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8 titel Dezentralisierung / Ambulantisierung Mehr ambulante Strukturen durch „Wohnen Aktiv“ „Es tut gut, selbstständiger zu sein“ E ine Brücke auf dem Weg in die Selbstständigkeit: Das Konzept „Wohnen Aktiv” des Rehabilitationszentrums Bethesda kreuznacher diakonie bietet die Möglichkeit, das Alleine-Wohnen einzubinden. (nw) Manuela Czarnojohn mag Hunde. Das zeigt ein Blick in ihr Appartement. Ob Pudel, Schäferhund oder Berner Senne – hier ist von jeder Rasse einer vertreten. Nicht als lebendiges Haustier zwar, aber im Setzkasten oder als Kuscheltier. Seit Juni wohnt die 47-Jährige im sanierten Haus Alt Bethesda des Rehabilitationszentrums Bethesda kreuznacher diakonie und fühlt sich richtig wohl. „Ich habe schon vor den Bauarbeiten hier gelebt. Jetzt ist es viel wohnlicher und gemütlicher. Ich konnte mein Zimmer selbst gestalten, genauso wie ich es wollte. Deshalb sieht auch jedes Appartement hier anders aus“, erzählt sie. Zusammen mit sechs anderen Bewohnerinnen und Bewohnern nutzt Manuela Czarnojohn das neue Angebot „Wohnen Aktiv“. „Dabei geht es darum, dass Menschen mit Behinderungen noch selbstbestimmter und selbstständiger leben können“, erklärt Volker Krebs. „Ziel ist unter anderem, zu üben, wie es ist, alleine zu wohnen.“ Der gelernte Erzieher arbeitet in Alt Bethesda als einer von zwei Reha-Scouts (siehe Infokasten) und kümmert sich um die Koordination bestimmter Dienstleitungen, die Bewohnerinnen und Bewohner in Anspruch nehmen möchten.Was genau ist der Unterschied zwischen „Wohnen Aktiv“ und üblichen Wohngruppen? „Auf den Wohngruppen sind rund um die Uhr Betreuer vor Ort. Bei ‚Wohnen Aktiv’ ist das nicht der Fall. Hier gibt es eine Nachtwache, ansonsten steht das Assistenzteam zur Verfügung. Es geht also weg von der klassischen stationären Arbeit. Es gibt immer mehr ambulante Bausteine“, informiert Krebs. Das Assistenzteam besteht aus 13 Mitarbeitenden – ausgebildete Gesundheits- und Kranken-pfleger/-innen, Erzieher/-innen und Heilerziehungspfleger/-innen. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben die Möglichkeit, Angebote des Teams zu buchen. Darunter fallen regelmäßige Leistungen, wie die Grundpflege oder die Hilfe beim Essen. Aber auch, wenn jemand zu einem Fußballspiel möchte oder Unterstützung beim Einkaufen braucht, helfen die Mitarbeitenden. „So kann sich jeder genau das rauspicken, was er braucht. Ich frage einmal in der Woche nach, was benötigt wird. Diese Infos gebe ich an die Leiterin des Assistenzteams weiter. Sie erarbeitet daraus dann einen Plan“, erklärt Volker Krebs. Neben den geplanten Terminen ist das Assistenzteam für Bewohner/-innen immer zwischen 6 und 24 Uhr unter einer speziellen Telefonnummer erreichbar. Schließlich kann es auch mal sein, dass jemand ganz ad hoc Hilfe braucht. Bekommt Manuela Czarnojohn beispielsweise unerwartet Schmerzen, kann sie das Assistenzteam anrufen. „Dann kommt jemand und hilft mir. Ich probiere aber immer erst, allein zurecht zukommen.“ Zu den sieben „Wohnen Aktiv“-Plätzen in Alt Bethesda kommen acht im Haus Paulinum hinzu. Das Angebot wird gut angenommen. Nachdem Manuela Czarnojohn von der Arbeit in den Diakonie Werkstätten nach Hause kommt, kocht sie sich hin und wieder etwas. Sie teilt sich mit zwei weiteren Bewohnern eine Küche. „Auf der Wohngruppe gab es immer eine Gemeinschaftsküche. Hier kann ich mich nun viel selbstständiger bewegen und viel mehr tun und lassen, was ich will. Das tut gut.“ Vielleicht wird Frau Czarnojohn in absehbarer Zeit in offene tür 4 / 2011 www.kreuznacherdiakonie.de eine eigene Wohnung ziehen. Auch dann wird der Kontakt zu den Mitarbeitenden nicht ganz abreißen. „Wir haben auch das Angebot ‚Wohnen Aktiv extern’“, sagt Krebs. Hierfür gibt es ein spezielles Assistenzteam. Die Mitarbeitenden kommen zu den Menschen mit Behinderungen in die Wohnung und bieten ihnen beispielsweise Hilfe bei der Hausarbeit an, trainieren gemeinsam die Selbstständigkeit oder begleiten sie zu Ärzten. „Wir sind also nicht nur auf dem Gelände der kreuznacher diakonie tätig. Wir arbeiten zunehmend dezentral und ambulant“, erklärt Volker Krebs. Das Konzept „Wohnen Aktiv“ Die Wohnform möchte den Menschen mit Behinderungen in einer stationären Einrichtung mehr Verantwortung geben und helfen, die persönlichen Alltagskompetenzen zu fördern und zu stärken. Pflege- und Betreuungsleistungen werden von einem Assistenzteam erbracht. Die Grundlage bildet ein Leistungskatalog, den die betreffende Person mithilfe ihres Reha-Scouts erarbeitet hat. Berücksichtigt werden können Art und Zeitpunkt der Dienstleistung und sogar Vorlieben für bestimmte Assistenten und Assistentinnen. Die gesamte Entwicklung legt Wert auf Erhalt und Erweiterung von Selbstbestimmungsmöglichkeiten im Bezug auf Freizeitgestaltung, Gestaltung des Wohnraums, Auswahl und Zubereitung der Mahlzeiten, Regeln und Strukturen. Momentan ist „Wohnen Aktiv“ als Projekt auf zwei Jahre angelegt. Danach steht die Entscheidung an, ob es von einem Projekt in ein langfristiges Angebot übergeht.
Volker Krebs ist in Alt Bethesda als Reha-Scout tätig Was macht ein Reha-Scout? Manuela Czarnojohn fühlt sich in ihrem selbst eingerichteten Appartement im wahrsten Sinne des Wortes pudelwohl Die zentrale Funktion des Reha-Scout besteht darin, den Kunden/-innen in koordinierter Weise Dienstleistungen zu ermöglichen, die zur Erfüllung der Leistungspfeiler Wohnen (barrierefreies Wohnumfeld), Serviceleistungen (zur Bewältigung des Lebensvollzugs) und Rehabilitation (nachhaltige Reha) beitragen. Der Reha-Scout eröffnet dem/der Klienten/-in die erforderlichen Versorgungsleistungen. Er ebnet quasi den Weg durch die Angebotslandschaft und vertritt vor den Entscheidungsträgern die Kundeninteressen. Der Reha-Scout tritt als Interessenvertreter, Fürsprecher und Vermittler auf. Das Erbringen von Dienstleistungen geschieht immer kundenorientiert. 9
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