger<br />
<strong>Kultur</strong>einrichtungen gemeinsam an. Damit wurde auch nach<br />
außen hin dokumentiert, was in der Pressemitteilung der BKJ<br />
besonders hervorgehoben wurde: „Die durch das <strong>Kultur</strong>amt<br />
Oldenburg initiierte und langfristig angelegte lokale Bildungslandschaft<br />
zeichnet sich durch die Verzahnung vielfältiger Projektpartner<br />
aus kulturellen, schulischen und zivilgesellschaftlichen<br />
Bereichen aus.“<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.oldenburg.de<br />
© Stadt Oldenburg
3.2 der landeSVerBand<br />
theaterPädaGoGIK nIederSachSen<br />
GeSchIchte, orGanISatIon und PerSPeKtIVe<br />
Jörg Kowollik<br />
1. Vorsitzender des Landesverband Theaterpädagogik (LaT)<br />
Niedersachsen, Oldenburg<br />
Iris hörtzsch<br />
2. Vorsitzende des LaT Niedersachsen, Oldenburg<br />
Florian Vaßen<br />
Prof. Dr., Beisitzer im Vorstand des LaT Niedersachsen,<br />
Oldenburg<br />
Niedersachsen ist ein Theaterpädagogik-Land: In keinem Bundesland<br />
gibt es eine vergleichbare Dichte an Institutionen, Vereinen<br />
und Gesellschaften, die theaterpädagogisch orientiert<br />
sind oder theaterpädagogisch arbeiten. Zu nennen sind hier vor<br />
allem die Theaterpädagogischen Zentren (TPZ) in Hannover,<br />
Hildesheim und Lingen, mit ihren direkten fachlichen Verbindungen<br />
zu den Hochschulen und ihren theaterpädagogischen<br />
Studiengängen vor Ort; vergleichbare Studienschwerpunkte<br />
und Weiterbildungsmöglichkeiten existieren auch in Braunschweig,<br />
Oldenburg und Ottersberg. Viele der Absolventen/<br />
innen arbeiten in den niedersächsischen Regionen als Theaterlehrer/innen<br />
in <strong>Schule</strong>n und als freiberufliche oder angestellte<br />
Theaterpädagogen/innen an Stadt- und Staatstheatern, an<br />
Freien Theatern, an Musik- und Kunstschulen, in Krankenhäusern<br />
und therapeutischen Einrichtungen, in Altenheimen und<br />
Jugend- sowie soziokulturellen Zentren.<br />
Immer schon gab es eine lokale und regionale Kooperation,<br />
aber im Gegensatz zu anderen Fachgebieten wie Kunst<br />
und Musik, existierten in der Theaterpädagogik kein übergreifendes<br />
Netzwerk und keine funktionierende umfassende Organisation.<br />
Es war demnach dringend notwendig, einen Landesverband<br />
Theaterpädagogik zu gründen. Seine Aufgabe sollte<br />
sein, neue Konzepte und Perspektiven zu entwickeln, die Vernetzung<br />
und den Austausch in der Fläche zu organisieren und<br />
nicht zuletzt die berufspraktischen Interessen der Theaterpädagogen/innen<br />
vor Ort, in den Regionen und auf Landesebene<br />
gegenüber Politik und Verwaltung zu vertreten.<br />
Auch die Ergebnisse der Enquete-Kommission „<strong>Kultur</strong> in Deutschland“,<br />
der UNESCO „Road Map for Arts Education“ und der<br />
PISA-Untersuchungen sowie neue Erkenntnisse und Entwicklungen<br />
in der <strong>Kultur</strong>politik erforderten eine Stärkung und<br />
Neuausrichtung der Theaterpädagogik in Niedersachsen. Die<br />
Initiative ergriffen Akteure wie Wolfgang Steen (im Jahr 2011<br />
1. Vorstandsvorsitzender der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />
Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) und Leiter des Theaterwerks<br />
Albstedt) und Institutionen wie die LKJ und das TPZ<br />
Hildesheim. Gemeinsam wurde ein Konzeptpapier zur aktuellen<br />
Situation, zu den Berufsfeldern, zum Selbstverständnis<br />
sowie den kurz-, mittel- und langfristigen Zielen der Theaterpädagogik<br />
entwickelt. Nach mehreren Treffen und intensiven<br />
Diskussionen wurde am 12. Dezember 2008 der Landesver-<br />
loKale und Kommunale VernetzunGen _41<br />
band Theaterpädagogik Niedersachsen (LaT Niedersachsen)<br />
in Hannover gegründet. Er ist der erste, sämtliche theaterpädagogischen<br />
Arbeitsbereiche umfassende Landesverband in<br />
Deutschland und hat dementsprechend eine Vorbildfunktion<br />
für die anstehende Gründung weiterer Landesverbände.<br />
Der LaT Niedersachsen kooperiert mit einer Vielzahl von niedersächsischen<br />
Verbänden und Institutionen wie dem Fachverband<br />
Schultheater und Darstellendes Spiel e. V., der LKJ,<br />
dem Arbeitskreis Niedersächsischer <strong>Kultur</strong>verbände (AKKU),<br />
der Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel sowie<br />
verschiedenen Hochschulen und regional wirkenden Vereinen<br />
mit theaterpädagogischer Schwerpunktbildung.<br />
Die mittelfristigen Aufgaben und langfristigen Ziele des LaT<br />
Niedersachsen gliedern sich in sechs Arbeitsbereiche:<br />
1. Pädagogik: Die Schüler/innen aller Schulstufen und Schulformen<br />
sollen produktiv und rezeptiv mit dem Theater in<br />
Verbindung kommen. Das Unterrichtsfach Darstellendes<br />
Spiel/Theater soll in allen Schulformen und Schulstufen mit<br />
den beiden anderen ästhetischen Fächern Musik und Kunst<br />
gleichgestellt werden. Theaterpädagogik soll integraler Bestandteil<br />
des Ganztagsbereichs der wachsenden Zahl an<br />
Ganztagsschulen werden, aber auch zunehmend in der frühkindlichen<br />
Bildung verankert werden.<br />
2. Kunst und <strong>Kultur</strong>: Die außerschulische ästhetische Bildung<br />
muss allen Bürgern/innen Niedersachsens zugänglich sein;<br />
die TPZs mit ihrer Theater- und Theaterpädagogik-Praxis, die<br />
verschiedenen Vereine mit theaterpädagogischem Schwerpunkt,<br />
die freien Theater sowie die theaterpädagogischen Abteilungen<br />
der Stadt- und Staatstheater bieten hier besonders<br />
gute Möglichkeiten.<br />
3. Soziokultur: <strong>Kultur</strong>elle und politische Bildung in Einrichtungen<br />
wie Jugend-, Sozial- und <strong>Kultur</strong>zentren, Kirchen oder<br />
Mehrgenerationenhäusern muss allen niedersächsischen<br />
Bürgern/innen angeboten werden, sodass der niedrigschwellige<br />
Zugang zu Kunst und <strong>Kultur</strong> und – darauf aufbauend –<br />
eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtert<br />
und in den Lebensalltag integriert wird.<br />
4. wissenschaft: Die theoretische und praktische Ausbildung<br />
der Theaterlehrer/innen und Theaterpädagogen/innen an den<br />
Hochschulen muss weiterentwickelt werden. Das relativ junge<br />
Fach Theaterpädagogik braucht einen Ausbau der wissenschaftlichen<br />
Grundlagen, vor allem auch eine Intensivierung<br />
der Prozess- und Wirkungsforschung.<br />
5. Gesundheitswesen: Theaterpädagogik eröffnet neue Erlebens-,<br />
Ausdrucks- und Bewegungsmöglichkeiten in Krankenhäusern<br />
und prophylaktischen und therapeutischen Institutionen.<br />
6. wirtschaft: Theaterpädagogik findet als Unternehmens- und<br />
Lehrlingstheater, als Eventkultur, aber auch in Form von theatraler<br />
Organisations- und Personalentwicklung zunehmend<br />
Eingang in Unternehmen.
42_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />
Bei der Gründung des LaT Niedersachsen wurden mehrere<br />
mittelfristige Ziele in einem Positionspapier formuliert. 1 Dabei<br />
geht es vor allem um die<br />
>> Entwicklung und Stärkung der Infrastruktur theaterpädagogischer<br />
Arbeit in Niedersachsen,<br />
>> Erhebung und Auswertung der geografischen Verteilung der<br />
Theaterpädagogik in Niedersachsen,<br />
>> Stärkung und Ausweitung des Unterrichtsfaches Darstellendes<br />
Spiel und der Theaterpädagogik in allen Schulformen- und<br />
Schulstufen,<br />
>> Stärkung der TPZs,<br />
>> Stärkung bestehender und Schaffung neuer regionaler Netzwerke,<br />
>> Etablierung einer landesweiten Qualitätssicherung der Theaterpädagogik<br />
im Kontext von integrativem, inklusivem und<br />
genderorientiertem Lernen,<br />
>> Fortschreibung der Ausbildung von Theaterpädagogen/innen<br />
sowie deren Fort- und Weiterbildung,<br />
>> Initiierung und Unterstützung praxisbezogener Regionalprojekte.<br />
Angeregt durch die von der Stiftung Niedersachsen im November<br />
2009 durchgeführte Fachtagung „Auf Augenhöhe – <strong>Schule</strong><br />
und Theater in Niedersachsen“ 2 , gründete sich 2010 innerhalb<br />
des LaT Niedersachsen eine Arbeitsgruppe Theaterpädagogik<br />
und <strong>Schule</strong>, die zusammen mit der LKJ und dem Fachverband<br />
Schultheater und Darstellendes Spiel Niedersachsen e. V. eine<br />
Fachtagung plante. Die Zielvorgabe war es, zusammen mit<br />
Fachvertreter/innen aus der Praxis, aus Politik, Verwaltung<br />
und Stiftungswesen eine weiterführende und nachhaltige Diskussion<br />
zu initiieren, wie sich die Praxis von erfolgreichen modellhaften<br />
Leuchtturmprojekten hin zu einer infrastrukturellen<br />
Verankerung weiterentwickeln könnte. Dabei war klar, dass<br />
dieses ambitionierte Vorhaben nur durch eine gemeinsame Anstrengung<br />
aller Beteiligten und zudem auch nur mittelfristig<br />
möglich sein würde. Hier ist auch gerade die interministerielle<br />
Beteiligung von hohem Stellenwert, da sich das Arbeitsfeld<br />
der Theaterpädagogik sowohl auf das Kultusministerium, zuständig<br />
für die <strong>Schule</strong>n und die Landesschulbehörde, als auch<br />
das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong>, zuständig für<br />
die (sozio-)kulturelle Projektförderung, für Kunst und <strong>Kultur</strong><br />
sowie die wissenschaftliche Ausbildung, bezieht. Die Tagung<br />
„Zusammenspiel – Theaterpädagogik und <strong>Schule</strong>“, die im November<br />
2011 in der Bundesakademie für kulturelle Bildung<br />
Wolfenbüttel stattfand, bot für dieses Ziel ein erstes übergreifendes<br />
Podium, um mit Verantwortlichen aller Bereiche, u. a.<br />
die Möglichkeiten für eine umfassende institutionelle Einbindung<br />
von Theaterpädagogik an niedersächsischen <strong>Schule</strong>n<br />
– von der Grundschule bis zum Gymnasium – zu diskutieren. 3<br />
An die Tagung anknüpfend, setzt sich der LaT Niedersachsen<br />
dafür ein, dem Stellenwert, den die Theaterpädagogik mit ihren<br />
zahlreichen – auch im ländlichen Raum angesiedelten –<br />
theaterpädagogischen Institutionen sowie vielfältigen erfolgreichen<br />
Kooperationsprojekten zwischen <strong>Schule</strong> und Theaterpädagogik<br />
in Niedersachsen einnimmt, Rechnung zu tragen.<br />
Niedersachsen könnte bundesweit ein Vorbild bei zukunftsweisenden<br />
bildungspolitischen Entscheidungen sein, die<br />
Theatrale und <strong>Kultur</strong>elle Bildung in ihrer grundlegenden Dimen-<br />
sion wahrzunehmen, weiterzuentwickeln und zu etablieren.<br />
Notwendig ist hierfür zunächst eine genaue Erhebung und<br />
Untersuchung der vorhandenen Strukturen und Bedürfnisse,<br />
um, darauf aufbauend, möglicherweise ein Landesprogramm<br />
„Theaterpädagogik und <strong>Schule</strong>“ zu konzipieren. 4 Ergänzend<br />
hierzu könnten landesweite Servicestellen in der Fläche<br />
beratende Funktionen übernehmen. Diesen Prozess möchte<br />
der LaT Niedersachsen vorantreiben, mitgestalten und unterstützen.<br />
Mit dem „performative turn“ hat sich das Theater und mit ihm<br />
die Theaterpädagogik gegenüber anderen Künsten geöffnet<br />
und die angestammten Theaterräume und Zeitbegrenzung<br />
verlassen; entstanden ist so ein „Laboratorium sozialer Fantasie“.<br />
Kollektive Kreativität bildet dabei die Grundlage für Alltagstheatralität<br />
und Differenzerfahrungen. Theater als Erfahrungskunst<br />
und Theaterpädagogik als Kunstvermittlung und<br />
zugleich als Vermittlungskunst ermöglichen Transformationen<br />
von Individuen und Gruppen, die für eine Zivilgesellschaft des<br />
21. Jahrhunderts unabdingbar sind.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.lat-niedersachsen.de<br />
1 s. www.lat-niedersachsen.de<br />
2 s. Flyer zur Fachtung unter: www.bundesakademie.de/pdf/th2809.pdf<br />
3 s. Flyer zum Fachtreffen unter: www.lat-niedersachsen.de/wordpress/wp-content/uploads/Flyer-th2911-Zusammenspiel.pdf [06. 10. 2011]<br />
4 vgl. hierzu auch Wolfgang Schneider: „Theater und <strong>Schule</strong> – Ein Landesprogramm für Niedersachsen!“ [<strong>Download</strong> unter: www.assitej.de/fileadmin/assitej/pdf/<br />
Landesprogramm_Niedersachsen.pdf, 06.10. 2011]<br />
© Jonas Gonell
loKale und Kommunale VernetzunGen _43<br />
3.3 daS Ganze ISt mehr alS dIe Summe auF dem Konto<br />
Katrin tesch löwensprung<br />
Leiterin des Theaterpädagogischen Zentrums (TPZ) Hildesheim<br />
anke Persson<br />
Mitarbeiterin des TPZ Hildesheim im Bereich Finanzen<br />
Synergieeffekte durch netzwerkarbeit<br />
und Kooperationsprojekte<br />
Ein kreativer künstlerischer Prozess impliziert stets, dass die<br />
vorhandenen Elemente nach dem Start an einem bestimmten<br />
Punkt neu kombiniert und angereichert werden durch Impulse<br />
von Teilnehmenden und Außenstehenden sowie durch den Einsatz<br />
künstlerischen Handwerkszeugs. Aus diesem Zusammenwirken<br />
entsteht etwas einzigartig Neues. In der Theaterpädagogik<br />
ist das Ergebnis in der Regel eine Aufführung als Filtrat des<br />
Prozesses. In der Projektarbeit ist es ähnlich: Alle Kooperations-<br />
und Netzwerkpartner geben etwas, sodass Ergebnisse erreicht<br />
werden können, von denen alle profitieren und die in der Summe<br />
weit mehr sind als die addierten Einzelkomponenten.<br />
das theaterpädagogische zentrum (tPz)<br />
hildesheim als netzwerk<br />
Der Verein TPZ Hildesheim ist selbst ein Netzwerk; ein Netzwerk<br />
aus über 30 freischaffenden Theater- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/<br />
innen. Anders als in ähnlichen Vereinigungen der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung<br />
sind die Mitglieder selbst aktiv tätige Theater- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen.<br />
Aus ihrer Mitte heraus wählen sie den Vorstand.<br />
Auch die Projekte des Vereins werden fast ausschließlich von<br />
Mitgliedern realisiert. Die Geschäftsstelle mit drei Teilzeitkräften<br />
und einer Stelle für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der <strong>Kultur</strong><br />
schafft den organisatorischen und künstlerischen Rahmen.<br />
Von den Ideen und Kompetenzen der Mitglieder lebt die Arbeit<br />
des TPZ: Die meisten Theaterpädagogen/innen haben zusätzliche<br />
Qualifikationen, die sie mit einbringen; etwa tanz-, kunst-,<br />
musik- oder medienpädagogische Befähigungen oder Erfahrung<br />
als Schauspieler/innen. Sie kommen aus der künstlerischen Produktion<br />
und/oder organisatorischen Kontexten und ermöglichen<br />
auf diese Weise eine einzigartige Vielfalt an Kreativität, Arbeitsmethoden<br />
und Medien innerhalb des TPZ.<br />
Von diesem Selbstverständnis her „denkt“ das TPZ von vornherein<br />
in Netzwerken,<br />
>> um sich als projektorientierte Institution maximale Flexibilität<br />
zu bewahren und immer wieder neue, zeitgemäße Wege gehen<br />
zu können;<br />
>> um persönliche Entwicklungsprozesse bei Teilnehmenden,<br />
Partnern und Mitgliedern zu ermöglichen;<br />
>> um mit verschiedensten Zielgruppen tatsächlich und nachhaltig<br />
in Kontakt zu treten;<br />
>> um sich mit Freude und Innovation an immer wieder neue<br />
Herausforderungen wagen zu können;<br />
>> und um Voraussetzungen sowie Rahmenbedingungen für sowohl<br />
pädagogisch als auch künstlerisch bemerkenswerte Projekte<br />
zu schaffen.<br />
netzwerke im rahmen<br />
theaterpädagogischer Fort- und weiterbildung<br />
Ein Netzwerk lebt von gegenseitiger Anregung. Deshalb veranstaltet<br />
das TPZ monatliche Austauschtreffen, zu denen sowohl<br />
die eigenen Theater- und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen eingeladen<br />
sind als auch Kollegen/innen aus der Region, die nicht Mitglied<br />
sind. Jeder hat die Möglichkeit, über „seine“ Themen und besonderen<br />
Fertigkeiten zu sprechen, und sie den anderen zu vermitteln.<br />
Arbeitsimpulse erhalten die TPZ-Mitglieder zudem zweimal<br />
jährlich durch interne Fortbildungen zu neuen Themen mit externen<br />
Referenten/innen.<br />
Neben seinen Kursen, Workshops und Projekten bietet das TPZ<br />
verschiedene Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, z. B. die<br />
Fortbildungen „Darstellendes Spiel“ oder „Theaterspielen mit<br />
Kindern“ für Pädagogen/innen, Lehrer/innen, Erzieher/innen<br />
u. a. an. Auch diese sind für das TPZ eine Form des Netzwerkens<br />
und der Mitgliedergewinnung.<br />
netzwerke im rahmen eigener Kooperationsprojekte<br />
Projekte werden allesamt gemeinsam mit mindestens einem<br />
Partner realisiert. Für die konkrete theaterpädagogische Arbeit<br />
gehen die Theaterpädagogen/innen zu den Menschen oder Institutionen<br />
bzw. zusammen mit ihnen ins Theater. So ist beispielsweise<br />
das Theater für Niedersachsen (TfN) ein überaus wichtiger<br />
Kooperationspartner. Zusammen mit der theaterpädagogischen<br />
Abteilung des TfN belebt das TPZ eine der Probebühnen fast rund<br />
um die Uhr. Die Zusammenarbeit ist hier sehr eng, da sich die<br />
theaterpädagogischen Projekte und Schulkooperationen des TfN<br />
und des TPZ gegenseitig ergänzen.<br />
Auch mit anderen Bildungsträgern und Institutionen in Hildesheim<br />
und der Region bestehen kooperative Partnerschaften, etwa<br />
mit dem soziokulturellen Zentrum <strong>Kultur</strong>fabrik Löseke, dem<br />
Theaterhaus, dem Mehrgenerationenhaus der Volkshochschule,<br />
der Stadt Hildesheim, der Diakonie Himmelsthür, dem Jobcenter,<br />
zu Grundschulen und den berufsbildenden <strong>Schule</strong>n, zu weiterführenden<br />
Gymnasien und Gesamtschulen.<br />
Es existieren Kooperationsverträge mit <strong>Schule</strong>n aller Formen, für<br />
welche das TPZ Theater-AGs anbietet oder individuelle Theaterlehrpläne<br />
gestaltet. In Abhängigkeit vom jeweiligen Projekt darf<br />
das TPZ auf die Unterstützung etablierter Kooperationspartner<br />
zählen, mit denen der Verein in vielen Punkten sehr unkompliziert<br />
zusammenarbeiten kann. Es kommen jedoch auch immer wieder<br />
neue Partner hinzu. So ist im Rahmen eines Berufsschul-Theaterprojekts,<br />
das im Jahr 2011 zum sechsten Mal realisiert wurde<br />
(s. Artikel „Vom Glück, sich spielend ganz neu kennenzulernen“ in<br />
diesem Band, S. 66ff.), im Schuljahr 2010/2011 zum ersten Mal<br />
eine Kooperation mit dem Bürgerradio Tonkuhle entstanden.<br />
Als weiteres Beispiel für ein gelungenes Schul-Netzwerkprojekt<br />
ist das „Theaterpädagogische Wildnis-Training“ aus dem Jahr<br />
2009/2010 zu nennen. Dieses von der Stadt initiierte Projekt
44_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />
mit 18 Klassen acht verschiedener Hildesheimer Grundschulen<br />
war in etliche Mikroprojekte unterteilt, in denen es darum ging,<br />
Zusammenhänge innerhalb von Systemen zu verstehen. In Absprache<br />
mit den Klassenlehrern/innen wurden die aktuell für<br />
die einzelnen Klassen relevanten Themen herausgearbeitet und<br />
anschließend theaterpädagogisch aufgegriffen – unter Einbeziehung<br />
von bis zu vier verschiedenen Fächern wie Sachkunde,<br />
Deutsch, Sport oder Kunst. Ergebnis waren mehrere gemeinsame<br />
Präsentationen sowie eine Ausstellung in der Stadtbücherei<br />
Hildesheim.<br />
netzwerke vor ort<br />
In Hildesheim bestehen mehrere Netzwerke, zu denen das TPZ<br />
gehört. Hierzu zählt IQ – Interessengemeinschaft <strong>Kultur</strong> Hildesheim<br />
e. V. Bei diesem „Runden Tisch <strong>Kultur</strong>“ geht es darum, <strong>Kultur</strong><br />
in Hildesheim sowie die Netzwerkarbeit zwischen den beteiligten<br />
Gruppen und Institutionen zu stärken – mit Netzwerkprojekten<br />
und strategischen Positionierungen zur kulturellen Entwicklungsplanung.<br />
Daneben entsteht in Hildesheim gerade ein „Netzwerk <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung“. Im Zuge des Themenjahres 2011 „leben lernen lernen<br />
leben“ wird im Leitbild der Stadt Hildesheim die Säule Bildung<br />
überarbeitet. Aus diesem Anlass wurde eine Arbeitsgruppe mit<br />
dem Schwerpunkt „<strong>Kultur</strong>elle Bildung“ gegründet, an der das TPZ<br />
maßgeblich beteiligt war. An den Treffen nehmen sowohl städtisch<br />
getragene Institutionen als auch unabhängige Organisationen<br />
und Vereine wie das TPZ teil; bislang u. a. die theaterpädagogische<br />
Abteilung des TfN, der Bürgerkanal Radio Tonkuhle,<br />
die Volkshochschule, die Musikschule, das Roemer-Pelizaeus-<br />
Museum sowie Universität und Hochschule für angewandte Wis-<br />
3.4 <strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong><br />
rücKBlIcK, eInBlIcK und auSBlIcK<br />
dieter wuttig<br />
Leiter des Fachbereichs Bildung und Qualifizierung der Landeshauptstadt<br />
Hannover<br />
marianne heyden-Busch<br />
Fachplanung <strong>Kultur</strong>elle Bildung im Fachbereich Bildung und<br />
Qualifizierung, Hannover<br />
Argumente für die <strong>Kultur</strong>elle Bildung – ob sozialwissenschaftlich,<br />
pädagogisch oder aus Sicht der Hirnforschung – gibt es<br />
genügend. Die Frage ist, wie und mit welchen Maßnahmen<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung in den Alltag aller Bildungseinrichtungen<br />
zu integrieren ist.<br />
Ein Umbau der Strukturen ist erforderlich, denn bisher ist die<br />
kulturelle Komponente der Bildungsprozesse nur als System<br />
der freiwilligen Zusammenarbeit herzustellen. Es fehlen<br />
strukturelle Grundlagen für die als Gemeinschaftsaufgabe zu<br />
senschaft und <strong>Kultur</strong> (HAWK) Hildesheim. Sie alle bemühen sich,<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung fest im Stadtleitbild zu verankern.<br />
Neben diesen beiden permanenten Netzwerken bilden sich immer<br />
wieder themenspezifische regionale <strong>Kultur</strong>netzwerke unter<br />
Beteiligung des TPZ, z. B. kooperierten alle im Bereich Soziokultur<br />
aktiven Einrichtungen anlässlich des Tages der Soziokultur. Aktuell<br />
wiederum setzen sich die Hildesheimer Theaterschaffenden<br />
aus TfN, Theaterhaus und TPZ zusammen, um mit vereinten Kräften<br />
den Bekanntheitsgrad des „Theaterfrühlings“ zu steigern,<br />
also sichtbar und erlebbar zu machen, was für ein vielfältiges<br />
Theaterangebot es in der kleinen Großstadt Hildesheim gibt.<br />
überregionale netzwerke<br />
In landes- und bundesweiten Netzwerken und Institutionen engagiert<br />
sich das TPZ ebenfalls, um <strong>Kultur</strong>elle Bildung und ihre<br />
Rahmenbedingungen auch überregional mitzugestalten. Hierzu<br />
zählen beispielsweise die Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Kinderund<br />
Jugendbildung e. V. (BKJ), die Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung Niedersachsen e. V. (LKJ), die Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Soziokultur Niedersachsen e. V. (LAGS), die Initiative<br />
Niedersächsische Kooperations- und Bildungsprojekte an schulischen<br />
Standorten (NiKo) sowie das Niedersächsische Landesinstitut<br />
für schulische Qualitätsentwicklung (NLQ).<br />
An der Gründung des Landesverbandes Theaterpädagogik<br />
(LaT), der Theaterpädagogen/innen niedersachsenweit in ihren<br />
Arbeits- und Berufsfeldern vertritt, war das TPZ ebenfalls<br />
beteiligt.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.tpz-hildesheim.de<br />
vereinbarende Zusammenarbeit der verschiedenen staatlichen<br />
und kommunalen Ebenen.<br />
Bereits Mitte der 1980er Jahre hat sich der <strong>Kultur</strong>bereich<br />
der Landeshauptstadt Hannover dafür entschieden, <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung als Handlungsfeld der Kooperation mit den allgemeinbildenden<br />
<strong>Schule</strong>n zu definieren. Inhaltlich wurden<br />
Aktivitäten in verschiedenen kulturellen Feldern erarbeitet;<br />
als wesentlicher Schwerpunkt kristallisierte sich die Theaterarbeit<br />
heraus. Erste strukturelle Ansätze entwickelten sich<br />
mit dem 1992 gestarteten Modellversuch „Theaterpädagogisches<br />
Zentrum“. Die vom Land unterstützte und von der Stadt<br />
finanziell ermöglichte pädagogische Theaterarbeit in <strong>Schule</strong><br />
und Stadtteil entwickelte sich vom Versuch zu einer Institution<br />
kulturpädagogischer Kompetenz. Mit diesem Schritt war<br />
gleichzeitig verbunden, die bisher projektorientiert angelegten<br />
Aktivitäten in kontinuierliche Formen der Zusammenarbeit<br />
zu überführen.
Als weiteres Beispiel ist das Vorhaben „Hauptschule in Bewegung“<br />
zu nennen. Seit 16 Jahren nehmen jährlich Schüler/innen<br />
von Hauptschulen an Workshops zu Theater, Musik, Kunst, Tanz<br />
und den neuen Medien, geleitet von Künstlern/innen und <strong>Kultur</strong>schaffenden,<br />
teil. „Hauptschule in Bewegung“ bietet aktive<br />
Teilhabe und intensive Erfahrungen mit kulturellen Medien; im<br />
Jahr 2011 mit den acht Millennium-Entwicklungszielen, die im<br />
Jahr 2000 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurden.<br />
2005 wurde von den Fachbereichen Jugend, Familie und Bildung<br />
und Qualifizierung das Konzept „Flächendeckende Sprachförderung<br />
für Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder mit<br />
Sprachschwierigkeiten“ entwickelt. Diese sprachliche Förderung<br />
ist eine Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige und<br />
abgestimmte Förderung durch <strong>Kultur</strong>elle Bildung. 1<br />
Einhergehend mit der bundesweiten Diskussion über die Bedeutung<br />
der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung, insbesondere für Kinder und<br />
Jugendliche – wie sie die bekannten Positionen der Enquete-<br />
Kommission des Deutschen Bundestages, des Deutschen<br />
Städtetages und des Deutschen <strong>Kultur</strong>rates formulieren –<br />
haben sich in Hannover die <strong>Kultur</strong>verwaltung und insbesondere<br />
der Rat als politische Ebene für weitere Impulse in der<br />
<strong>Kultur</strong>ellen Bildung engagiert.<br />
Wenn im „Handlungsprogramm 2010“ und im „Lokalen Integrationsplan“<br />
die <strong>Kultur</strong>elle Bildung als wichtiger Aspekt kommunaler<br />
Aktivitäten dargestellt wurde, dann hat der Rat der<br />
Landeshauptstadt Hannover mit seinem Beschluss „Initiativen<br />
der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche“ zum Haushaltsplan<br />
2007 diesen Ansatz verstärkt und einen politisch<br />
markanten Akzent gesetzt. Wesentliches Ziel dieser Initiative<br />
war und ist es, neue Ansätze für Bildung zwischen <strong>Kultur</strong> und<br />
Sozialpädagogik zu erproben und in reguläre Angebote zu integrieren<br />
und weiterzuentwickeln.<br />
Die Eckpunkte der bisherigen Entwicklungen wie,<br />
>> pragmatische Handlungsansätze für projektorientierte Zusammenarbeit<br />
mit <strong>Schule</strong>n zu wählen,<br />
>> spartenbezogene institutionelle Strukturen zu ermöglichen,<br />
>> in kommunalen Programmen <strong>Kultur</strong>elle Bildung als integralen<br />
Bestandteil vorzufinden und<br />
>> Beschlüsse des Rates als politische Vorgabe zu bearbeiten,<br />
ermöglichen, in den nächsten Jahren weitere Phasen im<br />
Handlungsfeld „ <strong>Kultur</strong>elle Bildung“ einzuleiten.<br />
Als besonders bedeutsam ist dieses Handlungsfeld im Rahmen<br />
der sich immer mehr etablierenden Ganztagschulen anzusehen.<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung wird sich als wichtiger Partner der<br />
Ganztagsschule erweisen, weil die Chance besteht, integraler<br />
Bestandteil des Unterrichtes zu werden und innovatives Lernen<br />
zu bereichern.<br />
Theater, Musik, Tanz, Kunst, Literatur, Medien und Zirkus<br />
bieten unerschöpfliche Möglichkeiten, die Potenziale der Kinder<br />
und Jugendlichen zu erkennen, zu fördern und Fähigkeiten<br />
loKale und Kommunale VernetzunGen _45<br />
für eigenverantwortliches Handeln zu entwickeln. Bisher erarbeitete<br />
und in der Praxis erprobte Angebotsfelder <strong>Kultur</strong>eller<br />
Bildung stehen für die vielfältigen Möglichkeiten und Chancen,<br />
den Schulalltag zu ergänzen.<br />
Beispielhaft seien genannt:<br />
>> Eng verzahnte, kontinuierliche Zusammenarbeit bei „<strong>Schule</strong><br />
im Stadtteil“ zwischen dem Schulverbund Herrenhausen-<br />
Stöcken und dem Freizeitheim Stöcken.<br />
>> „Kinder-<strong>Kultur</strong>-ABO“ für Grundschulen mit rezeptiven Veranstaltungen<br />
wie Theater-/Museumsbesuche, Lesungen und<br />
Kinofilm-Vorführungen und aktive Theater- oder Zirkusworkshops<br />
oder philosophische Talkshows (seit 2008). 2<br />
>> Projekt „Lesementoring“ (seit 2003), mit dem Bildungspass<br />
„Kompetenznachweis <strong>Kultur</strong>“ (s. weitere Informationen S. 37)<br />
für Jugendliche als Kooperation zwischen dem Bereich Stadtteilkulturarbeit<br />
und den Stadtbibliotheken.<br />
>> Jährliche „Jugendbuchwoche“.<br />
>> Jahrgangsbezogene Projekttage mit Elternwerkstätten zu<br />
„Lust auf Lesen“ in Grundschulen (seit 2009).<br />
>> Tandem-Musikunterricht im Klassenverband als Kooperation<br />
zwischen der Musikschule der Landeshauptstadt Hannover<br />
und Grundschulen (seit 2007).<br />
>> Theaterprojekte in den jeweils den 3. und 4. Klassen in Grundschulen,<br />
in Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>eller<br />
Jugendbildung Niedersachsen e. V. (LKJ) über ein<br />
halbes Jahr (seit 2005).<br />
>> „MoTS – Moderner Tanz in <strong>Schule</strong>n“ mit der Compagnie<br />
Fredeweß für Schüler/innen der weiterführenden <strong>Schule</strong>n<br />
(seit 2008).<br />
>> Kinderzirkus „Sahlino“ als Regelangebot mit 10 Unterrichtstagen<br />
und einer Aufführung als Unterricht für alle Schulformen<br />
im Stadtbezirk (seit 2010).<br />
>> Interaktive Ausstellungen in den Museen in Kooperation<br />
zwischen Stadtteilkultureinrichtungen, Kindertagestätten,<br />
Grundschulen und Museen.<br />
>> Stärkung der Medienkompetenz durch „Ich dreh ab...“ – an<br />
der Schnittstelle zur <strong>Schule</strong> – als Zusammenarbeit von<br />
Kinder- und Jugendarbeit, Jugendschutz, Haus der Jugend,<br />
Medienbus/Bereich Stadtteilkultur, Medienhaus Linden.<br />
>> Alle zwei Jahre Kinderfilmfest „Sehpferdchen“ als Kooperation<br />
zwischen medienpädagogischem Zentrum der Region,<br />
Kommunalem Kino, der LAG Film und der Landeshauptstadt<br />
Hannover (LHH), Bereich Stadtteilkulturarbeit.<br />
>> Mit „<strong>Kultur</strong>eller Bildung von der Kita...in die Grundschule...“ –<br />
Kooperation des Bereichs Stadtteilkulturarbeit der LHH mit<br />
allen Kindertagesstätten und Grundschulen im Stadtbezirk<br />
Ricklingen als Modelltransferprojekt vom Niedersächsischen<br />
Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) zur<br />
Unterstützung des Übergangs mit <strong>Kultur</strong>eller Bildung.<br />
Die Wirkungen der kulturellen Medien hinsichtlich positiver Entwicklungen<br />
der individuellen Bildungsbiografien sind vielfältig.<br />
Bisher gibt es einige Grenzen der freiwillig angelegten Zusam-<br />
1 Am 12.10.2011 wurde die Dokumentation „<strong>Kultur</strong>elle Bildung als Sprachförderung“ des Fachbereichs Bildung und Qualifizierung der Öffentlichkeit zur Diskussion<br />
vorgestellt.<br />
2 Inzwischen sind 25 Grundschulen, 12 Einrichtungen der Stadtteilkultur, 12 Stadtbibliotheken und 29 freiberufliche Anbieter aus allen künstlerischen Sparten beteiligt.
46_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />
menarbeit zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>. Die getrennten Welten<br />
der ministeriell festgelegten Lehrpläne und der relativ frei agierenden<br />
<strong>Kultur</strong>arbeit benötigen einen strukturellen Rahmen, der<br />
allerdings die innovative und kreative Eigenart, insbesondere<br />
der kulturellen Akteure nicht beeinträchtigen darf.<br />
Auf kommunaler Seite ist anzustreben, die personellen und finanziellen<br />
Ressourcen zu bündeln und so für <strong>Schule</strong> ein ganzheitliches<br />
Kompetenzsystem anzubieten. Dabei sind wesentlich<br />
die konzeptionellen Schnittstellen <strong>Kultur</strong>eller Bildung mit<br />
den Herausforderungen und Möglichkeiten einer vom Land gewollten<br />
und in der Bundesrepublik diskutierten frühkindlichen<br />
Bildung zu koordinieren. Erste wichtige Erfahrungen in der<br />
Zusammenarbeit mit dem nifbe liegen bereits vor und können<br />
als tragfähiges Fundament für weitere Entwicklungsprozesse<br />
angenommen werden.<br />
Aus kommunaler Sicht ist es erforderlich, für die vorhandenen<br />
Potenziale fachlicher und finanzieller Ressourcen Strukturen zu<br />
vereinbaren, die Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt der<br />
Bemühungen um erfolgreiche Bildungsbiografien rücken. Diese<br />
Aufgabe ist leistbar, setzt aber voraus, dass alle Akteursebenen<br />
sich zu einer bildungspolitischen Gemeinschaftsaufgabe bekennen<br />
und unzeitgemäße Debatten über Zuständigkeiten beenden.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.hannover.de<br />
3.5 <strong>Kultur</strong> trIFFt KlaSSe<br />
daS netzwerK „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“ In oSnaBrücK<br />
marita thöle<br />
Leiterin der Koordinierungsstelle „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“ im Fachbereich<br />
<strong>Kultur</strong> der Stadt Osnabrück<br />
Mit Musik, Malerei, Theater, Literatur, Tanz, Spiel und Medien<br />
erschließen sich Kinder und Jugendliche die Welt. Der aktive<br />
Umgang mit Kunst und <strong>Kultur</strong> hat eine große Bedeutung für das<br />
Aufwachsen junger Menschen und deren Persönlichkeitsentwicklung.<br />
Dabei ergänzen sich die schulischen und außerschulischen<br />
kulturellen Angebote und ermöglichen den Erwerb von<br />
musischer, kultureller und ästhetischer Kompetenz.<br />
Eine intensive Zusammenarbeit zwischen <strong>Schule</strong>n und <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />
entspricht den Forderungen nach einer verstärkten<br />
„Öffnung von <strong>Schule</strong>n“ und dem Wunsch, Kinder und<br />
Jugendliche schon sehr früh an Museen und andere <strong>Kultur</strong>institutionen<br />
heranzuführen. In Zukunft werden sich durch die<br />
größere Eigenständigkeit von <strong>Schule</strong>n und den Ausbau von<br />
Ganztagsangeboten weitere Chancen für eine noch engere<br />
Kooperation zwischen <strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong> ergeben.<br />
In Osnabrück sind die beiden Bereiche seit vielen Jahren eng<br />
miteinander verzahnt. So sind z. B. 90 % der Osnabrücker<br />
<strong>Schule</strong>n Kooperationspartner der Städtischen Musik- und<br />
Kunstschule. Über 1000 Schulklassen besuchen jährlich Osnabrücker<br />
Museen, und die Stadtbibliothek pflegt Bildungspartnerschaften<br />
mit fast allen <strong>Schule</strong>n in Osnabrück. Herausragend<br />
ist auch das Engagement des Osnabrücker Theaters, das<br />
allein in der Spielzeit 2010/2011 von 19 000 Schülern/innen<br />
besucht wurde.<br />
Der Wunsch, das bislang Erreichte durch neue Angebote und<br />
Projekte weiter auszubauen und <strong>Schule</strong>n und <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />
noch weiter zu vernetzen, führte im Jahr 2004 in<br />
Osnabrück zur Gründung der städtischen Koordinierungs-<br />
stelle „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“. Sie übernimmt bei diesem Prozess<br />
die Funktion eines zentralen Service- und Informationszentrums<br />
für beide Bereiche. Partner der Koordinierungsstelle sind<br />
einerseits alle Osnabrücker Museen und <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />
und andererseits die rund 220 <strong>Schule</strong>n in Stadt und Landkreis<br />
Osnabrück.<br />
© Kirsten Mosel (Bildrechte: Landeshauptstadt Hannover)
Auf Einladung der Koordinierungsstelle treffen sich Vertreter/<br />
innen aller <strong>Kultur</strong>einrichtungen viermal im Jahr zu einem Informationsaustausch<br />
über ihre Arbeit mit <strong>Schule</strong>n und berichten über<br />
geplante Projekte. Im Rahmen dieser Treffen werden Möglichkeiten<br />
erörtert, gemeinsame Vorhaben auf den Weg zu bringen oder<br />
Schwerpunktthemen des Fachbereichs <strong>Kultur</strong> zu unterstützen.<br />
Auftaktveranstaltung für die Arbeit der Koordinierungsstelle war<br />
im Herbst 2004 die Messe „Jetzt einsteigen: <strong>Kultur</strong> trifft <strong>Schule</strong>!“,<br />
auf der sich alle <strong>Kultur</strong>einrichtungen mit ihren Kreativangeboten<br />
für <strong>Schule</strong>n vorstellen konnten. Wegen des großen Erfolgs fand<br />
diese Messe im Oktober 2006 erneut statt. Das Projekt „Kunst<br />
und <strong>Schule</strong>“ der Koordinierungsstelle vermittelt Künstler/innen<br />
in Osnabrücker <strong>Schule</strong>n. Unter dem Motto „Einfach mal probieren“<br />
werden Gutscheinhefte für Schüler/innen herausgegeben,<br />
die Tickets für kostenlose Museumsbesuche und Schnupperangebote<br />
in <strong>Kultur</strong>einrichtungen enthalten. Viermal im Jahr verschickt<br />
die Koordinierungsstelle die „Schultüte“ mit <strong>Kultur</strong>informationen<br />
an alle <strong>Schule</strong>n in der Region Osnabrück. Sogenannte<br />
von den Kollegien bestimmte <strong>Kultur</strong>-Kontakt-Personen nehmen<br />
die Schultüten vor Ort in Empfang und leiten die „<strong>Kultur</strong>-Infos“<br />
an interessierte Lehrer/innen weiter. Seit dem Jahr 2008 wird<br />
das Projekt „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ allen Osnabrücker Haupt- und<br />
Gesamtschulen angeboten – aus Sicht der Stadt Osnabrück ist<br />
es das wichtigste Projekt der Koordinierungsstelle und Themenschwerpunkt<br />
des Fachbereichs <strong>Kultur</strong> der Jahre 2011 und 2012.<br />
„<strong>Kultur</strong> schnuppern“<br />
Der Fachbereich <strong>Kultur</strong> der Stadt Osnabrück möchte möglichst<br />
alle Bevölkerungsgruppen erreichen und ihr Interesse an <strong>Kultur</strong><br />
wecken oder auch steigern. Dieses Ziel wird bei einigen<br />
Gruppen eher erreicht als bei anderen. Während z. B. Kinder<br />
noch leicht für kulturelle Angebote zu begeistern sind, lässt<br />
dieses Interesse bei Jugendlichen häufig nach, wobei dies je<br />
nach Schulform, Bildungsstand und Elternhaus variiert. Hauptschüler/innen<br />
sind in den verschiedenen <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />
der Stadt eher selten anzutreffen. Umso wichtiger war das<br />
bewusste Ansprechen dieser Schülergruppe. Es galt, ein Angebot<br />
zu schaffen, das diesen Jugendlichen einen Einblick in<br />
die kulturelle Landschaft Osnabrücks ermöglicht, um sie damit<br />
neugierig auf <strong>Kultur</strong> zu machen.<br />
Das Projekt „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ greift diesen Gedanken auf<br />
und wendet sich an Hauptschüler/innen der verschiedenen<br />
Osnabrücker Ganztagsschulen. Jede/r Schüler/in bekommt<br />
durch dieses Projekt die Möglichkeit, in die <strong>Kultur</strong>szene der<br />
Stadt hineinzuschnuppern und während der Schulzeit alle<br />
Osnabrücker <strong>Kultur</strong>einrichtungen kennenzulernen. Mit unterschiedlichsten<br />
Methoden werden die Jugendlichen eingebunden.<br />
Bei allen Veranstaltungen wird der Schwerpunkt auf sinnliches<br />
Erleben und kreatives Tun gelegt, um die Schüler/innen<br />
zu weiteren Besuchen von Museen und <strong>Kultur</strong>einrichtungen in<br />
ihrer Freizeit anzuregen.<br />
Das Projekt „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ hat sich seit dem Modellversuch<br />
mit einer Osnabrücker Hauptschule im Jahr<br />
Sehr gut<br />
Gut<br />
Mittel<br />
Weniger gut<br />
Schlecht<br />
loKale und Kommunale VernetzunGen _47<br />
2007 sehr positiv entwickelt. Ende 2010 waren acht Hauptschulklassen,<br />
AGs oder Wahlpflichtkurse für das Projekt<br />
angemeldet. Aktuell ist die neue Integrative Gesamtschule<br />
Osnabrück mit zwei Nachmittagsgruppen hinzugekommen.<br />
Wesentlichen Anteil am erfolgreichen Verlauf des Projektes<br />
„<strong>Kultur</strong> schnuppern“ hat die Klosterkammer Hannover, die in<br />
den Jahren 2009, 2010 und 2011 rund 70 % der Projektkosten<br />
übernahm. Die restlichen Mittel werden zu jeweils 50 % von den<br />
Fachbereichen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong>/Sport zur Verfügung gestellt,<br />
sodass die Teilnahme für Osnabrücker <strong>Schule</strong>n bis Ende 2012<br />
kostenfrei bleiben kann.<br />
0 10 20 30 40<br />
abb. 1: Gesamtbewertung aus Sicht der Schüler/innen<br />
„<strong>Kultur</strong> schnuppern“ wurde im Wintersemester 2009/2010 von<br />
einer Gruppe Studierender der Fachhochschule (FH) Osnabrück<br />
(Studiengang Öffentliche Verwaltung) evaluiert. Die FH attestierte<br />
dem Projekt, eine große Akzeptanz von Schülern/innen,<br />
Lehrern/innen und <strong>Kultur</strong>pädagogen/innen. Eine der zentralen<br />
Fragen war hier: „Wie hat dir das Projekt ‚<strong>Kultur</strong> schnuppern‘ bisher<br />
insgesamt gefallen?“ Anhand dieser Statistik wird deutlich,<br />
dass mehr als zwei Drittel der Schüler/innen das Projekt mit<br />
der Note „gut“ oder „sehr gut“ bewerteten. 18,9 % der Befrag-<br />
ten fanden „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ „mittel“ und lediglich 13,2 %<br />
kreuzten bei dieser Frage „weniger gut“ oder „schlecht“ an.<br />
Die Durchschnittsnote liegt insgesamt bei 2,25 und damit nur<br />
knapp unter „gut“ (s. Abb. 1).<br />
Die Organisation durch die Koordinationsstelle „<strong>Schule</strong> und <strong>Kultur</strong>“<br />
wurde ebenfalls gut bewertet. Erfreulicherweise konnte<br />
bei vielen Schülern/innen das Interesse an <strong>Kultur</strong> geweckt und<br />
ihnen der freiwillige Besuch von <strong>Kultur</strong>einrichtungen in ihrer<br />
Freizeit nahe gebracht werden. Vor diesem Hintergrund konstatierte<br />
die FH Osnabrück dem Projekt einen großen Erfolg. 1<br />
Abschließend sollen noch Schüler/innen der Käthe-Kollwitz-<br />
<strong>Schule</strong> in Osnabrück zitiert werden, die im Jahr 2008 durch<br />
1 vgl. Nierenberg, Inga u. a.: Evaluation des Projektes „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ der Stadt Osnabrück, Praxisprojekt, Fachhochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts-<br />
und Sozialwissenschaften, WS 2009/2010.
48_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />
Kristina Löpker vom Internetportal „OSCommunity“ zu ihren<br />
Erfahrungen mit „<strong>Kultur</strong> schnuppern“ befragt wurden:<br />
„<strong>Kultur</strong> ist eigentlich nicht so mein Ding“, gibt z. B. Hüseyin<br />
ganz offen zu. Und doch hat er zum ersten Mal für einen Workshop<br />
das Felix-Nussbaum-Haus betreten. „Dort haben wir<br />
Bilder des Künstlers nachgemalt, was wirklich Spaß ge<strong>macht</strong><br />
hat“, sagt er. Özge hat durch das Projekt plötzlich Spaß am<br />
Theater gefunden. „Bei uns machen sie jetzt eine Theater-AG.<br />
Ich glaube, ich melde mich da jetzt einfach mal an“.<br />
„Richtig toll“ fanden Valerina, Özge und Hüseyin vor allem<br />
Stationen, in denen sie selbst aktiv werden durften: Graffiti-<br />
Sprayen in der Kunsthalle, Musizieren in der Kunst- und Musikschule<br />
oder auch der Besuch in der Bibliothek. „Mit Pausen<br />
und vielen Mitmach-Aktionen können wir das Projekt auf jeden<br />
Fall auch anderen Schulklassen empfehlen“, erklärten die drei<br />
abschließend.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.osnabrueck.de/11656.asp<br />
3.6 SchulzIrKuS und zIrKuS<strong>Schule</strong>n<br />
SIeh mal, waS Ich Kann!<br />
wolfgang Pruisken<br />
Lehrer der Zirkusklasse an der IGS Linden Hannover und<br />
1. Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Zirkus<br />
Jedes Kind zeigt gern Kunststücke und daher lieben Kinder den<br />
Zirkus nicht nur als Zuschauer/in. Sie probieren gern selber aus<br />
und präsentieren ihre Kunst mit Leidenschaft. Kein Wunder, dass<br />
Zirkus in immer mehr <strong>Schule</strong>n seinen Platz findet, ob als Projekt<br />
oder dauerhafte Einrichtung.<br />
Kinder- und Jugendzirkus in niedersachsen und Bremen<br />
Zirkus als Teil der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung hat in Deutschland eine<br />
vergleichsweise junge Geschichte. Vor ca. 25 Jahren gründeten<br />
sich mehr und mehr Gruppen unter Anleitung von Pädagogen/<br />
innen und Artisten/innen. Die Besonderheit in Niedersachsen:<br />
Klaus Hoyer, Fachmoderator für Sport/Freizeit an Gesamtschulen<br />
in Niedersachsen, der selbst an der IGS Garbsen eine Gruppe<br />
gegründet hatte, sorgte dafür, dass an fast jeder Gesamtschule<br />
auch ein Zirkusprojekt als Teil des Ganztagsangebots entstand.<br />
1992 vertraten drei Schulgruppen das Land Niedersachsen<br />
bei der „Expo“ in Sevilla. Dies war der Startpunkt für die<br />
Gründung der LAG Zirkus, in der mittlerweile 40 Gruppen mit<br />
fast 3000 Mitgliedern vertreten sind.<br />
In der neu gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG)<br />
Zirkuspädagogik organisieren sich Pädagogen/innen und Einrichtungen<br />
aus der ganzen Republik. Sie entwickeln Ausbildungsgänge<br />
und Standards für die zirkuspädagogische Arbeit.<br />
Eine eigene Arbeitsgruppe kümmert sich um die Kooperation<br />
mit <strong>Schule</strong>n. In Niedersachsen arbeiten alle Gruppen auch mit<br />
<strong>Schule</strong>n zusammen. Beispielhaft ist die Arbeit in Hannover. Dort<br />
entstand in Trägerschaft der LAG Zirkus und der Landeshauptstadt<br />
das Netzwerk „CircO“, das mittlerweile den Status eines<br />
„Kompetenzzentrum Zirkus“ hat. „CircO“ organisiert im Auftrag<br />
der Landeshauptstadt Hannover an mittlerweile 16 <strong>Schule</strong>n<br />
Angebote am Nachmittag. Im Stadtteil Sahlkamp kooperiert es<br />
sogar im Vormittagsbereich im Rahmen des Sportunterrichts mit<br />
wechselnden <strong>Schule</strong>n.<br />
zirkus wird von den <strong>Schule</strong>n stark nachgefragt<br />
Requisiten werden für bewegte Pausen angeschafft. Zirkus ist<br />
längst nicht mehr nur Thema für ein Fest. Mitarbeiter/innen<br />
aus Kindergärten und Horten bis hin zu gesamten Kollegien<br />
aus Einrichtungen der Jugendhilfe bilden sich fort und machen<br />
sich fit für Zirkus als Teil des Schulprogramms. Auch Förderschulen<br />
entdecken zunehmend seine „heilsame“ Wirkung. Die<br />
Länder Niedersachsen und Brandenburg stellen in den Kultusministerien<br />
eigens Fachberater/innen zur Verfügung, die<br />
<strong>Schule</strong>n bei der Suche nach Zirkusangeboten begleiten.<br />
ein Bereich für selbstbestimmtes lernen<br />
An den <strong>Schule</strong>n, die schon lange eigene Zirkusprojekte anbieten,<br />
höre ich von den Kindern, dass für sie der Zirkus auch eine Gegenwelt<br />
zur <strong>Schule</strong> ist: „Hier kann ich selbst entscheiden, hier lerne<br />
ich selber, hier redet mir der Lehrer nicht rein, hier sind meine<br />
Freunde“.<br />
Kinder und Jugendliche können im Zirkus einen Bereich<br />
finden, der Hartmut von Hentigs Forderung nach gutem pädagogischen<br />
Handeln erfüllt: Er meint, gute Pädagogen/innen,<br />
die jungen Menschen Werte vermitteln wollen, sollten ver-<br />
© Schäflein & Himmelreich (Bildrechte: LKJ Nds e.V.)
suchen, „den jungen Leuten durch spezielle Übungen auf die<br />
Beine zu helfen: Sie halten sie an, unter vielen Möglichkeiten<br />
frei und nach sorgfältiger Überlegung zu wählen; sie machen<br />
ihnen Mut, sich zu der einmal getroffenen Wahl zu bekennen,<br />
an ihr festzuhalten, mit ihr zufrieden zu sein; sie fordern sie<br />
auf, etwas mit dem Gewählten zu tun – und das wiederholt.“<br />
(2001, S. 77f.) Aktivitäten wie Jonglieren und Artistik hat von<br />
Hentig bei dieser Beschreibung sicher nicht im Kopf gehabt.<br />
Verblüffend ist aber die Übertragbarkeit auf die Inhalte des<br />
Zirkus: Besonders auch, was das Ziel einer Aufführung angeht,<br />
die im Unterschied zu den sonstigen Aktivitäten Ernstfall ist<br />
und nicht vorgibt zu sein. So ist es nicht verwunderlich, wenn<br />
<strong>Schule</strong>n auf das Medium Zirkus aufmerksam werden. Das ist<br />
leider zu häufig noch zufällig und auch in der Frage der pädagogischen<br />
Wirksamkeit nicht immer klar.<br />
was gute Projekte auszeichnet<br />
Wenn Lehrer/innen sich für ein Zirkusangebot für ihre Schüler/<br />
innen – ob in der <strong>Schule</strong> oder im Zirkuszelt – entscheiden, sollte<br />
maßgeblich sein, ihnen nicht nur ein einmaliges Erlebnis bieten<br />
zu wollen. Außerdem sollten sie prüfen, ob die Struktur des Angebots<br />
wirklich die versprochenen Wirkungen erzielen kann.<br />
Zirkuspädagogische Einrichtungen wie das TPZ in Lingen,<br />
der Zirkus Seifenblase in Oldenburg oder das „CircO“ in Hannover,<br />
die den <strong>Schule</strong>n von einwöchigen bis zu jahrelang laufenden<br />
Projekten Angebote machen können, und die auch bei der Finanzierung<br />
unterstützen, hat aber nicht jeder in der Nähe.<br />
Ob im Zelt oder in schulischen Räumen: Zirkus bietet als Besonderheit<br />
immer auch einen Ort, an dem Kinder verschiedenen<br />
Alters gleichberechtigt lernen können. Beispielhafte Projekte<br />
an <strong>Schule</strong>n sind so organisiert. Hier trainieren 18-Jährige neben<br />
11-Jährigen, treten mit ihnen auf und übernehmen natürlich<br />
auch Anleitungsaufgaben. Lernen voneinander ist in idealer Weise<br />
möglich. Davon berichten auch <strong>Schule</strong>n, die nur eine Woche<br />
lang klassen- und jahrgangsübergreifende Projekte angeboten<br />
haben. Wo sonst Konkurrenz herrschte, trat Zusammenarbeit an<br />
ihre Stelle und vereinte die <strong>Schule</strong> auf besondere Weise. Ganztagsschulen<br />
könnten diese Chance besonders nutzen.<br />
und der Sportunterricht?<br />
Seit ca. 25 Jahren versucht die Traumfabrik in Regensburg, mit<br />
Modellen des „Kreativen Sports“ den Sportunterricht zu verändern.<br />
Tausende von Sportlehrern/innen und anderen Päda-<br />
gogen/innen haben seitdem Kurse ge<strong>macht</strong> in Tanz, Jonglieren,<br />
Bewegungskünsten und vielem mehr. Parallel entwickelte sich<br />
die Jonglier- und Akrobatikszene immer weiter und wurde zunehmend<br />
größer. Das konnte man alles nicht mehr übergehen.<br />
Die Sportlehrerausbildung mit der Aufnahme des Themas „Freizeitsport“<br />
tat ein Übriges. So haben die Inhalte des Zirkus Einzug<br />
gehalten in die Inhalte des Sportunterrichts. In den „Rahmenrichtlinien<br />
Sport in Niedersachsen“ heißt z. B. der Bereich<br />
Turnen jetzt „Turnen und Bewegungskünste“. Es bewegt sich<br />
also etwas. Ich leite selbst seit Anfang der 1990er Jahre Fortbildungskurse<br />
für Lehrer/innen. Diese Kurse sind äußerst beliebt.<br />
Viele Lehrer/innen kommen mit eigenen Erfahrungen in der Leitung<br />
von AGs und den Versuchen, Zirkus in den Sportunterricht<br />
zu integrieren. Für andere ist der Inhalt neu und spannend. Sie<br />
lernen neue Bewegungsformen und haben dabei die Chance,<br />
die Seite zu wechseln, selber Lernende/r zu sein und damit die<br />
loKale und Kommunale VernetzunGen _49<br />
Position des/r Schülers/in besser zu verstehen. Solche Seminare<br />
sind geprägt von der Reflexion der eigenen Lernerfahrung<br />
im Verhältnis zur Lehrerrolle. Die Möglichkeit, sich unter vielen<br />
Requisiten und Bewegungsangeboten eines auszusuchen, wird<br />
schnell als die besondere Chance des Themas erkannt. Wie aber<br />
das im Unterricht umsetzen? Ohne Requisiten geht doch nichts.<br />
Wer hat in seiner Turnhalle Einräder, Laufkugeln, ein Drahtseil<br />
oder mehr als ein Trapez? Jonglierbälle sind schnell beschafft,<br />
schwieriger wird es meist bei den kostspieligeren Geräten. Die<br />
Anschaffung durchzusetzen erfordert einen langen Atem, aber<br />
es gelingt immer häufiger. In <strong>Schule</strong>n, die bereits eine funktionierende<br />
AG haben, ist vieles einfacher. Da muss oft nicht einmal<br />
der <strong>Schule</strong>tat her, weil die Gruppen sich mit ihren Auftritten<br />
ihre Requisiten selbst verdienen.<br />
zirkus kann die <strong>Schule</strong> verändern<br />
Zirkus kann ein neuer Erfahrungsraum sein, wie ihn sich von<br />
Hentig für die <strong>Schule</strong> vorstellt:<br />
„Ich wünsche [...], dass junge Menschen erfahren, was eine Gemeinschaft<br />
ist, was sie gibt und fordert – eine größere als die<br />
Familie, in die sie hineingeboren sind, und eine weniger künstliche<br />
und zufällige als die Schulklasse, in die man sie hineinverwaltet<br />
hat; sie sollen eine Gelegenheit haben, als ganze Person<br />
die verfasste Gemeinschaft, in der und von der sie leben, wahrzunehmen:<br />
dieses Erlebnis sollte so sein, dass sie vieles von dem,<br />
was sie lernen, für die Aufrechterhaltung dieser Gemeinschaft<br />
einzusetzen bereit sind, ja dass sie es zu einem großen Teil um<br />
ihretwillen – um ihrer Fortsetzung und Vervollkommnung willen<br />
– lernen.“ (Ebd. 2006, S. 17).<br />
Zirkus kann diese Gemeinschaft bieten, Gemeinschaft ist ein<br />
Leitziel. In kleinen und großen Projekten ist das möglich. Zirkus<br />
bietet die Chance, dass an die Stelle an einer pädagogisch erdachten<br />
Gemeinsamkeit, „eine von der Sache vorgegebene tritt, an die<br />
Stelle von verordnetem Pensum eine möglichst frei zu wählende<br />
Lerngelegenheit, an die Stelle von kollektiver Belehrung eine<br />
persönliche Bewährung in einem Lebenszusammenhang, an die<br />
Stelle von Leistungsverpflichtung eine Selbstverpflichtung, an<br />
die Stelle des abstrakten Gehorsams ein konkreter Vertrag mit<br />
der Gemeinschaft.“ (Ebd., S. 11).<br />
„Wie von Hentig immer gesagt hat: Es geschieht keine Erziehung<br />
für die Kunst, sondern eine Erziehung an der Kunst. Dieser Sinn<br />
impliziert gewisse Umgangsformen in der Vermittlung: Einladen,<br />
lassen, herausfordern, stützen, Erfindungen anregen, Gemeinsamkeit<br />
stiften – individualisieren, üben – zeigen.“ (Funke<br />
Wieneke 2006, S. 2).<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.lag-zirkus.de und www.circo-hannover.de<br />
lIteratur:<br />
von hentig, hartmut (2001): Ach, die Werte.<br />
Über eine Erziehung für das 21. Jahrhundert. Weinheim.<br />
von hentig, hartmut (2006): Bewährung, Von der nützlichen<br />
Erfahrung nützlich zu sein. München.<br />
Funke wieneke, Jürgen (2006): Der Zirkus als Erzieher.<br />
Überlegungen zu einer pädagogischen Interpretation einer<br />
volkstümlichen Kunst, Vortrag in Gschwend. Nov. 2006.<br />
[www.bag-zirkus.de, 29.11.2011].
50_ loKale und Kommunale VernetzunGen<br />
<strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> –<br />
tIPPS Für GelInGende KooPeratIonen – So Geht‘S!<br />
Abstimmung des<br />
unterrichtlichen und<br />
außerunterrichtlichen<br />
Angebots<br />
Angemessene<br />
Räumlichkeiten und<br />
Material<br />
Anerkennung<br />
des Wertes<br />
<strong>Kultur</strong>eller Bildung<br />
Vereinbarte<br />
Ansprechpartner<br />
Einheitliche<br />
organisatorische<br />
und inhaltlichpädagogische<br />
Ziele<br />
Kontinuität<br />
Adäquate personelle<br />
Ausstattung<br />
beider Partner<br />
Klärung der<br />
Erwartungen,<br />
Aufgaben und Rollen<br />
Zeitstruktur, die<br />
der <strong>Schule</strong> und dem<br />
kulturpädagogischen<br />
Angebot gerecht wird<br />
Kooperationsbereiche<br />
definieren<br />
Angemessene<br />
finanzielle<br />
Ausstattung<br />
Abstimmung<br />
und Planung<br />
eines kooperativen<br />
Gesamtkonzepts<br />
© Maya Hässig
4. modellhaFte PraxIS<br />
landeSweIt<br />
„<strong>Kultur</strong>elle Bildung hat das Ziel, Menschen durch die aktive Auseinandersetzung mit künstlerischen<br />
Ausdrucksformen an den Umgang mit Kunst und <strong>Kultur</strong> heranzuführen, ihr Verständnis<br />
für künstlerische und kulturelle Phänomene zu fördern und ihre individuellen Ausdrucksmöglichkeiten<br />
durch den Einsatz künstlerischer Medien und künstlerischer Denk- und Handlungsweisen<br />
zu entwickeln. Dabei sollen Phantasie und Kreativität, sinnliche Wahrnehmung,<br />
Ausdrucksfähigkeit und die Entwicklung eines kritischen Verständnisses von Kunst und <strong>Kultur</strong><br />
gefördert werden. In der Auseinandersetzung damit werden ebenfalls Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten vermittelt, die auch in anderen Lebensbereichen von Bedeutung sein können<br />
und zur Persönlichkeitsbildung beitragen.“<br />
(Birgit Mandel, Prof. an der Universität Hildesheim)
52_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />
4.1 moBIleS KIno nIederSachSen<br />
FIlmVeranStaltunGen zum thema „moBBInG“<br />
mascha Fäskorn<br />
Mitarbeiterin „Mobiles Kino Niedersachsen“, Oldenburg<br />
Das „Mobile Kino Niedersachsen (MKN)“ ist ein <strong>Kultur</strong>projekt<br />
der LAG Jugend und Film Niedersachsen e. V. mit Sitz in Oldenburg.<br />
Das Konzept des „MKN“ ist seit seiner Gründung im Jahr<br />
1992, den Film auf große Leinwand in die Regionen abseits<br />
der großen Städte zu bringen, aber auch Veranstaltungsorte<br />
in städtischen Zentren zu bespielen, für die ein gewerbliches<br />
Kino keine Alternative bietet. Dabei arbeitet das „MKN“ mit dem<br />
Anspruch, mehr als nur eine reine Abspielstelle von Filmen zu<br />
sein. Der Rahmen eines Kinotages soll durch Begleitprogramme<br />
und Ansprache des Publikums zu einem kommunikativen<br />
Erlebnis werden, das den Filminhalt mit der Alltagsrealität in<br />
Bezug bringt.<br />
Im Jahr 2010 hat das „MKN“, das in dieser Form einzigartig in<br />
Niedersachsen ist, bei mehr als 350 Filmvorführungen rund<br />
18 000 Besucher/innen erreicht. Die Veranstaltungspartner<br />
des „MKN“ vor Ort sind neben vielen kulturellen Initiativen und<br />
Vereinen auch soziale Einrichtungen, Gemeinden und Kirchen,<br />
die ihr <strong>Kultur</strong>programm mit Unterstützung des „MKN“ um das<br />
Kinoangebot erweitern möchten. Aktuell umfasst das über<br />
Jahre gewachsene Netzwerk 150 Institutionen. Bei der Auswahl<br />
der Filme durch die Mitarbeiter/innen wird Wert auf eine<br />
ausgewogene Mischung von Inhalten und Herkunftsländern<br />
sowie dem Bekanntheitsgrad der Produktionen gelegt. Abgerundet<br />
wird das Repertoire durch Dokumentar- und Kurzfilme.<br />
Ein zweiter wichtiger Baustein des „MKN“ ist die Vermittlung<br />
von Medienkompetenz. Dazu bietet das „MKN“ <strong>Schule</strong>n und<br />
Jugendeinrichtungen Filmvorführungen mit medienpädagogischer<br />
Begleitung an, die altersgerechte Angebote zur Aufarbeitung<br />
der Filme umfasst. Das „MKN“ setzt sich seit 2007 thematische<br />
Schwerpunkte im Kinder- und Jugendbereich, unter<br />
deren inhaltlicher Ausrichtung Filme und medienpädagogische<br />
Begleitprogramme bestimmt werden. So wurden europäische<br />
Kinderfilme, Filme zur Gewaltprävention und Filme zur Integration<br />
von Menschen mit Migrationshintergrund ausgewählt<br />
und gezeigt.<br />
Seit drei Jahren gibt es speziell für <strong>Schule</strong>n eine jährliche<br />
„Schultournee“. Dazu werden den <strong>Schule</strong>n zu einem jährlichen<br />
wechselnden Themenschwerpunkt altersgerechte Filme angeboten,<br />
die im Anschluss an die Vorführung mit den Schülern/<br />
innen im Filmgespräch reflektiert werden. Nach dem Schwerpunkt<br />
„Yes we are – gegen Rassismus“ im Jahr 2009 schlossen<br />
sich „Mobbing in <strong>Schule</strong>n“ (2010) und 2011 „Trainiere deine soziale<br />
Kompetenz“ an. Die Filme samt Begleitaktionen werden<br />
den <strong>Schule</strong>n fortwährend angeboten.<br />
„mobbing in <strong>Schule</strong>n“<br />
Aufgrund der großen positiven Resonanz auf das Projekt „Mobbing<br />
in <strong>Schule</strong>n“ (225 medienpädagogische Veranstaltungen<br />
im Jahr 2010) und der leider fortwährenden Aktualität des Themas<br />
liegt dem „MKN“ viel daran, dieses Angebot für <strong>Schule</strong>n<br />
und nicht-schulische Einrichtungen weiterhin zu ermöglichen.<br />
Deshalb bildet das Projekt seither einen festen Bestandteil der<br />
Zusammenarbeit mit <strong>Schule</strong>n.<br />
Das „MKN“ nutzt die Kinoveranstaltung als Mittel, die Problematik<br />
des Mobbens bewusst und ihre Auswirkungen nachvollziehbar<br />
zu machen sowie von Mobbing betroffene Personen<br />
zu stärken. Dabei helfen das Aufgreifen der Filmhandlung und<br />
die Identifikation der Zuschauer/innen mit den Protagonisten/<br />
innen des Films im anschließenden Filmgespräch oder während<br />
des Begleitangebots. Altersgerechte Produktionen sollen<br />
helfen, die Thematik „Mobbing“ über das nach wie vor beliebte<br />
audiovisuelle Mittel Film erfahrbar zu machen. In allen ausgewählten<br />
Filmen stehen die Hauptfiguren als Außenseiter da,<br />
die den systematischen offen oder verdeckt ausgeübten Attacken<br />
der Anderen ausgesetzt sind. Sie durchleben einen Konflikt<br />
und finden mit Unterstützung der Eltern oder Freunden<br />
eine Lösung, die ihnen ein Leben ohne die quälenden Übergriffe<br />
ermöglicht.<br />
Kinder lassen sich gern auf ein Begleitangebot ein, das den<br />
Filminhalt spielerisch aufgreift und die Verarbeitung erleichtert.<br />
Hierzu nutzt das „MKN“ Methoden wie selbst aufgestellte<br />
„Standfotos“ zum Thema, die in Kleingruppen dargestellt und<br />
fotografiert werden, um anschließend in der großen Gruppe<br />
diskutiert zu werden. Verschiedene Spiele zur Selbst- und<br />
Fremdwahrnehmung sowie Körper- und Selbstverteidigungsspiele<br />
und Gruppendiskussionen über den gezeigten Film dienen<br />
als Anknüpfungspunkt zu eigenen Mobbing-Erfahrungen.<br />
Für wen ist das Kino?<br />
Das Angebot des „MKN“ richtet sich an alle <strong>Schule</strong>n in ganz<br />
Niedersachsen, aber auch an die außerschulische Kinder- und<br />
Jugendarbeit, die das Thema „Mobbing“ auf eine audiovisuelle<br />
und anschließend auf eine theoretisch und praktisch reflektierende<br />
Art und Weise bearbeiten möchte. Zur Durchführung<br />
einer Filmveranstaltung werden lediglich ein verdunkelbarer<br />
Raum und ein einfacher 16A-Stromanschluss benötigt.<br />
Angesprochen werden sollen Kinder und Jugendliche<br />
zwischen der 3. und der 13. Klasse innerhalb und außerhalb<br />
eines schulischen Rahmens. Beteiligt an der Durchführung<br />
einer Filmveranstaltung sind jeweils ein/e Mitarbeiter/in<br />
des „MKN“ und eine Ansprechperson der kooperierenden<br />
Institution.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
mobiles-kino-niedersachsen.de
© Landesmusikakademie Niedersachsen<br />
modellhaFte PraxIS landeSweIt _53<br />
4.2 wenn Schüler/Innen zu lehrern/Innen werden<br />
dIe muSIKmentoren/Innen<br />
Jana-Kerstin lipnicki<br />
Referentin der Landesmusikakademie Niedersachsen,<br />
Wolfenbüttel<br />
Die „Musikmentorenausbildung“ wurde im Jahr 2007 in Niedersachsen<br />
eingeführt. Seitdem bietet der Landesmusikrat<br />
Niedersachsen bzw. seit 2010 die Landesmusikakademie<br />
Niedersachsen „Musikmentoren“-Kurse im Rahmen der Aktion<br />
„Hauptsache:Musik“, in Kooperation mit dem Niedersächsischen<br />
Kultusministerium und gefördert durch die Klosterkammer<br />
Hannover, an. Weitere Unterstützung erhält das<br />
Projekt durch den Landesmusikrat Niedersachsen, dessen<br />
angeschlossenen Laienmusikverbände sowie die Musikschulen<br />
Osnabrück und Stade. Die „Musikmentoren“-Kurse finden<br />
an vier Wochenenden pro Schuljahr in Hannover, Wolfenbüttel,<br />
Osnabrück und seit 2010 auch in Stade statt. Bisher wurden<br />
rund 350 Jugendliche aus Niedersachsen zu Musikmentoren<br />
ausgebildet. Durch das Musikmentorenprogramm können musikpädagogisch<br />
interessierte Schüler/innen ab 15 Jahren eine<br />
zusätzliche Grundqualifikation erwerben. Die Jugendlichen wirken<br />
in Schulorchestern, Chören, Big Bands oder Musikzügen bei<br />
Proben oder in Konzerten durch die Musikmentorenausbildung<br />
als Chor- oder Orchesterassistenten/innen mit.<br />
Wesentliches Ziel der „Musikmentorenausbildung“ ist es, musikpädagogische<br />
Begabungen zu fördern und dadurch Impulse<br />
für die Wahl eines musikpädagogischen Berufs zu geben.<br />
Darüber hinaus qualifiziert die Ausbildung Jugendliche für ein<br />
mögliches Engagement in der musikalischen Jugendarbeit in<br />
Vereinen und <strong>Schule</strong>n. Dabei sollen ihr musikalisches ebenso<br />
wie ihr soziales Engagement gefördert und ihre Selbstständigkeit<br />
und Mitverantwortung gestärkt werden. Drei der vier Kurswochenenden<br />
beschäftigen sich mit musikalischen Inhalten,<br />
an dem vierten Wochenende erhalten die Jugendlichen eine<br />
Einführung in Veranstaltungstechnik und -management. Seit<br />
2010 gibt es ein Curriculum zur Vereinheitlichung der Inhalte.<br />
Folgende Inhalte werden konkret gelehrt:<br />
Fachspezifik Vokal oder Instrumental (3 wochenenden)<br />
>> ein breit gefächerter Einstieg in die umfangreiche Ausbildung<br />
zur Leitung und Betreuung von Sing- oder Instrumental-<br />
gruppen,<br />
>> Vertiefen der eigenen Fähigkeiten mit der Stimme bzw. auf<br />
einem Instrument zu spielen,<br />
>> Erweitern des musiktheoretischen Wissens und für die Leitung<br />
eines Ensembles oder Chores wichtiger Kenntnisse in<br />
den Bereichen Dirigieren, Arrangieren oder Transkribieren etc.,<br />
>> Umsetzung und Erprobung der erlernten Inhalte mit Chören<br />
und Orchestern,<br />
>> Bausteine der Jugendgruppenleiterausbildung.<br />
Veranstaltungstechnik und -management (1 wochenende)<br />
>> Aufbau und Einsatz einer Beschallungsanlage,<br />
>> Mikrofonierung, Abmischen von Live-Aufnahmen,<br />
>> Planung von Events, Öffentlichkeitsarbeit, GEMA,<br />
>> Entwicklung von Finanzierungsplänen.<br />
Die Vermittlung der Inhalte an den Wochenenden findet dabei<br />
sehr praxisorientiert statt und parallel zur Ausbildung hospitieren<br />
die angehenden Mentoren/innen in ihren eigenen Chören/<br />
Orchestern, um erste Praxiserfahrungen zu sammeln. Bereits<br />
nach dem ersten Lehrgangswochenende bekommen die Teilnehmer/innen<br />
die Möglichkeit, sich während des Lehrgangs<br />
in ihrer <strong>Schule</strong> oder in ihrem Verein aktiv zu beteiligen, sei es<br />
durch die Leitung von Registerproben, durch das Übernehmen<br />
des Einsingens oder die Mithilfe bei Konzertplanungen.<br />
Während des Lehrgangs sorgt das regelmäßige Feedback der<br />
Dozenten/innen zu den praktischen Erfahrungen der Jugendlichen<br />
für eine enge Verzahnung der Kursinhalte mit den Tätigkeitsfeldern<br />
der zukünftigen Mentoren/innen.<br />
Die „Musikmentorenausbildung“ endet mit einem Zertifikat.<br />
Die Übergabe der Urkunden erfolgt im Rahmen einer feierlichen<br />
Abschlussveranstaltung<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.landesmusikakademie-niedersachsen.de
54_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />
4.3 der JulIuS-cluB<br />
eIn Sommer-leSe-VerGnüGen<br />
Stefanie thiem<br />
Referentin für Kinder- und Jugendprojekte, VGH-Stiftung,<br />
Hannover<br />
Der „Julius-Club“ ist ein Leseförderprojekt und ein spannendes<br />
Sommer-Ferien-Programm für 11- bis 14-Jährige. „Julius“<br />
steht dabei für „Jugend liest und schreibt“. Projektinitiatoren<br />
sind die VGH-Stiftung und die Büchereizentrale Niedersachsen.<br />
Nach einer sehr erfolgreichen Premiere im Jahr 2007<br />
findet der „Julius-Club“ jedes Jahr im Sommer statt. Er wird<br />
in Kooperation mit der Akademie für Leseförderung der Stiftung<br />
Lesen an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek, dem<br />
Niedersächsischen Kultusministerium, dem Ministerium für<br />
Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> und der <strong>Kultur</strong>stiftung der Öffentlichen<br />
Versicherungen Oldenburg durchgeführt.<br />
Spaß am Lesen zu vermitteln, ist oberstes Ziel des „Julius-<br />
Clubs“. Das Projekt soll aber auch Lesekompetenz, Ausdrucksfähigkeit<br />
und Textverständnis der Jugendlichen fördern.<br />
Bibliotheken als attraktive lese- und Veranstaltungsorte<br />
Kurz vor Beginn der Sommerferien startet der „Julius-Club“ in<br />
den Öffentlichen Bibliotheken Niedersachsens, die sich für die<br />
Teilnahme erfolgreich beworben haben. Das sind jährlich mehr<br />
als 40 Bibliotheken. Sie stellen aus einer Anzahl von 100 Buchtiteln<br />
eine individuelle Auswahl von Büchern für ihre Bibliothek<br />
zusammen. Die Buchtitel wurden zuvor von einer Jury, die sich<br />
aus Experten/innen und Jugendlichen zusammensetzt, ausgewählt.<br />
Bis zum Ende der Sommerferien haben die jugendlichen<br />
Club-Mitglieder Gelegenheit, die „Julius-Bücher“ kostenlos auszuleihen,<br />
zu lesen und zu bewerten. Um das „Julius-Diplom“ und<br />
ein Geschenk zu erhalten, müssen mindestens zwei Bücher<br />
gelesen und bewertet werden. Bei fünf Büchern bekommt man<br />
ein „Vielleser-Diplom“.<br />
Während der gesamten Projektdauer begleiten die Bibliotheken<br />
vor Ort ihre Club-Mitglieder durch Auftakt- und Abschlussveranstaltungen,<br />
Clubtreffen, Lesungen und vielfältig gestaltete<br />
Aktionen wie Ausflüge, Schreibwerkstätten, Hörspiel-Workshops<br />
und vieles mehr.<br />
einbettung in die Kerncurricula und<br />
lesedidaktische Forschung<br />
Zu den wichtigsten Partnern der Bibliotheken vor Ort gehören<br />
die <strong>Schule</strong>n. Lesefreude und Leseinteresse bei Schülern/<br />
innen zu wecken und zu fördern, ist ein erklärtes Ziel der Kerncurricula<br />
im Fach Deutsch für alle Schulformen. So heißt es im<br />
„Kerncurriculum Deutsch“ für das Gymnasium in den Schuljahrgängen<br />
5 bis 10, dass das Lesen als „selbstverständliche<br />
kulturelle Praxis“ den Schülern/innen zugänglich ge<strong>macht</strong><br />
werden soll. Dabei kann die Berücksichtigung der individuellen<br />
Leseinteressen der Schüler/innen die Grundlage für die Auswahl<br />
einer gemeinsamen Lektüre sein. Bibliotheksbesuche,<br />
Autorenlesungen, Buchvorstellungen, die Anfertigung aktuel-<br />
ler Leselisten, die Einrichtung von Leseecken sowie die Arbeit<br />
mit Lesetagebüchern werden als „unverzichtbare Aufgaben<br />
des Deutschunterrichts“ ausdrücklich empfohlen. (Niedersächsisches<br />
Kultusministerium 2006, S. 9). Die Kerncurricula<br />
empfehlen außerdem, bei der Auswahl aktueller Jugendbücher,<br />
die Anregungen der außerschulischen Einrichtungen zur<br />
Leseförderung aufzugreifen.<br />
Mit seiner Zielgruppe der 11- bis 14-jährigen Schülern/<br />
innen nimmt der „Julius-Club“ insbesondere die Altersspanne<br />
ins Visier, für die eine Förderung der Lesemotivation besonders<br />
wichtig ist. In der Zeit der Pubertät stehen viele Schüler/<br />
innen dem Lesen sehr kritisch gegenüber. Die Leseforschung<br />
spricht von einem „Leseknick“. Die Bedeutung Gleichaltriger<br />
(Peergroup) für eine erfolgreiche Lesesozialisation nimmt zu.<br />
Diesem wachsenden Einfluss trägt der „Julius-Club“ mit seinem<br />
Club-Charakter Rechnung. Er bietet mit seiner Auswahl<br />
von 100 aktuellen Jugendbüchern vielfältige Ansätze, den<br />
individuellen Lesebedürfnissen der einzelnen Schüler/innen<br />
entgegenzukommen.<br />
wie kommt der „Julius-club“ in der <strong>Schule</strong>?<br />
Lehrkräfte können das Cub-Konzept in ihren Klassen vorstellen.<br />
Sie erhalten dazu Informationsmaterial von den am<br />
„Julius-Club“ beteiligten Bibliotheken. Ebenso finden sie eine<br />
komprimierte Darstellung des Leseförderprojektes auf den Internetseiten<br />
des „Julius-Clubs“. Es gibt auch die Möglichkeit,<br />
eine/n Mitarbeiter/in der Bibliothek in den Unterricht einzuladen.<br />
Einzelne Bibliotheken bieten Informationsveranstaltungen<br />
für Lehrkräfte über den „Julius-Club“ an und laden dazu<br />
gesondert ein.<br />
Eine gute Möglichkeit, auf den Club hinzuweisen, bietet der<br />
Besuch in der Öffentlichen Bibliothek. Zahlreiche Bibliotheken<br />
haben in den vergangenen Jahren ihr Angebot für Klassenführungen<br />
ausgeweitet und bieten mit unterschiedlichen Themen<br />
ein auf die einzelnen Altersstufen ausgerichtetes systematisches<br />
Konzept an. Insbesondere handlungs- und erlebnisorientierte<br />
Führungen fördern bei den Schülern/innen die Lesemotivation.<br />
anerkennung der teilnahme<br />
Ebenso wichtig ist es, einen erfolgreichen Abschluss entsprechend<br />
zu honorieren. Dieses kann einfach dadurch erfolgen,<br />
dass eine Teilnahme ähnlich wie bei einer AG auf dem Zeugnis<br />
oder in anderen Dokumenten vermerkt wird. Eine in <strong>Schule</strong>n<br />
bereits gängige Verfahrensweise. Auch die Möglichkeit, dass<br />
Schüler/innen im Unterricht über ihre Erfahrungen beim<br />
„Julius-Club“ berichten, kann sowohl für die Beteiligten als auch<br />
ihre Mitschüler/innen motivierend und anregend sein. Darüber<br />
hinaus kann der Klassenraum oder das Schulgebäude Aus-<br />
stellungsraum für die von den Schülern/innen verfassten<br />
Buchbesprechungen oder andere kreative Beiträge wie Wandzeitungen,<br />
Kunstobjekte oder selbst gestaltete Bücher sein.
© VGH-Stiftung, Franz Bischof<br />
„Julius-club“ und dann? –<br />
ausleihe einer „Julius-club-Bücherkiste“<br />
In Absprache mit den Öffentlichen Bibliotheken können im Anschluss<br />
an den „Julius-Club“ Bücherkisten mit den Büchern für<br />
einen bestimmten Zeitraum ausgeliehen und im Klassenraum<br />
oder der Schulbibliothek zur Verfügung gestellt werden.<br />
Im Vergleich zur traditionellen Klassenlektüre, die in den<br />
meisten Fällen von der Lehrkraft ausgewählt wird und für<br />
alle Schüler/innen verbindlich ist, bietet dieses Angebot die<br />
Chance, individuelle Leseinteressen zu berücksichtigen.<br />
Dadurch kann eine Brücke zwischen der Freizeit- und der<br />
Schullektüre geschlagen werden.<br />
attraktive Buchvorstellungen mit dem „Book Slam“<br />
Die einfachste Möglichkeit, die Bücher des „Julius-Clubs“ in<br />
den Unterricht einzubeziehen, sind Buchvorstellungen. Eine<br />
alternative Veranstaltungsform zu den herkömmlichen, häufig<br />
langatmigen Vorstellungen ist ein „Book Slam“. Die Idee zu<br />
dieser Form der Buchpräsentation stammt von Dr. Stephanie<br />
Jentgens, der Leiterin des Fachbereichs Literatur der Akademie<br />
Remscheid (ARS).<br />
Ein „Book Slam“ ist ein Bücher-Wettstreit, bei dem für die<br />
Präsentation der einzelnen Titel jeweils nur drei Minuten Zeit<br />
ist. Die Einhaltung der Zeit überwachen zwei Zuschauer/innen<br />
mit Stoppuhr und Trillerpfeife. Nach jeder Präsentation wird<br />
vom Publikum eine Wertung – wie beim Eiskunstlauf – vorgenommen.<br />
Zehn Punkte sind die beste, ein Punkt die schlechteste<br />
Note für ein Buch. Im Anschluss an die Buchvorstellungen<br />
werden die Punkte für jedes Buch zusammengezählt und das<br />
Siegerbuch ermittelt. Am Ende der Veranstaltung haben alle die<br />
Möglichkeit, in den präsentierten Büchern zu schmökern.<br />
weitere Informationen unter: www.bookslam.de<br />
modellhaFte PraxIS landeSweIt _55<br />
autorenlesung in zusammenarbeit<br />
mit der öffentlichen Bibliothek<br />
Die Begegnung mit Autoren/innen eines Buches fördert häufig<br />
eine intensive Auseinandersetzung mit der Literatur. Da die<br />
Durchführung für <strong>Schule</strong>n allein sehr aufwändig ist, bietet sich<br />
auch hier die Kooperation mit einer Öffentlichen Bibliothek an.<br />
Viele Bibliotheken führen bereits Autorenlesungen als Begleitveranstaltungen<br />
zum „Julius-Club“ in den Sommerferien<br />
durch. Autorenlesungen verlaufen zumeist dann sehr erfolgreich,<br />
wenn sie im Unterricht entsprechend vor- und nachbereitet<br />
werden. Als Alternative zum Besuch kann ein Briefwechsel<br />
mit den Autoren/innen initiiert werden. Unterstützung bei<br />
Autorenlesungen bietet der Friedrich-Boedecker-Kreis.<br />
weitere Informationen unter: www.boedecker-kreis.de<br />
lese-aG/Bücher-aG<br />
In der Vergangenheit haben sich an einigen Orten, an denen<br />
der „Julius-Club“ durchgeführt wurde, aus dem Club feste<br />
„Literatur“-Gruppen von Schülern/innen gebildet. Diese treffen<br />
sich regelmäßig, gestalten eigene Lese-Aktionen oder<br />
beteiligen sich mit Beiträgen rund ums Buch an Schul- oder<br />
Büchereifesten, Tagen der offenen Tür oder Projekttagen. So<br />
leistet der „Julius-Club“ einen nachhaltigen Beitrag zur Leseförderung<br />
in Niedersachsen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.julius-club.de und www.vgh-stiftung.de<br />
lIteratur:<br />
niedersächsisches Kultusministerium (hrsg.) (2006):<br />
Kerncurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge 5–10,<br />
Deutsch. Hrsg. vom Niedersächsischen Kultusministerium.
56_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />
4.4 BraSSamBa 2011<br />
latIn-Power In der SchulPraxIS<br />
Kurt Klose<br />
Komponist, Arrangeur, Bigband-Leiter, Workshop-Dozent für<br />
die LAG Jazz Niedersachsen, den Landesmusikrat und andere<br />
Institutionen, Wennigsen<br />
Frauke hohberger<br />
Musikpädagogin, Perkussionistin, erteilt Perkussionsunterricht<br />
für afro-brasilianische und afro-karibische Musik, Neustadt am<br />
Rübenberge<br />
Beim Fest der <strong>Kultur</strong>en vor dem Rathaus in Hannover begeisterten<br />
sie ihr Publikum. Aus ihnen sprudelten Sounds, die man sonst in<br />
Rio und Salvador hört. Sie lieferten brasilianische und karibische<br />
Rhythmen im Bigband-Gewand. Und sie zählten zu den jüngsten<br />
und gleichzeitig größten Latin-Orchestern in Niedersachsen. Die<br />
Rede ist von BRASSAMBA, einem Projekt-Ensemble, in dem 50<br />
junge Musiker/innen aus der Region Hannover mitwirkten.<br />
Unter der Trägerschaft der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz<br />
Niedersachsen (LAG Jazz) und der künstlerischen und pädagogischen<br />
Leitung von Kurt Klose und Frauke Hohberger fand<br />
der BRASSAMBA-Workshop für fortgeschrittene Bläserklassen<br />
und Perkussionsgruppen (Klassen 8 bis 10) nach einem erfolgreichen<br />
Start im Jahr 2010 im Folgejahr zum zweiten Mal statt.<br />
2011 entstand ein großes Orchester aus der Kooperation der<br />
Junior Big Band des Gymnasiums Bad Nenndorf (Leitung: Oberstudienrat<br />
Carsten Groß), der Latin-Jazz-Band CAMUBA der<br />
Calenberger Musikschule und jungen Perkussionisten aus privaten<br />
Unterrichtsgruppen von Frauke Hohberger. Als weiterer<br />
Kooperationspartner konnten der Pavillon Hannover und die<br />
Landesmusikakademie in Wolfenbüttel (für eine themenbezogene<br />
Lehrerfortbildung) gewonnen werden.<br />
Die Schüler/innen im Alter von 11 bis 16 Jahren hatten die Möglichkeit,<br />
in einem großen Klangkörper mitzuwirken und dabei<br />
Samba, Samba-Reggae, Afoxé, Chachacha und andere lateinamerikanische<br />
Stilvarianten kennenzulernen. Im Mittelpunkt<br />
stand die Erarbeitung und Präsentation aktualisierter und neuer<br />
Arrangements mit afro-brasilianischer und afro-karibischer<br />
Stilistik.<br />
Dies geschah an fünf intensiven Probentagen, auf die sich die<br />
einzelnen Gruppen in ihrem Unterricht bereits vorbereitet hatten.<br />
Noten und Hörbeispiele wurden von den Dozenten/innen<br />
im Vorfeld an alle Mitwirkenden verteilt. Alle Schüler/innen waren<br />
sehr engagiert und motiviert. Sie hatten vom ersten Tag an<br />
Spaß an dieser bereichernden Zusammenarbeit – und heraus<br />
kam ein aus sechs Titeln bestehendes Programm, das auf zwei<br />
großen Bühnen, beim „Fest der <strong>Kultur</strong>en“ in Hannover und einem<br />
Open-Air-Konzert in Bad Nenndorf, vor einem faszinierten<br />
Publikum präsentiert wurde.<br />
Carsten Groß vom Gymnasium Bad Nenndorf schilderte seine<br />
Einschätzung nach dem ersten BRASSAMBA-Auftritt: „Für die<br />
Schülerinnen und Schüler der Junior Big Band des Gymnasiums<br />
Bad Nenndorf und für mich als betreuenden Lehrer war<br />
BRASSAMBA 2011 ein großartiges Projekt, bei dem alle sehr<br />
viel gelernt haben. Die Probenphase verlief sehr effizient, in<br />
einer angenehmen und sehr konzentrierten Atmosphäre. Mich<br />
hat vor allem beeindruckt, wie sehr sich die Schüler in diesen<br />
© Andreas Donner
wenigen Wochen weiterentwickelt haben, wie sich auch der<br />
Klang des Ensembles weiterentwickelt hat. Höhepunkt war sicher<br />
das Konzert am 10. Juni, für meine jungen Bläser eine ganz besondere<br />
Erfahrung, vor dieser Kulisse in Hannover aufzutreten.“<br />
Alfons Schleinschock, Leiter der Calenberger Musikschule, freute<br />
sich: „Der 30-minütige Auftritt des BRASSAMBA-Orchesters<br />
am 10. Juni 2011 beim Fest der <strong>Kultur</strong>en in Hannover war ein<br />
krönender Abschluss der mehrwöchigen Probenarbeit und<br />
für die beteiligten Jugendlichen ein großartiges Erlebnis. Es<br />
ist erstaunlich, in welcher Qualität die 50 Musiker/innen auf<br />
der Bühne die verschiedenen Titel darboten. Für die Mitglieder<br />
unserer Jazzband CAMUBA, die am Projekt mitwirkten,<br />
war BRASSAMBA eine sehr effiziente Erweiterung der sonstigen<br />
Bandarbeit. Das Orchesterprojekt wird für unsere Schüler<br />
sicher nachhaltige Wirkungen zeigen.“<br />
modellhaFte PraxIS landeSweIt _57<br />
4.5 Ich wuSSte Gar nIcht, daSS SIe tanzen Können!<br />
hIPhoP School Für multIPlIKatoren/Innen<br />
Vera lüdeck<br />
Referentin der Landesarbeitsgemeinschaft Rock, Hannover<br />
Das Projekt „HipHop School“ der Landesarbeitsgemeinschaft<br />
Rock (Rock LAG) ist ein landesweites Projekt, das die Inter-<br />
essen der Schüler/innen sowie deren Lehrer/innen im länd-<br />
lichen Gebiet abdeckt. In den vergangenen Jahren wurden durch<br />
„HipHop School“ an knapp 50 Haupt-, Real- und Förderschulen<br />
in Niedersachsen Lehrer/innen für den modernen Musikunterricht<br />
fortgebildet. Diese Multiplikatorenausbildung ist sehr<br />
erfolgreich und beliebt. Wenn man davon ausgeht, dass es in<br />
Niedersachsen mehr als 3000 <strong>Schule</strong>n gibt, haben wir noch<br />
viel zu tun!<br />
Die insgesamt neun HipHop-Kurse werden im Klassenverband<br />
oder in Form von Schul-AGs an mehreren <strong>Schule</strong>n in Niedersachsen<br />
von Dozenten/innen der LAG Rock betreut. Die <strong>Schule</strong>n<br />
können sich zwischen den Kursen Rap, Gesang, Breakdance<br />
und HipHop-Tanz entscheiden. Am Ende des halben<br />
Jahres werden die Ergebnisse aller Gruppen vor Ort aufgeführt.<br />
Während der laufenden Kurszeit sind die Pädagogen/innen vor<br />
Ort mit Hintergrundwissen über HipHop bestens ausgerüstet.<br />
Zusätzlich erhalten sie nach und nach das Know-how, um Angebote<br />
dazu selbstständig anzubieten.<br />
Im Jahr 2011 fand zum ersten Mal ein zentrales Coaching für<br />
alle Lehrer/innen sowie alle Dozenten/innen statt. Hier konnten<br />
sich alle Multiplikatoren/innen austauschen und in Kleingruppen<br />
das Erlernte vertiefen. „HipHop School“ ist somit ein<br />
Netzwerkknoten für Kontakte unter den teilnehmenden Lehr-<br />
Auch die Mitveranstalterin des Festes der <strong>Kultur</strong>en, Traute<br />
Petershagen vom Pavillon Hannover, zeigte sich beeindruckt:<br />
„Nicht nur das begeisterte Publikum, sondern auch wir vom<br />
MASALA-Veranstaltungsteam freuten uns über die Teilnahme<br />
des Schüler-Projektorchesters BRASSAMBA der Landesarbeits-<br />
gemeinschaft Jazz Niedersachsen am diesjährigen Fest der<br />
<strong>Kultur</strong>en. Bereits in der farbenprächtigen MASALA-Kinder-<br />
karawane, die am Nachmittag durch Hannovers City zog,<br />
setzten die jungen Musiker einen ganz besonderen Akzent.<br />
Für das Bühnenprogramm auf dem Trammplatz vor dem neuen<br />
Rathaus in Hannover stellte der Auftritt des Orchesters eine<br />
große Bereicherung dar. Mit dem hohen Qualitätsniveau und<br />
uneingeschränkter Spielfreude hinterließ der aus mehreren<br />
<strong>Schule</strong>nsembles zusammengesetzte Klangkörper, geleitet von<br />
den Musikpädagogen Kurt Klose und Frauke Hohberger, bei der<br />
Zuhörerschaft einen nachhaltigen Eindruck.“<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.lag-jazz.de und www.drumandvoice.de<br />
kräften und Dozenten/innen. Letztere sind alle in der Musik-/<br />
Tanzszene beheimatet und haben Erfahrungen mit Lehrtätigkeiten.<br />
Somit sind sie der Brückenschlag zwischen der Theorie<br />
und Praxis, zwischen <strong>Schule</strong> und Musikszene.<br />
Die Verbindung zwischen einer Schüler-AG und einem begleitenden<br />
Multiplikatorencoaching ist in dieser Form absolut neu.<br />
Wir haben sehr gute Erfahrungen damit ge<strong>macht</strong>, die Lehrer/<br />
innen im direkten Lernfeld zu coachen, auch wenn es für die<br />
Lehrkräfte mehr Zeitaufwand bedeutet. Über die beteiligten<br />
Lehrer/innen wird das Projekt direkt in das Schulprogramm<br />
(meist in den AG-Bereich) eingebunden. Gemeinsam mit der<br />
Lehrkraft wird der Ablauf geplant und so sichergestellt, dass<br />
die Schüler/innen und die Lehrkraft größtmöglichen Nutzen<br />
aus der Fortbildung ziehen.<br />
„HipHop School“ kooperiert mit niedersächsischen <strong>Schule</strong>n<br />
und Musikinitiativen, Musikschulen, Tanzschulen, der HipHop<br />
Academie Hamburg etc. sowie lokalen Größen, wie z. B. Spax<br />
aus Hannover.<br />
ziele und erwartungen<br />
Jeder Mensch und gerade Jugendliche haben ein großes Bedürfnis<br />
nach kultureller Teilhabe. Dies äußert sich u. a. im Musikkonsum<br />
(fast jeder Mensch hört Musik). Aktives Musizieren<br />
ist in den verschiedenen Gesellschaftsschichten unterschiedlich<br />
ausgeprägt. „HipHop School“ setzt direkt dort an, wo alle<br />
Kinder und Jugendlichen, ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit,<br />
der gesellschaftlichen Stellung der Eltern oder ihrer<br />
Herkunft zu finden sind: In der <strong>Schule</strong>!
58_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />
Die Jugendlichen sollen sich über das Medium „Musik/Tanz“<br />
mit ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinandersetzen. Sie können<br />
über ihre Ängste und Nöte singen und rappen oder dies mit<br />
Tanzen verdeutlichen. Der Lebenszusammenhang heutiger Jugendlicher<br />
ist oft kompliziert und Musik kann ein Mittel sein,<br />
um sich „den ganzen Frust von der Seele zu reden“.<br />
„HipHop School“ stärkt die Jugendlichen, weil es sie ernst<br />
nimmt. Gerade benachteiligten Jugendlichen kann so die Möglichkeit<br />
gegeben werden, sich in ihrem Medium auszudrücken<br />
und auf einem Gebiet Spezialist/in zu sein. Ziel von „HipHop<br />
School“ ist schwerpunktmäßig die Nachhaltigkeit der Workshops<br />
im Schulalltag. Aus diesem Grund werden die Lehrer/<br />
innen intensiv gecoacht.<br />
die multiplikatorenfortbildung<br />
Die LAG Rock hat langjährige Erfahrung im Bereich Jugendarbeit.<br />
Mit Programmen wie „DIE BAND“ und auch „HipHop<br />
School“ geht die LAG Rock neue Wege in der Multiplikatorenschulung.<br />
Zuerst finden 1,5 Stunden „normale“ AG-Arbeit mit<br />
den Schülern/innen statt, während die Lehrkräfte hospitieren.<br />
Anschließend werden die Methoden und Inhalte des HipHop-<br />
Unterrichts mit den Lehrkräften besprochen. Fließend werden<br />
sie in die Workshoparbeit integriert, übernehmen zuerst kleine<br />
Teilbereiche der Unterrichtsstunde (Aufwärmen, Textarbeit<br />
etc.) und später einzelne Module des HipHop-Unterrichts bis<br />
sie in der Lage sind, selbstständig einen Kurs anzuleiten.<br />
Bei „HipHop School“ geht es um das grundlegende Verständnis,<br />
wie AG-Arbeit unter modernen Gesichtspunkten aussehen<br />
kann. Die Lehrer/innen sollen über ihren „studierten Tellerrand“<br />
hinaussehen, ihre Schüler/innen verstehen lernen und<br />
Teile des neuen Konzeptes umsetzen. „HipHop School“ geht<br />
es um die Übertragbarkeit der „Szene“ (d. h. was in Tanzschulen,<br />
auf der Straße, in Battles, auf Bühnen, auf CDs etc. in der<br />
Realität stattfindet) in den Unterricht. Mit modernen Stilmitteln<br />
ergänzt „HipHop School“ den Musikunterricht sinnvoll und<br />
zeitgemäß. Die Feedbacks der bisher teilnehmenden <strong>Schule</strong>n/<br />
Lehrkräfte machen deutlich, dass diese Multiplikatorenreihe<br />
einen wichtigen Platz im Musikland Niedersachsen einnimmt.<br />
„hiphop School“ bewegt was<br />
Dieses Projekt will gezielt an <strong>Schule</strong>n in sozialen Brennpunkten,<br />
mit schwererziehbaren und lernbehinderten Kindern und Jugendlichen<br />
arbeiten. Zielgruppe sind Schüler/innen und Lehrer/<br />
innen an Haupt- und Förderschulen sowie an <strong>Schule</strong>n für Lernbehinderungen<br />
in Niedersachsen. Musikunterricht an <strong>Schule</strong>n<br />
und gerade an Haupt- und Sonderschulen findet sehr begrenzt<br />
und teilweise gar nicht statt. Die LAG Rock schließt mit diesem<br />
Projekt die Lücke zwischen den Bedürfnissen der Schüler/innen<br />
und den Möglichkeiten der Musiklehrer/innen.<br />
„HipHop School“ will über die modernen Stilmittel populärer<br />
Musik Jugendliche ansprechen und sie für eine kreative Arbeit<br />
interessieren. „HipHop School“ vermittelt den Jugendlichen<br />
Know-how und stärkt ihr Selbstbewusstsein. Über die gemeinsame<br />
Arbeit soll Verständnis für den anderen und Integration<br />
von ausländischen und deutschen Jugendlichen erreicht werden.<br />
„HipHop School“ will Hemmschwellen abbauen, Ängste<br />
ernst nehmen und damit die Akzeptanz und den gegenseitigen<br />
Respekt fördern.<br />
Die Workshops entwickeln neben den künstlerischen Gaben<br />
wie Singen, Texten, Tanzen und Scratchen auch Kommunikationsfähigkeiten<br />
und die Bildung von Einzel- und Gruppen-<br />
Identitäten. „HipHop School“ fördert die Selbstreflexion der<br />
Jugendlichen. Die Teilnehmer/innen lernen, sich auszudrücken,<br />
ihre Bedürfnisse zu formulieren und ernst zu nehmen.<br />
Aus dem passiven Konsumieren von Popularmusik wird ein<br />
kreatives Aneignen der Mittel moderner Popmusik unter individuellen<br />
Gesichtspunkten. „HipHop School“ fördert die Stärkung<br />
des Selbstwertgefühls, des Selbstvertrauens und des<br />
Selbstbewusstseins. Es ist eine Auseinandersetzung mit den<br />
eigenen Fähigkeiten, ein Sich-Ausprobieren, Grenzen erleben<br />
und Freude an der eigenen kreativen Betätigung erfahren. Die<br />
Abschlussveranstaltungen vor Freunden und der Familie dienen<br />
den Teilnehmern/innen dazu, sich einer Öffentlichkeit zu<br />
präsentieren und vor Publikum zu beweisen.<br />
Finanzierung<br />
Die zentrale Fortbildung für die außerschulischen Coaches<br />
und die Lehrer/innen wird aus Landesmitteln des Landes Niedersachsen<br />
finanziert. Die Bedeutung einer gemeinsamen<br />
Veranstaltung mit allen Beteiligten für die Nachhaltigkeit von<br />
„HipHop School“ ist immens wichtig.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.lagrock.de<br />
© Vera Lüdeck
© Schäflein & Himmelreich<br />
4.6 wIr machen dIe muSIK!<br />
daS muSIKalISIerunGSProGramm Für alle KInder In nIederSachSen<br />
mareike Knobloch<br />
Projektassistentin des Musikalisierungsprogramms „Wir machen<br />
die Musik!“ im Landesverband Niedersächsischer Musikschulen<br />
e. V., Hannover<br />
„Wir haben vor vier Jahren mit einer Orchesterklasse begonnen<br />
und bekommen ein sehr positives Feedback aus der <strong>Schule</strong>. Die<br />
Konstellation in der Schulklasse hat sich geändert und insgesamt<br />
ist eine sozialere Einstellung der Kinder untereinander zu beobachten.“<br />
(Eine Musikschullehrerin)<br />
musik ist Bildung<br />
Gemeinsames Singen und Musizieren in der <strong>Schule</strong> <strong>macht</strong> nicht<br />
nur Spaß, sondern stärkt die Klassengemeinschaft und wirkt<br />
sich positiv auf die Leistungsfähigkeit und das Lernverhalten von<br />
Schülern/innen aus. Dies belegen unabhängige wissenschaftliche<br />
Studien und langjährige Erfahrungen in der Praxis. Musik ist<br />
somit ein elementarer Bestandteil des Konzeptes schulischer<br />
Bildung und Erziehung. Musik ermöglicht eine ganzheitliche Förderung,<br />
die Emotionalität, Kreativität, Motorik, kognitives und<br />
soziales Lernen umfasst. Aus diesem Grund sollten möglichst<br />
viele Kinder in der Grundschule ein Angebot zum gemeinsamen<br />
Singen und Musikmachen erhalten.<br />
musik ist zukunft<br />
Der Landesverband Niedersächsischer Musikschulen e. V. (LVM)<br />
hat in enger Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen<br />
Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> (MWK), dem Niedersächsischen<br />
Kultusministerium (MK) sowie den Kommunalen<br />
Spitzenverbänden des Landes das Musikalisierungsprogramm<br />
„Wir machen die Musik!“ konzipiert. Es fördert seit dem Schuljahr<br />
2009/10 die Zusammenarbeit von Musikschulen mit Kindertageseinrichtungen<br />
sowie mit <strong>Schule</strong>n des Primarbereichs. Das<br />
Programm leistet damit einen elementaren Beitrag zur Entwicklung<br />
der kommunalen Bildungslandschaft.<br />
„Wir machen die Musik!“ will möglichst vielen Kindern verbesserte<br />
Entwicklungs- und Bildungschancen eröffnen. Sie<br />
sollen in allen Phasen ihrer Entwicklung, vor allem im Alter von<br />
0 bis 10 Jahren, ein wöchentliches und altersgerechtes musikalisches<br />
Angebot erhalten. Mit dem Förderprogramm ist bis<br />
zum Jahr 2016 landesweit die Teilnahme für etwa 30 % aller<br />
Grundschulkinder gesichert. Den inhaltlichen und organisatorischen<br />
Rahmen für alle musikalischen Angebote bilden vereinbarte<br />
„Förderleitlinien“.<br />
Träger des Programms ist der LVM, finanziert wird es mit Fördermitteln<br />
des MWK als Auftraggeber sowie mit Mitteln der örtlichen<br />
<strong>Schule</strong>n und Kindertagesstätten. Im Schuljahr 2011/12 stehen<br />
Landesmittel im Umfang von 1,55 Mio. Euro zur Verfügung.<br />
„Das Programm ist klasse. Das muss sein! Die Kinder brauchen<br />
es, das Land braucht es. Ich hoffe, dass das Programm eine große<br />
Wirkung erzielt und es wirklich jedes Kind in Niedersachsen<br />
erreichen kann.“ (Eine Musiklehrerin einer Grundschule)<br />
modellhaFte PraxIS landeSweIt _59<br />
musik hand in hand<br />
„Wir machen die Musik!“ vereint die Kräfte von allgemeinbildenden<br />
<strong>Schule</strong>n und Musikschulen durch gezielte Zusammenarbeit.<br />
Die musikalischen Angebote sind mit dem Kerncurriculum der<br />
<strong>Schule</strong>n verzahnt und ergänzen den Musikunterricht. Sie können<br />
sowohl im Klassenverband als auch im Rahmen von AGs stattfinden.<br />
Alle Kinder einer Grundschule, die ein besonderes Interesse<br />
an Musik haben, erhalten so die Möglichkeit, über den regulären<br />
Unterricht hinaus, aktiv Musik zu machen. Im Schuljahr 2011/12<br />
kooperieren 72 niedersächsische Musikschulen mit 470 allgemeinbildenden<br />
<strong>Schule</strong>n des Primarbereichs und erreichen auf<br />
diese Weise rund 12 500 Kinder. Alle teilnehmenden <strong>Schule</strong>n erhalten<br />
auf Wunsch ein „Signet“, das ihre Einrichtung als Kooperationspartner<br />
der jeweiligen Musikschule kennzeichnet. Auch<br />
Flyer, Plakate, Luftballons und andere Werbeartikel sind für die<br />
<strong>Schule</strong>n kostenlos erhältlich.<br />
wie es klingen kann – das musikalische angebot<br />
Folgende Angebote von öffentlichen Musikschulen an allgemeinbildenden<br />
<strong>Schule</strong>n werden im Rahmen von „Wir machen<br />
die Musik!“ gefördert:<br />
Instrumentale orientierungsangebote<br />
>> Kennenlernen aller Instrumente,<br />
>> Ausprobieren durch Anfassen, Hineinblasen,<br />
Anstreichen usw.,<br />
>> Erkennen von Interessen und Lieblingsinstrumenten<br />
der Kinder.
60_ modellhaFte PraxIS landeSweIt<br />
angebote mit gleichen und gemischten Instrumenten<br />
(orchesterklasse)<br />
>> Elementarer Musikunterricht, verbunden mit dem Erlernen<br />
und Spielen eines Instruments in der Gruppe,<br />
>> große Auswahl an möglichen Instrumenten<br />
(Streich-, Blas-, Tasten-, Zupf- oder Perkussionsinstrumente),<br />
>> Einbeziehung von Instrumenten aus anderen<br />
<strong>Kultur</strong>kreisen, Rock- und Popmusik.<br />
Vokale angebote (Schwerpunkt Gesang)<br />
>> Sing- und Chorklassen als besondere Form<br />
des Klassenmusizierens,<br />
>> Stimmbildung und gemeinsames Singen stehen<br />
mehrmals in der Woche auf dem Stundenplan,<br />
>> Musiktheater- bzw. Musicalinszenierungen<br />
ergänzen das Angebot.<br />
Zur Teilnahme an allen Angeboten sind musikalische Vorkenntnisse<br />
der Kinder nicht erforderlich. Die Angebote der Musikschulen<br />
werden individuell auf die Wünsche und Bedürfnisse der allgemeinbildenden<br />
<strong>Schule</strong>n abgestimmt.<br />
Qualität als maß der dinge<br />
Den großen Bedarf an Musikpädagogen/innen, die in schulischen<br />
Kooperationsprojekten einsetzbar sind, zu decken, ist eine wichtige<br />
Aufgabe und Erfolgsgrundlage des Programms. Musikalische<br />
Kooperationsprojekte stellen alle in den Partnereinrichtungen<br />
tätigen pädagogischen Kräfte vor neue Aufgaben. Eine vom LVM<br />
veranstaltete berufsbegleitende Fortbildung „Wir machen die<br />
Musik! – Fit für Kita & <strong>Schule</strong>“ startete im März 2011 und wurde<br />
für Musikschullehrkräfte, die in Kooperationsprojekten mitarbeiten,<br />
individuell konzipiert.<br />
„Ich finde ‚Wir machen die Musik!‘ sehr gut. Wir machen das Programm<br />
seit einem Jahr im eigenen Haus und sind glücklich, dass<br />
wir die Musikschule haben. Die Dozentin und die Erzieherinnen<br />
arbeiten gemeinsam und wenn die Dozentin die Kita wieder verlässt,<br />
machen die Erzieherinnen mit den Kindern alleine weiter.“<br />
(Leiterin einer Kindertagesstätte)<br />
Die Module im Arbeitsfeld <strong>Schule</strong> beinhalteten u. a. die Vermittlung<br />
allgemeiner Grundlagen über fächerübergreifende Elemente<br />
des Klassenmusizierens, unterrichts- und schulpraktische<br />
Themen sowie praktisch-methodische Anregungen zum Klassenmusizieren<br />
mit Blockflöten, Gitarren, Holzblas-, Perkussion-,<br />
Tasten- und Streichinstrumenten und die Arbeit mit Chorklassen.<br />
Bereits vorhandene, didaktisch-methodische Kompetenzen der<br />
Lehrkräfte können durch diese Zusatzqualifikationen vertieft<br />
und an neue Unterrichtsformen angepasst werden. Eine Wiederholung<br />
bzw. Fortsetzung der Fortbildung ist in Planung.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.wirmachendiemusik.de<br />
www.musikschulen-niedersachsen.de<br />
© Kris Finn<br />
© Schäflein & Himmelreich
5. modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
Das Ziel von <strong>Kultur</strong>eller Bildung in <strong>Schule</strong> ist: „Die Phantasie, Kreativität und das Vertrauen<br />
der Kinder in die eigene schöpferische Kraft zu fördern und frei von Leistungsdruck und schulischem<br />
Zwang ihre Kompetenzentwicklung zu fördern.“<br />
(Anne Bamford, Leiterin des „Engine Room“ an der Universität der Künste zu London)<br />
<strong>Kultur</strong>elle Bildung gewinnt weltweit an Bedeutung. „<strong>Kultur</strong>elle Bildung muss als Grundlage<br />
einer ausgewogenen kognitiven, emotionalen, ästhetischen und sozialen Entwicklung von<br />
Kindern und Jugendlichen begriffen werden“, so die Seoul-Agenda.<br />
(Zweite UNESCO-Weltkonferenz zur kulturellen Bildung in Seoul, Juni 2010)
62_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
5.1 BIldBerIchte üBer BerGen-BelSen<br />
eIne GelunGene KooPeratIonen Im FSJ <strong>Kultur</strong>/PolItIK<br />
Inka ostendorf<br />
Ehemalige Freiwillige aus dem Freiwilligen Sozialen Jahr Politik<br />
Von September 2009 bis August 2010 leistete ich in der Gedenk-<br />
stätte Bergen-Belsen bei Hannover ein sogenanntes Freiwilliges<br />
Soziales Jahr (FSJ) Politik unter der Trägerschaft der<br />
Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung Niedersachsen<br />
e. V. (LKJ).<br />
Bereits seit vielen Jahren können Jugendliche ein freiwilliges<br />
Jahr in sozialen Bereichen oder in kulturellen Einrichtungen<br />
(FSJ <strong>Kultur</strong>) absolvieren. Das FSJ Politik hat sich relativ<br />
neu entwickelt und erfreut sich immer größerer Beliebtheit.<br />
Junge Menschen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren erhalten<br />
die Möglichkeit, ein Jahr lang in „ihrer“ Einrichtung Erfahrungen<br />
zu sammeln und die dortige Arbeit hautnah mitzuerleben<br />
und vor allem auch mitzugestalten.<br />
Wesentlicher Bestandteil des „FSJ Politik/<strong>Kultur</strong>“ ist die<br />
Planung und Durchführung eines eigenverantwortlichen Projekts.<br />
Gemeinsam mit meinem FSJ-<strong>Kultur</strong>-Kollegen Tobias<br />
Trutz, habe ich ein dreitägiges Projekt unter dem Titel „Bildberichte<br />
über Bergen-Belsen“ in der Gedenkstätte durchgeführt.<br />
Da mein Kollege und ich während des FSJ beide gern mit<br />
Schülern/innen arbeiteten, entstand schnell die Idee, eine Kooperation<br />
mit einer Schulklasse von Tobias‘ ehemaligen Gymnasium<br />
in Celle anzustreben. Durch Zufall hatte er seinen damaligen<br />
Geschichtslehrer getroffen und ihm von unserer Idee<br />
erzählt. Dieser war auf Anhieb begeistert und hat uns seine<br />
Zusammenarbeit und die Teilnahme mit einer Schulklasse an<br />
unserem Projekt zugesichert.<br />
Konzept des Projekts<br />
Die Arbeit mit einer Schulklasse in Bergen-Belsen wäre nun<br />
nichts Neues gewesen, denn täglich sind meist mehr als drei<br />
Klassen in der Gedenkstätte und lernen durch Führungen und<br />
Studientage den historischen und heutigen Ort Bergen-Belsen<br />
kennen. Kurz zuvor hatten mein FSJ-Kollege und ich mit einem<br />
damaligen Mitarbeiter des Besucherdienstes die sogenannte<br />
Snapshot-Methode kennengelernt und auch versuchsweise<br />
mit durchgeführt. Bei dieser Methode gehen Schüler/innen in<br />
Gruppen allein auf das Gelände und fotografieren das, was sie<br />
interessiert, stutzig <strong>macht</strong>, erstaunt, bedrückt oder Fragen<br />
aufwirft, eben alles, was sie beachtlich finden. So entsteht der<br />
erste Kontakt zum heutigen Ort Bergen-Belsen. Die Gruppen<br />
entscheiden sich dann für eines der Bilder und überlegen sich,<br />
warum sie genau dieses gewählt haben.<br />
Anhand der ausgewählten Bilder entsteht im Anschluss ein<br />
Rundgang über das Gelände, eine individuelle Führung, bei der<br />
die Schüler/innen ihren Klassenkameraden/innen ihr jeweiliges<br />
Bild vorstellen und die Gründe für ihre Wahl erläutern. Ergänzt<br />
werden zudem Informationen über den historischen Ort<br />
Bergen-Belsen, also zu der Geschichte des ehemaligen Kriegsgefangenen-<br />
und Konzentrationslagers. Die Schüler/innen haben<br />
sich, so das Ziel dieser Methode, durch diese „Alternativ-<br />
führung“ das Gelände selbstständig erschlossen und machen<br />
ganz andere Erfahrungen als bei einer „Standardführung“.<br />
Wir entschieden uns, die Snapshot-Methode aufzugreifen und<br />
weiterzuentwickeln. Wie kann man diese Erfahrung vertiefen?<br />
Was kann mit den entstandenen Fotos geschehen? Wir wollten<br />
die gesammelten Eindrücke nachhaltig festhalten und auch<br />
für andere sichtbar machen, die nicht direkt dabei waren und<br />
entschlossen uns daher, eine kleine Ausstellung Teil unseres<br />
Projekts werden zu lassen. Zudem entschieden wir, das Projekt<br />
mit einem Film zu dokumentieren.<br />
Da wir in Bergen-Belsen immer wieder auch Überlebende trafen<br />
und uns die Begegnungen mit diesen Menschen stets besonders<br />
beeindruckten, wollten wir neben der Snapshot-Methode<br />
und der Ausstellung auch eine Zeitzeugenbegegnung organisieren.<br />
So entstanden drei wesentliche Ziele unter dem Motto<br />
„Bildberichte über Bergen-Belsen“: 1. Fotoerkundung des<br />
Geländes, 2. Zeitzeugenbegegnung und 3. Erarbeitung einer<br />
kleinen Ausstellung.<br />
durchführung<br />
Das auf drei Tage angelegte Projekt begann schließlich am<br />
26.05.2010 und wir konnten rund 20 Elfklässler/innen eines<br />
Geschichtskurses des Hermann-Billung-Gymnasiums gemeinsam<br />
mit ihrem Lehrer in der Gedenkstätte begrüßen. Unser<br />
Projekt, bei dem wir von einem Mitarbeiter der Gedenkstätte<br />
in der Durchführung unserer Ideen unterstützt wurden, hatte<br />
sich in der Zwischenzeit in fünf Teilmodule gespalten:<br />
1. Fotoerkundung über das Gelände der Gedenkstätte,<br />
2. Zeitzeugenbegegnung,<br />
3. Erarbeitung einer kleinen Ausstellung,<br />
4. Filmische Dokumentation des Seminars,<br />
5. Abschlusspräsentation mit Ausstellungseröffnung.<br />
Die Schüler/innen erkundeten das Gelände mit Fotokameras<br />
und so entstanden beeindruckende Bilder, aus denen sich<br />
dann ein Weg über das Gelände ergab, den wir gemeinsam auf<br />
einer Karte absteckten und dann bestritten (1.).<br />
Die von uns angestrebte Filmdokumentation wurde von<br />
vier Schülern der Klasse übernommen, die bei allen Aktivitäten<br />
mit einer Kamera unser Projekt festhielten.<br />
Am zweiten Tag fand dann die Zeitzeugenbegegnung statt.<br />
Ein Überlebender berichtete den Schülern/innen von seinen<br />
Erlebnissen, die er während der Befreiung des Lagers Bergen-<br />
Belsens 1945 als junger Feuerwehrmann ge<strong>macht</strong> hatte (2.).<br />
Die anschließende Erarbeitung der Ausstellung „Bildberichte<br />
über Bergen-Belsen“ fand dann zweigeteilt statt.<br />
Auf Grundlage der entstandenen Bilder durch die<br />
Snapshot-Methode, der historischen Führung und der Zeitzeugenbegegnung<br />
entwickelten die Schüler/innen verschiedene<br />
audiovisuelle Präsentationen, die der Öffentlichkeit gezeigt<br />
werden sollten und zu einer kleinen Ausstellung weiterkonzipiert<br />
wurden (3.).
© Andreas Mischok<br />
Die Filmgruppe sichtete das bisher entstandene Material, um<br />
daraus einen Film zu erstellen, der die wichtigsten Stationen<br />
auf dem Weg zur fertigen Ausstellung zeigen sollte. Ziel war es,<br />
die beiden Projekttage rückverfolgen zu können und einen Zusammenhang<br />
zwischen den Ergebnissen der anderen Gruppe<br />
herzustellen (4.).<br />
Am dritten Projekttag bereiteten wir mit den Schülern/<br />
innen die Eröffnung der Ausstellung vor und präsentierten<br />
schließlich die Ergebnisse der Öffentlichkeit (5.).<br />
So wurden die audiovisuellen Präsentationen und der Film<br />
von den Schülern/innen gezeigt. Zudem stellten wir die bei der<br />
Fotoerkundung entstandenen Bilder aus und zeichneten mit<br />
Hilfe eines Lageplans des heutigen Geländes der Gedenkstätte<br />
Bergen-Belsen den Weg nach, der sich aus den geschossenen<br />
Fotos für uns ergab.<br />
Fazit und ausblick<br />
Vor allem die Snapshot-Methode wurde von allen Schülern/<br />
innen als sehr positiv bewertet, da sie ihnen ein selbstständiges<br />
Arbeiten ermöglichte und sie so neue Eindrücke, Ansichten<br />
und Erkenntnisse von und über Bergen-Belsen gewinnen<br />
konnten. Außerdem sei eine gute Verknüpfung von Bildern des<br />
heutigen Ortes und der Geschichte Bergen-Belsens möglich,<br />
die letztlich auch auf die Individualität der Führung über das<br />
Gelände zurückzuführen ist.<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _63<br />
Zusammenfassend können Tobias und ich unser Projekt als<br />
großen Erfolg verbuchen. So hielt ein Schüler bei der Auswertung<br />
eines der Hauptziele, etwas Nachhaltiges zu schaffen,<br />
passenderweise mit folgenden Worten fest: „Man erinnert sich<br />
und das sehr intensiv.“<br />
Wir wissen nach unserem Projekt „Bildberichte über Bergen-Belsen“,<br />
dass auch bei einem im Vorfeld gut organisierten<br />
und strukturierten Ablauf nicht alles rund laufen kann. Dennoch<br />
hat es uns in unserer Meinung bestärkt, dass die individuelle<br />
Arbeit mit Schülern/innen, vor allem auch außerhalb des<br />
Kontexts „Unterricht“, gerade im Bereich der historischen Bildung<br />
zum Thema Nationalsozialismus von großer Bedeutung<br />
ist und fortgeführt werden sollte.<br />
Die große Bedeutung solcher Projekte zeigte sich auch, nachdem<br />
„Bildberichte über Bergen-Belsen“ bereits abgeschlossen<br />
war. So stellten die Teilnehmer/innen ihren Mitschülern/<br />
innen die Ideen und Ergebnisse der drei Projekttage an einem<br />
Projettag gebündelt vor. Letztlich haben auch unsere Nachfolger<br />
im „FSJ Politik/<strong>Kultur</strong>“ in der Gedenkstätte ein Projekt mit<br />
Schülern/innen durchgeführt, was die Bedeutsamkeit solcher<br />
Kooperationen weiterhin verdeutlicht.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
bergen-belsen.stiftung-ng.de
64_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
5.2 hannoVer hauPtBahnhoF<br />
motSBaSIc 2008 BIS 2011<br />
hans Fredeweß<br />
Choreograf und Tänzer, Hannover<br />
„Es ist ein bereicherndes Erlebnis zu sehen, mit welchem Selbstbewusstsein,<br />
welcher Bewegungsfreude und Selbstverständlichkeit<br />
sich die Jugendlichen auf der großen Theaterbühne im<br />
Aegi in Hannover präsentieren. Die Begeisterung der Schüler/<br />
innen sprang förmlich auf das Publikum über. Solche Projektergebnisse<br />
beflügeln unsere Arbeit in der <strong>Kultur</strong>ellen Bildung.“<br />
(Anja Krüger, Bildungsreferentin der Landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung Niedersachsen)<br />
Über drei Schuljahre hinweg brachte die Compagnie Fredeweß<br />
Kinder und Jugendliche der Anne-Frank-Hauptschule und der<br />
Johannes-Kepler-Realschule aus Hannover in Bewegung. Zum<br />
Abschluss des Projektes wurde eine Choreografie entwickelt,<br />
die von Alltagseindrücken der Beteiligten erzählte, die sie auf<br />
dem Hauptbahnhof sammelten: Der Hauptbahnhof am frühen<br />
Morgen. Er belebt sich langsam, wird zur Durchgangsstation<br />
für Tausende, bis die Hektik, die Dynamik und der Lärm ihren<br />
Höhepunkt erreichen.<br />
Musikalische Grundlage der Choreografie war eine Collage<br />
aus Geräuschen, Klängen und Sprachfetzen, die der Komponist<br />
Kostia Rapoport am Hauptbahnhof in Hannover aufgenommen<br />
und mit einigen Kindern und Jugendlichen gemeinsam bearbeitet<br />
hat.<br />
„MOTSbasic“ war mit seiner langen Laufzeit und seiner Verbindlichkeit<br />
für die Kinder und Jugendlichen ein Modellprojekt,<br />
das in Niedersachsen bisher einzigartig gewesen ist. „MOTS –<br />
Moderner Tanz in <strong>Schule</strong>n“ ist eine von der Compagnie<br />
Fredeweß gegründete Initiative, die Kinder und Jugendliche<br />
mit Modernem Tanz vertraut <strong>macht</strong> und ihre Bewegungsfähig-<br />
keit sowie ihre musikalischen und sozialen Kompetenzen<br />
schult. Die Compagnie Fredeweß besteht seit 1998 als professionelles<br />
freies Tanztheater in Hannover-Linden. Die Tanzkunstvermittlung<br />
durch den Choreografen Hans Fredeweß<br />
und professionelle Tänzer/innen steht im Mittelpunkt der<br />
„MOTS“-Arbeit. „MOTS“ bewegt Kinder und Jugendliche, indem<br />
es kreativ-künstlerische Lern- und Experimentierfelder bietet.<br />
Gewaltprävention und Konfliktfähigkeit werden gefördert,<br />
Integration, Partizipation und Kommunikation eingeübt. Nicht<br />
in freiwilligen Arbeitsgruppen, sondern im verbindlichen Klassenverband<br />
während der Schulzeit erfahren die Kinder und<br />
Jugendlichen Tanz durch Musik und Musik durch Tanz neu, bauen<br />
Hemmschwellen ab und begeistern sich für die Bewegung.<br />
Die Tänzer/innen zeigen zeitgenössischen Modernen Tanz von<br />
einer authentischen Seite und entwickeln während der „MOTS“-<br />
Projekte gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen eine<br />
Choreografie, die schließlich vor Publikum aufgeführt wird.<br />
In den ersten zwei der drei Projektjahren von „MOTSbasic“ waren<br />
jeweils bis zu acht Workshop-Termine über zwei bis drei<br />
Wochen in die Unterrichtsstruktur eingebunden. Am Ende jeder<br />
Workshop-Etappe stand eine Aufführung vor Publikum, um den<br />
Eltern, Parallelklassen, Lehrern/innen und Freunden einen Einblick<br />
in die Arbeit zu geben, und den Kindern und Jugendlichen<br />
zu ermöglichen, ihre Ergebnisse zu zeigen.<br />
Im Schulhalbjahr 2009/2010 gab es eine gemeinsame<br />
Klassenfahrt mit beiden beteiligten <strong>Schule</strong>n. Es folgte der große<br />
Abschluss des Projekts: Im Februar 2011 tanzten mehr als<br />
120 Kinder und Jugendliche auf der Bühne des Theaters am<br />
Aegi die Choreografie „Hannover Hauptbahnhof“ vor einem begeisterten<br />
Publikum.<br />
Durch „MOTS“ werden die Kinder und Jugendlichen in „Tanzhaft“<br />
genommen und erleben die Kunst und Künstler/innen im<br />
Schulalltag. Sie lernen, offen mit Fremdem umzugehen und sich<br />
auf Neues einzulassen. Durch die lange Laufzeit von „MOTSbasic“<br />
war es möglich, diese Ziele schrittweise und nachhaltig<br />
zu erreichen und den Blick bei jeder Etappe auf einen anderen<br />
Schwerpunkt zu werfen. Während der ersten beiden Etappen<br />
ging es vor allem um ein In-Bewegung-bringen aller Kinder und<br />
Jugendlichen und die Erfahrung des ganzen Körpers als Instrument<br />
der Bewegung nach der Methode „movement research“.<br />
Dabei wurden das Raumgefühl geschult, das eigene Körpergefühl<br />
intensiviert und eine erste Begeisterung für abstrakte<br />
Bewegungsformen geweckt. Der Schwierigkeitsgrad wurde im<br />
Verlauf des Projektes kontinuierlich gesteigert. In den letzten<br />
beiden Etappen trainierten die Kinder und Jugendlichen, aufbauend<br />
auf die ersten Workshops, komplexere Bewegungsabläufe.<br />
Teamfähigkeit und Kooperation standen im Mittelpunkt<br />
dieser Phase. Ebenso wurden erste choreografische Elemente<br />
für die Abschlusspräsentation erarbeitet.<br />
Besonders wichtig war in dieser Phase, dass die Kinder und Jugendlichen<br />
erkennen konnten: „Was kann ich besonders gut?<br />
Was kann der andere besonders gut?“ Der junge Komponist<br />
Kostia Rapoport entwickelte zusammen mit den Teilnehmern/<br />
innen eine Klangcollage für „Hannover Hauptbahnhof“. Die Jugendlichen<br />
begleiteten den kreativen Entstehungsprozess der<br />
Musik aus der Nähe und entdeckten selbst Klänge und Geräusche,<br />
die in die Komposition eingeflossen sind.<br />
Die Klassenfahrt mit den Teilnehmern/innen beider <strong>Schule</strong>n<br />
nach Wolfenbüttel stand bereits ganz im Zeichen der Abschlussaufführung.<br />
Um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen,<br />
unterstützten sich die Akteure gegenseitig. Die Reise trug dazu<br />
bei, dass die unterschiedlichen Leistungsniveaus von den Kindern<br />
und Jugendlichen akzeptiert und toleriert wurden und die<br />
Kooperationsbereitschaft zunahm. Die Choreografie wurde in<br />
der Trainingswoche entscheidend ausgearbeitet.<br />
Durch eine Kooperation mit der Fachhochschule Bielefeld konnten<br />
18 Studierende des Studiengangs Soziale Arbeit für „MOTSbasic“<br />
gewonnen werden. Außerdem assistierten Studierende<br />
verschiedener Fachrichtungen der Universität Hannover und<br />
der Universität Hildesheim. Die Studierenden nahmen hospi-
© Christian Burkert<br />
tierend an der Klassenfahrt sowie den Vorbereitungen und der<br />
Aufführung von „Hannover Hauptbahnhof“ teil. Damit unterstützten<br />
sie zum einen die Arbeit der Compagnie Fredeweß,<br />
zum anderen wurde das Projekt für die Kinder und Jugendlichen<br />
durch die jungen Erwachsenen um eine weitere Dimension bereichert.<br />
„MOTS“ wurde gefördert von der Landeshauptstadt Hannover,<br />
PwC Stiftung, TUI Stiftung, Klosterkammer Hannover, Stiftung<br />
Niedersachsen, Niedersächsische Lotto-Sport-Stiftung.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.compagnie-fredewess.de<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _65
66_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
5.3 Vom GlücK, SIch SPIelend Ganz neu Kennenzulernen<br />
JuGend ForScht nach dem GlücK mIt theater, tanz und radIo<br />
annli von alvensleben<br />
Gründungs- und Vorstandsmitglied des TPZ Hildesheim<br />
Silke Pohl<br />
Mitarbeiterin des TPZ Hildesheim im Bereich Öffentlichkeitsarbeit<br />
Katrin tesch löwensprung<br />
Leiterin des TPZ Hildesheim<br />
„Besonders viel Kohle“, „Morgens wach werden und neben<br />
meiner Frau liegen“, Ein guter Job später“, „Mit der Familie was<br />
unternehmen“, „Wenn Hannover 96 gewinnt“, „Gesundheit“,<br />
„Mit Freunden zusammen sein“, „Essen“… Auf die Frage „Was<br />
bedeutet Glück für dich?“ fanden 52 Schüler/innen dreier berufsbildender<br />
<strong>Schule</strong>n in Hildesheim zwischen Oktober 2010<br />
und März 2011 ganz unterschiedliche Antworten, indem sie<br />
sich selbst befragten, aber auch Freunde, Bekannte und Eltern<br />
sowie Passanten auf der Straße. Parallel setzten sie sich,<br />
unterstützt von acht Theaterpädagogen/innen und Lehrern/<br />
innen, in Recherchen, Diskussionen und Improvisationen mit<br />
Glücksversprechen, Lebensentwürfen sowie persönlichen<br />
und globalen Bedürfnissen auseinander. Auf diese Weise entstanden<br />
drei 20-minütige Stücke und eine gemeinsame Tanzchoreografie,<br />
die Ende Februar 2011 als Gesamt-Performance<br />
in drei Aufführungen in Hildesheim auf die Bühne gebracht<br />
wurden und insgesamt 300 Zuschauer/innen begeisterten.<br />
„Glück.Wunsch“ ist das inzwischen fünfte Hildesheimer Berufs-<br />
schul-Theaterprojekt und das dritte in Trägerschaft des Theater-<br />
pädagogisches Zentrum Hildesheim e. V. (TPZ). Oberstudienrätin<br />
Conny Törber, die das Projekt an der Walter-Gropius-<strong>Schule</strong><br />
betreut, erläutert die Bedeutung der inzwischen etablierten<br />
Theaterarbeit aus Sicht des Kollegiums: „Wir sehen jedes Jahr,<br />
dass junge Menschen etwas leisten können, wenn man sie<br />
fördert und ihre Talente erkennt. Unsere Schüler/innen sind<br />
zuvor ja stets durch die Maschen des sozialen Netzes gefallen.<br />
Wir wollen aber nicht, dass Schüler/innen in ihren Defiziten<br />
bestärkt werden, sondern in ihren Talenten. Wir müssen<br />
mit ihnen arbeiten und ihnen Hilfen geben, damit sie sich ent-<br />
wickeln können. Und so ein Theaterprojekt ist eine ganz andere<br />
und besondere Gelegenheit, sich zu entwickeln.“<br />
2010: Glück –<br />
eine Suchbewegung zwischen theater, tanz und radio<br />
In der Spielzeit 2009/2010 entschieden sich die Projektverantwortlichen<br />
für eine Auseinandersetzung mit dem „Glück“.<br />
„Fragen, was Menschen glücklich <strong>macht</strong> und wie ein gutes, gelungenes<br />
Leben aussehen kann, spielen im Alltag der meisten<br />
jungen Menschen eine sehr große Rolle. Zugleich sind sehr viele<br />
Projektteilnehmer/innen – teils ohne Hauptschulabschluss<br />
und in berufsvorbereitenden Klassen – benachteiligt, was<br />
ihre gesellschaftliche Teilhabe und ihre Perspektive auf dem<br />
Arbeitsmarkt betrifft. Die Gesellschaft jedoch definiert Glück<br />
nach wie vor als eng verbunden mit beruflichem und finanziellem<br />
Erfolg. Hier neue Sichtweisen zu etablieren, ist eine Grundbedingung<br />
für die Lebenszufriedenheit all jener, die dies nicht<br />
für sich verbuchen können.“ (Eine betreuende Lehrerin)<br />
Das Thema „Glück“ wurde mit den beteiligten Schülern/innen<br />
in Bezug auf die aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche<br />
Situation kritisch diskutiert sowie künstlerisch mit Mitteln<br />
des Theaters, des Tanzes und des Bürgerradios umgesetzt. Zu<br />
den Projektzielen gehörte es, für die Jugendlichen über interkulturelle<br />
und generationsübergreifende Dialoge Zugänge zur<br />
<strong>Kultur</strong> zu schaffen und ihnen eine aktive Teilhabe am Hildesheimer<br />
<strong>Kultur</strong>leben zu ermöglichen, etwa durch den Besuch<br />
von Veranstaltungen. Parallel wurden sie im Probenprozess<br />
dazu ermutigt, sich aktiv und ausprobierend mit verschiedenen<br />
Kunstformen und einem bewusst hohen ästhetischen<br />
Anspruch zu beschäftigen.<br />
Glücksbedingungen: Partner, ausstattung und mittel<br />
Neu in der bereits etablierten Kooperation zwischen den drei<br />
berufsbildenden <strong>Schule</strong>n, dem TPZ Hildesheim, dem Theater<br />
für Niedersachsen (TfN) sowie dem soziokulturellen Zentrum<br />
<strong>Kultur</strong>Fabrik Löseke war 2010/2011 der Bürgerrundfunk Radio<br />
Tonkuhle. Neben erfahrenen Theater- und Tanzpädagogen/<br />
innen war s auch ein Medienpädagoge involviert. Alle drei Klassen<br />
nahmen an einer individuellen Führung durch das Studio<br />
von Radio Tonkuhle teil und wurden mit der Aufnahmetechnik<br />
vertraut ge<strong>macht</strong>. Auf diese Weise wurde eine neue Intermedialität<br />
des Projektes möglich. Die Beiträge der Klassen erstreckten<br />
sich von Interviews über Musikwünsche bis hin zu<br />
Hörspielsequenzen, die teilweise auch zur künstlerischen Ausgestaltung<br />
der Inszenierung verwendet wurden. Die Arbeitsergebnisse<br />
flossen zudem in eine Anfang Juli 2011 ausgestrahlte<br />
einstündige Sendung auf Radio Tonkuhle über „Glück.Wunsch“<br />
ein, die von den Schülern/innen produziert wurde. Das Projekt<br />
erhielt somit den Untertitel „Jugend forscht nach dem Glück.<br />
Eine kulturelle Expedition durch Theater, Tanz und Radio“.<br />
wie viel zeit braucht das Glück?<br />
Resultierend aus früheren Erfahrungen, gelang es sehr gut,<br />
Schulalltag und Projektarbeit in Einklang zu bringen. Die Theaterarbeit<br />
fand bewusst außerhalb des regulären Unterrichts<br />
und der schulischen Bewertung statt. Es wurde darauf geachtet,<br />
dass die Aufführungstermine nicht mit Praktika und Prüfungszeiten<br />
kollidierten. Zudem probten die drei Klassen von<br />
Oktober 2011 bis Januar 2012 nur im wöchentlichen Rhythmus.<br />
Mit maximaler Intensität wurde dann drei Wochen vor der<br />
Premiere in der <strong>Kultur</strong>Fabrik Löseke gearbeitet.<br />
Das TfN unterstützte „Glück.Wunsch“ als wichtiger Kooperationspartner<br />
in allen Bereichen und stellte u. a. Probenräume<br />
als außerschulische Lernorte zur Verfügung. Darüber hinaus<br />
hatten die Jugendlichen die Möglichkeit, sich Probenstände<br />
und Aufführungen im TfN anzusehen.
© Andreas Hartmann<br />
Die Finanzierung des Projektes gewährleisteten das Niedersächsische<br />
Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong>, die<br />
Sparda-Bank Hannover-Stiftung, die Johannishof Stiftung, die<br />
Bürgerstiftung Hildesheim sowie die Stadt Hildesheim. Die<br />
Bürgerstiftung Hildesheim zeichnete „Glück.Wunsch“ darüber<br />
hinaus als eines der besten Jugendprojekte im Jahr 2010 aus.<br />
nach der aufführung ist das theater noch lange nicht vorbei<br />
Im Rahmen des Projektes konnten mit Hilfe der entsprechend<br />
geschulten TPZ-Theaterpädagogen/innen 32 „Kompetenznachweise<br />
<strong>Kultur</strong>“ (s. weitere Informationen S. 37) ausgestellt<br />
werden. Für alle Teilnehmenden gilt, dass sie im (Berufs-)Alltag<br />
und im Bewerbungsverfahren durch verbesserte Fremd- und<br />
Eigenwahrnehmung sowie gestärktes Selbstbewusstsein profitieren<br />
können. Die angehenden Erzieher/innen sind darüber<br />
hinaus in der Lage, die im Projekt erworbenen Methoden direkt<br />
im Berufsalltag anzuwenden.<br />
Des Weiteren gelang es, Teilnehmer/innen nachhaltig zu kultureller<br />
Teilhabe zu motivieren. Um den Jugendlichen nach Abschluss<br />
der ersten Projektphase Anknüpfungspunkte zum „Weitermachen“<br />
zu bieten, wurde ihnen die Teilnahme an einer weiterführenden<br />
schulübergreifenden Theatergruppe ermöglicht. Einige<br />
Teilnehmer/innen des Projektes in den Jahren 2010 und 2011<br />
wirkten in Folge an dem großen Kooperationsprojekt „Tanzt!“ des<br />
TfN mit, das im Juni 2011 im Großen Haus aufgeführt und Mitte<br />
September mit dem MIXED-UP-Preis 2011 ausgezeichnet wurde.<br />
„Für mich war es sehr spannend zu beobachten, wie Schüler/<br />
innen, die anfangs nicht einmal in einer geschützten Probensituation<br />
improvisieren wollten, sich Schritt für Schritt doch im-<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _67<br />
mer mehr trauten und wie das Vertrauen innerhalb der Gruppe<br />
wuchs. Viele der Teilnehmer/innen sagten hinterher, sie hätten<br />
in der Klasse eigentlich viel Stress miteinander gehabt, sich<br />
aber für die Aufführung zusammengerissen und zusammengehalten.<br />
Und dies sei auch nach der Aufführung noch so geblieben.<br />
Zudem berichtete mir eine Teilnehmerin, sie würde sich<br />
jetzt trauen, Leute anzusprechen und hätte nicht mehr so viel<br />
Angst vor Menschen. Eine andere führt es auf das Theaterstück<br />
zurück, dass es ihr jetzt gelingt, nicht mehr so schnell an die<br />
Decke zu gehen. Für fast alle war es ein riesengroßer Schritt,<br />
sich überhaupt zu trauen, auf die Bühne zu gehen.“<br />
(Annli von Alvensleben, Theaterpädagogin)<br />
Die teilnehmenden Schüler/innen lernten sich im Rahmen des<br />
Projektes nicht nur selbst und gegenseitig besser kennen und<br />
schätzen, auch ihre Freunde und Verwandten sowie die Lehrkräfte<br />
hatten Gelegenheit, die Jugendlichen in einem ganz<br />
neuen Licht zu erleben.<br />
„Ich habe mit den Schülern richtig mitgefiebert und war am<br />
Ende mächtig stolz, als ich gesehen habe, wie sie aus sich herausgegangen<br />
und auch gewachsen sind durch die Erfahrungen,<br />
die sie in der Probenzeit machen konnten. Hätte ich vorher<br />
einschätzen sollen, ob sie so etwas tun, hätte ich ‚Nein‘ gesagt.<br />
Als sie es dann ge<strong>macht</strong> hatten, dachte ich mir: ‚Sag niemals<br />
nie‘. Ich glaube, für die Schüler war das mit mächtig viel Stolz<br />
verbunden – für sich selbst vor allen Dingen.“<br />
(Eine Lehrerin nach der Premiere)<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.tpz-hildesheim.de
68_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
5.4 BleIB am Ball<br />
eIne auSStellunG mIt und Für KInder rund um den FuSSBall<br />
renate dittscheidt-Bartolosch<br />
M. A. Kunstwissenschaft, Museumspädagogin, Vorsitzende<br />
Zinnober – Ein Museum für Kinder in Hannover e. V.<br />
mark rozin<br />
Puppenspieler, freier museumspädagogischer Mitarbeiter am<br />
Historischen Museum Hannover und Kindertheater Tüte<br />
Sarah ubrig<br />
Dipl.-Designerin Fotografie und Medien, Hannover<br />
„In der Kategorie ‚Lernanstoß – der Fußball-Bildungspreis‘<br />
geht der ‚Deutsche Fußball-<strong>Kultur</strong>preis 2011‘ an… das Projekt<br />
‚Bleib am Ball – Eine Ausstellung mit und für Kinder rund um<br />
den Fußball!‘“<br />
Eigentlich gibt es in Hannover gar kein Kindermuseum. Der<br />
Verein Zinnober – Ein Museum für Kinder in Hannover e. V. veranstaltet<br />
aber seit 2001 immer wieder Ausstellungen. Das<br />
Besondere: Bei den Projekten zu Themen aus <strong>Kultur</strong>, Naturwissenschaft<br />
und Alltagsleben geht es nicht nur um das Anschauen,<br />
sondern vor allem ums Mitmachen und Selbermachen. Das<br />
Preisträger-Projekt „Bleib am Ball“ ist eine Ausstellung zum Mitspielen<br />
für Kinder von vier bis 14 Jahren rund um den Fußball.<br />
Sie fand zur WM der Frauen im Juni 2011 in Kooperation mit dem<br />
Stadtteilzentrum Vahrenwald in Hannover statt.<br />
eine ausstellung rund um Fußball zum mitmachen<br />
Fußball übt eine große Faszination auf viele Kinder aus. Sie<br />
spielen Fußball in der Freizeit, erleben ihn als Medienereignis<br />
und als Starkult, beispielweise über Sammelalben und den<br />
Tausch der Bildchen aktueller Bundesligaspieler/innen. Das<br />
pädagogische Konzept des Projektes „Bleib am Ball“ verfolgte<br />
eine vielfältige, aktive, die Kompetenzen der Kinder fördernde<br />
Auseinandersetzung mit dem Thema „Fußball“ in ihrer Lebensumwelt.<br />
Mit dem Projekt sollten sie Fußball sportlich und<br />
kulturell mit Spaß und Freude sowie neue Zusammenhänge<br />
erfahren.<br />
Zentral war die Ausstellung „Bleib am Ball“ zum Mitspielen im<br />
Juni 2011. 96 Kinder aus zwei Grundschulen, einem Verein,<br />
einem Spielpark und einer Kita waren an der Ausstellungs-<br />
Vorbereitung beteiligt. Ab Januar 2011 waren sie in vier Projekten<br />
nicht nur sportlich unterwegs. Sie recherchierten und brachten<br />
ihre vielfältigen Ergebnisse und Erlebnisse in Foto- und Filmreportagen,<br />
Fotoalben, gemalten Bildern, einer Wandcollage<br />
und Fußballguckkästen in die Ausstellung ein. Ein wichtiges<br />
Anliegen war die Partizipation der Kinder bei der Konzeption<br />
und Umsetzung der Ausstellung.<br />
die Beteiligungsprojekte mit Schulkindern aus zwei <strong>Schule</strong>n<br />
Mehrere Wochen sind mehr als 60 Kinder in Sachen Fußball mit<br />
vielen Fragen unterwegs: Wie wird man Fußballerin oder Fuß-<br />
© Christoph Bartolosch
aller? Wer hat den Fußball erfunden? Werden Fans verhaftet?<br />
Wie machen wir ein Fußballturnier? Wie wird eine Sportreportage<br />
erstellt? Wie <strong>macht</strong> man gute Sportfotos? Wie sieht ein<br />
Stadion aus? Wie groß ist das Tor? Warum sind grüne Streifen<br />
auf dem Rasen des Spielfelds? Wann gibt es die Rote Karte?<br />
„Bleib fair am Ball“ mit Kindern<br />
einer 3. Klasse der Peter-Petersen-<strong>Schule</strong> hannover<br />
Das Thema „Fairness“ beschäftigte Kinder einer 3. Klasse der<br />
Peter-Petersen-<strong>Schule</strong> in Hannover. Nach einer Annäherung<br />
über eigene Fragen und bildliche Vorstellungen vom Fußball<br />
mit einem Steckbrief, erprobten die Mädchen und Jungen ein<br />
Fußballspiel nach geltenden Regeln, berichteten, fotografierten<br />
sich im Spielgeschehen, beim Rennen, Tore schießen, Mut<br />
zusprechen und bei Schiedsrichterentscheidungen. Die in den<br />
Regeln erfassten Verstöße gegen Fairness wurden anschließend<br />
auf eine große „Rote Karte“ und „Gelbe Karte“ notiert.<br />
Dazu erfanden die Kinder eine „Grüne Karte“, auf der sie gutes<br />
und faires Verhalten notierten.<br />
Eine Exkursion bei winterlichen Minusgraden führte die Schüler/<br />
innen in die Pferdeställe der Reiterstaffel der Polizei Hannover<br />
und zu einem Interview über gewaltbereite Fans mit dem<br />
szenekundigen Beamten. Die rege Nachfrage, Bereitschaft<br />
und Konzentration der Kinder erstaunten die Polizisten, die<br />
in der Regel mit älteren Schülern/innen Probleme mit Fans<br />
diskutieren.<br />
Die zweite Exkursion hatte das AWD-Stadion von Hannover<br />
96 zum Ziel. Hier erhielten die Kinder einen Einblick hinter die<br />
Kulissen, in die Umkleide, den Pressebereich, die VIP-Lounge,<br />
konnten auf der Spielerbank am Rand des gepflegten Rasens<br />
sitzen und erfuhren etwas über die Tätigkeiten des Platz- und<br />
Zeugwarts. Die Erlebnisse „verarbeiteten“ die Schüler/innen<br />
in kleinen Guckkästen mit „Fußballstadien“. Ihre Fotoserie mit<br />
Reportage wurde in einem Fotoalbum und in einer digitalen<br />
Bildpräsentation bearbeitet und festgehalten. Diese Ergebnisse<br />
sowie die im Fußballspiel entstandenen „Rote, Gelbe<br />
und Grüne Karte“ wurden in der Ausstellung präsentiert. Für<br />
die Ausstellung hatten die Kinder Fanporträts gezeichnet. Sie<br />
schmückten die Fenster des Spielfeldbereichs, animierten andere<br />
junge Besucher/innen, auch einen „Fan“ zu malen und ihn<br />
zur Fangemeinde hinzuzufügen.<br />
Der faire Umgang miteinander, der Zusammenhalt beim Spiel,<br />
im Klassenraum und unterwegs waren wichtige Erlebnisse.<br />
Einige Kinder nahmen an der Eröffnung teil und zeigten stolz<br />
ihre Fotos, Bilder, Guckkästen und Fanporträts allen Eltern und<br />
Besuchern/innen. Kurz danach konnte die ganze Klasse mit<br />
viel Spiel und Spaß die Ausstellung erobern.<br />
„das kickt!“ mit Kindern aus der Fridtjof-nansen-<strong>Schule</strong><br />
hannover und des SV Borussia<br />
Die Fridtjof-Nansen-<strong>Schule</strong> in Hannover und der SV Borussia arbeiteten<br />
bereits zusammen. Der Verein unterstützt die <strong>Schule</strong><br />
und fördert dort besonders den Mädchenfußball. Hier konnte<br />
das Projekt anknüpfen und legte seinen Themenschwerpunkt<br />
ebenfalls auf die Auseinandersetzung mit dem Mädchen- und<br />
Frauenfußball.<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _69<br />
Das Projekt begann mit Fußballturnieren für Mädchen und für<br />
Jungen. Mit der Frage „Wie mache ich tolle Sportfotos?“ nahmen<br />
die Reporterkinder ihre Arbeit auf. Sie schossen viele Bilder,<br />
berichteten über die Turnierereignisse und befragten die<br />
Spielerinnen am Rande des Geschehens. Es entstanden Fotoreportagen<br />
ihrer sportlichen Wettkämpfe und von den heiteren<br />
und bewegenden Erlebnissen sowie ein großes Fotoalbum. Diese<br />
Ergebnisse mit mehr als 600 Fotografien wurden bereits ab<br />
der Eröffnung in der Ausstellung „Bleib am Ball“ gezeigt. Neben<br />
den spannenden Sportfotos vermittelten sie den Besuchern/<br />
innen die Freude und den Spaß rund ums Fußballspielen.<br />
Exkursionen ins Historische Museum mit Fußballgeschichte<br />
der Stadt Hannover, in die Sportredaktion der Neuen Presse, in<br />
die AWD – Arena von Hannover 96 – und zur Ausstellung „Bleib<br />
am Ball“ brachten viele neue Erfahrungen und Kenntnisse.<br />
Als Ergebnisse der Aktivitäten wurde die Arbeit in einer eigenen<br />
Ausstellung präsentiert. Es entstanden Fotoserien und<br />
Interviews, aus der Fülle an Material gestalteten die Kinder<br />
Fotobücher, erfanden Bildunterschriften, zeichneten und<br />
schrieben, entwickelten Spielfragen, lernten mit Akkuschraubenziehern<br />
umzugehen und aus Fotografien und Holzplatten<br />
große Figuren der Spielerinnen für ihr Fußball-Quiz zu bauen.<br />
Kurz vor den Sommerferien wurde die Ausstellung „Das kickt!“<br />
mehrere Tage in der <strong>Schule</strong> und beim Tag der offenen Tür des<br />
SV Borussia der Schul- und Vereinsöffentlichkeit vorgestellt.<br />
Caroline Dolff, 10 Jahre, bringt es für alle auf den Punkt:<br />
„Mädchenfußball ist ein schöner Sport für Mädchen. Da kann<br />
man sich richtig austoben, wenn man etwas schlecht gelaunt<br />
ist.“<br />
Die Projekte und die Ausstellung „Bleib am Ball“ wurden gefördert<br />
durch die DFB-<strong>Kultur</strong>stiftung, die Niedersächsische Lotto<br />
– Sportstiftung, den Bezirks- und Integrationsrat Vahrenwald/<br />
List, die Region Hannover, den LandesSportBund Niedersachsen<br />
e. V. und die Landeshauptstadt Hannover.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.kindermuseum-hannover.de
70_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
5.5 dIe Verlorenen Söhne<br />
eIne BeGeGnunG mIt Grönland auF SPIeKerooG und Im landKreIS cuxhaVen<br />
Juliane lenssen<br />
Regisseurin Kinder- und Jugendtheater, Theater Das Letzte<br />
Kleinod, Schiffdorf<br />
Die Vorstellung „Die verlorenen Söhne“ basiert auf einer historischen<br />
Erzählung von zwei jungen Spiekeroogern, die um 1770<br />
zum Walfang nach Grönland ausfuhren. Ihr Schiff wurde in einer<br />
Eispressung zerdrückt. Über das Meereis erreichten sie die rettende<br />
Küste und überwinterten bei den Inuit. Erst viele Jahre<br />
später kehrten sie auf ihre Heimatinsel zurück.<br />
Das Stück wurde inspiriert durch Überlieferungen der Insel<br />
Spiekeroog. Noch immer ist das Schicksal der Walfänger im<br />
Brauchtum der Insel verankert. Das Theater Das Letzte Kleinod<br />
ging nicht nur auf den ostfriesischen Inseln auf Spurensuche.<br />
An der Westküste Grönlands sammelte der Regisseur Jens-<br />
Erwin Siemssen Berichte über den Walfang und das Leben im<br />
Eis. Die Vorstellung erzählt von der Begegnung zweier <strong>Kultur</strong>en<br />
im Eismeer. Das Theater spielte die Vorstellung „Die verlorenen<br />
Söhne“ im Mai 2010 auf der Insel Spiekeroog.<br />
In diesem Zusammenhang wurde ein Projekt mit der Inselschule<br />
auf Spiekeroog durchgeführt. Schüler/innen der 1. bis<br />
9. Klassen wurden eingeladen, mit den Künstlern/innen zum<br />
Thema „Walfang“ und dem Leben im Eis zu arbeiten. Aus dieser<br />
Begegnung entstand eine Präsentation, in welcher die Kinder<br />
Eindrücke der Geschichte der verlorenen Söhne und der Begegnungen<br />
im Eis aus eigener Sicht erzählten.<br />
Die Uraufführung der Vorstellung „Die verlorenen Söhne“ fand<br />
im alten Strandkorbschuppen in den Dünen von Spiekeroog<br />
statt. Dieser Schuppen war seinerzeit Aufführungsort des<br />
historischen Theaterstückes „De verloorne Söhns“. Eine der<br />
Schülergruppen arbeitete an diesem geschichtsträchtigen Ort.<br />
Andere Gruppen arbeiteten in der Inselschule selbst, in einem<br />
großen Holzatelier oder auch draußen auf dem Deich. Es entspricht<br />
dem Konzept der Projekttage, die Schüler/innen aus<br />
ihrem üblichen Umfeld in eine andere Umgebung zu versetzen,<br />
die im Bezug zum Thema steht.<br />
einbindung der regionalen Geschichte: die „wurstlooper“<br />
Jedes Jahr im Januar ziehen die Kinder auf der Insel Spiekeroog<br />
von Haus zu Haus, um mit dem Aufsagen eines traditionellen<br />
Reimes um Wurst und Geld zu bitten. Das traditionelle „Wurstloopen“<br />
stammt aus der Zeit des Walfangs und erinnert an die<br />
beiden Spiekerooger Walfänger. Der Legende nach sollen sie<br />
nach ihrer verspäteten Rückkehr ihren Lebensunterhalt auf der<br />
Insel durch das „Wurstloopen“ gesichert haben.<br />
Die Schulklassen der Spiekerooger Inselschule wurden eingeladen,<br />
eine eigene Fassung von Szenen der Vorstellung „Die Verlorenen<br />
Söhne“ zu gestalten. Von den Künstlern/innen wurden<br />
© Das Letzte Kleinod
sie in unterschiedlichen Gruppen mit den Motiven der Inszenierung<br />
vertraut ge<strong>macht</strong>. Die Kinder interviewten die grönländischen<br />
Schauspielerinnen Makka Kleist und Vivi Sörensen über<br />
den heutigen Walfang der Inuit und erfuhren auf eindrucksvolle<br />
Weise vom Leben der Walfänger.<br />
Die norwegische Geschichtenerzählerin Ragnhild Morch erarbeitete<br />
mit den Kindern der „Wurstlooper“ eine zeitgemäße Erzählung<br />
über den alten Insel-Brauch, während mit den grönländischen<br />
Schauspielern/innen Inuit-Gesänge einstudiert wurden.<br />
Einige Kinder spielten ein grönländisches Märchen nach, derweil<br />
eine weitere Gruppe auf „Walfangjagd“ ging, mit dem „Hundeschlitten“<br />
übers Eis fuhr und den Umgang mit Schlittenhunden<br />
lernte. Unter der Begleitung der Schauspieler/innen des Theaters<br />
Das Letzte Kleinod entstand aus den Erlebnissen eine Präsentation,<br />
die vor Mitschüler/innen und Eltern aufgeführt wurde.<br />
die Geschichte wird weitergetragen<br />
Mit einer anderen Schulklasse aus Bremerhaven fanden Ende<br />
Mai 2010 ebenfalls Projekttage zum Thema „Walfang“ vor<br />
Grönland in Zusammenarbeit mit und Finanzierung durch das<br />
Deutsche Schifffahrtsmuseum statt. Hierfür wurden zu einer<br />
weiteren Begegnung einige Schüler/innen der Inselschule von<br />
Spiekeroog eingeladen, um ihre Version der „Wurstlooper“ nach<br />
Bremerhaven zu bringen. Diese Reise wurde als Fortsetzung<br />
des Projektes auf Spiekeroog angelegt und mündete in einer<br />
gemeinsamen Begegnung sowie Präsentation der Klassen der<br />
Bremerhavener und Spiekerooger <strong>Schule</strong>n.<br />
Besonderheiten<br />
Beim Projekttag auf Spiekeroog wurde eine historische Begebenheit<br />
der Region für die Kinder sinnlich erlebbar ge<strong>macht</strong>. Die<br />
5.6 dIe BücherBIene<br />
eIne moBIle StadtteIlBüchereI<br />
Silke Boerma<br />
Geschäftsführerin, workshop hannover e. V. –<br />
Zentrum für kreatives Gestalten, Hannover<br />
Der workshop hannover e. V. ist ein 1971 als Künstlerinitiative gegründetes<br />
Zentrum für kreatives Gestalten. Hier bieten Künstler/<br />
innen Kurse an, führen soziokulturelle (Kunst-)Projekte durch,<br />
veranstalten Ausstellungen und künstlerische Aktionen. Wir<br />
wollen mit unserer Arbeit anderen die Auseinandersetzung mit<br />
sich selbst und ihrem Umfeld ermöglichen. Im workshop engagiert<br />
sich ein Pool von Künstlern/innen und Kunsthandwerker/<br />
innen mit umfangreicher Praxiserfahrung, die als Spezialisten<br />
unterschiedlicher Gewerke zur Verfügung stehen.<br />
wie alles begann<br />
Der workshop hannover e. V. hat vor zwei Jahren gemeinsam mit<br />
der Landeshauptstadt Hannover ein Projekt initiiert und seither<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _71<br />
Gruppen näherten sich dem Thema auf unterschiedliche Weise<br />
und bekamen einen Bezug zum Inhalt, der weit über die rein<br />
schulischen Möglichkeiten hinausging. Es wurde besonderer<br />
Wert darauf gelegt, dass dieses Projekt verschiedene Generationen<br />
zusammenführte. Die Auseinandersetzung mit einer<br />
regionalen geschichtlichen Begebenheit bewirkte einen Dialog<br />
zwischen den Generationen. Ziel des Projekttages war es auch,<br />
den Kindern auf lebendige Weise Zugang zu dieser wichtigen<br />
Epoche zu ermöglichen und damit dem Ort seine Geschichte<br />
zurückzugeben.<br />
Verbesserungen und aussichten<br />
Das Angebot wurde vollständig durch das Theater Das Letzte<br />
Kleinod personell und finanziell getragen. Es sind weitere Projekte<br />
auf Spiekeroog geplant, ebenso soll die Zusammenarbeit<br />
mit beiden <strong>Schule</strong>n (Inselschule auf Spiekeroog, Gymnasium<br />
Wesermünde für den Landkreis Cuxhaven) fortgesetzt werden<br />
sowie das Deutsche Schifffahrtsmuseum erneut als Kooperationspartner<br />
eingebunden werden. Maritime und geschichtliche<br />
Themen mit Bezug zur Region sind weiterhin Schwerpunkte des<br />
Theaters Das Letzte Kleinod. Diese Themen im ländlichen Raum<br />
und den Küstenregionen aufzuspüren und zu vermitteln, sind<br />
einer der Beweggründe für die Arbeit mit Kindern unterschiedlicher<br />
Altersgruppen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.das-letzte-kleinod.de<br />
durchgeführt, das sich der Gestaltung von Büchern widmet: Die<br />
„Bücherbiene“, eine mobile Mitmachbücherei. Das Projekt richtet<br />
sich gleichermaßen an Kinder und Jugendliche sowie an Erwachsene<br />
aller Altersstufen und wird in Kooperation mit <strong>Schule</strong>n und<br />
anderen Betreuungs-/Bildungseinrichtungen realisiert. In der<br />
folgenden Darstellung wird das Projekt insbesondere im Hinblick<br />
auf das Thema „<strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n“ reflektiert. Vorangestellt<br />
sei, dass die Gesamtkonzeption des Projektes nicht in<br />
Zusammenarbeit mit schulischen Einrichtungen entwickelt wurde,<br />
es handelt sich vielmehr um ein vom workshop hannover e. V.<br />
konzipiertes und durchgeführtes Angebot.<br />
Die „Bücherbiene“ ist ein künstlerisch gestalteter dreirädriger<br />
Piaggio-Transporter des Typs „Ape“, was auf Italienisch „Biene“<br />
bedeutet. Die „Bücherbiene“ braust und brummt durch Hannover<br />
und transportiert Bücher. Diese Bücher sind etwas Besonderes,<br />
weil sie vor allem von Kindern, aber auch von Jugendlichen und
72_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
Erwachsenen selber hergestellt worden sind. Es handelt sich<br />
um fantasievolle, individuell gestaltete Unikate, um Bücher mit<br />
erfundenen oder wahren Geschichten, mit Rezepten oder Weisheiten;<br />
um Tage- oder Reisebücher; mit vielen oder wenig Seiten.<br />
Entstanden sind die Bücher unter fachlicher Anleitung von Künstlern/innen<br />
in <strong>Schule</strong>n, Horten, vorschulischen Einrichtungen, in<br />
Seniorenzentren und auf Stadtteilfesten.<br />
„Die ‚Bücherbiene‘ ist ein Projekt, in dem Jugendlichen ein Raum<br />
für das Abenteuer Bildende Kunst geöffnet wird. Während der<br />
Buchwerkstätten habe ich oft eine beeindruckende Veränderung<br />
bei den Schülern erlebt. Nach anfänglicher Lust- und Konzentrationslosigkeit<br />
entwickelten die Schüler ein hohes Maß an Motivation.<br />
[...] Ein schönes Erlebnis war es auch, immer wieder aufs Neue<br />
zu beobachten, wie durch die gemeinsame Arbeit die Persönlichkeit<br />
der Schüler gestärkt wurde, gegenseitige Anerkennung auch<br />
durch die gemeinsame Erfahrung einer sich verändernden Wahrnehmung<br />
wachsen konnte und hierdurch integrative Prozesse<br />
gefördert wurden.“ (Anne Brömme, Projektleiterin verschiedener<br />
Buchwerkstätten)<br />
Die „Bücherbiene“ ist eine rollende Bücherei zum Mitmachen<br />
und zugleich eine Ausstellung auf drei Rädern. Zu bestimmten<br />
Anlässen hält sie direkt vor der <strong>Schule</strong>, der Stadtteilbibliothek,<br />
auf Stadtteilfesten, und dient als „Wahrzeichen für die Liebe zum<br />
Buch“, so die Schirmherrin des Projektes, Edelgard Bulmahn,<br />
ehemalige Bundesministerin für Bildung und Forschung. Das<br />
aufwändig gestaltete, bienenhafte Gefährt <strong>macht</strong> als liebens-<br />
wertes Symbol auf das Projekt aufmerksam und wirbt für die in ihr<br />
gesammelte Kreativität der Menschen, die die Bücher hergestellt<br />
haben.<br />
Die „Bücherbiene“ beherbergt die künstlerisch gestalteten<br />
Buchobjekte. Sie enthält hölzerne Waben, in denen die Bücher<br />
aufbewahrt werden. Stellt man die Waben als Tische um das Gefährt<br />
herum auf, können die Bücher ausgestellt und betrachtet<br />
werden. Außerdem enthält die „Bücherbiene“ eine Fotoausstellung<br />
darüber, wie die Bücher entstanden sind und wer sie<br />
ge<strong>macht</strong> hat.<br />
Bücher schlagen Brücken zwischen den Menschen und den <strong>Kultur</strong>en.<br />
Bücher sind und ermöglichen Kommunikation. Die „Bücherbiene“<br />
<strong>macht</strong> diesen Aspekt deutlich, und sie kann die Einübung<br />
für die Freude am Buch vermitteln – und dies losgelöst von<br />
Kontexten reiner Wissens- und Informationsvermittlung. Weil die<br />
„Bücherbiene“ partiell auch gezielt mit den Schülern/innen die<br />
Stadtteilbibliothek besucht, wirbt sie direkt wie indirekt für die<br />
Nutzung dieser Institution.<br />
Während der ersten Projektphase wurden gezielt <strong>Schule</strong>n vom<br />
workshop angeschrieben und auf das Projekt und die Angebote<br />
hingewiesen. Die Kooperationen entwickelten sich im<br />
Allgemeinen durch die Kontaktaufnahme seitens interessierter<br />
Lehrer/innen, oftmals anlässlich der im Stadtteil durchgeführten<br />
„Bücherbienen“-Aktionen.<br />
die arbeit der fleißigen Bienen<br />
„Es war für meine Schüler eine sehr intensive Woche, die Kinder<br />
waren engagiert bei der Sache, haben mit viel Eifer an ihrem<br />
Buch für die Bücherbiene gearbeitet und dabei viel Fantasie und<br />
Kreativität im Umgang mit den vielen unterschiedlichen Materialien,<br />
die angeboten wurden, entwickelt. U. a. dadurch bleibt die<br />
Erinnerung lebendig und die Kinder denken noch gerne an die<br />
Woche zurück.“ (Barbara Hirsch, Lehrerin an der Ihmeschule,<br />
Projekt „Träume“, 4. Klasse)<br />
Das Ziel des Projektes „Bücherbiene“ ist es, möglichst vielen<br />
Menschen Zugang zu Büchern und Zugang zum eigenen Ausdruck<br />
zu ermöglichen. Es ermöglicht den Beteiligten, sich unter<br />
der Anleitung von Künstlern/innen mit Bildern, Worten und<br />
Materialien auseinanderzusetzen und kunst-/handwerkliche<br />
Techniken der Buchherstellung kennenzulernen. Inhaltlich<br />
können alle möglichen Themen bearbeitet werden – wichtig<br />
ist, dass die Teilnehmenden ihre eigene Identität und Lebenswelt<br />
reflektieren können, auf eine spielerische, sinnliche und<br />
kreative Weise. Sie können in den Büchern einen eigenen Ausdruck<br />
finden. Zudem erleben sie den selbstverständlichen Umgang<br />
mit dem Medium Buch und (möglicherweise) die Freude<br />
am Lesen und an der Literatur.<br />
© Sven Reimann
die „Bücherbiene“ in der <strong>Schule</strong><br />
Die Buchobjekte entstehen in den <strong>Schule</strong>n im Rahmen von<br />
Projektwochen oder in mehrwöchigen AGs. Zumeist sind die<br />
Themen eingebunden in aktuelle Unterrichtsschwerpunkte.<br />
Durchgeführt wurden u. a. Werkstätten zu den Themen „Unterwasserwelten“,<br />
„Ich bin ich – jeder ist anders“, „Selbstportraits“,<br />
„Leporello“, „Scherenschnitt“, „Visionen“, „Piraten“ etc. Da die<br />
Projektarbeit keineswegs auf die Vermittlung von Wissensinhalten<br />
zielt, sondern auf die Förderung der kreativ-ästhetischen und<br />
individuellen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, werden<br />
die spezifischen Bedürfnisse und Interessen der Schüler/innen<br />
in besonderem Maße berücksichtigt. Dies schließt das soziale<br />
Umfeld der Schüler/innen selbstverständlich mit ein.<br />
„Kinder und Jugendliche haben durch die ‚Bücherbiene‘ die Möglichkeit<br />
der Begegnung mit Bildenden Künstlern und Schriftstellern,<br />
die die Wahrnehmung differenzieren und junge Menschen<br />
zu einem eigenen Ausdruck, einer eigenen Gestaltung ermutigen!<br />
Es ist für die Kinder immer wieder eine Freude, dass sie durch<br />
ihre Bücher Spuren hinterlassen. Selbst Kinder, die im Unterricht<br />
eher abwesend scheinen, fühlen sich durch die Bücherbiene<br />
5.7 theater In dIe <strong>Schule</strong><br />
auF dem weG zur <strong>Kultur</strong><strong>Schule</strong><br />
lisa degenhardt<br />
Theaterpädagogin, Staatstheater Braunschweig<br />
Als Theaterpädagogin an einem Theaterhaus bietet sich für<br />
gewöhnlich selten die Möglichkeit, längerfristig und intensiv<br />
mit denselben Schülern/innen, Eltern und Lehrkräften zusammenzuarbeiten.<br />
Zwar kommen viele <strong>Schule</strong>n regelmäßig<br />
ins Theater, nehmen an Vor- und Nachbereitungen zu Inszenierungen<br />
teil und besuchen Proben u. v. m. Hin und wieder<br />
ergeben sich sogar kleine Projekte, die gemeinsam von Theater<br />
und <strong>Schule</strong> realisiert werden und zum Teil auch über einen<br />
längeren Zeitraum stattfinden. Obwohl jeder Austausch auf<br />
seine Art nachhaltig ist, fehlt oft eine tatsächliche Kooperation,<br />
in der auf Augenhöhe miteinander gearbeitet, gemeinsam<br />
langfristige Ziele formuliert werden und jeder aktiv in der je<br />
anderen Institution teilhaben kann.<br />
Anders ergeht es mir als Theaterpädagogin in dem Projekt<br />
„Theater in die <strong>Schule</strong>“, das am Staatstheater Braunschweig<br />
bereits im vierten Jahr läuft und von der Braunschweiger Bürgerstiftung<br />
initiiert und mitfinanziert wird. Hier treffen sich<br />
Schüler/innen, Künstler/innen und Pädagogen/innen, um<br />
gleichberechtigt schöpferisch und künstlerisch zu arbeiten<br />
und gemeinsam den Weg zur <strong>Kultur</strong>schule zu gehen. Dies nicht<br />
nur punktuell, sondern im besten Fall über das ganze Schulleben<br />
hinweg. „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ und andersherum „<strong>macht</strong><br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _73<br />
angesprochen und motiviert, sodass sie durch das experimentelle<br />
Arbeiten einen neuen Zugang zum gestalterischen Lernen<br />
finden.“ (Bozena Kopij-Machnik, Projektleiterin verschiedener<br />
Buchwerkstätten)<br />
Förderung<br />
Die Angebote (Buchwerkstätten, Aktionen etc.), die der workshop<br />
im Rahmen des Projektes „Bücherbiene“ durchführt, sind für die<br />
Teilnehmer/innen unentgeltlich. Ermöglicht wird dies durch eine<br />
umfangreiche Gesamtfinanzierung des Projektes. Die Landeshauptstadt<br />
Hannover (Fachbereich Bildung und Qualifizierung)<br />
ist Mitinitiator und Kooperationspartner der „Bücherbiene“. Neben<br />
der Landeshauptstadt Hannover konnte der workshop per<br />
Antragstellung und intensiver vorbereitender Planung für die<br />
Gesamtförderung der „Bücherbiene“ für die Dauer von 2 Jahren<br />
das Ministerium für Wissenschaft und <strong>Kultur</strong> Niedersachsen,<br />
die Stiftung Niedersachsen, den Fonds Soziokultur, die Linden-<br />
Limmer-Stiftung sowie ver.di gewinnen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.workshop-ev.de<br />
<strong>Schule</strong> hier auch <strong>Kultur</strong>“. Denn beide Institutionen, <strong>Schule</strong> und<br />
Theater, müssen sich dem Auftrag verpflichtet sehen, <strong>Kultur</strong>elle<br />
Bildung langfristig und nachhaltig zu fördern und dies als<br />
Kooperationspartner gemeinsam vorantreiben – diese Überzeugung<br />
ist der Motor von „Theater in die <strong>Schule</strong>“.<br />
Zu „Theater in die <strong>Schule</strong>“ gehören das Staatstheater Braunschweig<br />
mit seinen fast 490 Mitarbeitern/innen, die Realschule<br />
Sidonienstraße mit ca. 400 Schülern/innen und 23 Lehrkräften,<br />
die IGS Volkmarode mit momentan 450 Schülern/innen<br />
und 31 Lehrkräften sowie die Bürgerstiftung Braunschweig,<br />
die sich nicht nur finanziell an dem Projekt beteiligt, sondern<br />
auch stetiger konzeptioneller Austausch- und Reflexionspartner<br />
ist (s. Abb. 1).<br />
Die Koordination der drei Institutionen, samt ihrer unterschiedlichen<br />
Strukturen und Bedürfnisse, mit dem Ziel der best-<br />
möglichen Vernetzung, stellt eine der größten Herausforderungen<br />
des Projektes dar. Gerade aber in der gleichberechtigten<br />
Zusammenarbeit liegt das Bildungspotenzial von „Theater<br />
in die <strong>Schule</strong>“: In dem Aufeinandertreffen der Institutionen<br />
und in der Auseinandersetzung mit den je anderen Aufgaben,<br />
Herausforderungen und Denkansätzen lernen nicht nur die<br />
Schüler/innen, sondern auch die Lehrkräfte und Theatermitarbeiter/innen<br />
von- und miteinander und entdecken die Lust,<br />
gewohnte und alltägliche Denkmuster zu verlassen, um den
74_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
KooPeratIon<br />
<strong>Schule</strong>n<br />
Partner<br />
abb. 1: Kooperationsstruktur von „Theater in die <strong>Schule</strong>“<br />
IGS Volksmarode<br />
RS Sidonienstraße<br />
Staatstheater Braunschweig<br />
Bürgerstiftung Braunschweig<br />
gemeinsamen künstlerisch-kreativen Prozess als Möglichkeit<br />
des Suchens, Wagens, Verwerfens, Reflektierens und Findens<br />
zu erfahren.<br />
Wie funktioniert also ein so groß angelegtes Projekt wie<br />
„Theater in die <strong>Schule</strong>“ mit so unterschiedlich arbeitenden<br />
Projektpartnern? Auf welche Bausteine stützt sich das Projekt<br />
und wie kann das schwer greifbare Ziel, <strong>Kultur</strong>elle Bildung<br />
nachhaltig und langfristig zu fördern, eingelöst werden?<br />
Im Theater werden Unterrichtsinhalte miteinander verknüpft<br />
und so differenziert interdisziplinäres und kooperatives<br />
Lernen ermöglicht. Durch die Anbindung an Projekte eröffnen<br />
sich fächer- und jahrgangsübergreifende Angebote, die<br />
nicht nur den Schülern/innen zugutekommen. Der Austausch<br />
unter den Lehrenden wird intensiviert und das Konzept „eine<br />
Lehrkraft, ein Fach, eine Klasse, eine Unterrichtstunde“ aufgelöst.<br />
Der gemeinsame Bezugsrahmen „Theater“ ermöglicht die<br />
Umsetzung eines Um- und Neudenkens von Schulabläufen und<br />
Lehr- und Lernmethoden. Den Schülern/innen wird eine Perspektivenvielfalt<br />
auf alltagswirkliche Phänomene eröffnet, die<br />
ein „normaler“ Unterricht so nicht leisten kann.<br />
Theatersehen, Theatermachen, das Reflektieren der dort ge<strong>macht</strong>en<br />
Erfahrungen, die beiden Lernorte Theater und <strong>Schule</strong><br />
müssen, um sich die Möglichkeiten, die Theater bietet, nachhaltig<br />
erschließen zu können, gut aufeinander abgestimmt<br />
und vernetzt werden. Folgende Aspekte dienen dafür als Bausteine:<br />
Alle Schüler/innen eines Jahrgangs können in jedem Schuljahr<br />
jeweils eine Kunstsparte am Staatstheater Braunschweig<br />
(Tanz, Musiktheater, Schauspiel) intensiv kennenlernen. Dafür<br />
wird je Jahrgang eine Inszenierung gewählt, deren Inhalte<br />
Ausgangspunkt für das jeweilige Projektjahr sind. Begleitend<br />
zu den Inszenierungen nehmen die Schüler/innen und Lehrenden<br />
an theaterpädagogischen Angeboten teil. Sie besuchen<br />
die Werkstätten des Theaters, diskutieren mit Regisseuren/<br />
innen, Dramaturgen/innen und Darstellern/innen und wohnen<br />
den Proben bei. Darüber hinaus erproben sie praktisch Thematiken<br />
und Aspekte der Inszenierungen in theaterpädagogischen<br />
Workshops und lernen von einzelnen „Experten/innen“<br />
aus unterschiedlichen Abteilungen (Maske, Requisite, Licht<br />
Schüler/innen<br />
Lehrer/innen<br />
Eltern<br />
Schulleitung/Kollegium<br />
Teilnehmer/innen bei „Kinder zum Olymp!“<br />
Theaterpädagogen/innen<br />
HBK-Braunschweig/TU Braunschweig<br />
Künstler/innen, Experten/innen<br />
Netzwerke: Stadt/Gemeinde/Landkreis<br />
Braunschweiger Zeitung<br />
Magret nd Rolf Rettich-Stiftung*<br />
Sparda-Bank Hannover-Stiftung*<br />
Volksbank Brawo Stiftung*<br />
* weitere Förderer<br />
etc.). In „Expeditionen“ erforschen sie einen spezifischen Aspekt<br />
einer Inszenierung und setzen diesen künstlerisch um.<br />
Für das Projekt werden Vorlesungen an der Kinder-Universität<br />
organisiert, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem<br />
jeweiligen Thema ermöglichen. Dafür werden gemeinsam mit<br />
verschiedenen Fakultäten der Technischen Universität und der<br />
Hochschule Bildender Künste Braunschweig entsprechende<br />
Angebote konzipiert.<br />
In den <strong>Schule</strong>n finden anknüpfend an die jeweilige Inszenierung<br />
eigene künstlerische Projekte statt, die während der Projekttage<br />
und -wochen intensiviert werden. Hier erforschen die<br />
Schüler/innen unter Anleitung der Lehrkräfte in Expertengruppen<br />
ein Gebiet rund um die Inszenierung. Unterstützt werden<br />
sie gemeinsam von Mitarbeitern/innen des Theaters, die als<br />
jeweilige Experten/innen zusammen mit den Projektgruppen<br />
forschen und gestalten. Mit dem Arbeiten an unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten und einem anschließenden Austausch<br />
bereichern sich die Schüler/innen gegenseitig. Die Präsenta-<br />
tion der Ergebnisse rundet die Projektphase ab, denn in der Aufführungssituation<br />
bündeln sich die im künstlerisch-pädago-<br />
gischen Prozess ge<strong>macht</strong>en Erfahrungen. Hier entsteht die<br />
Chance zu erfahren, dass die sichtbar ge<strong>macht</strong>en Prozesse in<br />
der Kommunikation mit dem Publikum „etwas bedeuten“. Dabei<br />
heißt „Aufführung“ nicht zwingend, dass ein „einstudiertes<br />
Stück“ präsentiert wird. Im Gegenteil geht es immer auch darum,<br />
verschiedene Theaterformate und Präsentationsformen<br />
kennenzulernen und entstehen zu lassen.<br />
Damit der Austausch zwischen Theater und <strong>Schule</strong> komplett<br />
wird, zeigen die Schüler/innen, Lehrkräfte und Theatermitarbeiter/innen<br />
ihre Projektergebnisse auch im Theater,<br />
z. B. in Form von Ausstellungen, die begleitend zu den jeweiligen<br />
Aufführungsterminen zu sehen sind.<br />
Im Fachunterricht werden verschiedene Aspekte aus den Inszenierungen<br />
herausgegriffen und in die curricularen Vorgaben<br />
eingebettet. Der Fachunterricht wird durch das Theater<br />
als außerschulischer Lernort ergänzt, Lehr- und Lernmethoden<br />
werden daraufhin abgestimmt. So ermöglichen wir ein<br />
praxisorientiertes und wirklichkeitsnahes Lernen, nicht von<br />
„außen aufgesetzt“ sondern als integrativer Bestandteil des<br />
Schulalltags.
© Schäflein & Himmelreich<br />
Es werden Wege bereitet, das Profil Theater langfristig in den<br />
Schulalltag zu integrieren, indem z. B. Wahlpflichtkurse wie<br />
Darstellendes Spiel eingeführt werden. In Bewerbungsgesprächen<br />
mit Lehrern/innen wird die Möglichkeit der aktiven Mitarbeit<br />
an dem Projekt abgefragt.<br />
Auch das Theater profitiert von dem Austausch: durch den<br />
engen Kontakt mit den Schülern/innen, wird der Blick für neue<br />
Perspektiven geöffnet. Es bietet sich die Möglichkeit, die Alltagsrealität<br />
von Schülern/innen und Lehrern/innen kennenzulernen<br />
und zu verstehen und hilft dadurch, seinem Publikum<br />
näher zu kommen. Die Begegnung der Lebenswirklichkeit<br />
von Schülern/innen auf der einen und von Theateralltag auf<br />
der anderen Seite, dient dabei nicht zuletzt als künstlerisch-<br />
kreative Reibungsfläche. Das Projekt erreicht alle Kinder und<br />
Jugendlichen, auch diejenigen, die vorher noch keine Begegnung<br />
mit Theater hatten. Gerade dieser Kontakt ist für das<br />
Theater wichtig, denn nur so bleibt es lebendig und kann als<br />
Kunst- und <strong>Kultur</strong>form überleben.<br />
zusammengefasst bedeutet das für ein Projekt<br />
wie „theater in die <strong>Schule</strong>“:<br />
Alle am Projekt beteiligten Institutionen müssen am gleichen<br />
Strang ziehen, sich den gleichen Zielen verpflichtet sehen, das<br />
Potenzial für die je eigene Arbeit erkennen und bereit sein, dafür<br />
auch über die gewohnten Arbeitsprozesse hinaus Kraft und<br />
Ideen zu investieren. Um dies über einen langen Zeitraum zu<br />
gewährleisten, müssen die genannten Aspekte immer wieder<br />
abgeglichen, überprüft und reflektiert werden. Dazu gehört<br />
auch, grundsätzlich zu fragen, ob sich das Vorhaben auf dem<br />
richtigen Weg befindet. Eine Evaluation kann hier unterstützend<br />
sein (s. Artikel „<strong>Kultur</strong>- und Theaterarbeit in der Evaluation“<br />
in diesem Band, S. 33).<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.staatstheater-braunschweig.de<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _75<br />
5.8 dIe oFFene drucKwerKStatt und dIe KunStStatIon<br />
zweI auSSerSchulISche und dezentrale lernorte<br />
manfred Blieffert<br />
Bildender Künstler, Dozent und stellvertretender Leiter der<br />
Musik- und Kunstschule der Stadt Osnabrück<br />
„Herr Blieffert, heute müssen wir ganz langsam zurück in die<br />
<strong>Schule</strong> gehen“, sagt der neunjährige Hussein. „Wieso denn<br />
das?“ – „Hier guck mal.“ Hochmotiviert ist Hussein durch die<br />
große Werkstatt der Kunstschule gestreift und hat alles Interessante<br />
aufgenommen. Er zeigt auf einen Zettel am Materialraum<br />
für die Druckutensilien: „‘Es ist besser, kleine Schritte<br />
zu tun, als große Gedanken nur im Kopf zu bewegen‘, sagte der<br />
französische Reformpädagoge Celestine Freinet, der schon in<br />
der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts das Drucken in der<br />
<strong>Schule</strong> fördern wollte.“ Bei dem Wort „Reformpädagoge“ und<br />
dem Namen hat Hussein zwar ein wenig Schwierigkeiten mit<br />
der Aussprache, aber er hat den Satz herausbekommen. Gemeint<br />
hat Freinet es zwar etwas anders, aber ein gemächlicher<br />
Rückweg zur <strong>Schule</strong> ist vielleicht schon ein Anfang.<br />
Für ein Vierteljahr kommt die Klasse einmal wöchentlich in die<br />
„Offene Druckwerkstatt“ der Musik&Kunstschule der Stadt<br />
Osnabrück. Pro Jahr kommen acht Klassen aus dem gesamten<br />
Stadtgebiet in den Genuss, das Drucken wie zu Johannes<br />
Gutenbergs Zeiten kennenzulernen. Es entstehen von Schülern/innen<br />
selbst geschriebene, selbst gesetzte, gedruckte<br />
und selbst illustrierte Bücher in kleinen Auflagen, sodass alle<br />
Beteiligten nach dem Projekt ein gleiches, eigenes Exemplar in<br />
der Hand halten. Ein paar weitere Exemplare werden für Wettbewerbe,<br />
zum Verschenken oder für Ausstellungen hergestellt.<br />
Regelmäßig werden die Bücher natürlich in den <strong>Schule</strong>n, in der
76_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
Galerie der Musik&Kunstschule oder in den Partnerstädten<br />
Osnabrücks präsentiert. Die Wettbewerbsbilanz der „Offenen<br />
Druckwerkstatt“ kann sich sehen lassen: Je zweimal wurde der<br />
Preis „Kinder zum Olymp“ und der „1. Preis des Zeitbildverlages“<br />
gewonnen, und mehrere 2. Plätze im Wettbewerb „Das lesende<br />
Klassenzimmer“ des Börsenvereins des deutschen Buchhandels<br />
und des Georg Tappert Preises des Bildungs- und Förderwerkes<br />
der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V.<br />
Was <strong>macht</strong> den Erfolg dieses Projektes aus? Was ist das Besondere,<br />
das diese Bildungspartnerschaft zwischen <strong>Schule</strong><br />
und Kunstschule gelingen lässt?<br />
Die Kunstschule bietet als dezentraler Lernstandort einen tatsächlichen<br />
sinnlichen Erfahrungsraum, wie ihn eine allgemeinbildende<br />
<strong>Schule</strong> nicht bieten kann. Druckerpressen, Setzmaterial,<br />
Farbe, Walzen, das gesamte Equipment, um Druckstöcke für die<br />
Illustrationen herzustellen – alles ist in der Werkstatt komplett<br />
vorhanden und kann mit minimaler Vorbereitung sofort benutzt<br />
werden. Selbst große Klassen mit fast 30 Kindern finden hier<br />
genug Gelegenheit, aktiv zu gestalten und ins (Lern-)Geschehen<br />
einzusteigen. Es werden Texte geschrieben, gesetzt, in kleiner<br />
Auflage gedruckt, während andere Schüler/innen die bereits gedruckten<br />
Texte in die Setzkästen zurückordnen. Zugleich werden<br />
Druckvorlagen für die Illustrationen entworfen, aus Moosgummi<br />
hergestellt oder in Linoleum geschnitten. Auch die Illustrationen<br />
werden natürlich in der entsprechenden Auflage gedruckt.<br />
Für diese Tätigkeiten steht das Personal der Kunstschule beratend<br />
und anleitend zur Verfügung. Das Einzige, was die Klassen<br />
mitbringen müssen, ist das Thema des jeweiligen Buches.<br />
Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt und zumeist<br />
kommt es zu Überschneidungen mit anderen Schulfächern<br />
wie Deutsch, Sachunterricht, Religion, Musik usw. Anteile der<br />
Kunst sind ja in jedem Projekt automatisch vorhanden und<br />
historische Aspekte durch den traditionellen Buchdruck ebenfalls.<br />
Es handelt sich hier also um ein fächerübergreifendes,<br />
ganzheitliches, soziales und sinnliches Lernen, das durch<br />
die Kooperation von <strong>Schule</strong> und Kunstschule als außerschulischem<br />
Bildungspartner möglich wird.<br />
Soziales Lernen entsteht durch die Natur des Projektes: Alle<br />
Kinder haben die Möglichkeit, sich mit ihren besonderen Stärken<br />
und Schwächen in das Projekt einzubringen und Mitschülern/innen,<br />
die über andere Stärken und Schwächen verfügen,<br />
kennen und in der Arbeit schätzen zu lernen. Die eine mag<br />
fantasievoller sein, der andere ausdauernder, wenn es darum<br />
geht, einen langen Text zu setzen oder sich am Auflagendruck<br />
zu beteiligen. Die Schüler/innen disziplinieren sich durch die<br />
gemeinsame Arbeit am Klassenprojekt selbst.<br />
An dieser Stelle wird auch deutlich, dass durch das Co- oder Teamteaching<br />
zusammen mit den Lehrern/innen ihre traditionelle Rolle<br />
eine andere wird. Die Schüler/innen lernen ihre Lehrer/innen<br />
anders kennen und auch die Lehrer/innen befreien sich aus den<br />
ihnen angestammten Stereotypen. Sie können ihre Klasse endlich<br />
einmal mit einem anderen Blick beobachten. Dabei erkennen<br />
sie oftmals an ihren Schülern/innen Seiten, die ihnen bisher verborgen<br />
geblieben sind.<br />
Was bietet die Druckwerkstatt im Hinblick auf das Stichwort<br />
„sinnliches Lernen“? Die Kinder erobern sich das <strong>Kultur</strong>gut<br />
Buch durch das Selbermachen. Der gesamte Entstehungsprozess<br />
wird im wahrsten Sinne des Wortes „begriffen“: Die Kinder<br />
lernen mit der Hand, sie haben das Wort – inhaltlich und genauso<br />
gegenständlich, haptisch.<br />
Es bleibt die Frage nach dem historischen Nutzen angesichts<br />
von Haushalten, in denen PC und Drucker so selbstverständlich<br />
sind wie Radio und Fernseher. Die Kinder beherrschen am<br />
Ende des Projektes jeden einzelnen Arbeitsschritt. Die Projekte<br />
sind umweg- und fehlerfreundlich. Jeder Fehler kann<br />
repariert werden oder zumindest, wenn schon alles gedruckt<br />
und fertig ist, erklärt werden. Jedes einzelne Detail, jeder einzelne<br />
Schritt ist beherrschbar und nachvollziehbar. Die Kinder<br />
haben das komplette Know-how. Es ist „ihr“ Projekt. Hier liegt<br />
der Unterschied zur Hightech-Technologie und das Erstaunliche<br />
ist, dass die Kinder die Begrenztheit der technischen<br />
Möglichkeiten nach den ersten eigenen Erfahrungen sofort<br />
akzeptieren.<br />
Nicht zuletzt lernen die Kinder auch, sich durchzubeißen.<br />
Sie lernen – und zwar als Gruppe – dass es sich lohnt, Arbeit zu<br />
investieren, und dass dann auch ein gutes Ergebnis dabei herauskommt.<br />
All dies bietet die Musik&Kunstschule seit über<br />
15 Jahren in ihrer Werkstatt für <strong>Schule</strong>n aus dem gesamten<br />
Stadtgebiet an. Im Jahr 2012 feiert die „Offene Druckwerkstatt“<br />
das 100ste Buch.<br />
was sind die Voraussetzungen für das Gelingen<br />
dieser Kooperation?<br />
Neben dem Fachpersonal der Druckwerkstatt ist die optimal<br />
ausgestattete Werkstatt zu benennen. Die Werkstatt bietet<br />
eine offene, angenehme, motivierende Arbeitsatmosphäre.<br />
© Manfred Blieffert
© Manfred Blieffert<br />
Das Angebot an Materialien, Werkzeug und handbetriebenen<br />
Druckerpressen <strong>macht</strong> Lust darauf, die Arbeit selbst in die Hand<br />
zu nehmen und sofort in den Schaffensprozess einzusteigen.<br />
Neben der Ausstattung ist die Raumgröße ein zweiter, elementar<br />
wichtiger Faktor. Im Arbeitsprozess entwickeln die Kinder<br />
eine solch überbordende Energie, die auch ausgelebt werden<br />
muss. Nicht nur für die geistige, körperliche und kreative Aktivität<br />
brauchen die Kinder Raum, auch um stillere Arbeiten, die<br />
Konzentration verlangen, auszuführen, z. B. das Setzen der<br />
Texte oder Redaktionsbesprechungen im kleinen Team.<br />
All dies <strong>macht</strong> deutlich, was der außerschulische Bildungspartner<br />
Kunstschule hier leistet, beziehungsweise, was eine<br />
allgemeinbildende <strong>Schule</strong> allein gar nicht bewältigen kann. Kinder<br />
und Lehrende lernen hier eine andere Art der Aneignung<br />
kennen. Ein Lernen, das sich an künstlerischen Strategien orientiert:<br />
Ergebnisoffen, prozesshaft, umwegfreundlich, mäandernd,<br />
ohne Zeitdruck, prozesshaft, nicht zielorientiert.<br />
Was bietet die Druckwerkstatt außerdem? Hier wird themenzentriert<br />
gearbeitet, in einem offenen Zeitrahmen. Es wird immer<br />
an verschiedenen Seiten zugleich gearbeitet. Braucht ein/e<br />
Schüler/in für eine Textseite länger, wird eben zuerst eine andere<br />
Seite gedruckt. Es ist kein Sandkastenspiel, keine Übung im<br />
Schreibheft, die vielleicht ansonsten nur der/die Lehrer/in und<br />
die Mutter oder der Vater zu sehen bekommen. Nein, durch den<br />
Auflagendruck erreicht die Arbeit ein größere Öffentlichkeit, einen<br />
höheren Verbreitungsgrad. Wenn das kein Grund und keine<br />
Motivation ist, sich Mühe zu geben und sich mit dem gemeinsamen<br />
Vorhaben zu identifizieren?!<br />
1 s. www.mixed-up-wettbewerb.de<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _77<br />
Die Musik&Kunstschule war seit ihrer Gründung vor über 25 Jahren<br />
in der glücklichen Lage, einen klar umrissenen kulturpolitischen<br />
Auftrag zu haben! Die beiden „<strong>Kultur</strong>entwicklungspläne<br />
I und II“ der Stadt Osnabrück schrieben der Musik&Kunstschule<br />
die breitgefächerte Arbeit an den Osnabrücker <strong>Schule</strong>n ins<br />
Stammbuch. Zugleich wurde die Musik&Kunstschule derart mit<br />
Planstellen und Finanzmitteln ausgestattet, dass dieser Unterricht<br />
an <strong>Schule</strong>n – immer im Co-Teaching mit einer schulischen<br />
Lehrkraft – für die Schüler/innen kostenfrei sein sollte. Aus heutiger<br />
Sicht eine beneidenswerte, kaum noch vorstellbare Situation.<br />
Hierdurch war die Musik&Kunstschule in der Lage, selbst<br />
ein vielfältiges Angebot für die verschiedenen Schultypen zu<br />
entwickeln, von denen die „Offene Druckwerkstatt“ nur ein Beispiel<br />
ist. Mit schuljahresbegleitenden Theaterprojekten, musikalischer<br />
Früherziehung, Wandmalereien, Musicals, Orchester-,<br />
Streicher-, Bläser-, Percussion-, Gitarren- oder Chorklassen ist<br />
die Musik&Kunstschule mittlerweile Kooperationspartner von<br />
über 90 % aller Osnabrücker <strong>Schule</strong>n und erhielt hierfür im Jahr<br />
2007 den MIXED UP-Preis 1 der Bundesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle<br />
Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ). Der Juryspruch lobte<br />
hierbei ausdrücklich das mustergültig selbst geschaffene<br />
lokale Bildungsnetzwerk.<br />
Vor dem Hintergrund von Finanzkrise und der allgemeinen<br />
Haushaltssituation der Kommunen ließ sich die Kostenfreiheit<br />
für die Kooperationsschulen nicht aufrechterhalten. Für die<br />
„Offene Druckwerkstatt“ berechnet die Musik&Kunstschule<br />
den <strong>Schule</strong>n heute pro Schüler/in pro Termin einen Euro plus<br />
Materialpauschale für das gesamte Projekt. Als Angebot für<br />
den offenen Ganztag ist die Druckwerkstatt in der hier dargestellten<br />
Form nicht tauglich. Es fehlen der Klassenzusammen-
78_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
hang und die gemeinsame Orientierung an einem gemeinsamen<br />
Thema. Oftmals sind die Themen eben auch zur Vertiefung<br />
an bisherigen Unterrichtsgegenständen orientiert und all dies<br />
ist im lockeren Verbund des offenen Angebots nach dem Mittag<br />
nicht zu gewährleiten.<br />
Kunststation – das offene Schulatelier<br />
Neben der „Offenen Druckwerkstatt“ bietet die Kunstschule &<br />
Musikschule Osnabrück außerdem das „Offene Schulatelier“<br />
für <strong>Schule</strong>n an. Mit dem Konzept „Kunststation“ entwickelte<br />
die Kunstschule&Musikschule ein Modell, das die Erkenntnisse<br />
der „Offenen Druckwerkstatt“ für die dezentrale Arbeit an<br />
<strong>Schule</strong>n nutzt. Derzeit hat die Kunstschule in den <strong>Schule</strong>n mit<br />
dem höchsten Anteil an Migranten/innen in Stadtteilen mit erhöhtem<br />
Förderbedarf die „Kunststation“ fest etabliert.<br />
Ziel dieses Projektentwurfes ist es, flächendeckend in <strong>Schule</strong>n<br />
„Offene Ateliers“ für die eigene Beschäftigung mit Kunst einzurichten.<br />
Dieses können bisherige Kunsträume sein, aber auch<br />
Räume, die durch sinkende Schülerzahlen frei werden. Mit der<br />
Einrichtung des Klassenmusizierens, das mittlerweile in ganz<br />
Deutschland Fuß gefasst hat, hat der Verband deutscher Musik-<br />
schulen e. V. (VdM) ein äußerst erfolgreiches Unterrichtsmodell<br />
entwickelt. Für die Bildende Kunst gibt es ein solches<br />
Modell bisher nicht.<br />
Das hier vorgeschlagene Modell des „Offenen Schulateliers“<br />
bietet einen Ort des Öffnens, aber auch des Rückzugs und der<br />
Vertiefung. Hier finden künstlerische Bildungsprozesse statt,<br />
es ist ein Ort des Lernens mit allen Sinnen, ein Ort, an dem die<br />
Qualitäten der Kunst zum Tragen kommen können. Das „Offene<br />
Schulatelier“ ist kein Raum der Kunsterziehung und unterliegt<br />
nicht den schulischen Rahmenrichtlinien des Faches Kunst. Es<br />
ist ein Ort der künstlerischen Unabhängigkeit und Freiheit, ein<br />
Ort der Schüler/innen.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.osnabrueck.de/musikschule<br />
© sxu.hu
© Klaus Gottschick<br />
5.9 PacK deInen KoFFer In den KäFer<br />
eIne reISe In dIe autoStadt wolFSBurG<br />
Brenda Frey<br />
Projektleiterin Erwachsenenbildung und Inszenierte Bildung,<br />
Autostadt Wolfsburg<br />
Das Projekt untersuchte als intergeneratives Bildungsangebot<br />
zwischen allgemeinbildender <strong>Schule</strong> und außerschulischem<br />
Lernort die Veränderung der Mobilität und der automobilen<br />
Technik in ihrer Verbindung mit der deutschen Nachkriegsgeschichte,<br />
der Geschichte der Stadt Wolfsburg und der Lebensgeschichte<br />
ihrer Bewohner/innen. Als zeitlicher Rahmen dienten<br />
die Jahre zwischen 1949 und 1974 – eine Zeit, in der sich<br />
Wirtschaftswunder und Käfer-Produktion gegenseitig bedingten<br />
und befruchteten. 1974 wurde die Produktion vom Käfer<br />
auf den Golf umgestellt; eine neue Ära begann.<br />
Das Projekt erfüllte den Anspruch an eine nachhaltige Bildung,<br />
indem die Forschungsergebnisse in Form von Reportagen<br />
und schriftlichen Dokumentationen sowie eines abschließ-<br />
enden dokumentarisch-biografischen Theaterstücks umgesetzt<br />
wurden. Die Erarbeitung realisierte zudem den Anspruch an<br />
eine freizeitkulturelle Bildungsarbeit im Kontext Lebens-<br />
langen Lernens.<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _79<br />
wie alles begann<br />
Im ersten Teil des Projekts untersuchten Schüler/innen gemeinsam<br />
mit Teilnehmern/innen der „Generation 55plus“ (ein<br />
besonderes Lernangebot für Menschen außerhalb von <strong>Schule</strong><br />
und Beruf) bedeutende Meilensteine in der Stadt- und Werksgeschichte<br />
Wolfsburgs, am Beispiel der Entwicklung des VW-<br />
Käfers von der Nachkriegszeit bis 1974. Die Teilnehmer/innen<br />
der „Generation 55plus“ agierten hierbei als Zeitzeugen und ergänzten<br />
die historischen Nachforschungen mit authentischen<br />
Erfahrungen und Berichten. Diese wurden mit den parallelen<br />
Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in<br />
Verbindung gesetzt. So fand eine Verknüpfung von Stadt- und<br />
Werksgeschichte mit der Geschichte der BRD statt, die sich<br />
nachweislich beeinflussten, denn Wolfsburg galt als Musterstadt<br />
für bundesrepublikanische Trends.<br />
Das Fach Darstellendes Spiel bot die methodische Grundlage<br />
für das Projekt. Gemeinsam mit Teilnehmern/innen des<br />
Programms „Generation 55plus“ der „Inszenierten Bildung“<br />
(pädagogischer Fachbereich der Autostadt) der Autostadt<br />
entwickelten die Schüler/innen unter der Spielleitung zweier<br />
Fachlehrer und fachkundiger Unterstützung einer Theater-
80_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
pädagogin ein dokumentarisch-biografisches Theaterstück,<br />
das im Mai und Juni 2011 aufgeführt wurde.<br />
In dem Theaterstück wurden fiktive Wolfsburger Lebensgeschichten<br />
inszeniert, die symbolisch für die charakteristische<br />
Zeit des VW-Käfers stehen. Anekdoten mit wahrem Kern, von<br />
Wolfsburgern erzählt, bündelten sich mit dem erdachten, stereotypen<br />
Zeitgeist und inszenierten eine Collage der damaligen<br />
Zeit. Erzählte Erinnerungen verschmolzen mit Musik und<br />
Bildern der 1950er und 1960er Jahre, weckten fast vergessene<br />
Erinnerungen beim älteren Publikum und erlaubten eine<br />
Auseinandersetzung des jüngeren Publikums mit jener in die<br />
Zukunft wegweisenden Zeit. Projektionen, körpersprachliche<br />
Aktionen und kurze Dialoge riefen eine lebendige Erinnerung<br />
der Zeit zwischen 1949 und 1974 hervor – der Zeit des Wirtschaftswunders,<br />
des Twists, der frühen Gastarbeiter, der ersten<br />
Urlaubsreisen nach Italien und natürlich des legendären<br />
VW-Käfers.<br />
Im Rahmen des Schulfachs Darstellendes Spiel fand das Projekt<br />
hauptsächlich in der Aula des Ratsgymnasiums statt,<br />
in der das Theaterstück geprobt und aufgeführt wurde. Ergänzend<br />
wurden die Räume der Autostadt insbesondere zur<br />
Durchführung begleitender Workshops genutzt.<br />
Daneben bereicherten zahlreiche Exkursionen zu verschiedenen<br />
Orten der Stadt Wolfsburg das Projekt. So erkundeten<br />
die Teilnehmenden das Unternehmensarchiv der historischen<br />
Kommunikation des Volkswagen Konzerns und besuchten<br />
die Erinnerungsstätte über die Auseinandersetzung<br />
mit der Geschichte des Unternehmens im Nationalsozialismus.<br />
Sie besuchten das Stadtarchiv des Instituts für Zeitgeschichte<br />
und Stadtpräsentation sowie eine Museumswohnung aus dem<br />
Jahr 1942 und die Bibliothek im Alvar Aalto <strong>Kultur</strong>haus, das für<br />
die Inszenierung des Stücks Grundlage war. Eine Besichtigung<br />
im Volkswagen-Werk selbst ließ erahnen, unter welchen Bedin-<br />
gungen noch der Käfer produziert worden sein könnte. Ein zusätzliches<br />
Wochenende im Schullandheim der Stadt Wolfsburg<br />
diente dem gegenseitigen Kennenlernen der Teilnehmenden<br />
sowie der intensiven Erarbeitung des Themas.<br />
In vier groben Abschnitten wurde das Projekt realisiert. In einer<br />
ersten Phase vor Beginn des Schuljahres erfolgten Absprachen<br />
zwischen <strong>Schule</strong> und Autostadt sowie die konzeptionelle Erarbeitung<br />
des Projekts und erste Werbemaßnahmen. Das Schuljahr<br />
startete mit der inhaltlichen Recherche-Phase, die mit<br />
Proben und dem Ausprobieren von Darstellungsmethoden ergänzt<br />
wurde. Im Anschluss begannen die Ausarbeitungen und<br />
Proben der einzelnen Spielszenen und der Gesamtdramaturgie<br />
des Stücks. Nach der Premiere begannen im letzten Abschnitt<br />
das Festhalten der Inhalte in einer filmischen Dokumentation<br />
sowie die Rückschau auf das Projekt im Dialog zwischen den<br />
Teilnehmenden. Die Methodik des Darstellenden Spiels sprach<br />
darüber hinaus ebenso Jung und Alt an. Während es bei den<br />
Jüngeren um Persönlichkeitsentfaltung ging, lernten die Älteren<br />
neue Methoden kennen, ihre gestandenen Persönlichkeiten<br />
auf eine andere, für sie neue Art zu fordern.<br />
Auf einer dritten Ebene wurde mit der Aufführung des Theaterstücks<br />
ein breites Publikum angesprochen. Dieses Publikum<br />
setzte sich nicht nur aus all denen zusammen, die sich<br />
als Wolfsburger empfinden, sondern auch aus denen, für die<br />
die Nachkriegszeit, die Zeit des Wirtschaftswunders, die Demokratiewerdung<br />
Deutschlands und die neuen Dimensionen<br />
durch steigende Mobilität bewegende Erinnerungen bedeuten.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.autostadt.de/de/lernangebote/schule/<br />
angebote-fuer-schulen<br />
www.ratsgymnasium-wolfsburg.de<br />
© Klaus Gottschick
© Dagmar Riggers<br />
5.10 GöttInGen: damalS und heute<br />
IGS-Schüler/Innen werden zu StadtFührern/Innen<br />
anne moldenhauer<br />
Sozialpädagogin, Kommunikations- und Aktionszentrum<br />
Göttingen<br />
In einem achttägigen Projekt entwickelten Schüler/innen des<br />
8. Jahrgangs innerhalb eines Projekts des Göttinger Kom-<br />
munikations- und Aktionszentrum (KAZ), in Kooperation mit<br />
dem Städtischen Museum Göttingen und mit Unterstützung<br />
der Göttinger Tourismus, einen Stadtrundgang für jüngere<br />
Kinder. Das Projekt wurde vom Landschaftsverband Süd-<br />
niedersachsen finanziell unterstützt. Durchgeführt wurde<br />
das Projekt von der Sozialpädagogin Dagmar Riggers und der<br />
Theaterpädagogin Christine Suttkus.<br />
Zunächst wurden die Teilnehmer/innen des „Stadtführungsprojektes“<br />
thematisch in das Projekt eingeführt. Eine Museumspädagogin<br />
stellte Wissenswertes zu der Ausstellung „Hundert<br />
Augenblicke“ – Göttingen im Hochmittelalter sowie zu<br />
historisch spannenden Punkten in der Göttinger Altstadt vor.<br />
Darüber hinaus recherchierten die Kinder zu aktuellen <strong>Kultur</strong>einrichtungen<br />
(u. a. Junges Theater, KAZ und Jugendtreff Point<br />
6), die für sie eine Rolle spielten. Die Jugendlichen waren sich<br />
einig: die Stadtführung sollte „lebendig, kreativ, informativ<br />
sein und nicht viel Gelatsche, Gerede und Langweiliges beinhalten“.<br />
So vermittelten sie die Informationen anhand kleiner<br />
Theatersequenzen, einem Quiz und einer Schatzsuche. Die<br />
benötigten Materialien wurden zum großen Teil in der Zusammenarbeit<br />
von Städtischem Museum und KAZ bereitgestellt.<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _81<br />
Ergebnisse früherer Projekte wurden im KAZ gelagert, sodass<br />
man sofort auf sie zurückgreifen konnte.<br />
Das Projekt fand sowohl in Räumen des KAZ als auch im<br />
Städtischen Museum und in der Stadt Göttingen, vor allem<br />
im Alten und Neuen Rathaus und an historisch bedeutenden<br />
Orten (z. B. Karzer) statt. Die Schüler/innen gelangten zu<br />
interessanten <strong>Kultur</strong>orten, wie das Junge Theater oder der<br />
Kinder- und Jugendtreff Point 6.<br />
Die jungen Stadtführer/innen bekamen nach drei erfolgreichen<br />
Durchläufen großes Lob. „Ihr habt tolle Stationen ausgesucht<br />
und es hat richtig viel Spaß ge<strong>macht</strong>“, bekamen sie als Rückmeldung<br />
von den teilnehmenden Schülern/innen aus den Jahrgängen<br />
drei, fünf und sechs. Die Jugendlichen selbst möchten<br />
gern weitermachen. Ihr Fazit: „Es hat uns riesig Spaß ge<strong>macht</strong><br />
und wir haben Lust, die Stadtführung weiter durchzuführen“.<br />
Im Anschluss an das Projekt kamen auch viele weitere Anfragen<br />
von <strong>Schule</strong>n.<br />
Wir informierten die <strong>Schule</strong>n, dass die „Stadtführungen“ im<br />
Städtischen Museum in Göttingen ausleihbar seien. Jetzt<br />
können interessierte Schulklassen oder Jugendgruppen die<br />
erarbeitete Führung eigenständig leiten. Ihnen stehen eine<br />
„Schatzkiste“ mit Stadtplan, auf dem die Stationen eingezeichnet<br />
sind, dazu ein Glossar zu den Stationen, eine Spiel- bzw.<br />
Durchführungsanleitung und Buchstaben und alle Bestandteile<br />
des Stadtführungsquiz zur Verfügung.
82_ modellhaFte PraxIS reGIonal<br />
Ko| ope | ra| ti‘on, die; -,-en<br />
(lat. cooperatio - „Zusammenwirkung“, „Mitwirkung“) ist das Zusammenwirken von Handlungen zweier oder mehrerer<br />
Lebewesen, Personen oder Systeme. Kooperieren Dienste, Projekte, Behörden oder Personengruppen, die einander kennen,<br />
so spricht man von Vernetzung. [...] Kooperation ist zumindest für deren Dauer ein Zusammenschluss im Sinne von Systembildung.<br />
Es bildet sich auf einer höheren Ebene (zeitweise) ein neues System. Deren Elemente – die Kooperationspartner –<br />
erwarten ein der Kooperation entsprechendes Verhalten (Quid pro quo). Diese Erwartungen können als Rechte und Pflichten<br />
verhandelt und fixiert werden. (Quelle: services.langenscheidt.de, 12.12.2011)<br />
eckdaten zu unseren Kooperationen<br />
Seit dem Jahr 2006 führt das Göttinger KAZ meist einmal im<br />
Jahr ein Projekt in Kooperation mit der IGS Göttingen durch.<br />
Sowohl die Themen als auch die beteiligten Klassen und deren<br />
Lehrer/innen wechseln dabei. Konstant ist die Zusammenarbeit<br />
zwischen den Mitarbeitern/innen des KAZ und einer<br />
Sozialpädagogin, die in Absprache mit den jeweiligen Lehrern/<br />
innen die zuvor von KAZ und der Pädagogin konzipierten<br />
Projekte weiterentwickeln, um dann einen geeigneten Zeit-<br />
rahmen, Projektziele und einen Ablaufplan festzulegen.<br />
Bei der Entwicklung der Projekte steht die Lebenswelt<br />
der Schüler/innen im Mittelpunkt. Die Projektkonzeption sieht<br />
immer eine Beteiligung der Kinder und eine Berücksichtigung<br />
ihrer Interessen, Stärken und Ideen vor.<br />
Da wir aufgrund von begrenzten finanziellen und vor allem personellen<br />
Mitteln nur zeitlich fest umrissene, kürzere Projekte<br />
durchführen können, finden die Projekte in enger Absprache<br />
mit den Lehrern/innen, meist innerhalb eines Monats statt.<br />
Am Projekt „Stadtführung“ waren Schüler/innen aus unterschiedlichen<br />
Jahrgängen und <strong>Schule</strong>n und ihre jeweiligen<br />
Lehrer/innen, Mitarbeiter/innen des KAZ und des Städtischen<br />
Museums Göttingen und der Leiter des Stadtarchivs Göttingen<br />
beteiligt. Schon in der Konzeptionsphase haben wir mit<br />
dem Leiter des Museums und des Stadtarchivs eng zusam-<br />
mengearbeitet. In einer zweiten Phase wurden die Lehrer/<br />
innen der IGS Göttingen miteinbezogen.<br />
Je nach Projektinhalten arbeitet das KAZ mit unterschiedlichen<br />
Kooperationspartnern und zusätzlichen Fachkräften<br />
zusammen. Im Projekt „Stadtführung“ war eine Theaterpädagogin<br />
eingebunden und es gab eine enge Zusammenarbeit mit<br />
dem Leiter des Stadtarchivs, des Museums, einer Stadtführerin<br />
der Göttingen Tourismus und der Museumspädagogin.<br />
Für die jeweiligen Projekte beantragt das KAZ bei unterschiedlichen<br />
Stellen (Landschaftsverband, Stiftungen, Stadt Göttingen)<br />
Fördergelder. Hinzu kommen Unterstützungen des Kooperationspartners<br />
und der <strong>Schule</strong> über den Elternverein. Das KAZ<br />
selbst bringt Eigenmittel in Form von Räumen, Material und<br />
Personal mit ein.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.kaz-goettingen.de<br />
© Manu Wittl
5.11 mItten Im leBen<br />
eIn theater-muSIKProJeKt<br />
waldo Bleeker<br />
Freiberuflicher Musiker und Theaterpädagoge, Mitarbeiter im<br />
Blauschimmel Atelier e. V. Oldenburg seit 2002 und Leiter vom<br />
„Eden Theater“ Lemwerder<br />
Die Saallichter gehen aus, die Scheinwerfer beleuchten die<br />
Bühne.<br />
Christiane Pasternak, Lehrerin der Comeniusschule und Waldo<br />
Bleeker, Theaterpädagoge aus dem Blauschimmel Atelier Oldenburg<br />
betreten die Bühne:<br />
„Herzlich willkommen zu unserer Premiere. Schülerinnen und<br />
Schüler der Comeniusschule Oldenburg haben seit zehn Monaten<br />
mit Spaß an einem Theaterstück gearbeitet. Wir freuen uns<br />
jetzt, Ihnen ihre Produktion ‚Mitten im Leben!‘ vorzustellen.“<br />
Eine Schülerin und ein Schüler betreten die Bühne:<br />
„Stopp! Stopp! Was heißt hier zehn Monate mit Spaß? Können<br />
Sie, sehr geehrtes Publikum sich vorstellen, was es heißt, jeden<br />
Mittwoch zwei Stunden Theater, Musik, Maskenspiel? Nicht<br />
freiwillig, nein, wir mussten, es war Schulzeit. – Aber ehrlich<br />
gesagt, hat es mit der Zeit wirklich Spaß ge<strong>macht</strong>!“<br />
Angefangen hatte es mit der Idee, ein künstlerisches Projekt<br />
in Kooperation zwischen der Comeniusschule Oldenburg und<br />
dem Blauschimmel Atelier e. V. Oldenburg durchzuführen. Bei<br />
dem ersten Treffen wurde klar, ein solches Vorhaben kann nur<br />
dann erfolgreich sein, wenn Lehrer/innen und Schulleitung<br />
nicht nur Notwendigkeiten und Interessen vertreten, sondern<br />
persönlichen Spaß an diesem Projekten mitbringen.<br />
Ein gemeinsames Leitbild wurde erarbeitet. Das Ziel war, in<br />
einem Zeitraum von zehn Monaten ein Musiktheaterprojekt<br />
mit Schülern/innen zu erarbeiten, indem sie in erster Linie<br />
ihre eigenen Ideen einbringen sollten. Es wurden verschiedene<br />
künstlerische Bereiche angeboten: Darstellendes Spiel,<br />
experimentelle Musik, Maskenbau- und spiel. Hinzu kamen die<br />
Bereiche Foto- und Filmdokumentation, Bühnenbild, Requisiten,<br />
Kostüme sowie Flyer- und Plakatgestaltung. An vier Tagen<br />
konnten sich die Schüler/innen in den verschiedenen Disziplinen<br />
ausprobieren, danach entschieden sie sich, in welche Arbeit<br />
sie tiefer einsteigen wollten. In den ersten Wochen wurden<br />
Grundlagen erarbeitet und erste Ideen entwickelt.<br />
Die Jugendlichen der Darstellendes Spiel-Gruppe bestimmten<br />
aus einer Auswahl von Theaterszenen ihre Favoriten und<br />
überarbeiteten diese in Diskussionen und Improvisationen.<br />
Die Schüler/innen, die sich mit experimenteller Musik beschäftigten,<br />
erforschten die Vielfalt von Instrumenten, die in<br />
erster Linie aus Schrott und Alltagsgegenständen bestanden,<br />
nach Klängen. Nachdem jede/r Jugendliche/r sich ein eigenes<br />
Instrumentarium zusammengestellt hatte, wurden gemeinsam<br />
Ideen für eigene Kompositionen entwickelt. Die Gruppe<br />
Maskenbau/-spiel entschied sich für den Bau von Menschenmasken.<br />
modellhaFte PraxIS reGIonal _83<br />
Nach dieser ersten Phase wurden die Ergebnisse zusammengetragen.<br />
Die einzelnen Gruppen besuchten sich gegenseitig,<br />
um einen Eindruck von der Arbeit der anderen Bereiche zu<br />
sehen und zu hören. Für die Musikgruppe gab es zwei Ziele:<br />
Einmal das Entwickeln von eigenen, in sich geschlossenen Musikstücken,<br />
und zweitens die Erstellung von dramaturgischer<br />
Musik zu den Theater- und Maskenspielszenen. Nach einer<br />
Ganztagsprobe, in der alle Gruppen im Foyer der <strong>Schule</strong> ihre<br />
Ergebnisse zeigten, wurde allen Jugendlichen die Dimension<br />
dieses Projektes klar.<br />
Die Projektarbeit wurde von Beginn an von Schülern/innen mit<br />
der Kamera dokumentiert. Die Premiere und die Schulvorstellung<br />
von „Mitten im Leben!“ waren sehr gut besucht. Eine weitere<br />
erfolgreiche Aufführung mit anschließender Diskussion<br />
der Darsteller/innen mit dem Publikum fand im Rahmen der<br />
„Jugendtheatertage 2011“ im Staatstheater Oldenburg statt.<br />
Gegenüber früheren Projekten, die nur in der <strong>Schule</strong> stattfanden,<br />
waren hier positive Veränderungen bei den Jugendlichen<br />
zu beobachten. Höhere Konzentrationsfähigkeit, respektvoller<br />
Umgang miteinander und Ernsthaftigkeit dem Theater<br />
gegenüber, führten zu einem bereichernden Ergebnis für alle<br />
Beteiligten.<br />
An der Planung und Durchführung des Projektes waren fünf<br />
Lehrer/innen der Comeniusschule und ein Theaterpädagoge<br />
des Blauschimmel Ateliers als künstlerischer Gesamtleiter<br />
beteiligt. Das Theaterprojekt wurde, ergänzt durch eine Unterstützung<br />
der Gesellschafter-Initiative der Aktion Mensch aus<br />
Mitteln der Comeniusschule Oldenburg finanziert.<br />
Das Blauschimmel Atelier arbeitet seit Jahren mit <strong>Schule</strong>n in<br />
Oldenburg und Umgebung zusammen. Dabei gibt es unterschiedliche<br />
Kooperationsmodelle:<br />
1. Ein/e Teamer/in geht in eine <strong>Schule</strong> und arbeitet dort vor Ort mit<br />
den Schülern/innen.<br />
2. Eine Schulklasse nimmt an einem Blauschimmelprojekt teil.<br />
Hier kommen die Schüler/innen in das Blauschimmel Atelier und<br />
arbeiten zusammen mit Menschen mit und ohne Behinderungen.<br />
3. Eine Schulklasse kooperiert mit anderen Gruppen und Einzelkünstlern/innen,<br />
unter der Leitung des Blauschimmel Ateliers.<br />
KontaKt und weItere InFormatIonen:<br />
www.blauschimmel-atelier.de
84_ Kolumne<br />
nachwort
© sxu.hu<br />
nachwort<br />
Diese Publikation zeigt, wie bunt und vielfältig die Kooperationslandschaft<br />
in Niedersachsen ist. Sie zeigt aber auch, dass<br />
die gelungenen Kooperationen eher ein additives Bild liefern.<br />
Es ist in Niedersachsen keine Infrastruktur für diesen Bildungsbereich<br />
vorhanden. Das notwendige Potenzial, pädagogisches<br />
Know-how und die künstlerischen Kompetenzen sind sowohl<br />
bei Lehrkräften und <strong>Kultur</strong>schaffenden vorhanden. Was fehlt,<br />
ist eine Infrastruktur für die Kooperationsumsetzungen im<br />
Land. Koordinierungsstellen, die im Land flächendeckend verteilt<br />
sind, könnten Kontinuität für Kooperationen bieten und die<br />
Qualität von <strong>Kultur</strong>eller Bildung in <strong>Schule</strong>n sichern. Es besteht<br />
der Wunsch nach einer Projektstruktur, statt nach einem landesweiten<br />
„Projektgestrüpp“. Das Gelingen der Kooperationen<br />
zwischen <strong>Kultur</strong> und <strong>Schule</strong> hängt heute leider immer noch vom<br />
Engagement Einzelner ab. So ist es auch bei dieser Publikation.<br />
Wir sagen Danke bei:<br />
Den 40 Autoren/innen, von denen viele mit ihrem freiwilligen<br />
Engagement ihre Zeit gespendet haben, um eine Betrachtung,<br />
häufig unter erschwerten Bedingungen, für das Gesamtwerk zu<br />
schreiben. Sie haben getextet, kreiert und gesammelt und somit<br />
einen wichtigen Teil zu dem Abbild der Landschaft „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong><br />
<strong>Schule</strong>“ in Niedersachsen beigetragen.<br />
Der Fachstelle „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ der BKJ, im Besonderen<br />
bei Viola Kelb, die es für das Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong><br />
<strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ Niedersachsen möglich ge<strong>macht</strong> hat, diese Publikation<br />
zu veröffentlichen.<br />
nachwort _85<br />
Kerstin Hübner von der BKJ, die immer ein offenes Ohr für unsere<br />
Redaktionssorgen hatte und durch ihre freundliche und konstruktive<br />
Kritik für das runde Ergebnis mitverantwortlich ist.<br />
Helga Bergers für die hilfreiche Unterstützung bei Textverarbeitungsraffinessen<br />
und ihre wohlwollende Geduld im<br />
Umgang mit uns.<br />
Zu guter Letzt möchte ich mich persönlich bei Malin Kettel für<br />
ihre Mitarbeit an dieser Publikation bedanken. Sie hat es mit<br />
ihrer schnellen, zuverlässigen und kompetenten Arbeitsweise<br />
möglich ge<strong>macht</strong>, dass wir innerhalb kürzester Zeit dieses Werk<br />
vollbracht haben. Ich finde es sehr bemerkenswert, wie sehr wir<br />
Hand in Hand zusammenarbeiten konnten.<br />
Koordinationsbüro „<strong>Kultur</strong> <strong>macht</strong> <strong>Schule</strong>“ der<br />
landesvereinigung <strong>Kultur</strong>elle Jugendbildung<br />
niedersachen. e. V.<br />
Anja Krüger<br />
Arnswaldtstr. 28, 30159 Hannover<br />
Fon 0511.60 06 05 56<br />
Fax 0511.60 06 05 60<br />
a.krueger@lkjnds.de<br />
www.lkjnds.de
86_ Kolumne<br />
adreSSen
adreSSen<br />
mItGlIeder der landeSVereInIGunG<br />
<strong>Kultur</strong>elle JuGendBIldunG nIederSachen. e. V.<br />
amateurtheaterverband niedersachsen e. V.<br />
Bruchhöfener Straße 21, 27305 Bruchhausen-Vilsen<br />
brigitte.sante@amateurtheater-niedersachsen.de<br />
www.amateurtheater-niedersachsen.de<br />
arbeitskreis museumspädagogik norddeutschland e. V.<br />
Wasser West 39, 21682 Stade<br />
info@rv-mp-nord.de<br />
www.rv-mp-nord.de<br />
arbeitskreis musik in der Jugend e. V. (amJ)<br />
Grüner Platz 30, 38302 Wolfenbüttel<br />
info@amj-musik.de<br />
www.amj-musik.de<br />
Blauschimmel atelier<br />
Klävemannstraße 16, 26122 Oldenburg<br />
blauschimmel.atelier@ewetel.net<br />
www.blauschimmel-atelier.de<br />
chorjugend im chorverband niedersachsen-Bremen e. V.<br />
Violenstraße 7, 28195 Bremen<br />
post@chorjugend-cvnb.de<br />
www.chorjugend-cvnb.de<br />
drübberholz e. V.<br />
Drübber 4, 27313 Dörverden<br />
Druebberholz@t-online.de<br />
www.druebberholz.de<br />
Fachverband Schultheater –<br />
darstellendes Spiel niedersachsen e. V.<br />
Hauptstraße 6a, 31303 Burgdorf<br />
vorstand@schultheater-nds.de<br />
www.schultheater-nds.de<br />
Friedrich-Bödecker-Kreis e. V. in niedersachsen<br />
Künstlerhaus, Sophienstraße 2, 30159 Hannover<br />
fbk.nds@t-online.de<br />
www.nds.boedecker-kreis.de<br />
www.boedecker-kreis.de<br />
Gesellschaft für theaterpädagogik niedersachsen e. V.<br />
c/o Florian Vaßen<br />
Immengarten 5, 30177 Hannover<br />
florian.vassen@germanistik.uni-hannover.de<br />
www.gesellschaftfuertheaterpaedagogik.net<br />
Jeunesses musicales deutschland e. V.<br />
LV Niedersachsen –<br />
Fortbildungszentrum für Neue Musik Lüneburg<br />
An der Münze 7, 21335 Lüneburg<br />
helmut.w.erdmann@neue-musik-lueneburg.de<br />
www.jmd-niedersachsen.de<br />
www.neue-musik-lueneburg.de<br />
adreSSen _87<br />
Jugendkulturarbeit e. V.<br />
IJP-Oldenburg (Internationales Jugendprojekthaus Oldenburg)<br />
Kranbergstraße 55, 26123 Oldenburg<br />
info@jugendkulturarbeit.eu<br />
www.jugendkulturarbeit.eu<br />
Kommunikations- und aktionszentrum Göttingen (Kaz)<br />
Hospitalstraße 6, 37073 Göttingen<br />
mail@kaz-goettingen.de<br />
www.kaz-goettingen.de<br />
Koppelschleuse meppen<br />
Jugend- und <strong>Kultur</strong>gästehaus<br />
Helter Damm 1, 49716 Meppen<br />
info@koppelschleuse-meppen.de<br />
www.koppelschleuse-meppen.de<br />
<strong>Kultur</strong>werkstatt lüneburg<br />
Sozial-, Jugend- und <strong>Kultur</strong>arbeit<br />
Am Bahndamm 28, 21358 Mechtersen<br />
kusche@fhnon.de<br />
Kunst & Gut –<br />
landesverband der Kunstschulen niedersachsen e. V.<br />
Arnswaldtstraße 28, 30159 Hannover<br />
info@kunst-und-gut.de<br />
www.kunst-und-gut.de<br />
landesarbeitsgemeinschaft (laG) Jazz in niedersachsen e. V.<br />
Zum Rießenfelde 6, 30974 Wennigsen<br />
info@lag-jazz.de<br />
www.lag-jazz.de<br />
landesarbeitsgemeinschaft (laG)<br />
Jugend & Film niedersachsen e. V.<br />
Zaltbommeler Straße 16, 29664 Walsrode<br />
info@lag-jugend-und-film.de<br />
www.lag-jugend-und-film.de<br />
landesarbeitsgemeinschaft (laG) rock in niedersachsen e. V.<br />
Emil-Meyer-Straße 28, 30165 Hannover<br />
info@lagrock.de<br />
www.lagrock.de
88_ adreSSen<br />
landesarbeitsgemeinschaft (laG) tanz niedersachsen e. V.<br />
Neue Reihe 2, 31515 Wunstorf<br />
info@lag-tanz-nds.de<br />
www.lag-tanz-nds.de<br />
landesarbeitsgemeinschaft (laG)<br />
zirkus niedersachsen und Bremen e. V.<br />
Badenstedter Straße 35, 30449 Hannover<br />
Pruisken@Circo-Hannover.de,<br />
www.lag-zirkus.de, www.circaholix.de<br />
www.circo-hannover.de<br />
landestrachtenverband niedersachsen e. V.<br />
Parkstraße 70, 26605 Aurich<br />
wdubiel@l-t-n.de<br />
www.l-t-n.de<br />
landesverband niedersächsischer musikschulen e. V.<br />
Arnswaldtstraße 28, 30159 Hannover<br />
info@musikschulen-niedersachsen.de<br />
www.musikschulen-niedersachsen.de<br />
landesverband rhythmische erziehung<br />
niedersachsen/Bremen e. V.<br />
Im Klingenkampe 30, 30659 Hannover<br />
lreniebre@gmx.de<br />
landesverband theaterpädagogik niedersachsen e. V. (lat)<br />
c/o Jugendkulturarbeit e. V.<br />
Kranbergstraße 55, 261123 Oldenburg<br />
kontakt@lat-niedersachsen.de<br />
www.lat-niedersachsen.de<br />
niedersächsischer musikverband e. V.<br />
Osnabrücker Straße 21, 49170 Hagen am Teutoburger Wald<br />
grba@nds-musikverband.de<br />
www.nds-musikverband.de<br />
theaterpädagogisches<br />
zentrum der emsländischen landschaft e. V. (tPz lingen)<br />
Universitätsplatz 5–6, 49808 Lingen<br />
info@tpz-lingen.de<br />
www.tpz-lingen.de<br />
theaterpädagogisches zentrum hannover e. V. (tPz hannover)<br />
Mühlenberger Markt 1, 30457 Hannover<br />
tpz.hannover@hannover-stadt.de<br />
www.tpz-hannover.de<br />
theaterpädagogisches zentrum hildesheim e. V.<br />
(tPz hildesheim)<br />
Am Ratsbauhof 1c, 31134 Hildesheim<br />
info@tpz-hildesheim.de<br />
www.tpz-hildesheim.de<br />
werkschule albstedt e. V.<br />
Theaterwerk Albstedt<br />
Albstedter Straße 29, 27628 Albstedt<br />
info@theaterwerk.de<br />
www.theaterwerk.de<br />
workshop hannover e. V. – zentrum für kreatives Gestalten<br />
Lister Meile 4, 30161 Hannover<br />
box@workshop-ev.de<br />
www.workshop-ev.de<br />
zinnober –<br />
ein museum für Kinder und Jugendliche in hannover e. V.<br />
c/o Stadtteilzentrum Vahrenwald<br />
Vahrenwalder Straße 92, 30165 Hannover<br />
info@kindermuseum-hannover.de<br />
www.kindermuseum-hannover.de<br />
KooPeratIVe mItGlIeder<br />
Bund Bildender Künstler für niedersachsen e. V. (BBK)<br />
Goseriede 4, 30159 Hannover<br />
kunst@bbk-niedersachsen.de<br />
www.bbk-niedersachsen.de<br />
landesmusikrat niedersachsen e. V. (lmr)<br />
Arnswaldtsraße 28, 30159 Hannover<br />
info@lmr-nds.de<br />
www.landesmusikrat-niedersachsen.de
www.kultur-<strong>macht</strong>-schule.de<br />
Das Online-Fachportal für mehr <strong>Kultur</strong>elle Bildung an <strong>Schule</strong>n!