| Fotowettbewerb FH Mainz | PALIMPSEST
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Prof. Stefan Enders<br />
unterrichtet Fotografie im Studiengang Design<br />
Meine Professur verdanke ich einem<br />
netten älteren Herrn. Dieser Herr heißt<br />
Sadik Al Azm und ist ein international<br />
geachteter Philosoph aus Syrien. Nach<br />
Ausbruch des Irak-Krieges fotografierte<br />
ich ihn anlässlich eines<br />
Interviews des Magazins<br />
STERN.<br />
Einige Monate später bestellte<br />
die Wochenzeitung<br />
DIE ZEIT diese Porträts,<br />
um sie als Nachdruck für<br />
ein eigenes Interview zu<br />
nutzen. Somit fand ich im<br />
Mai 2004 – seit vielen<br />
Jahren mal wieder – eine Ausgabe<br />
der ZEIT als Belegexemplar in meinem<br />
Briefkasten vor. Und just in diesem<br />
Exemplar stieß ich auf die Ausschreibung<br />
einer Fotografie-Professur – ausgerechnet<br />
auch noch in meiner ursprünglichen<br />
Heimatstadt <strong>Mainz</strong>, was<br />
ich ansonsten mit Sicherheit nicht<br />
wahrgenommen hätte.<br />
Diese Anekdote wirft ein Licht darauf,<br />
wie eng für mich meine Lehrtätigkeit<br />
mit meiner eigenen gestalterischen<br />
Arbeit verbunden ist. Meine eigene<br />
künstlerische wie auch foto-journalistische<br />
Arbeit stellt die Basis und<br />
Grundlage dar, aus der ich meine Kraft,<br />
mein Wissen und meine Begeisterung<br />
schöpfe, um dies wiederum jungen<br />
Menschen weitergeben zu können.<br />
Meine beruflichen Wege begannen<br />
– wie bereits erwähnt – in <strong>Mainz</strong>;<br />
hier studierte ich Malerei am Fachbereich<br />
Kunst der Universität. Nach<br />
dem Staatsexamen wechselte ich an<br />
die Kunstakademie Düsseldorf. Fotografie<br />
spielte für mich zu der Zeit nur<br />
<strong>FH</strong> <strong>Mainz</strong> Forum 2/2005<br />
PERSONALIEN<br />
die untergeordnete Rolle eines Hilfsmittels:<br />
um sie für aufwendige Skizzenarbeiten<br />
meiner Malerei-Projekte<br />
nutzen zu können, belegte ich einen<br />
Foto-Grundkurs. Doch vom ersten Tag<br />
an begann die Fotografie<br />
als solche mich als Maler<br />
zu faszinieren und tief zu<br />
berühren. Es sollte jedoch<br />
noch viele Jahre dauern,<br />
bis das Medium Fotografie<br />
den Mittelpunkt meiner<br />
künstlerischen Arbeit<br />
einnahm.<br />
Der letztendliche Schritt<br />
zur Fotografie entstand aus der Begeisterung<br />
über die unausweichliche<br />
Nähe zur Realität, welche mit diesem<br />
Medium verbunden war. Eine Nähe,<br />
die man auf den ersten Blick eher<br />
als Einschränkung bezeichnen könnte;<br />
denn ich konnte plötzlich nicht mehr<br />
– wie als Maler oder Bildhauer – meine<br />
Sujets, meine Bildgegenstände frei<br />
„erfinden“. Ich war gebunden an das,<br />
was vor meiner Kamera stattfand. Ich<br />
musste mich viel unmittelbarer mit<br />
der Realität auseinandersetzen – mich<br />
der Realität „aussetzen“. Genau das<br />
erlebte ich als das Faszinierende an<br />
diesem Medium.<br />
Dies lässt erahnen, dass mich das<br />
Inszenieren „künstlicher Welten“ im<br />
Studio weniger interessierte; vielmehr<br />
stand das Suchen, das Beobachten<br />
und Entdecken-Wollen im Vordergrund.<br />
Es war logisch, dass mein Weg<br />
zu einer eher journalistisch geprägten<br />
Fotografie führte. In den beiden letzten<br />
Jahrzehnten arbeitete ich für viele<br />
deutschsprachige wie internationale<br />
Magazine im Bereich Reportage und<br />
Porträt – durch eine regelmäßige und<br />
kontinuierliche Mitarbeit besonders<br />
eng verbunden mit dem STERN. In<br />
Deutschland wurden meine Arbeiten<br />
veröffentlicht in Magazinen wie GEO,<br />
MERIAN, SPIEGEL, DIE ZEIT u.v.a.<br />
So eng meine Bewerbung für diese<br />
Professur mit meiner fotografischen<br />
Arbeit verbunden begann, so endete<br />
sie auch: Ich war kurz nach Weihnachten<br />
vom STERN in das Tsunami-<br />
Katastrophengebiet geschickt worden.<br />
Während ich, eine Kamera am Auge<br />
und gleichzeitig tief betroffen, auf<br />
den Trümmern des bis dahin den meisten<br />
unbekannten thailändischen Ortes<br />
Khao Lak stand, erreichte mich meine<br />
Frau auf meinem Mobiltelefon mit der<br />
Nachricht, dass der Minister meinen<br />
Ruf ausgesprochen habe.<br />
Ich beginne diese Professur zu einem<br />
Zeitpunkt der großen Umwälzungen<br />
– nicht nur in der Fotografie. Das 20.<br />
Jahrhundert war das große Jahrhundert<br />
der Silber-Halogenid-Fotografie;<br />
die Welt wurde entdeckt, sie wurde<br />
uns offenbart durch die großen<br />
Magazine wie LIFE, wie den STERN<br />
und durch die großen Fotografen, wie<br />
z.B. denen der berühmten Fotografen-<br />
Agentur MAGNUM. Der bekannteste<br />
von ihnen, Henri Cartier-Bresson, ist<br />
genauso wie der wunderbare Richard<br />
Avedon oder der große Helmut Newton<br />
vor kurzem gestorben. Als ob<br />
nun wirklich eine Ära ausgeläutet<br />
werden soll, muss die alt ehrwürdige<br />
Foto-Firma Agfa Insolvenz anmelden<br />
und verkündet Kodak, dass man die<br />
Produktion der klassischen Schwarz-<br />
Weiß-Fotopapiere einstellen werde.<br />
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