Januar 2013 - Theater St. Gallen
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Festspieldetail 1°<br />
Atillas verstopfter Gehörgang<br />
Attila rüstet sich zum Angriff<br />
auf <strong>St</strong>.<strong>Gallen</strong>. Zu sehen ist<br />
noch nichts, aber was ist zu<br />
hören? Welche Tonart<br />
begleitet ihn?<br />
Fagotte und Violoncelli entwickeln über zwei<br />
Takte ein Motiv, das an eine Fahne erinnert,<br />
die sich in einem kräftigen Windstoss aufbauscht,<br />
dann aber in sich zusammensackt<br />
und leblos an der Fahnenstange hängen<br />
bleibt, als hätten ihr die kriegerischen Umstände<br />
die letzten Lebensfunken ausgetrieben.<br />
Die c-moll-Tonart, in die Giuseppe Verdi<br />
seine Oper in den ersten Takten einfärbt,<br />
wird seit der fünften Sinfonie von Beethoven<br />
mit etwas Tragischem und Schicksalhaftem<br />
in Verbindung gebracht.<br />
Zu dieser Serie<br />
Auf dem <strong>St</strong>.Galler Klosterhof breitet<br />
sich ab Juni ein Schlachtfeld aus. Im<br />
Krieg zwischen Hunnen und Römern<br />
ging einiges zu Bruch, es gelang uns<br />
aber, mehrere Artefakte für Sie zu<br />
retten. Bis zum Sommer präsentieren<br />
wir in jeder Terzett-Ausgabe ein Fundstück,<br />
das Sie in der einen oder anderen<br />
Form in den Opern-, Tanz- und<br />
Konzertaufführungen wiederentdecken<br />
werden.<br />
Weitere Informationen finden Sie unter:<br />
www.stgaller-festspiele.ch.<br />
Dem Verhängnis, das sich hier im Largo-<br />
Tempo und mit der Vortragsangabe «sottovoce»<br />
(mit gedämp�er <strong>St</strong>imme, nicht voll<br />
ausgesungen) ankündigt, entgeht in der<br />
Oper keine der Figuren, am wenigsten der<br />
titelgebende Hunnenkönig selber. Als hätte<br />
sich die Düsternis über dem in dumpfen Orchesterfarben<br />
gezeichneten Schlachtfeld verzogen,<br />
begrei� Attila schliesslich, dass er<br />
wegen jener Frau verblutet, für die sein Herz<br />
einst schlug. Das Licht der Erkenntnis fängt<br />
Verdi in B-Dur ein, einer Tonart, die an dieser<br />
<strong>St</strong>elle anzeigt, dass seit dem c-moll-Vorspiel<br />
einiges passiert ist. Hätte er die Fahnen<br />
und Pfeilbogen zuhause lassen sollen? Lohnte<br />
sich die Liebe? Unterscheidet sich hunnisches<br />
und römisches Blut? – Diese Fragen<br />
mögen dem Feldherrn aus dem Osten in seinen<br />
letzten Sekunden durch den Kopf gegangen<br />
sein. Dadurch dass das Preludio zu Attila<br />
– ebenso wie übrigens das Rigoletto-Vorspiel<br />
– in der tragischen Tonart par excellence<br />
steht, in c-Moll, wird die Bedeutung dieser<br />
Oper als die Tragödie eines aussergewöhnlichen<br />
Charakters unterstrichen, der seiner<br />
Leidenscha� unterliegen MUSS.<br />
In den gedämp�en, an zagha� wehende<br />
Fahnen erinnernden Einstiegstakten klingt<br />
Attilas Schwäche an, die Zeichen der Zeit<br />
nicht erkannt zu haben. Hätte er genau hingehört,<br />
würde ihm das c-moll all dies verraten<br />
haben. Für uns hingegen ist Attilas unterentwickeltes<br />
Musikgehör ein Glück, weil er<br />
entgegen der Zeichen den Kampf mit den<br />
Römern wagt und wir die Grossen gerne<br />
sterben sehen! (sh)<br />
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