Die Städte Indiens Entwicklung und Probleme - TomBlog

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Erst mit dem Ausbruch der Pest 1860 änderte sich die Einstellung der Briten. Nach den Regeln einer neuen Städteordnung entstanden Freiflächen durch den Abriss von Mauern und das Verbreitern zu enger Gassen. Parks und Prachtbauten sollten die Städte verschönern, im Außenbereich entstanden neue Wohnviertel aufgrund des weggefallenen Wohnraums im Zentrum. Um ihren Machtbereich weiter auszudehnen, annektierten die Briten nach und nach immer mehr der 600 kleinen Fürstentümer und bezahlten die lokalen Machthaber (Rajas) sogar, jedoch nicht so gut, dass sie ihre angestammt Handwerkerschaft weiter beschäftigen konnten, zumal man immer mehr europäische Luxusgüter für modisch befand und den Produkten der eigenen Handwerker vorzog. So verfielen die Städte im Inland immer mehr, ebenso wie kleinere Hafenstädte, da die drei großen Calcutta, Bombay und Madras ihren Handel ganz auf die britische Krone zentrierten. Die so unterversorgte und verarmte Bevölkerung wanderte in die drei großen Hafenmetropolen, deren Wachstum nach mehr Dienstleistern verlangte und sie so mit Arbeit lockte. (STANG 2002, S. 110f) Das 19. Jhd. brachte Fabriken und die Eisenbahn und somit den Aufschwung für einige Binnenstädte wieder auf Kosten anderer. Der Rückgang der städtischen Bevölkerung kehrte sich für die profitierenden Städte um. Mit der Unabhängigkeit Indiens von der britischen Krone 1931 setzte gar ein rasantes Bevölkerungswachstum ein von insgesamt 279 Mio. auf heute 1,152 Mrd. EW (s. Tab. & Abb. 1.1), die Hafenstädte aber blieben in Führung. Sie waren inzwischen überprägt durch die viel Raum beanspruchende europäischen Architektur, Infrastruktur und Verwaltung. Ämter, Gerichtshof, Kirche, Kasino, Clubs, Friedhof, Pferderennbahn und Bazar, als einziges indisches Element konzentrierten sich hauptsächlich in den so genannten „Civil & Military Stations“ oder „Civil Lines“ und „Cantonments“. Sie waren geprägt von ihren breiten, baumgesäumten Alleen und durch ihre isolierte Lage von der eigentlichen Stadt. Die Cantonments waren meist abgetrennt durch die Eisenbahnlinie und lagen so als „Privilegierten-Ghetto“ neben der „indischen“ Stadt, mit kleinstmöglichem Kontakt zur indischen Bevölkerung. Administration und Militär wohnten dort in vornehmen Bungalows mit Veranda und zahllosen Dienern (hohe Militärs, Politiker) bzw. Kasernen (englische Soldaten) oder kleinen Hütten (indische Soldaten: Sepoys). Zwischen 1820 und 1880 entstanden außerdem die 1.500 – 3.000 m hoch, völlig neu angelegten, heute touristisch genutzten „Hill Stations“ als damalige, kühle Zufluchtsorte für die Oberen in den heißen Sommermonaten – 80 an der Zahl, mit teurer Schmalspureisenbahnanbindung, Internatsschulen, Krankenhäusern und Clubs. Die „indische“ Stadt mit engen Gassen und zahlreichen Geschäften im Tal neben den Cantonments legte sich um einen ebenfalls europäischen gepräten Kern. Schulen, Universitäten oder Einrichtungen wie die Post brachten westliche Kultureinflüsse in den Alltag der Inder, aber nur in den Städten, und selbst dort überwog der Eindruck der vollständigen Separation von den fremdländischen Machthabern und hinterließ eine tiefe Kluft. So steht die indische Stadtbevölkerung noch heute im Konflikt zwischen Tradition und westlicher Orientierung. (STANG 2002, S. 111ff) 10
2.3 Wachstum und Wandel Die Unabhängigkeit Indiens beschleunigte die Urbanisierung dramatisch. Die Stadtbevölkerung vervielfachte sich von 62 auf 159,5 auf 217,6 Mio. EW in 1951, 1981 und 1991 (anteilig: 17,6%, 23,7%, 25,7%). Das unkontrollierte Wachstum mit weiten Randgebieten traf vor allem die Metropolen im Norden aufgrund großer Flüchtlingsströme auch aus Pakistan. Das Stadtbevölkerungswachstum führte zu einer Bebauung jeglicher Freiräume innerhalb und bald auch außerhalb der zusehends an Bedeutung verlierenden Stadtmauern. Die Hauptstraßen verengen Straßengeschäfte, die wenigen Innenhöfe wurden mit Hütten verbaut oder zum Lagerraum umfunktioniert, das obere Stockwerk eines einfachen Hauses ist meist Wohnraum für eine ganze Familie, das untere Werkstatt oder Laden. Die Basare sind nach Produkten aufgeteilt, Gewürze, Stoffe, Gold/Silber etc. in den oberen Stockwerken Ärzte oder Fotokopiergeschäfte. Wer es sich leisten kann zieht von Enge und Lärm dieser Innenstadt in einen aus Beton neu hochgezogene Vorort und arbeitet im klimatisierten Büro eines neuen Wolkenkratzers im Zentrum einer Metropole, den er mit der U-Bahn erreicht. Die neu gebauten Vororte schließen häufig ehemals am Stadtrand gelegene Industrieanlagen oder landwirtschaftlich geprägte Dörfer ein. Die Bauern wurden zumeist enteignet und mussten sich von der Entschädigung eine neue Einnahmequelle suchen. Manche stockten ihre Häuser zur Vermietung auf oder kauften sich einen LKW um als Minitransportunternehmen über die Runden zu kommen. Auch die zuvor ghettoisierten Civil Lines werden zusehends von der häufig in Richtung des Hauptbahnhofs wachsenden Stadt überrollt und in sie integriert, während die Cantonments militärische Anlagen blieben. (STANG 2002, S. 113ff) Übersicht: Geschichte des Industals 6500 v. Chr. (unsichere Datierung) Mehrgarh älteste entdeckte Siedlung im Industal 2600 v. Chr. Hochkultur beginnt: Stadtplanung, Kanalisation 1800 v. Chr. Untergang der Indus-Kultur 1500 bis 600 v. Chr. Vedische Zeit 500 v. Chr. Beginn der buddhistischen Gandhara-Kultur, etwa 1000 Jahre 711 n. Chr. Erster islamischer Einfluss 1526 bis 1761 Mogulreich, Blütezeit des Islam auf dem indischen Subkontinent 1859 bis 1947 Britische Herrschaft ab 1947 Teilung in die Staaten Indien und Pakistan Tab. 2.1: Geschichte des Indus-Tals als Zeittafel (D. WIKI, Artikel: Indus-Kultur) 11
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