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Pferdgestützte Psychomotoriktherapie bei Jugendlichen mit ... - BSCW

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Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich<br />

Studiengang: <strong>Psychomotoriktherapie</strong> 0710<br />

<strong>Pferdgestützte</strong><br />

<strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

<strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />

<strong>mit</strong> Depressionen<br />

Bachelor-Ar<strong>bei</strong>t<br />

Eingereicht von Andrea, Auf der Maur<br />

& Rima, Thüler<br />

Betreuung durch lic. phil. Irene, Kranz<br />

Abgabetermin: 8.3.2010


Abstract<br />

Angebote, die durch den Einsatz von Tieren dem Menschen<br />

helfen und heilen können, führten uns zur Idee, dass auch die<br />

<strong>Psychomotoriktherapie</strong> (PMT) durch Tiere gestützt werden könnte.<br />

Uns interessiert <strong>mit</strong> welchem Vorgehen Pferde und ihr Milieu, in der<br />

PMT eingesetzt werden können, um die Therapie von <strong>Jugendlichen</strong>,<br />

die an einer Depression leiden, zu begünstigen.<br />

Wir gehen davon aus, dass der Einsatz des Pferdes und seinem Milieu<br />

den Therapieprozess begünstigen, dass die Affinität zu Tieren eine<br />

Rolle spielt, dass das Gebiet der pferdgestützten PMT zahlreiche<br />

Möglichkeiten bietet, die vielfältig die Therapie bereichern und<br />

dass bestimmte Ar<strong>bei</strong>tsweisen für depressive Jugendliche,<br />

gezielt eingesetzt werden können.<br />

Wir setzen uns <strong>mit</strong> der Literatur auseinander, hospitieren <strong>Pferdgestützte</strong><br />

Therapien und führen Interviews durch. Zum Schluss beantworten<br />

wir die Fragestellung durch Praxisvorschläge.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 2<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort ............................................................................................................................................ 5<br />

1. Einleitung ................................................................................................................................ 6<br />

1.1 Fragestellung ........................................................................................................................................................ 7<br />

1.2 Hypothesen ............................................................................................................................................................ 7<br />

2. Theoretische Überlegungen ................................................................................................... 8<br />

2.1 Emotionale Entwicklung.................................................................................................................................. 8<br />

2.2 Resilienz ............................................................................................................................................................... 12<br />

2.3 Das Krankheitsbild der Depression (<strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong>) ................................................................... 15<br />

2.4. Tiergestützte Therapie ................................................................................................................................. 26<br />

2.5 Therapeutische Massnahmen anhand des Pferdes ............................................................................ 31<br />

2.6 Was ist <strong>Psychomotoriktherapie</strong> ................................................................................................................. 39<br />

3. Methodisches Vorgehen ....................................................................................................... 43<br />

3.1 Forschungsmethoden ..................................................................................................................................... 43<br />

3.2 Erhebungsinstrument .................................................................................................................................... 43<br />

3.3 Stichprobe ........................................................................................................................................................... 44<br />

3.4 Durchführung .................................................................................................................................................... 44<br />

3.5 Aufbereitung und Auswertung der Daten ............................................................................................. 45<br />

4. Ergebnisse ............................................................................................................................ 46<br />

4.1 Aus- und Weiterbildung der Reittherapeutinnen bzw. Reitpädagogen .................................... 47<br />

4.2 Theoretische Grundlagen der Reittherapeutinnen bzw. Reitpädagogen ................................ 48<br />

4.3 Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen: Praktische Vorschläge für die Durchführung einer Therapiestunde .... 50<br />

4.3 Gesammelte Praxiserfahrungen: Schwerpunkt <strong>bei</strong> Depression .................................................... 54<br />

4.5 Wirkfaktoren: Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferden <strong>bei</strong> einer Klientel <strong>mit</strong> Depression ....................................... 61<br />

4.6 Zusammenführungen der Ergebnisse aus Literatur und Praxis .................................................. 64<br />

4.7 Überprüfung der Hypothesen ...................................................................................................................... 70<br />

5. Diskussion ............................................................................................................................. 72<br />

5.1 Zusammenfassung der wichtigsten Befunde ........................................................................................ 72<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 3<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik


5.2 Diskussion der Ergebnisse bezüglich der Fragestellung ................................................................. 73<br />

5.3 Konsequenzen für die Praxis ....................................................................................................................... 78<br />

5.4 Kritische Reflexion der eigenen Untersuchung ................................................................................... 79<br />

5.5 Ausblick ................................................................................................................................................................ 80<br />

6. Literaturverzeichnis .............................................................................................................. 81<br />

7. Anhang ................................................................................................................................. 83<br />

7.1 Angabe der Autorenschaft ............................................................................................................................ 83<br />

7.2 Lebensläufe .......................................................................................................................................................... 83<br />

7.3 Ausführliche Beschreibung der Stichprobe ............................................................................................ 85<br />

7.4 Erfahrungsbericht aufgrund des Besuches eines Therapiehofes <strong>bei</strong> Genf ................................ 88<br />

7.5 Leitfaden-Interviews ........................................................................................................................................ 90<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 4<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik


Vorwort<br />

An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich <strong>bei</strong> unserer Begleitperson Irene Kranz, den<br />

<strong>mit</strong>wirkenden Therapeutinnen und Pädagoginnen sowie dem <strong>mit</strong>wirkendem Pädagogen und<br />

unseren Gegenleserinnen für ihre liebevolle Unterstützung bedanken.<br />

Es war einmal ein kleines Mädchen,<br />

dem starb die Mutter. Da legte es sich<br />

ins Bett und sprach <strong>mit</strong> niemandem mehr.<br />

Sein Vater rief viele Ärzte her<strong>bei</strong>, aber keiner<br />

konnte helfen. Eines Tages kam eine Katze<br />

ins Zimmer, setzte sich aufs Bett und sagte:<br />

„Streichle mich!“ Das Kind regte sich nicht.<br />

Da sagte die Katze noch einmal:<br />

„Streichle mich!“ Aber das Mädchen sah<br />

starr vor sich hin. Da legte die Katze sich auf<br />

seine Brust, schnurrte und kitzelte es <strong>mit</strong> dem<br />

Schwanz an der Nase. Da lachte das Kind und<br />

streichelte die Katze. Danach stand es auf<br />

und wurde wieder gesund.<br />

(Greiffenhagen, 1991, S. 13)<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 5<br />

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1. Einleitung<br />

Tiere sind mehr als bloss Mitbewohner des Planeten Erde. Schaut man in der Geschichte<br />

zurück, entdeckt man, dass Tiere schon immer eine grosse Bedeutung für den Menschen<br />

hatten. Die Geschichte der Haustiere, die nicht aus wirtschaftlichen Gründen gehalten werden,<br />

ist schon sehr alt. Ein Haustier zu halten bringt viel Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> sich und verlangt einen<br />

verantwortungsvollen Umgang. Dennoch sind viele Menschen bereit, die Umstände auf sich<br />

zu nehmen, um ein Haustier halten zu können. Es gibt viele Anreize, die ein solches Tier <strong>mit</strong><br />

sich bringt. Aus persönlicher Erfahrung <strong>mit</strong> im Haus lebenden Tieren wissen wir, dass man<br />

sehr viel mehr als ein Tier erhält, wenn man sich ein Haustier anschafft. Sofern man möchte,<br />

kann man <strong>mit</strong> Tieren eine Beziehung aufbauen, die sehr viele Erfahrungen ermöglicht. Durch<br />

das Tier kann man zum Beispiel Trost erfahren, <strong>mit</strong> ihm Spass haben, denn sie animieren uns<br />

zum Spielen. Grundlegend ist zudem, dass Tiere dem Menschen offen, das heisst ohne Vorurteile,<br />

begegnen und ihn nicht auf Grund seines Aussehens oder einer Behinderung anders<br />

behandeln. Auf jeden Fall bereichern Tiere unser Leben und deshalb halten wir <strong>bei</strong>de trotz<br />

allen Sorgen und Umständen, welche die Tierhaltung <strong>mit</strong> sich bringt, unsere tierischen Lieblinge.<br />

Für uns liegt die Vermutung nahe, dass Tiere einen positiven Einfluss auf den Menschen haben<br />

und ihm so<strong>mit</strong> helfen können zu heilen. Durch bestehende Angebote, welche <strong>mit</strong> dem<br />

Tier versuchen dem Menschen zu helfen, wurde diese Vermutung, dass Tiere auch in der<br />

Therapie eine Bereicherung darstellen könnten, bestätigt. In der Praxis existieren einige<br />

durch Tiere unterstützte Angebote. Die bekanntesten sind wohl die Delphintherapie, <strong>mit</strong> der<br />

ein therapeutischer Zugang zu autistischen Klientinnen und Klienten erleichtert wird und die<br />

Hippotherapie, <strong>bei</strong> der die dreidimensionalen Bewegungen des Pferdes für die Physiotherapie<br />

genutzt wird.<br />

Jedoch gibt es sehr wenig Angebote, welche spezifisch psychomotorisch den Tieren in der<br />

Therapie ar<strong>bei</strong>ten. Wir vermuten nun und so<strong>mit</strong> kommen wir zur Ausgangsthese unserer<br />

Bachelorar<strong>bei</strong>t, dass der Einsatz von Tieren auch in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> eine Bereicherung<br />

sein kann. Leider gibt es nicht nur sehr wenig Ansatzmöglichkeiten im Praxisfeld,<br />

sondern auch <strong>bei</strong>nahe keine Literatur, welche sich dieser Thematik widmet. Die Theorie zur<br />

tiergestützten Therapie hinkt der Praxis nach, was dazu <strong>bei</strong>trägt, dass die therapeutische<br />

Wirkung von Tieren leider immer noch zu wenig anerkannt ist. Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

weist einige Parallelen zu tiergestützten Therapieformen auf. Insbesondere in dem Punkt,<br />

dass <strong>bei</strong>de aus der Praxis entstanden sind und nun im Nachhinein wissenschaftlich belegt<br />

werden müssen, da<strong>mit</strong> sie in der Gesellschaft verankert und anerkannt werden können. Dies<br />

betrachten wir als einen zusätzlichen Ansporn, unsere Bachelorar<strong>bei</strong>t diesem Thema zu<br />

widmen.<br />

Zur Einschränkung unserer Ar<strong>bei</strong>t, richten wir den Fokus auf die durch Pferde gestützte therapeutische<br />

Ar<strong>bei</strong>t, <strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, die an Depressionen leiden. Eigentlich wollten wir uns<br />

zu Beginn nicht auf ein Tier beschränken, da wir davon überzeugt sind, dass verschiedene<br />

Tiere für den therapeutischen Einsatz geeignet sind. Doch die Berücksichtigung verschiedener<br />

Tiere würde den Rahmen unserer Ar<strong>bei</strong>t sprengen. Da uns aus der Praxis bis jetzt nur<br />

Institutionen, welche durch den Einsatz von Pferden psychomotorisch ar<strong>bei</strong>ten, begegnet<br />

sind, werden wir uns auf das Pferd beschränken. Dies in der Hoffnung, so auch an möglichst<br />

viele Informationen über bestehende Angebote zu gelangen. Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong>,<br />

wie auch die Therapie <strong>mit</strong> Pferden sind ganzheitliche Ansätze und helfen der Klientel sich in<br />

verschiedenen Bereichen zu entwickeln. Zum Beispiel in der Motorik, auf der emotionalen<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 6<br />

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Seite oder im sozialen Bereich. Da alle Bereiche unsere Kapazität übersteigen würden, möchten<br />

wir unseren Schwerpunkt auf die emotionalen Aspekte setzen.<br />

Durch unser Interesse am Thema Depression schränken wir die Klientel ein. Die Depression<br />

ist eine vielen bekannte psychische Erkrankung, welche psychische wie auch physische Auswirkungen<br />

<strong>mit</strong> sich bringt. Daher ist es sinnvoll, einer Depression auf verschiedenen Ebenen<br />

zu begegnen und eine ganzheitliche Therapie anzubieten. Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> kann<br />

die psychotherapeutische Ar<strong>bei</strong>t nicht ersetzen, sie aber sinnvoll ergänzen.<br />

Wir sind davon überzeugt, dass die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> ihrer ganzheitlichen Vorgehensweise<br />

einen wichtigen Beitrag zur Behandlung oder Prävention der Depression leisten<br />

kann. Des Weiteren haben wir uns auf das Alter der Adoleszenz beschränkt, da wir diesen<br />

Lebensabschnitt <strong>mit</strong> seinen zahlreichen psychischen wie auch physischen Veränderungen,<br />

welche nicht immer leicht zu bewältigen sind, als sehr spannend empfinden.<br />

Unser Ziel ist es, die bestehenden Angebote kennen zu lernen, um sie zu einem allgemeinen<br />

Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen zu verknüpfen. Diese soll dann auch das psychomotorische Gedankengut<br />

<strong>mit</strong> konkreten Ar<strong>bei</strong>tsvorschlägen für depressive Jugendliche <strong>mit</strong> Hilfe von Pferden <strong>bei</strong>nhalten.<br />

Zudem möchten wir einen Beitrag dazu leisten, dass tiergestützte Therapien ein besseres<br />

Ansehen erhalten und deshalb auch bereits erforschte Wissensstände spezifisch wiedergeben.<br />

1.1 Fragestellung<br />

Unsere Ar<strong>bei</strong>t orientiert sich in erster Linie an der Frage:<br />

“Mit welchem Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen können Pferde und ihr Milieu, in der psychomotorischen<br />

Therapie eingesetzt werden, um den Therapieprozess von <strong>Jugendlichen</strong>, die an einer<br />

Depression leiden, zu begünstigen?“<br />

Mit dem Begriff Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen meinen wir die konkrete Durchführung einer Therapiestunde.<br />

Diese umfasst die Struktur der Stunde, sowie verwendete Ar<strong>bei</strong>ts<strong>mit</strong>tel und die Ar<strong>bei</strong>tsweise,<br />

also die Art und Weise wie die Therapeutin bzw. der Therapeut interagiert.<br />

Unter Milieu verstehen wir die nahe Lebenswelt der Pferde. Dazu gehören Hof, Stall und<br />

Umgebung, sowie spezifische Materialien, welche <strong>bei</strong> einer Pferdehaltung gebraucht werden.<br />

1.2 Hypothesen<br />

Unsere Hypothesen stützen wir auf Erfahrungen und Beobachtungen, die wir auf der Studienreise<br />

im Februar 2009 gemacht haben. Da<strong>bei</strong> waren wir <strong>bei</strong> einer Institution in der Nähe<br />

von Genf zu Besuch, die Psychomotorik <strong>mit</strong> Pferden anbietet.<br />

a) Der Einsatz des Pferdes und seinem Milieu kann den therapeutischen Prozess der<br />

<strong>Psychomotoriktherapie</strong> begünstigen.<br />

b) Die Affinität zu Tieren spielt eine Rolle.<br />

c) Bestimmte Ar<strong>bei</strong>tsweisen der tiergestützten Therapie können gezielt für Jugendliche<br />

<strong>mit</strong> einer Depression eingesetzt werden.<br />

d) Das Gebiet der <strong>Pferdgestützte</strong>n Therapie bietet zahlreiche Möglichkeiten, die auf<br />

vielfältige Weisen den Therapieprozess bereichern.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 7<br />

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2. Theoretische Überlegungen<br />

Da sich unsere Thematik aus verschiedenen Bereichen zusammensetzt und in dieser Kombination<br />

für uns neu war, bzw. wir keine spezifische Literatur die alle Bereiche berücksichtigt<br />

auffinden konnten, stellte sich uns die Herausforderung uns <strong>mit</strong> den einzelnen Bereichen<br />

auseinander zu setzen, um diese dann in einem weiteren Schritt zusammen führen zu können.<br />

In den folgenden Ausführungen geben wir die, aus der Theorie gefilterten, Konstrukte wieder.<br />

Da<strong>bei</strong> beginnen wir <strong>bei</strong>m Säugling <strong>mit</strong> der emotionalen Entwicklung. Es gibt Aspekte der<br />

emotionalen Entwicklung, welche von tragender Bedeutung <strong>bei</strong> der Entstehung einer Depression<br />

sind, da sich <strong>bei</strong> einer ungünstigen Entwicklung Risikofaktoren ausbilden können.<br />

Daher thematisieren wir danach die Resilienz <strong>mit</strong> ihren Schutz- und Risikofaktoren, welche<br />

auch <strong>bei</strong> der Entstehung, Aufrechterhaltung und Vermeidung einer Depression relevant sind.<br />

Ausserdem beleuchten wir das Krankheitsbild der Depression erst allgemein, danach <strong>mit</strong><br />

dem Fokus auf Jugendliche. Darauf folgen Informationen zur tiergestützten Therapie im Allgemeinen,<br />

bevor wir uns auf das Pferd beschränken. Den Abschluss des Theorieblocks bildet<br />

das Kapitel über die <strong>Psychomotoriktherapie</strong>.<br />

2.1 Emotionale Entwicklung<br />

Im folgenden Abschnitt geben wir einen verkürzten Überblick über die emotionale Entwicklung<br />

des Kindes, da wie bereits aufgeführt Aspekte der emotionalen Entwicklung von tragender<br />

Bedeutung <strong>bei</strong> der Entstehung einer Depression sind. Wir führen die wichtigsten Fakten<br />

der Bindungstheorie aus und nehmen danach die Affektregulation ins Visier. Zum Schluss<br />

möchten wir die Relevanz der emotionalen Entwicklung <strong>mit</strong> der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> in<br />

Bezug setzen.<br />

2.1.1 Bindungstheorie<br />

Martin Dornes beschäftigt sich <strong>mit</strong> der Bindungstheorie, welche vom englischen Psychoanalytiker<br />

John Bowlby und der kanadischen Psychologin Mary Ainsworth begründet wurde.<br />

Da<strong>bei</strong> wendet Martin Dornes sich den Ar<strong>bei</strong>ten zu, die sich <strong>mit</strong> der Bindungstheorie unter<br />

einem explizit psychoanalytischen Gesichtspunkt befassen.<br />

Das Kleinkind verfügt über beziehungsstiftende Verhaltensweisen. Wenn es sich müde,<br />

krank, unsicher oder alleine fühlt, aktiviert es Bindungsverhaltensweisen wie Schreien, Lächeln,<br />

Anklammern und Nachfolgen, um die Nähe zur vertrauten Person wieder herzustellen.<br />

Diese ist zu Beginn die Mutter oder der Vater. Je nachdem wie die Eltern auf ihr Kind<br />

eingehen, bilden sich unterschiedliche Bindungstypen. Verfügt die Mutter zum Beispiel über<br />

genügend Feingefühl die Stimmungslage des Säuglings zu erkennen und dementsprechend<br />

zu handeln, wird das Kind sicher gebunden. Lenkt oder weist jemand sein Kind ab, in Situationen<br />

in denen es viele Emotionen zeigt, kann eine unsicher gebundene Beziehung entstehen.<br />

Sind die Reaktionen der Mutter auf das Kind inkonsistent und nicht voraussehbar, entwickelt<br />

das Kind einen unsicher-ambivalenten Bindungsstil. Reagiert die Mutter zurückweisend<br />

auf die Bindungsbedürfnisse des Kindes, wird eine unsicher vermeidende Bindung aufgebaut.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 8<br />

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Beim Aufbau des Bindungsverhaltens fällt vor allem das erste Lebensjahr ins Gewicht. Da<strong>bei</strong><br />

können die Kinder auch verschiedene Bindungsstile zu unterschiedlichen Personen entwickeln.<br />

Erst <strong>mit</strong> der Zeit werden sich diese Stile hierarchisch ordnen. Sichere sowie unsichere<br />

Bindungen gehören zum Normalspektrum unserer Gesellschaft. Nichts desto trotz wirken sie<br />

sich auf die Entwicklung aus. Unsicher gebundene Kinder haben ein höheres Risiko später<br />

psychopathologische Probleme zu entwickeln. Eine sichere Bindung wiederum ist ein Schutzfaktor<br />

(vgl. Dornes, 2007).<br />

Mehr Informationen zu den Schutz- und Risikofaktoren folgen unter 2.2 Resilienz.<br />

Überspitzt dargestellt führt eine sichere Bindung zu:<br />

- Adäquatem Sozialverhalten im Kindergarten<br />

- Selbständigem Lösen von auftauchenden Konflikten<br />

- Mehr Phantasie, mehr positiven Affekten und mehr Ausdauer<br />

- Konzentration, Erfindungsreichtum und Frustrationstoleranz<br />

- Problemlösestrategien: erst selber probieren, dann Hilfe holen<br />

- Realistischer Interpretation einer zwiespältigen Situation (vgl. Dornes, 2007)<br />

Die Relevanz der Bindungstheorie werden wir unter 2.1.4 beleuchten. Bevor dies aber geschieht,<br />

geben wir nun einen Überblick über das Erlernen der Affektregulation, was essentiell<br />

für einen positiven Emotionshaushalt ist.<br />

2.1.2 Affektregulation<br />

Der Mensch kommt <strong>mit</strong> sogenannten Basisemotionen wie Ärger, Furcht, Traurigkeit, Ekel<br />

und Freude auf die Welt. Weltweit drückt der Mensch diese Gefühle <strong>mit</strong> derselben Mimik<br />

aus. Dies ist so, weil diese Basis-Gesichtsausdrücke direkt an die Gefühle gekoppelt sind. Der<br />

Gesichtsausdruck hat auf das autonome Nervensystem, wie zum Beispiel Blutdruck, Pulsfrequenz<br />

und der elektrische Hautwiderstand eine Wirkung. Bei freudigen Gefühlen sind diese<br />

Parameter <strong>bei</strong>spielsweise anders als <strong>bei</strong> ärgerlichen.<br />

Bevor der Säugling seine Effekte aber regulieren kann, muss er dies erst lernen. Dies geschieht<br />

durch Spiegelungen des Bezugspartners. Da<strong>bei</strong> unterscheidet der Psychoanalytiker<br />

György Gergely die sogenannte Primäre und die Sekundäre Affektregulation (vgl. Dornes,<br />

2007).<br />

Primäre Affektregulation<br />

Das Kind erlebt Gefühlszustände, deren es sich aber höchstens vage bewusst ist. Da<strong>mit</strong> es<br />

seiner Emotionen bewusst und fähig wird sie zu regulieren, braucht es soziale Interaktionspartner.<br />

Eltern kommunizieren <strong>mit</strong> ihrem Kleinkind im Babytalk. Sie sprechen in einer höheren<br />

Stimmlage, repetieren und variieren ihre Worte. (Dies lässt sich übrigens schon <strong>bei</strong><br />

Kleinkindern ab drei bis vier Jahren beobachten.) Gleichzeitig spiegelt die Bezugsperson den<br />

Gefühlszustand des Kindes in seinem Gesicht. Dies geschieht in einer etwas übertriebenen<br />

Weise. Dem Kind stellt sich nun die Frage, liefert der Gesichtsausdruck der Mutter eine eigene<br />

oder seine Gefühlsregung. Mit der Zeit lernt der Säugling zu erkennen, dass es sich um<br />

seine Gefühle handelt. Er erlebt ein Erfolgserlebnis, dies geschieht durch das aufgenommen<br />

und verstanden werden seines ausgedrückten Gefühls durch einen Interaktionspartner. Dadurch<br />

werden nun auch die Gefühle des Kindes verändert. Es lernt, dass es seine eigenen<br />

Emotionen regulieren kann (vgl. Dornes, 2007). Ist ein Kind zum Beispiel wütend und drückt<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 9<br />

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dies aus, kann seine Mutter ihm seine Stimmung spiegeln und durch das „Verstandenworden-sein“<br />

verändert sich die kindliche Stimmung positiv, es beginnt zu lächeln.<br />

Sekundäre Affektregulation<br />

Die sekundäre Affektregulation ist ein bisschen komplexer. Der Prozess des Spiegelns ist<br />

wiederum grundlegend dafür. Sie beginnt erneut da<strong>mit</strong>, dass sich der Säugling in einer<br />

Stimmung befindet und diese mimisch zum Ausdruck bringt. Die Reflexion seines Zustandes<br />

auf dem Gesicht der Mutter liefert ihm eine neue Emotion. Wenn diese nahe aufeinander<br />

folgen, verknüpft das Kind diese <strong>bei</strong>den Einheiten. Diese Einheit wird <strong>bei</strong>m nächsten Mal,<br />

wenn der Säugling sich wieder in dieser Stimmung befindet, aktiviert und das Kind „sieht“<br />

den Gesichtsausdruck von seiner Mutter. Dies ist symbolisch gemeint, seine Mutter muss<br />

nicht direkt vor ihm stehen. Wenn die eigene Emotion <strong>mit</strong> der Mimik der Mutter eng verbunden<br />

ist, hat das Kind eine Repräsentanz seiner Mutter gebildet (vgl. Dornes, 2007).<br />

Unter Umständen kann die sekundäre Affektregulation, <strong>bei</strong> der ein externes Bild internalisiert<br />

wird, auch zu Schwierigkeiten führen. Angenommen es freut sich über eine Tätigkeit die<br />

es macht, erhält von der Mutter aber Enttäuschung oder Missmut zurück gespiegelt, speichert<br />

das Kind eine ambivalente Gefühls-Einheit. Für zukünftiges Handeln existiert also ein<br />

gegensätzliches Gefühls-Konstrukt. Befindet sich das Individuum wieder in diesem Gefühlszustand<br />

wird das zweite Gefühl, die Repräsentanz des mütterlichen Gesichtsausdrucks, auch<br />

aktiviert und führt zu zwiespältigen Situationen. Dadurch wird das Handeln erschwert, da die<br />

Situation nicht so schnell realistisch eingeschätzt werden kann und Entscheidungen dadurch<br />

schwieriger zu fällen sind (vgl. Dornes, 2007). Dies wird in der eingeschränkten Handlungsfähigkeit<br />

ersichtlich, denn der Mensch teilt sich handelnd <strong>mit</strong>. Um solche Situationen zu lösen,<br />

können nun Strategien entwickelt werden, dass zum Beispiel immer auf eine gewisse Weise<br />

gehandelt wird. Dies stellt so eine Art des stereotypen Handelns dar. Solches Verhalten führt<br />

nun aber dazu, dass sich der Mensch nicht weiterentwickelt. Dadurch verliert er immer mehr<br />

an Handlungsfähigkeit, denn jede Handlung ist <strong>mit</strong> Entscheidungen verbunden. Wir müssen<br />

uns entscheiden da<strong>mit</strong> wir überleben und uns tagtäglich neu orientieren können. Der<br />

Mensch muss aus seinen Handlungen lernen, um sich in der stets ändernden Welt orientieren<br />

und entwickeln zu können.<br />

An diesem Punkt möchten wir darauf verweisen, dass hier die Bindungsqualität im Handeln<br />

sichtbar wird. Bei der Auflistung, was eine sichere Bindung im Idealfall auslösen kann, steht<br />

als letzter Punkt die realistische Interpretation von einer zwiespältigen Situation. Emotionen<br />

und Handlung sind so<strong>mit</strong> eng durch Wechselwirkungen verbunden.<br />

Da<strong>bei</strong> ist die erste eingegangene soziale Beziehung grundlegend für das weitere Interaktionsverhalten<br />

und die differenzierte Gefühlswahrnehmung des heranwachsenden Menschen.<br />

2.1.3 Zusammenführung Bindungstheorie und Affektregulation<br />

Eine sichere Bindung geht so<strong>mit</strong> <strong>mit</strong> einer situationsadäquaten Affektregulation einher. Erst<br />

wenn das Kind seine Gefühle wahrnehmen und interpretieren kann, ist es fähig, diese anderen<br />

<strong>mit</strong>zuteilen. Da<strong>bei</strong> ist eine sichere Bindung Ursache dafür, dass das Kind dem Ansprechpartner<br />

vertraut. Dadurch wird das Suchen nach Unterstützung und Trost erst ermöglicht.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 10<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik


Danach kommt es darauf an, <strong>mit</strong> welcher Feinfühligkeit die Bezugsperson auf das Kind reagiert.<br />

Bei einer unsicheren Bindung könnte es zum Beispiel auch sein, dass im Prozess der<br />

sekundären Affektregulation, die Bezugsbilder der Mutter diskrepant sind zu der eigenen<br />

Stimmung. Das Baby lächelt, aber die Mutter wirft einen mürrischen Blick zurück. Dies würde<br />

zu einem ambivalenten Bindungsverhalten führen. Fehlt die Spiegelung ganz, wird das Kind<br />

ignoriert, kann das Kind keine Selbstwirksamkeit aufbauen und fühlt sich der Welt schutzlos<br />

ausgeliefert. Dieses Gefühl der Ohnmacht trägt das Kind auf seinem Lebensweg <strong>mit</strong>, was<br />

wiederum im Jugendalter das Risiko psychopathologische Störungen zu erleiden, erhöhen<br />

kann.<br />

Das Prinzip, leidvolle Gefühle zu äussern oder sich an sie erinnern zu<br />

können und dann diese Gefühle zum Anlass zu nehmen um <strong>bei</strong> einer<br />

vertrauten Person um Hilfe, Unterstützung oder Trost zu bitten, scheint<br />

ein wesentliches Merkmal von Bindungssicherheit während des gesamten<br />

Lebenslaufs zu sein.<br />

(Dornes, 2007, S. 60)<br />

2.1.4 Relevanz für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Hypothese: Wenn der Mensch sich stetig entwickelt, sein Gehirn sich fortlaufend an neue<br />

Situationen anpasst, scheint die Möglichkeit vorhanden, im späteren Leben Programme zu<br />

ändern, die ganz zu Beginn schon durch Interaktionsprozesse gebildet worden sind.<br />

Diese Hypothese bauen wir auf der entwicklungspsychologischen Strömung auf. Besonders<br />

die Theorie von Erik Erikson bietet sich hier an. Sie geht von einer kontinuierlichen Entwicklung<br />

des Menschen aus. Da<strong>bei</strong> hat er Phasen zu durchlaufen, die von gegensätzlichen Polen<br />

geprägt sind. Diese Phasen sind epigenetisch, sie sind also von allen Menschen auf dieser<br />

Welt in derselben Reihenfolge zu bewältigen (vgl. Mietzel, 2002). Der ausschlaggebende<br />

Punkt ist aber, dass der Mensch auch im späteren Leben Krisen von früher bear<strong>bei</strong>ten und<br />

so<strong>mit</strong> besser verar<strong>bei</strong>ten kann. Jede Phase <strong>bei</strong>nhaltet Teile von allen, auch von den noch<br />

folgenden, Krisen-Gegensätze. Die Möglichkeit ist so<strong>mit</strong> auf jeder Stufe gegeben, sich <strong>mit</strong><br />

allen, auch schon verpassten Stufen, auseinander zu setzen.<br />

Dies bedeutet für uns Psychomotoriktherapeutinnen, dass wir Situationen herzustellen versuchen,<br />

die den Menschen an einer gewissen Stelle herausfordern. Es soll ihm die Möglichkeit<br />

geben, alte Programme neu zu erar<strong>bei</strong>ten und auszubauen. Dadurch kann der Mensch<br />

sein Leben wieder aktiv gestalten.<br />

Konkret bedeutet das für diesen Fall, dass wir den Aufbau von Affekterkennung und Regulation<br />

<strong>bei</strong> der Klientel unterstützen.<br />

Erfolgreiche Affektregulation führt zu internaler Kontrollüberzeugung<br />

In der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> möchten wir dem Gefühl des schutzlos ausgeliefert seins etwas<br />

entgegensetzen. Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> bietet die Möglichkeit für Selbstwirksamkeits-Erfahrungen.<br />

Das Individuum soll in einem geschützten Rahmen den Umgang <strong>mit</strong> seinen<br />

Gefühlen lernen. Das Ziel sind Erfolgserlebnisse im affektiven System. Der Mensch erhält<br />

eine zweite Chance, eine ausdifferenzierte Affektregulation zu erwerben. Grundlegend dafür<br />

ist, dass die Klientel sich ihrer Gefühle bewusst wird und dazu bereit ist, an ihnen zu ar<strong>bei</strong>ten.<br />

Um dies zu erreichen lenken wir die Aufmerksamkeit der Klientel auf ihre eigene Person,<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 11<br />

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auf die Gefühle und Absichten. Dadurch soll sie sich besser kennen lernen, ihrer Stärken und<br />

Schwächen bewusst werden und den Umgang <strong>mit</strong> ihnen üben. Sie sollte sich so akzeptieren<br />

wie sie ist, dann kann sie in die Zukunft blicken und sich weiter entwickeln.<br />

Durch das erfolgreiche Stabilisieren der Emotionen, erlebt sich der Mensch selbstwirksam.<br />

Dies führt dazu, dass er eine innere Kontrollüberzeugung gewinnt. Die Überzeugung etwas<br />

bewirken zu können und der Welt nicht schutzlos ausgeliefert zu sein, lässt den Menschen<br />

aktiv werden. Er wird so<strong>mit</strong> Verursacher seiner Handlungen und kann dadurch eigene Ziele<br />

verfolgen. So erweitert die Klientel ihre Fähigkeiten und tritt, durch und <strong>mit</strong> Bewegung, in<br />

Kontakt <strong>mit</strong> der Aussenwelt.<br />

Das therapeutische Beziehungsangebot soll eine Vertrauensbasis schaffen, die es der Klientel<br />

ermöglicht, ihre sekundäre Affektregulation zu berichtigen. Durch authentisches Spiegeln,<br />

ohne jegliche Bewertung, erhält der Mensch eine objektive Repräsentanz, einer durch sein<br />

Verhalten verursachten Reaktion eines Gegenübers. So<strong>mit</strong> kann er seine zum Teil zwiespältigen<br />

Repräsentanzen korrigieren, was die Fähigkeit, Situationen objektiv einzuschätzen und<br />

zu handeln, unterstützt.<br />

Das nächste Kapitel „Resilienz“ macht noch einmal deutlich, dass eine internale Kontrollüberzeugung<br />

enorm wichtig für eine gesunde Entwicklung ist. Dies resultierte aus der Protektionsforschung,<br />

<strong>bei</strong> der die Kontrollüberzeugung zu den Schutzfaktoren gehört.<br />

2.2 Resilienz<br />

Da Resilienz eine Voraussetzung für eine gesunde psychische Entwicklung ist, möchten wir<br />

ausleuchten, was genau Resilienz ist und wie sie unterstützt werden kann. Gleichzeitig zeigen<br />

wir auf, welche Faktoren diesem unterstützenden Prozess entgegenwirken. Diese Risiko<br />

und Schutzfaktoren können <strong>bei</strong> der Entstehung, Aufrechterhaltung und Vermeidung einer<br />

Depression von Bedeutung sein, wie wir später im Kapitel 2.3 aufführen werden.<br />

2.2.1 Definition<br />

Aus dem Text von Cornelia von Hagen und Gisela Röper „Resilienz und Ressourcenorientierung<br />

– Eine Bestandsaufnahme“, gehen unterschiedliche Betrachtungsweisen von Resilienz<br />

hervor:<br />

Schumacher und Kollegen sprechen von einer relativen Widerstandsfähigkeit gegenüber<br />

pathogenen Umständen und Ereignissen, die über die Zeit und über Situationen variieren<br />

kann (vgl. Von Hagen & Röper, 2007). Diese Definition geht darauf ein, dass es in unterschiedlichen<br />

Lebensabschnitten andere Vulnerabilitäten gibt. Speziell das Alter der Pubertät<br />

birgt ein erhöhtes Risiko in sich. Vieles ist in dieser Zeit im Umbruch und verursacht unterschiedliche<br />

Krisen, die es zu bewältigen gibt. Das beginnt <strong>mit</strong> dem Eintritt in die Berufswelt<br />

und geht bis zur neuronalen Ebene, auf der sich diese Netzwerke weiter ausbilden.<br />

Weiter erwähnen Bender und Lösel eine flexible, der Situation angepasste Widerstandsfähigkeit<br />

(vgl. Von Hagen & Röper, 2007).Sie gehen also davon aus, dass ein Organismus über<br />

eine flexible Widerstandsfähigkeit verfügt. Dies ist hilfreich da die Probleme, auf die ein Individuum<br />

stösst, <strong>mit</strong>samt den Rahmenbedingungen variieren. Wohl ist es auch gerade<br />

darum ein Merkmal der Resilienz, weil ohne Anpassung an die Umwelt ein Subjekt schnell an<br />

seine Grenzen stösst und in seiner Entwicklung nicht weiter kommen kann. Nur durch Flexi-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 12<br />

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ilität und Anpassung, hat sich der Mensch soweit entwickelt, wo wir heute stehen und so<strong>mit</strong><br />

das Überleben der Spezies garantieren können.<br />

Luthar und Cicchetthi meinen desweiteren, dass es ein dynamischer Prozess sei, der durch<br />

positive Adaption trotz ungünstiger psychosozialer Ausgangsbedingungen charakterisiert ist<br />

(vgl. Von Hagen & Röper, 2007). Diese Aussage geht darauf ein, dass jeder Mensch unterschiedliche<br />

Ausgangsbedingungen hat. Diese Bedingungen setzen sich auf viele Arten zusammen,<br />

zum Beispiel durch Risikofaktoren und Schutzfaktoren. Das ganze Gebäude ist aber<br />

nicht in Stein gemeisselt, es bestehen Wechselwirkungen und dadurch entsteht ein dynamischer<br />

Prozess.<br />

Was alle drei Zitate gleichermassen berücksichtigen, ist der erfolgreiche Umgang <strong>mit</strong> Situationen.<br />

Ein Mensch der über Resilienz verfügt, bewältigt seine Entwicklung, trotz vorhandenen<br />

Risikofaktoren erfolgreich. Er weist im späteren Leben keine psychopathologische Befunde<br />

auf.<br />

In den nächsten Abschnitten befassen wir uns <strong>mit</strong> den Risiko- und Schutzfaktoren.<br />

2.2.2 Risikofaktoren<br />

Risikofaktoren sind Belastungen denen das Kind ausgesetzt ist, welche die gesunde Entwicklung<br />

des Kindes gefährden.<br />

Deprivationsforschung<br />

Die Deprivationsforschung begann in den 40er und 50er Jahren <strong>mit</strong> der Suche nach Faktoren,<br />

welche die Entwicklung eines Individuums gefährden. Es ging da<strong>bei</strong> vor allem um Einflussfaktoren,<br />

die <strong>mit</strong> schweren Entbehrungen in Zusammenhang standen. Infolge dieser Entbehrungen<br />

können <strong>bei</strong>m Individuum psychische und psychosomatische Krankheiten entstehen.<br />

Folgende Risikofaktoren wurden er<strong>mit</strong>telt:<br />

• Niedriger sozioökonomischer Status • Alleinerziehende Mutter<br />

• Mütterliche Berufstätigkeit im 1. Lebensjahr • Autoritäres väterliches Verhalten<br />

• Schlechte Schulbildung der Eltern • Verlust der Mutter<br />

• Grosse Familie und sehr wenig Wohnraum • Häufig wechselnde frühe Beziehungen<br />

• Kontakte <strong>mit</strong> Einrichtungen der „soz. Kontrolle“ • Schlechte Kontakte zu Gleichaltrigen<br />

• Kriminalität und Dissozialität eines Elternteils • Altersabstand zum nächsten<br />

• Chronische Disharmonie / Beziehungs- Geschwister kleiner als 18.Monate<br />

pathologie in der Familie • Uneheliche Geburt<br />

• Psychische Erkrankungen Mutter / Vater • Sexueller und/oder aggressiver<br />

• Schwere körperliche Erkrankung Missbrauch<br />

Mutter / Vater • Hoher Gesamtrisikoscore<br />

• Unerwünschtheit • Genetische Disposition<br />

(Dornes, 2007, S. 103)<br />

Anmerkung zu dieser Aufzählung: Sie ist wörtlich wiedergegeben und berücksichtigt die<br />

Gleichstellung der Mutter und des Vaters noch nicht. Daher wird zum Beispiel von einer<br />

alleinerziehenden Mutter oder von autoritärem väterlichen Verhalten gesprochen, dies<br />

könnte aber genauso gut umgekehrt der Fall sein.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 13<br />

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2.2.3 Schutzfaktoren<br />

„Protektive Faktoren bestehen nicht einfach aus der Abwesenheit von Risikofaktoren, sondern<br />

aus solchen Merkmalen, die <strong>bei</strong> Anwesenheit von Risikofaktoren deren Einfluss abschwächen“<br />

(Dornes, 2007, S. 104).<br />

Protektionsforschung<br />

Die Erkenntnis, dass gewisse Kinder, die verschiedenen Risikofaktoren ausgesetzt waren, sich<br />

trotzdem relativ normal entwickelten, führte zu einem Fokuswechsel in der Forschung. Es<br />

ging darum, weitere Bedingungen zu bestimmen, welche die Entwicklung des Kindes, trotz<br />

vorhandenen Risikofaktoren, positiv unterstützen. Erstmals trat nun die Gesundheit ins Zentrum<br />

und nicht die Krankheit. Schutzfaktoren lassen sich nicht einfach durch das Ausbleiben<br />

der Risikofaktoren definieren. Sie sind andere, dem Risiko entgegenwirkende Faktoren.<br />

Die Protektionsforschung kam zu folgenden Schutzfaktoren, welche die Entwicklung unterstützen:<br />

• Dauerhafte, gute Beziehung zu mind. einer primären Bezugsperson<br />

• Verlässlich unterstützende Bezugsperson im Erwachsenenalter<br />

• Grossfamilie, kompensatorische Elternbeziehungen, Entlastungen der Mutter<br />

• Lebenszeitlich späteres Eingehen „schwer auflösbarer Bindungen“<br />

• Insgesamt attraktives Mutterbild<br />

• Geringere Risikogesamtbelastung<br />

• Gutes Ersatzmilieu nach frühem Mutterverlust<br />

• Mindestens durchschnittliche Intelligenz<br />

• Robustes, aktives und kontaktfreudiges Temperament<br />

• Hoher sozioökonomischer Status<br />

• Internale Kontrollüberzeugung<br />

• Geschlecht<br />

(vgl. Dornes, 2007, S. 104f)<br />

An dieser Stelle verweisen wir auf die vorherige Anmerkung, dass es auch ein attraktives<br />

Vaterbild sein könnte. Die uns vorliegenden Unterlagen berücksichtigen dies nicht.<br />

2.2.4 Relevanz für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Der Wechsel der Perspektive „Fokus von der Krankheit weg auf das Gesunde“ ist für die<br />

<strong>Psychomotoriktherapie</strong> von grosser Bedeutung. Mit der Unterstützung der kindlichen Ressourcen,<br />

versucht man in der Psychomotorik die Schutzfaktoren, die ein Kind besitzt, zu erweitern.<br />

Dies wird <strong>mit</strong> dem Ziel, die Risikofaktoren an Gefahr verlieren zu lassen, verfolgt.<br />

Die Risiken können natürlich nicht so einfach relativiert werden, aber sie sind in den dynamischen<br />

Prozess, den das Individuum bestreitet, <strong>mit</strong> eingebunden. Die Wechselwirkungen sind<br />

komplex und so lässt sich vermuten, dass der Ausbau von Ressourcen eine gesunde, entwicklungsfördernde<br />

Wirkung hat.<br />

In der Therapie setzen wir <strong>bei</strong> der internalen Kontrollüberzeugung an. Das Kind erwirbt, wie<br />

unter emotionale Entwicklung erwähnt, diese Kontrollüberzeugung, durch Selbstwirksamkeits-Erlebnisse.<br />

Nur wenn sich das Kind nicht der Umwelt schutzlos ausgeliefert fühlt, kann<br />

es Initiative zeigen und handlungsfähig werden. Dies wurde schon unter den Ausführungen<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 14<br />

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zur emotionalen Entwicklung aufgezeigt. Ist der Grundstein der emotionalen Regulation gelegt,<br />

können andere Fähigkeiten weiter ausgebaut werden.<br />

Im nächsten Schritt wird an der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit gear<strong>bei</strong>tet, denn<br />

diese sind in unserer sozialen Umwelt sehr wichtig. Da<strong>mit</strong> der Mensch an der Gesellschaft<br />

teilhaben und Bindungen eingehen kann, braucht er Handlungs- und Kommunikations-<br />

Fähigkeiten. Die Teilhabe unterstützt ihrerseits das Integrationsgefühl und wirkt sich so<strong>mit</strong><br />

positiv auf den Gefühlshaushalt aus.<br />

Unter dem Kapitel „Was ist <strong>Psychomotoriktherapie</strong>“ werden wir noch auf das Selbstbild eingehen.<br />

Dieses ist grundlegend <strong>mit</strong> der internalisierten Kontrollüberzeugung verbunden. Da<strong>mit</strong><br />

ein Individuum sich zu etwas befähigt fühlt, muss es ein positives Selbstkonzept entwickeln.<br />

Das Selbstkonzept setzt sich aus dem Selbstbild und dem Selbstwertgefühl zusammen.<br />

Im Folgenden gehen wir auf das Krankheitsbild der Depression ein, <strong>bei</strong> dem das Selbstwertgefühl<br />

eine hohe Relevanz hat.<br />

2.3 Das Krankheitsbild der Depression (<strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong>)<br />

Die Depression zählt, nach Einschätzungen der Weltgesundheitsbehörde (WHO), weltweit zu<br />

den schwerwiegendsten Gesundheitsproblemen. Wesentlich häufiger als bisher vermutet,<br />

tritt die Depression auch <strong>bei</strong> Kindern und <strong>Jugendlichen</strong> auf.<br />

Lange Zeit war die Ansicht verbreitet, dass Kinder und Jugendliche aufgrund einer unzureichenden<br />

kognitiven Reife, keine Depression entwickeln können. Die Meinung, dass auch in<br />

dieser Altersgruppe die wesentlichen Merkmale einer Depression auftreten können, setzte<br />

sich erst in den 80er und 90er Jahren durch.<br />

In den jüngsten Fassungen der psychiatrischen Klassifikationssyteme, spiegelt sich die aktuelle<br />

Sichtweise wider. Depressive Störungen <strong>bei</strong> Kindern und <strong>Jugendlichen</strong> werden seit diesem<br />

Zeitpunkt unter der Rubrik „affektive Störungen“ diskutiert.<br />

Dass depressive Symptome und Störungen im Kindes- und vor allem im Jugendalter ein recht<br />

verbreitetes Phänomen darstellen, zeigen eine zunehmende Zahl internationaler Forschungsbemühungen.<br />

Eine grosse Menge der betroffenen Kinder und <strong>Jugendlichen</strong> zeigen ernsthafte Beeinträchtigungen<br />

in verschiedenen Lebens- und Funktionsbereichen und tragen ein hohes Risiko für<br />

Beeinträchtigungen ihrer weiteren Entwicklung (vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

2.3.1 Beschreibung und Definition einer Depression<br />

Die Depression lässt sich grundsätzlich den internalisierenden bzw. überkontrollierten Störungen<br />

zuordnen. Da entsprechende Probleme wie Angst, sozialer Rückzug oder psychosomatische<br />

Beschwerden, von aussen oft schwer zu erkennen sind, werden sie auch als „geheime<br />

Krankheiten“ bezeichnet. Beeinträchtigungen der Gefühls- und Stimmungslage und<br />

des inneren Erlebens sind charakteristisch. Dazu stehen im Gegensatz externalisierende bzw.<br />

unterkontrollierte Störungen, wie Aggression oder Hyperaktivität, die eher durch nach aussen<br />

auffälliges Verhalten gekennzeichnet sind.<br />

Im allgemeinen Sprachgebrauch, aber auch in der wissenschaftlichen Literatur, wird der Begriff<br />

Depression <strong>mit</strong> recht unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Sein Sinngehalt ist breit<br />

und reicht von einem alltäglichen Gefühl der Traurigkeit bis hin zu einer schwerwiegenden<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 15<br />

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und umfassenden psychischen Störung. Die diagnostischen Beschreibungsebenen Symptom,<br />

Syndrom und Diagnose einer Störung, lassen sich im Rahmen einer klinischen Diagnostik und<br />

Klassifikation unterscheiden (vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

• Symptome sind die kleinste Beschreibungseinheit psychopathologischer Phänomene und<br />

umfassen einzelne Verhaltensweisen oder emotionale, kognitive und körperliche Merkmale.<br />

Unter Depression wird, <strong>bei</strong> der Bestimmung auf der Symptomebene, ein Gefühl von Traurigkeit,<br />

Niedergeschlagenheit oder Unlust verstanden.<br />

• Syndrome fassen verschiedene Symptome zusammen, welche in einer bestimmten Kombination<br />

mehr als zufällig auftreten.<br />

Wenn <strong>mit</strong> der zentralen affektiven Symptomatik weitere charakteristische Anzeichen einhergehen,<br />

lässt sich ein depressives Syndrom bestimmen. Es kann sich <strong>bei</strong> diesen Merkmalen<br />

um weitere emotionale Probleme, wie ein vermindertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle<br />

oder Gedanken an den Tod handeln. Es kann auch kognitiv emotionale Beeinträchtigungen,<br />

wie eine erschwerte Entscheidungsfindung betreffen. Oder es kann sich um ein eingeschränktes<br />

Konzentrationsvermögen, körperlich-neurovegetative Symptome, wie Veränderung<br />

des Appetits und des Schlafverhaltens, oder um verhaltensbezogene Auffälligkeiten,<br />

wie eine verlangsamte Psychomotorik oder Agitiertheit handeln.<br />

• Die Beschreibung und Bestimmung der Depression als depressive Störung bezieht sich auf<br />

eine klinische Diagnose, die auf den Kriterien psychiatrischer Klassifikationssyteme wie dem<br />

DSM-IV (APA,1994) oder dem ICD-10 (WHO,1993) beruht. Die Integration von Symptomen<br />

bzw. Syndromen, sowie zusätzlich zu berücksichtigende Merkmale (z.B. Kriterien der psychosozialen<br />

Beeinträchtigung, der Zeit oder des Verlaufs) erfolgt auf der Diagnoseebene.<br />

Abbildung 2.1: Übersicht Depressionssymptomatik (Groen und Petermann, 2002, S. 16)<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 16<br />

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2.3.2 Klassifikation der affektiven Störungen<br />

Störungen deren Hauptsymptom die Veränderung der Stimmung ist, werden unter dem<br />

Begriff affektive Störungen zusammengefasst.<br />

Ähnlich wie Angst ist Depression ein allgemeiner Bestandteil der menschlichen Erfahrung<br />

und Existenz. Als Symptom kann die Depression infolge von Verlusten oder von Enttäuschungen<br />

oder aber auch ohne spezifischen Anlass auftreten.<br />

Die Klassifikation der affektiven Störungen gilt für alle Altersgruppen und berücksichtigt <strong>mit</strong><br />

Ausnahme der Störung des Sozialverhaltens <strong>mit</strong> depressiver Störung, keine für Kinder und<br />

Jugendliche spezifische Kategorien. Dieser Verzicht auf die Angabe spezifischer diagnostischer<br />

Leitlinien für diesen Altersbereich muss als ein Mangel betrachtet werden.<br />

Zunächst werden die affektiven Störungen unter dem Aspekt der Episoden klassifiziert, wo<strong>bei</strong><br />

zusätzliche Spezifikationen, der Berücksichtigung des Schweregrades (leicht, <strong>mit</strong>telgradig,<br />

schwer) dienen:<br />

Die Zyklothemie, eine langanhaltende affektive Störung, wurde traditionell den Persönlichkeitsstörungen<br />

zugeordnet.<br />

Die Dysthymie, eine weniger schwere aber langanhaltende Verstimmung, verbindet sich <strong>mit</strong><br />

dem Konzept einer chronischen depressiven Verstimmung, welche ältere Begriffe wie depressive<br />

Neurose, depressive Persönlichkeit und neurotische Depression (<strong>mit</strong> einer Dauer<br />

von mehr als zwei Jahren) umschliesst (vgl. Steinhausen, 2006).<br />

„Die verschiedenen Formen depressiver Reaktionen sind als Anpassungsstörungen konzipiert“<br />

(Steinhausen, 2006, S. 182).<br />

Es werden sowohl kurzfristig anhaltende Reaktionen als auch Episoden <strong>mit</strong> unterschiedlichem<br />

Schweregrad und die chronische Form der Dysthymie, als depressive Störungen verstanden.<br />

Das Konzept der „major depression“ der US-amerikanischen Klassifikation des DSM deckt<br />

sich <strong>mit</strong> einer <strong>mit</strong>telgradigen bis schweren depressiven Episode. Laut Steinhausen ist die<br />

Major Depression durch eine, über mindestens zwei Wochen anhaltende Verstimmung oder<br />

Reizbarkeit, in Verbindung <strong>mit</strong> anderen typischen Zeichen, charakterisiert.<br />

Die leichten Formen der depressiven Episode, wie auch die depressiven Reaktionen und die<br />

Dysthymien zählen zu den Minor-Formen. Die Dysthymie wird allerdings, hinsichtlich des<br />

Beginns gemäss der Definition der ICD-10, nicht vor der späten Adoleszenz diagnostiziert<br />

(vgl. Steinhausen, 2006).<br />

F 30 manische Episode<br />

F 31 bipolare affektive Störung<br />

F 32 depressive Episode<br />

F 33 rezidivierende depressive Störung<br />

F 34.0 Zyklothymie<br />

F 34.1 Dysthymie<br />

F 43.20 kurze depressive Reaktion (Anpassungsstörung)<br />

F 43.21 längere depressive Reaktion (Anpassungsstörung)<br />

F 43.22 Angst und depressive Reaktion, gemischt (Anpassungsstörung)<br />

F 92.0 Störung des Sozialverhaltens <strong>mit</strong> depressiver Störung<br />

Diese Auflistung der Klassifikation affektiver Störungen gemäss ICD-10 ist angelehnt an die Tabelle<br />

aus dem Buch „Psychische Störungen <strong>bei</strong> Kindern und <strong>Jugendlichen</strong>“. (Steinhausen, 2006, S. 183)<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 17<br />

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Häufigkeit einer depressiven Störung<br />

Seit den 80er Jahren sind epidemiologische Daten zur Häufigkeit stark von den US- amerikanischen<br />

Klassifikationsansätzen beeinflusst worden. Die Prävalenzraten liegen für die „major<br />

depression“ <strong>bei</strong> Kindern unter 3%, <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Angaben zwischen 0,4 und 6,4% in<br />

der Regel höher.<br />

Bei Kindern und <strong>Jugendlichen</strong> sind reine depressive Störungen selten; die häufigste Verbindung<br />

ist die Komorbidität <strong>mit</strong> Angststörungen gefolgt von weiteren Störungen wie Zwangsstörungen,<br />

Essstörungen, Störungen des Sozialverhaltens sowie Substanzen-missbrauch.<br />

Beide Geschlechter sind bis zum Jugendalter gleich häufig betroffen. Das weibliche Geschlecht<br />

ist ab dem Jugendalter dominant <strong>bei</strong> Depressionen (vgl. Steinhausen, 2006).<br />

Laut Groen und Petermann ist die Verbreitung depressiver Symptome und Störungen <strong>bei</strong><br />

Kindern und <strong>Jugendlichen</strong> relativ hoch. Weiter beschreiben sie, dass heute davon ausgegangen<br />

werden kann, dass wenigstens jeder zehnte Jugendliche bis zum Eintritt ins Erwachsenenalter<br />

unter mindestens einer ernsthaften depressiven Episode gelitten hat. Ausserdem<br />

kann während der späten Kindheit und Jugend, vor allem ab der Pubertät, ein starker Anstieg<br />

der Auftretensrate festgestellt werden (vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

2.3.3 Diagnostik<br />

Der Entwicklungskontext der Depression hat <strong>bei</strong> Kindern eine besondere Bedeutung.<br />

Im Säuglingsalter können mangelnde Zuwendung und psychosoziale Deprivation Rückzug<br />

und Apathie hervorrufen. Es ist jedoch unklar bzw. empirisch kaum zu klären, inwiefern es<br />

sich tatsächlich um psychosomatische Symptome im Sinne depressiver Äquivalente handelt.<br />

Gehemmtheit und Trennungsängstlichkeit sowie Antriebsminderung können im Kleinkindalter<br />

die Frage nach dem Vorliegen depressiver Symptome oder Reaktionen aufwerfen, insbesondere<br />

wenn sie auf Zurückweisung der Eltern erfolgen.<br />

Während in der <strong>mit</strong>tleren Kindheit der depressive Ausdruck des Gesichts gut wahrnehmbar<br />

ist, fehlen dem Kind und dem jungen Schulkind noch die Fähigkeit zur Wahrnehmung der<br />

eigenen Depression. Die Depression äussert sich zudem über Spielunlust und dem Rückgang<br />

der Phantasiefähigkeit. Weitere Hinweiszeichen sind der soziale Rückzug, Einschlafstörungen,<br />

Appetitsstörungen und Gewichtsverlust, Verschlechterung der Schulleistungen und Klagen<br />

über Müdigkeit sowie Passivität. Aus Todeswünschen und -vorstellungen können sich<br />

<strong>mit</strong> zunehmendem Alter Suizidgedanken entwickeln.<br />

Die Depression wird bereits ab dem späten Kindesalter von einem niedrigen Selbstwertgefühl<br />

und von Schuldgefühlen begleitet, da nun die kognitive Entwicklung eine Ableitung der<br />

Depression aus den jeweiligen Umständen ermöglicht. Ab der Adoleszenz verbindet sich die<br />

Depression <strong>mit</strong> oft übersteigerten und verzerrten Gefühlen der Sinnlosigkeit, des Versagens<br />

und der Schuld. Grübeln, Suizidimpulse und Minderwertigkeitsgefühle sind typische Symptome<br />

depressiver Syndrome des Erwachsenenalters und prägen nun das Bild der Depression.<br />

Jugendliche zeigen im Vergleich zu Kindern mehr Schlaf- und Appetitsstörungen, negative<br />

Zukunftsvorstellungen und Suizidalität, mehr Funktionsbeeinträchtigungen, aber weniger<br />

Angstsymptome sowie Kopf- und Bauchschmerzen. Hingegen haben Jugendliche im Vergleich<br />

zu Erwachsenen <strong>mit</strong> Depressionen mehr externalisierende Verhaltensauffälligkeiten<br />

und weniger vegetative Symptome sowie psychotische Symptome (vgl. Steinhausen, 2006).<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 18<br />

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2.3.4 Mögliche Ursachen<br />

Die Ursachen von Depressionen sind trotz einer Vielzahl theoretischer Modelle noch ungenügend<br />

geklärt. Eine Polyätiologische Ableitung ist hier wahrscheinlich das angemessene<br />

Modell, wo<strong>bei</strong> allerdings die Verknüpfung der einzelnen Teilfaktoren noch weitgehend unbekannt<br />

ist.<br />

Im Wesentlichen lassen sich entsprechend der Hauptrichtungen der Forschung biologische<br />

und psychosoziale Modelle unterscheiden.<br />

Aus der Sicht biologischer Modelle, stehen neuroendokrine, biochemische und genetische<br />

Hypothesen im Vordergrund der Diskussion.<br />

Es wird angenommen, dass unabhängig von der Auswirkung auf neuroendokrine Funktionen,<br />

die Neurotrans<strong>mit</strong>terstörung direkt, z.B. über niedrige Spiegel von Serotonin und Dopamin,<br />

zur Manifestation depressiver Syndrome <strong>bei</strong>trägt.<br />

Angesichts grosser methodischer Probleme, der noch ungenügenden Sensitivität von Labortests<br />

und der bisher noch wenig auf das Kindes- und Jugendalter übertragenen Forschungsansätze,<br />

sind die empirischen Nachweise über die Wirksamkeit von neuroendokrinen und<br />

biochemischen Störungen der Trans<strong>mit</strong>ter gegenwärtig noch nicht widerspruchsfrei geleistet.<br />

Hingegen besteht an der Bedeutsamkeit genetischer Faktoren <strong>bei</strong> den affektiven Psychosen<br />

kein Zweifel. Für die Entwicklung affektiver Störungen haben Kinder von Eltern <strong>mit</strong> einer<br />

depressiven Störung, ein nachgewiesenermassen erhöhtes Risiko.<br />

Bei den psychosozialen Modellen sind, neben über längere Zeit dominierenden psychoanalytischen<br />

Ansätzen, in der jüngeren Vergangenheit verstärkt verhaltenstheoretische und kognitiv-psychologisch<br />

orientierte Modelle aufgetreten.<br />

Als eine gegen das Selbst introjizierte Aggression in Reaktion auf Liebesverlust oder Trennung,<br />

wird in der klassischen psychoanalytischen Theorie, die Depression betrachtet.<br />

Mit zunehmender Differenzierung ihrer Ansätze hinsichtlich der Entwicklungsabhängigen<br />

Ausformungen intrapsychischer Mechanismen, geriet diese Theorie allerdings in zunehmende<br />

Schwierigkeiten, die Existenz der Depression im Kindesalter überhaupt anzuerkennen.<br />

Im Gegensatz dazu steht das ebenfalls psychodynamische Konzept der anaklitischen Depression,<br />

welches die Existenz einer depressiven Reaktion schon im Säuglingsalter als Folge anhaltender<br />

Deprivation annimmt. Jedoch ist die Allgemeingültigkeit dieses Verlustfaktors für<br />

die Erklärung depressiver Syndrome eingeschränkt.<br />

Als ein Mangel an positive Verstärkung oder an sozialen Fertigkeiten, wird die Depression in<br />

den Verhaltenstheoretischen Modellen betrachtet. Da<strong>bei</strong> verfügen die Betroffenen nicht<br />

über Fähigkeiten, ihre aktuellen Lebensumstände wirksam zu verändern und die Umwelt auf<br />

Verstärker abzusuchen. Zur Entwicklung einer Depression können Defizite in der sozialen<br />

Kommunikation entsprechend <strong>bei</strong>tragen. Das Erklärungsvermögen dieser Konzeption ist<br />

zwar begrenzt, doch anerkennt es die Existenz der Depression im Kindesalter und hat zumindest<br />

<strong>bei</strong> erwachsenen Betroffenen zu entsprechenden Therapieansätzen geführt.<br />

Auf das Modell der gelernten Hilflosigkeit einerseits und auf das der kognitiven Verzerrung<br />

anderseits, zentrieren sich die kognitionspsychologischen Ansätze. Im Modell der gelernten<br />

Hilflosigkeit wird der Mensch, der eine Depression hat, als jemand betrachtet, der sein Verhalten<br />

unabhängig von Verstärkungen wahrnimmt. Betroffene entwickeln eine kognitive<br />

Erwartung, dass sie wahrscheinlich das Opfer unangenehmer Ereignisse werden, ohne den<br />

Zusammenhang <strong>mit</strong> dem eigenen Verhalten herzustellen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 19<br />

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Die bisher wenigen empirischen Studien an Kindern und <strong>Jugendlichen</strong> haben aber dieses<br />

Modell nicht gestützt.<br />

Im Modell der kognitiven Verzerrung wird angenommen, dass der Mensch, der eine Depression<br />

hat, durch kognitive Verzögerung und durch eine negative Einstellung über sich selbst,<br />

die Welt und die Zukunft gekennzeichnet ist. Der betroffene Mensch interpretiert Ergebnisse<br />

falsch oder übersteigert, betrachtet sie ausserhalb von Kontexten und verzerrt seine persönlichen<br />

Erfahrungen dahingehend, dass nur die negativen Seiten bestätigt werden. Als Folge<br />

darauf entwickeln sich Gefühle der Wertlosigkeit und Hilflosigkeit, die nicht realitätsgerecht<br />

sind.<br />

Die verschiedenen theoretischen Modelle kommen jeweils an ihre Grenzen und werden der<br />

Vielfalt der empirischen Faktoren, die für die Entwicklung einer Depression bedeutsam sind,<br />

nicht gerecht (vgl. Steinhausen, 2006).<br />

2.3.5 Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression<br />

Prädisponierende Faktoren<br />

biologische Faktoren: familiäre Faktoren:<br />

- genetische Vulnerabilität - Bindungsdefizit<br />

- körperliche Krankheiten - Mangelanregung<br />

- defizitäre Erziehungsstiele<br />

psychologische Faktoren: - psychische Störung der Eltern<br />

- schwieriges Temperament - Disharmonie der Eltern<br />

- niedriger Selbstwert<br />

Lebensgeschichtliche Faktoren:<br />

- Verlust- und Trennungserfahrung<br />

- Missbrauch<br />

Aufrechterhaltende Faktoren<br />

biologische Faktoren: familiäre Faktoren:<br />

- Neurotrans<strong>mit</strong>terstörung - defizitäre Kommunikation / Interaktion<br />

- Dysregulation des endokrinen Systems - Vernachlässigung<br />

- Dysregulation des Immunsystems - Disharmonie der Eltern<br />

- psychische Störung der Eltern<br />

psychologische Faktoren: - Defizite an Selbstwert, negative<br />

- negative Kognitionen und Attributionen Attributionen und inadäquate<br />

- Defizite an Sozialkompetenz, defizitäre Bewältigungsfertigkeiten<br />

Selbstverstärkung und Bewältigungsfertigkeiten<br />

Auslösende Faktoren<br />

- Trennungs- und Verlusterfahrungen<br />

- Tyrannisieren (Mobbing)<br />

- Missbrauch<br />

- Krankheit oder Verletzung<br />

- Leistungsversagen<br />

- Trauma<br />

(Steinhausen, 2006, S. 87)<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 20<br />

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2.3.6 Erhöhtes Depressionsrisiko im Jugendalter<br />

Warum welche Kinder und Jugendliche depressiv werden, ein erhöhtes Risiko tragen und<br />

welche Faktoren zur Genesung <strong>bei</strong>tragen können, kann zum heutigen Zeitpunkt noch nicht<br />

eindeutig und umfassend beantwortet werden.<br />

„Es liegt keine einheitliche, empirisch gestützte Theorie zur Entwicklung und Aufrechterhaltung<br />

depressiver Störungen im Kindes- und Jugendalter vor“ (Groen und Petermann, 2002,<br />

S. 87).<br />

Es scheinen eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beteiligt zu sein.<br />

Verschiedene Faktoren der Entwicklungsphase des Jugendalters gelten als besonderes Risiko<br />

für die Entstehung einer Depression. Diese Entwicklungsphase kann so<strong>mit</strong> als Phase erhöhter<br />

Vulnerabilität für verschiedene psychische Probleme charakterisiert werden.<br />

Die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> in diesem Lebensabschnitt biologischen, psychologischen und<br />

sozialen Veränderungen und Entwicklungsaufgaben, stellt ein Risiko für Fehlanpassungen<br />

des <strong>Jugendlichen</strong> dar. Mit den besonderen Herausforderungen und Belastungen im Jugendalter,<br />

werden auch die Zunahme depressiver Symptome und Störungen zu Beginn der Adoleszenz,<br />

sowie das deutlich erhöhte Depressionsrisiko von Mädchen in Verbindung gebracht<br />

(vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

Bei der zeitlichen Abgrenzung der Jugendphase fällt auf, dass diese nicht immer übereinstimmend<br />

erfolgt. Der Beginn der Jugendzeit wird oft <strong>mit</strong> dem Einsetzen der Pubertät oder<br />

der Geschlechtsreife gleichgesetzt. Da<strong>bei</strong> wird ihr altersmässiger Beginn häufig auf elf oder<br />

zwölf Jahre datiert. Das Ende der Jugendzeit liegt je nach Vorstellung zwischen der Vollendung<br />

des 17. Lebensjahres bis hin zum Abschluss der Berufsausbildung oder des Studiums.<br />

Die Jugendzeit, welche als Übergangsperiode zwischen Kindheit und Erwachsenenalter beschrieben<br />

wird, ist zum einen gekennzeichnet durch das rapide körperliche Wachstum und<br />

der kognitiven Entwicklung des <strong>Jugendlichen</strong>, sowie zum anderen durch die Vielzahl sozialer<br />

Entwicklungsaufgaben. Dem Heranwachsenden stellen sich laut Groen und Petermann im<br />

Jugendalter unter anderem folgende Entwicklungsaufgaben:<br />

• Das Akzeptieren körperlicher Veränderungen und der eigenen äusseren Erscheinung<br />

• Die Ausbildung und Stabilisierung von Selbstwertgefühl und Identität<br />

• Die Loslösung vom Elternhaus bzw. Entwicklung von Autonomie<br />

• Die Erweiterung und Intensivierung von Beziehungen zu Gleichaltrigen<br />

• Das Herstellen intimer, partnerschaftlicher Beziehungen<br />

• Die Bewältigung steigender schulischer Anforderungen<br />

• Die Entwicklung von Werten und Zielen, Zukunftsplänen und -perspektiven<br />

Die einschneidenden bio-psycho-sozialen Veränderungen und Entwicklungsaufgaben der<br />

Jugendzeit hängen in vielen Fällen <strong>mit</strong> unterschiedlichen Problemen, Schwierigkeiten und<br />

Misserfolgen, sowie einem erhöhten allgemeinen Stressniveau im Leben des Heranwachsenden<br />

zusammen.<br />

Ausgangspunkt für die Jugendzeit ist die Pubertät, welche <strong>mit</strong> Veränderungen einhergeht.<br />

Das rasante körperliche Wachstum ist da<strong>bei</strong> nur ein Aspekt dieser Entwicklungszeit. Die<br />

Geschlechtsreife sowie die Form und Grösse des Körpers werden unter anderem durch starke<br />

Hormonausschüttungen reguliert. Die Einflüsse dieser Veränderungen wirken direkt und<br />

indirekt auf die Psychosoziale Entwicklung des <strong>Jugendlichen</strong>, zum Beispiel in Form eines sich<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 21<br />

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verändernden Selbstbildes und einer sich weiterentwickelnden Geschlechtsidentität.<br />

Das zeitliche Einsetzen und die Dauer der Pubertät scheinen im Hinblick auf die psychischen<br />

Auswirkungen von Bedeutung zu sein, da der Vergleich <strong>mit</strong> Gleichaltrigen, das Körperbild<br />

und das Selbstwertgefühl beeinträchtigen können. Das Risiko einer depressiven Entwicklung<br />

ist <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, welche eine vergleichsweise früh oder spät einsetzende Pubertät aufweisen,<br />

erhöht. Es wird angenommen, dass vor allem <strong>bei</strong> Mädchen, die massiven hormonellen<br />

Umstellungen der Pubertät, die emotionalen Zustände beeinflussen können. Dazu<br />

kommt, dass Mädchen die starken körperlichen Veränderungen während der Pubertät eher<br />

kritisch wahrnehmen als die Jungen, was zu negativen Anteilen im Selbstbild führen kann<br />

(vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

Die Jugendzeit ist wohl die wesentlichste und sensibelste Phase für die Entwicklung der Identität,<br />

welche laut Groen und Petermann auch als Selbstbild oder Selbstkonzept bezeichnet<br />

wird. Das Selbstkonzept umfasst die individuelle Selbstwahrnehmung der eigenen und einzigartigen<br />

Persönlichkeit und <strong>bei</strong>nhaltet verschiedene Komponente. Das Selbstwertgefühl<br />

oder die Selbsteinschätzung, welche die gefühlsmässige Reproduktion wahrgenommener<br />

Fähigkeiten und Fertigkeiten darstellt, sind ein wichtiger affektiver Bestandteil der Identität<br />

(vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

„Das Selbstwertgefühl umfasst jene Prozesse, <strong>mit</strong> denen ein Jugendlicher sein sich entwickelndes<br />

Selbstbild sowie seine Stärken und Schwächen in unterschiedlichen Lebensbereichen<br />

bewertet, Differenzen zu Idealvorstellungen sowie Reaktionen aus seiner sozialen Umwelt<br />

einschätzt und <strong>mit</strong> Emotionen verknüpft“ (Groen und Petermann, 2002, S. 91).<br />

Die Entwicklungstheorie nach Erikson besagt, dass sich die Persönlichkeit in acht verschiedenen,<br />

aufeinander aufbauenden Stufen entwickelt und dass jede dieser Stufen durch eine<br />

zentrale psychosoziale Krise gekennzeichnet ist. Die Adoleszenz umfasst nach Erikson die<br />

Krise“ Identität versus Rollendiffusion“ und wird der fünften Stufe zugeordnet. Auf dieser<br />

Stufe steht die Identitätsproblematik im Zentrum, wo<strong>bei</strong> alle vorausgehenden Stufen Elemente<br />

liefern, welche <strong>mit</strong>einander vereint werden müssen. Die zentrale Aufgabe des Jugendalters<br />

ist die Entwicklung eines stabilen und konsistenten Selbstbildes. Eine unbefriedigende<br />

Identitätsfindung stellt sich später als ewige Pubertät, Ruhelosigkeit, voreilige Begeisterungsfähigkeit<br />

für grosse oder abrupte Veränderungen dar (vgl. Flammer, 2005).<br />

Wenn es dem <strong>Jugendlichen</strong> misslingt, eine stimmige Identität und ein positives Selbstwertgefühl<br />

aufzubauen, können <strong>mit</strong> mangelndem Selbstwert unter anderem auch Gefühle von<br />

Traurigkeit und Niedergeschlagenheit, beeinträchtigte soziale Kompetenzen und Problemlösungsfertigkeiten<br />

und so ein erhöhtes Depressionsrisiko die Folge sein (vgl. Groen und<br />

Petermann, 2002).<br />

Vielfach werden als Grund für das höhere Depressionsrisiko <strong>bei</strong> jugendlichen Mädchen, die<br />

Geschlechtsunterschiede <strong>bei</strong> der Regulation negativer Gefühle und der Bewältigung belastender<br />

Erlebnisse, angesehen. Groen und Petermann beschreiben, dass unter dem Begriff<br />

„Emotionsregulation“ individuelle und kontextuelle Faktoren verstanden werden, die es einer<br />

Person ermöglichen, emotionale Erregungen zu beeinflussen, zu kontrollieren, umzuleiten<br />

und zu verändern. Dies um in emotional belastenden Situationen ein angemessenes und<br />

angepasstes Funktionsniveau, sowie eine optimale Handlungsbereitschaft zu gewährleisten.<br />

Neben zahlreichen anderen Bedingungen, scheinen die Veränderungen der Pubertät und die<br />

Alltagserfahrungen der Jugendzeit, die Emotionsregulation zu beeinflussen.<br />

Groen und Petermann betonen, dass viele Autoren davon ausgehen, dass Mädchen zu einer<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 22<br />

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intensiveren und längeren Beschäftigung und Auseinandersetzung <strong>mit</strong> negativen Erfahrungen<br />

und Emotionen neigen, da sie die Ursachen von Problemen eher in ihrem eigenen Verhalten<br />

suchen, ihre Bewältigungskompetenzen instabiler bewerten und sich weniger selbstbehaupten<br />

können als Jungen (vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

Der häufiger von Mädchen gezeigte, von Nolen Hoeksema (1995)<br />

als ruminierend bezeichnete Reaktionsstil stellt ein Risiko für die<br />

Entwicklung depressiver Reaktionen dar, wenn es <strong>bei</strong> belastenden<br />

Erlebnissen nicht gelingt, aktive und konstruktive Bewältigungs-<br />

mechanismen zu initiieren, und negative Gefühle verstärkt und<br />

intensiviert werden .<br />

(Groen und Petermann, 2002, S. 93f)<br />

Im Jugendalter erreicht die bzw. der Heranwachsende, im Rahmen seiner grundsätzlichen<br />

intellektuellen Voraussetzungen, die formal letzte Stufe der kognitiven Entwicklung. Im Bezug<br />

auf die Ausprägung von Depressionen scheinen durch den Erwerb bestimmter Fertigkeiten,<br />

wie z.B. dem Einnehmen von Zukunftsperspektiven oder der Möglichkeit zur Selbstreflexion,<br />

gewisse depressive Symptome erst möglich zu werden. Diese kognitiven Bedingungen<br />

stellen eine wichtige Voraussetzung für das erhöhte Depressionsrisiko im Jugendalter dar<br />

und scheinen wesentlich für die Herausbildung gewisser depressiver Merkmale zu sein.<br />

Diese wären zum Beispiel ein stabiles negatives Selbstbild, ein dysfunktionaler Attributionsstil,<br />

Hoffnungslosigkeit oder negative Zukunftserwartungen (vgl. Groen und Petermann,<br />

2002).<br />

Während dem Jugendalter werden soziale Bezüge zunehmend differenzierter und die Bedeutung<br />

von Gleichaltrigen, Schule und weiteren Einflüssen werden immer wichtiger im<br />

Vergleich zum Kindesalter, in dem die Eltern noch die wesentlichen Bezugspartner sind.<br />

Das erhöhte Bedürfnis nach Nähe während der Pubertät, kann das Selbstbild von <strong>Jugendlichen</strong><br />

und ihren sozialen Aktivitäten beeinflussen. Wenn zusätzliche Vulnerabilitätsfaktoren,<br />

wie eine schlechte, unsichere Bindung zu den Eltern und eine da<strong>mit</strong> einhergehende geringere<br />

soziale Unterstützung, ein ängstliches oder schüchternes Temperament, sowie weniger<br />

problemorientierte Copingfertigkeiten dazu kommen, kann der Übergang ins Jugendalter ein<br />

Problem darstellen. Dieser problemhafte Übergang, ein erhöhtes Nähebedürfnis und Angst,<br />

bilden eine depressionsförderliche Bedingung, vor allem in Form einer höheren Empfindlichkeit<br />

für die Auswirkungen negativer Lebensereignisse. Zwischenmenschliche Konflikte oder<br />

Verluste von Bezugspersonen können dann zur Depression führen (vgl. Groen und<br />

Petermann, 2002).<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 23<br />

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Anhand der folgenden Abbildung möchten wir verdeutlichen, dass sehr unterschiedliche<br />

Faktoren zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression im Jugendalter <strong>bei</strong>tragen.<br />

Abb. 2.2: Entstehung und Aufrechterhaltung der Depression im Jugendalter (Groen und Petermann,<br />

2002, S. 124)<br />

2.3.7 Therapie und Verlauf<br />

Bei Depressionen im Kindes- und Jugendalter müssen sich die therapeutischen Massnahmen<br />

primär am Schwergrad der Störung orientieren und setzen deshalb eine sorgfältige diagnostische<br />

Abklärung voraus. Diese sollte in der Differenzierung zwischen dem Vollbild der<br />

Depression, wie es <strong>bei</strong> der Major-Form der Fall ist und der Minor-Form münden. Hinsichtlich<br />

der therapeutischen Massnahmen besteht der Hauptunterschied darin, dass <strong>bei</strong> der Major-<br />

Form <strong>bei</strong> allen Interventionen meist eine stationäre Therapie und erst später eine stärker<br />

aufar<strong>bei</strong>tende Therapie realisiert werden sollte. Immer besteht das Ziel darin in einer entwicklungsangemessenen<br />

Weise und nicht nur auf die depressive Verstimmung bezogen zu<br />

behandeln, sondern das Kind im Verbund seiner bedeutsamen Beziehungsumwelt zu betrachten<br />

und so<strong>mit</strong> mehrdimensional anzusetzen (vgl. Steinhausen, 2006).<br />

Bei der Behandlung von Kinder und <strong>Jugendlichen</strong>, welche an depressiven Verstimmungen<br />

leiden, gelten heute kognitive-verhaltenstherapeutische Ansätze als am besten untersucht<br />

und am weitesten entwickelt (vgl. Groen und Petermann, 2002).<br />

Die Wirksamkeit der psychodynamisch orientierten Einzelpsychotherapie ist bisher für das<br />

Kinder- und Jugendalter nicht untersucht worden.<br />

Hingegen ist die Wirksamkeit aus den verhaltenstheoretischen und kognitionspsychologi-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 24<br />

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schen Modellen abgeleiteten Therapien <strong>bei</strong> Kindern und vor allem im Jugendalter gut nachweisbar.<br />

„Das Ziel der kognitiven Verhaltenstherapien besteht in der Entwicklung von zwischenmenschlichen<br />

Problemlösungsstrategien über den Erwerb sozialer Fertigkeiten, im Aufbau<br />

von Selbstwertgefühl, in kognitiven Restrukturierungen und in Veränderungen von sozialen<br />

Umweltbezügen“ (Steinhausen, 2006, S. 189).<br />

Eingesetzt werden da<strong>bei</strong> spezifische Techniken der Selbstkontrolle, der systematischen Planung<br />

von Aktivitäten, der kontingenten Verstärkung, der Planung angenehmer Aktivitäten<br />

und der kognitiven Veränderung von Einstellungen (vgl. Steinhausen, 2006).<br />

Die verschiedenen therapeutischen Inhalte und Techniken werden im Rahmen der kognitiven<br />

Verhaltenstherapie kombiniert. Anhand der Hilfe dieses Repertoires sollten die behandelten<br />

Kinder oder Jugendliche zunächst in die Lage versetzt werden, ihre häufig als sehr<br />

belastend erlebte depressive Stimmung und akute Antriebslosigkeit zu überwinden. Durch<br />

gesteigerte kognitive und behavioristische Bewältigungskompetenzen soll die junge Klientel<br />

dann im weiteren Verlauf angemessener <strong>mit</strong> emotionalen und sozialen Belastungen und<br />

Aufgaben umgehen und die erworbenen Kompetenzen stabilisieren. Zu den eingesetzten<br />

Interventionen gehören unter anderem die Selbstbeobachtung, die Selbstkontrolle und<br />

Selbstverstärkung, ein Problemlösetraining, wie auch ein Entspannungstraining (vgl. Groen<br />

und Petermann, 2002).<br />

Die noch relativ kurze Entwicklungsphase der systematischen Erforschung der Depression im<br />

Kindes- und Jugendalter, zeigt vorerst nur begrenzte Erfahrungen über den Verlauf der sich<br />

in diesem Alter manifestierten Depression.<br />

Für die Anpassungsstörungen <strong>mit</strong> depressiver Verstimmung, kann eine insgesamt eher<br />

günstige Prognose und ein gutes Ansprechen auf therapeutische Massnahmen angenommen<br />

werden. Hingegen ist der Verlauf der Major-Form dadurch gekennzeichnet, dass ein Jahr<br />

nach Beginn der Therapie, etwa 70-80 % geheilt sind und 10 % eine anhaltende Depression<br />

haben (vgl. Steinhausen, 2006).<br />

2.3.8 Relevanz für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> kann die Aufar<strong>bei</strong>tung im Sinne einer Psychotherapie nicht ersetzen.<br />

Doch wie bereits erwähnt, erachtet man heute ein polyätiologisches Modell zur Ableitung<br />

als angemessen, um die Ursachen der Depression zu erfassen. Wie die einzelnen<br />

Faktoren <strong>mit</strong>einander verknüpft sind, ist noch unbekannt. Doch es zeigt sich, dass die Ursachen<br />

auf mehreren Ebenen zu suchen sind und eine depressive Verstimmung auf mehreren<br />

Ebenen zum Ausdruck kommen kann. Eine <strong>Psychomotoriktherapie</strong> hat den Anspruch ganzheitlich<br />

vorzugehen und kann so der Depression auf mehreren Ebenen begegnen. Verschiedene<br />

Symptome einer depressiven Verstimmung können im Rahmen einer <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

angegangen und ein adäquater Umgang <strong>mit</strong> ihnen gefördert werden. Im Folgenden<br />

möchten wir gerne anhand gewisser Merkmale einer depressiven Verstimmung aufzeigen,<br />

dass sich die Psychomotorik <strong>mit</strong> dieser Thematik auseinandersetzt.<br />

Eine Beeinträchtigung der Gefühls- und Stimmungslage gilt als charakteristisch für eine<br />

Depression. Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> vermag die Wahrnehmung der eigenen Gefühle und<br />

die Auseinandersetzung <strong>mit</strong> diesen zu fördern. Das Erkennen von Gefühlen und erlernen von<br />

Bewältigungsstrategien, wie es <strong>bei</strong> einer kognitiv-behavioristischen Therapie der Fall ist,<br />

kann auch im Rahmen einer <strong>Psychomotoriktherapie</strong> zum Tragen kommen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 25<br />

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Ein weiteres Merkmal für ein depressives Syndrom ist das niedrige Selbstwertgefühl, welches<br />

in verschiedenen Konzepten der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> auftaucht. Das Selbstkonzept<br />

und die Identität sind Schlüsselbegriffe einer psychomotorischen Förderung.<br />

Weitere Begriffe, die <strong>mit</strong> einer Depression im Zusammenhang stehen und in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

eine Bedeutung haben, sind: das Körperbild, das Selbstbild, Selbstwirksamkeit<br />

und Kontrollüberzeugung, internale / externale Zuschreibungen, Emotionsregulation,<br />

Hemmungen, Trennungsängstlichkeit, Bindungserfahrungen, Umgang <strong>mit</strong> Emotionen, Verstärker,<br />

gelernte Hilflosigkeit und nicht zuletzt, spielt die Ressourcenorientierung in der<br />

Psychomotorik eine grosse Rolle. Zentral scheint uns der Aufbau eines positiven Selbstkonzepts,<br />

welcher auch in der Tiergestützten Therapie thematisiert wird.<br />

2.4. Tiergestützte Therapie<br />

Der Ausdruck tiergestützte Therapie wird in allen Bereichen, wo ausgebildete Therapeuten<br />

konzeptorientiert <strong>mit</strong> Tieren ar<strong>bei</strong>ten, verwendet. Dies gilt für therapeutische wie auch<br />

diagnostisch Aufgabengebiete. Medizin, Psychotherapie, Psychiatrie, Ergotherapie, Physiotherapie,<br />

Logopädie und Sterbebegleitung sind anerkannte Therapiebereiche <strong>mit</strong> qualifizierter<br />

Ausbildung (vgl. Stauffer, 2008).<br />

Erklärung des Begriffes „tiergestützte Therapie“<br />

Auf der Suche nach einer allgemeinen Erklärung für den Begriff der Therapie, findet man<br />

eine Ableitung aus dem Griechischen. Therapie bedeutet Pflegen oder Heilen (vgl. Böhm,<br />

2005). Ziel der Therapie ist, nach allgemeiner Definition, die Heilung, die Beseitigung oder<br />

Linderung der Symptome und die Wiederherstellung der körperlichen oder psychischen<br />

Funktion (vgl. Wikipedia, 2010).<br />

Therapie ist auf klar definierte, eng eingegrenzte Therapieziele ausgerichtet und findet innerhalb<br />

eines begrenzten Rahmens statt. Die spezifische Therapie ist da<strong>bei</strong> gezielt auf eine<br />

Krankheit abgestimmt und die unspezifische Therapie bedient sich allgemein heilungsfördernden<br />

Massnahmen (vgl. Stauffer, 2008).<br />

Bezogen auf die tiergestützte Therapie, hiesse das folgendes:<br />

Unter tiergestützter Therapie versteht man alle Auswirkungen, <strong>bei</strong> denen durch<br />

den gezielten Einsatz eines Tieres positive Auswirkungen auf das Erleben und<br />

Verhalten von Menschen erzielt werden sollten. Das gilt für körperliche wie<br />

seelische Erkrankungen. Das Therapiepaar Mensch/Tier fungiert hier<strong>bei</strong> als<br />

Einheit. Als therapeutische Elemente werden da<strong>bei</strong> emotionale Nähe, Wärme<br />

und unbedingte Anerkennung durch das Tier angesehen. Zusätzlich werden auch<br />

verschiedenste Techniken aus den Bereichen der Kommunikation und Interaktion,<br />

der basalen Stimulation und der Lernpsychologie eingesetzt.<br />

(Gatterer; zitiert nach Schnitzer, 2006, S. 15)<br />

„Pet therapy“ oder tiergestützte Therapie ist die Bezeichnung für Tiere, die in irgendeiner<br />

Form zur Therapie eingesetzt werden. Der Zusatz „tiergestützt“ bringt zum Ausdruck, dass<br />

Tiere den Therapeuten nicht ersetzen sondern diesen lediglich unterstützen.<br />

Ursprünglich bezeichnete der Begriff „Pet therapy“ Besuchsprogramme, <strong>bei</strong> denen Tiere in<br />

Altenheimen und anderen Institutionen eingesetzt wurden. Jedoch waren <strong>bei</strong> diesen<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 26<br />

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Programmen keine Therapeuten anwesend und so<strong>mit</strong> war dieser Begriff der “Pet therapy“<br />

nicht korrekt (vgl. Schnitzer, 2006).<br />

Ursprünge der tiergestützten Therapie<br />

Der Einsatz von Tieren für therapeutische Zwecke ist keine neue Vorgehensweise und führt<br />

laut S. Greiffenhagen bis ins achte Jahrhundert zurück. Doch viele der Einsätze wurden entweder<br />

vergessen oder nicht dokumentiert und blieben da<strong>mit</strong> für die wissenschaftliche Forschung<br />

ohne Wert.<br />

Theorien wurden erst später entwickelt. Allerdings kam man in der Praxis rasch voran und es<br />

ist nicht übertrieben, von einer Revolution zu sprechen, die weite Gebiete der Pädagogik,<br />

der Sozialisation und der Resozialisierung erfasste. Die Einsicht, dass Tiere den Menschen<br />

nicht nur Fleisch liefern, Lasten tragen und Gesellschaft leisten, sondern helfen und heilen<br />

können, führte zu einer weltweiten Bewegung.<br />

Anfang der sechziger Jahre begann alles <strong>mit</strong> wenigen Zeitungsartikeln und ersten, noch kurzen<br />

und zuweilen belächelten wissenschaftlichen Berichten.<br />

Den Durchbruch brachte dann ein Buch des amerikanischen Kinderpsychotherapeuten Boris<br />

M. Levinson, der seine Erfahrungen <strong>mit</strong> Tieren als Co-Therapeuten schilderte. Wissenschaftler<br />

aus ganz verschiedenen Disziplinen und Angehörige diverser Heilberufe begannen <strong>mit</strong><br />

Experimenten, Versuchsreihen und Dokumentationen (vgl. Greiffenhagen, 1991).<br />

„Der Begriff „pet facilitated therapy“ wurde zum Schlagwort eines neuen Wissenschaftszweigs,<br />

der „Mensch-Tier-Beziehung“(Greiffenhagen, 1991, S. 15).<br />

Im Folgenden möchten wir gerne anhand einiger Ergebnisse der Forschung, einzelne Wirkfaktoren<br />

der Mensch-Tier-Beziehung betonen.<br />

Einige Ergebnisse der Forschung<br />

Die Bedeutung der Mensch-Tier-Beziehung für das verbale menschliche Kommunikationsverhalten<br />

1996 fanden Katcher und Beck, dass der Verbalkontakt des Menschen zu seinem Haustier<br />

Parallelen <strong>mit</strong> dem Kommunikationsverhalten eines Menschen zu einem Kleinkind aufweist.<br />

„Die Beziehung zu einem Tier kann nicht nur das kindliche Sprachvermögen trainieren, sondern<br />

erhöht auch die Bereitschaft zur verbalen Kommunikation“ (Vanek-Gullner, 2003, S.<br />

14).<br />

Hinsichtlich dieser Auswirkungen gibt es eine Reihe von Erklärungsansätzen. Einige Untersuchungen<br />

lassen darauf schliessen, dass das Kleinkind über die I<strong>mit</strong>ation der Laute des Tieres,<br />

den Namen des Tieres erlernt und dadurch zum sprechen animiert wird. Ausserdem kann<br />

einem Tier alles erzählt werden, ohne die Konsequenzen fürchten zu müssen (vgl. Vanek-<br />

Gullner, 2003).<br />

Der Einfluss der Mensch-Tier-Beziehung auf das nonverbale menschliche Kommunikationsverhalten<br />

Durch einen Test, der die Sensibilität einer Person für menschliche Ausdrucksformen objektiviert,<br />

fanden Guttmann et al. heraus, dass die kindlichen Heimtierhalter bessere Leistungen<br />

in der nonverbalen Kommunikationsfähigkeit erzielen als die Kontrollpersonen ohne Heimtier.<br />

Die Sprache zwischen Mensch und Tier <strong>bei</strong>nhaltet lediglich analoge Anteile und auf dieser<br />

Ebene der Kommunikation begegnen sich Kind und Tier (vgl. Vanek-Gullner, 2003).<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 27<br />

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Der Einfluss der Mensch-Tier-Beziehung auf das menschliche Einfühlungsvermögen<br />

Ein Zusammenhang zwischen menschlichem Verhalten gegenüber Tieren und dem Einfühlungsvermögen<br />

gegenüber anderen Menschen konnte durch Ascione, F.R. erstmals empirisch<br />

belegt werden. Er stellte im Rahmen der Einführung eines tiergestützten Erziehungsprogramms<br />

fest, dass Kinder, welche an diesem Programm teilnahmen, eine höhere Fähigkeit<br />

zur Empathie entwickelten, als Kinder der Kontrollgruppe.<br />

Darüber, ob die Steigerung des Einfühlungsvermögens <strong>mit</strong> der Beziehung zu einem Tier<br />

unabhängig von der Art des Haustieres korreliert, sind sich die Forscher nicht einig.<br />

Die Bedeutung der Tiefe der Beziehung zwischen Mensch und Tier belegt Poresky R. durch<br />

die Ergebnisse seiner Studie, welche aufzeigt, dass Kinder <strong>mit</strong> einem Haustier nicht a priori<br />

mehr Einfühlungsvermögen zeigen, sondern nur jene Kinder, die eine starke emotionale Bindung<br />

zu ihrem Tier haben (vgl. Vanek-Gullner, 2003).<br />

Die Bedeutung des Körperkontakts zwischen Mensch und Tier<br />

Durch die Aufzeichnung seiner physiologischen Reaktionen, ist die Tatsache, dass der körperliche<br />

Kontakt zu Tieren dem Menschen gut tut belegbar. Der Körperkontakt zu einem Tier<br />

beruhigt, da <strong>bei</strong>m Streicheln eines Tieres der Blutdruck sinkt und die Herzfrequenz erhöht<br />

wird.<br />

Bereits dadurch, dass sie kein gutes Benehmen erwarten und der Mensch einfach so sein<br />

darf wie er ist, können Tiere beruhigen. Die Tiere leben selbst ihre Bedürfnisse aus und verstellen<br />

sich nicht, was dazu führt, dass der Mensch sich frei fühlt, seine Sehnsüchte wie zum<br />

Beispiel nach körperlicher Nähe, auszudrücken (vgl. Vanek-Gullner, 2003).<br />

Der Einfluss der Mensch-Tier-Beziehung auf die Stimmung des Menschen<br />

Ein Hund fordert sein menschliches Gegenüber zum Spielen und Lachen auf.<br />

Katcher betonte 1980 im Zusammenhang <strong>mit</strong> der Thematisierung der Funktion<br />

eines Tieres als Stimmungsaufheller, dass ein Hund depressiver Verstimmung<br />

vorbeugen kann. Darauf basierend untersuchte 1983 Hendy die Wirkung<br />

verschiedener Erscheinungsformen der Haustiere, wie <strong>bei</strong>spielsweise Tiere auf<br />

Videoaufnahme oder ausgestopfte Tiere, im Vergleich zu der Wirkung lebender<br />

Tiere und fand, dass der Kontakt <strong>mit</strong> lebenden Tieren die Insassen eines Pflege-<br />

heimes zu deutlich mehr Lächeln anregte, als der Kontakt <strong>mit</strong> anderen Erscheinungs-<br />

formen. Die Wirkungen hielten für den Zeitraum von vier bis acht Wochen an.<br />

(Vanek-Gullner, 2003, S. 21)<br />

Durch das Spiel <strong>mit</strong> dem Tier findet im menschlichen Organismus eine chemische Reaktion<br />

statt, die dem Menschen Glücksgefühle beschert. Das Spiel <strong>mit</strong> dem Tier spricht soziale, körperliche<br />

und psychische Elemente an, da die spielerische Aktivität <strong>mit</strong> dem Tier ein soziales<br />

Geschehen ist, welches körperliche Bewegung <strong>bei</strong>der Spielpartner <strong>bei</strong>nhaltet und Freude<br />

bringt. Dem Kind wird zugleich Aufmerksamkeit und Empathie gegenüber dem Lebewesen<br />

abverlangt, wodurch die Fähigkeit des Kindes zur analogen Kommunikation gefordert ist. In<br />

diesem Sinne werden in das lustvolle Geschehen positive Effekte der Mensch-Tier-Beziehung<br />

integriert. Besonders <strong>bei</strong> trauernden Klientinnen und Klienten wird die Funktion des Tieres<br />

als Aufmerksamkeitsfokus, für den positiven Einfluss des Haustierkontaktes auf die Stimmung<br />

eines Menschen anerkannt (vgl. Vanek-Gullner, 2003).<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 28<br />

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„Ein anwesendes Tier vermag die Aufmerksamkeit eines Menschen auf sich zu ziehen und<br />

dadurch seine Spirale negativer Gedanken zu durchbrechen“ (Vanek-Gullner, 2003, S. 22).<br />

Der Einfluss der Mensch-Tier-Beziehung auf aggressives Verhalten des Menschen<br />

Dadurch, dass das Tier beruhigend wirkt und durch seine Anwesenheit zu Gesprächen über<br />

persönliche Belange und zur Artikulation der eigenen Bedürfnisse anregt, eröffnet es neue<br />

Möglichkeiten für den Umgang <strong>mit</strong> Aggressionen.<br />

Studien zufolge, wirken vor allem grosse Tiere beruhigend: Im Zusammensein <strong>mit</strong> einem<br />

respekteinflössenden Hund, lernt ein Kind, <strong>mit</strong> eigenen Grenzen umzugehen. Beispielsweise,<br />

wenn es dem Vier<strong>bei</strong>ner seinen Willen aufzwingen möchte und feststellen muss, dass dieser<br />

sich nicht unterordnet. So übt sich das Kind in Geduld und lernt, dass lediglich Ausdauer und<br />

Konsequenz zum gewünschten Erfolg führen. Derartige Grenzerfahrungen konfrontieren die<br />

Heranwachsenden <strong>mit</strong> ihren eigenen Stärken und Schwächen auf neutrale und nicht vorwurfsvolle<br />

oder wertende Weise (vgl. Vanek-Gullner, 2003).<br />

Die Bedeutung der Mensch-Tier-Beziehung für das Selbstbewusstsein des Kindes<br />

Im Rahmen einer Studie wurde festgestellt, dass Kinder, die in einer Schulklasse für ein Tier<br />

sorgten, signifikant mehr Selbstbewusstsein hatten, als Gleichaltrige der Versuchsgruppe.<br />

Eine prägnante Änderung konnte vor allem <strong>bei</strong> jenen Schülern bzw. Schülerinnen, die vor<br />

den Tierkontakten ein schlechtes Selbstkonzept hatten, verzeichnet werden.<br />

Bei der Kontaktaufnahme <strong>mit</strong> Menschen gehen Tiere nicht nach menschlichen Beurteilungskriterien<br />

vor. Deshalb erfährt ein Kind, das für sein Tier Sorge trägt, in jedem Fall Dankbarkeit<br />

und Anerkennung für sein Handeln, sowie eine natürliche bedingungslose Annahme.<br />

Darüber hinaus ver<strong>mit</strong>telt die Möglichkeit, für das Tier Verantwortung zu übernehmen, dem<br />

Kind ein Gefühl von Kompetenz, das für seine sozial-emotionale Entwicklung von tragender<br />

Bedeutung ist. Dieser Aspekt kommt vor allem im Training eines Tieres zum Tragen.<br />

Auch kann die blosse Anwesenheit eines Tieres das Kind dazu ermutigen, Aufgaben zu versuchen,<br />

zu deren Bewältigung in anderen Situationen der Mut fehlt.<br />

Durch das Eintrainieren kleiner Kunststücke erwirbt das Kind Kompetenzen, die andere Kinder<br />

aus dem Umfeld und unter Umständen auch der Lehrer bzw. die Eltern nicht besitzen<br />

(vgl. Vanek-Gullner, 2003).<br />

Die Bedeutung der Mensch-Tier-Beziehung für die Beziehungen des Menschen<br />

Boris Levinson gilt als der Vater der tiergestützten Therapie. Er setzte seinen Hund, nach seiner<br />

zufälligen Entdeckung der positiven Wirkung des Tierkontakts auf einen ängstlichen Buben,<br />

gezielt ein, um das Vertrauen des Klienten zu gewinnen und über das Tier zu einer exakten<br />

Diagnose zu kommen. Den Prozess der tiergestützten Therapie teilt Levinson in vier Phasen<br />

ein. Im ersten Schritt schenkt das Kind dem Hund durch Blicke Beachtung, um in einem<br />

zweiten Schritt <strong>mit</strong> dem Tier zu spielen. Danach wird der Therapeut oder die Therapeutin<br />

allmählich einbezogen bis schliesslich die Kommunikation <strong>mit</strong> dem Therapeuten bzw. der<br />

Therapeutin an Bedeutung gewinnt und Momente der Interaktion <strong>mit</strong> dem Haustier seltener<br />

stattfinden. In diesem Zusammenhang bezeichnet Levinson das Tier als sozialen Katalysator,<br />

als Brücke zur Beziehung zu einem anderen Menschen.<br />

Menschen die <strong>mit</strong> einem Hund spazieren gehen, werden öfter durch andere Spaziergänger/innen<br />

beachtet, als andere, die ohne Hund ihres Weges gehen. Diese Tatsache wurde<br />

durch Experimente von amerikanischen und britischen Psychologen bestätigt. Auch ich persönlich<br />

erfahre wesentlich mehr Kontakte wenn ich <strong>mit</strong> dem Hund unterwegs bin, da die<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 29<br />

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Kontaktaufnahmen oft über den Hund laufen und so bin ich wie andere Hundehalter auch<br />

der Meinung, dass Tiere Freunde schaffen können. Es wurde belegt, dass der Hund als starker<br />

Katalysator für den Aufbau sozialer Beziehungen zu Menschen dient, sogar dann, wenn<br />

der Hund und sein Besitzer kein Interesse an sozialen Beziehungen zeigen. Tiere geben<br />

offensichtlich einen Sympathiebonus: Studien zeigen, dass Menschen auf einer Fotografie<br />

von anderen positiver beurteilt wurden, wenn sie in Gesellschaft eines Tieres abgelichtet<br />

sind. In diesem Zusammenhang fanden Katcher und Beck, dass Personen von anderen als<br />

sozial attraktiver angesehen werden, wenn sich Tiere in ihrer Umgebung befanden.<br />

Die Psychologen S. und E. Corson stellten im Rahmen einer Studie, die Auswirkungen tiergestützter<br />

Psychotherapie in den Vordergrund. 50 Personen, die auf konventionelle Behandlungsmethoden<br />

nicht angesprochen hatten, wurden für das Experiment ausgewählt. Nach<br />

Beendung des Experiments zeigten 47 Klienten eine Besserung des Befindens. Bei diesen<br />

Klienten war über das Tier ein erstes Gespräch zwischen ihnen und ihrem Arzt möglich geworden.<br />

Das Ehepaar S. und E. Corson und ihre Mitar<strong>bei</strong>ter konnten empirisch nachweisen, dass zwischen<br />

der Beziehung des Menschen zu einem Tier und seiner Möglichkeit, <strong>mit</strong> anderen Menschen<br />

eine Beziehung einzugehen, ein Zusammenhang besteht.<br />

Der Hauptgrund dafür, dass die „Brücke“ Hund Beziehungen zwischen Menschen schafft,<br />

liegt darin, dass Tiere ungefragt angesprochen werden können. Die Funktion des Tieres als<br />

katalysatorischer Ver<strong>mit</strong>tler, begründet das Ehepaar Corson da<strong>mit</strong>, dass das Tier von niedrigerem<br />

Rang als der Klient bzw. die Klientin ist, so gering deren Selbstwertgefühl auch sein<br />

mag. Zudem ist aus der Sicht der Klientel, die Wahrscheinlichkeit, dass im Kontakt <strong>mit</strong> dem<br />

Tier dieselben negativen Erfahrungen gemacht werden wie im Umgang <strong>mit</strong> anderen Menschen,<br />

sehr gering.<br />

Weiter stellte das Ehepaar Corson die Hypothese auf, dass sich der Kreis sozialer Kontakte<br />

zunächst auf die therapeutische Bezugsperson und später auf andere Menschen ausdehnt.<br />

Die anfänglich nonverbale Interaktion wird da<strong>bei</strong> durch verbale Kommunikation ersetzt (vgl.<br />

Vanek-Gullner, 2003).<br />

Einsatz von Tieren für therapeutische Zwecke<br />

Wie aus den Ausführungen ersichtlich wird, kann man Tiere in diversen Heilberufen unterstützend<br />

für therapeutische Zwecke einsetzen. Heutzutage gibt es zahlreiche tiergestützte<br />

Therapien, welche in der Gesellschaft und zum Teil auch von den Krankenkassen anerkannt<br />

werden. Wie in der Einleitung bereits beschrieben, würde es den Rahmen unserer Ar<strong>bei</strong>t<br />

sprengen, wenn wir auf alle Tiere, die in Therapien eingesetzt werden, eingehen würden.<br />

Deshalb haben wir uns auf das Pferd, welches oft für therapeutische Zwecke verwendet<br />

wird, beschränkt. Aber auch <strong>mit</strong> dem Pferd gibt es heutzutage eine Menge an unterschiedlichen,<br />

therapeutischen Angeboten. Im Kapitel 2.5 möchten wir auf einige der bekanntesten<br />

Therapien, welche sich auf den Einsatz des Pferdes stützen, eingehen.<br />

Relevanz der tiergestützten Therapie für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Die Kommunikation zwischen der Psychomotoriktherapeutin oder dem Psychomotoriktherapeuten<br />

und der Klientel ist für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> grundlegend. Unabhängig<br />

davon ob die Klientel sich verbal oder nonverbal äussert, die Therapeutin bzw. der Therapeut<br />

kann die Botschaft aufnehmen und darauf eingehen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 30<br />

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Tiere können laut Vanek-Gullner die Bereitschaft zur verbalen Kommunikation erhöhen, was<br />

besonders <strong>bei</strong> einer stark verschlossenen Klientel, einen positiven Einfluss auf den Therapieprozess<br />

haben kann.<br />

Das Einfühlungsvermögen stellt eine wichtige Voraussetzung für das soziale Miteinander dar.<br />

Da wir Menschen <strong>mit</strong> dem Tier nicht verbal kommunizieren können, sind wir gefordert, die<br />

nonverbalen Äusserungen zu verstehen und fördern so<strong>mit</strong> unsere Fähigkeit empathisch zu<br />

sein. Für Klientinnen oder Klienten, welche Mühe zeigen sich in Andere hineinzuversetzen,<br />

kann ein Tier ein Trainingsfeld darstellen, um die Fähigkeit zur Empathie zu erhöhen, was<br />

sich positiv auf das Sozialverhalten auswirkt.<br />

Da Tiere ungeniert ihre Bedürfnisse ausdrücken, können wir Menschen lernen zu unseren<br />

Bedürfnissen zu stehen und diese ebenfalls auszudrücken.<br />

Der Körperkontakt zu Tieren wirkt nicht nur beruhigend, sondern bietet auch unterschiedliche<br />

taktile Erfahrungsmöglichkeiten.<br />

Das Spiel ist ein therapeutisches Element der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> und kann in Verbindung<br />

<strong>mit</strong> dem Tier bereichert werden, da positive Effekte der Mensch-Tier-Beziehung, wie<br />

das Fördern der analogen Kommunikation usw., im Spiel integriert werden. Ausserdem vermag<br />

das Tier die Aufmerksamkeit der Klientel auf sich zu ziehen und so die Spirale negativer<br />

Gedanken zu durchbrechen, wie auch das Fokussieren der Aufmerksamkeit zu fördern.<br />

Die Tiere reagieren auf Menschen wie ein Spiegel, weil sie direkt und unverfälscht reagieren.<br />

So zeigen uns Tiere Grenzen auf. Dadurch erfährt die Klientel auch etwas über ihre eigenen<br />

Schwächen und Stärken.<br />

Das Tier nimmt den Menschen, bzw. die Klientel so an wie sie ist und wertet ihn nicht<br />

aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Behinderung. Die Klientel erfährt so eine natürliche und<br />

bedingungsfreie Annahme.<br />

Dadurch, dass der Klientel Verantwortung für das Tier zugesprochen wird, kann sie sich<br />

kompetent fühlen, was für die sozial-emotionale Entwicklung von tragender Bedeutung ist.<br />

Kinder <strong>mit</strong> geringem Selbstvertrauen, welche in die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> gehen, trauen<br />

sich oft weniger zu, als sie tatsächlich können. Das Tier kann in diesem Fall der Klientel helfen,<br />

ihre Ängste zu überwinden, in dem es die Klientel motiviert, über ihre häufig zu tief gelegten<br />

Grenzen zu gehen. Auf diesem Weg können die Klienten Erfolgserlebnisse erfahren,<br />

welche sich positiv auf das Selbstvertrauen auswirken.<br />

Die Funktion des Tieres als katalysatorischer Ver<strong>mit</strong>tler kann den Prozess der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

begünstigen, da die Klientel sich über das Tier dem Therapeuten oder der<br />

Therapeutin öffnen kann und so<strong>mit</strong> die Beziehung zwischen Klientel und Therapeut/in gefördert<br />

wird, welche für die Therapie ein grundlegendes Element darstellt (vgl. Vanek-Gullner,<br />

2003).<br />

2.5 Therapeutische Massnahmen anhand des Pferdes<br />

Wie wir bereits unter Kapitel 2.4 aufgeführt haben, tragen Tiere zu psychischem und physischem<br />

Wohlbefinden <strong>bei</strong>. Die Anerkennung der tiergestützten Therapie wächst <strong>mit</strong> der Verwissenschaftlichung<br />

dieses neuen Zweiges.<br />

Bei diesem positiven Trend hat sich der Einsatz des Pferdes als Therapeutikum<br />

weltweit als eine Bereicherung erwiesen, und vielen Kindern, <strong>Jugendlichen</strong> und<br />

Erwachsenen <strong>mit</strong> unterschiedlichen Erkrankungen oder Behinderungen konnte<br />

in den drei Anwendungsfeldern des Therapeutischen Reitens (Hippotherapie,<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 31<br />

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Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten als Sport für behinderte Menschen)<br />

geholfen werden.<br />

(Gäng, 2009, S. 9)<br />

Wir beginnen nun <strong>mit</strong> einer Übersicht der drei genannten Anwendungsfelder des Therapeutischen<br />

Reitens.<br />

2.5.1 Übersicht<br />

Das Therapeutische Reiten umfasst drei unterschiedliche Bereiche der pädagogischen oder<br />

therapeutischen Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> dem Pferd. Bei Pietrzak findet man folgende Gliederung:<br />

Methode Ausführende Person<br />

Krankengymnastik<br />

Krankengymnasten <strong>mit</strong> Zusatz<br />

auf dem Pferd<br />

Hippotherapie<br />

Reitsport speziell für Behinderte im Freizeit-, Reitlehrer/in <strong>mit</strong> Zusatzausbildung Reiten als<br />

Breiten- und Leistungssport<br />

Sport für Behinderte<br />

Fördermethode <strong>bei</strong> Verhaltensauffälligkeiten, Pädagogen und Psychologen <strong>mit</strong> Zusatzausbildung<br />

Lernstörungen, Behinderten oder psychisch für heilpädagogisches Reiten/Voltigieren oder für<br />

Kranken<br />

Reittherapie<br />

Tabelle 2.1: Die drei Bereiche des therapeutischen Reitens (vgl. Pietrzak, 2001)<br />

Im gesamten Gebiet des Therapeutischen Reitens werden die emotionalen und kommunikativen<br />

Möglichkeiten des Pferdes ebenso wie seine körperlichen und bewegungsspezifischen<br />

Besonderheiten eingesetzt, um kranke oder behinderte Menschen aller Altersstufen zu fördern.<br />

Betrachtet man die verschiedenen Teilbereiche des Therapeutischen Reitens und vergleicht<br />

die Möglichkeiten zum einen nach der wissenschaftlichen Präzision in der Erforschung der<br />

Wirkfaktoren und in der Kontrolle der Ergebnisse, und zum anderen nach der Eindeutigkeit<br />

ärztlicher Indikation in Bezug auf die neuro-, senso-, psycho-, oder soziomotorische Förderung,<br />

so steht die medizinische Anwendung der Hippotherapie als Heilmethode in der<br />

Krankengymnastik an erster Stelle (vgl. Gäng, 2004).<br />

Die Hippotherapie<br />

Die Hippotherapie ist eine medizinisch physiotherapeutische Behandlungsmöglichkeit. Physiotherapeutinnen<br />

bzw. Physiotherapeuten <strong>mit</strong> zusätzlicher Ausbildung wenden diese Massnahme<br />

als ergänzende Therapie an. Hier<strong>bei</strong> wird besonders von den Bewegungsabläufen des<br />

Pferdes profitiert. In der Hippotherapie wird das Pferd in Form von Krankengymnastischen<br />

Übungen zum Einsatz gebracht. Das Pferd wird da<strong>bei</strong> als lebendes Hilfs<strong>mit</strong>tel eingesetzt, um<br />

die motorischen Fähigkeiten der Klientel <strong>mit</strong> zentralen Bewegungsstörungen zu beeinflussen<br />

und zu verbessern. Selbst wenn die Auswirkungen der Hippotherapie auch den Gemütszustand<br />

und die Psyche positiv beeinflussen können, ist eine körperliche Einschränkung für<br />

die Unterstützung durch die Krankenkasse eine Voraussetzung, da es eine medizinisch physiotherapeutische<br />

Vorgehensweise ist. In der Schweiz ist die Hippotherapie anerkannt und<br />

wird im Gegensatz zu anderen Formen des Therapeutischen Reitens, <strong>mit</strong> wenigen Ausnahmen,<br />

von der Krankenkasse übernommen (vgl. Stauffer, 2008).<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 32<br />

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Reitsport speziell für Menschen <strong>mit</strong> Behinderung<br />

Das Pferd im Sport für Menschen <strong>mit</strong> einer Behinderung <strong>bei</strong>nhaltet Reiten und Voltigieren<br />

und wird als reiner Sport für Menschen <strong>mit</strong> den verschiedensten körperlichen und geistigen<br />

Behinderungen verwendet (vgl. Stauffer, 2008).<br />

Beim Reitsport speziell für Menschen <strong>mit</strong> Behinderung geht es um körperliche und psychosoziale<br />

Resozialisierung der Klientel, <strong>bei</strong> der der Mensch <strong>mit</strong> Behinderung eine Möglichkeit<br />

bekommt, sich der „normalen“ Welt zugehörig zu fühlen. Für die Teilnehmer dieses Angebots<br />

besteht die Möglichkeit, im Freizeitbereich zu reiten und sich bis zum Leistungssport zu<br />

qualifizieren.<br />

Die Paralympics oder die Weltmeisterschaften sind wohl das beste Beispiel dafür (vgl.<br />

Schnitzer, 2006). Da <strong>bei</strong>m Reitsport speziell für Menschen <strong>mit</strong> Behinderung ganz klar der<br />

Sport im Vordergrund steht, werden wir in unserer Ar<strong>bei</strong>t auf dieses Angebot nicht weiter<br />

eingehen.<br />

Da die Hippotherapie funktional ausgerichtet und so<strong>mit</strong> eine Klientel, welche an Depressionen<br />

leidet nicht eine typische Klientel ist, wenden wir uns in dieser Ar<strong>bei</strong>t nun dem Heilpädagogischen<br />

Reiten, das pädagogisch, heilpädagogisch und erlebnispädagogisch vorgeht und<br />

der Reittherapie, welche therapeutisch, psychotherapeutisch und rehabilitativ ar<strong>bei</strong>tet, zu<br />

(vgl. Gäng, 2004).<br />

2.5.2 Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren<br />

Im Gegensatz zur Hippotherapie, welche vorwiegend die rhythmischen Bewegungen des Pferdes<br />

nutzt und eine motorisch-physiotherapeutische Wirkung erzielt, wird <strong>bei</strong>m Heilpädagogischen<br />

Reiten der ganze Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd genutzt und eine allgemein fördernde Wirkung,<br />

sowie physio-, soziotherapeutische und pädagogische Wirkung angestrebt.<br />

Das Heilpädagogische Reiten stellt eine umfangreiche Möglichkeit dar, <strong>mit</strong> dem Menschen<br />

und dem Tier gemeinsam zu ar<strong>bei</strong>ten. Die Ar<strong>bei</strong>tsweise ist pädagogisch, heilpädagogisch und<br />

erlebnispädagogisch ausgerichtet. Das Angebot richtet sich eher an Kinder und Jugendliche,<br />

aber auch an Erwachsene, die Störungen der „normalen“ körperlichen, seelischen und sozialen<br />

Entwicklung und/oder des Verhaltens und Befindens, unter Berücksichtigung der jeweiligen<br />

Behinderung, aufweisen. Die Durchführung des Heilpädagogischen Reitens erfolgt durch<br />

Lehrer/innen aller Stufen, Heilpädagogen und Heilpädagoginnen, Sozialpädagogen und<br />

Sozialpädagoginnen, Kindergärtner/innen und Erziehungspfleger/innen. Leider wird das<br />

Heilpädagogische Reiten und Voltigieren von den Krankenkassen nur zum Teil übernommen.<br />

Das pädagogische Vorgehen des Heilpädagogischen Reitens findet, im Gegensatz zur<br />

(psycho-) therapeutischen Vorgehensweise der Reittherapie, nicht nur in Einzelstunden,<br />

sondern auch in Gruppen statt. Beim Heilpädagogischen Reiten wird der Klientel ein Umfeld<br />

geboten, in der es leicht lernen oder auch umlernen kann. Da<strong>bei</strong> werden die „normalen“<br />

Entwicklungsschritte genutzt und es wird dem Alter entsprechend vorgegangen. Wünsche<br />

und Bedürfnisse der Klientel werden berücksichtigt und der „Ist-Status“, bezüglich Ressourcen,<br />

Handicap und Umfeld, wird ausfindig gemacht, um die Person dort abzuholen wo sie<br />

gerade steht. Das Heilpädagogische Reiten und Voltigieren ist ein pädagogischer Beruf, der<br />

die selbstständige Planung, Durchführung und Dokumentation von Förderung <strong>bei</strong> bestimmten<br />

Entwicklungsschritten, Behandlung von deren Störung und dem Erlernen bestimmter<br />

Fertigkeiten, umfasst. Die Struktur der Einheit zeichnet sich aus durch Flexibilität in Bezug<br />

auf aktuelle Geschehnisse bis zu direktiven Vorgehen, sowie durch Planung von einzelnen<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 33<br />

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Aktivitäten. Grenzen des Heilpädagogischen Reitens bilden gewisse Grenzfälle aus der Sicht<br />

von Therapeut/in oder Klientel. In solchen Fällen muss die Hauptproblematik jeweils herausgear<strong>bei</strong>tet<br />

werden und an geeignete Professionen verwiesen werden. Weitere Grenzen können<br />

das Umfeld, welches Infrastruktur, Hilfs<strong>mit</strong>tel und Hilfspersonen <strong>bei</strong>nhaltet, die Finanzierbarkeit<br />

der Massnahmen, die Ressourcen des Therapeuten bzw. der Therapeutin und des<br />

Pferdes, sowie die Motivation und Ressourcen der Klientel sein (vgl. Gäng, 2004).<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweisen des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens<br />

Auf der Suche nach Methoden, welche im Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren eingesetzt<br />

werden, stiessen wir auf sehr vielfältig wirkende Ar<strong>bei</strong>tsweisen. Innerhalb des heilpädagogischen<br />

Bereichs gibt es ein breites Spektrum, im Einsatz des Pferdes und seiner Ausrüstung,<br />

in den Grundberufen der Übungsleiter, in den Zielgruppen der Betreuung, in den<br />

Schwerpunkten der Zielsetzung und in der Bevorzugung von Einzel- oder Gruppenbehandlung<br />

(vgl. Gäng, 2004).<br />

Wie der Name schon deutlich macht, wird <strong>bei</strong>m Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren,<br />

das Pferd auf unterschiedliche Weise eingesetzt.<br />

Aber nicht nur der Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd gehört zum Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren,<br />

sondern auch die Ar<strong>bei</strong>t um das Pferd herum, welche das Putzen sowie Füttern des<br />

Pferdes und auch das Ausmisten des Stalles umfasst. Diese stellen Übungen dar, die von der<br />

Klientel soweit wie möglich selbstständig erledigt werden. Das geschieht, wenn nötig, unter<br />

der Anleitung und Hilfestellung durch die begleitende Pädagogin bzw. den begleitenden Pädagogen<br />

(vgl. Schnitzer, 2006).<br />

Ziele des Heilpädagogischen Reitens und Voltigierens<br />

Das Heilpädagogische Reiten und Voltigieren wird als Methode der Förderung oft angewendet,<br />

da <strong>mit</strong> ihr der ganze Mensch angesprochen wird: Die Klientel setzt sich <strong>mit</strong> emotionalen<br />

wie auch sozialen Aspekten auseinander und wird körperlich und geistig gefordert, weil sie<br />

aufgrund ihrer Behinderung <strong>mit</strong> einem anderen Lebewesen in Beziehung tritt, welches Gefühle<br />

hat wie die Klientel selber auch und diese versuchen muss, sofern dies möglich ist, den<br />

richtigen Umgang zu finden.<br />

Beim Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren liegt das Hauptaugenmerk nicht in der reiterlichen<br />

Ausbildung, sondern in der individuellen Förderung der einzelnen Person. Das<br />

Pferd wird da<strong>bei</strong> als Mittel eingesetzt, um die Klientel in den Bereichen der Motorik, des<br />

Körpergefühls, der körperlich-seelischen Verfassung und ihres Sozialverhaltens zu unterstützen<br />

(vgl. Schnitzer, 2006).<br />

Die Rolle des Pferdes <strong>bei</strong>m Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren<br />

Die Idee des Heilpädagogischen Reitens und so<strong>mit</strong> der Gedanke, den spielerischen Umgang<br />

von Kindern <strong>mit</strong> einem Pferd pädagogisch zu nutzen, entsprang Beobachtungen und Erfahrungen,<br />

welche Frau M. Gäng <strong>mit</strong> Kindern in ihrer eigenen Familie gemacht hatte. Ihren Kindern<br />

ermöglichte der Umgang <strong>mit</strong> den eigenen Pferden, auf fast selbstverständliche Art und<br />

Weise sich selbst zu überwinden, sich abzuhärten aus Liebe zum Tier, weil das Pferd ohne<br />

Ausnahme <strong>bei</strong> jedem Wetter und zu ganz bestimmten Zeiten gefüttert und gepflegt sein<br />

wollte. Ebenso wurden die gegenseitige rücksichtsvolle Kontaktaufnahme und Auseinandersetzung<br />

spürbar, sowie positive und negative Erfahrungen zu machen, begünstigt.<br />

Als Erziehungshilfen in Sozialisationsprozessen und <strong>bei</strong> verhaltensauffälligen Kindern sind<br />

Pferde und Ponys besonders geeignet, da sie in ihrem Verhalten weitgehend konstant und<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 34<br />

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so<strong>mit</strong> verlässlich und in Erziehungsprozessen einplanbar sind. Auch in<strong>mit</strong>ten einer Kinderschar<br />

ändern Pferde ihr Verhalten kaum. Ausserdem sind Pferde „einfühlsam“ und „rücksichtsvoll“,<br />

bleiben zum Beispiel stehen wenn sie spüren, dass ein Kind vom Rücken herunterzufallen<br />

droht. Sie haben ein feines Gespür für Stimme und Stimmungen und zeigen<br />

Angst, Ungeduld, Unruhe oder reagieren auf falsche Behandlung und fordern dadurch das<br />

Kind zum Handeln bzw. Reagieren auf. Gegenüber dem Menschen zeigen Pferde Zurückhaltung,<br />

was <strong>bei</strong> sozial beeinträchtigten Kindern eine besonders wichtige Eigenschaft ist. Pferde<br />

lassen sich umwerben, zeigen ihre Zuneigung und reagieren artgerecht ohne sich verstellen<br />

zu können. Sie rächen sich nicht und strafen nicht, wie es Menschen tun und sind gutmütig,<br />

aber sie vermögen auf schlechte Erfahrungen negativ zu reagieren. Für verhaltensauffällige<br />

Kinder sind solche Erfahrungen besonders wichtig, da sie so erleben können, dass ihr abweichendes<br />

Verhalten nicht unbedingt und nicht überall aggressive Reaktionen hervorruft.<br />

Die hier erwähnten Eigenschaften des Pferdes sind besonders geeignet, Urvertrauen zu bilden,<br />

was <strong>bei</strong> verhaltensauffälligen Kindern sehr wichtig ist.<br />

M. Gäng weist darauf hin, dass Kinder dem Pferd gegenüber Respekt, Angst, Bewunderung<br />

und Liebe empfinden und dass diese Dinge pädagogisch bekannt sind als Voraussetzungen<br />

für Erziehungs- und Lernprozesse. Durch seine Gestalt und durch sein Wesen vermag das<br />

Pferd, <strong>bei</strong> verhaltensauffälligen Kindern, Verhaltensweisen zu bewirken, die diese Kinder im<br />

Normalfall verweigern würden.<br />

Der Körperrhythmus des Pferdes überträgt sich auf die Reitperson und die Bewegung, sowie<br />

die Wärme des Pferdeleibes, sprechen wohltuend auf direktem Weg den Gefühlsbereich der<br />

Klientel an. Verkrampfungen körperlicher wie auch seelischer Art können sich lösen. Zusätzlich<br />

wird das Gleichgewichtsempfinden gefördert. Das Pferd kann als ein lebendes Wesen<br />

zum echten Partner werden (vgl. Gäng, 2006).<br />

Dadurch, dass das Pferd nicht nur seinen Körper anbietet, sondern zusätzlich <strong>mit</strong><br />

all seinen Ausdrucksformen wie Körperhaltung, Mimik und Stimmäusserung beteiligt<br />

ist, fordert es direkt zur emotionalen und verbalen Kontaktaufnahme und Auseinander-<br />

setzung heraus, dadurch kann sich das Körperbewusstsein als eine Grundform des<br />

Selbstbewusstseins entwickelt.<br />

(Gäng, 2004, S. 29)<br />

Weil das Reiten und der Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd das Bedürfnis nach positiver Zuwendung<br />

befriedigen (und da<strong>mit</strong> die Störungsursache erreicht wird) und weil soziale Fertigkeiten trainiert<br />

werden, indem dem Kind Möglichkeiten des Kontakts und der sozialen Betätigung verschafft<br />

werden, die anders gar nicht mehr vom Kind akzeptiert würden, kann das heilpädagogische<br />

Reiten in idealer Weise dazu <strong>bei</strong>tragen, positive Sozialisationsprozesse in Gang zu<br />

setzen und Störungen zu beheben (vgl. Gäng, 2004).<br />

Bei der Auswahl des geeigneten Reittiers zeigt sich, dass der gutmütige Charakter des ausgewählten<br />

Tieres und ebenso die Sympathie der Reitpädagogin bzw. des Reitpädagogen zu<br />

ihrem bzw. seinem Tier entscheidender sind, als die Pferderasse. Das Tier sollte, was den<br />

Charakter betrifft, weder zu temperamentvoll, stürmisch oder draufgängerisch, noch zu<br />

phlegmatisch, dass es immer wieder angetrieben werden muss, sein. Es versteht sich von<br />

alleine, dass das Therapiepferd keine gravierenden Unarten wie Beissen, Bocken oder Ausschlagen<br />

haben darf. Aber das ausgewählte Tier darf ruhig etwas sensibel und ängstlich sein<br />

und sollte seinen Unmut kundtun können. Wenn mehrere Pferde oder Ponys zur Verfügung<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 35<br />

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stehen, die verschiedenartige Charaktere <strong>mit</strong>bringen, erhöhen sich naturgemäss die<br />

Einsatzmöglichkeiten <strong>bei</strong> den einzelnen Klienten oder Klientinnen.<br />

M. Gäng beschreibt, dass sie ängstlichen Kindern ein anhängliches, ruhiges Tier gibt, demgegenüber<br />

sich das Kind überlegen fühlt. Ein solches Tier gibt dem Kind die notwendige Sicherheit,<br />

die sich günstig auf dessen weiteres Verhalten dem Tier gegenüber auswirkt.<br />

Weiter beschreibt M. Gäng, dass andererseits draufgängerische Kinder <strong>bei</strong> einem eigenwilligen<br />

Tier, das sich nicht alles gefallen lässt, die für ihre Mässigung notwendigen Grenzen finden.<br />

Es sei in jedem Fall wichtig, den Kindern die Achtung vor dem Tier <strong>bei</strong>zubringen, indem<br />

man ihnen, in Bezug auf sie selber, erklärt, was sie sich erlauben können und was nicht. M.<br />

Gäng macht die Kinder darauf aufmerksam, dass das Pony Angst oder Schmerz, Lärm oder<br />

Ruhe ebenso empfindet wie sie selbst (vgl. Gäng, 2004).<br />

2.5.3 Die Reittherapie<br />

Im Mittelpunkt der Reittherapie steht die Begegnung und die Auseinandersetzung zwischen<br />

Klientel und Pferd, die Mensch-Tier- Beziehung. Diese Therapieform wird unterstützend eingesetzt<br />

<strong>bei</strong> bestimmten psychiatrischen und psychosomatischen Krankheiten, <strong>bei</strong> psychischen<br />

Sekundärproblemen (z.B. in Folge von körperlichen Erkrankungen, Behinderungen<br />

oder nach Unfällen) sowie in Übergangs- und Verlustsituationen.<br />

Über das (passive) Sitzen auf dem Pferderücken und durch das „Getragenwerden“ auf dem<br />

geführten Pferd, wird die Klientel physisch und psychisch angesprochen. Einen weiteren<br />

Entwicklungsschritt bildet das Reiten auf dem Handpferd (Die Klientel sitzt auf dem durch<br />

den Therapeuten bzw. die Therapeutin geführten Pferd.) oder die Zügel selbst in die Hand zu<br />

nehmen. In die Behandlung <strong>mit</strong> einbezogen werden sämtliche Aktivitäten rund um das Pferd<br />

in seinem natürlichen Umfeld.<br />

Dieses (psycho-)therapeutische Vorgehen findet im Gegensatz zum pädagogischen Vorgehen<br />

in Einzelstunden statt. Die Mitbestimmung der Klientel ist, unter Berücksichtigung von<br />

aktuellen Problemen, Tagesform und Ressourcen, da<strong>bei</strong> erwünscht. Einzelne Aspekte der<br />

Ausgangsposition und Grunderkrankung werden <strong>mit</strong> dem Pferd besonders betont und gezielt<br />

in einen therapeutischen Rahmen eingebettet. Da<strong>bei</strong> hilft das Pferd in jeder Situation,<br />

den Kontakt zur Welt (wieder) aufzubauen und das zwangslose Umfeld hilft den Betroffenen,<br />

neue Möglichkeiten in der Bewältigung ihres Handicaps zu finden, welche dann schrittweise<br />

in den Alltag integriert werden.<br />

Die Ar<strong>bei</strong>tsweise der Reittherapie ist therapeutisch, psychotherapeutisch und rehabilitativ.<br />

Die Durchführung dieser Therapieform erfolgt durch die Reittherapeutin bzw. den Reittherapeuten,<br />

welche/r aus unterschiedlichen Berufsgruppen stammen kann. Zu den Berufsgruppen<br />

gehören: Mediziner/innen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten,<br />

Psychomotoriker/innen, Physio-, Logo- Ergotherapeuten bzw. Ergotherapeutinnen, Psychologen<br />

oder Psychologinnen, Krankenschwestern /-pfleger und Psychiatriepfleger/innen. Zur<br />

Zielgruppe gehören eher Erwachsene aber auch Kinder und Jugendliche. Da<strong>bei</strong> wird<br />

altersunabhängig vorgegangen und der Therapieprozess vollzieht sich im Dialog <strong>mit</strong> dem<br />

Klienten bzw. der Klientin. Da<strong>bei</strong> werden, unter Berücksichtigung von Krankheitsstadien und<br />

der seelischen Befindlichkeit, vorhandene körperliche / seelische Selbstheilungsmöglichkeiten<br />

ausgenutzt. Weiter berücksichtigt werden Wünsche und Bedürfnisse der Klientel um ihn<br />

bzw. sie dort abzuholen.<br />

Die Reittherapie ist ein therapeutischer Beruf, der selbstständige Planung, Durchführung und<br />

Dokumentation einer Behandlung, Begleitung und/oder Bewältigung seelischer Erkrankung<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 36<br />

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umfasst. Die Struktur der Einheit ist eher prozessorientiert, ein „Geschehenlassen“ und daher<br />

weicher Art. Grenzen der Reittherapie bilden, wie auch <strong>bei</strong>m Heilpädagogischen Reiten<br />

und Voltigieren, gewisse Grenzfälle aus der Sicht von Therapeut/in oder Klient/in. In solchen<br />

Fällen muss jeweils die Hauptproblematik herausgear<strong>bei</strong>tet werden und an geeignete Professionen<br />

verwiesen werden. Weitere Grenzen können das Umfeld, welches Infrastruktur,<br />

Hilfs<strong>mit</strong>tel und Hilfspersonen <strong>bei</strong>nhaltet, die Finanzierbarkeit der Massnahmen, die Ressourcen<br />

der Therapeutin bzw. des Therapeuten und des Pferdes sowie die Motivation und Ressourcen<br />

der Klientel sein (vgl. Gäng, 2003).<br />

Da die Reittherapie stets in einem Beziehungsdreieck Klientel – Pferd – Therapeut stattfindet,<br />

müssen die Aufmerksamkeit, Kenntnisse und Erfahrungen der Therapeutin bzw. des<br />

Therapeuten gleichermassen auf die teilnehmenden Parteien dieser Triade bezogen sein.<br />

Der erste Part der Triade bildet das Pferd, welches im heilpädagogischen Kontext als Erziehungshelfer<br />

und im psychotherapeutischen Zusammenhang als Co-Therapeut eingesetzt<br />

wird. Um wirken zu können, braucht das Pferd den Menschen, der die Fähigkeiten und Grenzen<br />

des Pferdes kennt, es fördert und ihm Schutz und Sicherheit gibt.<br />

Die Therapeutin bzw. der Therapeut als zweiter Part der Triade, sollte sich <strong>mit</strong> dem Wissen<br />

der Psychotherapeuten auskennen, welches sie in ihrer Ar<strong>bei</strong>t qualifiziert. Mit dem Wissen<br />

um die psychische Dimension einer Schädigung oder eines Defizits, kann sie die Klientel selber<br />

behandeln oder unter Umständen weiter ver<strong>mit</strong>teln. Auch sollte die Therapeutin bzw.<br />

der Therapeut gute Kenntnisse ihrer bzw. seiner eigenen Geschichte haben, um professionell<br />

ar<strong>bei</strong>ten zu können. Die eigenen Verhaltensmuster müssen vertraut sein, sonst kann der<br />

Prozess <strong>bei</strong> der Klientel nicht <strong>mit</strong> der nötigen therapeutischen Sorgfalt und der da<strong>mit</strong> verbundenen<br />

Distanz unterstützt werden. Der dritte Part der Triade ist die Klientel, z.B. ein<br />

Kind. Deshalb sollte die Therapeutin bzw. der Therapeut tiefgreifende Kenntnisse über die<br />

kindliche Entwicklung, Störungen und ihre Zusammenhänge besitzen.<br />

Dem menschlichen Verhalten liegt ein tiefer und nicht immer leicht zu durchschauender Sinn<br />

zugrunde, den es im Kontakt zu erschliessen gilt. In der Psychotherapie wird deshalb <strong>mit</strong><br />

Hilfe des Pferdes das jeweilige Verhalten als eine Leistung der Klientel begriffen und der ganze<br />

Mensch akzeptiert.<br />

Zum psychologischen Grundwissen gehören die Begriffe von Übertragung und Gegenübertragung,<br />

der Begriff des Widerstands, sowie die Kenntnis einiger Abwehrmechanismen.<br />

Weitere Grundpfeiler der Reittherapie bilden der Systemische Ansatz, der Personenzentrierte<br />

Ansatz und körperorientierte Interventionen (vgl. Gäng, 2003).<br />

Neben allen theoretischen Erwägungen ist die Achtung und der Respekt für den<br />

Menschen, der die heilende Begegnung am Pferd für seine Entwicklung braucht,<br />

Grundlage für die Therapie. Die Reittherapie ist eine gute Möglichkeit, Beziehungen<br />

zu leben, Intersubjektivität zu erproben und Wertschätzung zu erfahren. Die Kenntnis<br />

von psychologischem Grundwissen hilft, den therapeutischen Prozess zu initiieren und<br />

durchzuführen.<br />

(Gäng, 2003, S. 48)<br />

Einsatz und Methoden der Reittherapie<br />

Es existiert keine allgemein gültige Methode für die Reittherapie und sie wäre auch gar nicht<br />

erwünscht, da die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> jeder Klientin bzw. jedem Klienten etwas Neues ist. Mit den<br />

Begriffen „körperorientierte“ oder „psychosomatische“ therapeutische Massnahme wird die<br />

Reittherapie nicht umfassend beschrieben. Sie ist eine ganzheitliche Therapie, <strong>mit</strong> der alle<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 37<br />

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Bereiche der menschlichen Wahrnehmung und des menschlichen Empfindens angesprochen<br />

werden. Die Reittherapie ist eine lustvolle Therapie, <strong>bei</strong> der tief gehende emotionale Vorgänge<br />

in Gang gesetzt werden können.<br />

Findet die Reittherapie zudem im Freien statt, ist es ein Naturerlebnis (vgl. Gäng, 2003).<br />

Ziele der Reittherapie<br />

Die Ziele der Reittherapie sind ganzheitlich für Körper und Seele: Sich sportlich betätigen und<br />

ohne Leistungsdruck frei bewegen zu können, das Lösen von Verkrampfungen, sich durchsetzen<br />

lernen und das Pferd als selbstständig denkendes Wesen annehmen. Da<strong>bei</strong> wird das<br />

Gleichgewicht geschult und das Selbstwertgefühl gesteigert. Für Erwachsene gibt es auf dem<br />

Pferderücken ein Gefühl des „Getragenwerdens“ wie sonst nirgendwo (vgl. Schweizer,<br />

Kiener & Blaser, 2008)<br />

Die Rolle des Pferdes in der Reittherapie<br />

Was bietet die Reittherapie, was die Psychotherapie nicht bieten kann?<br />

Das Pferd ist ein sensibles Wesen, welches durch sein arttypisches Verhalten wertvolle Möglichkeiten<br />

für die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> psychisch kranken Menschen bietet, wenn man es als Naturwesen<br />

agieren und reagieren lässt. Dazu gehört, dass sich die Therapeutin bzw. der Therapeut<br />

oft zurückhalten muss.<br />

Das Pferd vermag sich aufgrund seiner Eigenheiten und Reaktionsweisen in seiner Funktion<br />

als Co-Therapeut voll und ganz in die Beziehung zur Klientel einzugeben. Für die Klientel ist<br />

es so<strong>mit</strong> un<strong>mit</strong>telbar präsent und zugänglich und lässt ein jeweilig augenblickliches Erleben<br />

in der Beziehung zu, indem in der Interaktion <strong>mit</strong> dem Pferd eigene Gefühle und Bedürfnisse<br />

bewusster wahrgenommen werden können.<br />

Aufgrund noch fehlender verbaler Mittel, bewegt sich die Kommunikation von Kleinkindern<br />

und Tieren auf einem rein körpersprachlichen und beziehungsdefinierten Niveau.<br />

Das artgerecht aufgewachsene und gehaltene Therapiepferd kann <strong>mit</strong> seiner ausdrucksstarken<br />

Körpersprache Ver<strong>mit</strong>tler zwischen der Therapeutin bzw. dem Therapeuten und der<br />

Klientel sein. Der Kontakt zum Pferd stellt keine komplizierte, zwischenmenschlich ähnliche<br />

Beziehung dar, sondern Ursache und Wirkung stehen immer in einem direkten Zusammenhang,<br />

sind daher leicht verständlich und akzeptabel. So kann viel körperliche Nähe ohne<br />

Angst vor Grenzverlust erlebt werden. Das Pferd nimmt die Rolle des Motivierenden ein.<br />

Gerade in der Therapie „therapiemüder“ Menschen finden Pferde, durch ihren starken Aufforderungscharakter,<br />

immer wieder einen guten Zugang zu den positiven Ressourcen dieses<br />

Personenkreises (vgl. Quiring, 2008).<br />

Ausserdem wertet das Pferd den Menschen nicht, reagiert auf ihn direkt und akzeptiert ihn<br />

in der Regel so wie er gerade ist. Diese klare und unverfälschte Haltung des Pferdes führt<br />

dazu, dass auch der Mensch eigene Anteile in die Beziehung einbringen und diese als „ zur<br />

eigenen Person gehörig“ ( ich darf so sein, wie ich bin…) akzeptieren kann. Mit ihrem feinfühligen<br />

Wesen können Pferde Gefühle und Emotionen der Klientel problemlos erfassen,<br />

vermögen darauf entsprechend zu reagieren und spiegeln, <strong>mit</strong> ihrer stark kongruenten Haltung,<br />

das innere Erleben wider.<br />

Je nach Problematik der Klientel werden andere Vorzüge betont und eingesetzt. Die richtige<br />

Auswahl des Therapiepferdes ist entscheidend. Idealerweise sollte man eine Auswahl an<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 38<br />

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verschiedenen Pferden haben, aus der das jeweils Richtige für die Klientin bzw. den Klienten<br />

ausgesucht werden kann (vgl. Gäng, 2003).<br />

2.5.4 Relevanz für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Der spielerische Umgang von Kindern <strong>mit</strong> dem Pferd kann pädagogisch wie auch therapeutisch<br />

genutzt werden. Das Pferd kann als Erziehungshelfer wie auch als Co-Therapeut eingesetzt<br />

werden, was für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> ihrem pädagogisch-therapeutischen<br />

Vorgehen von grosser Bedeutung ist.<br />

Die emotionalen und kommunikativen Möglichkeiten des Pferdes können wie auch seine<br />

körperlichen und bewegungsspezifischen Besonderheiten, in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

eingesetzt werden, um Menschen aller Altersstufen zu fördern.<br />

Das Pferd kann für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> ganzheitlich genutzt werden und so<strong>mit</strong> die<br />

Klientel emotional, sozial und physisch ansprechen und fördern.<br />

Der Einsatz von Pferden in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> bietet dem therapeutischen Vorgehen<br />

umfangreiche Möglichkeiten. Das Pferd wirkt <strong>mit</strong> seiner sensiblen, wertfreien und kongruenten<br />

Art wie ein Spiegel, der die Klientel über ihr eigenes Verhalten informiert.<br />

Durch das Beobachten der Pferde lernt die Klientel, einzuschätzen in welchem Gemütszustand<br />

sich die Tiere befinden, danach wie man entsprechend auf sie zugeht und sich ihnen<br />

gegenüber verhält. Dies hilft der Klientel schliesslich auch im Umgang <strong>mit</strong> anderen Menschen.<br />

Durch die Pferdepflege können Erfahrungen <strong>mit</strong> dem Material gemacht werden und<br />

es wird gelernt, Verantwortung für ein Lebewesen, <strong>mit</strong> allen anfallenden Pflichten zu übernehmen.<br />

Das Übernehmen der Verantwortung für ein anderes Lebewesen und das Erlernen<br />

neuer Fertigkeiten im Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd, steigern das Gefühl von Kompetenz und<br />

Selbstwirksamkeit, was sich positiv auf das Selbstwertgefühl auswirkt. Je nach Klientel und<br />

Problematik kann der Einsatz in der Gruppe oder in Einzelstunden erfolgen und der Schwerpunkt<br />

der Ar<strong>bei</strong>t verlagert werden. So ist es möglich, die Klientel individuell zu fördern.<br />

Alle Wahrnehmungsbereiche sowie die Motorik und das psychische Erleben können im Therapieprozess<br />

<strong>mit</strong> dem Pferd angesprochen und gefördert werden.<br />

Das Pferd kann die Klientel der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> motivieren Übungen zu machen, welche<br />

durch dieses einen Sinn bekommen.<br />

Manchmal hat die Klientel durch jahrelange Therapieerfahrung ein vermindertes Selbstwertgefühl<br />

und wird „therapiemüde“. In solchen Fällen bietet die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> anhand<br />

des Pferdes ein ausserschulisches Setting, das einen neuartigen Aktionsraum bietet, in dem<br />

der Therapeut bzw. die Therapeutin weniger als Lehrer/in und mehr als Helfer/in wahrgenommen<br />

werden kann.<br />

2.6 Was ist <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Der Begriff Psychomotorik existiert schon seit der Jahrhundertwende und hat je nach Kontext<br />

eine unterschiedliche Bedeutung. Wir berufen uns hier auf das Werk von Renate Zimmer:<br />

Handbuch der Psychomotorik, welches sehr umfassend ist. Es fasst die Ursprünge der<br />

<strong>Psychomotoriktherapie</strong> zusammen und liefert zudem Informationen zur Therapie selbst. Das<br />

Konzept scheint uns auch im Hinblick auf Jugendliche <strong>mit</strong> einer Depression zentral. Es <strong>bei</strong>nhaltet<br />

zwar nicht explizit Inhalte zu dieser Thematik, schenkt aber dem Selbstbild und dem<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 39<br />

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Selbstwertgefühl, welche während einer Depression stark verzerrt sind, viel Aufmerksamkeit.<br />

Zudem ar<strong>bei</strong>tet Renate Zimmer schwerpunktmässig <strong>mit</strong> Gruppen. Wenn man eine Gruppe<br />

als unterschiedliche Individuen, die einen gewissen Rahmen <strong>mit</strong>einander teilen versteht,<br />

lässt sich dies auch auf eine Pferd-Klientel-Gruppe übertragen.<br />

2.6.1 Begriffsklärung<br />

Psychomotorik bezeichnete Ende des letzten Jahrhunderts einen Ar<strong>bei</strong>tsbereich der experimentellen,<br />

psychologischen Wahrnehmungsforschung. Der Begriff findet auch heute noch in<br />

der Psychologie Anwendung und zwar dann, wenn es um die kognitiven Antriebs- und<br />

Steuerungskräfte des motorischen Verhaltens geht.<br />

Psychomotorik kann aber auch als Einheit körperlich-motorischer und psychisch-geistiger<br />

Prozesse verstanden werden. Es gibt keine Bewegung ohne Beteiligung psychischer oder<br />

gefühlsmässiger Prozesse. Durch Psychomotorik entwickelt sich der Mensch. Die Bewegung<br />

ist sein Ausdrucks<strong>mit</strong>tel. Bei jeder Handlung ist der ganze Mensch beteiligt <strong>mit</strong> all seinen<br />

kognitiven, motivationalen und emotionalen Aspekten. Jede Handlung beeinflusst wiederum<br />

die Kognition, Emotion und Motivation. Zwischen den Bereichen Denken, Fühlen und Handeln<br />

bestehen Zusammenhänge und Wechselwirkungen.<br />

In unserem Sinne ist es aber die Bezeichnung für ein pädagogisch-therapeutisches Konzept.<br />

Dieses nutzt die Wechselwirkungen psychischer und motorischer Prozesse. Durch Bewegung<br />

werden Beziehungen aufgebaut. Die Bewegung beeinflusst die psychische Befindlichkeit positiv<br />

und unterstützt zudem die gesamte Entwicklung. Das Konzept stützt sich auf die theoretische<br />

Vorannahme der Ganzheitlichkeit des Menschen (vgl. Zimmer, 2006).<br />

2.6.2 Klientel<br />

Grundsätzlich sind die psychomotorischen Techniken auf Kinder ausgerichtet, da Spiel und<br />

Bewegung ihr Medium ist. Es gibt aber auch eine psychomotorische Ausrichtung auf ältere<br />

Menschen, diese nennt sich Motogeragogik. Da eigentlich jeder Mensch einen Spieltrieb in<br />

sich hat, diesen braucht er um sich von klein auf zu entwickeln, kann er auch aktiviert und<br />

genutzt werden.<br />

In unserer Ar<strong>bei</strong>t betrachten wir intensiv das Jugendalter und finden die Methode der Psychomotorik<br />

durchaus angemessen.<br />

2.6.3 Ziele<br />

Psychomotorisches Ar<strong>bei</strong>ten unterstützt die Erweiterung der eigenen Kompetenzen. Sie<br />

führt zu Eigentätigkeit, selbständigem Handeln, Handlungskompetenz und Kommunikationsfähigkeit.<br />

Da<strong>bei</strong> spielt das Selbstkonzept eine zentrale Rolle (vgl. Zimmer, 2006). Durch das<br />

Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wird ein Individuum zur Eigentätigkeit befähigt, dies<br />

geht <strong>mit</strong> selbständigem Handeln einher. Macht der Mensch viele Selbstwirksamkeitserfahrungen,<br />

indem er etwas <strong>mit</strong> seinen Handlungen erreicht, verstärkt er die Tendenz zu handeln<br />

und vertieft so<strong>mit</strong> seine Handlungskompetenz. Diese ist für die Interaktion <strong>mit</strong> anderen Individuen<br />

die Basis zur Kommunikation. Ein Mensch der sich selbst als kommunikationsfähig<br />

erlebt, wird soziale Situationen nicht meiden. Er wird einen kooperativen Umgang <strong>mit</strong> Mitmenschen<br />

pflegen und Verantwortung übernehmen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 40<br />

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2.6.4 Inhalte<br />

Durch Bewegung und Spiel macht der Mensch Körper- und Selbsterfahrungen. Er lernt sich<br />

so besser kennen und weiss seine Kräfte und Schwächen einzuschätzen. Desweiteren werden<br />

Materialerfahrungen gemacht, welche wiederum seine Körper und Selbsterfahrungen<br />

erweitern (vgl. Zimmer, 2006). Auch im sozialen Kontakt lernt der Mensch, daher ar<strong>bei</strong>tet<br />

man auch <strong>mit</strong> Gruppen. Sozialerfahrungen sind wichtig, um eine soziale Handlungskompetenz<br />

zu erlangen und seine Kommunikationsfähigkeit zu verbessern.<br />

Die Schlüsselbegriffe Selbstbild und Identität sind elementar für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

und werden hier anschliessend beleuchtet. Sie vertiefen zudem Aspekte, die schon unter der<br />

emotionalen Entwicklung und Resilienz <strong>mit</strong> der internalen Kontrollüberzeugung angesprochen<br />

worden sind.<br />

2.6.5 Schlüsselbegriffe<br />

Ob ein Kind Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten hat oder ob es diese nur gering<br />

einschätzt, ob es aktiv auf andere zugeht oder sich eher abwartend verhält, ob es<br />

<strong>bei</strong> Schwierigkeiten schnell aufgibt oder sich durch sie geradezu herausgefordert<br />

fühlt – all das ist abhängig von dem Bild, das das Kind von sich selber hat.<br />

(Zimmer, 2006, S. 51)<br />

Das Selbstkonzept<br />

Das Selbstkonzept baut sich, wie in der Abbildung 2.3 gezeigt wird, aus dem Selbstbild und<br />

dem Selbstwertgefühl auf. Das eine ist eine kognitive, das andere eine emotionale Komponente.<br />

Das Selbstkonzept ist so<strong>mit</strong> keine rein kognitive Leistung, es spielen emotionale und<br />

soziale Aspekte (vgl. Zimmer, 2006 ), die wir vorhin aus dem Blickwinkel der emotionalen<br />

Entwicklung angeschaut haben, <strong>mit</strong>.<br />

Folgende drei Schritte, nach der Persönlichkeitstheorie von Sader (1996), geben einen guten<br />

Einblick in die emotionalen und sozialen Anteile der Einordnung von Erfahrungen.<br />

Abbildung 2.3: Aufbau des Selbstkonzepts<br />

(Zimmer, 2006, S. 53)<br />

• Selbstwahrnehmung<br />

Dies ist die augenblickliche Eigenwahrnehmung. Wie<br />

fühlt sich das Kind?<br />

• Selbsteinschätzung<br />

Da<strong>bei</strong> werden die Wahrnehmungen der eigenen Person<br />

<strong>mit</strong> anderen Bezugssystemen verglichen. Wie<br />

ordnet das Kind seine Leistung im Vergleich <strong>mit</strong> anderen<br />

Kindern ein?<br />

• Selbstbewertung<br />

Ausdrückliches Bewerten der Selbsteinschätzung, da<strong>bei</strong><br />

orientiert sich das Kind an Bezugsnormen. Es orientiert<br />

sich da<strong>bei</strong> am sozialen oder am individuellen<br />

Vergleich. Sind die anderen besser als ich? Haben sie<br />

dieselben Ansprüche, Ziele, Wünsche, etc. wie ich?<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen<br />

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41<br />

Inhalt<br />

Es wurden keine Einträge für


Wie man der Abbildung 2.3 entnehmen kann, bildet sich das Selbstbild aus neutral beschreibbaren<br />

Merkmalen der Persönlichkeit. Gemeinsam <strong>mit</strong> dem Selbstwertgefühl, welches<br />

aus der eigenen Bewertung seiner Merkmale und Fähigkeiten entsteht, münden sie im<br />

Selbstkonzept. Dort werden sie zusammen gefügt und bilden so<strong>mit</strong> die Einstellungen und<br />

Überzeugungen zur eigenen Person.<br />

Das Selbstbild bildet sich durch Erfahrungen, die das Kind in der Auseinandersetzung <strong>mit</strong><br />

seiner sozialen und materiellen Umwelt gewonnen hat. Zudem spielen auch Erwartungen<br />

<strong>mit</strong>, die von der Umwelt an das Kind herangetragen worden sind. Jeder Mensch bildet so in<br />

seiner Entwicklung ein System von Annahmen über seine Person. Von besonderer Bedeutung<br />

sind dafür die Erfahrungen, die sie durch Bewegungshandlungen gemacht haben. Sie<br />

erhalten durch die Umwelt Rückmeldung, erleben so Erfolg und Misserfolg. Sie erkennen<br />

auch, dass sie diesen Erfolg oder eben Misserfolg bewirkt haben. Zudem erleben sie, was<br />

andere ihnen zutrauen und wie sie von ihrer Umwelt eingeschätzt werden (vgl. Zimmer,<br />

2006).<br />

Fähigkeitsbezogene Identität<br />

Wie das Selbstbild stellt sich das fähigkeitsbezogene Selbstkonzept aus unterschiedlichen<br />

Bereichen zusammen. Es berücksichtigt den emotionalen, motivationalen und kognitiven<br />

Bereich. Das Selbstbild entsteht aus dem Fähigkeits–Selbstwertgefühl und der Fähigkeits–<br />

Kontrollüberzeugung. Das folgende Zitat bringt die unterschiedlichen Aspekte gut zum Vorschein.<br />

Eine Frage zum kognitiven Fähigkeits-Selbstkonzept eines Kindes würde z.B. lauten:<br />

„Wie gut bin ich in Sport?“; die emotionale Komponente würde die Frage stellen:<br />

„Wie finde ich es, dass ich im Sport nicht so gut bin?“; die motivationale Komponente<br />

hiesse: „Kann ich auf meine Defizite im Sport Einfluss nehmen oder finde ich mich da<strong>mit</strong><br />

ab, dass ich immer der letzte, der ungeschickteste bin?“ Die letzte Frage hängt also auch<br />

<strong>mit</strong> der Überzeugung zusammen, auf die Situation Einfluss nehmen zu können. Sie ist<br />

eine entscheidende Frage, da sie sich auch auf das aktuelle und künftige Handeln auswirkt.<br />

(vgl. Zimmer, 2006, S. 55)<br />

Dies waren nun alle Ausführungen unserer Literaturrecherche.<br />

Im nächsten Kapitel folgen die methodischen Grundlagen. Diese führen von der Forschungsmethode<br />

über die Instrumente bis hin zu den Auswertungskriterien, die für unsere<br />

Ar<strong>bei</strong>t und Ergebnisse relevant sind. Dies um für den Leser einen Einblick in unser Vorgehen<br />

zu geben und so<strong>mit</strong> Transparenz herzustellen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 42<br />

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3. Methodisches Vorgehen<br />

Hier beschreiben wir unser Vorgehen und welche Instrumente wir gewählt haben. Zudem<br />

führen wir Fakten auf, die wir <strong>bei</strong> der Durchführung beachten mussten. Da<strong>bei</strong> sind die erwähnten<br />

Instrumente und Methoden Prototypen, die wir während der Ar<strong>bei</strong>t auf unser Forschungsgebiet<br />

angepasst haben.<br />

3.1 Forschungsmethoden<br />

Wir verfolgten <strong>mit</strong> dem Forschungsprojekt einen qualitativen Gedanken. Um möglichst viel<br />

Material zu sammeln, haben wir uns zuerst <strong>mit</strong> der Literatur beschäftigt. Im zweiten Schritt<br />

folgten Interviews <strong>mit</strong> praktizierenden Reit-Therapeutinnen und Reit-Pädagoginnen sowie<br />

einem Reit-Pädagogen, da<strong>bei</strong> hofften wir auch auf die Möglichkeit konkrete Beobachtungen<br />

oder Selbsterfahrungen zu machen. Die Beobachtung ist zwar keine Forschungsmethode im<br />

klassischen Sinne, dennoch führen wir sie im methodischen Teil auf, da sie uns Zusatzinformationen<br />

liefert.<br />

3.1.1 Literaturanalyse<br />

Da unser Forschungsgebiet in diesem Sinne noch nicht existiert, waren wir darauf angewiesen<br />

uns aus verschiedenen Richtungen dem Gebiet zu nähern. Durch eine systematische<br />

Literaturrecherche wollten wir dies erreichen.<br />

3.1.2 Interview<br />

In der qualitativen Forschung unterstützt das Interview die Erhebung von Daten (vgl.<br />

Mayring, 2002). Unsere Resultate sind von qualitativer Bedeutung. Aus den Interviews wollten<br />

wir weitere Informationen gewinnen, die für eine Kategorien-Ausdifferenzierung notwendig<br />

waren. Anhand der gewonnenen Einblicke versuchten wir die Praxis <strong>mit</strong> der Theorie<br />

in Verbindung zu setzen.<br />

3.1.3 Beobachtung<br />

Wo es sich ergab, durften wir Therapie-Stunden beobachten. Zudem erhielten wir die Möglichkeit,<br />

in diese Welt der Pferde-Therapie einzutauchen und sie am eigenen Körper zu erfahren.<br />

Wir mussten im Bereich der Praxisbeobachtung berücksichtigen, dass der Schutzraum von<br />

gewissen Klienten bzw. Klientinnen für uns nicht geöffnet werden konnte, da dies nicht förderlich<br />

für die Therapie gewesen wäre.<br />

3.2 Erhebungsinstrument<br />

Die im Folgenden vorgestellten Erhebungsinstrumente dienten dazu, möglichst viele Aspekte<br />

aus der Praxis festhalten zu können. Sie berücksichtigen die Interviews und die Beobachtungen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 43<br />

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3.2.1 Problemzentriertes Interview<br />

Das Problemzentrierte Interview bot sich an, da wir an möglichst viele Informationen von<br />

praktizierenden Therapeutinnen, die <strong>mit</strong> Unterstützung von Pferden ar<strong>bei</strong>ten, gelangen<br />

wollten. Es war zudem wichtig, ein prozessorientiertes Instrument zu wählen, da wir es so<br />

fortlaufend anpassen konnten. Durch die Problemzentrierung vermieden wir das Abgleiten<br />

in andere Themenbereiche. Ein starres Vorgehen, sprich ein durchstrukturiertes Interview,<br />

hätte uns wiederum die Möglichkeit, <strong>bei</strong> interessanten und für uns wichtigen Themenpunkten<br />

nach zu fragen, genommen (vgl. Mayring, 2002).<br />

3.2.2 Beobachtungen<br />

Durch die teilnehmende Beobachtung gewannen wir einen Einblick in die Praxis. Sie ergänzte<br />

die Erfahrungen, die wir im Februar 2009 auf unserer Studienreise gemacht haben. Da<strong>bei</strong><br />

haben wir einen Hof besucht, der psychomotorisch <strong>mit</strong> Kindern und <strong>Jugendlichen</strong> ar<strong>bei</strong>tet.<br />

Nun sahen wir konkret, wie das Ar<strong>bei</strong>ten <strong>mit</strong> Pferden und Menschen, die eine Depression<br />

haben, aussieht.<br />

3.3 Stichprobe<br />

Anhand der Liste des Heilpädagogischen Reitens, welche praktizierende Reit-Pädagogen/<br />

-Pädagoginnen und -Therapeuten/-Therapeutinnen aufführt, haben wir sieben Institutionen<br />

ausgewählt. Unsere Auswahl wurde von der örtlichen Lage der Höfe geleitet. Neben diesem<br />

Auswahlkriterium war die Bereitschaft der Therapeutinnen und Heilpädagogen bzw. Heilpädagoginnen<br />

ausschlaggebend. Unter den Interviewten befinden sich ein Mann und sechs<br />

Frauen. Die genaue Beschreibung der Stichprobe befindet sich im Anhang.<br />

3.4 Durchführung<br />

Nach der wissenschaftlichen Literaturrecherche begannen wir <strong>mit</strong> der Erstellung des Interviews.<br />

Dieses führten wir anschliessend auf den, unter Stichprobe beschriebenen, Höfen<br />

durch. Ausserdem haben wir Beobachtungen gemacht, die unseren Horizont in diesem Gebiet<br />

erweitert haben.<br />

3.4.1 Literaturanalyse<br />

Bei der Literatursuche gingen wir wie folgt vor:<br />

- Tiergestützte Therapie; allgemein<br />

- Pferde gestützte Therapieformen; spezifisch<br />

- Psychomotorik-Bücher; allgemein<br />

- Motorik-Zeitschriften: Ansätze zur tiergestützten PMT; spezifisch<br />

- Krankheitsbild Depression; allgemein<br />

- Depression <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong>; spezifisch<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 44<br />

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3.4.2 Interview<br />

Bevor wir das Interview durchführen konnten, mussten wir erst einen Leitfaden erstellen. In<br />

einem zweiten Schritt gingen wir in die Praxis, machten ein Pro<strong>bei</strong>nterview und überar<strong>bei</strong>teten<br />

danach den Leitfaden. Danach führten wir die restlichen Interviews durch.<br />

Erar<strong>bei</strong>tung des Interviews<br />

Erst formulierten wir den Forschungsgegenstand, danach haben wir die zentralen Aspekte<br />

der Problemstellung herausgear<strong>bei</strong>tet und zu einem Leitfaden zusammen gestellt. Diesen<br />

gliederten wir in einer vernünftigen Reihenfolge. Zudem war es ratsam alternative Formulierungen<br />

zu notieren (vgl. Mayring, 2002).<br />

Anwendung des Interviews<br />

Wir haben unsere Interviewpartner face-to-face befragt. Nach der Durchführung eines Testinterviews,<br />

wurde unser Leitfaden noch einmal angepasst. Zudem wurden aus dem Treffen<br />

<strong>mit</strong> der Interviewperson Schlüsse für weitere Interviews gezogen (vgl. Mayring, 2002). Auf<br />

Rat einer Fachperson veränderten wir die Fragen, sowie die Vorgehensweise <strong>bei</strong> der Durchführung<br />

eines Interviews. Wir stellten vermehrt offene Fragen, die das gegenüber zum erzählen<br />

anregten und dadurch mehrere Fragen gleichzeitig beantwortet wurden. Dies erklärt<br />

weshalb die Interviews nicht identisch sind. Die Leitfaden-Interviews sind im Anhang einzusehen.<br />

3.4.3 Beobachtung<br />

Die Beobachtung diente vor allem dem Ziel, die Praxis zu erfassen. Daher fokussierten wir<br />

uns auf Anhaltspunkte im Verhalten der Therapeutin bzw. des Therapeuten oder Pädagoginnen<br />

bzw. Pädagogen, dies war unser Beobachtungs-Leitfaden. Wie geht er oder sie <strong>mit</strong> der<br />

Klientel um? Was kristallisiert sich als wichtig heraus.<br />

Um die Therapie nicht abzulenken, hielten wir unsere Beobachtungen jeweils nach der<br />

Therapie schriftlich fest. Bei Selbsterfahrungen konnte der andere aus unserem Team die<br />

Notizen direkt anfertigen.<br />

3.5 Aufbereitung und Auswertung der Daten<br />

Die Literaturanalyse haben wir <strong>mit</strong> dem Hintergrund der qualitativen Inhaltsanalyse durchgeführt.<br />

Dies nutzten wir um ein theoretisches Gerüst zu erstellen. Auch die Interviews, haben<br />

wir <strong>mit</strong> Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse evaluiert. Beim Aufschrieb der Tonaufnahmen<br />

wurden Passagen zum Teil <strong>bei</strong>nahe wörtlich aufgeschrieben, dies machten wir um möglichst<br />

viele Informationen aufzunehmen, da wir auch zwischen den Zeilen nach Anhaltspunkten<br />

suchten. Dennoch ist es keine transkribierte Interview-Verschriftlichung.<br />

3.5.1 Qualitative Inhaltsanalyse<br />

Die qualitative Inhaltsanalyse bot uns die Möglichkeit, systematisch Gesichtspunkte für die<br />

Auswertung abzuleiten. Wir entwickelten innerhalb der folgenden Kategorien ein Konzept<br />

für die Literatursuche einerseits und andererseits für die Auswertung der Interviews.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 45<br />

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Wie bereits erwähnt konnten wir unsere Fragestellung nicht anhand bestehender Literatur<br />

beantworten. Deswegen haben wir Teilbereiche für das Thema unserer Ar<strong>bei</strong>t gebildet und<br />

<strong>mit</strong>einander in Verbindung gebracht.<br />

Die Quellen unserer Literatursuche haben wir <strong>mit</strong> folgenden Gesichtspunkten durchgear<strong>bei</strong>tet:<br />

- Depression im Jugendalter – Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferd<br />

- Psychomotorik – Depression im Jugendalter<br />

- Psychomotorik – Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferd<br />

- Psychomotorik – Depression im Jugendalter – Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferd<br />

Für die Auswertung der Interviews setzen wir die zu abstrahierenden Kategoriendimensionen<br />

(vgl. Mayring, 2002) wie folgt, da<strong>bei</strong> bezogen sich diese auf die Reittherapeutin bzw. den<br />

Reit-Therapeuten oder -Pädagogin bzw. -Pädagogen:<br />

a) Ausbildung<br />

b) Hintergrund Theorien<br />

c) Praktische Vorschläge für das Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen<br />

d) Praxis: Schwerpunkte <strong>bei</strong> Depression<br />

e) Wirkfaktoren <strong>bei</strong> Depression und der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferden<br />

3.5.2 Diskussion der Daten<br />

Aus den gesammelten Informationen wollten wir, auf unsere Fragestellung beziehend, Folgerungen<br />

für die Praxis anstellen, um sie zu beantworten.<br />

Wir setzten die herauskristallisierten Theorien aus der Literaturrecherche und den Interviews<br />

<strong>mit</strong>einander in Verbindung. Daraus versuchten wir Ar<strong>bei</strong>tsmöglichkeiten für die<br />

<strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> Pferden und <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> einer Depression abzuleiten.<br />

4. Ergebnisse<br />

Die Inhalte der Interviews werden wir in den folgenden Abschnitten zusammengefasst darstellen.<br />

Da<strong>bei</strong> beginnen wir <strong>mit</strong> dem Fokus auf den Therapeuten bzw. der Therapeutin. Welche<br />

Ausbildung wurde beschritten? Gibt es hilfreiche Theorien? Welche Möglichkeiten gibt<br />

es um eine Stunde zu gestalten? Wie sieht das Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus? (Kapitel 4: a, b, c)<br />

Danach richten wir unser Augenmerk auf die Klientel. In welchen Bereichen kann der Klient<br />

bzw. die Klientin unterstützt werden? Was ist von grosser Bedeutung für den Umgang <strong>mit</strong><br />

<strong>Jugendlichen</strong>, die an einer Depression leiden? (Kapitel 4: d)<br />

Zum Schluss rücken wir das Pferd ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Was bedeutet es für<br />

den Therapeuten, die Therapie <strong>mit</strong> einem Pferd zu ergänzen? Wie wirkt das Pferd insbesondere<br />

auf den Menschen, der an einer Depression leidet? (Kapitel 4: e)<br />

Dort wo wir zusätzliche Informationen für die Verschriftlichung aus der Literatur geholt haben,<br />

werden wir explizit darauf verweisen. Alle anderen Angaben stammen entweder aus<br />

den Interviews oder den durch Beobachtung gesammelten Informationen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 46<br />

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4.1 Aus- und Weiterbildung der Reittherapeutinnen bzw. Reitpädagogen<br />

Alle Therapeutinnen, Pädagoginnen und der Pädagoge haben eine Ausbildung zur Reit-<br />

Pädagogin bzw. zum Reit-Pädagogen oder Reit-Therapeutin gemacht. Die unterschiedlichen<br />

Lebensläufe führen jedoch dazu, dass aus dem eigenen Wissen noch mehr in die Ar<strong>bei</strong>t hineinfliesst.<br />

Jede Therapeutin, Pädagogin oder jeder Pädagoge gibt sich selber ein Stück weit in<br />

die Therapie hinein, so<strong>mit</strong> ist jede Therapie bzw. jedes Heilpädagogische Reiten ein bisschen<br />

anders und zieht noch weitere Theorien hinzu. Dies mag unbewusst geschehen, wird in der<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweise aber sichtbar.<br />

Im Folgenden soll eine übersichtliche Darstellung der Theorien aufgezeigt werden. Sie wirken,<br />

wie oben erwähnt, handlungsleitend.<br />

Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten SG-TR<br />

Die Informationen zum HPR und TR stammen von der Homepage der „Schweizer Gruppe<br />

Therapeutisches Reiten SG-TR“. Die Hintergrundinformationen bieten ein besseres Verständnis<br />

der Ausbildungsinhalte.<br />

Das Leitbild des SG - TR<br />

Die Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten SG-TR wahrt die Berufsinteressen von Reitpädagoginnen<br />

bzw. Reitpädagogen und Reittherapeutinnen bzw. Reittherapeuten, sie ist politisch<br />

und konfessionell neutral.<br />

Thesen<br />

Die SG-TR stützt sich auf die Vorstellung des menschlichen Bedürfnisses nach Kontakt <strong>mit</strong><br />

dem Tier. Sie erkennt die heilsame Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung auf die menschliche<br />

Psyche und das Befinden, besonders in der Begegnung des Menschen <strong>mit</strong> Pferden. Diese<br />

Erkenntnis nutzen sie im Therapeutischen Reiten und der tiergestützten Therapie, zugunsten<br />

der Entwicklung und Förderung von Menschen unterschiedlichen Alters, <strong>mit</strong> individuellen<br />

Beeinträchtigungen.<br />

Die SG-TR gestaltet ein von Freude, Respekt und Wertschätzung geprägtes Umfeld, auch<br />

gegenüber dem Therapiepferd.<br />

Heilpädagogisches Reiten – HPR Therapeutisches Reiten – TR<br />

(Marianne Gäng)<br />

(Marianne Gäng)<br />

Pädagogische- Psychologische-<br />

Heilpädagogische- Therapeutische-<br />

Soziointegrative- Rehabilitative-<br />

-Einflussmassnahmen, <strong>mit</strong><br />

Hilfe des Pferdes <strong>bei</strong> Menschen<br />

<strong>mit</strong> Beeinträchtigungen.<br />

Bei <strong>bei</strong>den Arten des Reitens steht nicht die reiterliche Ausbildung, sondern die individuelle<br />

Betreuung und Förderung eines engen Bezugs zum Pferd im Vordergrund. Mittels ganzheitlicher<br />

Therapieform wird eine positive Beeinflussung des Befindens, des Sozialverhaltens und<br />

der Persönlichkeitsentwicklung angestrebt.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 47<br />

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Inhalte der Ausbildungen<br />

- Begegnung zwischen beeinträchtigten Menschen und dem Pferd in ganzheitlicher Betrachtung<br />

– das Pferd als Ver<strong>mit</strong>tler<br />

- Einführung, Begriffe, Definitionen zur Heilpädagogik, zur Pädagogik und Psychologie<br />

von verschiedenen Behinderungsarten<br />

- Anwendungsmöglichkeiten des HPR / TR <strong>bei</strong> verschiedenen Behinderungsarten<br />

respektive psychischen Befindlichkeiten und Erkrankungen<br />

- Praxisausbildung: Methodik /Didaktik im HPR / TR<br />

- Erwerb von reiterlichen Qualifikationen (RQ) und deren Anwendungen im HPR / TR;<br />

Selbsterfahrung an und auf dem Pferd; Handpferdereiten<br />

- Persönliche Verantwortung gegenüber dem Pferd: Haltung, Ausbildung, Gesunderhaltung,<br />

etc.<br />

Die Ausbildung stützt sich auf die Bücher von Marianne Gäng, die wir auch für unsere<br />

Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der Literatur hinzugezogen haben (vgl. www.sgtr.ch, 2006).<br />

4.2 Theoretische Grundlagen der Reittherapeutinnen bzw. Reitpädagogen<br />

Das folgende Psychologische Konstrukt scheint sinnvoll für die Ergänzung der Theorien. Anhaltspunkte<br />

zu diesem Konstrukt waren aus den Interviews heraus zu hören. Zur Vertiefung<br />

wurde noch weitere Literatur hinzugezogen.<br />

Humanistische Strömung<br />

Folgende vier Thesen der Humanistischen Psychologie machen deutlich, wie sehr diese<br />

Strömung für die Therapie ausschlaggebend ist:<br />

- Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die erlebende Person. Da<strong>mit</strong> rückt das Erleben<br />

als das primäre Phänomen <strong>bei</strong>m Studium des Menschen in den Mittelpunkt.<br />

- Der Akzent liegt auf den spezifisch menschlichen Eigenschaften wie der Fähigkeit zu<br />

wählen, der Kreativität, Wertschätzung und Selbstverwirklichung.<br />

- Die Auswahl der Fragestellungen und der Forschungsmethoden erfolgt nach Massgabe<br />

der Sinnhaftigkeit.<br />

- Ein zentrales Anliegen ist die Aufrechterhaltung von Wert und Würde des Menschen.<br />

Das Interesse gilt der Entwicklung der jedem Menschen innewohnenden Kräfte und Fähigkeiten.<br />

(Berner, 2002, S. 126)<br />

Das Humanistische Menschenbild<br />

Das Menschenbild ist etwas elementares, es spiegelt sich in der Haltung der Pädagogin bzw.<br />

des Pädagogen oder der Therapeutin bzw. des Therapeuten wieder und wirkt handlungsleitend.<br />

Folgende Annahmen sind <strong>bei</strong>m humanistischen Menschenbild zentral:<br />

Der Mensch verfolgt das Ziel sozial unabhängig zu sein. Da<strong>bei</strong> entwickelt er ein aktives, autonomes<br />

Selbst, das zunehmend in den eigenen Entwicklungsprozess eingreift und Eigenverantwortung<br />

zu übernehmen beginnt. Ein Individuum kann nur dann Verantwortung für die<br />

Gemeinschaft übernehmen, wenn es auch für sich selbst verantwortlich ist. Der Mensch<br />

strebt, neben der Regulation der biologischen Bedürfnisse, nach Selbstverwirklichung. Der<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 48<br />

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Organismus hat Wachstumsbedürfnisse, die er durch Selbstaktualisierung erreichen möchte.<br />

Diese Selbstaktualisierungstendenz bezieht sich auf die soziale Umwelt. Der Organismus ist<br />

<strong>mit</strong> seiner Umwelt ständig im Austausch. So entfaltet er seine Fähigkeiten, differenziert sie<br />

fortlaufend aus und passt sich an.<br />

Das menschliche Handeln und die Lebensführung werden von Wertvorstellungen, wie Freiheit,<br />

Gerechtigkeit und Menschenwürde, ziel- und sinngeleitet.<br />

Der menschliche Organismus wird als organisches, bedeutungsvolles Ganzes angesehen. Sie<br />

betont die Ganzheitlichkeit von Gefühl, Vernunft, Leib und Seele (vgl. Kriz, 2007).<br />

Gesprächstherapieansatz von Carl C. Rogers<br />

Dieser Ansatz wird auch Klienten-zentriert, nicht-direktiv oder Personen-orientiert genannt.<br />

Im Zentrum steht da<strong>bei</strong> eine Ich-Du-Beziehung, sie ist die Voraussetzung für die Entwicklung<br />

von Vertrauen und Geborgenheit zwischen der Klientel und dem Therapeuten bzw. der Therapeutin.<br />

Da<strong>mit</strong> diese entstehen kann, hat Carl C. Rogers folgende drei Voraussetzungen<br />

ausformuliert:<br />

- Echtheit: authentisches und kongruentes Auftreten<br />

- Empathie: einfühlendes Verständnis<br />

- Wertschätzung: keine Abwertung gegenüber der Klientel<br />

Die therapeutische Haltung wird so<strong>mit</strong> von einem nicht-ettiketierenden, nichtvergangenheitsborenden<br />

und nicht-verantwortungsabnehmenden Interaktionsstil geprägt<br />

(vgl. Berner, 2002).<br />

Um die ethischen Aussagen, aus den Interviews zu betonen, werden hier die wichtigsten<br />

Faktoren von uns auf- und ausgeführt.<br />

Ethische Grundgedanken:<br />

Der Mensch hat gegenüber seinen Mitmenschen und der Umwelt eine Verantwortung. Bei<br />

Entscheidungen geht es darum, ob man zu den Konsequenzen, die aus der eigenen Handlung<br />

resultieren, stehen kann. Diese Verantwortung haben wir auch den Tieren gegenüber, insbesondere<br />

da sie sich nicht gegen Taten wehren können, die der Mensch ihnen antut.<br />

Das Pferd ist also ein Lebewesen, kein Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstand. Dies beginnt<br />

<strong>bei</strong> der artgerechten Haltung. Zu erstreben ist hier eine Pferdegruppe in einem Offenstall.<br />

Der Offenstall bietet den Pferden die Freiheit ihre Beziehungen untereinander zu pflegen. So<br />

können sie die Herdenhierarchie aushandeln und so<strong>mit</strong> ein harmonisches Zusammenleben<br />

pflegen. Für Pferde die viele, intensive Emotionen von Seiten der Klienten erleben, ist dieser<br />

Ausgleich extrem wichtig. Es braucht die Ruhepausen, da<strong>mit</strong> es seine Spannungen abbauen<br />

und danach wieder auf die Klientel eingehen kann. Ein unzufriedenes Pferd ist erstens nicht<br />

zu verantworten, da der Halter für dessen Zufriedenheit besorgt sein sollte und zweitens,<br />

weil nur ein zufriedenes Pferd eine Grosszügigkeit der Klientel gegenüber an den Tag legt,<br />

welche relevant ist, um die Sicherheit einer Therapie-Stunde zu gewährleisten. Da<strong>bei</strong> bleibt<br />

jedoch immer ein Restrisiko, da das Pferd ein Fluchttier ist und seinen uralten Instinkten<br />

folgt.<br />

Neben der Haltung ist selbstverständlich auch der Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd wichtig. Dieser<br />

sollte von Wertschätzung geprägt sein. Der Mensch sollte dem Pferd gegenüber Dankbarkeit<br />

zeigen dafür, dass es auf den Menschen zukommt und bereit ist <strong>mit</strong> ihm eine Beziehung einzugehen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 49<br />

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Das richtige Futter, die richtige Ausbildung gehören zu einem gesunden Dasein. Sättel müssen<br />

angepasst, Trensen sauber geputzt werden. Daneben sollte auch das Gewicht des Reiters<br />

beachtet werden. Ein Pferd sollte ungefähr sieben Mal schwerer sein als der Mensch, der auf<br />

ihm reitet. Kann dies nicht gewährleistet werden, müssen andere Ar<strong>bei</strong>tsweisen wie zum<br />

Beispiel Longieren oder Bodenar<strong>bei</strong>t eingesetzt werden.<br />

4.3 Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen: Praktische Vorschläge für die Durchführung einer<br />

Therapiestunde<br />

Wir befinden uns hier immer noch auf der Ebene der Therapeutin bzw. des Therapeuten<br />

oder der Pädagogin bzw. des Pädagogen.<br />

Das Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen beginnt <strong>bei</strong> der eigenen therapeutischen Haltung und endet <strong>mit</strong> den<br />

konkreten Inhalten einer Stunde. Dazwischen gibt es vieles zu gestalten. Hier sollen nun<br />

mögliche Methoden und Instrumente genannt werden, die zur Steuerung des Therapie-<br />

Prozesses dienen. Daneben sind die Rahmenbedingungen wichtige Faktoren für eine erfolgreiche<br />

Therapiestunde und werden daher kurz erwähnt.<br />

Die Informationen wurden aus den durchgeführten Interviews gewonnen. Um die Antworten<br />

übersichtlich präsentieren zu können, wurden sie von uns zusammengefasst und gegliedert<br />

in: Therapeutische Haltung, Bedingungen, Instrumente, Methoden und Themen.<br />

Therapeutische Grundhaltung<br />

Eine Haltung ist eine Grundeinstellung und wird bewusst eingenommen. Dies passiert schon<br />

bevor ein Pädagoge bzw. eine Pädagogin oder ein Therapeut bzw. eine Therapeutin auf die<br />

Klientel trifft. Es geht um die Übernahme einer gesellschaftlichen Rolle im direkten Kontakt<br />

<strong>mit</strong> einem Individuum.<br />

Therapeutisches Beziehungsangebot<br />

Dies basiert hauptsächlich auf unvoreingenommener Akzeptanz und Kongruenz der eigenen<br />

Person. Denn das ist eine wichtige Voraussetzung für Empathie, welche wiederum in der<br />

Therapie ein wichtiges Wirkmoment darstellt.<br />

Fokus auf Ressourcen<br />

Die gesunden Anteile ausbauen anstatt sich auf die Kranken zu versteifen.<br />

Je weniger Aufmerksamkeit die Problematik erhält, umso mehr Energie gewinnt der Prozess<br />

der Genesung.<br />

Modell – Lernen<br />

Die Therapeutin bzw. der Therapeut übernimmt eine Vorbildfunktion für einen liebevollen,<br />

artgerechten und besonnenen Umgang <strong>mit</strong> den Pferden.<br />

Bedingungen<br />

Dies sind Gegebenheiten, die für den erfolgreichen Therapie-Prozess essentiell sind. Die erste<br />

betrifft die Ar<strong>bei</strong>tsweise des Therapeuten bzw. der Therapeutin, die zweite <strong>bei</strong>nhaltet das<br />

Setting.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 50<br />

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Keine Überforderung<br />

Es wird niemand zu etwas gezwungen, wozu er noch nicht bereit ist. Hilfestellung wird da<strong>bei</strong><br />

angeboten. Der Klientel soll signalisiert werden, dass diese Hilfe nur ein Angebot darstellt<br />

und es nicht zwingend genutzt werden muss.<br />

Einzeltherapie<br />

Die Einzelsituation bietet dem Klienten bzw. der Klientin Schutz. Es gibt keinen Vergleich und<br />

keinen Leistungsdruck.<br />

Instrumente<br />

Unter Instrumente verstehen wir faktische Hintergründe, die von den Pädagoginnen bzw.<br />

Pädagogen und Therapeutinnen bzw. Therapeuten bewusst eingesetzt werden, um den Therapie-Prozess<br />

zu lenken, ohne invasiv einzugreifen.<br />

Faktor Pferd<br />

Pferd als Herdentier<br />

In einer Herde werden die schwächeren Mitglieder von den anderen <strong>mit</strong>getragen. Selbst<br />

wenn jemand Angst hat, wird er durch die Pferdegruppe authentisch unterstützt. Die Pferde<br />

können sich nicht verstellen, sie sind hilfsbereit und echt.<br />

Es geht also darum, dem Pferd einen gewissen Freiraum einzuräumen. Sie lassen die<br />

Therapeutinnen und Therapeuten dann oftmals staunen, wenn sie von alleine Unterstützung<br />

in die Therapie einbringen, genau an der Stelle wo es sinnvoll scheint. Zum Beispiel kann ein<br />

Pferd plötzlich stehen bleiben und die Klientel herausfordern, sich <strong>mit</strong> dieser Situation<br />

auseinander zu setzen. Die Klientel muss dann selbstbewusster auf das Pferd zugehen oder<br />

es liebevoll überzeugen, dass es den weiteren Weg <strong>mit</strong> ihr geht. Dies geschieht im therapeutischen<br />

Rahmen sehr sanft, denn die Tiere sind sehr sensibel und merken <strong>mit</strong> ihrer Feinfühligkeit<br />

genau, wer vor ihnen steht und wie sie <strong>mit</strong> diesem Menschen umgehen können.<br />

Charakter der Pferde<br />

Das Pferd soll ein Gegenüber sein. Hier gibt es die Möglichkeit, verschiedene Pferde einzusetzen.<br />

Es ist ganz unterschiedlich wie die Pferde auf den Menschen zugehen, vom freien<br />

Kontakt aufnehmen bis hin zu Pferden, die den Menschen auch einmal ablehnen.<br />

Bei einem Menschen <strong>mit</strong> Depressionen sollte ein Pferd eingesetzt werden, welches von alleine<br />

auf ihn zugeht und konstant für ihn da ist. Sie brauchen diese Sicherheit um die Möglichkeit<br />

zu haben, sich auf einen Prozess <strong>mit</strong> dem Pferd einzulassen.<br />

Faktor Ritual<br />

Rituelles Vorgehen bietet Transparenz für die Klientel. Bekanntes ver<strong>mit</strong>telt Sicherheit und<br />

fördert zudem die Selbstwirksamkeit und das Urteilsvermögen. Folgende Struktur bildet zum<br />

Beispiel einen Rahmen.<br />

- Begrüssung, Kontaktaufnahme, Vorbereitung<br />

- Individueller Mittelteil<br />

- Bedanken, Pferde belohnen, verabschieden, reflektieren<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 51<br />

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Faktor Schwerpunkt<br />

Die jeweils gesetzten Schwerpunkte hängen von den angestrebten Therapie-Zielen, sowie<br />

der momentanen Verfassung der Klientel ab. Da<strong>bei</strong> gibt es folgende Ebenen:<br />

- Emotionale Ebene (Erlebnis)<br />

- Kognitive Ebene (Gehirn)<br />

- Körperliche Ebene (Motorik)<br />

- Soziale Ebene (Interaktion)<br />

Wie <strong>bei</strong> unserer Auswertung der Praxis beschrieben wird, ist <strong>bei</strong> Menschen <strong>mit</strong> einer<br />

Depression der Schwerpunkt auf die Erlebnisebene zu setzen. Bei der Ar<strong>bei</strong>t stehen vor<br />

allem die Emotionen im Zentrum.<br />

Faktor Nähe – Distanz<br />

Triade: Pferd – Therapeut – Klient<br />

Das Pferd reagiert auf die Distanz, in der sich die Therapeutin oder der Therapeut, welche/r<br />

die Bezugsperson des Pferdes ist, zu ihm aufhält. Je näher die Therapeutin bzw. der Therapeut<br />

kommt oder je stärker sie bzw. er sich auf das Pferd konzentriert, umso mehr hat sie<br />

bzw. er Einfluss auf das Verhalten des Pferdes. Nimmt sie bzw. er sich zurück, wird das Pferd<br />

sich mehr auf die Klientel einstellen und natürlich auf sie reagieren. Zu Beginn moderiert die<br />

Therapeutin bzw. der Therapeut diese Verhältnisse sehr klar. Mit der Zeit kann sie sich auch<br />

vermehrt aus den direkten Wechselbeziehungen heraus nehmen und der Klientel so<strong>mit</strong><br />

mehr Verantwortung übertragen.<br />

Faktor Wahrnehmung<br />

Um die Klientel in ihrer Entwicklung zu unterstützen, soll sie ganzheitlich angesprochen werden.<br />

Dies <strong>bei</strong>nhaltet auch, dass möglichst alle Wahrnehmungsbereiche in einer Stunde zum<br />

Zuge kommen. Der Therapeut bzw. die Therapeutin kann sich während der Stunde überlegen,<br />

<strong>mit</strong> welchen Inputs er bzw. sie die verschiedenen Bereiche stimulieren könnte. Was<br />

daraus geschieht ist dann wiederum von der Klientel abhängig, ob sie auf das Angebot eingeht<br />

oder ob ihr Interesse gerade woanders liegt.<br />

Methoden<br />

Die wichtigsten Methoden sind natürlich das Reiten nach heilpädagogischen oder<br />

therapeutischen Grundsätzen. Zusätzlich gibt es aber noch andere Methoden, die in die<br />

Ar<strong>bei</strong>t integriert werden können.<br />

Reiten aus der Körper<strong>mit</strong>te<br />

Ist eine Reitmethode, die die Amerikanerin S.Swift entwickelt hat. Durch die<br />

Übertragung verschiedener Ansätze aus der Körperar<strong>bei</strong>t (orientalische Kriegs-<br />

künste wie Tài chi u. a., Alexander-Technik), genauer Kenntnis der körpereigenen<br />

Anatomie und Mechanik und dem Einsatz von Vorstellungsbildern findet S. Swift<br />

einen Lern- und Lehr-weg, der sich von den herkömmlichen Reitver<strong>mit</strong>tlungs-<br />

strategien <strong>mit</strong> Bewegungskorrekturanweisungen vollkommen unterscheidet.<br />

Das Ziel ist eine perfekte körperliche und geistige Übereinstimmung zwischen<br />

Pferd und Reiter.<br />

(Deppisch, 1997, S. 53)<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 52<br />

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Die vier Grundbausteine:<br />

Diese haben wir durch Selbsterfahrungen <strong>bei</strong> E.L. kennen gelernt.<br />

• Erdung<br />

Auf dem Pferd die Beine hängen lassen, als ob man sie durch den Sand schleifen lassen würde.<br />

Locker auf dem Pferd sitzen.<br />

• Zentrierung<br />

Sich vorstellen, dass man <strong>mit</strong> seinem Beckenbereich eine Kugel in Bewegung setzen und diese<br />

immer wieder anstossen würde.<br />

• Aufrichtung<br />

Die Schlüssel<strong>bei</strong>ne in Gedanken wachsen lassen, so dass sie wie Flügel links und rechts den<br />

Waldrand streifen.<br />

•Entspannung<br />

Den Blick in die Ferne richten und versuchen nichts zu fokussieren.<br />

Feldenkrais und Reiten<br />

Benutzt die Lehre des Physikers M. Feldenkrais, der eine Methode entwickelte,<br />

die über einen Bewusstheitsprozess <strong>mit</strong> dem Mittel der Bewegung das Selbstbild<br />

und die Eigenwahrnehmung verbessern hilft. Da ist es naheliegend, diese Methode<br />

auch <strong>bei</strong>m Reitenlernen anzuwenden, da es auf dem bewegten Objekt Pferd von<br />

grossem Nutzen ist, wenn man über die Möglichkeit der differenzierten Körper-<br />

wahrnehmung verfügt, und man die Bewegungsabläufe zwischen sich und dem<br />

Pferd bewusst steuern kann.<br />

(Deppisch, 1997, S. 52)<br />

Moshé Feldenkrais legt seiner Ar<strong>bei</strong>t die Formbarkeit des Menschen zugrunde. Der Mensch<br />

kommt <strong>mit</strong> wenig entwickeltem Gehirn auf die Welt und beginnt durch das Wechselspiel <strong>mit</strong><br />

der Umwelt zu lernen. Probleme resultieren erst dadurch, dass der Mensch etwas gelernt<br />

hat (vgl. Camenzind & Sidler, 2005).<br />

„Nach Feldenkrais identifizieren wir uns <strong>mit</strong> unserem Verhaltens- und Bewegungsmustern so<br />

stark, dass wir das Ergebnis unseres ehemaligen Lernens für angeborene Konstitution halten<br />

und eben nicht für gelernt. So akzeptieren wir unsere Begrenzungen, halten sie für angeboren<br />

und irreversibel“ (Camenzind & Sidler, 2005, S. 165).<br />

Wenn jemand <strong>mit</strong> neuen Bewegungsmöglichkeiten experimentiert und da<strong>bei</strong> aufmerksam<br />

statt leistungsorientiert ist, dessen Nervensystem wird diese neuen Möglichkeiten direkt<br />

erfahren. Wenn das Nervensystem sich tatsächlich für die einfachsten und optimalsten Wege<br />

entscheidet, wird es sich selbständig eine neue Funktionsweise erschaffen. Dies sei unweigerlich<br />

einfacher, klarer und angenehmer (vgl. Camenzind & Sidler, 2005).<br />

Themen<br />

Dies ist eine allgemeine, grobe Zusammenstellung verschiedener Themen-Bereiche von<br />

möglichen Stundeninhalten. Dazu sollten hier auch allgemeine Sicherheitsfaktoren beachtet<br />

werden. Konkrete Inhalte werden im nächsten Kapitel „Aus der Praxis“ gegeben.<br />

Reiten<br />

Das Reiten steht zwar nicht im Vordergrund, ist aber trotzdem ein zentrales Mittel der<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 53<br />

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Therapie. Da<strong>bei</strong> müssen Sicherheitsfaktoren sowie die Verletzungsgefahr berücksichtigt<br />

werden.<br />

Beobachten<br />

Pferde können in ihrer Umgebung und ihrem Umgang <strong>mit</strong> ihren Herdenkollegen beobachtet<br />

werden. Dies hilft da<strong>bei</strong>, das Pferd und seine Körpersprache besser zu verstehen. Das vertiefte<br />

Wissen über das Pferd ist wiederum sicherheitsfördernd. Die Klientel lernt wie sie sich<br />

dem Pferd gegenüber verhalten muss, wenn dieses sich in einer bestimmten Verfassung befindet.<br />

Beziehung zum Pferd<br />

Die Beziehung zum Pferd ist absolut zentral. Es muss Zeit eingeräumt werden, da<strong>mit</strong> sich die<br />

Klientel auf die verschiedensten Arten immer wieder <strong>mit</strong> dem Pferd persönlich auseinander<br />

setzen kann. Das Pferd ist kein Gegenstand sondern ein Gegenüber und bietet so<strong>mit</strong> die<br />

Möglichkeit, eine emotionale Beziehung <strong>mit</strong> ihm einzugehen.<br />

Einbezug des Milieus / Ar<strong>bei</strong>ten rund ums Pferd<br />

Auch im Bereich rund um das Pferd gibt es Aufgaben, die für Menschen, die <strong>mit</strong> Pferden ar<strong>bei</strong>ten,<br />

selbstverständlich auch dazugehören. In dieser Selbstverständlichkeit werden sie<br />

auch in die Therapie <strong>mit</strong> einbezogen. Eine Auswahl von Möglichkeiten wären:<br />

• Ställe ausmisten • Boden fegen<br />

• Fütterung • Pferde vorbereiten<br />

• Pferde putzen • Lederpflege<br />

• Hufe waschen, einfetten… • usw.<br />

In diesen Tätigkeiten sind auch Inputs für die verschiedenen Wahrnehmungsbereiche enthalten.<br />

Nimmt man das Beispiel einer vollen Schubkarre, die nach dem Aufsuchen des Misthaufens<br />

sichtlich leichter und leer ist. Dies gibt der Klientel Informationen über die eigene Kraftanwendung<br />

und ein direktes Gefühl der Selbstwirksamkeit. Man hat etwas vollbracht, dies<br />

wird zugleich visuell bestätigt.<br />

Einbezug der Natur<br />

Die Natur als direkte Umwelt bietet viele Inputs für die Therapie. Es können Spaziergänge<br />

durch die Wälder und Wiesen gemacht werden, dies ver<strong>mit</strong>telt Eindrücke auf verschiedenen<br />

Ebenen. (Bodenbeschaffenheit, Düfte, Licht, Tiere,…)<br />

Dies war nun das grobe Raster für Therapiestunden. Im folgenden Abschnitt geben wir Auskünfte<br />

darüber, wie die Praxis aussehen könnte, wenn man <strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, die in einem<br />

depressiven Zustand sind, eine Therapie-Stunde durchführt.<br />

Welche Inhalte sind wichtig, was muss berücksichtigt werden?<br />

4.3 Gesammelte Praxiserfahrungen: Schwerpunkt <strong>bei</strong> Depression<br />

Individuelle Schwerpunkte setzen<br />

Hier<strong>bei</strong> fokussieren wir vor allem die Klientel. Die Schwerpunkte sind je nach Person und<br />

Problematik individuell zu setzen, da das Krankheitsbild Depression ein sehr weites Spekt-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 54<br />

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um umfasst und sich daher kaum generalisieren lässt. Bei der Auswertung haben sich Themen<br />

heraus kristallisiert, die <strong>bei</strong> einer Depression stark eingeschränkt sind und daher einen<br />

Bedarf an Förderung haben. Diese Bereiche werden in den folgenden Abschnitten weiter<br />

ausgeleuchtet.<br />

Die von uns gesetzten Titel der Gebiete machen deutlich, dass Emotionen <strong>bei</strong> der Behandlung<br />

von Menschen <strong>mit</strong> einer Depression, eine zentrale Rolle spielen.<br />

Im Folgenden werden wir nun die Aussagen ausführen, die uns zu den sieben Hauptaspekten<br />

geführt haben. Da<strong>bei</strong> handelt es sich um Aspekte, die den Klienten bzw. die Klientin betreffen,<br />

sowie auch konkrete Vorschläge, wie die eingeschränkten Bereiche unterstützt werden<br />

können.<br />

I. Gefühl der Integration<br />

Da<strong>mit</strong> sich ein Klient oder eine Klientin integriert fühlt, bietet es sich an, ihm oder ihr den<br />

Betrieb <strong>mit</strong> allen Mitar<strong>bei</strong>tern vorzustellen. Er bzw. sie wird sozusagen in die Familie des<br />

Hofs aufgenommen, so<strong>mit</strong> wird dem Klienten bzw. der Klientin ein Anhaltspunkt geboten,<br />

wodurch er bzw. sie Boden gewinnen kann. Er bzw. sie kann sich sicher fühlen und ins Hier<br />

und Jetzt gelangen. Es ist wichtig, dass man in die Gegenwart kommt, denn nur im Jetzt kann<br />

man aktiv werden und sich selber spüren. Themen wie Suizidalität können dann auch thematisiert<br />

werden. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich die Klientel sicher und gut aufgehoben<br />

fühlt. Die Diskussion über den Sinn des Lebens erhält durch die Umgebung vielleicht<br />

Inputs und lässt eine neue Perspektive für die eigene Situation zu.<br />

Um sich integriert zu fühlen, ist es von grosser Wichtigkeit, dass man seinen Teil für das Ganze<br />

einbringen kann. Es geht darum einen Nutzen zu haben und zugleich teil zu haben. Bei der<br />

Klientel ist das Problem oft die eingeschränkte Teilhabe, die für alle Menschen eigentlich<br />

uneingeschränkt gelten sollte. Mit der Übernahme von Verantwortung gegenüber den Pferden<br />

und dem Betrieb, kann die Teilhabe gestärkt werden. So kann zum Beispiel die wichtige<br />

Aufgabe des Fütterns, welche dem Menschen eine zentrale Rolle <strong>bei</strong> den Pferden zukommen<br />

lässt, dazu <strong>bei</strong>tragen, dass sich der Klient bzw. die Klientin wieder wichtig fühlen kann.<br />

Der Stall und die Atmosphäre führen dazu, dass der depressive Mensch von seinen Gedanken<br />

und Grübeleien für den Moment abgelenkt wird. Für Menschen, die zum Beispiel schon<br />

lange den Wunsch hegen Reiten zu lernen, kann dies eine Nische bilden, auf die sie stolz<br />

sind. Sie können anderen Menschen erzählen, dass sie reiten gehen und den Betrieb <strong>mit</strong><br />

ihrer Hilfe unterstützen. Zudem kann niemand diese Erlebnisse wegnehmen, stattdessen<br />

können sie sorgfältig aufbewahrt werden und immer wieder Momente des Stolzes auslösen.<br />

II. Gefühl der Wertschätzung<br />

Da<strong>mit</strong> die Klientel sich wohl und geborgen fühlen kann, ist es wichtig, dass sie von der Seite<br />

der Therapeutin bzw. des Therapeuten Verständnis und Aufmerksamkeit erhält. Zudem ist es<br />

essentiell, dass die Klientel sich in ihrem aktuellen Zustand wahrgenommen fühlt. Sie darf<br />

eigene Wünsche anbringen, auf welche die Therapeutin bzw. der Therapeut unter Berücksichtigung<br />

ihrer Leistungsfähigkeit eingeht. Bei der Umsetzung ist darauf zu achten, dass der<br />

Klient oder die Klientin weder über- noch unterfordert wird. Eine Überforderung wirkt blockierend,<br />

während eine Unterforderung das Gefühl ver<strong>mit</strong>telt, nicht ernst genommen zu<br />

werden.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 55<br />

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Wertschätzung zu erfahren geht <strong>mit</strong> guten Gefühlen einher. Diese können die Geborgenheit<br />

unterstützen. Lob für kleine Erfolge ver<strong>mit</strong>teln positive Gefühle. Dies ist auch in der Hinsicht<br />

des Erfolgs von Wichtigkeit, da nur kleine Schritte den Menschen im Prozess vorwärts<br />

bringen.<br />

Für den depressiven Menschen ist es eine Wohltat, Trost zu erfahren. Da<strong>bei</strong> sollte es kein<br />

verbaler Trost <strong>mit</strong> falschen Ratschlägen sein, sondern ein unvoreingenommenes Trösten.<br />

Das Pferd kann dies bieten. Es lässt sich streicheln, man kann sich daran anlehnen und da<strong>bei</strong><br />

die Wärme und Nähe spüren.<br />

III. Gefühl der Sicherheit<br />

Um eine Beziehung aufbauen zu können, braucht es die gefühlte Sicherheit. Ist diese vorhanden,<br />

kann sich der Mensch auf einen emotionalen Kontakt einlassen. Der Aufbau eines<br />

Sicherheitsgefühls braucht Zeit und sollte der Klientel unbedingt zugestanden werden. Die<br />

Kontaktaufnahme <strong>mit</strong> dem Pferd geht im selbst gewählten Tempo von statten. Eine gewisse<br />

Konstanz ist da<strong>bei</strong> hilfreich für die Klientel. Sie darf, wenn die Möglichkeit besteht, ein Pferd<br />

aussuchen und <strong>bei</strong> ihrer Wahl bleiben. Um das Pferd näher kennen zu lernen, können Vorlieben<br />

und Eigenheiten erforscht werden. Ein lebendiges Wesen bildet einen ganzheitlichen<br />

Zugang, man darf daran riechen, es berühren und massieren, sowie auf den Atem des Pferdes<br />

lauschen, hören wie es schnaubt und wie es auf Strohhalmen malmt.<br />

Die Beobachtung des Tieres im Auslauf, lässt die eigene Kompetenz im Interpretieren der<br />

Pferdesprache wachsen, was wiederum das Sicherheitsgefühl erweitert. Es ist dem Menschen<br />

stets wichtig einschätzen zu können, was in un<strong>mit</strong>telbarer Zukunft geschieht und ob<br />

man da<strong>mit</strong> einverstanden ist. Lernt nun der Klient bzw. die Klientin das Pferd zu „lesen“ und<br />

angemessen auf es zu reagieren, ist ein grosser Schritt zu einer Mensch-Tier Beziehung vollzogen.<br />

Eine erfolgreiche Beziehung basiert auf Vertrauen. Durch die neu erlernte Kompetenz, <strong>mit</strong><br />

Pferden umgehen zu können und sie zu verstehen, bildet die Klientel Vertrauen. Dieses ist<br />

eng gekoppelt <strong>mit</strong> dem Vertrauen in sich selber. So<strong>mit</strong> kann die Beziehung <strong>mit</strong> dem Tier die<br />

Klientel unterstützen, ihr Selbstvertrauen zurück zu gewinnen. Dem Pferd am Ende einer<br />

gemeinsamen Stunde seine Belohnung geben zu dürfen, unterstützt die Mensch-Tier-<br />

Beziehung auf <strong>bei</strong>den Seiten.<br />

Da<strong>mit</strong> die gefühlte Sicherheit auf dem Pferd nicht gefährdet ist, bietet es sich an, die ersten<br />

vier bis fünf Lektionen stets geführt abzuhalten. Ein etwas kleineres Pferd flösst weniger<br />

Angst ein, zudem kann auch die Farbe des Pferdes einen Einfluss haben. Auf einen Schimmel<br />

reagieren viele anders als auf einen Rappen. Weiss wirkt luftig, leicht, himmelsverbunden,<br />

während schwarz auch <strong>mit</strong> der emotionalen Dunkelheit in einer Depression in Verbindung<br />

gebracht werden kann. Da<strong>bei</strong> kann es auch sein, dass es der Klientin bzw. dem Klienten gut<br />

tut, <strong>mit</strong> einem rabenschwarzen Geschöpf Kontakt zu haben, da es ihre bzw. seine innere<br />

Verfassung wiederspiegelt. Ausschlaggebend ist hier die Vorliebe der Klientel.<br />

IV. Gefühl der Selbstwirksamkeit<br />

Sich selbstwirksam zu erleben ist ein zentrales Moment in der menschlichen Entwicklung.<br />

Da<strong>mit</strong> ein depressiver Mensch wieder zu Selbstwirksamkeits-Erfahrungen kommen kann,<br />

muss er erst seine Eigenaktivität zurück erlangen. Dies kann <strong>mit</strong> der Auswahl des Pferdes<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 56<br />

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eginnen, die Klientel wählt nach ihrem Bauchgefühl das Pferd aus. Sie versucht zu spüren,<br />

was die Begegnung in ihr auslöst und fällt danach eine aktive Entscheidung.<br />

Das ist ein erster Schritt in Richtung der Selbstbestimmung. Es geht darum, dass die Klientel<br />

die Verantwortung und Führung für ihr Leben wieder übernehmen kann. Der Mensch<br />

braucht Ziele, um seinen Weg danach auszurichten. Im Rahmen der Therapie formuliert die<br />

Klientel Ziele, welche sie erreichen möchte. Sie erhält so<strong>mit</strong> die Möglichkeit, sich zu<br />

erforschen, klar zu wissen was er will und dies auch zu formulieren.<br />

Hat die Klientel Ziele formuliert, geht es an die Umsetzung. Um ihre Ziele zu erreichen,<br />

nimmt sie Einfluss und erlebt sich so<strong>mit</strong> selbstwirksam. In diesem Rahmen wird Handeln<br />

wieder erlernt. Eine gute Übung um seinen Einfluss sichtbar zu machen, ist das Führen eines<br />

Pferdes. Die Körperhaltung spielt da<strong>bei</strong> eine grosse Rolle. Sie gibt dem Pferd Anhaltspunkte,<br />

was der Mensch von ihm will und so kann es sich danach ausrichten. Erfolgserlebnisse resultieren<br />

direkt aus der korrekten Körperhaltung und Ausführung des Befehls. Ein Beispiel sei<br />

hier für die korrekte Körpersprache erwähnt. Um ein Pferd zu führen ist es wichtig, dass man<br />

in die Richtung blickt in die man gehen möchte. Man kann sozusagen schon <strong>mit</strong> den eigenen<br />

Blicken ein Pferd lotsen.<br />

Das körpersprachliche Zusammenspiel von Mensch und Tier kann <strong>bei</strong> der Bodenar<strong>bei</strong>t oder<br />

auch <strong>bei</strong>m Longieren der Pferde vertieft werden. Desweiteren könnte ein Parcours aufgebaut<br />

werden, durch welchen sich das Pferd im Vertrauen zur Klientel führen lässt. Auch das<br />

Beibringen eines Kunststückes <strong>bei</strong>nhaltet Selbstwirksamkeits-Erfahrungen. Dies kann die<br />

Klientel zusätzlich ermutigen, selber auch ein Kunststück zu erlernen und so<strong>mit</strong> auch ihre<br />

eigenen körperlichen Kompetenzen weiter auszubauen. Das Beherrschen eines Kunststücks<br />

lässt Freude über den Erfolg entstehen und ermutigt die Klientel, sich auf weitere Akrobatik-<br />

Einheiten einzulassen.<br />

Reiten lernen setzt voraus, dass die Klientel klar weiss was sie will, dass sie das Vertrauen in<br />

sich und das Pferd hat und dass sie handlungsfähig ist. Sie muss sich zudem selber spüren.<br />

Die Kommunikation auf dem Pferd ist, wie die Kommunikation vom Boden aus, an die körpersprachlichen<br />

Signale gebunden. Den Impuls zum Anreiten oder Anhalten wird aus der<br />

Hüfte gegeben. Diese Impulse können auch <strong>mit</strong> einem verbalen Befehl gekoppelt werden,<br />

welche das Pferd durch Repetition und Lob lernt. Diese verbalen Hilfen sollten deswegen<br />

auch allgemein gültig sein, sprich von allen in gleicher Weise ausgeführt werden.<br />

Der beginnende Reiter bzw. die beginnende Reiterin kann zum Beispiel, wenn er bzw. sie<br />

noch geführt wird, schon eine Art Hilfszügel in der Hand halten. So<strong>mit</strong> kann er bzw. sie den<br />

Teil des Lenkens einüben, ohne von den anderen Aspekten des Reitens zu stark abgelenkt zu<br />

werden. Dies ist vor allem wichtig, da die Gesundheit des Pferdes im Vordergrund steht und<br />

ein Pferdemaul <strong>mit</strong> einer sensiblen Hand geführt werden muss.<br />

Ist die Klientel handlungsfähig, kann sie auch Verantwortung übernehmen. Auf dem Pferd<br />

trägt sie die Verantwortung für sich und das Pferd gleichermassen. Es geht da<strong>bei</strong> darum, das<br />

Pferd in einer verantwortungsvollen Weise zu führen und so<strong>mit</strong> für sich und andere zu sorgen.<br />

Diese Verantwortung übernimmt die Klientel auch, wenn sie das Pferd pflegt. Sie kann<br />

es bürsten und auch einmal waschen. Der Hintergedanke hier<strong>bei</strong> ist, dass der depressive<br />

Mensch diese Verantwortung auch auf sich selber transferiert. Die Pflege eines Dritten kann<br />

da<strong>bei</strong> hilfreich sein, diesen Aspekt der Eigenverantwortung wieder wahrzunehmen und ihm<br />

mehr Beachtung zu schenken.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 57<br />

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Dieses Foto veranschaulicht ein Beispiel, wie die auf dem Holzpferd eingeübten Kunststücke<br />

und Voltige-Elemente auf dem bewegten Pferd umgesetzt werden können. Es zeigt zudem<br />

sehr schön welche Vertrauensbasis vorhanden ist, denn das Pferd läuft ohne, dass jemand es<br />

führt oder an einem Strick hält.<br />

V. Gefühl des Wohlbefindens<br />

Da eine Depression <strong>mit</strong> einem Gefühl der Niedergeschlagenheit, einem unbehaglichen Gefühl<br />

einhergeht, soll vor allem der Gegenpol, das Wohlbefinden unterstützt werden. Dies<br />

wird erreicht, wenn kein Druck auf die Klientel ausgeübt wird. Die Erlebniswelt steht im<br />

Zentrum. Die Klientel soll entspannte Momente fürs Gemüt erfahren. Es können zum Bei-<br />

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spiel Ausritte unternommen werden, <strong>bei</strong> dem die Klientel geführt wird und die Verantwortung<br />

abgeben kann. Sind Fohlen auf dem Hof zu Hause, kann deren Unbeschwertheit und<br />

Lebensfreude beobachtet werden, wenn sie die Klientel auf dem Ausritt begleiten. Selbst<br />

wenn sie noch nicht so wahrgenommen werden kann, erlebt die Klientel Freude. Diese kann<br />

ansteckend wirken. Das Ziel ist es, der Klientel den Zugang zum „Spass-haben“ zu erleichtern.<br />

Da<strong>mit</strong> der Mensch <strong>mit</strong> sich zufrieden ist, muss er <strong>mit</strong> seinem Körper im Einklang sein. Er<br />

muss sich spüren und auf sich einlassen können. Durch taktil-kinästhetische Wahrnehmungen<br />

wird der Weg zur propriozeptiven Eigenwahrnehmung beschritten. In der Praxis könnte<br />

das so aussehen, dass die Klientel erst unterschiedliche Materialien befühlt und kennen<br />

lernt. Später kann sie das Pferd berühren und spüren wie sich das anfühlt. Sie kann ihre<br />

Hand zum Beispiel auf das Schulterblatt des bewegten Pferdes legen und die Bewegung spüren.<br />

Dies kann dann auch <strong>mit</strong> einem eigenen Körperteil ausgeführt werden, der Mensch<br />

spürt so, wie sein Körper vom Pferd bewegt wird. Er spürt einzelne Körperteile und wird sich<br />

deren wieder bewusst. Weiter soll er auf seine Atmung achten und sich von innen spüren.<br />

Wenn die Klientel dazu bereit ist, kann man Gedankenreisen durch den Körper unternehmen.<br />

Da<strong>bei</strong> gibt es auch die Möglichkeit, <strong>mit</strong> jedem Atemzug ihren Körper von innen in Gedanken<br />

<strong>mit</strong> Farbe auszumalen versuchen.<br />

Erst wenn der Mensch <strong>mit</strong> sich zufrieden ist, kann er auch loslassen und Freiheit erleben. Es<br />

braucht die Voraussetzung, dass nichts die Konzentration bindet. Dann ist es möglich, ohne<br />

einengende Zwänge und Gedanken, den Moment geniessen zu können.<br />

VI. Gefühl der Lebensfreude<br />

Das Bewegungsverhalten des depressiven Menschen ist stark eingeschränkt, wirkt starr und<br />

schlaff. Da<strong>mit</strong> wieder Bewegungsfreude entwickelt wird, muss der Körper durch Bewegung<br />

wieder belebt werden. Da kann das Pferd, welches <strong>bei</strong>spielsweise spazieren geführt wird,<br />

anregend auf den menschlichen Körper wirken. Genauso kann es belebend wirken, wenn die<br />

Klientel auf dem Pferd sitzt und vom Pferd <strong>mit</strong> bewegt wird. Da<strong>bei</strong> kann sie spüren, wie unterschiedliche<br />

Pferde, verschiedene Arten des Gehens haben. Es gibt Pferde die durch ihren<br />

Rücken mehr Bewegung weitergeben als andere, es gibt längere und kürzere Beine, welche<br />

vor allem die Eigenarten eines Pferdes bildet.<br />

Lebensfreude drücken Pferde auf der Koppel durch buckeln und herumtollen aus. Es liegt<br />

nahe, dass ein gesunder Mensch manchmal auch am liebsten Luftsprünge machen würde,<br />

um seine Lebensfreude auszudrücken. Auf dem Pferd kann die Klientel die unterschiedlichen<br />

Gangarten, Tempo erleben und so<strong>mit</strong> Teil von dieser Lebensfreude werden. Es wird eigene<br />

Freude und Energie aktiviert.<br />

Da<strong>mit</strong> dies auch in andere Bereiche der Lebenswelt der Klientel dringen kann, ist ein Transfer<br />

wichtig. Zum Beispiel kann eine leichte Aufgabe gestellt werden, dass die Klientel sich einmal<br />

am Tag etwas Gutes tut. Dies kann ganz trivial sein, wie die Hände sehr bewusst und sorgfältig<br />

zu waschen. Sie soll auf die Kleinigkeiten achten, die sie trotz ihrer Depression geniessen<br />

kann, Dinge die sie erfreuen. Zum Beispiel den Geruch einer Tasse Kaffee bewusst einatmen,<br />

da<strong>mit</strong> das tägliche Leben wieder mehr Farbe und Tiefe erhält. Es soll der Versuch unternommen<br />

werden, ein bisschen über den „Brillenrand der Depression“ zu schielen. Dies ist<br />

keine einfache Aufgabe aber sie ist einen Versuch wert. Kann der Mensch sich an kleinen<br />

Dingen freuen, ist er zufriedener und auf dem Weg zurück ins Leben.<br />

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VII. Gefühl des Loslassens<br />

Menschen die an einer Depression leiden, wollen nicht auffallen, wenn sie sich unter gesunde<br />

Leute mischen. Sie klammern sich an das, was sie von ihrem Leben noch aufrecht erhalten<br />

können und dürfen diese Kontrolle nicht abgeben. Das Auftreten gegenüber anderen<br />

Menschen wird zum Beispiel stark kontrolliert. Um diese totale Kontrolle aufgeben zu können,<br />

braucht es Sicherheit. Danach sind Situationen förderlich, in welchen die Klientel<br />

Vertrauen in das Pferd und den Therapeuten bzw. die Therapeutin hat und die Führung<br />

so<strong>mit</strong> abgeben kann. Mit dem Voltigiergurt kann sie sich führen lassen und sich an den Griffen<br />

festhalten. Hat sich die Klientel an die Bewegungen gewöhnt und eine gewisse Sicherheit<br />

erreicht, kann sie auch versuchen diese Griffe loszulassen und schauen was passiert. An der<br />

Longe wird weitere Sicherheit auf dem Pferd gewonnen. Der Abstand zur Therapeutin bzw.<br />

zum Therapeuten ist dann zwar grösser, sie bzw. er ist aber noch immer in der Lage auf das<br />

Pferd Einfluss zu nehmen. Dies führt dazu, dass sich der Reiter oder die Reiterin entspannt<br />

zurücklehnen kann. Das ist im übertragenen Sinn gemeint, denn tatsächliches Zurücklehnen<br />

würde dazu führen, dass das Pferd anhält.<br />

Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung und Yoga, sowie Körperübungen<br />

für einen lockeren Sitz, unterstützen den Auf- und Ausbau der Reit-Kompetenz. In der Ruhe<br />

kann Sicherheit wachsen und der Mensch sich entspannen. Wenn der Klientel danach ist,<br />

darf sie auf dem Pferd auch summen und singen. Tatsächlich gibt es viele Menschen, die auf<br />

dem Pferd zu singen beginnen, denn das „Geschaukelt-werden“ wirkt lösend auf uns. Man<br />

darf das Pferd umarmen, sich darauf legen und die Wärme spüren. Es bietet sich auch an,<br />

<strong>mit</strong> dem Pferd zusammen in der Box die Ruhe zu geniessen, gemeinsam zur Ruhe zu kommen<br />

und da<strong>bei</strong> angenehme Gefühle zu empfinden. Auf der biologischen Ebene lässt die Nähe<br />

des Tieres den menschlichen Organismus entspannen, indem der Blutdruck sinkt<br />

und die Herzfrequenz sich erhöht.<br />

Eine Depression geht <strong>mit</strong> vielen Ängsten einher. Angst muss überwunden werden, denn sie<br />

wirkt lähmend. Entweder hängt man Erlebtem hinterher, oder hat wiederum Angst vor der<br />

Zukunft.<br />

Um den Prozess des Loslassens zu unterstützen, soll die Klientel zur Kommunikation angeregt<br />

werden. Dies geschieht zu einem grossen Teil in körpersprachlicher Kommunikation,<br />

wird aber auch durch Gespräche gefördert. Der Klient bzw. die Klientin kommt aus seinem<br />

bzw. ihrem Rückzug und beginnt sich selbst wieder zu spüren. Diese Ermunterung beeinflusst<br />

die Klientel positiv, denn so kann sie das, was sie bedrückt <strong>mit</strong>teilen. Da<strong>bei</strong> braucht sie<br />

professionelle Unterstützung, um dies danach in ihrer produktiven Weise zu verar<strong>bei</strong>ten. Auf<br />

einer weiteren (symbolischen) Ebene sind Bilder hilfreich, um sich von Herzen auszudrücken.<br />

Anmerkungen<br />

Desweiteren sind folgende Punkte wichtig für die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Menschen:<br />

• Der Therapeut bzw. die Therapeutin darf sich nicht zu stark in die Trauer hinein ziehen<br />

lassen, er bzw. sie darf fröhlich bleiben.<br />

• Kein Mitleid und unnötige Hilfen erteilen.<br />

• Die Klientel darf sich nicht ausgeliefert fühlen, es ist wichtig, dass die Pferde gut<br />

ausgebildet und absolut zuverlässig sind.<br />

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• Die Therapie dauert längere Zeit, was für Klientinnen oder Klienten, die hohe Erwartungen<br />

an sich und die Therapie haben, manchmal schwierig ist.<br />

• Die Klientel spürt sich selber nicht richtig, sie hat Probleme in der Wahrnehmung und<br />

merkt zum Beispiel nicht immer, wenn sie schief auf dem Pferd sitzt.<br />

• Klientinnen und Klienten <strong>mit</strong> Missbrauchshintergrund klinken sich manchmal aus, was im<br />

Umgang <strong>mit</strong> Pferden gefährlich sein kann.<br />

Dies war nun ein Einblick in die Praxis der Therapie. Nun werden wir noch auf das Pferd und<br />

sein Milieu eingehen.<br />

4.5 Wirkfaktoren: Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferden <strong>bei</strong> einer Klientel <strong>mit</strong> Depression<br />

Die Wirkfaktoren haben wir wiederum in die Kategorien aufgeteilt, die wir im vorherigen<br />

Schritt erar<strong>bei</strong>tet haben. Es geht hier<strong>bei</strong> vor allem darum, was das Pferd in den Therapie-<br />

Prozess <strong>mit</strong> einbringt. Diese Angaben resultieren aus direkten Beobachtungen der Praxis. Es<br />

sind zudem Erfahrungswerte, welche langjährig berufstätige Therapeutinnen und Pädagoginnen<br />

sowie ein Pädagoge <strong>mit</strong> den Pferden gemacht haben.<br />

I. Gefühl der Integration<br />

Beim Therapeutischen Reiten wird die Beziehungsfähigkeit des Pferdes zum Menschen genutzt,<br />

um die Kontaktaufnahme zu erleichtern und ein Vorfeld für zwischenmenschliche Beziehungen<br />

zu schaffen. Die Klientel fühlt sich vom Tier immer auf- und wahrgenommen. Zudem<br />

wird die Therapie eher als Freizeitbeschäftigung wahrgenommen, was die Integration<br />

zugleich unterstützt.<br />

II. Gefühl der Wertschätzung<br />

Die Ganzheitlichkeit der Therapie bietet einen ganzheitlichen Zugang und so<strong>mit</strong> eine grössere<br />

Wahrscheinlichkeit die Klientel dort abzuholen, wo sie gerade steht. Das Tier nimmt jeden<br />

so wie er kommt, in welchem Gemütszustand auch immer, man erntet nie verurteilende<br />

Blicke. Da<strong>bei</strong> sind Emotionen im Spiel, da das Pferd ein lebendiges Gegenüber ist. Der<br />

Mensch reagiert emotional auf das Pferd und erhält wiederum eine kongruente Gefühlsantwort<br />

des Pferdes.<br />

Die Pferde haben ein anderes Gespür als wir Menschen, sie spüren auf einer anderen Ebene.<br />

Das Pferd spiegelt und handelt auch von sich aus, in dem Rahmen, indem es ihm erlaubt<br />

wird. Sie unterstützen den Prozess, in dem der Klient bzw. die Klientin steckt, <strong>mit</strong> eigenen<br />

Interventionen. Dies macht die Ar<strong>bei</strong>t so faszinierend für den Therapeuten bzw. Therapeutin,<br />

es spielt ein Wesen <strong>mit</strong> in der Therapie, welches nicht genau eingeplant werden kann.<br />

Das Pferd ergänzt den Therapeuten bzw. die Therapeutin oder Heilpädagogen bzw. Heilpädagogin,<br />

erweitert seinen bzw. ihren Horizont und lässt ihn bzw. sie mehr <strong>mit</strong>kriegen. Das<br />

Pferd dient so<strong>mit</strong> als Spiegel der Befindlichkeit der Klientel. Es hilft der Therapeutin bzw.<br />

dem Therapeuten die Stimmungslage der Klientin bzw. des Klienten zu erkennen, da<strong>mit</strong> sie<br />

ihr bzw. er sein Handeln darauf abstimmen kann.<br />

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III. Gefühl der Sicherheit<br />

Das Pferd lässt jedem Raum für den ersten Schritt, es stellt keine Bedingungen. Da Pferde<br />

hochsensible Fluchttiere sind, legen sie eine hohe Sensibilität zu Tage, wenn sie auf den<br />

Menschen zugehen. Das Pferd geht auf den Menschen ein und passt sich an. Es versucht<br />

solange auf den Menschen einzugehen, bis es an seine Grenzen stösst. Dies sieht man an<br />

einer dann folgenden Geste des Pferdes, die wiederum zeigt, dass heftige Emotionen vorhanden<br />

sind und der Mensch erst an sich ar<strong>bei</strong>ten muss, bevor das Pferd weiterhelfen kann.<br />

Das Tier verstellt sich nicht, ist völlig klar in seiner Körpersprache, wie seine Befindlichkeit<br />

gerade ist. Für die meisten Klientinnen und Klienten ist es eine Wohltat nicht alles verbalisieren<br />

zu müssen, sondern auf der körpersprachlichen Ebene zu kommunizieren. Pferde lügen<br />

nicht und machen keine leeren Versprechungen, dadurch kann man dem Tier vertrauen.<br />

Durch die räumliche Entfernung vom Alltag, sowie olfaktorische und taktile Andersartigkeiten<br />

der Umgebung der Pferde, fühlt es sich an, wie auf einer entfernten Insel. Alles ist<br />

anders, von der Bodenbeschaffenheit bis zum Geruch. Die Klientel taucht in diese Welt ein,<br />

fühlt sich darin geborgen und kann sich an diesem Rahmen orientieren.<br />

Gerade Linien, klare Übergänge oder Parcours <strong>mit</strong> klarem Ablauf helfen gegen Verwirrung<br />

und Orientierungslosigkeit. Es wird keine Leistung verlangt und so<strong>mit</strong> kein Druck auf die<br />

Klientel ausgeübt.<br />

IV. Gefühl der Selbstwirksamkeit<br />

Die Alltagsstruktur des Pferdes bietet viele Möglichkeiten, um Verantwortung zu übernehmen.<br />

Das Füttern der Pferde, das Ausmisten, die Pferde bewegen, sie pflegen, ihnen eine<br />

Belohnung geben und viele andere Tätigkeiten können ausgeführt werden. Da<strong>bei</strong> fühlt sich<br />

der Mensch wirksam. Er ist zudem der Chef und hat da<strong>mit</strong> verantwortungsvoll umzugehen.<br />

Beim Reiten wird man von sichtbaren Erfolgserlebnissen bestärkt: Das Anreiten, Anhalten<br />

und Lenken resultieren direkt aus der eigenen Körperhandlung. Das Pferd läuft zudem am<br />

besten, wenn die Klientel richtig sitzt. Dadurch wird ein Gefühl wie ein leichtes Schweben<br />

ausgelöst, was sich für die Reitperson gut anfühlt. Dies bildet einen Gegenpol zur Schwere,<br />

welche eine Depression <strong>mit</strong> sich bringt. Das Lernen der Zügelführung ist wichtig, um sich<br />

weniger hilflos zu fühlen und direkt etwas bewirken zu können.<br />

Auch <strong>bei</strong>m Führen eines Pferdes sind die Erfolge sichtbar. Tritt man selbstbestimmt auf und<br />

zeigt keine Unsicherheit, wird das Pferd dem Menschen folgen. Rituelles Vorgehen ver<strong>mit</strong>telt<br />

der Klientel Sicherheit, sie kann sich daran orientieren und sich in diesem Rahmen als<br />

selbstwirksam erleben.<br />

V. Gefühl des Wohlbefindens<br />

Die ganze Atmosphäre rund ums Pferd schafft Geborgenheit. Es fühlt sich ganzheitlich anders<br />

an. Andere Klänge liegen in der Luft, die Bodenbeschaffenheit ist unterschiedlich, es<br />

riecht anders, kurzum alle Sinne werden da<strong>bei</strong> angesprochen.<br />

Das Tier hat ganz grundsätzlich einen wohltuenden Einfluss auf Menschen <strong>mit</strong> einer psychischen<br />

Erkrankung, sowie auch auf gesunde Menschen. Beim depressiven Mensch kann es<br />

zum Beispiel sehr düstere Momente auffangen. Man kann Kontakt <strong>mit</strong> dem Pferd erfahren,<br />

sich wärmen, spüren und Nähe zulassen. Besonders für junge Männer ist es eine Möglich-<br />

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keit, seine Nähe-bedürftige Seite auszuleben, was in einer anderen Umgebung schwieriger<br />

ist.<br />

Die Klientel kann über ihren Körper <strong>mit</strong> dem Pferd kommunizieren, direkten Körperkontakt<br />

zu einem anderen Lebewesen haben und sich <strong>mit</strong> ihm im Gleichmass bewegen. Das Gefühl,<br />

welches durch das „Geschaukelt-werden“ den Menschen durchströmt, wirkt lösend. Dies<br />

kann jeder bestätigen, der selbst reitet.<br />

Durch die dreidimensionale Bewegung im Beckenbereich spürt die Klientel sich selbst und<br />

ihre Haltung, sie beginnt sich wieder zu spüren. Konkret knüpft der 2-Takt des Trabes an Erfahrungen<br />

an, die wir vor der Geburt gemacht haben. Das geborgene „Getragenwerden“ im<br />

mütterlichen Körper.<br />

VI. Gefühl der Lebensfreude<br />

Der Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd und das Reiten haben eine bedeutende Wirkung auf Körper,<br />

Geist und Seele des Menschen. Erlebnisse <strong>mit</strong> Pferden können neue Lebenserfahrungen<br />

eröffnen, die aus Einsamkeit, Kälte und Erstarrung hinausführen. Man kann <strong>mit</strong> einem anderen<br />

Lebewesen einen gemeinsamen Rhythmus finden. Die Atmung und Bewegung aufeinander<br />

koordinieren und sich so<strong>mit</strong> lebendig fühlen. Dies auch in ruhigen Momenten.<br />

Auf dem Pferd braucht man eine stabile Körperhaltung, die Schlaffheit muss überwunden<br />

werden. Immer wieder wird man ins Ungleichgewicht gebracht und das Unterbewusstsein<br />

muss das Gleichgewicht ständig wieder herstellen. Die Bewegungsimpulse lösen so<strong>mit</strong> weitere<br />

Impulse aus und die Klientel muss in Bewegung kommen, muss reagieren. Diese Kommunikation<br />

auf der körperlichen Ebene lässt den Menschen ins Hier und Jetzt kommen. Das<br />

wird von Klienten und Klientinnen auch bestätigt. Sie beschreiben, dass sie das Reiten auf<br />

eine Art <strong>mit</strong> Energie fülle und sie in die Gegenwart hole, heraus aus einem Zustand, in dem<br />

sie wie in Watte gepackt wären.<br />

Tempo zulegen ist ein Ausdruck von Energie und Selbstbewusstsein. Man zeigt sich, bewältigt<br />

seine Angst und fühlt eine Befreiung.<br />

Neben dem Pferd herlaufen, sich von seiner Bewegung anstecken lassen und ihr zu folgen,<br />

kann den Bann einer Depression brechen. Freude und Energie werden reaktiviert. Dazu ist<br />

man draussen in der Natur. Sonnenstrahlen sind ein wichtiger Faktor in der Genesung von<br />

Depressionen, genauso wie Bewegung an der frischen Luft. Die Sonne wirkt zudem wärmend<br />

und löst Freude und ein Wohlbefinden aus.<br />

VII. Gefühl des Loslassens<br />

Die Tiere hören zu und erzählen es keiner Person weiter. Man kann seine Geheimnisse Jemandem<br />

<strong>mit</strong>teilen, muss sie nicht alleine tragen.<br />

Durch das Schaukeln auf dem Pferd löst sich vieles; Klientinnen und Klienten beginnen zu<br />

singen, zu summen und die Muskulatur entspannt sich, was zum Beispiel im Gesicht sichtbar<br />

wird. Obwohl sie in Bewegung kommt, muss die Klientel, wenn sie geführt wird, nicht explizit<br />

aktiv sein. Sie darf einfach geniessen und positive Gefühle erleben, darf sich abgeben und<br />

getragen fühlen. Die Pferde nehmen dem depressiven Menschen die Schwere ab und geben<br />

sie weiter. Dies wird sichtbar an der Körperhaltung des Menschen nach dem Reiten. Der<br />

depressive Mensch geht nach dem Reiten aufrechter und beschwingter. Auch <strong>bei</strong>m Pferd<br />

lässt sich beobachten, dass sie ein Erlebnis gemacht haben. Nach einer Therapiestunde geht<br />

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ein Pferd, wenn es die Möglichkeit hat, nicht gleich zu den anderen Pferden oder fressen. Es<br />

zieht sich zurück und verar<strong>bei</strong>tet das Erlebte, bevor es zu der Herde stösst.<br />

Um das Loslassen gezielt zu fördern, bieten sich Voltigier-Übungen an, wie zum Beispiel<br />

rückwärts sitzen, die Mühle, Schere machen, Volten und Slalom reiten, sich von Zwängen<br />

und rigiden Mustern lösen.<br />

Affinität zu Tieren, grösster Wirkfaktor<br />

Die Therapie <strong>mit</strong> Pferden beruht auf Freiwilligkeit. Daher kommen auch nur Menschen, die<br />

etwas für Pferde übrig haben und es würde keinen Sinn machen, wenn die Klientel nicht <strong>mit</strong><br />

Pferden ar<strong>bei</strong>ten möchte. Genau dies ist der Vorteil. Die Klientel ist für die Pferde motiviert<br />

und daher auch bereit Dinge zu tun, welche sie sonst eher vermeiden würde. Viele Kinder<br />

und Jugendliche <strong>mit</strong> Schwierigkeiten versuchen eben solche Situationen, in denen diese<br />

Schwierigkeiten zum Tragen kommen, zu vermeiden. In Ausweichstrategien, um sich um die<br />

Probleme zu manövrieren, werden sie sehr geschickt. Durch die Pferde können die Klienten<br />

und Klientinnen Fortschritte machen, weil sie motiviert werden, sich an die Probleme heran<br />

zu wagen und die Vermeidungstendenz zu durchbrechen.<br />

Sie müssen nicht gezwungen werden, der Pädagoge bzw. die Pädagogin oder der Therapeut<br />

bzw. Therapeutin keine speziellen Ideen haben, um sie künstlich zu motivieren. Sie haben<br />

Freude und daraus agieren sie.<br />

Zudem förderlich wirkt die Tatsache, dass je offener der Mensch gegenüber der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong><br />

dem Tier ist, umso eher kann er das Geschehen laufen lassen, um seine Ziele zu erreichen. Er<br />

muss flexibel sein, denn das Tier ist nicht berechenbar. Flexibilität ist für die Entwicklung<br />

sehr wichtig, nur so können wir uns an die Umwelt anpassen und ein zufriedenes Leben führen.<br />

4.6 Zusammenführungen der Ergebnisse aus Literatur und Praxis<br />

Im Folgenden führen wir die verschiedenen Bereiche zusammen und vergleichen die Erkenntnisse<br />

aus der Theorie <strong>mit</strong> denen aus dem Praxisfeld. Da<strong>bei</strong> bringen wir zuerst die<br />

Depression <strong>mit</strong> der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferd in Verbindung. Danach folgen Ausführungen zur Zusammenführung<br />

von <strong>Psychomotoriktherapie</strong> und Depression. Den Abschluss bildet die Verbindung<br />

der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> zur Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferd.<br />

4.6.1 Depression im Jugendalter – Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferd<br />

Ansatzpunkte der Depression stellen wir der Theorie gegenüber, wo<strong>bei</strong> wir Übereinstimmungen<br />

und Abweichungen erläutern. Da<strong>bei</strong> konzentrieren wir uns auf die Wirkfaktoren der<br />

Mensch-Pferd-Beziehung, bezogen auf das Krankheitsbild der Depression.<br />

Die Stimmung der Klientel<br />

Der Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd spricht soziale, physische und psychische Elemente an. In der<br />

therapeutischen Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Menschen, welche an Depressionen leiden, bekommt die Funktion<br />

des Pferdes als Aufmerksamkeitsfokus einen besonderen Stellenwert. Dadurch, dass das<br />

Pferd die Aufmerksamkeit eines Menschen auf sich ziehen kann, vermag es die Spirale negativer<br />

Gedanken, welche <strong>bei</strong> einer Depression typisch sind, zu durchbrechen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 64<br />

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Zusätzlich hat der Pferdekontakt einen positiven Einfluss auf die Stimmung des Menschen.<br />

Bei der Bestimmung auf der Symptomebene wird unter der Depression ein Gefühl von Traurigkeit,<br />

Niedergeschlagenheit oder Unlust verstanden. Da<strong>bei</strong> wird <strong>bei</strong> biologischen Modellen<br />

angenommen, dass unter anderem ein niedriger Spiegel von Serotonin und Dopamin zur<br />

Manifestation depressiver Syndrome <strong>bei</strong>tragen. Durch das Spiel <strong>mit</strong> dem Pferd findet im<br />

menschlichen Organismus eine chemische Reaktion statt, die dem Menschen Glücksgefühle<br />

beschert. Diese Tatsache wird in der alltäglichen Ar<strong>bei</strong>t nicht so beschrieben, doch die gezeigten<br />

Glücksgefühle der Klientel im Zusammenhang <strong>mit</strong> der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> dem<br />

Pferd, sprechen für sich.<br />

Das Selbstwertgefühl der Klientel<br />

Ein weiteres charakteristisches Merkmal einer Depression ist das verminderte Selbstwertgefühl<br />

der Betroffenen. Die Theorie stützt die Aussagen aus den Interviews, dass der Umgang<br />

<strong>mit</strong> dem Pferd, das Selbstkonzept stärken kann. Das Pferd bietet dem Menschen die Möglichkeit,<br />

Verantwortung für ein anderes Lebewesen zu übernehmen, was der Klientel das<br />

Gefühl der Selbstwirksamkeit und der Kompetenz ver<strong>mit</strong>telt. Dies ist für die Förderung eines<br />

positiven Selbstkonzepts von tragender Bedeutung.<br />

Die Sozialkompetenz der Klientel<br />

Defizite in der Sozialkompetenz gehören zu den psychologischen Faktoren, welche eine<br />

Depression aufrechterhalten. Ein Pferd kann die Fähigkeit zur Empathie steigern und ein<br />

Trainingsfeld für soziale Interaktion darstellen, wodurch die Sozialkompetenz gefördert werden<br />

kann. Die Theorie betont an dieser Stelle, dass eine emotionale Beziehung zum Tier eine<br />

Bedingung für die Steigerung des Einfühlungsvermögens darstellt. Da die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> dem<br />

Pferd auf freiwilliger Basis besteht, geht man im Praxisfeld davon aus, dass die Klientel motiviert<br />

ist, <strong>mit</strong> dem Pferd zu interagieren. Die Tatsache, dass das Pferd eine Funktion als katalysatorischer<br />

Ver<strong>mit</strong>tler einnehmen und so den Prozess der Therapie fördern kann, zeigt sich<br />

in der praktischen Ar<strong>bei</strong>tsweise und wird von der Theorie auch gestützt.<br />

Möglichkeiten durch das Pferd<br />

Die Aussagen aus dem Praxisfeld, bezüglich der Sensitivität des Pferdes, decken sich <strong>mit</strong> den<br />

Informationen aus der Theorie. Demnach kann das Pferd <strong>mit</strong> seiner sensiblen Wahrnehmung<br />

vieles erfassen und darauf kongruent reagieren, wodurch es wie ein Spiegel der Befindlichkeit<br />

der Klientel wirkt. Das Pferd hilft so dem Therapeuten bzw. der Therapeutin die Stimmungslage<br />

der Klientel zu erkennen.<br />

Das Ar<strong>bei</strong>ten <strong>mit</strong> dem Pferd bietet viele Möglichkeiten des rituellen Vorgehens, welche der<br />

Klientel das Gefühl der Sicherheit ver<strong>mit</strong>teln können. Für Menschen die an Depression leiden,<br />

ist das Wohlbefinden ein zentraler Aspekt. Die Depression lässt sich den überkontrollierten<br />

Störungen zuordnen. Daher ist das Gefühl des“ loslassen können“ sehr bedeutend für<br />

die betroffenen Personen. Das Pferd stellt keine Bedingungen an den Menschen und nimmt<br />

ihn auf eine wertfreie und natürliche Art an. Dieses bedingungslose Annehmen und die Tatsache,<br />

dass einem Tier alles anvertraut werden kann, ohne die Konsequenzen fürchten zu<br />

müssen, kann sich befreiend auf die Klientel auswirken. Auch körperlich bietet der Umgang<br />

<strong>mit</strong> dem Pferd eine Menge an Entspannungsmöglichkeiten, welche sich wiederum positiv auf<br />

das Wohlbefinden der Klientel auswirken können. Die Atmosphäre rund um das Pferd bietet<br />

viele Möglichkeiten, eine gute Befindlichkeit der Klientel zu fördern. Viele dieser Möglichkeiten<br />

zum rituellen Vorgehen oder zur Steigerung des Wohlbefindens werden in der Literatur<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 65<br />

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auch als Ar<strong>bei</strong>tsweisen beschrieben. Doch manche dieser Möglichkeiten werden erst in der<br />

individuellen Auseinandersetzung <strong>mit</strong> dem Pferd deutlich.<br />

Durch den Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd können Freude und Energie reaktiviert werden, was sich<br />

positiv auf die Lebensfreude auswirkt. Diese Tatsache ist nur teilweise empirisch belegt.<br />

Bestätigt ist die Tatsache, dass Glücksgefühle durch den Tierkontakt entstehen können. Die<br />

Reaktivierung der Energie lässt sich so wohl kaum nachweisen, doch es erstaunt nicht, dass<br />

in der Praxis klare, positive Erfahrungen gemacht werden. Die Begegnung <strong>mit</strong> dem Pferd<br />

findet oft draussen in der Natur statt. Die Bewegung an der frischen, <strong>mit</strong> Sauerstoff gesättigten<br />

Luft und vor allem das natürliche Tageslicht, können der depressiven Verstimmung entgegenwirken.<br />

Weist die Klientel eine Affinität zu Pferden auf, kann das Pferd eine Motivationsfunktion einnehmen<br />

und so die Klientel in Handlungen unterstützen, welche sonst vermieden werden.<br />

Dadurch hilft das Pferd der Klientel Erfahrungen zu machen und Übungen durchzuhalten. So<br />

erleben Betroffene vermehrt Erfolgserlebnisse, was sich positiv auf das Selbstkonzept auswirkt.<br />

Die Affinität gegenüber dem Pferd spielt insofern auch eine Rolle, weil die Klientin bzw. der<br />

Klient <strong>mit</strong> dem Tier offener umgeht und sich dadurch auch selbst besser öffnen kann, wenn<br />

sie bzw. er sich <strong>mit</strong> dem Pferd auseinandersetzen will. Der Prozess in der gemeinsamen<br />

Ar<strong>bei</strong>t kann so begünstigt werden. Die Rolle der Affinität wird in der Literatur nur knapp<br />

beschrieben. Im Praxisfeld stellte sich heraus, dass die Therapeuten und Therapeutinnen<br />

bzw. Pädagoginnen und Pädagogen nicht ganz gleicher Meinung sind. In einem Punkt stimmen<br />

alle <strong>mit</strong>einander überein, und zwar wenn man sie nach dem Prozess des Tiergestützten<br />

Ar<strong>bei</strong>tens fragt. Die Affinität zum Pferd fördert die positiven Effekte der Mensch-Tier-<br />

Beziehung und so<strong>mit</strong> den Ar<strong>bei</strong>tsprozess. Aber nicht alle sind der Meinung, dass eine Affinität<br />

zum Pferd eine Voraussetzung sein muss. So erfuhren wir durch Erfahrungsberichte, dass<br />

die Überwindung der Angst vom Pferd auch einen positiven Effekt im Ar<strong>bei</strong>tsprozess haben<br />

kann.<br />

Ein Punkt, der sich nicht durch die Theorie bestätigen lässt, ist die Tatsache, dass das Reiten<br />

ein Gefühl des Schwebens und so<strong>mit</strong> einen Gegenpol zur Schwere, welche eine Depression<br />

<strong>mit</strong> sich bringt, bieten kann. Diese Abweichung erklären wir dadurch, dass sich Gefühle nur<br />

schwer objektiv erfassen bzw. empirisch kaum klären lassen.<br />

Die Praxiserfahrung ist, wie bereits erläutert, in manchen Bereichen der Wissenschaft<br />

voraus. So erklären wir uns, dass nicht alle Informationen, welche aus dem Praxisfeld stammen,<br />

durch die Theorie bestätigt werden können.<br />

Für den“ Verkauf“ des Wertes einer pferdegestützten Therapie ist dies konsequenzenreich,<br />

doch die Klientel kann die positiven Effekte erfahren, auch wenn sie nicht nachgewiesen<br />

werden können.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 66<br />

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4.6.2 Psychomotorik – Depression im Jugendalter<br />

Hier gehen wir auf Schlüsselbegriffe der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> und der Depression ein.<br />

Schwerpunkte der Therapie<br />

Wie bereits unter 2.3.8 aufgeführt, kann eine <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> ihrer ganzheitlichen<br />

Vorgehensweise einer Depression auf mehreren Ebenen begegnen. Die Entwicklung<br />

von zwischenmenschlichen Problemlösestrategien über den Erwerb sozialer Fertigkeiten und<br />

der Aufbau von Selbstwertgefühl sind unter anderem Ziele der kognitiven Verhaltenstherapie<br />

<strong>bei</strong> Personen, welche von Depression betroffen sind. Diese Ziele können auch im Rahmen<br />

einer <strong>Psychomotoriktherapie</strong> verfolgt werden.<br />

Ein Schwerpunkt der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> ist die Erweiterung der eigenen Kompetenzen<br />

der Klientel. Dazu gehört die Förderung von Eigentätigkeit, selbstständigem Handeln, Handlungskompetenz<br />

und Kommunikationsfähigkeit. Da<strong>bei</strong> spielt das Selbstkonzept eine zentrale<br />

Rolle.<br />

Aufbau eines positiven Selbstkonzepts<br />

Ein charakteristisches Anzeichen einer Depression bildet das verminderte Selbstwertgefühl<br />

der Betroffenen. Das Selbstwertgefühl bildet zusammen <strong>mit</strong> dem Selbstbild die Einstellungen<br />

und Überzeugungen zur eigenen Person, welche sich <strong>mit</strong> dem Begriff Selbstkonzept fassen<br />

lassen. Das Selbstkonzept und die Identität sind Schlüsselbegriffe der psychomotorischen<br />

Förderung. Die Förderung der Selbstwirksamkeit anhand Gelegenheiten, in der die Klientel<br />

selbst aktiv werden und sich als Ursache von Erfolg und Misserfolg erkennen kann, sowie die<br />

Unterstützung einer differenzierten Selbstwahrnehmung, sind Möglichkeiten zur Veränderung<br />

eines negativen Selbstkonzepts.<br />

Ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung des Selbstkonzepts und des Selbstwertgefühls der<br />

Klientel, ist die Anerkennung und Wertschätzung durch die Psychomotoriktherapeutin bzw.<br />

den Psychomotoriktherapeuten, welche zur positiven Selbstwertschätzung der Klientel <strong>bei</strong>trägt.<br />

Durch die an dem Leistungsvermögen der Klientel angepassten Bewegungserfahrungen,<br />

kann die Klientel Erfolgserlebnisse verzeichnen, welche zu einer allgemeinen Erfolgszuversicht<br />

generalisiert werden. Dadurch steigt das Kompetenzgefühl und die Klientel fühlt sich<br />

nicht mehr so hilflos, sondern bekommt das Gefühl, etwas bewirken zu können.<br />

Zusätzlich bieten Bewegungserfahrungen geeignete Möglichkeiten, um auf die Selbstwahrnehmung,<br />

die <strong>bei</strong> von Depression betroffenen Personen verzerrt sein kann, einzugehen. Da<br />

eine Depression <strong>mit</strong> einem Gefühl der Niedergeschlagenheit bzw. einem unbehaglichen Gefühl<br />

einhergeht, können die verschiedenen, von dem Psychomotoriktherapeuten bzw. der<br />

Psychomotoriktherapeutin geförderten und betonten Erfahrungen des Befindens, einen Gegenpol<br />

zur einseitigen Selbstempfindung der betroffenen Person bilden.<br />

Möglichkeiten der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Das Bewegungsverhalten von Personen, welche von Depressionen betroffen sind, kann stark<br />

eingeschränkt sein. Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> bietet ein entsprechendes Setting, um einer<br />

verlangsamten Psychomotorik anhand von Bewegungserfahrungen entgegenzuwirken. Eine<br />

Menge der psychologischen und familiären Risikofaktoren für die Entwicklung einer Depression<br />

beruhen auf Erfahrungen. In einer <strong>Psychomotoriktherapie</strong> liegt der Schwerpunkt nicht<br />

in der Aufar<strong>bei</strong>tung des Problems, sondern im Erleben neuer Erfahrungen. So kann z.B. ein<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 67<br />

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Bindungsdefizit nicht rückgängig gemacht werden, aber die betroffene Person kann durch<br />

die Beziehung zur Therapeutin bzw. zum Therapeuten eine gute Bindung aufbauen. Mit ihrem<br />

abwechslungsreichen und auffordernden Setting vermag die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

eine Mangelanregung auszugleichen.<br />

Ressourcenorientiertes Vorgehen hat für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> Menschen, die an<br />

Depressionen leiden, einen besonderen Stellenwert. Das Eingehen auf die Stärken bildet<br />

einerseits einen Gegenpol zur negativen Sichtweise, welche oft von depressiven Menschen<br />

eingenommen wird, andererseits werden die gesunden Anteile ausgebaut.<br />

Da die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> in der Einzelsituation wie auch in der Gruppe erfolgen kann,<br />

ist es möglich, das Angebot der individuellen Situation der Klientel anzupassen. In gewissen<br />

Fällen eignet sich die Einzeltherapie, da sie der Klientel Schutz bietet und es keine Vergleiche<br />

oder Leistungsdruck gibt. Je nach dem kann zu einem späteren Zeitpunkt der Wechsel in<br />

eine Gruppentherapie erfolgen. In der Gruppe existieren zahlreiche Möglichkeiten, die<br />

Sozialkompetenz der Klientel zu fördern.<br />

Eine Depression im Kindes- und Jugendalter stellt ein grosses Risiko für Beeinträchtigungen<br />

der weiteren Entwicklung dar. In diesem Fall kann eine <strong>Psychomotoriktherapie</strong>, welche die<br />

Entwicklung zu fördern vermag, einen hohen Beitrag dazu leisten, das Risiko für Beeinträchtigungen<br />

der weiteren Entwicklung zu minimieren.<br />

4.6.3 Psychomotorik – Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferd<br />

Ganzheitliche Förderung<br />

Das Pferd kann in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> als Co-Therapeut wie auch als Erziehungshelfer<br />

eingesetzt werden. Die emotionalen und kommunikativen Möglichkeiten des Pferdes, wie<br />

auch seine körperlichen und bewegungsspezifischen Besonderheiten, können in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

genutzt werden, um Menschen aller Altersstufen zu fördern. Alle Wahrnehmungsbereiche,<br />

sowie die Motorik und das psychische Erleben, können im Therapieprozess<br />

<strong>mit</strong> dem Pferd angesprochen und gefördert werden. Der ganzheitliche Einsatz des Pferdes<br />

in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> bietet dem pädagogisch-therapeutischen Vorgehen umfangreiche<br />

Möglichkeiten.<br />

Durch Bewegung und Spiel macht der Mensch Körper- und Selbsterfahrungen. Er lernt sich<br />

besser kennen und vermag seine Stärken und Schwächen einzuschätzen. Ausserdem werden<br />

Sozial- und Materialerfahrungen gemacht.<br />

Spiel als therapeutisches Element<br />

Das Spiel ist ein therapeutisches Element der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> und kann in Verbindung<br />

<strong>mit</strong> dem Tier bereichert werden, da positive Effekte der Mensch-Tier-Beziehung ins<br />

Spiel integriert werden.<br />

Da das Spiel <strong>mit</strong> dem Tier ein Glücksgefühl hervorruft, ist dieser Effekt besonders relevant<br />

für die Therapie <strong>mit</strong> Menschen, die an Depressionen leiden. Auch die Tatsache, dass das<br />

Pferd die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermag und so die Klientel aus ihren negativen<br />

Gedanken ziehen kann, ist von grosser Bedeutung.<br />

Das Spiel <strong>mit</strong> dem Pferd kann motivieren und so dem fehlenden Antrieb von Menschen <strong>mit</strong><br />

Depressionen entgegenwirken. Zudem bietet der spielerische Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd eine<br />

Menge an Möglichkeiten, neue Erfahrungen zu machen, sich selbstwirksam zu erleben und<br />

Erfolgserlebnisse zu verzeichnen. Dies stärkt das Selbstkonzept, welches in der Therapie <strong>mit</strong><br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 68<br />

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Menschen die depressiv sind, eine hohe Relevanz hat. Zudem bietet das Spiel <strong>mit</strong> dem Pferd<br />

ein soziales Übungsfeld, durch das die Sozialkompetenz gefördert wird.<br />

Klientenzentriertes Vorgehen<br />

Der Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd und das Pferd selbst bieten sich sehr gut für ein rituelles Vorgehen<br />

an. Die Klientel kann sich durch die konstante Durchführung in Dingen üben und Sicherheit<br />

erfahren, was sich positiv auf die Selbstwirksamkeit auswirkt.<br />

Je nach Situation und Problematik der Klientel, werden die Schwerpunkte im therapeutischen<br />

Vorgehen anders gesetzt. So besteht die Möglichkeit, die Therapiestunde ganz nach<br />

den Bedürfnissen der Klientel auszurichten, um zum Beispiel die Zeit zur Vorbereitung des<br />

Pferdes stärker als Ritual zu betonen oder sich vermehrt auf die Erfahrungen auf dem Pferd<br />

zu konzentrieren. Nebst dem Einsetzen der Vorbereitungszeit zu rituellen Zwecken, können<br />

in dieser Phase sehr viele unterschiedliche Erfahrungen im Sinnes- wie auch im motorischen<br />

Bereich gemacht werden.<br />

Reiten als therapeutisches Element<br />

Das Reiten auf dem Pferderücken fördert neben der Motorik auch emotionale Aspekte wie<br />

Freude bzw. positive Erlebnisse und den Umgang <strong>mit</strong> Frustration. Je nach Klientel und Problematik<br />

können verschiedene Vorgehensweisen eingesetzt werden. Das Einsetzen eines Sattels<br />

unterstützt das sichere Sitzen auf dem Pferd und hilft eine gute Haltung zu finden.<br />

Diesem Aspekt kommt in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Menschen, welche eine Depression haben, eine hohe<br />

Bedeutung zu, da Betroffene oft keine stabile Körperhaltung aufweisen. Durch den Einsatz<br />

eines Sattels oder einer Decke <strong>mit</strong> Therapiegurt bzw. das Weglassen eines Hilfs<strong>mit</strong>tels,<br />

können ganz verschiedene Bereiche gefördert werden. In der therapeutischen Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong><br />

depressiven Menschen besteht die Möglichkeit, spezielles Material auszuwählen, um die<br />

Klientel im Prozess optimal unterstützen zu können. Es werden zum Beispiel spezifische<br />

Steigbügel eingesetzt, welche durch ihre vorne geschlossene Kapsel, der Klientel ein Gefühl<br />

der Sicherheit und des Halts ver<strong>mit</strong>telt, da die Zehen nicht nach vorne rutschen können.<br />

Grundhaltung der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

In der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> gehören Kongruenz und Wertschätzung zur therapeutischen<br />

Grundeinstellung des Therapeuten bzw. der Therapeutin, <strong>mit</strong> der sie den Therapieprozess<br />

unterstützt. Das Pferd vermag <strong>mit</strong> seiner sensiblen und kongruenten Art, die Therapeutin<br />

bzw. den Therapeuten in der Ar<strong>bei</strong>t zu unterstützen. Das wertschätzende Vorgehen spielt<br />

eine wichtige Rolle im Therapieprozess. Dadurch, dass das Pferd die Klientel natürlich so annimmt<br />

wie sie ist, erfahren Menschen, die depressiv sind, eine wertfreie Annahme und werden<br />

nicht stigmatisiert. Die Anerkennung und Wertschätzung durch den Therapeuten bzw.<br />

die Therapeutin und das Pferd wirken sich positiv auf die Selbstwertschätzung der Klientel<br />

aus. Da das Pferd direkt und unverfälscht reagiert, zeigt es auch Grenzen auf. Dadurch erfährt<br />

die Klientel auch etwas über ihre eigenen Stärken und Schwächen.<br />

Das Pferd unterstützt die Ressourcenorientierung, denn es betrachtet die Klientel nicht nach<br />

einem Störungsbild sondern nimmt sie so an wie sie ist. Das Vorgehen in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

beruht auf der Freiwilligkeit zur Teilnahme an Aktivitäten. Die Klientel kann nach<br />

ihren Möglichkeiten <strong>mit</strong>machen und muss nichts machen, wozu sie nicht bereit ist. Wenn es<br />

erwünscht wird, kann die Klientel anhand von Hilfestellungen unterstützt werden.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 69<br />

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Die Triade Klientel-Therapeutin-Pferd<br />

Die Vertrauensbeziehung zwischen der Klientel und der Therapeutin bzw. dem Therapeuten<br />

ist von tragender Bedeutung in der therapeutischen Ar<strong>bei</strong>t. Nur durch die Sicherheit, welche<br />

eine gute Beziehung bieten kann, vermag sich der Klient bzw. die Klientin für den therapeutischen<br />

Prozess zu öffnen. Die Beziehung stellt die Basis für die therapeutische Ar<strong>bei</strong>t und<br />

gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Förderung dar. In der psychomotorischen Ar<strong>bei</strong>t,<br />

welche durch den Einsatz des Pferdes gestützt wird, kommt eine weitere Beziehungsform<br />

dazu; die Mensch-Pferd-Beziehung, wodurch eine Triade entsteht.<br />

Die Beziehung zum Pferd ist zentral.<br />

Das Pferd ist ein Lebewesen <strong>mit</strong> welchem auf der nonverbalen Ebene kommuniziert wird.<br />

Dies fördert die Fähigkeit zur Empathie. Ausserdem bildet es ein Gegenüber und bietet so<strong>mit</strong><br />

eine emotionale Beziehungsmöglichkeit. Die Kontaktaufnahme <strong>mit</strong> dem Pferd kann im selbst<br />

gewählten Tempo erfolgen, was der Klientel ein Gefühl von Sicherheit ver<strong>mit</strong>telt. Das Sozialverhalten<br />

wird <strong>mit</strong> der Beziehung zum Pferd gefördert, da die Klientel lernen muss, auf die<br />

Bedürfnisse des Pferdes zu achten und einzugehen, aber auch ihre eigenen Bedürfnisse<br />

wahrzunehmen und sich durchzusetzen.<br />

Aber auch die Beziehung von der Therapeutin bzw. dem Therapeuten <strong>mit</strong> dem Pferd spielt<br />

im Therapieprozess eine wichtige Rolle. Der Therapeutin bzw. dem Therapeuten, sowie ihrer<br />

bzw. seiner Beziehung zum Pferd kommt eine Modellfunktion zu. Anhand der Art und Weise,<br />

wie die Therapeutin bzw. der Therapeut <strong>mit</strong> dem Pferd umgeht, kann die Klientel die sozialen<br />

Aspekte erkennen und eine Möglichkeit des Umgangs <strong>mit</strong> anderen Lebewesen ableiten.<br />

Einbezug der Natur<br />

Die Möglichkeit die natürliche Umgebung einzusetzen, erweitert die <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

<strong>mit</strong> neuen Inputs. Es können weitere Erfahrungen im Bereich der Sinne, der Bewegung und<br />

des Erlebens gemacht werden.<br />

4.7 Überprüfung der Hypothesen<br />

Aus den Ergebnissen lassen sich folgende Aussagen zu den Hypothesen bilden:<br />

a) Der Einsatz des Pferdes und seinem Milieu kann den therapeutischen Prozess der<br />

<strong>Psychomotoriktherapie</strong> begünstigen.<br />

Anhand der Ergebnisse aus unserer Ar<strong>bei</strong>t wird sichtbar, dass das Pferd und sein Milieu<br />

durch verschiedene Faktoren den Prozess der Therapie begünstigen können. Um diese Tatsache<br />

zu verdeutlichen, werden wir nun einige Wirkfaktoren aufgreifen.<br />

Der Einsatz des Pferdes begünstigt den therapeutischen Prozess dadurch, dass es als Co-<br />

Therapeut und Erziehungshelfer eingesetzt wird. Seine Funktion als katalysatorischer Ver<strong>mit</strong>tler<br />

unterstützt die Kommunikation. Durch seine Authentizität und Kongruenz spiegelt es<br />

die Befindlichkeit der Klientel und hilft so<strong>mit</strong> der Psychomotoriktherapeutin bzw. dem<br />

Psychomotoriktherapeuten im therapeutischen Prozess. Das Pferd und sein Milieu bieten<br />

eine Erweiterung der ganzheitlichen Förderungsmöglichkeiten. Das natürliche Setting liefert<br />

neue Inputs, die in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> aufgenommen werden. Die Motivationsfunktion<br />

des Pferdes hilft dem Klienten oder der Klientin, sich <strong>mit</strong> schwierigen Situationen auseinander<br />

zu setzen, anstelle diese zu vermeiden und fördert so<strong>mit</strong> das Erlernen von Bewältigungsstrategien.<br />

Zusätzlich unterstützen die Verantwortungsübernahme für ein Lebewesen<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 70<br />

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und die unvoreingenommene Akzeptanz durch das Pferd, die Bildung eines positiven Selbstkonzepts.<br />

b) Die Affinität zu Pferden spielt eine Rolle.<br />

Aus der Literatur kam hervor, dass für die Förderung der Empathie, eine Beziehung die Bedingung<br />

stellt. Hier lässt sich ein Zusammenhang zur Affinität ausar<strong>bei</strong>ten und zwar muss der<br />

Mensch zu einer solchen Beziehung bereit sein.<br />

Im Praxisfeld existieren verschiedene Meinungen bezüglich der Rolle der Affinität im Therapieprozess.<br />

Wir kommen aber zum Schluss, dass die Affinität zu Tieren für den Prozess förderlich,<br />

aber keine Bedingung ist. Die Affinität zum Pferd fördert die positiven Effekte der<br />

Mensch-Tier-Beziehung und so<strong>mit</strong> den Ar<strong>bei</strong>tsprozess. Dadurch, dass der Mensch motiviert<br />

ist und sich leichter öffnet, wird der Therapieprozess begünstigt.<br />

Jedoch stützt der Einsatz des Pferdes die Therapie auch ohne Affinität, wenn die Bereitschaft<br />

der Klientel für die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> dem Pferd vorhanden ist. Erfahrungsberichte bestätigen, dass<br />

die Überwindung der Angst vor dem Pferd auch einen positiven Effekt auf den Ar<strong>bei</strong>tsprozess<br />

haben kann.<br />

Die Motivationsfunktion des Pferdes <strong>bei</strong> der Überwindung von Vermeidungsverhalten unterstützt<br />

die Klientel. Die Klientinnen und Klienten erfahren dadurch Übung und begünstigen<br />

so<strong>mit</strong> das Erleben von Erfolgen.<br />

c) Bestimmte Ar<strong>bei</strong>tsweisen der tiergestützten Therapie können gezielt für Jugendliche <strong>mit</strong><br />

einer Depression eingesetzt werden.<br />

Die Ergebnisse unserer Ar<strong>bei</strong>t bestätigen die Annahme, dass bestimmte Ar<strong>bei</strong>tsweisen gezielt<br />

für Jugendliche <strong>mit</strong> einer Depression eingesetzt werden können. Beispiele dafür sind<br />

konstante Bedingungen im Setting, welche rituelles Vorgehen begünstigen und so<strong>mit</strong> zu einem<br />

Sicherheitsgefühl der Klientel <strong>bei</strong>tragen. Auch die Beziehungen durch die Triade Therapeut-Pferd-Klient<br />

bieten Sicherheit und fördern zusätzlich das Sozialverhalten.<br />

Das Übernehmen der Verantwortung gegenüber einem Lebewesen und den anfallenden<br />

Ar<strong>bei</strong>ten, ver<strong>mit</strong>telt der Klientel das Gefühl gebraucht zu werden. Diese Verantwortungsübernahme<br />

trägt dazu <strong>bei</strong>, dass die Klientel lernen kann, auch für sich selbst Verantwortung<br />

zu übernehmen. Zudem wird die Selbstwirksamkeit erhöht und dadurch erlebt sich die Klientel<br />

als kompetent und handlungsfähig.<br />

Aufgrund der hohen Bedeutung der Körpersprache in der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> dem<br />

Pferd, wird der Mensch zu einem bewussten Umgang <strong>mit</strong> seinem Körper angeregt. Entspannungsübungen<br />

auf dem Pferd vertiefen diese Selbstwahrnehmung und können ein Wohlbefinden<br />

bewirken.<br />

Der gezielte Einsatz von Reitmaterialien, wie zum Beispiel spezielle Steigbügel und Voltigiergurt,<br />

kann <strong>bei</strong> Symptomen einer Depression spezifisch genutzt werden. Das Voltigieren bietet<br />

die Möglichkeit Kunststücke zu erlernen, <strong>bei</strong> denen die Leistungsfortschritte sichtbar<br />

werden. Durch das Reiten erfährt die Klientel Erfolg und Misserfolg und merkt, dass sie diese<br />

selbst bewirkt hat. Die Tatsache, dass der Reiter bzw. die Reiterin <strong>bei</strong>m Reiten wissen muss,<br />

was er bzw. sie vom Pferd will und wie er bzw. sie das kommuniziert, erweitert seine bzw.<br />

ihre Handlungsplanung. Gangarten können auch gezielt eingesetzt werden, um gewisse<br />

Effekte auszulösen. In Bezug auf die Depression, kommt dem Trab <strong>mit</strong> seinem Zweitakt ein<br />

besonderer Stellenwert zu, da die ausgelösten Bewegungen an das Gefühl des „Getragenwerdens“<br />

im Mutterleib erinnern und so ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit ver<strong>mit</strong>telt<br />

wird.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 71<br />

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d) Das Gebiet der <strong>Pferdgestützte</strong>n Therapie bietet zahlreiche Möglichkeiten, die auf vielfältige<br />

Weisen den Therapieprozess bereichern.<br />

Hier werden wir auf einige Aspekte eingehen, die uns als grundlegend erscheinen. Wir können<br />

aber der Vielfalt nicht gerecht werden, da in der individuellen Auseinandersetzung immer<br />

wieder neue Möglichkeiten auftauchen.<br />

Der klassische <strong>Psychomotoriktherapie</strong>-Raum ermöglicht eine psychomotorische Förderung<br />

auch für Bereiche wie zum Beispiel Grafomotorik. Wie wir auf der Studienreise erfahren<br />

durften, besteht die Möglichkeit eine klassische <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> dem Einsatz des<br />

Pferdes zu kombinieren und dadurch die Therapie zu bereichern.<br />

Das Pferd und seine Umgebung bieten einen neuartigen Aktionsraum, welcher verschiedenste<br />

Erfahrungen im psychischen und physischen Sinne ermöglicht. Der gezielte Einsatz verschiedener<br />

Pferde <strong>mit</strong> unterschiedlichen Charakteren bietet die Möglichkeit, dass sich die<br />

Klientel <strong>mit</strong> individuellen Themen auseinandersetzen kann. Beispiele solcher Themen wären,<br />

sich durchzusetzen, Grenzen aber auch Nähe und Trost erfahren.<br />

Innerhalb der Triade Therapeut/in-Pferd-Klient/in, ist es durch Nähe und Distanz möglich,<br />

diese Beziehungen verschieden zu gewichten.<br />

Anhand des Reitens, Voltigierens und durch die natürliche Umgebung kann die Klientel auf<br />

eine ganzheitliche Weise gefördert werden. Auch das Reitmaterial liefert sensorische und<br />

motorische Erfahrungsmöglichkeiten. Und nicht zuletzt, bieten das Pferd und sein Milieu,<br />

eine Atmosphäre, die Distanz zum Alltag herstellt und die Klientel so aus seiner negativen<br />

Gedankenspirale herausführen kann.<br />

5. Diskussion<br />

Zuerst beginnen wir <strong>mit</strong> der Zusammenfassung der wichtigsten Befunde, bevor wir dann die<br />

Fragestellung beantworten und Folgerungen für die Praxis ableiten.<br />

5.1 Zusammenfassung der wichtigsten Befunde<br />

Unsere Ar<strong>bei</strong>t begannen wir <strong>mit</strong> der Betrachtung der emotionalen Entwicklung. Da<strong>bei</strong> stellte<br />

sich heraus, dass eine erfolgreiche Affektregulation zu Selbstwirksamkeitserfahrungen und<br />

internaler Kontrollüberzeugung führt. Dazu ist eine sichere Bindung die Voraussetzung, welche<br />

wiederum <strong>bei</strong> der Protektionsforschung zu den Schutzfaktoren zählt. Diese Schutzfaktoren<br />

gilt es auszubauen, um dem Menschen eine „gesunde“ Entwicklung zu ermöglichen.<br />

Eine schlechte Bindungserfahrung gehört zu den familiären prädisponierenden Faktoren,<br />

welche das Risiko für die Entwicklung einer Depression erhöhen. Zusätzlich gelten verschiedene<br />

Faktoren der Entwicklungsphase des Jugendalters als besonderes Risiko für die Entstehung<br />

einer Depression. Von depressiven Störungen betroffene Jugendliche, zeigen ernsthafte<br />

Beeinträchtigungen in verschiedenen Lebens- und Funktionsbereichen und tragen ein<br />

hohes Risiko für Beeinträchtigungen ihrer weiteren Entwicklung. Bei der Bestimmung eines<br />

depressiven Syndroms tauchen neben der affektiven Symptomatik weitere charakteristische<br />

Merkmale, wie ein vermindertes Selbstwertgefühl auf. In der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> tiergestützten<br />

Therapien zeigt sich, dass verschiedene Wirkfaktoren der Mensch-Tier-Beziehung<br />

einen positiven Effekt auf das Selbstkonzept des Menschen haben. Das Pferd und sein Milieu<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 72<br />

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eignen sich besonders gut für therapeutische Massnahmen, da sie vielzählige Möglichkeiten<br />

bieten, <strong>mit</strong> den einhergehenden Wirkfaktoren der Mensch-Tier-Beziehung den Therapieprozess<br />

zu unterstützen.<br />

Ein Schwerpunkt in der therapeutischen Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, welche eine Depression<br />

haben, liegt im Aufbau eines positiven Selbstkonzepts. Dies ist auch ein Schlüsselbegriff in<br />

der <strong>Psychomotoriktherapie</strong>, in der, anhand von Selbstwirksamkeitserfahrungen, ver<strong>mit</strong>telter<br />

Anerkennung und Wertschätzung, sowie neuen Erfahrungen bzw. Erfolgserlebnissen, das<br />

Selbstkonzept stabilisiert werden kann.<br />

Durch die Kombination der klassischen <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> dem Einsatz des Pferdes<br />

und den da<strong>mit</strong> einhergehenden Möglichkeiten, kann die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> bereichert<br />

werden. In einer pferdgestützten <strong>Psychomotoriktherapie</strong> sind die positiven Effekte der<br />

therapeutischen Massnahmen anhand des Pferdes und das geeignete therapeutische Vorgehen<br />

<strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen integriert.<br />

In der Praxis konnten wir beobachten, wie auf unterschiedliche Arten <strong>mit</strong> dem Pferd therapeutisch<br />

gear<strong>bei</strong>tet wird und wurden dadurch in der Vermutung bestärkt, dass sich diese<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweisen teilweise auch auf die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> übertragen lassen.<br />

Nun möchten wir anhand der Ergebnisse unserer Ar<strong>bei</strong>t auf die Fragestellung eingehen.<br />

5.2 Diskussion der Ergebnisse bezüglich der Fragestellung<br />

“Mit welchem Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen können Pferde und ihr Milieu, in der psychomotorischen<br />

Therapie eingesetzt werden, um den Therapieprozess von <strong>Jugendlichen</strong>, die an einer<br />

Depression leiden, zu begünstigen?“<br />

Durch die Bear<strong>bei</strong>tung der verschiedenen theoretischen Teile konnten wir unterschiedliche<br />

Aspekte <strong>mit</strong>einander in Verbindung bringen, welche in der pferdgestützten psychomotorischen<br />

Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, die an einer Depression leiden, von Bedeutung sind. Da die<br />

Therapie <strong>mit</strong> einer depressiven Klientel, die therapeutischen Massnahmen anhand des Pferdes<br />

und die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> Parallelen aufweisen, lassen sich die verschiedenen Gebiete<br />

teilweise gut verknüpfen. Da<strong>bei</strong> stellte sich heraus, dass sich diese Aspekte sieben Bereichen<br />

zuordnen lassen.<br />

In den von uns erar<strong>bei</strong>teten Ar<strong>bei</strong>tsvorschlägen wird deutlich, <strong>mit</strong> welchem Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen<br />

Pferde und ihr Milieu den Therapieprozess der Psychomotorik <strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, die an einer<br />

Depression leiden, begünstigen können. Da<strong>bei</strong> <strong>bei</strong>nhaltet die Beantwortung der Fragestellung<br />

zugleich auch Konsequenzen für die Praxis.<br />

5.2.1 Ar<strong>bei</strong>tsvorschläge für die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Depressiven<br />

Wie bereits erwähnt, können die Inhalte von therapeutischen Massnahmen anhand des<br />

Pferdes auch für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> Pferden genutzt werden. Nun führen wir im<br />

nächsten Abschnitt die zusammengefassten Praxistipps auf, um aufzuzeigen, wie das psychomotorische<br />

Ar<strong>bei</strong>ten <strong>mit</strong> Pferden und <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> einer Depression, aussehen könnte.<br />

Je nach Ausprägung der Problematik gilt es den Schwerpunkt in einem anderen Bereich zu<br />

setzen. Steht jemand zum Beispiel unter Strom und ist ständig überfordert, muss nicht noch<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 73<br />

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ein Projekt durchgeführt, sondern eher der Fokus auf Entspannung und Wohlfühlen gelegt<br />

werden.<br />

Die vorgeschlagenen Ar<strong>bei</strong>tsweisen stellen ausgewählte Beispiele dar, da das Gebiet unfassbar<br />

viele Möglichkeiten bietet, welche erst in der individuellen Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der<br />

Klientel deutlich werden.<br />

Die sieben Bereiche<br />

Wir berücksichtigen <strong>bei</strong> diesen Bereichen vor allem Aspekte, die <strong>bei</strong> einer Depression eingeschränkt<br />

sind und durch therapeutische Massnahmen positiv beeinflusst werden. Die Bereiche<br />

Integration und Wertschätzung bilden die Basis für die therapeutische Ar<strong>bei</strong>t.<br />

I. Integration<br />

• Die Klientel in den Betrieb aufnehmen, allen Mitar<strong>bei</strong>tern vorstellen.<br />

• Der Klientel Zeit geben um die verschiedenen, neuen Sinneseindrücke, welche die Atmosphäre<br />

rund um die Tiere liefert, zu verar<strong>bei</strong>ten und um die Beziehung zum Pferd aufbauen<br />

zu können. Die für die Therapie ausgebildeten Pferde ver<strong>mit</strong>teln der Klientel das Gefühl, dass<br />

sie auf- und wahrgenommen wird.<br />

• Verantwortung übergeben, sei es <strong>bei</strong> Stallar<strong>bei</strong>ten oder im direkten Kontakt <strong>mit</strong> dem<br />

Pferd, da<strong>mit</strong> sich die Klientel nützlich fühlt und ihren Teil für das Ganze <strong>bei</strong>tragen kann. Beispiele<br />

dafür sind das Füttern der Pferde, das Ausmisten, putzen, waschen,…<br />

II. Wertschätzung<br />

• Die Anerkennung und wertschätzende Haltung durch die Therapeutin bzw. den Therapeuten<br />

ver<strong>mit</strong>telt der Klientel Verständnis und Aufmerksamkeit. Zudem trägt die Fremdwertschätzung<br />

durch die Therapeutin bzw. den Therapeuten und das Pferd zur positiven Selbstwertschätzung<br />

der Klientel <strong>bei</strong>.<br />

• Es ist erwünscht, dass der Klient bzw. die Klientin eigene Bedürfnisse formuliert und anbringt.<br />

Dies unterstützt die Therapeutin bzw. den Therapeuten im klientenzentrierten Vorgehen.<br />

• Die Leistungsfähigkeit und die jeweilige Tagesverfassung, werden durch die Therapeutin<br />

bzw. den Therapeuten berücksichtigt. Diese Berücksichtigung der Befindlichkeit und Leistungsfähigkeit<br />

der Klientel trägt dazu <strong>bei</strong>, dass die Klientel weder über- noch unterfordert<br />

wird. Da<strong>bei</strong> wird sie durch das Pferd, welches den Gemütszustand der Klientel spiegelt, unterstützt.<br />

• Das Loben kleinster Fortschritte ver<strong>mit</strong>telt den Klienten und Klientinnen ein positives Gefühl<br />

und signalisiert dem Menschen, dass er sich in einem Prozess befindet. Zudem werden<br />

Klienten und Klientinnen so unterstützt, ihre Stärken wahrzunehmen.<br />

• Momente gewähren, in denen die Klientel vom unvoreingenommenen Pferd, durch streicheln,<br />

anlehnen, Nähe und Wärme spüren, getröstet wird.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 74<br />

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II. Sicherheit<br />

• Der Therapeut bzw. die Therapeutin muss beachten, dass der Aufbau von einem Sicherheitsgefühl,<br />

Zeit braucht und nicht forciert werden kann.<br />

• Die Einzelsituation bietet der Klientel Schutz und es gibt keine Vergleiche, keinen Leistungsdruck.<br />

• Im Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd müssen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, die neben<br />

dem rituellen Vorgehen eine Konstanz bieten, welche ein Gefühl der Sicherheit ver<strong>mit</strong>telt.<br />

• Die Klientel darf, nach ihrem Gutdünken, das Pferd aussuchen und verlässt sich da<strong>bei</strong> auf<br />

ihr Bauchgefühl. Für Anfänger/innen eignen sind kleinere und hellere Pferde, da sie nicht so<br />

einschüchternd wirken und ihre Mimik auch besser beobachtet werden kann. Die Klientel<br />

kann stets das gleiche Pferd einsetzen und so eine Beziehung aufbauen oder durch den<br />

Wechsel der Pferde neue Beziehungserfahrungen machen.<br />

• Die Kontaktaufnahme <strong>mit</strong> dem Pferd soll im gewählten Tempo der Klienten bzw. Klientinnen<br />

und auf ihre persönliche Weise von statten gehen. Da<strong>bei</strong> kann die Klientel Vorlieben<br />

und Eigenheiten erforschen, am Pferd riechen, es berühren und massieren, auf die Geräusche<br />

des Pferdes lauschen, usw.<br />

• Das Besprechen und gemeinsame Planen der Therapiestunde und die klare Gestaltung der<br />

Übergänge bieten Orientierungshilfen, welche wiederum Sicherheit ver<strong>mit</strong>teln. Auch das<br />

Führen des Pferdes durch einen Parcours <strong>mit</strong> einem klar definierten Ablauf hilft gegen Verwirrung<br />

und Orientierungslosigkeit.<br />

• Um die Sicherheit weiter auszubauen, sind Beobachtungen hilfreich, um das Pferd besser<br />

verstehen und <strong>mit</strong> ihm umgehen zu können. Da die Kommunikation <strong>mit</strong> dem Pferd auf einer<br />

körpersprachlichen Ebene stattfindet, muss sich die Klientel auch auf ihre eigene Körpersprache<br />

besinnen und erlangt Sicherheit im Umgang <strong>mit</strong> dem eigenen Körper.<br />

• Wird das Pferd durch die Therapeutin bzw. den Therapeuten <strong>bei</strong>m Ausreiten geführt, kann<br />

sich die Klientel sicher fühlen. Andererseits verlangt das Führen der Pferde, z.B. auf einem<br />

Spaziergang, ein sicheres Auftreten der Klientel und so<strong>mit</strong> baut die Klientel aktiv ihre Führungskompetenzen<br />

aus. Dies ver<strong>mit</strong>telt wiederum ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und unterstützt<br />

so<strong>mit</strong> den Aufbau eines positiven Selbstkonzepts.<br />

• Bei den ersten Reitstunden wird das Pferd durch die Therapeutin bzw. den Therapeuten<br />

geführt. Mit der Zeit fühlt sich die Klientel sicher und kompetent, und die Führung des Pferdes<br />

kann immer mehr durch sie selbst übernommen werden.<br />

• Dadurch, dass die Klienten und Klientinnen erwünschte Verhaltensweisen des Pferdes loben<br />

und verstärken, lernen sie auch ihr eigenes Verhalten <strong>mit</strong> Ereignissen des Geschehens in<br />

Beziehung zu setzen. Der Fokus wird da<strong>bei</strong> von Defiziten abgelenkt und auf Ressourcen gerichtet.<br />

Ausserdem kann dem Pferd nach einer gemeinsamen Stunde eine Belohnung gegeben<br />

werden, was die Beziehung und das Vertrauen ineinander vertieft.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 75<br />

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IV. Selbstwirksamkeit<br />

Der wichtigste Schritt für Selbstwirksamkeitserfahrungen ist es, seine eigenen Ziele zu formulieren.<br />

Da diese so individuell sind, wie es Menschen auf der Welt gibt, wird ersichtlich,<br />

dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gäbe, der Klientel Selbstwirksamkeitserfahrungen zu<br />

ermöglichen.<br />

• Das tiergestützte Ar<strong>bei</strong>ten ermöglicht der Klientel, Verantwortung für ein anderes Lebewesen<br />

zu übernehmen, was das Gefühl der Kompetenz fördert.<br />

• Wenn Klienten und Klientinnen lernen das Pferd zu führen und sich im Umgang <strong>mit</strong> dem<br />

Pferd immer sicherer fühlen, steigert dies das Gefühl der Kompetenz. Zudem erfahren die<br />

Klienten und Klientinnen direkt eine Rückmeldung bezüglich ihres Verhaltens, anhand der<br />

Reaktion des Pferdes.<br />

• Die Bodenar<strong>bei</strong>t und das Longieren sind Möglichkeiten, um weitere Erfolgserlebnisse zu<br />

verzeichnen. Anhand der Pferdepflege wird das eigene Wirken verdeutlicht, wenn das Pferd<br />

danach sauber ist.<br />

• Das Erlernen und Beibringen von Kunststücken, <strong>mit</strong> oder auf dem Pferd, kann Erfolgserlebnisse<br />

verdeutlichen. Anhand von Foto- und Videoprojekten können diese Erlebnisse festgehalten<br />

und dokumentiert werden. Zusätzlich können so Leistungsfortschritte sichtbar und<br />

so<strong>mit</strong> bewusst gemacht werden. Ein Beispiel eines solchen Foto-Projekts wird auf den oben<br />

abgebildeten Fotos sichtbar.<br />

• Wenn die Klientel sich selbst eine Aufgabe stellen kann, zum Beispiel das Führen des Pferdes<br />

durch einen eigenen Parcours, erfährt sie durch die erfolgreiche Umsetzung Selbstwirksamkeit<br />

und so<strong>mit</strong> wird auch das Gefühl der Kompetenz gesteigert. Die Klientel kann so auch<br />

eigene Anteile in den therapeutischen Prozess einbringen und positiv erleben.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 76<br />

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• Sobald sich die Klientel sicher genug fühlt, kann sie die Zügel selbst in die Hand nehmen<br />

und das Pferd direkt führen, wodurch die Wirksamkeit des eigenen Verhaltens konkret<br />

sichtbar wird.<br />

V. Wohlbefinden<br />

• Da in der Therapie <strong>mit</strong> depressiven Klienten und Klientinen kein Leistungsdruck vorhanden<br />

sein sollte, kann sich die Klientel auf die Erlebnisse, die sie <strong>mit</strong> dem Pferd macht, konzentrieren.<br />

So<strong>mit</strong> steht die Erlebniswelt im Zentrum, dies bietet viele Möglichkeiten, die Eigenwahrnehmung<br />

zu verbessern.<br />

• Das Wohlbefinden als Gegenpol zur depressiven Verstimmung kann anhand von entspannten<br />

Momenten <strong>mit</strong> dem Pferd im Stall oder unterwegs unterstützt werden. Auch Entspannungsübungen<br />

und gemächliche Ausritte bieten Möglichkeiten die Befindlichkeit der Klientel<br />

positiv zu beeinflussen.<br />

VI. Lebensfreude<br />

Die pferdgestützte <strong>Psychomotoriktherapie</strong> ermöglicht diverse Aktivitäten um Lebensfreude<br />

zu erfahren und zurück zu gewinnen. Das Spiel als eines der wichtigsten Elemente in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

eignet sich ideal dazu. Das Spiel <strong>mit</strong> dem Pferd löst im menschlichen<br />

Organismus Glücksgefühle aus. Zudem kann im spielerischen Geschehen der Ernst des Alltags<br />

in den Hintergrund rücken. Weitere Beispiele, um die Lebensfreude zu fördern, sind:<br />

• Theater <strong>mit</strong> dem Pferd, Rollenspiel, Clown-Nummer<br />

• kleine Vorstellung / Aufführung gestalten<br />

• spazieren gehen, Tempo erleben<br />

• Erlebnisse in der Natur<br />

Das folgende Foto zeigt ein psychomotorisches Spiel (Königinnen und Riesinnen), welches<br />

<strong>mit</strong> farbigen Kanistern und den Pferden umgesetzt wird.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 77<br />

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VII. Loslassen<br />

• Durch das Reiten kann die Klientel wörtlich und im übertragenen Sinne Gewicht abgeben<br />

und sich von einem anderen Lebewesen tragen lassen.<br />

• An der Longe kann weitere Sicherheit auf dem Pferd gewonnen werden. Da in diesem<br />

Moment die Therapeutin oder der Therapeut das Pferd führt und die Verantwortung übernimmt,<br />

kann sich die Klientel entspannen.<br />

• Mit dem Voltigiergurt können sich Klienten und Klientinnen führen lassen und sich an den<br />

Griffen festhalten. Mit der Zeit und dem zunehmenden Gefühl der Sicherheit, wird es möglich,<br />

die Griffe loszulassen. Neue Erfahrungen werden möglich und wirken so dem erhöhten<br />

Kontrollbedürfnis, welches eine depressive Störung <strong>mit</strong> sich bringt, entgegen.<br />

• Konkrete Voltigier-Übungen, wie das „Rückwärts auf dem Pferd sitzen“, die Mühle oder die<br />

Schere, ermöglichen der Klientel, sich aktiv von Zwängen und rigiden Mustern zu lösen.<br />

• Entspannungsübungen wie progressive Muskelentspannung und Yoga, sowie Körperübungen<br />

für einen lockeren Sitz, wirken lösend.<br />

• Die Tiere hören zu und erzählen es keiner Person weiter. Man kann seine Geheimnisse<br />

Jemandem <strong>mit</strong>teilen, muss sie nicht alleine tragen.<br />

• Die bedingungslose Wertschätzung durch das Pferd und die Therapeutin bzw. den Therapeuten<br />

bewirkt, dass sich die Klientel ungeniert verhalten kann, ohne befürchten zu müssen,<br />

aufgrund ihres Verhaltens ausgelacht oder kritisiert zu werden. Die Klientel kann sich dadurch<br />

frei fühlen ihren Bedürfnissen nachzugehen und zum Beispiel auf dem Pferd zu singen,<br />

summen, das Pferd zu umarmen, usw.<br />

Speziell für Männer bietet dieses Setting eine Möglichkeit, seine Gefühle auszudrücken und<br />

sein Bedürfnis nach Nähe auszuleben.<br />

• Es bietet sich auch die Möglichkeit, <strong>mit</strong> dem Pferd zusammen in der Box zur Ruhe zu kommen<br />

und entspannte Momente zu geniessen.<br />

5.3 Konsequenzen für die Praxis<br />

Der Aspekt der Ganzheitlichkeit hat in der Therapie <strong>mit</strong> Menschen, die von einer Depression<br />

betroffen sind, eine grosse Bedeutung, da sich eine Depression auf verschiedenen Ebenen<br />

ausdrückt.<br />

Eine <strong>Psychomotoriktherapie</strong> vermag <strong>mit</strong> ihrer ganzheitlichen Förderung einer Depression auf<br />

mehreren Ebenen zu begegnen. Jedoch kann sie andere Therapien nicht einfach ersetzen.<br />

Deshalb muss in der individuellen Situation entschieden werden, welches therapeutische<br />

Vorgehen sich für die jeweilige Klientel und ihre Problematik am besten eignet, um ein bestimmtes<br />

Ziel zu erreichen.<br />

Ein charakteristisches Merkmal einer depressiven Verstimmung stellt das Verminderte<br />

Selbstwertgefühl von Betroffenen dar. Der Aufbau eines positiven Selbstkonzepts spielt deshalb<br />

eine wichtige Rolle in der Therapie <strong>mit</strong> Menschen, welche an Depressionen leiden.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 78<br />

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Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> vermag daher bereits <strong>mit</strong> ihren Möglichkeiten, für den Aufbau<br />

eines positiven Selbstkonzepts einen wichtigen Beitrag im therapeutischen Prozess <strong>mit</strong> einer<br />

depressiven Klientel zu leisten.<br />

Ist eine Affinität zu Tieren vorhanden, bzw. wenn die Klientel bereit ist <strong>mit</strong> Pferden zu ar<strong>bei</strong>ten,<br />

so kann der Prozess der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> durch den Einsatz des Pferdes und den<br />

da<strong>mit</strong> einhergehenden Wirkfaktoren, der Mensch-Tier-Beziehung begünstigt werden. Ausserdem<br />

ist es möglich, die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> anhand der neuen Ar<strong>bei</strong>tsmöglichkeiten<br />

durch das Pferd und seinem Milieu zu bereichern.<br />

Grenzen bilden da<strong>bei</strong> unter anderem die Motivation für die Therapie und gesundheitliche<br />

Faktoren wie zum Beispiel Allergien.<br />

Auf der Studienreise machten wir die Erfahrung, dass die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> anhand der<br />

Pferde eine schwerwiegende Schwachstelle aufweist. Und zwar ist die Finanzierung der Therapie<br />

ein grosses Problem. Zu den herkömmlichen Kosten einer <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

kommen weitere Ausgaben für den Bereich der Pferde hinzu.<br />

Oft ar<strong>bei</strong>ten die konventionellen <strong>Psychomotoriktherapie</strong>-Stellen <strong>mit</strong> einer Institution, wie<br />

zum Beispiel einer Schule, zusammen. Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong> und Erwachsenen,<br />

kann zum Beispiel in gewissen Fällen <strong>mit</strong> psychiatrischen Institutionen zusammenar<strong>bei</strong>ten<br />

und so gestützt werden. Doch oft sieht die Realität so aus, dass gewisse Klienten<br />

und Klientinnen <strong>bei</strong> der Finanzierung einer tiergestützten Therapie durch keine Institution<br />

unterstützt werden. Dies führt dazu, dass nur Menschen <strong>mit</strong> genügend finanziellen Mitteln,<br />

sich ein solches therapeutisches Verfahren leisten können. Ev. könnte eine wissenschaftliche<br />

Belegung der Wirkungen einer pferdgestützten <strong>Psychomotoriktherapie</strong> für dieses<br />

Problem die Lösung sein.<br />

5.4 Kritische Reflexion der eigenen Untersuchung<br />

Unsere Ar<strong>bei</strong>t stützt sich auf folgende drei grosse Themengebiete:<br />

Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong>, Depression im Jugendalter und Tiergestützte Therapie.<br />

Die Schwierigkeit die sich uns bot war, dass alle diese drei Gebiete noch nicht lange wissenschaftlich<br />

erforscht werden.<br />

Die <strong>Psychomotoriktherapie</strong>, sowie die Tiergestützte Therapie weisen eine lange Auseinandersetzung<br />

in der Praxis auf und begannen erst im Nachhinein <strong>mit</strong> der Verwissenschaftlichung<br />

der Erfahrungen. Das Krankheitsbild der Depression ist sehr komplex und verschiedenste<br />

Faktoren wirken <strong>mit</strong>einander, deren Erforschung noch nicht abgeschlossen ist. Zudem<br />

wird die Depression im Jugendalter erst seit neuerer Zeit anerkannt.<br />

Viele Aussagen aus den drei Gebieten stellen noch Vermutungen dar. Diese Tatsache erschwerte<br />

das wissenschaftliche Ar<strong>bei</strong>ten <strong>mit</strong> diesen Themen im Rahmen der Bachelorar<strong>bei</strong>t.<br />

Dadurch, dass es sich <strong>bei</strong> diesen drei Gebieten um junge Wissenschaften handelt, ist in der<br />

Literatur nur wenig geeignetes Material vorhanden. Da wir zur tiergestützten <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, welche an Depressionen leiden, keine veröffentlichte Literatur<br />

finden konnten, mussten wir aus dem spärlich vorhandenen Material der drei Gebiete selber<br />

eine Verknüpfung der Bereiche herstellen. Zusätzlich gingen wir ins Praxisfeld, um weitere<br />

Informationen zu sammeln und um die Umsetzungsmöglichkeiten im therapeutischen Alltag<br />

kennenzulernen.<br />

Wie in der Einleitung bereits beschrieben, mussten wir uns einschränken, um den Rahmen<br />

der Bachelorar<strong>bei</strong>t nicht zu sprengen. Deshalb haben wir unseren Fokus auf die tiergestützte<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 79<br />

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<strong>Psychomotoriktherapie</strong> anhand des Einsatzes von Pferden und ihrem Milieu gerichtet. Das<br />

Pferd und sein Milieu eignen sich hervorragend, um die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> zu stützen.<br />

Wir sind aber überzeugt, dass auch <strong>mit</strong> dem Einsatz anderer Tierarten und den da<strong>mit</strong> einhergehenden<br />

Wirkfaktoren der Mensch-Tier-Beziehung, die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> bereichert<br />

werden kann.<br />

Zusätzlich mussten wir uns im Bereich der Klientel einschränken und konzentrierten uns<br />

deshalb auf die jugendlichen Klienten und Klientinnen, welche an Depressionen leiden. So<strong>mit</strong><br />

setzten wir den Fokus unserer Ar<strong>bei</strong>t auf die <strong>Pferdgestützte</strong>n Ar<strong>bei</strong>tsweisen <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong><br />

<strong>mit</strong> Depressionen. Doch während der Auseinandersetzung <strong>mit</strong> den drei Bereichen,<br />

tauchten verschiedene Faktoren auf, die <strong>bei</strong> diversen Störungsbildern von Bedeutung sind.<br />

Da aber bereits das Krankheitsbild der Depression sehr viele unterschiedliche Faktoren <strong>mit</strong><br />

sich bringt, die es zu berücksichtigen gilt, mussten wir uns weiter einschränken. Dies taten<br />

wir, indem wir uns hauptsächlich auf die emotionalen Aspekte einer Depression konzentrierten.<br />

Anhand den typischen, emotionalen Symptome einer depressiven Störung, konnten wir<br />

dann therapeutische Vorgehensweisen der tiergestützten bzw. pferdgestützten Therapie <strong>mit</strong><br />

denen der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> in Verbindung bringen. Es war uns jedoch nicht möglich,<br />

das ganze Spektrum an therapeutischen Vorgehensweisen in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

anhand des Pferdes und seines Milieus, <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, welche an einer Depression leiden<br />

zu bear<strong>bei</strong>ten. Dies zum einen, weil die Gebiete <strong>mit</strong> denen wir uns auseinandergesetzt haben<br />

sehr komplex sind und zum anderen, weil die individuelle Auseinandersetzung <strong>mit</strong> der<br />

Klientel immer wieder neue Aspekte <strong>mit</strong> sich bringt. Die Tatsache, dass unsere eingeschränkte<br />

Erforschung der drei Gebiete bereits viele, für uns neue Erkenntnisse für das tiergestützte<br />

Ar<strong>bei</strong>ten in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>mit</strong> sich brachte, stellt eine Motivation dar sich weiter<br />

<strong>mit</strong> diesem Thema auseinanderzusetzen.<br />

5.5 Ausblick<br />

Wie bereits aufgeführt, konnten wir <strong>mit</strong> unserem stark eingeschränkten Fokus, bereits Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

für das pferdgestützte therapeutische Vorgehen in der <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

kennenlernen. Dies stellt für uns einen grossen Anreiz dar, die tiergestützte <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

weiter zu erforschen. Der Fokus lässt sich zum einen durch den Einsatz verschiedener<br />

Tierarten und zum anderen durch eine andere Klientel verschieben. Nur schon das psychomotorische<br />

Ar<strong>bei</strong>ten <strong>mit</strong> dem Einsatz des Pferdes und seinem Milieu <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong>,<br />

welche an Depressionen leiden, bietet zahlreiche Aspekte, die wir in unserer Ar<strong>bei</strong>t leider<br />

nicht berücksichtigen konnten. In einer weiterführenden Ar<strong>bei</strong>t wäre es deshalb interessant,<br />

die Einschränkungen des Themas zu verlagern und so bereits zu weiteren Erkenntnissen zu<br />

gelangen.<br />

Den Gedanken des präventiven Handelns anhand des psychomotorischen Ar<strong>bei</strong>tens konnten<br />

wir leider nicht berücksichtigen. Doch während der Bachelorar<strong>bei</strong>t stiessen wir auf Möglichkeiten,<br />

durch die einer Depression im Jugendalter präventiv etwas entgegengesetzt werden<br />

könnte. Es erscheint uns als sehr spannend, diesen Gedanken weiter zu verfolgen, doch dafür<br />

ist eine weitere Ar<strong>bei</strong>t erforderlich.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 80<br />

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6. Literaturverzeichnis<br />

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Schnitzer, K. (2006). Tiergestützte Therapie und Pädagogik <strong>mit</strong> Kindern, <strong>Jugendlichen</strong> und<br />

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Kinder- und Jugendpsychiatrie und –Psychotherapie.(6.Auflage). München: Urban &<br />

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psychologischer Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität verhaltensauffälliger<br />

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Juventa.<br />

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Förderung von Kindern. (3. Auflage). Freiburg: Herder.<br />

Internetadressen<br />

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http://www.sg-tr.ch/collegium/ [15.2.2010].<br />

Wikipedia (Hrsg.). (2010). http://de.wikipedia.org/wiki/Therapie#Therapie [18.12.2009].<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 82<br />

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7. Anhang<br />

7.1 Angabe der Autorenschaft<br />

• Abstract <strong>bei</strong>de<br />

• Einleitung <strong>bei</strong>de<br />

• 2. 1 bis 2.2 Andrea Auf der Maur<br />

• 2.3 bis 2.5 Rima Thüler<br />

• 2.6 bis 4.5 Andrea Auf der Maur<br />

• 4.6 bis 4.7 Rima Thüler<br />

• 5. <strong>bei</strong>de<br />

• Literaturverzeichnis <strong>bei</strong>de<br />

7.2 Lebensläufe<br />

Personalien<br />

Name Auf der Maur<br />

Vorname Andrea<br />

Adresse Weinsteig 207<br />

8200 Schaffhausen<br />

E-Mail Schischah@yahoo.de<br />

Geburtsdatum 17.10.1982<br />

Geburtsort Schaffhausen<br />

Heimatort Ibach (Schwyz)<br />

Schulbildung<br />

2005 – 2006 Grundjahr an der Pädagogischen Hochschule in Zürich<br />

1998 – 2002 Kantonsschule Schaffhausen, Matura absolviert<br />

1995 – 1998 Sekundarschule in Neuhausen am Rheinfall<br />

1989 – 1995 Primarschule in Neuhausen am Rheinfall<br />

Beschäftigungen / Praktika<br />

2006 – 2007 Praktikum Heilpädagogisches Reiten<br />

2003 – 2005 Ar<strong>bei</strong>t im Versand einer Fabrik<br />

2002 – 2003 Sprachaufenthalt in Neuseeland<br />

Berufsausbildung<br />

Seit September 2007 Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich<br />

Vollzeitstudium <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Voraussichtlicher Abschluss im Juli 2010<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 83<br />

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Personalien<br />

Name Thüler<br />

Vorname Rima<br />

Adresse Lorraine 8c<br />

3400 Burgdorf<br />

E-Mail rima.thueler@yahoo.de<br />

Geburtsdatum 08.10.1980<br />

Geburtsort Madison Wisconsin USA<br />

Heimatort Landiswil Be<br />

Schulbildung<br />

2000 – 2003 Gymnasium Muristalden<br />

1997 – 1999 Seminar Muristalden<br />

1992 – 1997 Sekundarschule Uettligen<br />

1988 – 1992 Primarschule Herrenschwanden<br />

Jobs<br />

2003 – 2005 Dialogerin <strong>bei</strong> Corris in Zürich und<br />

Zeitungsverträgerin <strong>bei</strong> BEVO Bern<br />

Universität<br />

2005 Immatrikulation für das Wintersemester in<br />

Biologie an der Universität in Bern<br />

2005 Exmatrikulation<br />

Berufsausbildung<br />

Seit September 2007 Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich<br />

Vollzeitstudium in <strong>Psychomotoriktherapie</strong><br />

Voraussichtlicher Abschluss im Juli 2010<br />

Praktika<br />

Januar 2007 - Juni 2007 Praktikum an der Heilpädagogischen Tagesschule<br />

SAZ Burgdorf<br />

3. - 6. April 2007 Kurzpraktikum in der Wohngruppe des Schulungs-<br />

und Ar<strong>bei</strong>tszentrum für Behinderte Burgdorf<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 84<br />

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7.3 Ausführliche Beschreibung der Stichprobe<br />

In den folgenden Abschnitten geben wir nähere Auskünfte über unsere Interview-Partner.<br />

Da<strong>bei</strong> werden wir erst die Ausbildung thematisieren danach unseren Blick auf die Klientel<br />

lenken.<br />

Eine kurze Begriffsklärung vorneweg:<br />

- SV-HPR, Schweizerische Vereinigung für Heilpädagogisches Reiten<br />

- SG-TR, Schweizer Gruppe Therapeutisches Reiten<br />

J. R. / SG-TR<br />

J.R. ist auf einem Reiterhof, der Hippotherapie anbot, aufgewachsen. So konnte sie schon<br />

früh Erfahrungen in diesem Bereich sammeln. Unter anderem half sie <strong>bei</strong> Reitlager <strong>mit</strong> CP-<br />

Kindern <strong>mit</strong>. Ihre Erstausbildung war eine KV-Lehre. Danach bestritt sie die Ausbildung zur<br />

Pferdepflegerin und hat die National-Dressur-Lizenz erworben. Während sieben Jahren vertiefte<br />

sie ihre Erfahrungen auf einem Therapiehof als Pferdeführerin in der Hippotherapie.<br />

2003 hat sie die Reittherapie-Ausbildung abgeschlossen und ar<strong>bei</strong>tete seither als Reittherapeutin<br />

auf dem Therapiehof.<br />

Da sie selbständig ar<strong>bei</strong>tet, ist sie auf eine breite Klientel angewiesen. Die jüngste Klientin ist<br />

etwa fünf Jahre alt und die älteste 63 Jahre. Von den Diagnosen bietet sich auch ein weites<br />

Spektrum. Die Grenze liegt <strong>bei</strong> einer aggressiven Klientel, welche eine Gefahr für die Pferde<br />

darstellt. Generell kommt die Klientel nach einem Klinikaufenthalt oder teilweise kombiniert<br />

<strong>mit</strong> Psychotherapie zu ihr. Sie übernimmt aber keine akuten Fälle. Häufige Diagnosen sind<br />

Burnout, Depression, Zwangserkrankungen, CP sowie auch Personen <strong>mit</strong> Spasmen.<br />

E. L. / SG-TR<br />

Als Erstausbildung lernte E.L. Psychiatrieschwester. Danach ar<strong>bei</strong>tete sie einige Jahre auf<br />

diesem Beruf. Zu Hause hatten die Eltern immer Pferde. Sie war aktiv im Springreiten und<br />

hat desweiteren Kurse im Reiten aus der Mitte und Reiten <strong>mit</strong> Feldenkrais gemacht.<br />

Sie wurde von der Klinik M. angefragt, ob sie Lust hätte <strong>mit</strong> Pferden zu ar<strong>bei</strong>ten. Während<br />

zwei Jahren hat sie dann berufsbegleitend die Ausbildung zur Reit-Therapeutin gemacht.<br />

Heute ar<strong>bei</strong>tet sie auch als Mentorin an dieser Schule und bietet Kurse für Ausbildende <strong>mit</strong><br />

Schwerpunkt Psychiatrie an.<br />

E.L. behandelt nur vereinzelt Kinder. Privat hat sie schon <strong>mit</strong> ihnen gear<strong>bei</strong>tet, dazu braucht<br />

sie die Einwilligung ihrer Ar<strong>bei</strong>tsstätte (Klinik M.) Ihre Klienten und Klientinnen sind um die<br />

16 bis 83 Jahre alt. Das Alter sei nicht das Problem <strong>bei</strong> der Reit-Therapie, jedoch ist das Gewicht<br />

manchmal problematisch, <strong>bei</strong> über 120 kg wird es schwierig.<br />

Die Therapeutin behandelt alle Krankheitsbilder, zum Beispiel Borderline, Schizophrenie,<br />

Sucht, Depression, Burnout, Tourette-Syndrom und Down Syndrom.<br />

Y. B. / SV-HPR<br />

Seit ihrer Erstausbildung als Primarlehrerin, ist Y.B. heute noch in diesem Beruf tätig.<br />

Daneben hat sie die Ausbildung zum Heilpädagogischen Reiten gemacht. Nun ar<strong>bei</strong>tet sie<br />

<strong>mit</strong> der Institution V. zusammen. Diese bietet Krisenintervention für Jugendliche, die ein<br />

Time-out brauchen, an. Privat ar<strong>bei</strong>tet sie auch viel <strong>mit</strong> Pferden, sie reitet im Western Stil<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 85<br />

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und ar<strong>bei</strong>tet auch nach Pat Parelli. Dies ist eine Methode, die auf den Grundsteinen der nonverbalen,<br />

körperlichen Kommunikation und einfachen Hilfs<strong>mit</strong>teln basiert.<br />

Die Klienten und Klientinnen, die sie betreut sind zwischen 18 und 25 Jahre, wenige sind gegen<br />

die 30 Jahre alt. Da sie eben auf einer Aussenstation der Institution V. ar<strong>bei</strong>tet, wird ihr<br />

die Klientel wahlweise zugeteilt. Das heisst, die Klientel darf selber entscheiden, ob sie <strong>mit</strong><br />

Pferden ar<strong>bei</strong>ten will. Der Aufenthalt liegt <strong>bei</strong> drei bis sechs Monaten. Die Therapie kann<br />

diesen Zeitrahmen nicht überschreiten. Die Problematiken <strong>bei</strong> den Klientinnen und Klienten<br />

reichen von Magersucht, Borderline, Drogen, Missbrauch, Depression bis zu adoleszentären<br />

Krisen und schweren Familienverhältnissen.<br />

A. S. / SV-HPR<br />

A.S. hat zuerst die Primarlehrer-Ausbildung gemacht und danach neun Jahre in diesem Bereich<br />

gear<strong>bei</strong>tet. Danach hat sie die Weiterbildung zur Reitpädagogin SV-HPR absolviert und<br />

wurde 1987 diplomiert. Sie ist von klein auf <strong>mit</strong> Pferden aufgewachsen und hat daher Routine<br />

<strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferden. Sie hat einen Hof gekauft und diesen zum Heilpädagogischen<br />

Reiterhof ausgebaut. Heute ar<strong>bei</strong>tet sie dort selbständig <strong>mit</strong> Hilfe einer weiteren Reit-<br />

Pädagogin.<br />

Das Alter ihrer Klientel beträgt von vier bis 63 Jahren. Darunter sind Kinder, die in die normale<br />

Schule, solche die ins Gymnasium gehen und auch welche, die heilpädagogisch geschult<br />

werden. Also das ganze Spektrum von gesund bis <strong>mit</strong> Problemen beladen. Daneben gibt es<br />

auch Gruppen aus Heimen. In diesen befinden sich Menschen, die eine Seh- oder Mehrfachbehinderung<br />

haben, solche <strong>mit</strong> Down Syndrom, Autisten, Klienten <strong>mit</strong> Muskelschwund und<br />

andere.<br />

R. B. / SV-HPR<br />

Nach der Ausbildung zur Primarlehrerin hat R.B. das Psychomotorik Seminar <strong>bei</strong> Susanne<br />

Naville gemacht. Später absolvierte sie die Weiterbildung zur Schweizerischen Reitpädagogin<br />

(SV-HPR). Vier Jahre später im 2006, vertiefte sie ihr Wissen im Bereich Psychodrama für<br />

Kindergruppen. Sie ar<strong>bei</strong>tet heute noch als Psychomotorik Therapeutin und setzt die Pferde<br />

auch für diese Kinder ein. Nebenher gibt sie heilpädagogische Reitstunden.<br />

Die Klientel besteht also aus Kindern, die einen Bedarf an <strong>Psychomotoriktherapie</strong> aufweisen.<br />

Sie werden auf normalem Wege, durch den Schulpsychologischen Dienst und ausgebildete<br />

Psychomotoriktherapeutinnen bzw. -therapeuten, abgeklärt. Danach den zuständigen<br />

Therapeuten zugewiesen. Die Kinder sind zwischen fünf und zwölf Jahre alt. Das Angebot der<br />

Ergänzung durch das Pferd, macht R.B. nur <strong>bei</strong> solchen Kindern, <strong>bei</strong> denen sie meint, dass sie<br />

davon profitieren könnten. Wenn sie zum Beispiel nicht auf das Material im Psychomotorik<br />

Raum ansprechen oder es emotional besser wäre, wenn ein zusätzlicher Bezugspartner zur<br />

Verfügung stünde.<br />

P. A. / SV-HPR<br />

P.A. hat nach seiner Ausbildung zum Primarlehrer und einigen aktiven Jahren noch Heilpädagogik<br />

an der Universität in Basel studiert. Daneben gab er weiterhin Schule. Erst drei Jahre in<br />

einer Primarklasse an der Regelschule und von da an in Kleinklassen <strong>mit</strong> verhaltensauffälligen<br />

Schülern. Später hat er in der Sprachheilschule in W. erst in einer Klasse <strong>mit</strong> schwerhöri-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 86<br />

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gen, dann <strong>mit</strong> Sprachheilkindern gear<strong>bei</strong>tet. Dies macht er bis heute. Nach dem Heilpädagogik-Studium<br />

hat P.A. noch die Ausbildung zum Heilpädagogischen Reiten absolviert. Dies<br />

obwohl er erst sehr spät <strong>mit</strong> Pferden in Kontakt gekommen ist. Die HPR Stunden gibt er in<br />

seiner Freizeit.<br />

In seiner Aktivität als Reitpädagoge setzt sich seine Klientel aus vielen Bereichen zusammen.<br />

Dies geht quer durch alle Diagnosen, ausser die medizinisch indizierte, diese wird der Hippotherapie<br />

zugewiesen. Sonst betreut er jede Art von Behinderung und das Alter von vier bis<br />

45 Jahren.<br />

B. S. / SG-TR<br />

Nach dem Absolvieren des fünfjährigen Lehrerseminars in Luzern, hat B.S. das Heilpädagogische<br />

Seminar in Zürich während zwei Jahren besucht. Danach hat sie zwei Jahre lang berufsbegleitend<br />

die Ausbildung zur SV-HPR gemacht.<br />

B.S. ar<strong>bei</strong>tet <strong>mit</strong> einer Klinik zusammen. Die Klientel wird ihr von dort überwiesen. Da<strong>bei</strong><br />

betreut sie Klientinnen und Klienten von vier bis 60 Jahren. Darunter befinden sich solche<br />

<strong>mit</strong> einer geistigen Behinderung, <strong>mit</strong> ADS, Psychosen, Depressionen, posttraumatischen Belastungsstörungen,<br />

Entwicklungsrückstand, emotionale und soziale Störung, Bindungsstörung<br />

<strong>mit</strong> Rückzugsverhalten.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 87<br />

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7.4 Erfahrungsbericht aufgrund des Besuches eines Therapiehofes <strong>bei</strong><br />

Genf<br />

Im Rahmen der Studienreise besuchten wir den Therapiehof in Valavran <strong>bei</strong> Genf, welcher<br />

Psychomotorik <strong>mit</strong> Pferden anbietet. Leider existiert keine Literatur, welche sich spezifisch<br />

<strong>mit</strong> der <strong>Psychomotoriktherapie</strong> anhand von Pferden befasst, da hier wie auch allgemein in<br />

der tiergestützten Therapie, die Theorie der Praxis nachhinkt. Folgende Informationen stützen<br />

wir deshalb auf den Bericht der Studienreise, den wir 2009 verfasst haben und auf dem<br />

<strong>BSCW</strong> hinterlegt wurde.<br />

Beobachtete Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

Wichtig <strong>bei</strong> therapeutischen Prozessen ist, dass nicht „nur“ die Symptome angeschaut oder<br />

behandelt werden, sondern, dass der ganze Mensch in seiner aktuellen Situation erfasst und<br />

wertgeschätzt wird. Da<strong>mit</strong> diesem genug Platz eingeräumt werden kann, ist eine prozessorientierte<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweise unabkömmlich. Es gibt daher keine Rezepte wie man bestimmte<br />

Thematiken bear<strong>bei</strong>ten sollte. Mögliche Therapieinhalte sind: Gespräche, Rollenspiele, Körperkontakt,<br />

Konfrontation, Kampf, Provokation, Massage, das Erfahren von Körpergrenzen<br />

und das Erkennen von emotionalen Prozessen.<br />

Der <strong>Psychomotoriktherapie</strong>-Raum<br />

Der Therapiehof verfügt neben den Stallungen und den Reithallen auch über einen kleinen<br />

Raum, der für die <strong>Psychomotoriktherapie</strong> im klassischen Sinne genutzt wird.<br />

In diesem Raum befindet sich ein Holzpferd, das der Klientel zum Üben von Voltige-Figuren<br />

dient, welche dann später auf dem Pferd weiter geübt werden. Das Holzpferd kann aber<br />

auch wie alle anderen Materialien (Puppen, Stofftiere, Bälle, Tücher, Seile…) eingesetzt werden.<br />

In einem anderen Bereich des Raumes befindet sich ein Tisch, an dem Gespräche zur Planung<br />

und Evaluation der Aktivitäten durchgeführt werden. Zudem wird er auch für die grafomotorischen<br />

Anteile gebraucht.<br />

Psychomotorik rund um das Pferd<br />

Durch das Beobachten von Pferden lernen die Klientinnen und Klienten einzuschätzen, in<br />

welchem Gemütszustand sich die Tiere befinden, danach wie man entsprechen auf sie zugeht<br />

und sich ihnen gegenüber verhält. Dies hilft der Klientel schliesslich auch im Umgang<br />

<strong>mit</strong> anderen Menschen. Zu Beginn der Therapiestunde wurde jeweils der <strong>Psychomotoriktherapie</strong>-Raum<br />

eingesetzt, um zum Beispiel <strong>mit</strong> jüngeren Kindern Rollenspiele, kleine Hindernisparcours<br />

oder Fangspiele durchzuführen.<br />

Bei der Pferdepflege werden neue Materialerfahrungen gemacht und es wird gelernt, Verantwortung<br />

für ein anderes Lebewesen, <strong>mit</strong> allen anfallenden Pflichten (Stallar<strong>bei</strong>t, Putzen<br />

der Pferde, Auskratzen der Hufe, Satteln, Halftern, Zäumen…) zu übernehmen.<br />

Die Klientinnen und Klienten dürfen frei entscheiden, was sie <strong>mit</strong> den Pferden machen wollen<br />

und <strong>mit</strong> welchem Pferd sie gerne ar<strong>bei</strong>ten möchten. Teilweise werden Spiele <strong>mit</strong> den<br />

Pferden umgesetzt, die man bereits aus der herkömmlichen <strong>Psychomotoriktherapie</strong> kennt.<br />

Je nach Klient/in und Problematik wird ausgeritten, in der Halle gespielt oder voltigiert.<br />

Das Voltigieren ist eine gute Methode für Kinder, die im funktionalen Bereich ar<strong>bei</strong>ten müssen,<br />

um die Beweglichkeit zu erhalten oder auszubilden. Die Vorübungen auf dem Holzpferd<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 88<br />

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werden durch das Ziel, diese danach auf<br />

dem Pferd zu machen, sinnvoll. Da<strong>bei</strong> motiviert<br />

das Pferd die Klientel, nicht gleich aufzugeben,<br />

auch wenn die Übung anstrengend<br />

ist und nicht immer schon zu Beginn<br />

gleich funktioniert.<br />

Beim Voltigieren ist das Vertrauen in das<br />

Pferd und in die Therapeutin bzw. in den<br />

Therapeuten sehr wichtig. Kinder können<br />

aufgrund motorischer Defizite ängstlich<br />

sein. Gewisse Übungen sind bereits auf<br />

dem Holzpferd schwierig und werden auf<br />

dem Pferd, das grösser ist und sich bewegt,<br />

erschwert. Ist das Vertrauen vorhanden,<br />

kann die Angst überwunden werden und es<br />

gelingen Figuren, die zuvor auf dem Holzpferd<br />

geübt wurden, was das Selbstvertrauen<br />

der Klientel steigert.<br />

Das Pferd kann motivierend wirken. Ein<br />

Beispiel, welches wir erlebt haben, werden<br />

wir nie vergessen. Da war ein junger Mann,<br />

der sich für das Besteigen eines Pferdes aus<br />

dem Rollstuhl begab und ein paar Schritte machte, was er zu Hause und in der Physiotherapie<br />

aufgrund seiner Schmerzen nicht machen wollte. Das links abgebildete Foto hält diesen<br />

Moment fest.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 89<br />

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7.5 Leitfaden-Interviews<br />

Originalleitfaden<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

2. Auf welchen Theorien basiert die Therapie?<br />

3. Wie setzt sich die Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

b. von den Diagnosen<br />

4. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

5. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

6. Wie sieht eine für depressive Patienten spezifische Ar<strong>bei</strong>tsweise aus?<br />

7. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

9. Was bietet die Reittherapie speziell für Patienten <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

Version 1<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

2. Wie setzt sich die Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

b. von den Diagnosen<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

4. Auf welchen theoretischen Modellen basiert die Therapie?<br />

5. Mit welchen methodischen Konzepten wird in der Therapie gear<strong>bei</strong>tet?<br />

6. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

7. Wie sieht ein für depressive Patienten spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

b. Dauer<br />

c. Intensität<br />

8. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

a. Schwerpunkte<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es / könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

9. Auf was muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

10. Was bietet die Reittherapie speziell für Patienten <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

11. Welche Erfolge der Therapie sind zu verzeichnen?<br />

12. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

Version 2<br />

0. Offene Frage zur Ar<strong>bei</strong>t als Türöffner: Was tun sie genau? Ev. Situation: Stellen sie sich die<br />

Situation vor, sie haben eine Patientin die an Depressionen leidet, wie gehen sie vor?<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 90<br />

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2. Wie setzt sich die Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

b. von den Diagnosen<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

4. Nach welchen Prinzipien ar<strong>bei</strong>ten sie in der Therapie?<br />

5. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

6. Wie sieht ein für depressive Patienten spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

b. Dauer<br />

c. Intensität<br />

7. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

a. Schwerpunkte<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es/könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

8. Worauf muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

9. Was bietet die Reittherapie speziell für Patienten <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

10. Was am spezifischen Ar<strong>bei</strong>ten führt zu welchen Erfolgen/Veränderungen? (Faktoren?)<br />

11. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 91<br />

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7.5.1 Interview <strong>mit</strong> J. R. (19.09.09)<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

„ Aufgewachsen bin ich auf einem Reithof der Hippotherapie anbot und so konnte ich früh<br />

Erfahrungen sammeln. Dort half ich auch Reitlager <strong>mit</strong> CP-Kindern zu leiten. Meine erste<br />

Ausbildung war dann eine KV-Lehre. Weiter machte ich die Ausbildung zur Pferdepflegerin<br />

und später erworb ich die National-Dressur-Lizenz. 1993 -2000 sammelte ich Erfahrungen<br />

auf dem Therapiehof Schwand als Pferdeführerin in der Hippotherapie. 2003 habe ich die<br />

Reittherapieausbildung abgeschlossen und ar<strong>bei</strong>te seit dem als Reittherapeutin auf dem<br />

Therapiehof.“<br />

2. Auf welchen Theorien basiert die Therapie?<br />

„Nach den Theorien aus dem Buch Reittherapie von Marianne Gäng. Allgemein auf der Pädagogik<br />

und Psychotherapeutik.“<br />

3. Wie setzt sich das Klientel zusammen?<br />

• Alter<br />

„Da ich selbstständig ar<strong>bei</strong>te habe ich eine breite Klientel. Die jüngste Patientin war 5 Jahre<br />

alt und die älteste Patientin war 63 Jahre alt. Ich bin auf eine breite Klientel angewiesen aber<br />

in einer Klinik spezialisiert man sich eher.“<br />

• Diagnosen<br />

„Auch diesbezüglich habe ich eine breite Klientel. Grenzen sind aggressive Klienten welche<br />

eine Gefahr für die Pferde darstellen. Generell sind die Klienten auf Stufe 2 sozusagen. Also<br />

nach einem Klinikaufenthalt oder teilweise kombiniert <strong>mit</strong> Psychotherapie, aber keine akuten<br />

Fälle. Häufige Diagnosen sind Burnout oder Deppressionen, Zwangserkrankungen oder<br />

CP wie auch Personen <strong>mit</strong> Spasmen.“<br />

4. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

„Die Diagnose stellt der Psychiater, die Fachärzte oder Psychologen. Wenn während dem<br />

Therapieverlauf etwas auftaucht, wird eine Fachperson einbezogen.“<br />

5. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

„Die Basis bildet das rituelle Vorgehen, v.a. am Anfang der Therapie. Das rituelle Vorgehen<br />

<strong>bei</strong>nhaltet die Begrüssung, die Rückfrage und Reflexion, wie auch die Kontaktaufnahme und<br />

Vorbereitung der Pferde. Je nach Klientel wird die Struktur ausgebaut. Reiten ist auch eine<br />

wichtige Methodik. Wichtig ist auch der Sicherheitsfaktor, die Verletzungsgefahr muss beachtet<br />

werden. Aber Sicherheit auch im Bezug dazu, dass Bekanntes Sicherheit ver<strong>mit</strong>telt<br />

und die Selbstwirksamkeit und das Urteilsvermögen fördert.“<br />

6. Wie sieht eine für eine depressive Klientel spezifische Ar<strong>bei</strong>tsweise aus?<br />

„Die ersten 4-5 Lektionen sind geführt. Ich setze nicht zu grosse Pferde ein um Angst und<br />

Überforderung zu vermeiden. Der Trab führt zu Bewegungen, welche ähnlich deren im Mutterleib<br />

sind und so dem Reiter ein Gefühl der Geborgenheit, Sicherheit und des „Getragenwerdens“<br />

ver<strong>mit</strong>telt. Der Körperkontakt und die Bewegungen helfen den Klienten sich zu<br />

spüren und sich zu lockern, was einen Einfluss auf die Sprache hat.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 92<br />

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7. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

„Die sind je nach Person und Problematik individuell. Ziel ist es die Kommunikation zu fördern,<br />

dass die PatientIn sich öffnet und aus ihrem Rückzug herauskommt und sich selbst<br />

spürt. Da<strong>bei</strong> hilft das Pferd, das <strong>mit</strong> seiner Körpersprache die Stimmung der Patientin widerspiegelt.<br />

Die Klientin lernt sich selbst und was in ihrem Körper geschieht wahrzunehmen und<br />

kann erklären was sie fühlt.<br />

Weitere Ziele sind Selbstbestimmung des Patienten und dass er die Verantwortung und Führung<br />

für sein Leben übernehmen kann.“<br />

9. Was bietet die Reittherapie speziell für eine Klientel <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

„Das Pferd dient als Spiegel und hilft so der Therapeutin die Befindlichkeit des Klienten zu<br />

erkennen und durch die dreidimensionale Bewegung im Beckenbereich spüren die Klienten<br />

sich selbst und ihre Haltung. Das Pferd läuft am besten wenn Klienten richtig sitzen und dies<br />

ver<strong>mit</strong>telt ein gutes Gefühl für den Reiter, so eine Art leichtes Schweben, das bildet auch<br />

einen Gegenpol zur Schwere welche eine Depression <strong>mit</strong> sich bringt. Der 2-Takt des Trabes.<br />

Das Führen des Pferdes verlangt bestimmtes Auftreten, keine Unsicherheit. Durch Rituale<br />

gewinnt die Klientin an Sicherheit und erlebt sich selbstwirksam.“<br />

Bemerkungen:<br />

„Heilpädagogik funktioniert <strong>mit</strong> einem Programm und verfolgt ein Ziel. In der Reittherapie<br />

erlebt der Klient keinen Druck, da er nicht bewertet wird und keine Leistungen von ihm erwartet<br />

werden. Die Pferde begegnen den Klienten ohne Vorurteile und Erwartungen und sie<br />

sind nicht nachtragend. Die Einzelsituation bietet der Klientel Schutz und es gibt keine Vergleiche,<br />

keinen Leistungsdruck.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 93<br />

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7.5.2 Interview <strong>mit</strong> E. L. (29.10.2009)<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

Als Erstausbildung hat Esther die Ausbildung zur Psychiatrieschwester absolviert und danach<br />

Jahre auf diesem Beruf gear<strong>bei</strong>tet. Danach hat sie im Spital eine Stelle übernommen (AKP)<br />

und wurde dann noch zur Gemeinde Schwester.<br />

Zu Hause hatten die Eltern immer Pferde und bis zur Geburt ihres zweiten Kindes war Esther<br />

im Springreiten aktiv. Danach wurde dies zu viel und sie hat da<strong>mit</strong> aufgehört. Sie wurde dann<br />

von der Klinik Meiringen angefragt, ob sie Lust hätte <strong>mit</strong> Pferden zu ar<strong>bei</strong>ten. Ihr Pensum hat<br />

sich dann von 20 auf 80 Prozent gesteigert und sie hat berufsbegleitend während 2 Jahren<br />

die Ausbildung zur Reit-Therapeutin gemacht.<br />

Heute ar<strong>bei</strong>tet sie als Mentorin an dieser Schule und bietet auch Kurse für Ausbildende <strong>mit</strong><br />

Schwerpunkt Psychiatrie an.<br />

Weiteres von der Therapeutin selbst angeeignetes Wissen:<br />

- Zentriertes Reiten: Reiten aus der Körper<strong>mit</strong>te (Kurse sind sehr teuer, 4 Grundbausteine<br />

fundieren auf diesen Prinzipien)<br />

- Reiten <strong>mit</strong> Feldenkrais (Ausbildung dauert 4 Jahre)<br />

SG TR = Schweizerische Gesellschaft für Therapeutisches Reiten<br />

Ort: <strong>bei</strong> Basel -> wurde von Marianne Gäng gegründet, dauert 2 Jahre<br />

Beinhaltet: Diplombericht, Referate, Praktikum Stunden, Theoriekurse (Woche), Handpferd<br />

Kurs, Longierkurs,…<br />

2. Wie setzt sich die Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

Esther hat Klienten von 16 – 83 Jahren. Sie behandelt eher weniger Kinder. Das Alter sei<br />

nicht das Problem <strong>bei</strong> der Reit-Therapie, jedoch ist das Gewicht der Klienten manchmal<br />

problematisch <strong>bei</strong> über 120 kg wird es schwierig.<br />

Anmerkung am Rande (Andrea): Das Pferd welches man reitet sollte ca 7 Mal so schwer wie<br />

man selbst sein. Also <strong>bei</strong> einer Klientin <strong>mit</strong> 70 kg, sollte das Pferd 490 kg schwer sein, was<br />

einem Kleinpferd entspricht.<br />

Mit Kindern hat sie schon privat gear<strong>bei</strong>tet, dafür brauchte sie die Einwilligung ihrer Ar<strong>bei</strong>tsstelle.<br />

Zum Beispiel hat sie <strong>mit</strong> einem depressiven Kind gear<strong>bei</strong>tet, dessen Eltern sich scheiden<br />

liessen. Das Kind hat von der Therapie sehr viel profitiert. Bei depressiven Klienten ist<br />

die Körperhaltung meist extrem schlaff. Auf dem Pferd braucht man jedoch eine stabile Haltung,<br />

der Klient ist also gezwungen die Schlaffheit zu überwinden. Nach 4 Jahren Therapie,<br />

sind die Erfolge auch heute noch sichtbar.<br />

b. von den Diagnosen<br />

Die Therapeutin behandelt alle Krankheitsbilder:<br />

Borderline, Schizophrenie, Sucht, Depression, Tourette-Syndrom, Trisomie 21, burn-out,..<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

Die Diagnosen werden von der Klinik Meiringen gestellt und dann an die Therapeutin weiter<br />

geleitet. Die Berichte stehen Esther zur Verfügung um sich einzulesen, dies tut sie aber nicht<br />

um nicht voreingenommen zu sein. Sie geht vor allem davon aus, was sie <strong>bei</strong> den Begegnun-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 94<br />

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gen <strong>mit</strong> den Klienten spürt, eben sie stellt den Menschen ins Zentrum. Dadurch spürt sie oft<br />

weitere Aspekte heraus (Bsp. verdrängter Missbrauch). Diese weiteren Eindrücke bespricht<br />

sie <strong>mit</strong> den zuständigen Personen der Klinik Meiringen.<br />

Der Therapie-Prozess ist zum Teil vergleichbar <strong>mit</strong> dem Schälen einer Zwiebel. Als vordergründiges<br />

Therapieziel könnte zum Beispiel der Alkohol-Missbrauch sein. Ar<strong>bei</strong>tet man an<br />

dem, kommen darunter noch andere Aspekte hervor. Der Alkohol-Missbrauch ist dann nicht<br />

Ursache sondern das Symptom eines anders verorteten Problems.<br />

4. Auf welchen theoretischen Modellen basiert die Therapie?<br />

Für Esther Lindner steht der Mensch im Zentrum. Es ist ihr wichtig nicht von der Krankheit<br />

auszugehen sondern von dem was gesund ist, um eben das Gesunde zu stärken.<br />

Die Krankheit steht für sie eher im Hintergrund und verliert dadurch an Energie und Gewicht.<br />

Das Grundwissen, welches sie über die verschiedenen Krankheiten hat, dient ihr zur Sicherheit<br />

zur Einschätzung der Klienten und dem passenden Umgang.<br />

Die Pferde und die Natur sind für ihre Ar<strong>bei</strong>t sehr unterstützend. Sie helfen dem Menschen<br />

sich gehen zu lassen und sich auf seine Ursprünge zu konzentrieren. Der Mensch ist in seinem<br />

Ursprung ja Teil der Natur. Man ist draussen an der frischen Luft, was einen nicht einengt<br />

und einem gut tut. Durch die Bewegung erhält man einen guten Zugang zu den Klienten.<br />

Die Klienten öffnen sich in der Bewegung eher als im starren. Die Reittherapie ist natürlich<br />

auch in einer Halle möglich, <strong>bei</strong> Regen oder -15°Celsius auch angenehmer, die Natur<br />

kann dann aber nicht so gut einbezogen werden.<br />

5. Mit welchen Methodischen Konzepten wird in der Therapie gear<strong>bei</strong>tet?<br />

Methode:<br />

- Wechselwirkungen zwischen Therapeutin, Pferd und Klient (Dreieck)<br />

Zu Beginn moderiert die Therapeutin diese Verhältnisse sehr klar. Mit der Zeit kann sie sich<br />

auch etwas mehr aus den direkten Wechselbeziehungen hinaus nehmen und dem Klienten<br />

<strong>mit</strong> dem Pferd so<strong>mit</strong> mehr Verantwortung übertragen. Das Pferd reagiert nämlich auch auf<br />

die Distanz, in welcher sich die Therapeutin (Bezugsperson Pferd) sich zu ihm aufhält. Je näher<br />

sie kommt umso mehr hat die Therapeutin Einfluss auch auf das Verhalten des Pferdes.<br />

Nimmt sie sich mehr zurück wird das Pferd sich mehr auf den Klienten einstellen und natürlich<br />

auf ihn reagieren.<br />

- Pferd als Motivator<br />

Pferde lassen Liebe entflammen. Therapeutin übernimmt Vorbildfunktion zwecks liebevollem,<br />

artgerechtem Umgang <strong>mit</strong> den Pferden. Es lassen sich auf der Sachebene Geschichte<br />

über die Pferde erzählen.<br />

- 4 Bausteine: Erdung, Zentrierung, Aufrichten, Entspannen<br />

- Geregelter Ablauf (vor – <strong>mit</strong> – nachbereiten)<br />

- Einsatz von Edi (4Monate Englischer Setter)<br />

6. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

Die Klienten kommen von der Klinik Meiringen zu Esther in die Therapie, erhält sie eine neue<br />

Anmeldung beginnt die Therapie wie folgt.<br />

Ablauf einer Therapie-Phase:<br />

- Erste Stunde = Schnupperstunde (1.5 Stunden = Therapieeinheit)<br />

In der ersten Stunde geht es darum herauszufinden, welches Pferd besser zu einem passt.<br />

Dazu dürfen <strong>bei</strong>de Pferde etwas beschnuppert werden um sich dann zu entscheiden. Es kann<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 95<br />

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auch sein, dass diese Phase der Entscheidung etwas länger geht, dann hat dieser Prozess<br />

Vorrang und es kann auch über eine zweite, dritte Stunde gehen, bis das Pferd festgelegt<br />

wurde.<br />

Faktor Pferd: E. L. hat einen Wallach und eine Stute.<br />

- Zweite Stunde<br />

Die Klienten werden von Esther persönlich im Auto von der Klinik abgeholt und am Schluss<br />

auch wieder zurück gebracht. Diese Zeit der Autofahrten werden wiederum für kleinere Besprechungen<br />

und Befindlichkeiten genutzt und gehören so<strong>mit</strong> auch zum Therapieprozess.<br />

Zum Beispiel werden <strong>bei</strong> der Rückfahrt auch über weitere Ziele gesprochen, was noch erreicht<br />

werden möchte.<br />

Die Stunde beginnt <strong>mit</strong> der Begrüssung der Pferde und deren Pflege. Dieser Teil ist auch sehr<br />

wichtig für eine depressive Klientel. Man übernimmt die Verantwortung der Pflege eines<br />

dritten, dies erfüllt einen <strong>mit</strong> guten Gefühlen und es ist möglich diese Verantwortung wieder<br />

auf sich selber zu übertragen.<br />

Zu Beginn, manchmal auch die ganze Therapie, wird der Voltigegurt benutzt, <strong>mit</strong> einem<br />

warmen Pad darunter. Dies ist für das Pferd sowie für den Klienten sehr angenehm. Der<br />

Klient spürt die Wärme des Pferdes, fühlt sich getragen, kann sich gehen lassen und die Verantwortung,<br />

durch das geführt werden, einfach abgeben.<br />

Nach der Stunde wird das Pferd wieder abgegurtet, es erhält eine Belohnung und man verabschiedet<br />

sich wieder von ihm.<br />

- Weiterer Verlauf<br />

Einige Klienten möchten gerne <strong>bei</strong>m Gurt und dem Pad bleiben, andere möchten Zügel in die<br />

Hand nehmen, das Pferd satteln und reiten lernen. Dies beginnt dann <strong>mit</strong> dem untersten<br />

Baustein: anreiten, anhalten. Um richtig reiten zu lernen, braucht es auch ein grosses Gespür<br />

für sich selbst. Daher wird dies langsam aufgebaut. Mit der Zeit geht man auch nach draussen,<br />

aus der Umzäunung, jedoch erstmals nur am Strick. Der Wunsch ist meistens da zu traben<br />

und zu galoppieren.<br />

Rolle der Therapeutin in diesem Prozess:<br />

Es ist unglaublich wichtig, dass die Therapeutin sich selber gut spürt. So<strong>mit</strong> kann sie die Situation<br />

besser und sicherer einschätzen. Das Pferd kann sie als Spiegel des Gefühlszustands<br />

des Klienten nutzen. Aber eben dies geht nur zuverlässig, wenn sie sich bewusst ist, welches<br />

ihre Anteile sind, die auch spürbar im Raum vorhanden sind. Dann kann die Therapeutin zum<br />

Beispiel auch entscheiden, ob es sicher ist, wenn man an diesem Tag <strong>mit</strong> den Pferden raus<br />

geht oder ob man besser <strong>mit</strong> ihnen im kleineren, umzäunten Rahmen bleibt.<br />

Für den ganzen Therapieprozess ist die emotionale Kontaktaufnahme zum Pferd essentiell.<br />

Darum verdient diese Phase des Beziehungsaufbaus genügend Zeit und kann auf mehrere<br />

Stunden ausgedehnt werden. Es ist auch daher wichtig, dass das Pferd nicht immer ein anderes<br />

ist, sondern dass <strong>mit</strong> einem eine Beziehung aufgebaut werden kann. Die Pferde sind in<br />

der Klinik bekannt und es wird allgemein Brot gesammelt und auch extra Rüebli für die Pferde<br />

gekauft.<br />

Die Therapeutin gibt sich ganzheitlich in diese Therapien und es ist ihr wichtig, dass es auch<br />

für sie stimmt. Wenn sie an den Punkt kommt, wo sie merkt, dass es für sie nicht mehr passt,<br />

wäre dies der Moment um aufzuhören oder das Pensum stark zu reduzieren. Sie begibt sich<br />

sehr auf die Ebene des Menschen und das geht solange gut, wie man total authentisch sein<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 96<br />

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kann. Gibt es Störungen im eigenen Befinden, überträgt sich das auch auf den Prozess der<br />

Therapie.<br />

Die Therapeutin verlässt sich auch in der Auswahl der Methoden auf ihr Bauchgefühl. Die<br />

unterschiedlichen Vorgehensweisen werden nicht auf die verschiedenen Krankheitsbilder<br />

zugeschnitten. Es kommt auch ganz auf den Mensch an, was sie anbietet. Sie richtet ihre<br />

Ar<strong>bei</strong>tsweise also auf die Krankheit und den Menschen aus.<br />

Auswahl von Möglichkeiten, da<strong>bei</strong> übernimmt die Therapeutin zum Teil eine Modellfunktion<br />

Auf dem Pferd:<br />

Körperwahrnehmung, Atmung, Schakra, Körperreisen, Herzmeditation, Sinnesreisen (Bsp.<br />

durch den Wald: hören, schmecken, sehen, spüren,…), progressive Muskelentspannung,<br />

tschigong, singen / summen,…<br />

Möglichkeiten vom Boden aus:<br />

Bodenar<strong>bei</strong>t, Muss: KIarheit, wissen was man will, Kommunikation <strong>mit</strong> dem Pferd, Körperhaltung<br />

haben um ein Pferd zu führen, Pferde massieren, baden, Kunststücke <strong>bei</strong>bringen,<br />

spazieren gehen, <strong>mit</strong> dem Pferd in der Box zur Ruhe kommen, …<br />

Möglichkeiten <strong>bei</strong> extrem schlechter Witterung:<br />

Lederpflege, Gespräche, Bilder zeichnen,…<br />

Die Liste an Möglichkeiten nimmt kein Ende. Auch alle Ar<strong>bei</strong>ten rund ums Pferd können <strong>mit</strong><br />

einbezogen werden.<br />

7. Wie sieht ein für eine depressive Klientel spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

Dazu lassen sich keine konkreten Aussagen machen, da Depression ein weites Spektrum und<br />

so<strong>mit</strong> auch viele unterschiedliche Menschen umfasst. Es ist von Mensch zu Mensch verschieden<br />

wie und wie lange man ar<strong>bei</strong>tet.<br />

Möglichkeiten wären:<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

Methode:<br />

- Unterschiedliche Gangarten erleben<br />

- Verantwortung übernehmen rund ums Pferd (Pferdepflege, Pferde füttern)<br />

Ein Prozess der hier<strong>bei</strong> zu beobachten ist, dass die Klienten zu Beginn die Pferde eher<br />

schludrig putzen und nachfragen ist es jetzt gut??! Mit der Zeit ist es den Klienten<br />

selbst wichtig, die Pferde gründlich zu putzen, auch an den Stellen, die man <strong>bei</strong>m ersten<br />

Mal vielleicht noch übersieht.<br />

- Pferde berühren, Wärme spüren, was gutes Tun<br />

- Im Hier und Jetzt sein, im Jetzt ist man beschützt (Allgemein <strong>bei</strong> der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Tieren<br />

ist man sehr gefordert immer präsent und im Hier und Jetzt zu sein)<br />

- Farbe einatmen und sich innerlich anmalen (konzentrieren, aushalten)<br />

- Gespräche, Provokation<br />

- <strong>mit</strong> dem Pferd in der Box die Ruhe geniessen<br />

- Eine Aufgabe stellen: sich jeden Tag etwas gutes zuliebe tun (kann auch munzig klein<br />

sein). Hier spielt die Beziehung zur Therapeutin auch eine grosse Rolle (allgemein,<br />

ohne gute Beziehung keinen Therapie-Prozess), die Klienten nehmen diese Aufgabe<br />

dann sehr ernst und waschen zum Beispiel einmal am Tag die Hände sehr bewusst<br />

und versuchen das Schöne darin zu sehen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 97<br />

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. Dauer<br />

Es lässt sich hierzu nur sagen, je länger je besser, wo<strong>bei</strong> es Klienten gibt, die in der zweiten<br />

Stunde schon soviel erreicht haben wie andere in der zehnten noch nicht. Da der Aufbau der<br />

Pferde-Beziehung enorm wichtig ist und dies auch Zeit braucht hat Esther den Grundsatz<br />

dass weniger als 9 – 10 Stunden nicht zu erstreben sind.<br />

c. Intensität<br />

…<br />

8. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

Warum eignet sich das Pferd besonders für die Therapie <strong>mit</strong> Depressiven??<br />

Problem: Alles in die „Mitte“ gezogen, grau, starr,…<br />

Ziel: Freiheit erleben, <strong>mit</strong> Bewegung den ganzen Körper beleben, einen Nutzen haben, sich<br />

wichtig fühlen, für sich und für andere Sorgen, Leben / Farben zurück gewinnen, angenehme<br />

Ruhe erleben,…<br />

a. Schwerpunkte<br />

Schwerpunkte:<br />

- Freude erleben, auch wenn sie im Moment noch nicht wahrgenommen werden kann<br />

- Suizidalität bemerken und ansprechen (Zum Schutz der Klientel die Klinik informieren)<br />

– Gespräche was ist der Sinn des Lebens? Haben wir das Recht es zu beenden?<br />

- Angst überwinden. Angst lähmt. Man hängt schon erlebtem hinterher oder hat schon<br />

wieder Angst, wenn man in die Zukunft blickt. Im Hier und Jetzt sein, das heisst zudem<br />

aktiv werden können.<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es/könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

Erfolgsfaktoren:<br />

- getragen werden, sich abgeben dürfen<br />

- Pflege<br />

- Bewegungsimpulse lösen weitere Impulse aus<br />

- Pferde nehmen Schwere ab und geben sie weiter (Unterschied Körperhaltung vor<br />

und nach dem Reiten)<br />

- Ganzheitlichkeit: Klänge, unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten, Schnauben des<br />

Pferdes, …<br />

9. Auf was muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

Aufpassen <strong>bei</strong><br />

- Suizidalität: Welche Werkzeuge liegen im Stall rum?<br />

- Medikamente können das Gleichgewicht beeinträchtigen<br />

10. Was bietet die Reittherapie speziell für eine Klientel <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

Pferde sind hochsensible Fluchttiere, durch diese Sensibilität holen sie den Menschen dort<br />

ab, wo er steht.<br />

Das Pferd lässt jedem den Raum für den ersten Schritt, es stellt keine Bedingungen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 98<br />

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11. Welche Erfolge der Therapie sind zu verzeichnen?<br />

Die Erfolge kann man nicht immer klar aufzeigen. Auf jeden Fall ist diese Therapie eine Form,<br />

die selten Ausfallstunden erlebt. Den Klienten liegt viel daran, ihre Therapiestunden zu besuchen<br />

und sind nicht, wie es <strong>bei</strong> anderen Therapien die Möglichkeit sein könnte, dazu geneigt<br />

die Therapie abzusagen.<br />

Konkrete Beispiele:<br />

- Depressive <strong>mit</strong> geänderter Körperhaltung (zum Positiven) nach der Stunde<br />

- Tourette-leidende, die keinen einzigen Tick in der Nähe des Pferdes haben<br />

- Lebens-müde, welche sich dank des Pferdes aufraffen um sich zu Fuss auf den Weg zu<br />

machen<br />

- …<br />

12. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

Die Therapie beruht auf Freiwilligkeit. Es gab es bisher noch nicht, dass eine Therapie auf<br />

Wunsch des Klienten unterbrochen wurde.<br />

Es gab nur einmal die Situation, dass ein Klient nicht mehr kam. Es war ein junger Mann, der<br />

sich nicht entscheiden konnte, <strong>mit</strong> welchem Pferd er lieber ar<strong>bei</strong>ten möchte. Nach einigem<br />

hin und her hat die Therapeutin, wie sie es in der Schule gelernt hat, eine Struktur vorgelegt<br />

und die Entscheidung so<strong>mit</strong> beschleunigt. Nach dieser Strukturierung wurde der Klient nicht<br />

mehr gesehen. Es ist ihr daher auch sehr wichtig auf ihren Bauch zu hören und die Theorie<br />

zum Teil auch über den Haufen zu werfen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 99<br />

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7.5.3 Interview <strong>mit</strong> R. B. (18.11.2009)<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

Primarlehrerin<br />

PMT<br />

Diplomierte Reitpädagogin 2002 Abschluss<br />

� Musste vor allem Reitpädagogischen Teil noch machen<br />

Psychodrama für Kindergruppen (spannend und auch bereichernd) 2006 Abschluss<br />

Ausbildung wo?<br />

„PMT-Susanne Naville, Bewegungsunterricht war spannend, entweder man konnte es <strong>mit</strong> ihr<br />

oder nicht, aber ich habe sie sehr geschätzt.<br />

HPR: in Modulblöcken, Theorieblöcke in Zürich an der Epiklinik.<br />

Heilpädagogik musste ich nicht mehr besuchen. Wir sind auf verschiedene Höfe gegangen<br />

um sich zum Beispiel im Thema Autismus zu vertiefen. Die Theorie und Praxis haben wir<br />

dann auf diesen Höfen gleich verbunden.<br />

(geistige Behinderung, Schizophrenie, psychische Erkrankungen,…)<br />

Bei Hildegard Camenzind, haben wir Wahrnehmungsauffälligkeiten auf dem Pferd ausprobiert.<br />

Mit der Zeit hatte ich dann genug vom ständigen Ausprobieren, wie sich das anfühlt.“<br />

2. Wie setzt sich die Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

b. von den Diagnosen<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

= PMT-Ar<strong>bei</strong>t, Abklärung, SPB<br />

Indikation für Psychomotorik.<br />

„Einige Schulpsychologen wissen es inzwischen, aber sie denken nicht daran ein Kind für die<br />

Pferde zu empfehlen.“<br />

4. Auf welchen theoretischen Modellen basiert die Therapie?<br />

5. Mit welchen Methodischen Konzepten wird in der Therapie gear<strong>bei</strong>tet?<br />

6. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

Wie ar<strong>bei</strong>test Du? Wie setzt du die Tiere ein?<br />

„Es gibt einfach ab und zu Kinder, die ich abkläre und <strong>mit</strong> denen ich dann in der PMT ar<strong>bei</strong>te,<br />

<strong>bei</strong> denen ich denke, für diese wäre es gut <strong>mit</strong> etwas lebendigem zu tun zu haben oder<br />

draussen zu sein. Das sind so die Hauptkriterien. Dies können emotionale sein. Es ist zum<br />

Beispiel selten, dass ein Kind nicht auf ein Materialangebot im Therapieraum anspricht. Es ist<br />

eher eine Gefühlsangelegenheit, dass ich überhaupt nachfrage ob die Kinder <strong>mit</strong> den Pferden<br />

ar<strong>bei</strong>ten möchten. Erst frage ich dann die Kinder, dann die Eltern, was sie dazu meinen<br />

und zum Schluss brauche ich noch die Bewilligung vom Ar<strong>bei</strong>tgeber. Dies ist aber eher eine<br />

Formsache, ich muss einfach Bescheid geben und <strong>mit</strong> der Versicherung abklären wie das ist.<br />

Ich schreibe einfach einen kurzen Vermerk <strong>mit</strong> einer Begründung, dass das Kind einige Male<br />

auf Guntershausen (<strong>bei</strong> mir zu Hause) in die Therapie kommt und nicht in Aadorf.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 100<br />

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Wie ich ar<strong>bei</strong>te... ja das ist so unterschiedlich wie die Kinder, die kommen.<br />

Einen Jungen hatte ich, der war sehr lange <strong>bei</strong> mir in der Therapie und nach 1.5 Jahren hat<br />

sich wie der Therapieraum erschöpft. Er hatte schon alles Material ausprobiert. Er hatte taktil-kinästhetische<br />

Probleme gehabt, Dinge anfassen und spüren, Körper spüren, Gleichgewicht<br />

unsicher, Koordination schwierig, eigentlich ein klassisches PMT Kind. (débilité motrice:<br />

ungeschickt <strong>mit</strong> Wahrnehmungsproblematik) Der fand die Esel so toll. Es war nur schon<br />

spannend zuzuschauen, wie er ein Tier anfasst. Das Fell, er musste das wirklich ausprobieren,<br />

wie fest darf ich hinlangen wie nicht. Striegeln, eine Hand still halten und <strong>mit</strong> der anderen<br />

kreiseln, das war sehr anspruchsvoll. Er ist sehr gern geritten, hatte auch keine Angst. Zu<br />

Beginn hatte er ein so schlechtes Körpergefühl, dass er nicht gemerkt hat, wenn er schief<br />

gesessen ist. Geritten ist er dann auf dem Kleinpferd, zum Reiten sind die Esel fast ein bisschen<br />

zu klein, er war ein grossgewachsener Bub. Da war wirklich motorisches und Wahrnehmungstraining<br />

was ich machen konnte, was zudem immer dem Tier zugute kam. Er hat<br />

es auch gemacht, da<strong>mit</strong> er nachher rauf sitzen durfte. Zu Beginn haben wir auf alle möglichen<br />

Arten zum Beispiel versucht die Gurtschnallen zuzumachen. Dies haben wir zum Beispiel<br />

auch <strong>mit</strong> Augen zu gemacht. Es brauchte für ihn enorm viel <strong>mit</strong> diesen Gurtschnallen<br />

zurecht zu kommen. Er wurde eben sehr durch die Aussicht nachher noch aufsitzen zu können<br />

motiviert.<br />

Bei einem anderen Mädchen ging es mehr um das Selbstvertrauen. Sie war extrem schüchtern<br />

und schlacksig, ist sehr schnell gewachsen und hatte auch Mühe <strong>mit</strong> ihrem Körper. Allgemein<br />

wurde sie noch gehänselt eben weil sie grösser war als alle anderen. Bei ihr ging es<br />

mehr darum sich hinzustellen, zum Pferd sagen Halt und Lauf. Das haben wir zuerst <strong>mit</strong> den<br />

Pferden geübt, später <strong>mit</strong> den Eseln, das ist herausfordernder. Den Eseln muss man es ganz<br />

deutlich sagen, was man will, weil sonst meint der Esel: ja wenn du das nicht ernst meinst<br />

dann tu ich das nicht. Man darf auch mal voll in den Strick hinein „liegen“, um seinen Willen<br />

durchzusetzen. Bei mir sehen es die Kinder auch, mir folgen die Esel auch nicht immer. Man<br />

muss wirklich einfach hinstehen und voll klar sein. Dies ist ein wunderbares Übungsfeld,<br />

denn sobald du es richtig und überzeugt machst, ist der Esel auch gewillt <strong>mit</strong>zumachen. Das<br />

Pferd ist vielmehr Hierarchie-Tier und lässt sich schneller in etwas hinein drücken. Esel haben<br />

eine grössere Selbstverantwortung.<br />

Dann war da noch ein Mädchen <strong>mit</strong> einer etwas diffusen Anmeldung. Sie war schon etwas<br />

älter, in der vierten oder fünften Klasse, die Eltern waren getrennt, Mutter hatte Depressionen.<br />

Das Kind war zudem etwas dick und eine Aussenseiterin. Wurde in der Schule auch gemobbt.<br />

Sie wollte auch unbedingt lernen reiten. Motorisch hatte sie in diesem Sinne keine<br />

Probleme, ausser dass sie ein bisschen schwerfällig war vom Gewicht her. Ihr hat es nur<br />

schon gut getan, etwas für sich zu haben und sagen zu können ich gehe reiten! Dies gab ihr<br />

einen ganz anderen Stellenwert in der Klasse. Dort ging es mehr um ihr etwas Besonderes zu<br />

ermöglichen, was sie auch nach aussen repräsentieren konnte und umgekehrt hatte sie auch<br />

die Möglichkeit mir Dinge zu erzählen. Denn es ist auch sehr spannend, dass Menschen auf<br />

dem Pferd manchmal sprechen wie Wasserfälle. Durch das getragen werden, den Rhythmus<br />

und die Schaukelbewegungen, die sehr an intrauterinen Erfahrungen anknüpft. Dies ist speziell<br />

<strong>bei</strong> kleineren Pferden so, da die Schrittlänge ähnlich wie <strong>bei</strong>m Menschen ist. Man<br />

kommt dadurch in einen geborgenen Zustand. Dieses Mädchen war aber auch heikel, da sie<br />

sehr problembewusst war und auch genau filterte was sie wem sagen möchte. Dort ging es<br />

wirklich mehr darum ihr Boden unter den Füssen und Sicherheit zu geben.<br />

Ein Mädchen hätte ich jetzt noch, welches ich gerne zu den Pferden nehmen möchte. Nur<br />

will die Mutter das nicht. Denn die ältere Schwester dieses Mädchens möchte schon lange<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 101<br />

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eiten und die Mutter hat nicht die finanziellen Möglichkeiten für das. Es würde zu Haus Ärger<br />

geben wenn die kleinere Schwester reiten dürfte. Da<strong>bei</strong> täte es dem Mädchen auf der<br />

emotionalen Ebene enorm gut.“<br />

Wissen es die Kinder dass Du auch <strong>mit</strong> Pferden ar<strong>bei</strong>test?? Also wünschen sie es auch?<br />

„Nein das wissen sie nicht, daher kann ich wirklich auswählen, wem ich dies anbiete. Das ist<br />

auch der Vorteil, dass ich im Dorf nebenan wohne. Mit unserer Therapiestelle decken wir<br />

auch ein grosses Einzugsgebiet ab und bin daher unbekannt für die Eltern und Kinder.“<br />

Kindergruppen zum Pferd?<br />

„Nein nur einzeln oder zu zweit, Pferde bedingt.<br />

Ein Pferd und zwei Esel von mir, Islandpony und Maulesel in Pension, die ich auch gut einsetzen<br />

kann. Ich gebe einfach Reitstunden und nehme maximal zwei Kinder. Im Moment habe<br />

ich keine HPR Kinder.“<br />

Grundablauf Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferden?<br />

„Ja das schon. Zuerst beobachte ich <strong>mit</strong> den Kindern von aussen. Denn wir haben einen Offenstall<br />

und es kann heikel werden, wenn man in die Herde läuft und keine Ahnung hat, wo<br />

man aufpassen muss. Grundlegend erklären, auf was man schauen muss. Wenn die Pferde<br />

frei sind, dann müssen wir aus dem Weg, weil wir sozusagen in ihrer Stube herumlaufen.<br />

Dann geht es weiter <strong>mit</strong> Mal Pferd oder Esel anbinden, anfassen, wie gehe ich darauf zu. Es<br />

sind eigentlich Sicherheitsfragen, ohne Angst machen zu wollen.<br />

Den ängstlichen Kindern sage ich nicht so viel, da diese sowieso sehr vorsichtig sind. Bei<br />

übermütigeren sage ich mehr. Zum Beispiel auch, dass Flip-Flops kein Schuhwerk für die<br />

Pferde sind.<br />

Danach wird es viel individueller, je nachdem welches Thema aktuell ist.<br />

- Emotional, sich hin trauen, hier bin ich<br />

- Taktil, spüren anfassen wo ist hart, weich, warm, …<br />

Je nach Thema ar<strong>bei</strong>te ich auch schon vor, dass ich zum Beispiel die Hufe schon auskratze<br />

und die Hufschuhe anziehe, wenn es ums Ausreiten geht. Ich mache sowieso Lektionen von<br />

60 Minuten, denn sonst kommt man nirgends hin. Mit den anderen Ausreitkindern mache<br />

ich sogar 90 Minuten.“<br />

7. Wie sieht ein für eine depressive Klientel spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

b. Dauer<br />

c. Intensität<br />

8. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

a. Schwerpunkte<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es/könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

„Im Moment habe ich gerade einen Jungen, <strong>bei</strong> dem man sagt, er sei depressiv. Die Eltern<br />

und ich sind aber alle aus den Wolken gefallen, denn mir und ihnen ist nichts aufgefallen. In<br />

der Schule geht es ihm nicht gut, er hat ein ADS.<br />

Im Therapierahmen geht es ihm gut. Ich denke die Situation, wenn er im KJPD ist und einen<br />

Test ausfüllen muss, muss man auch bedenken.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 102<br />

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Ich habe mich in Depression nicht weiter vertieft aber ich kann mir schon gut vorstellen, dass<br />

das Tier einfach einen wohltuenden Einfluss hat. Ganz grundsätzlich <strong>bei</strong> psychischen Erkrankungen.<br />

Wo<strong>bei</strong> wirklich schwere Depressionen sind ja etwas, wo man <strong>mit</strong> jeder Hilfe ins Loch<br />

abstürzt, wenn man nicht frühzeitig Medikamente einnimmt. Aus meinen Erfahrungen weiss<br />

ich, wenn die Depressionen wirklich schwer sind, kann man manchmal auch gar nichts tun.<br />

Aber ich könnte mir vorstellen, dass das Pferd gewisse Momente auch auffangen kann.“<br />

Jugendliche <strong>mit</strong> Depression?<br />

„Hier denke ich, gibt einem der Umgang, also wenn man irgendwo ist wo man auch die Verantwortung<br />

hat, wäre hilfreich. Es ginge dann nicht um das Reiten sondern die Verantwortung,<br />

dass man aufstehen muss und die Pferde füttern. Es macht dann einen Sinn dass man<br />

ist. Ich weiss nicht wie wichtig es ist <strong>bei</strong> der Depression das Gefühl der Selbstwirksamkeit zu<br />

erlangen.<br />

Und so hat man wirklich wieder eine Wirksamkeit. Man macht etwas und sieht das Ergebnis.<br />

Man ist begehrt, wenn man da <strong>mit</strong> dem Futterkübel <strong>bei</strong> den Pferden antanzt. Man wird nicht<br />

angelogen, gerade Jugendliche die zum Teil hochsensibel <strong>bei</strong> Versprechungen sind. Das Tier<br />

ist völlig klar, es zeigt gleich wie es ihm geht. Wenn es schlechte Laune hat verstellt es sich<br />

nicht und wenn ich schlechte Laune habe läuft es weg. Ich kann mir vorstellen, dass dieser<br />

Aspekt hilfreich sein könnte, aber dann müssten sie <strong>bei</strong>nahe stationär sein, <strong>mit</strong> einer Aufgabe.<br />

Was ich den Kindern auch manchmal sage. Wenn du mal traurig bist erzähl es den Tieren, die<br />

hören dir zu und erzählen es niemandem weiter und in solch grossen Eselsohren haben viele<br />

Dinge Platz.“<br />

Zusammenhang <strong>mit</strong> PMT<br />

„Depression verleitet den Körper zu einer Starrheit. Trudi Schoop hatte gute Ansätze um <strong>mit</strong><br />

Depressiven zu ar<strong>bei</strong>ten: Komm und Tanz <strong>mit</strong> mir!<br />

Um wieder in die Bewegung zu kommen, da<strong>mit</strong> man die Starre wieder ablegen kann.<br />

Mit Tieren muss man aus der Starre hinaus kommen, man muss in Bewegung kommen.“<br />

Bewegung spüren führt auch zu mehr Bewegung.<br />

„Ja oder spazieren zu gehen. Aber da ginge wiederum auch ein Hund. Wo<strong>bei</strong> Fluchttier und<br />

Raubtier nicht dasselbe ist.<br />

Und der Aspekt des Tragens in der Bewegung, bietet dir der Hund nicht. Dafür bietet er dir<br />

Schutz. Von der Bewegung her ist das Pferd natürlich ansprechender.“<br />

9. Auf was muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

10. Was bietet die Reittherapie speziell für eine Klientel <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

„Aus meinem nicht mehr ganz präsenten Wissen über Depression: Die Alltagsstruktur, die es<br />

einem bietet, dass man aufstehen muss wenn man regelmässig für ein Tier schaut. Dass dies<br />

den Menschen bewahren könnte sich ganz aufzugeben und ihn motiviert sich aufzuraffen.<br />

Und den Aspekt, dass man Freude weckt. Es ist direkt <strong>mit</strong> Emotionen verknüpft, die man<br />

zurück kriegt. Und im Hinblick <strong>mit</strong> <strong>Jugendlichen</strong>, du bist der Chef. Und das muss man <strong>bei</strong> den<br />

Pferden, denn wenn man nicht mächtig ist, im guten Sinne, dann wird es gefährlich. Man<br />

muss Verantwortung übernehmen und Macht ausüben, verantwortungsvoll ausüben.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 103<br />

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Aber wenn ich wirklich ein Kind <strong>mit</strong> ganz schweren Depressionen hätte, würde ich mich nicht<br />

kompetent fühlen und das Kind weitergeben. Alleine ist Psychomotorik, nicht unbedingt das<br />

falsche, aber ungenügend. Ich denke es ist nur als begleitende Therapie möglich.<br />

Als Begleitung zu einer medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlung noch eine<br />

Psychomotorik Therapie würde ich es schon sehen und fände dies einen guten Ansatz.<br />

Das Pferd zusätzlich bringt einen weiteren emotionalen Teil und zudem ist man draussen.<br />

Das finde ich auch sehr positiv.<br />

Taktil gibt die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Pferden viel her.<br />

Ar<strong>bei</strong>t im emotionalen Bereich, Tier als weiterer Beziehungspartner.“<br />

11. Welche Erfolge der Therapie sind zu verzeichnen?<br />

12. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

Bemerkungen / Weiteres<br />

Zusatzausbildung um <strong>mit</strong> Eseln zu ar<strong>bei</strong>ten?<br />

„Nein, die Ausbildung macht man <strong>mit</strong> Pferden. Aber theoretisch und praktisch denke ich es<br />

ginge gleich. Vielleicht muss man sich überlegen, <strong>bei</strong> wem man die Esel einsetzen möchte.<br />

Das was das Pferd attraktiv macht, ist das Reiten, das getragen werden. Bei kleinen Kindern<br />

geht das schon, aber reiten auf einem Esel ist anders. Wenn man wirklich das reiten und die<br />

Bewegungsimpulse brauchen möchte muss man <strong>mit</strong> Pferden ar<strong>bei</strong>ten. Ausser ev. Bei Depression,<br />

Esel sind ganz lustige Gesellen, unser Kasimir ist so ein Clown, der hat lauter Seich<br />

im Kopf. Schmeisst die Garette um und lacht mich dann aus, macht Törli auf oder klaut mir<br />

etwas. Auf einer Humoristischen Ebene kann ich mir die Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> Eseln gut vorstellen. Wo<strong>bei</strong><br />

es gibt eben auch lustige Pferde.“<br />

Frage ohne HPR Ausbildung auch möglich dies zu praktizieren<br />

„Dürfen schon aber heikel könnte es aus Versicherungstechnischen Gründen sein, wenn mal<br />

etwas passiert.<br />

Für meinen Ar<strong>bei</strong>tgeber ist es einfacher das okay zu geben, da ich die HPR Ausbildung habe.<br />

Finde Zusatzausbildung schon wichtig.<br />

Reitstunden darf man geben, wenn man eigene Pferde hat und gut da<strong>mit</strong> umgehen kann. Es<br />

ist dann die Sache von dem, der Reitstunden nimmt der sagt, mir ist es egal wenn du keine<br />

Ausbildung hast. Grundsätzlich ist es eine Sicherheit für die Kundschaft.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 104<br />

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7.5.4 Interview <strong>mit</strong> Y. B. (19.11.2009)<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

Primarlehrerin<br />

Heilpädagogisches Reiten<br />

Westernreiten, Parelli<br />

Ausbildung der Pferde:<br />

„Unsere Pferde sind gut vom Boden her ausgebildet. Sie bleiben stehen, sind eben vom Westernreiten<br />

gut trainiert. Wir haben unsere Pferde auch alle selber eingeritten. Alles was ich<br />

später vom Sattel aus mache, macht mein Pferd auch <strong>mit</strong> mir vom Boden aus. Das beginnt<br />

schon als Fohlen, dass man spazieren geht, eine Decke auf den Rücken legt und einfach an<br />

viele Dinge gewöhnt. Eine Zeit lang habe ich auch <strong>mit</strong> Bällen gear<strong>bei</strong>tet, aber <strong>mit</strong> den <strong>Jugendlichen</strong><br />

ist dies eher nicht die richtige Ar<strong>bei</strong>t. Die finden eher das seien Kinderspiele. Es<br />

ist auch ein grosses Vertrauen hier, im Alltag im Stall, <strong>bei</strong>m Einladen. Ich habe immer das<br />

Gefühl, eine spezielle Ausbildung haben die Pferde nicht, aber sie sind einfach von klein auf<br />

an sehr vieles gewöhnt. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für ein Therapiepferd. Natürlich<br />

ist es noch ein Pferd und man hat ein Restrisiko, aber es ist ein grosses Vertrauen vorhanden.<br />

Sie haben sozusagen eine sichere Bindung.“<br />

2. Wie setzt sich das Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

„16 Jahre bis eigentlich nach oben offen aber eigentlich ist 30 so die obere Grenze.<br />

80% der Leute sind 18 – 25.“<br />

b. von den Diagnosen<br />

„Viele Magersüchtige, Borderliner, Drogen, Missbrauch, Depression, junge Leute in der adoleszentären<br />

Krise. Es gibt auch gröbere Geschichten <strong>mit</strong> schweren Familien Verhältnissen.<br />

Oft auch Geschichten, die schon im Kindesalter beginnen, spezielle Schulen,…“<br />

Beschreibung Institution Villa:<br />

„Also dies ist so der Komplex und ich bin eigentlich in einer Aussenstation, die heisst Villa.<br />

Dies ist ein altes schönes Haus, Sulzer Villa, eine wunderschöne Lage am Waldrand. Dort sind<br />

junge Erwachsene ab 16, die nach einer Krise quasi ein Timeout haben von 3-6 Monaten. Ich<br />

ar<strong>bei</strong>te schon das 8te Jahr dort, früher konnten sie bis zu einem Jahr bleiben. Mittlerweile<br />

wird im Gesundheitswesen gespart, darum sind es nur noch 3-6 Monate. Ich denke wenn<br />

man wirklich gröber in einer Krise steckt ist es besser länger bleiben zu können. Um etwas<br />

Neues aufzubauen braucht es auch Zeit, die meisten haben keine Wohnung, keine Stelle und<br />

so weiter. Das ist eigentlich auch die Idee der Villa, dass sie das dort organisieren können um<br />

danach wieder strukturiert ins richtige Leben zu starten.<br />

Kapazität: 3 – 16 Leute“<br />

Dauer Intensität der Therapie<br />

Für 3 Klienten Platz, die kommen solange sie dort sind. Wenn einer aufhört gibt es einen<br />

neuen Platz für jemand anderen. Es ist wichtig, dass die Therapie möglichst konstant ist,<br />

auch immer zur selben Zeit wenn dies möglich ist.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 105<br />

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Dauer ist auch davon abhängig, wie sich die Klienten darauf einlassen. Aber ich muss sagen<br />

es sind viele sehr offen. Es gibt auch solche, die extrem gestylt herkommen, aber ich hatte<br />

bisher noch nie das Gefühl, dass jemand sehr distanziert sei.<br />

Ablauf in der Villa:<br />

„2 Wochen Assessment Phase, ankommen alles kennen lernen<br />

Assessment Gespräch: Bezugsperson aus dem Betreuungsteam und Psychologin<br />

Da können sie dann auch ihre Wünsche äussern:<br />

Kunst, Bewegung, Reiten sind jeweils Einzeltherapien, etwas kann dann daraus ausgewählt<br />

werden. Wenn ich dann gerade einen freien Platz habe, dürfen sie einmal schnuppern und<br />

sonst muss ich schauen, wie ich sie schnuppern lassen kann. Einige wissen auch ganz klar sie<br />

wollen ins Reiten und andere gibt es, die schon geritten sind. Eben in diesem Assessment<br />

wird besprochen was frei ist und wo es Platz hat. Wenn es <strong>bei</strong> mir keinen Platz hat, kommen<br />

sie auf die Warteliste. Dann sind sie, wenn es einen Platz gegeben hat, bis zum Austritt fix im<br />

Reiten. Ausser es ist der Fall, das irgendetwas ist und die Klienten nicht mehr kommen wollen.<br />

Dies war bisher aber sehr wenig der Fall. Es kann zum Beispiel der Fall sein, dass es zu<br />

viele Therapien für den Moment sind, aber eben es ist ganz selten. Es kann auch vorkommen,<br />

dass jemand dann keinen Platz in der Therapie hat. Ich wurde bisher noch nie angefragt,<br />

ob <strong>bei</strong> jemandem die Therapie abgebrochen würde da<strong>mit</strong> jemand anders Platz hätte.<br />

Dies wäre aber eine Möglichkeit, dass habe ich noch gar nicht überlegt, dass man zum Beispiel<br />

nach 10 Mal auch einen Wechsel machen könnte. Aber es ist dort sowieso wie in einem<br />

Bienenhaus wo Menschen kommen und gehen. Es kann sein, dass 2 Monate alles die<br />

gleichen Leute kommen und dann alles plötzlich wechselt. Es ist eine enorme Dynamik vorhanden.<br />

Einige müssen zum Beispiel gehen, wenn sie ein Timeout haben weil sie gegen gewisse<br />

Regeln verstossen haben. Wenn sie zum Beispiel Drogen im Haus haben. Es ist auch<br />

schon vorgekommen, dass ich einmal kam und keiner von meinen bekannten Klienten erschienen<br />

ist. Dies ist dann aber streng. Man muss sehr präsent sein und spüren, was vorhanden<br />

ist. Aber ich habe die Pferde und die machen auch ganz viel für mich. Auf die kann<br />

ich mich auch verlassen. Ja, die eine Stute kenne ich schon 20 Jahre und die andere ist 12<br />

Jahre alt, die hatten wir als Fohlen schon.“<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

„Oft kommen die Klienten <strong>mit</strong> einer rechten Vorgeschichte, haben also auch schon ihre Diagnosen<br />

oder sie werden in der Villa diagnostiziert. Ich kann dies nicht so gut lesen, bin ja<br />

keine Psychologin, es steht dann in den Berichten.“<br />

Medikamente Einfluss auf Stunde?<br />

„40 – 50 % haben auch Medikamente: Beruhigung, Konzentration, Einschlafhilfe<br />

Wenn jemand neu beginnt, kriege ich auch <strong>mit</strong>, dass die Klienten Medikamente kriegen und<br />

werde zum Teil auch aufgefordert mich darauf zu achten. Wenn jemand aber schon lange<br />

Medikamente nimmt und diese von Anfang an schon nehmen, dann kann ich es gar nicht<br />

beurteilen.“<br />

4. Auf welchen theoretischen Modellen basiert die Therapie?<br />

5. Mit welchen Methodischen Konzepten wird in der Therapie gear<strong>bei</strong>tet?<br />

„Weisses Pferd wirkt anders auf den Menschen als ein Rappe. Früher hatten wir noch einen<br />

schwarzen. Auch schon in der Mystik, das weisse Pferd ist das Himmelverbundene, es ist das<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 106<br />

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gute und liebe. Das schwarze wird mehr <strong>mit</strong> Power verbunden, auch ein bisschen <strong>mit</strong> dem<br />

Teufel. Wenn man die Pferde besser kennenlernt ändert sich dies wieder aber der erste Eindruck<br />

ist tendenziell in diese Richtung. Auch in der Traumdeutung hat der Schimmel eine<br />

andere Bedeutung als der Rappe. Der Mensch reagiert anders auf die <strong>bei</strong>den. Magersüchtige<br />

zum Beispiel reagieren sehr auf den Schimmel, es ist dieses reine, saubere, klare, eben<br />

himmelverbundene. Das nehme ich einfach neben<strong>bei</strong> noch wahr. Wenn jemand zum Beispiel<br />

enorme Angst hat, sollte man nicht unbedingt <strong>mit</strong> dem schwarzen Pferd beginnen.<br />

Aber jetzt habe ich eben nur noch zwei Schimmel. Wo<strong>bei</strong> sie auch so ihre Wirkung haben<br />

auch ohne den Kontrast des Rappen daneben.<br />

Gerade gestern kam jemand in eine Schnupperstunde und hat gefragt ob das Pferd nicht<br />

böse auf sie werde und auf sie losgehe, wenn sie Angst vor ihm habe. Das Pferd funktioniert<br />

aber eben als Herdentier und in einer Herde werden die schwächeren Mitglieder auch <strong>mit</strong>getragen.<br />

Auch wenn ich Angst habe und aber nichts böses tue, dann werde ich durch diese<br />

Kleingruppe Pferde unterstützt. Ich denke dies ist etwas sehr lässiges, was einfach hier ist<br />

und niemals künstlich ist. Pferde sind einfach hilfsbereit und echt. Sie bringen immer irgendetwas,<br />

was mich zum Teil selber erstaunt. Zum Beispiel bleibt ein Pferd plötzlich stehen oder<br />

auch das Gegenüber mal herausfordern. Also im Therapierahmen tun sie dies meistens sehr<br />

sanft. Es wird selten gefährlich, es ist eher so, dass sie zum Beispiel eher stur bleiben in der<br />

Art das nehme ich jetzt im Moment nicht an. So werden die Patienten eben auch ein bisschen<br />

herausgefordert.<br />

Es ist enorm, wie sich die Tiere auf ihre Mitmenschen einstellen. Im Therapierahmen sind sie<br />

eben zurückhaltender. Nur schon wenn ich den Pferden näher komme funktionieren sie<br />

wieder mehr nach mir. So kann ich <strong>mit</strong> meiner Distanz zum Pferd auch einiges lenken und<br />

Einfluss nehmen. Je länger die Leute zu mir kommen umso mehr übergib ich ihnen die Führung<br />

und halte eine grössere Distanz zu meinen Pferden.<br />

Es läuft auch <strong>mit</strong> der Aufmerksamkeit ein bisschen so, je mehr ich mich auf mein Pferd konzentriere<br />

umso mehr habe ich Einfluss. Ich denke es ist einfach ein gutes Setting <strong>mit</strong> diesen<br />

Tieren.“<br />

6. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

„Ja, ich verlade die Pferde im Anhänger und fahre dort hin. Das praktische an der alten Villa<br />

ist, dass es von früher her noch ein altes Stallgebäude hat, der ist 100 Jahre alt. Dort kann ich<br />

die Pferde reinstellen, es ist zwar kein Offenstall aber für einen Nach<strong>mit</strong>tag stimmt dies für<br />

die Pferde. Dort habe ich auch meine Utensilien untergestellt, Putzzeug und so weiter.<br />

Gleich daneben ist die Reithalle des Kavallerie Vereins, welche für diesen Nach<strong>mit</strong>tag für<br />

mich reserviert ist. Dies ist natürlich ideal, vor allem <strong>bei</strong> schlechtem Wetter. Die Halle ist<br />

nicht riesig aber eben sehr nützlich. Daneben hat es einen wunderschönen Wald <strong>mit</strong> alten<br />

Bäumen. Ich gehe oft auch ins Gelände. Von der Infrastruktur finde ich es ziemlich ideal, ich<br />

muss halt einfach dort hinfahren. Der Vorteil davon wiederum ist, dass ich hier meine Privatsphäre<br />

habe.<br />

Eine Ausnahme habe ich, einmal im Monat kommt eine Patientin der alten Villa. Dies ist aber<br />

eine sehr gesittete, nicht jemand, der noch unbedingt hineinkommen möchte.<br />

Was ich auch sehr schätze, dass wenn ich dorthin komme, die Pferde in den Stall gebracht<br />

habe, komme ich ins Team und habe dort wie einen kleinen Rapport. Ich habe immer dieselben<br />

Leute und kriege dann zu hören, wie es ihnen gerade so geht, was gerade aktuell ist. Es<br />

ist zum Teil dann auch so, dass ich zu den Leuten an die Türe gehe und nachfrage ob sie jetzt<br />

doch kommen könnten, wenn mir rapportiert wurde, dass jemand zum Beispiel gar nicht<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 107<br />

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aufstehen mochte. Die Pferde ziehen eben schon noch. Ich habe die Therapie, die am wenigstens<br />

ausfällt im Gegenzug zu Einzelgesprächs-, Gruppen-, Bewegungs-, Gestaltungs- und<br />

Kunst-, Wildnis-Therapie. Ich denke das Reiten ist etwas attraktives, die Pferde ziehen halt,<br />

weil sie Tiere und echt sind.<br />

Dann habe ich eben einen kurzen Austausch <strong>mit</strong> dem Team und habe danach die 3 Einzellektionen<br />

à 45min hintereinander. Die Klienten kommen danach mehr oder weniger selbständig<br />

in den Stall zuerst. Dann läuft das übliche Ritual ab: Begrüssung, putzen, führen - Halle /<br />

draussen.“<br />

Führen:<br />

Je nachdem<br />

- kürzere oder längere Führ-Phase<br />

- drinnen oder auch draussen.<br />

- jüngeres (fordert mehr) oder älteres Pferd (läuft einfach hinterher)<br />

Auswahl des Tieres?<br />

„Es ist mir wichtig, dass die Pferde gleichmässig gebraucht werden. Daher ist es manchmal<br />

davon abhängig, wer schon in wie viele Stunden aktiv ist. Was ich zudem noch schaue ist das<br />

Gewicht der Klienten. Ich hatte zum Beispiel schon adipöse Klienten und <strong>mit</strong> denen habe ich<br />

dann nur longiert, dies war aber von Anfang an abgemacht. Zudem hatte diese Frau noch<br />

eine Gehbehinderung und es wäre überhaupt schwierig gewesen sie auf das Pferd zu bringen.<br />

Ich habe hier keine Rampe. Ich bin nicht eingerichtet für körperlich behinderte Menschen.<br />

Meine Pferde sind auch nicht darauf ausgerichtet, es sind keine Gewichtträger in diesem<br />

Sinne (Araber). Das wollte ich auch nie. Das ist der Rahmen den ich habe und den die<br />

Villa auch kennt. Bei Klienten über 80kg liegt nur longieren drin, aber ich denke dies ist ja<br />

auch schon etwas.“<br />

Beziehung zum Tier<br />

„Ich schaue schon, dass da eine gewisse Konstanz über eine längere Zeit ist und auch wem<br />

ich welches Pferd gebe.<br />

Nach dem Führen wird geritten. Je nach Problematik führe ich zu Beginn auch noch viel. Wir<br />

machen Körpererfahrungen. Bei Sexualmissbrauch muss man zum Beispiel auch ein bisschen<br />

aufpassen. Ich mache dann auch langsam um zu schauen, was mag es verleiden und was<br />

nicht. Wenn sie Angst haben oder es ihnen unwohl ist, müssen sie es sagen und ich höre auf.<br />

Ich versuche überhaupt keine Zwänge aufzubauen, da<strong>mit</strong> die Stimmung und Klienten locker<br />

bleiben können.<br />

Am Schluss, wenn jemand schon länger kommt, ist es schon das Ziel:<br />

selber die Zügel in die Hand zu nehmen, die Führung übernehmen, Entscheidungen treffen<br />

(Anhalten, Tempo, Richtung), Verantwortung übernehmen, Übertrag auf eigenes Leben, was<br />

ja eben meistens nicht so gut klappt.“<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen<br />

- Strukturiert durch Rituale<br />

- Was auch einfach dazu gehört, Ablauf Pferd richten.Wenn zum Beispiel das Pferd schon<br />

geputzt wurde, können Klienten auch <strong>mit</strong> einer kleinen Massage Kontakt zum Pferd aufnehmen,<br />

dies kommt eigentlich auch schon automatisch, dass man das Pferd zur Begrüssung<br />

streichelt<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 108<br />

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- Pferd als Medium<br />

- Manche wünschen sich, dass sie zum Ende der Stunde noch auf das Pferd liegen können.<br />

Es gibt Frauen wie auch Männer, die zum Schluss <strong>mit</strong> den Händen regelrecht am Pferd<br />

kleben. Das ist Wahnsinn, die kommen wie nicht mehr weg vom Pferd. In diesen Momenten<br />

fühlen sich die Klienten gut.<br />

- Wärme des Pferdes, das Pferd hat ein halbes Grad höhere Grundtemperatur als wir<br />

Menschen. Dieses halbe Grad spüren wir, es ist für uns angenehm warm.<br />

- Körperübungen für einen lockeren Sitz. Vor allem Oberkörperübungen.<br />

- Spür-Übungen: Hand ans Becken um die Bewegung zu spüren.<br />

- Körperwahrnehmung: Versuchen die Beine zu spüren<br />

- Yoga Übungen, hinunter atmen (wenn die Leute was da<strong>mit</strong> anfangen können)<br />

- Sattel verteilt Gewicht von Reiter optimal<br />

- Ohne etwas aufs Pferd sitzen, mache ich nur im Stand<br />

- Longieren <strong>mit</strong> Gurt<br />

- Jüngere Leute, spielerischer: Mühle, Kunststücke, seitwärts, rückwärts,…<br />

- Kein grosser Materialeinsatz, eher Parcour <strong>mit</strong> einzelnen Posten, die das Pferd bewältigen<br />

muss. Zum Beispiel dass das Pferd über einen Plastik gehen muss. Aber ich habe eigentlich<br />

keine grosse Materialkiste.<br />

Ethik<br />

„Pferd hat hohen Stellenwert, ich möchte es nicht verbrauchen. Wir haben alles Masssättel.<br />

Wir haben einen hohen Anspruch an die Gesunderhaltung des Pferdes. Ich brauche sie einmal<br />

in der Woche für die Therapie und ich habe das Gefühl, man merkt ihnen überhaupt<br />

nicht an, dass sie dafür eingesetzt werden. Mein Mann macht hohe Schule <strong>mit</strong> der einen<br />

Stute und läuft nebenher ganz normal in der Therapie. Sie ist ein bisschen ein Workaholic,<br />

die hört nicht auf, wenn man sie für etwas anstellt.<br />

7. Wie sieht ein für eine depressive Klientel spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

b. Dauer<br />

c. Intensität<br />

8. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

a. Schwerpunkte<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es/könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

9. Auf was muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

„Ja, habe ich auch. Mehrheitlich sind es auch Frauen, die Essstörungen haben, die auch diese<br />

depressive Seite zeigen. In den letzten Jahren ist eben das Borderline extrem aufgekommen.<br />

Aber ich hatte immer wieder Leute <strong>mit</strong> Depressionen. Für sie ist das zum Pferd kommen wie<br />

für andere auch. Es ist wie ein Ankerpunkt, es ist ihnen wohl, es läuft etwas.<br />

Eben <strong>bei</strong> der Depression gibt es auch verschiedene Prägungen, ich habe im Moment keine<br />

spezifischen im Kopf.“<br />

Spezielles beachten <strong>mit</strong> Depression? Vorgehensweisen?<br />

„Ist noch schwierig um zu beantworten. Ich ar<strong>bei</strong>te sehr intuitiv. Das heisst ich beobachte<br />

die Leute sehr genau und merke oha hier hat es eine Blockade oder hier ist es nicht so gut.<br />

Ich versuche die Leute zu unterstützen an dem Ort wo sie sich befinden und nicht sie in et-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 109<br />

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was hinein zu pushen. Es gibt ganz viele, die haben zum Beispiel Panik hinter dem Pferd<br />

durch zu gehen, die müssen das erst tun, wenn sie das möchten. Ich erlebe halt in der Stunde<br />

nicht viel von den Depressionen. Es kann sein, dass ich sie holen gehen muss, weil sie es<br />

nicht schaffen zu kommen. Dann erlebt man die Schlaffheit schon, wenn sie im Zimmer sind.<br />

Aber sie kommen dann auf ihre Touren.<br />

Es gibt kein Schema, welches ich <strong>bei</strong> Depressiven anwende. Ich gehe oft auch auf Wünsche<br />

ein, wenn zum Beispiel jemand nur geführt werden will. Es gibt ja ganz viele, die einfach abgeben<br />

möchten. Die möchten auf dem Pferd sitzen, Übungen machen und geführt werden.<br />

Dies ist oft auch an Tagen, an welchen es ihnen nicht so gut geht. Es ist dann auch ein bisschen<br />

wie zurück gehen in eine kindliche Phase, in der man die Führung abgeben kann und<br />

trotzdem <strong>mit</strong>getragen wird. Das Schaukeln lässt den Menschen ein Urgefühl spüren. So<strong>mit</strong><br />

gehe ich auf die Wünsche ein, ich lasse es aber auch immer ein bisschen offen und frage gegen<br />

Schluss zum Beispiel, ob die Zügel doch noch in die Hand genommen werden wollen.<br />

Einfach dass die Möglichkeit auch vorhanden ist, dass die Klienten selber noch aktiver werden<br />

können.<br />

Depression ist für mich eben so eine Schublade, die ich <strong>bei</strong> vielen sehe zum Beispiel <strong>bei</strong> Borderlinern<br />

oder Suchtkranken.“<br />

10. Was bietet die Reittherapie speziell für eine Klientel <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

11. Welche Erfolge der Therapie sind zu verzeichnen?<br />

„Sicher sehr gut sich auf dem Pferd besser spüren<br />

Was der Umgang <strong>mit</strong> Pferden bewirkt ist speziell, dies merke ich schon <strong>bei</strong>m putzen, durch<br />

das streicheln und berühren des Pferdes, etwas tun.<br />

Ich habe eine Patientin, die kommt oft <strong>mit</strong> hängendem Kopf und erzählt, sie habe einen ganz<br />

schlechten Tag. Im Kontakt <strong>mit</strong> den Pferden, dies sagt sie selber, wird sie präsenter, wach<br />

und beginnt sich zu spüren. Sonst beschreibt sie ihren Zustand, dass sie oft wie auf Wolken<br />

schwebe oder in Watte gepackt und gar nicht wirklich im Hier und Jetzt ist. Je länger sie <strong>bei</strong>m<br />

Pferd ist umso mehr spürt sie sich und ist da. Später auch wenn sie auf dem Pferd sitzt und<br />

die Zügel in der Hand hat, hat sie eine Verantwortung, eine Aufgabe, sie muss also wach<br />

sein. Was ja auch ist <strong>bei</strong>m Reiten, man wird vor zu ins Ungleichgewicht gebracht und eigentlich<br />

muss das Unterbewusstsein das Gleichgewicht wieder herstellen. Man muss gar nicht<br />

viel denken und doch macht es einen wach, man muss präsent sein. Man muss auch reagieren,<br />

wenn das Pferd von sich aus agiert. Man ist die ganze Zeit gefordert. Es ist eine Kommunikation<br />

auf der Ebene des Körpers, man muss reagieren. Dies geschieht oft auch nicht so<br />

bewusst sondern auf unbewusster Ebene, weil jeder balanciert seinen Körper aus, wenn er<br />

schief ist. Dadurch werden sie eben präsent, spüren sich und merken, dass sie etwas bewirken<br />

können. Oft sind es auch kleine Erfolgserlebnisse, welche diesen Menschen sehr viel<br />

bringen. Das wäre zum Beispiel nur schon, dass sie ein Pferd anhalten oder in den Schritt<br />

bringen können. Darum Erfolgserlebnisse, weil sie in ihrem sonstigen Leben tagtäglich viele<br />

Frust-Erlebnisse haben. Eben dass sie es zum Beispiel nicht geschafft haben am Morgen aufzustehen.<br />

So vieles läuft zum Teil nicht richtig, dann gibt es hier viele kleine Dinge, an denen<br />

sie Freude haben können.<br />

Man sieht wirklich eine veränderte Körperhaltung nach der Stunde. Die eine Person die<br />

hüpft regelrecht hinaus, wie ein kleines Kind. Dies ist wahnsinnig <strong>mit</strong> anzusehen. Dies beschreibt<br />

mir die Person auch immer und erzählt es auch anderen, dass sie eben oftmals sehr<br />

gedrückt in die Stunde kommt und dann fröhlich wieder geht. Es füllt sie auf eine Art <strong>mit</strong><br />

Energie, holt sie wieder in die Gegenwart.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 110<br />

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Besondere Wirkfaktoren?<br />

„Bei mir sagen sie oft, es sei ihnen auch wichtig, dass es nicht so sehr über das Verbale läuft.<br />

Das man auch einfach ein bisschen sein kann und nicht immer sprechen muss. Viele schätzen<br />

diese Ar<strong>bei</strong>t auf der körpersprachlichen Ebene.<br />

Was bestimmt auch zieht ist das Tier. Sie fühlen sich halt auch immer aufgenommen und<br />

wahrgenommen vom Tier. Das Tier nimmt jeden so wie er kommt, in welchem Gemütszustand<br />

auch immer. Das wird sehr geschätzt <strong>bei</strong> den Klienten, dass sie einfach so wie sie sind<br />

angenommen werden. Ich habe auch das Gefühl, dass dieser Stall und die Atmosphäre auch<br />

ein bisschen Geborgenheit schafft. Zudem ist er etwas vom Haupthaus entfernt und ist wie<br />

eine kleine Insel. Alles wird anders auf dieser Insel, es riecht anders, sieht anders aus, der<br />

Boden ist anders, alles wird anders wahrgenommen, als wäre es weiter von dem Rest entfernt.<br />

Es wird auch nie so besonders als Therapie wahrgenommen. Eher wie eine Freizeitbeschäftigung.<br />

Auch das Gefühl, das sie kriegen, wenn sie auf einem Pferd sitzen. Das kenne ich<br />

auch persönlich, es braucht zum Beispiel Überwindung <strong>bei</strong> Regen raus zu gehen aber sitzt<br />

man dann mal auf dem Pferd, spielt das Wetter gar nicht mehr eine grosse Rolle. Es ist bestimmt<br />

auch das ganze Gefühl, welches durch das geschaukelt-werden durch die Bewegung,<br />

ausgelöst wird und lösend wirkt.“<br />

12. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

„Es ist ja so, dass von den Klienten der Wunsch kommt, ob sie <strong>mit</strong> Pferden ar<strong>bei</strong>ten möchten.<br />

Ich hatte mal einen Allergiker, sie wollte unbedingt kommen. Mit einem Medikament<br />

wurde da die allergische Reaktion beeinflusst. Dann hab ich aber auch Phobiker oder solche<br />

<strong>mit</strong> grossen Sauberkeitszwängen, Neurotiker. Das war dann noch spannend. Sie kommen<br />

hinein, lassen sich auf das ein, sie putzen auch die Pferde. Betrachten zum Beispiel auch sehr<br />

intensiv, wie der Staub aus dem Striegel kommt. Sie können in der Zeit <strong>mit</strong> den Pferden die<br />

Neurose aber ruhen lassen. Sobald sie dann vom Pferd weg sind, waschen sie sich stundenlang<br />

die Hände aber während der Stunde können sie sich darauf einlassen. Spannend ist<br />

auch wie die Pferde zum Beispiel gar nicht auf motorische Ticks der Patienten reagieren. Sie<br />

ignorieren diese einfach. Sie nehmen das lockerer als wir Menschen.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 111<br />

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7.5.5 Interview <strong>mit</strong> A. S. (19.11.2009)<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

Mit Pferden aufgewachsen<br />

Ausbildung zur Primarlehrerin<br />

Weiterbildung zur HPR<br />

2. Wie setzt sich das Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

b. von den Diagnosen<br />

„Kinder:<br />

Von solchen, die nur kommen, weil sie Freude an den Pferden haben bis zu solchen, die ganz<br />

schön massive Päckli <strong>mit</strong> sich herum tragen. Von Normalschulkindern bis zu heilpädagogisch<br />

geschulten oder Gymischülern haben wir das ganze Spektrum hier.<br />

Heime:<br />

Sehbehindert, mehrfachbehindert, autistisch, down-Syndrom, Muskelschwund, …“<br />

Gibt es tatsächlich auch Plätze für solche, die „nur“ reiten lernen wollen?<br />

„Es gibt wenige. Aber es geht uns auch darum, dass wir integrative Prozesse in der Gruppe<br />

haben. Haben wir nur solche <strong>mit</strong> schweren Problemen wird das schwieriger. Da<strong>mit</strong> die Kinder<br />

eben ein bisschen in die Normalität hineinkommen, brauchen wir auch die Kinder, welche<br />

nicht so sehr belastet sind.<br />

Zum Beispiel am Donnerstag haben wir eine Gruppe <strong>mit</strong> einem Kind aus schrecklichen Familienverhältnissen.<br />

Das Kind ist sehr schlecht “zwäg“ und wenn sie jetzt auch nur <strong>mit</strong> anderen<br />

Kindern, denen es ähnlich ginge, zusammen wäre, dann würde ihr das Reiten nicht weiterhelfen.<br />

So wie wir es jetzt haben, gibt es ihr einen Punkt in der Woche, wo sie dieses alles<br />

einfach loslassen kann. Das merkt man auch, wenn sie ankommt ist sie noch gefangen in all<br />

dem was wieder schief und krumm gelaufen ist. Später kann sie aufmachen wird ruhiger und<br />

entspannter, dann ist sie wirklich hier und kann <strong>mit</strong> den anderen Kindern plauschen, lachen,<br />

es lustig haben und auch <strong>mit</strong> den Pferden geniessen und schmusen. Aber dazu braucht es<br />

eben nicht nur die Pferde um diesen Angelpunkt auszumachen sondern auch andere Kinder,<br />

<strong>mit</strong> denen sie es gut haben kann. Ansonsten müsste man sie in einer Einzelstunde haben,<br />

da<strong>mit</strong> sie nicht von anderen Themen der Kinder belastet würde (Finanzen, Organisation). In<br />

den Kindergruppen braucht es daher einfach auch solche, die ein Stück weit <strong>mit</strong>tragen können.<br />

Wenn diese jedoch selber zu sehr beladen sind, dann geht es nicht.“<br />

Merken es die nicht problembehafteten Kinder, dass <strong>bei</strong> anderen Probleme vorhanden sind<br />

oder Dinge anders sind?<br />

„Sie merken es ja. Das wichtige ist einfach, dass es nicht darauf hinaus läuft, dass diese dann<br />

für die anderen die Päckli <strong>mit</strong>tragen müssen. Wenn ihnen das Gefühl gegeben wird, sie seien<br />

nur das Mittel zum Zweck für die anderen. Sie müssen auch auf ihre Kosten kommen. Dies ist<br />

auch das Hauptproblem der Integration überall. Man kann nur schwierige Kinder integrieren,<br />

wenn die anderen auch zu ihren Sachen kommen. Wenn die anderen nur darunter leiden,<br />

dann kommt es schief raus und es gibt schlechte Emotionen. Es müssen sozusagen alle erst<br />

satt sein, da<strong>mit</strong> sie teilen können. Das muss man einfach ganz fest im Auge behalten, dass es<br />

für alle etwas in einer Lektion da<strong>bei</strong> hat und dann machen sie das eigentlich gut und gerne.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 112<br />

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Depressive Klienten?<br />

„Die Bewohner der Heime haben eher grosse Stimmungsschwankungen, <strong>bei</strong> denen aber zum<br />

Teil auch unklar ist, wie und durch was sie ausgelöst werden.<br />

Depression eher nein.“<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

Heime<br />

Privatpersonen melden sich an<br />

-> keine Diagnosen in diesem Sinne<br />

4. Auf welchen theoretischen Modellen basiert die Therapie?<br />

5. Mit welchen Methodischen Konzepten wird in der Therapie gear<strong>bei</strong>tet?<br />

Erlebnisebene<br />

Kognitive Ebene<br />

Körperliche Ebene (Gleichgewicht, Motorik,…)<br />

„Beziehung zum Pferd im Vordergrund. Es ist uns wichtig, dass diese auch stattfindet und es<br />

nicht nur ein Konsumieren, ein brauchen des Pferdes als Gegenstand ist. Das Pferd soll ein<br />

Gegenüber sein. Hier gibt es eben wieder die Möglichkeit um verschiedene Pferde einzusetzen.<br />

Für die einen ist es total wichtig, dass das Pferd von sich aus auf sie zukommt. Es ist<br />

ganz unterschiedlich wie die Pferde auf die Menschen zugehen, eben vom freien Kontakt<br />

aufnehmen bis hin zu Pferden, die einen auch mal ablehnen. Dies probieren wir entsprechend<br />

einzusetzen, was total spannend ist.<br />

� Shanay: Oberschmusekater<br />

� Lyki: nimmt von sich aus nie Kontakt auf. (haben viele Isländer, Menschen okay <strong>mit</strong><br />

aber auch okay ohne…)<br />

� Waitangi: brauchte Menschen! War vier Monate auf Alp und verkümmerte fast.<br />

� Querida: ist manchmal auch ablehnend. (Beispiel <strong>bei</strong> Kindern, sie sich mal bemühen<br />

müssen, nicht immer alles geschenkt kriegen, um etwas kämpfen -> gibt dafür ein<br />

grösseres Erfolgserlebnis)“<br />

6. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

„Zu zweit, dürfen die Fohlen in der Herde bleiben. Lernen die Tagesabläufe vom Fannyhof<br />

kennen. Haben engen Kontakt <strong>mit</strong> den Menschen und gewöhnen sich sehr an den Betrieb.<br />

Sie sind sehr menschenbezogen, werden auch von den Klienten geputzt. Die Fohlen bevorzugen<br />

dann manchmal auch die Menschen Krauleinheiten als diejenigen von „Ihrer Peergruppe“.<br />

Das meiste lernen sie aber schon in der Pferdegruppe.<br />

Rappen hat andere Wirkung als Schimmel, kann sie unterschreiben. Sie haben aus diesem<br />

Grund auch einen weiteren Schimmel gesucht (Isländer). Viele sagen zwar, jetzt habt ihr <strong>mit</strong><br />

Maeva (Tinker-Fohlen) ein sehr helles Pferd, das geht doch auch für die Klienten. Wir wollten<br />

aber vor allem <strong>bei</strong> den kleinen Pferden, für die Kinder, weil die Farbe dort noch eine viel<br />

grössere Rolle spielt, einen Schimmel. Kinder stehen auf Schimmel, je heller umso besser.<br />

Bjarmi (neuer Isländer) ist auch hell, man sieht auch sein Gesicht. Schwierig wird es <strong>bei</strong> dunkleren<br />

Pferden, <strong>bei</strong> denen auch das Gesicht weniger gut eingeschätzt werden kann. Die Mimik<br />

ist <strong>bei</strong> zum Beispiel Rappen für Kinder fast nicht erkennbar. Dadurch, dass sie auf dem Hof<br />

einmal 3 Isländer Schimmel hatten, war der Gedanke nahe einen weiteren Isländer Schim-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 113<br />

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mel aufzunehmen. Nur, Isländer Schimmel sind eine Seltenheit und daher ist Bjarmi ein sehr<br />

heller.<br />

Bei <strong>Jugendlichen</strong> und Erwachsenen merke ich weniger, dass die Farbe so im Vordergrund<br />

steht. Da diese Gruppe die Pferde schon eher als Persönlichkeiten kennt und mehr auf diesen<br />

Aspekt schaut.<br />

Bei neuen <strong>Jugendlichen</strong> könnte es auch eine Rolle spielen, aber das haben wir hier <strong>bei</strong>nahe<br />

nicht. Die meisten beginnen hier als Kinder, wo eben die Farbe eine grosse Rolle spielt. Später<br />

vermischt sich das, wenn sie die Pferde kennen, dann schauen sie auch auf andere Dinge.<br />

Bei den Heimen ist die Frage, wie viel die Leute überhaupt <strong>mit</strong>kriegen. Die einen kommen ja<br />

schon Jahre und kennen ihr Pferd noch immer nicht. Weil sie gar kein richtiges Bild vom<br />

Pferd haben. Für sie ist es wichtig, was überhaupt <strong>mit</strong> dem Pferd passiert. Das Erkennen vom<br />

äusseren her findet <strong>bei</strong> vielen gar nicht statt.<br />

Ich könnte mir vorstellen, habe es auch schon erlebt, dass sie dann reagieren, wenn sie auf<br />

dem Pferd drauf sitzen, weil es sich anders anfühlt als das letzte Mal zum Beispiel. Vorher<br />

gibt es zum / über das Pferd keine Reaktionen, erst wenn es sich für die Klienten persönlich<br />

anders anfühlt (anderer Gang, schmalerer Rücken, grössere Anforderung ans Gleichgewicht,<br />

andere Impulse…).<br />

Viele die wir hier haben sind ja auch seh- und Mehrfachbehinderte, <strong>bei</strong> denen hat niemand<br />

wirklich ein verinnerlichtes Bild vom Pferd. Es sind wirklich ganz wenige, die die Pferde auch<br />

erkennen.“<br />

Wenn Klienten aufgeregt sind, Medikamente <strong>bei</strong>seite gelassen, merkt man eine Beruhigung<br />

in der Nähe der Pferde?<br />

„Dies war schon häufiger der Fall. Es gibt es noch oft, dass die Heime kommen und es heisst<br />

heute muss man aufpassen, ist es etwas schwieriger <strong>mit</strong> diesem oder jenem. Dann mache<br />

ich eine ruhigere Stunde, wenn ich es im vornherein weiss, da<strong>mit</strong> ich sie nicht überfordere,<br />

bis zu ihren Grenzen fordere in dieser Stunde. Es kommt dann schon vor, dass sich die Klienten<br />

auf dem Pferd beruhigen. Es ist auf jeden Fall schon öfters vorgekommen, dass es geheissen<br />

hat, die Medikamente haben wir da<strong>bei</strong>, falls sie benötigt werden und dies war dann<br />

nicht der Fall.“<br />

Aufgeregte Klienten aufs Pferd? Wird das gefährlich?<br />

„Bei P. und Querida war das ideal. Querida ist sehr sensibel und hat mir die Ausbrüche von P.<br />

immer angezeigt bevor sie überhaupt passiert sind. Das ist auch das, was sie aus dem Heim<br />

immer gesagt haben, sie wundern sich, dass er <strong>bei</strong> den Pferden nie explodiert. Dies ging nur<br />

dadurch, weil ich durch Querida schon von der Explosionsgefahr gewusst habe und ihn dadurch<br />

ablenken konnte. Da habe ich zum Beispiel ein bisschen <strong>mit</strong> ihm gewitzelt oder ihn<br />

kurz geknuddelt, oder <strong>bei</strong> der Hand genommen. Auf die Art: “Hey mir händs doch guet“,<br />

konnte man ihn gut runter holen, bevor er explodiert ist. Sonst hat man das eben nie vorher<br />

gewusst, weil niemand die Anzeichen gemerkt hat. Dies faszinierte die Betreuer so sehr, dass<br />

eben nie ein Ausbruch in der Nähe der Pferde passierte, weil eben Querida diese Anzeichen,<br />

die wir Menschen nicht merken, schon vorher verspürt und anzeigt.“<br />

Dadurch ging es auch immer gut?<br />

„Ja das schon, obwohl es auch Momente gab, wo sie mir fast in den Po gebissen hätte. Sie<br />

musste enorme Emotionen aushalten, bis ich reagiert habe. Hier ist es natürlich dann besonders<br />

wichtig, dass das Pferd danach auch seinen eigenen Ausgleich hat. Die Pferde kriegen<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 114<br />

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da vieles an Emotionen ab, was man sich bewusst sein muss. Es ist besonders wichtig, dass<br />

die Pferde dann auch ihre Auszeit kriegen, sich wallen können und einfach Pferd sein und<br />

nicht gleich eine nächste Therapiestunde durchführen müssen.<br />

Übrigens dazu kommt, ich hatte P. immer als zweites auf dem Pferd. Die Pferde kriegen eben<br />

die Emotionen ab über, wenn danach gleich ein anderer Klient auf das Pferd sitzt, dann<br />

kriegt er wiederum diese Emotionen über das Pferd ab. Die Pferde geben die Emotionen<br />

auch weiter, daher ist es von Vorteil, erst den ruhigen und gelassenen Patienten auf dem<br />

Pferd zu haben und erst danach einen, <strong>bei</strong> dem es schwieriger wird. Das ist eigentlich auch<br />

ein heikler Punkt <strong>bei</strong> uns, dass wir das Pferd wechseln. Weil es immer so ist, dass das Pferd<br />

vom ersten Menschen von seiner Aura, Ausstrahlung etwas abkriegt und der zweite, der<br />

danach gleich aufsteigt, ohne dass das Pferd eine Regenerationspause hatte, kriegt immer<br />

etwas davon <strong>mit</strong>. Eben daher ist es nicht der idealste Fall, aber es gibt da noch keine andere<br />

Lösung. Hätte jeder ein eigenes Pferd, bräuchte man so viele Betreuer, dass es finanziell<br />

nicht mehr aufgeht, dann bleiben die Heime fern. (Organisation, Finanzen)<br />

Ich denke aber wenn man es sich bewusst ist, was alles abgeht und was die Pferde aushalten<br />

müssen und ihnen dementsprechend auch Zeit gibt, da<strong>mit</strong> sie sich nachher wieder erholen<br />

können, kann man so ar<strong>bei</strong>ten.<br />

Es ist auch spannend, dass oft nach emotional aufgeladenen Stunden die Pferde sich wallen<br />

und alles wieder richten (körperlich), danach in eine Ecke stehen und alles verar<strong>bei</strong>ten. Man<br />

merkt, dass die Pferde erst wieder zu sich kommen müssen und nicht gleich fressen gehen<br />

oder <strong>mit</strong> den anderen Pferden kommunizieren. Sie brauchen einfach Zeit für sich.“<br />

Geschlechter der Pferde?<br />

„Wichtig <strong>bei</strong> Missbrauchsopfer. Wir hätten gerne zwei Hengstfohlen gehabt, wurden aber<br />

zwei Stuten. Dies ist aber nach meinem Gutdünken, ich fühle mich unter Männern wohler als<br />

unter zickigen Frauenzimmern. Persönliche Vorliebe zweidrittel Wallache und der Rest Stuten.<br />

Mit dem kann ich gut ar<strong>bei</strong>ten, dies würde mir entsprechen.“<br />

Unterschied Gruppendynamik der Pferdeherde?<br />

„Ja. Und eben auch vom Zyklus(Hormone) der Stuten her, gibt es Tage an denen sie zickiger<br />

sind, natürlich nicht alle gleich. Es gibt es auch <strong>bei</strong> Wallachen, dass sie Stimmungsschwankungen<br />

haben aber nicht so extrem wie <strong>bei</strong> den Stuten. Man kann dies besser einschätzen,<br />

weil es zum Beispiel auch vom Wetter abhängen könnte. Was nun noch sehr spannend ist,<br />

sind die zwei neuen Mütter. Es wird weiterhin spannend diese zu beobachten. Sie haben ihre<br />

mütterliche und fürsorgliche Seite an sich entdeckt. Seit Cailin Mami ist, bockt sie nicht<br />

mehr. Vorher war es ihr egal, wenn mal jemand runterfiel weil sie einen „Lebens-Genuss-<br />

Bocksprung“ machte. Also dies hat sie auch nicht in den Therapiestunden sondern in den<br />

Ausreitgruppen gemacht. Das hat sie total abgelegt, es darf doch keiner runterfliegen! Dies<br />

änderte sie schon in der Zeit in der sie trächtig war. Ich bin gespannt ob das wieder kommt,<br />

<strong>bei</strong> <strong>bei</strong>den frisch gebackenen Müttern. Sie tragen den Reitern nun mehr Sorge, wie einem<br />

Fohlen, schauen sie, dass sie heile wieder nach Hause kommen.<br />

Nazeerah: Borderline Pferd, viele abgebrochene Beziehungserfahrungen. Misstrauen dem<br />

Menschen gegenüber. Ich suche den Kontakt habe aber Angst vor weiteren Enttäuschungen.<br />

Will Kontakt aber lass mich in Ruhe. Ich komme zu dir aber lass mich in Ruhe. Weiterhin ein<br />

Thema, welchen Menschen sie trauen kann. Nach 7en Jahren ist es für uns kein Problem<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 115<br />

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mehr. Hat sich über die Jahre abgebaut das Misstrauen gegenüber uns. Bei Klienten immer<br />

noch Thema, wie sehr lasse ich mich darauf ein, oder halte ich mir diese besser vom Leib.<br />

� Wäre kein Pferd für Kinder, die beziehungsmässig schon verunsichert sind. Da<br />

bräuchte es ein konstantes, welches hier ist und für einen da ist.<br />

� Für Kinder <strong>mit</strong> der Einstellung ich bin hier was kostet die Welt, wäre dies schon eher<br />

ein Pferd um mal richtig in etwas zu investieren zu lernen.“<br />

7. Wie sieht ein für eine depressive Klientel spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

b. Dauer<br />

c. Intensität<br />

8. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

a. Schwerpunkte<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es/könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

9. Auf was muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

„Gleich ist der Grundaufbau der Stunde. In welche Richtung es nachher geht, welche Themen<br />

wir streifen, klar lernt jeder einfach mal die Grundlagen, aber der Weg dahin entsteht in<br />

der Gruppe. Wenn man <strong>mit</strong> Gruppen ar<strong>bei</strong>tet, kann man nie denselben Weg machen. Einige<br />

verharren länger <strong>bei</strong> einem Thema, andere streifen dieses nur. Ich schaue sehr, was mir von<br />

der Gruppe her entgegenkommt und was man daraus machen kann.<br />

Wenn ich depressive Züge <strong>bei</strong> Kindern sehe, dann versuche ich wohl am ehesten, die Stimmung<br />

in der Gruppe zu fördern. Das es in so einer Gruppe zum Beispiel viele Momente für<br />

das Gemüt hat und dass wir die kognitiven Aspekte etwas weniger dran nehmen, als zum<br />

Beispiel <strong>bei</strong> einem Kind <strong>bei</strong> dem es darum geht die Merkfähigkeit zu schulen. Im Sinne von<br />

Schwerpunkte setzen. Zeit zum sein. Nur ausreiten und Fohlen <strong>mit</strong>nehmen. So gibt es nichts<br />

neues für den Kopf zum Lernen aber es gibt ganz viel zu erleben. Zuschauen, was die Fohlen<br />

machen, wie reagieren die Pferde auf denen man sitzt. Erlebniswelt mehr im Vordergrund.<br />

10. Was bietet die Reittherapie speziell für eine Klientel <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

11. Welche Erfolge der Therapie sind zu verzeichnen?<br />

Was denkst du ist besonders gut an deiner Ar<strong>bei</strong>t? Wirkfaktor?<br />

„Ein Punkt ist bestimmt dieser, dass wir die Leute nicht künstlich motivieren müssen. Es gibt<br />

andere Therapieformen, <strong>bei</strong> der man erst überlegen muss, wie bringe ich das Kind dazu<br />

Plausch zu haben und <strong>mit</strong>zuar<strong>bei</strong>ten. Wir hatten erst kürzlich einen Fall <strong>mit</strong> einem Jungen,<br />

wo wir fanden es hat keinen Sinn, weil er überhaupt kein Interesse an den Pferden gezeigt<br />

hat. Dann hat es wirklich keinen Sinn, weil eben genau der Vorteil darin liegt, dass wir eigentlich<br />

nicht künstlich zu motivieren brauchen. Weil wenn wir das tun müssen, können sie<br />

gerade so gut an einen anderen Ort gehen und brauchen dafür keine Pferde.“<br />

Warum kam er dazu?<br />

„Mutter wollte das.<br />

Das andere ist, dass immer ein Wesen <strong>mit</strong>spielt und uns oft hilft, was man nie ganz einplanen<br />

kann, wie das Pferd einen gerade unterstützen wird, aber es ist faszinierend, wie vielfach<br />

von Pferden die Unterstützung genau am richtigen Ort kommt. Wo die Pferde das Gespür<br />

für die Kinder haben auf einer ganz anderen Ebene als wir Menschen und eben entsprechend<br />

entgegenkommen oder auch mal weglaufen und finden so nicht. Das Pferd spiegelt<br />

und handelt auch von sich aus, in dem Rahmen in dem es erlaubt ist. Das Pferd versucht<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 116<br />

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solange auf den Menschen einzugehen bis es an seine Grenzen stösst, dann kommt eine<br />

Geste, die wiederum zeigt, dass da heftige Emotionen vorhanden sind und erst der Mensch<br />

an sich ar<strong>bei</strong>ten muss, weil das Pferd nicht mehr tun kann.<br />

Es ist die Unterstützung von einem anderen Lebewesen, das auf einer anderen Ebene kommuniziert<br />

als wir es tun. Pferde merken daher Dinge und agieren auf ihre Weise, wenn wir<br />

noch gar nichts bemerken. Dies unterstützt uns total. Das finde ich sehr viel einfacher, als<br />

wenn zum Beispiel eine Therapeutin in einem Raum ar<strong>bei</strong>te wo sie das einzige lebende ist,<br />

welche aufnehmen und spiegeln kann. Man kriegt dann auch nicht soviel <strong>mit</strong>, auf jeden Fall<br />

nicht auf der Eben, wo die Pferde uns ergänzen.“<br />

12. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

„Also wenn jemand <strong>mit</strong> Tieren nichts anfangen kann, dann macht es keinen Sinn. Weil eben<br />

genau dies der Vorteil ist, dass sie für die Pferde so motiviert sind, daher auch bereit sind<br />

sehr viele Dinge zu tun, auch Dinge, welche sie sonst eher vermeiden. Viele Kinder <strong>mit</strong><br />

Schwierigkeiten versuchen ja genau solche Situationen zu vermeiden, in denen diese Schwierigkeiten<br />

zum tragen kommen. In solchen Ausweichstrategien werden sie sehr geschickt, um<br />

sich um die Probleme zu manövrieren. Durch die Pferde können die Kinder Fortschritte machen,<br />

weil sie dazu motiviert werden sich auch an die Probleme zu wagen. Man muss die<br />

Kinder nicht dazu zwingen und auch nicht alle möglichen Ideen haben um die Kinder zu motivieren.<br />

Sie haben den Plausch und darum tun sie es.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 117<br />

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7.5.6 Interview <strong>mit</strong> P. A. (25.11.2009)<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

„Ich bin Primarlehrer und habe Heilpädagogik studiert an der Uni Basel. Damals gab es noch<br />

keine Spezialisierung.<br />

Ich habe immer als Lehrer gear<strong>bei</strong>tet, die ersten 3 Jahre <strong>mit</strong> einer Primarklasse an einer Regelschule,<br />

von da an hatte ich immer Kleinklassen für Verhaltensauffällige. Dann habe ich an<br />

der Sprachheilschule in Wabern erst eine Klasse gehabt <strong>mit</strong> schwerhörigen Kindern. Danach<br />

Sprachheilkinder und seither in Münchenbuchsee immer Sprachheilkinder.<br />

Dann die Ausbildung zum heilpädagogischen Reiten.“<br />

2. Wie setzt sich die Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

b. von den Diagnosen<br />

„Patienten: zusammengewürfelt, querbeet durch alle Diagnosen, ausser die medizinisch Indizierten,<br />

die werden der Hippotherapie zugewiesen. Sonst habe ich jede Behinderungsart<br />

und jedes Alter (kleinstes 4 jährig – 45 Jahre).“<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

„Diagnosen werden vorher gestellt und dann so zu mir geschickt.<br />

Es ist fast die Regel, dass mir dann während der Therapie noch weitere Dinge auffallen, welche<br />

ich dann <strong>mit</strong> den Eltern oder Sozialpädagogin bespreche. Wir bleiben darauf auch im<br />

Gespräch und können so eruieren, was ist schon gelaufen, was hat nicht geklappt. Das ist<br />

sehr spannend. Ich mache durch das Band hinweg nur positive Erfahrungen. Ich habe es<br />

noch nie erlebt, dass das Heilpädagogische Reiten kontraproduktiv in der Entwicklung von<br />

einem Menschen wäre. Ganz im Gegenteil, wenn ich sehe, wie die Klienten reagieren, wenn<br />

sie am reiten sind auf dem Pferd. Das ist jedes Mal auch für mich wieder ein besonderes Erlebnis,<br />

auch wenn gewisse Leute schon jahrelang kommen. Ich sehe, was da<strong>bei</strong> ausgelöst<br />

wird. Wie zum Beispiel die Menschen auftauen, erst verschlossen sind dann auftun, lachen<br />

und erzählen und sogar zu singen beginnen. Singen ist auch etwas, <strong>bei</strong> dem plötzlich extrem<br />

viel zum Vorschein kommt. Es gab schon Klienten, die auf dem Pferd die ganze Zeit gesungen<br />

haben. Wisst ihr wenn man sieht, wie sich auch der Gesichtsausdruck verändert. Wie sie zu<br />

lachen beginnen, die Gesichter gelöst werden, das ist so etwas erfüllendes. Ich gebe ja nicht<br />

nur diese Stunde, ich erhalte auch sehr viel von den Klienten zurück, das ist das, was wirklich<br />

auch Spass macht. Ich habe es noch nie bereut oder das Gefühl gehabt, jetzt mag ich nicht<br />

mehr, denn ich kriege auch immer wieder Energie von den Klienten.“<br />

4. Auf welchen theoretischen Modellen basiert die Therapie?<br />

5. Mit welchen Methodischen Konzepten wird in der Therapie gear<strong>bei</strong>tet?<br />

Generelle Prinzipien?<br />

„Nach Fähigkeiten der Klienten:<br />

Es ist mir wichtig, dass ich möglichst alle Wahrnehmungsbereiche in einer Lektion anspreche.<br />

So, dass das Kind aber gar nicht merkt, was da alles abgeht. Es geht enorm viel auf dem<br />

Pferd, in sämtlichen Wahrnehmungsbereichen. Das setze ich ganz gezielt ein. Ich gebe genaue<br />

Hinweise/Impulse oder Hilfen für den Klienten, dass er dieses oder jenes macht, <strong>mit</strong><br />

dem ich beabsichtige, dass er zum Bsp. im visuellen oder auditiven Bereich eine Erfahrung<br />

machen kann. Da<strong>mit</strong> der Klient veranlasst wird seine Wahrnehmung zum Beispiel auf die<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 118<br />

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Geräusche des Waldes zu richten und dazu dann auch kommunikativ Stellung zu nehmen.<br />

Das läuft aber alles so in einem gleichmässigen Rahmen ab, ohne dass man realisiert, was<br />

alles gleichzeitig abgeht. Für mich ist das natürlich auch enorm spannend, denn auch ich bin<br />

gefordert und muss mir meine Gedanken machen, wie kann ich den Klienten jetzt auf etwas<br />

aufmerksam machen ohne die Sache direkt anzusprechen. Aber das hängt <strong>mit</strong> meinem Beruf<br />

eh zusammen, das muss ich tagtäglich an der Sprachheilschule machen.<br />

Daneben finde ich auch alle Ar<strong>bei</strong>ten um das Pferd herum wichtig, all diese Grobmotorischen<br />

Aktivitäten wie wischen, Bollen zusammen nehmen,… Viele hatten noch nie einen<br />

Besen in der Hand. Ich lasse sie, auch <strong>bei</strong>m Bollen aufsammeln, erst ihre eigenen Erfahrungen<br />

machen und gebe ihnen dann aber auch Tipps, wie sie es machen könnten. Dies mache<br />

ich aber ohne Druck, schlussendlich dürfen sie auch weiter so tun, wie sie es begonnen haben.<br />

Ich finde diese Ar<strong>bei</strong>ten um das Pferd herum auch sehr wichtig, weil dies heute oft auch<br />

Erfahrungen sind, die die Kinder zu Hause gar nicht mehr machen können. Ein Beispiel hierzu<br />

wäre <strong>mit</strong> der Schubkarre eine Fuhre Mist auf dem Misthaufen abladen. Zu spüren wie es ist<br />

die Schubkarre zu lenken wenn sie voll ist, im Gegenzug dazu dann, wie es sich anfühlt wenn<br />

sie leer ist. Dies scheint mir sehr wertvoll zu sein.<br />

Taktil: Gewicht spüren<br />

Visuell: voll zum Miststock, leer zurück<br />

Putzen des Pferdes ist mir auch wichtig. Die Unterschiede des Felles kennen lernen. Weichere,<br />

dickere Haare, Behänge, Mähne, Schweif dürfen die Kinder und Behinderten spüren. Putzen<br />

dürfen sie jedoch nur das gewöhnliche Fell. Huf auskratzen ist auch ein besonderes Erlebnis.<br />

Zu Beginn gebe ich ihnen noch Hilfestellung später schaffen es einige Kinder auch<br />

alleine die Hufe hochzuheben und die Hufe auszukratzen. Dies geht nur, wenn der Dreck<br />

nicht zu hart ist. Man kann <strong>bei</strong>m Hufauskratzen weitere Erfahrungen <strong>mit</strong> gefrorener oder<br />

weicher Erde machen und so weiter. Das sind alles Erlebnisse.<br />

Ich schaue, dass ich anfänglich keine Kinder überfordere indem ich ihm Hilfestellung gebe.<br />

Beim Hufauskratzen zum Beispiel, zeige ich es zuerst vor, dann machen wir es gemeinsam<br />

und wenn es soweit ist, darf das Kind es auch alleine probieren. Beim Putzen ist das genauso.<br />

Genau <strong>bei</strong> geistig Behinderten ist das Führen ein wichtiger Punkt. Da<strong>mit</strong> man merkt, welche<br />

Bewegungen man machen muss, welchen Druck muss ich nutzen,…“<br />

Ar<strong>bei</strong>tsmethoden?<br />

„Schwierig zu sagen, da diese sich auf den Klienten beziehen und es keine 0815 Rezepte<br />

gibt.“<br />

6. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

Beschreibe deine Ar<strong>bei</strong>t:<br />

„Ich ar<strong>bei</strong>te gemeinsam <strong>mit</strong> Behinderten und <strong>mit</strong> dem Pferd als Co-Therapeut. Diese Ar<strong>bei</strong>t<br />

ist sehr umfassend, da das heilpädagogische Reiten eine sehr gesamtheitliche Therapie-Form<br />

ist.<br />

Ich führe zu Beginn die Patienten / Klienten an die Pferde hin. Das beginnt <strong>bei</strong> der Begrüssung,<br />

es ist mir sehr wichtig dass der Beziehungsaufbau zwischen Klient und Pferd statt finden<br />

kann. Danach kommen alle Ar<strong>bei</strong>ten rund um das Pferd, die das heilpädagogische Reiten<br />

auch umfassen. Die Pferde vorbereiten erst <strong>mit</strong> Decke und Voltige Gurt bevor man weiter<br />

zum reiten kommt und das Pferd zu satteln beginnt. Wie schon erwähnt, werden im Umgang<br />

<strong>mit</strong> Pferden auf natürliche Weise sehr viele Bereiche <strong>bei</strong>m Klienten angesprochen, wie es in<br />

der Psychomotorik wohl ähnlich ist (visuell, auditiv, taktil). Dies nimmt der Klient gar nicht so<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 119<br />

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ewusst wahr und trotzdem kann ich <strong>mit</strong> den richtigen Inputs den Klienten die einen oder<br />

anderen Phänomene bewusster machen. Da<strong>mit</strong> eben weitere Erfahrungen zum Beispiel im<br />

taktilen Bereich gemacht werden können. Beispiel <strong>mit</strong> dem Streicheln des Pferdes spürt man<br />

ob es warm, kalt, nass, trocken,… ist. Man kann am Pferd riechen, denn Pferde riechen immer<br />

so fein, vor allem wenn sie im Offenstall gehalten werden und nicht so nach Stall riechen.“<br />

Frage: Wenn die Klienten <strong>bei</strong>m Reiten angekommen sind, setzt du Spielzeug ein?<br />

„Vor allem wenn wir im Viereck ar<strong>bei</strong>ten, werden Spielsachen eingesetzt. Tücher sind sehr<br />

angenehm um da<strong>mit</strong> zu ar<strong>bei</strong>ten. Man kann zum Beispiel die Pferde in die Tücher einpacken,<br />

Gegenstände holen und an einem anderen Ort wieder abladen.<br />

Genau <strong>bei</strong> den Kindern <strong>mit</strong> denen ich ar<strong>bei</strong>te, sie sind sprachbehindert, gibt dies gute Inputs<br />

für Kommunikations-Momente. Das Kind muss sagen, wo es hin will, es muss dem Pferd sagen,<br />

wann es anreiten und anhalten soll. Ich als Therapeut mache von mir aus nichts, erst<br />

wenn das Kind mir den Auftrag erteilt. So wird das Kind sehr motiviert sich sprachlich zu äussern<br />

zugleich wird es gefordert und gefördert. Sehr gutes Angebot für sprachbehinderte Kinder.<br />

Zur Motivation kommt noch die ganze Palette an Material hinzu, welche auch gelernt<br />

und kommunikativ gebraucht werden kann (Halfter, Striegel, Heu,…). Mit der Zeit wissen die<br />

Kinder was ein Halfter ist, welche Farbe zum Beispiel das von Byrtha hat, wie man das Halfter<br />

hält. Was dann auch sehr wertvoll ist, wenn man hinaus geht und die Jahreszeiten erleben<br />

kann. Dies gibt auch ganz viele Sprechanlässe (Witterung, Bodenbeschaffenheit, …).<br />

Man kann zum Beispiel nur schon hören und danach beschreiben, wie sich der Boden anfühlt.<br />

Man hört im Wald verschiedene Tiere. Beim Teich hat es Enten, Frösche und Graureiher.<br />

Das sind alles Sprechanlässe, welche ich sehr gerne aufnehme oder den Kindern die Anregung<br />

biete, da<strong>mit</strong> sie sich sprachlich ausdrucken.<br />

Für das Kind muss es ein wunderbares Erlebnis sein, wenn man dem Pferd sagt komm und es<br />

kommt. Das muss ein irrsinniges Gefühl sein, wenn einem so ein grosses Pferd gehorcht.<br />

Auch wenn man sagt HAAALT, dass das Pferd stehen bleibt.<br />

Drum ist es mir auch sehr wichtig, dass die Kinder <strong>mit</strong> den Pferden sprechen. Die wissen ja<br />

nicht was wir Menschen von ihnen wollen, erst wenn wir es ihnen gesagt haben, was wir<br />

gerne möchten.<br />

Wo<strong>bei</strong> meine Pferde machen extrem gut <strong>mit</strong>, sie passen sehr gut auf, sie schauen genau was<br />

um sie herum passiert und sind sehr hilfsbereit. Dies zeigt sich zum Beispiel <strong>bei</strong>m Hufauskratzen,<br />

wo sie die Beine schon von alleine hoch heben, weil sie genau wissen, was als<br />

nächstes kommt. Das ist natürlich schon hilfreich, auch für mich, wenn man so „gäbigi“ Pferde<br />

hat. Natürlich ist die Voraussetzung zu solche gäbigen Pferden auch, dass ein gutes Vertrauensverhältnis<br />

zwischen mir und den Pferden besteht.<br />

Mein Umgang <strong>mit</strong> den Pferden ist natürlich extrem wichtig. Wenn ich selber um die Pferde<br />

herum hetze, muss ich nachher nicht erwarten, dass ich ein ruhiges Pferd habe.“<br />

7. Wie sieht ein für eine depressive Klientel spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

b. Dauer<br />

c. Intensität<br />

8. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

a. Schwerpunkte<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es/könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 120<br />

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9. Auf was muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

„Das Wohlfühlen ist sehr wichtig. Zum Beispiel ist es <strong>bei</strong> diesem Klienten vom Nach<strong>mit</strong>tag so,<br />

dass ich absichtlich nicht noch im Viereck <strong>mit</strong> Spielsachen ar<strong>bei</strong>ten will, wo ich ihm die ganze<br />

Ar<strong>bei</strong>t oder das ganze Körperempfinden, noch zusätzlich strapazieren würde (Treffe ich oder<br />

nicht <strong>mit</strong> Ball in Kübel). Das würde ihn mehr verspannen, als dass er aus dieser Spannung,<br />

die er an und für sich von den epileptischen Anfällen her schon hat, herausgerissen würde.<br />

Oder auch für die Lethargie in der er aufgrund seiner Depressionen ist, fände ich dies nicht<br />

förderlich. Darum gehe ich <strong>mit</strong> ihm ganz bewusst eine halbe Stunde nach draussen reiten,<br />

extra nicht im Viereck. Denn im Viereck ist man immer in einem Kreis, das Pferd ist immer<br />

gebogen und die Gefahr für den Patienten aus dem Gleichgewicht zu kommen ist stetig vorhanden.<br />

Daher gehe ich gerne raus, da es da auch längere gerade Strecken gibt. Das Pferd<br />

kann da<strong>bei</strong> schön regelmässig gehen. Die Bewegung des Pferderückens bleibt dadurch auch<br />

gleich und der Klient kann so diese Bewegungen <strong>mit</strong> der Zeit besser übernehmen. Das ist<br />

genau dieses schaukeln, welche dieses gewisse Wohlbefinden auf dem Pferd auslöst. Ein<br />

Beispiel für diese entspannende, gleichmässige Bewegung ist ein Junge, welcher immer am<br />

Ende der Stunde zu gähnen beginnt.“<br />

Spezielle Vorgehensweisen für Depression?<br />

„Wohlfühlen, aus dem Kreis rausgehen…<br />

Keine weiteren speziellen Vorgehensweisen, ich ar<strong>bei</strong>te nicht viel <strong>mit</strong> Depressiven.“<br />

10. Was bietet die Reittherapie speziell für eine Klientel <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

HPR eignet sich für Klientinnen und Klienten <strong>mit</strong> Depression? Auch ohne körperliche Behinderung?<br />

„Ja zweifellos, da bin ich überzeugt davon.“<br />

Was wäre so besonders gut?<br />

„Das ist eben im Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Wohlbefinden. Ich finde es ist so ein schönes Gefühl,<br />

wenn man auf dem Tier sitzen und sich bewegen lassen kann. Man muss selber nicht<br />

aktiv sein sondern kann einfach geniessen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der Patient<br />

nicht grosse Angst vor dem Pferd hat, denn dann müsste man zuerst daran ar<strong>bei</strong>ten,<br />

dass diese Angst verschwindet. Wenn jemand angstfrei auf dem Pferd sitzen kann, ist diese<br />

Bewegung die man spürt einfach wunderbar und löst viele positive Gefühle aus. Ich kann es<br />

mir nicht vorstellen wie man reitenderweise auf dem Pferd depressiv sein könnte. Es löst<br />

diese Depression.<br />

Es ist kein Leistungsdruck vorhanden, man kann alles dem Pferd abgeben, das ist das schöne<br />

Gefühl. Zusätzlich ist man draussen in der Natur und kann vielleicht noch ein paar wärmende<br />

Sonnenstrahlen geniessen, das ist einfach wunderschön. Dies löst meiner Meinung nach<br />

Freude und gute Gefühle aus.“<br />

11. Welche Erfolge der Therapie sind zu verzeichnen? / Wirkfaktoren<br />

Hypothesen, welche Faktoren die Therapie so erfolgreich machen?<br />

„Wichtigster Aspekt ist dieser, dass es eine umfassende Therapie ist. Im Heilpädagogischen<br />

Reiten gibt es das nicht, dass ein Bereich losgelöst von allen anderen angeschaut wird. Es ist<br />

wirklich so umfassend und spricht so viele Gebiete in nur einer Stunde an, dass dies wirklich<br />

entscheidend ist.<br />

Wirkfaktoren:<br />

- Anziehung der Pferde<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 121<br />

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Ich denke wenn jemand das Tier Pferd überhaupt nicht mag, dann kommt er auch nicht in so<br />

eine Therapie. (Freiwilligkeit der Therapie)<br />

- Sehr vielfältig durch die Ganzheitlichkeit<br />

- Bewundernswert wie Menschen auf den Pferden plötzlich zu singen, summen sprechen,<br />

erzählen beginnen. Vor allem <strong>bei</strong> den Kindern aus der Sprachheilschule, welche<br />

zum Teil auch ein grosses Bewusstsein der eigenen Mängel haben, ist es schön zu sehen,<br />

wie sie zu sprechen beginnen und Hemmungen abbauen. Das sind für mich<br />

wunderbare Momente<br />

- Gesichtszüge ändern sich, am Offensichtlichsten ist es wenn die Klienten zu Lachen<br />

beginnen, wenn sich die ganze Gesichtsmuskulatur entspannt, das ist einfach wunderbar.“<br />

12. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

Buben / Mädchen Unterschiede<br />

„Jungs die ich habe sind so 9 / 10 in diesem Alter gibt es keine Unterschiede zum Verhalten<br />

gegenüber Pferden. Auch die Buben zeichnen die Pferde in der Schule und erzählen begeistert<br />

von ihnen. Heikel wird es erst später in der Zeit der Adoleszenz (Vorpubertät / Pubertät).<br />

Dann ist das Pferd für den Jungen nicht mehr dasselbe wie für das Mädchen. Mädchen betüdeln<br />

die Pferde gerne (halten, streicheln, herzen, putzen, Zöpfli mache) ist überhaupt nicht<br />

mehr ihr Ding.<br />

Ich hatte männliche Jugendliche in diesem Alter, aber sie waren geistig behindert. Dies<br />

macht wieder einen Unterschied. Sie schauen die Pferde <strong>mit</strong> anderen Augen an, eher <strong>mit</strong> der<br />

kindlichen Begeisterung, die auch die „normalen“ Jungs zu Beginn haben.“<br />

Affinität zu Tieren:<br />

„Ich habe schon das Gefühl, dass die Affinität zu den Pferden eine Rolle spielt. Ich finde es<br />

auch extrem wichtig, dass man entsprechende Tiere für die Therapie einsetzen kann. Die<br />

einem auch ein Vertrauen geben können. Vertrauen über<strong>mit</strong>teln, dass Klienten merken aha<br />

ich kann zu dem Tier hingehen und es ist gar nicht so böse wie ich es ursprünglich gedacht<br />

habe. Da gibt es auch schöne Erlebnisse auf der Weide, wenn das Pferd nicht davon springt<br />

sondern zu einem hinkommt, neugierig ist und einen beschnuppert. Man kann <strong>mit</strong> der Zeit<br />

zum Pferd hingehen und es streicheln… Es gibt in diesem Sinne verschiedene Prozesse um<br />

die Angst abzubauen.“<br />

Förderlich besonderer Bezug zu Tieren?<br />

„Ich denke schon, dass dies etwas ausmacht. Je offener man ist <strong>mit</strong> einem Tier zu ar<strong>bei</strong>ten<br />

umso offener ist man danach auch um das geschehen zu lassen, was man eigentlich gerne<br />

erreichen möchte.<br />

Auch hier ist das Vertrauen ganz wichtig.“<br />

Bemerkungen / Weiteres<br />

Dauer der Therapie allgemein (nicht auf depr. Bezogen)<br />

„Bisher ist es noch nie vorgekommen das jemand <strong>mit</strong> einer bestimmten Anzahl Therapie-<br />

Einheiten in seiner Vorstellung vor<strong>bei</strong> gekommen ist. Es ist immer offen, wie lange die Therapie<br />

geht. In der Regel dauert es viel länger als sagen wir 10 Mal. Das geht ein, zwei oder<br />

auch mehr Jahre. Ich finde das auch schön, wenn es eine gewisse Kontinuität gibt. Der Fan-<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 122<br />

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tasie sind keine Grenzen gesetzt, man kann so viele Dinge machen und unterschiedliche Materialien<br />

einsetzen.“<br />

Heilpädagogisches Reiten:<br />

„Das Reiten lernen steht nicht im Vordergrund. Es kann aber dazu führen, dass das Reiten<br />

tatsächlich erlernt wird. Es gibt es auch, dass gesunde Kinder zu mir kommen, die reiten lernen<br />

wollen. Das ist auch möglich, aber der Ansatz <strong>mit</strong> dem ich beginne (Aufbau/Basis) ist<br />

immer ein heilpädagogischer, es ist dann nicht reitschulmässig. (Ganzheitlicher)<br />

Es gab es auch schon, dass Mädchen ins heilpädagogische Reiten kamen und nach ein paar<br />

Jahren nun auch selbständig reiten können. Aber das ist eher die Ausnahme.<br />

Gespräche sind auch im heilpädagogischen Reiten sehr wichtig. Genau <strong>bei</strong> dem, dessen<br />

Stunde ausgefallen ist, bedeutet es enorm viel wenn er einfach erzählen kann und ihm jemand<br />

zuhört. Aus seinem Alltag, aus seinem Leben erzählen.“<br />

Ar<strong>bei</strong>t an der Angst:<br />

„Angst ist kein Hindernis um heilpädagogisch zu Reiten. Es kommen viele Leute zu Beginn,<br />

die sagen, ich habe ein bisschen Angst. Angst die lähmt ist natürlich etwas schwierig, es geht<br />

eher in die Richtung zu Respekt vor dem Tier. Es ist dann meine Aufgabe die Person an das<br />

Pferd hinzu führen, so dass eine Beziehung aufgebaut werden kann. Ich muss das Setting so<br />

gestalten, da<strong>mit</strong> der Klient merkt, dass er gar keine Angst vor dem Tier haben brauche. Viele<br />

Leute kommen und fragen ob die Pferde ausschlagen oder <strong>bei</strong>ssen. Diese zwei Dinge sind in<br />

der Meinung der Menschen verbreitet. Wenn sie danach die Erfahrung machen, dass das<br />

nicht geschieht, dann können sie diese Angst peu à peu abbauen. Oder wenn jemand auf<br />

dem Pferd oben Angst hat, dann wird das sorgfältig vorbereitet und der Klient wird <strong>mit</strong> entsprechenden<br />

Übungen dahin geführt. Ich will ja keine Überforderung provozieren.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 123<br />

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7.5.7 Interview <strong>mit</strong> B. S. (2.12.2009)<br />

0. Offene Frage zur Ar<strong>bei</strong>t als Türöffner: Was tun sie genau? Ev. Situation: Stellen sie sich<br />

die Situation vor, sie haben eine Klientin die an Depressionen leidet, wie gehen sie vor?<br />

„Die Klientin soll sich willkommen fühlen. Wir begrüssen zusammen die Pferde und ich zeige<br />

ihr „ihr“ Pferd. Ich stelle sie auch Thülers vor (die sich alle Namen zu merken versuchen). So<br />

fühlt sie sich integriert auf dem Betreib. Beim Pflegen des Pferdes mache ich sie auf dessen<br />

Eigenheiten aufmerksam, erzähle ihr Spezielles zu ihrem Pferd, z.B. wo es besonders gern<br />

gekrault wird oder zeige ihr Kennzeichen. Sie kann das Pferd betasten und beschnuppern.<br />

Falls sie noch keine Erfahrung hat <strong>mit</strong> Pferden, ziehen wir dem Pferd vorerst Decke und Voltigiergurt<br />

an. Sie kann sich an den Griffen festhalten und erst einmal nur die Bewegung des<br />

Pferdes spüren. Sich getragen fühlen und zu entspannen versuchen. Sie kann ev. versuchen,<br />

eine Hand zu losen und das Pferd zu streicheln. Ich lobe sie für kleine Erfolge, klopfe jeweils<br />

Pferd und Reiter auf die Schulter. Das löst meist gute Gefühle aus.<br />

Nach dem Reiten belohnen wir das Pferd <strong>mit</strong> dem „Birchermüesli“, es bekommt eine Rückenmassage<br />

und darf noch kurz Heu naschen. Wir nehmen uns Zeit für den Abschied und<br />

beobachten es meist noch eine Weile im Auslauf.“<br />

1. Welchen Ausbildungsweg haben Sie beschritten?<br />

Lehrerseminar Luzern, 5 Jahre<br />

Heilpädagogisches Seminar in Zürich, 2 Jahre<br />

Berufsbegleitende Ausbildung zur Reitpädagogin SV-HPR (Schweiz. Vereinigung für Heilpädagogisches<br />

Reiten), 2 Jahre<br />

2. Wie setzt sich die Klientel zusammen?<br />

a. vom Alter<br />

4 Jahre – 60 Jahre<br />

b. von den Diagnosen<br />

geistige Behinderung, ADS, Psychosen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörung,<br />

Entwicklungsrückstand, emotionale und soziale Störung, Bindungsstörung <strong>mit</strong> Rückzugsverhalten<br />

3. Wer stellt die Diagnosen? Werden sie im Therapieverlauf erar<strong>bei</strong>tet?<br />

„Die Diagnosen erstellt ein Arzt. Die Klienten haben eine ärztliche Verordnung. Dort stehen<br />

Diagnose und klinisches Zustandsbild drauf sowie die kurz- und langfristig angestrebten Therapieziele.“<br />

4. Nach welchen Prinzipien ar<strong>bei</strong>ten sie in der Therapie?<br />

„Vor allem Wohlbefinden und Lebensfreude ver<strong>mit</strong>teln; Freude und Energie aktivieren. Die<br />

Klienten sollen selbst bestimmen, in welche Richtung sie gehen möchten: sich entspannen<br />

auf dem geführten Pferd, reiten lernen, dem Pferd etwas <strong>bei</strong>bringen, Kunststücke lernen,<br />

ohne Ambitionen durch Feld und Wald oder sportlich.<br />

Ebenfalls wichtig sind die Beziehung zum Pferd und der Aufbau von Vertrauen; zum Pferd<br />

und sich selber.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 124<br />

Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik


5. Wie sehen die Ar<strong>bei</strong>tsmethoden im Allgemeinen aus?<br />

„Der Ablauf einer „Reitstunde“ ist immer gleich: Das Pferd begrüssen und zum Putzplatz holen.<br />

Gemeinsames Pflegen und Satteln. Reiten, ca 1/2 Stunde – 1 Stunde, auf dem geführten<br />

Pferd, auf dem Handpferd, selbständig, auf dem Reitplatz oder im Wald. Anschliessend das<br />

Pferd belohnen, Rückenmassage, Hufkontrolle und zurück bringen in den Auslauf.<br />

Je nach dem angestrebten Therapieziel setze ich die Schwerpunkte: sozialer Bereich, emotionaler<br />

Bereich, körperlicher Bereich oder kognitiver Bereich.<br />

Meistens geht es aber darum, Vertrauen und Selbstvertrauen zurück zu gewinnen und um<br />

das Aufbauen einer Beziehung.<br />

Wichtig ist auch, die Diagnose und Vorgeschichte der Klienten zu kennen. Missbrauchte<br />

Menschen sollten z.B. zu Beginn einen Sattel zwischen sich (gespreizte Beine) und dem Pferd<br />

haben. Je nach Diagnose empfehlen sich besondere Vorgehensweisen, um den gewünschten<br />

Effekt zu erhalten, siehe Pt. 10.“<br />

6. Wie sieht ein für eine depressive Klientel spezifisches Ar<strong>bei</strong>tsvorgehen aus?<br />

a. Ar<strong>bei</strong>tsweisen<br />

„siehe Pt. 7 und 9.<br />

Die Klienten sollen Trost erfahren (Nähe zum Pferd, sich anlehnen, Wärme und Nähe spüren)<br />

aber auch Bewegungs- und Lebensfreude entwickeln (Bewegung des Pferdes spüren, Tempo,<br />

Spass) und wieder handeln lernen (Pferd führen, Zügel in die Hand nehmen).“<br />

b. Dauer<br />

mindestens 3 Monate<br />

c. Intensität<br />

1x wöchentlich, 1½ Stunden<br />

7. Welche Schwerpunkte stehen im Zentrum in der Ar<strong>bei</strong>t <strong>mit</strong> depressiven Klienten?<br />

a. Schwerpunkte<br />

„Die Klienten sollen wieder lernen zu handeln und Einfluss zu nehmen. Das geht sehr gut<br />

<strong>bei</strong>m Führen des Pferdes. Später dann <strong>bei</strong>m Reiten. Man kann zur Führleine bereits die Zügel<br />

einschnallen, und der Klient kann die Kommandos lernen zum anhalten und anreiten, die<br />

Zügelhilfen für Richtungswechsel etc.<br />

Da<strong>bei</strong> muss unbedingt vermieden werden, dass der Klient sich ausgeliefert fühlt. Das heisst,<br />

das Pferd muss absolut zuverlässig und gut ausgebildet sein.“<br />

b. Hypothesen, Erfahrungen welche Faktoren sind es/könnten es sein, die die Intervention<br />

<strong>mit</strong> Pferden so erfolgreich machen?<br />

„Der Umgang <strong>mit</strong> dem Pferd und das Reiten haben eine bedeutende Wirkung auf Körper,<br />

Geist und Seele des Menschen.<br />

Beim Therapeutischen Reiten wird die Beziehungsfähigkeit des Pferdes zum Menschen genutzt,<br />

um die Kontaktnahme zu erleichtern und ein Vorfeld für zwischenmenschliche Beziehungen<br />

zu schaffen.<br />

Der kranke Mensch kann über seinen Körper <strong>mit</strong> dem Pferd kommunizieren, direkten<br />

Körperkontakt zu einem anderen Lebewesen haben und sich <strong>mit</strong> ihm im Gleichmass bewegen.<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 125<br />

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Das Erlebnis <strong>mit</strong> Pferden kann neue Lebenserfahrungen eröffnen, die aus Einsamkeit, Kälte<br />

und Erstarrung hinausführen.“<br />

8. Worauf muss man speziell achten im Umgang <strong>mit</strong> depressiven Menschen?<br />

„Man soll sich nicht in die Trauer hineinziehen lassen, darf selber fröhlich bleiben.<br />

Depressive Menschen brauchen Verständnis und Aufmerksamkeit, nicht Mitleid und unnötige<br />

Hilfen. Den Klienten in alle Aktivitäten <strong>mit</strong> einbeziehen; Ablenken von depressiven Gedanken<br />

und Grübeleien ist sehr wichtig.<br />

Die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Klienten anpassen, nur kleine Schritte bringen<br />

Erfolg.“<br />

9. Was bietet die Reittherapie speziell für eine Klientel <strong>mit</strong> Depressionen?<br />

„Es ist wichtig, dass sie bald die Zügel selber in die Hand nehmen können, da<strong>mit</strong> sie etwas<br />

bewirken können und sich weniger hilflos fühlen.<br />

Neben dem Pferd <strong>mit</strong>laufen, sich von der Bewegung anstecken lassen, der Bewegung des<br />

Pferdes zu folgen kann den Bann einer Depression brechen.“<br />

10. Was am spezifischen Ar<strong>bei</strong>ten führt zu welchen Erfolgen / Veränderungen?<br />

„Pferd umarmen, auf den Hals abliegen: Kontakt erfahren, sich wärmen und sich nähren,<br />

vom Pferd nehmen, spüren, zulassen<br />

Tempo zulegen: Ausdruck von Energie, Selbstbewusstsein. Befreiung, sich zeigen, Angstbewältigung.<br />

Zügelführung lernen: Wichtig und hilfreich <strong>bei</strong> Hilflosigkeit, Kollaps und Depressionen.<br />

Rückwärts sitzen, Mühle, Schere, Volten, Slalom: losen von Zwängen und rigiden Mustern.<br />

Gerade Linien, klare Übergänge, Parcours <strong>mit</strong> klarem Ablauf: hilft gegen Verwirrung und Orientierungslosigkeit.<br />

Neben dem Pferd laufen, sich von der Bewegung anstecken lassen: reaktiviert Freude und<br />

Energie.<br />

Gemeinsamer Rhythmus finden, Atem und Bewegung koordinieren: sich lebendig fühlen in<br />

der Ruhe.“<br />

11. Spielt die Affinität zu Tieren (Pferden) eine Rolle bzw. kann sie die Therapie beeinflussen?<br />

„Tiere üben eine grosse Anziehungskraft auf uns aus. Das Pferd fasziniert uns durch seine<br />

Stärke, Stolz und Schönheit besonders. Oft ist es leichter, <strong>mit</strong> einem Tier Kontakt aufzunehmen<br />

als <strong>mit</strong> einem Menschen. Z.T. lassen sich Klienten ausser für Tiere für nichts mehr motivieren.“<br />

<strong>Pferdgestützte</strong> <strong>Psychomotoriktherapie</strong> <strong>bei</strong> <strong>Jugendlichen</strong> <strong>mit</strong> Depressionen 126<br />

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