S K R I P T U M Recht - DAVID eV
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In den medizinischen Fachbereichen, die es gewohnt sind, sich mit beispielsweise der Steuerung<br />
auseinanderzusetzen, weiß man, dass diese gestört sein kann, ohne dass dies auf dem<br />
Röntgenbild zu sehen ist. Man kann dies mit einem Computer vergleichen, der funktioniert,<br />
wenn sowohl die Hardware als auch die Software in Ordnung sind. Auch hier kann es sein, dass<br />
die Funktion des Computers gestört ist, obwohl die komplette Hardware intakt ist, nur weil ein<br />
Fehler im Bereich der Software besteht.<br />
Bei dem „kybernetischen System Mensch“ ist dies nach Wolff ähnlich. Beim Wechsel von einer<br />
strukturellen zu einer mehr funktionell orientierten Betrachtungsweise spricht Wolff von einem<br />
„Paradigmenwechsel in der Medizin“. 236<br />
Auch wenn medizinische Autoren, wie z. B. Ludolph, 237 zum Nachweis unfallbedingter<br />
Verletzungsfolgen ein morphologisches Substrat fordern, so ist dies aus rechtlicher Sicht<br />
unzutreffend. Ein Unfallopfer muss, um Schadensersatzansprüche durchzusetzen, einen<br />
Erstkörperschaden dartun und beweisen. Nicht beweisen muss er jedoch, dass er im Bereich der<br />
HWS unfallbedingt eine Verletzung im Sinne einer Strukturveränderung erlitten habe. Denn aus<br />
juristischer Sicht ist die Befindlichkeitsbeeinträchtigung die Körperverletzung, nicht deren<br />
Ursache, das morphologische Substrat. 238<br />
Auch hier sei am Rande erwähnt, dass der Umstand, dass eine Strukturveränderung nicht<br />
bewiesen werden muss, nicht heißen muss, dass eine Begutachtung sich allein auf die Angaben<br />
des Unfallopfers stützen darf. Dass es aber außer der Radiologie andere Nachweismöglichkeiten<br />
für Schleudertraumafolgen gibt, ist oben bereits erläutert worden. Ich werde mit anderen<br />
medizinischen Methoden hierauf noch eingehen.<br />
Es kommt noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Körperlich – somatisch – kann eine<br />
Unfallfolge bekanntlich auch sein, wenn sie andere Teile als Knochen betrifft. Nach neueren<br />
Forschungen sind nach Schleudertraumata oft Muskeln betroffen. 239 Und diese lassen sich<br />
bekanntermaßen auf dem Röntgenbild nicht nachweisen.<br />
International wird über Schmerz und Schmerzentstehung viel geforscht. Ein Erklärungsmodell,<br />
wie Schmerz entstehen kann, auch nach einem Schleudertrauma, ist das in den USA so genannte<br />
Complex Regional Pain Syndrome (CRPS), früher als sympathische Reflexdystrophie<br />
bezeichnet. 240 Auch das CPRS ist auf dem Röntgenbild nicht zu sehen, so dass es immer<br />
unsinniger wird, sich auf das Vorliegen eines morphologischen Substrats zu versteifen.<br />
Im Ergebnis lässt sich also festhalten: Zum Nachweis von Schleudertraumafolgen ist ein Beweis<br />
mit bildgebenden Verfahren (Röntgen, CT, MRT) nicht erforderlich. Entschädigungspflichtig<br />
sind auch radiologisch nicht nachweisbare Unfallfolgen.<br />
So wünschenswert die unumschränkte Nachweisbarkeit von Unfallfolgen durch bildgebende<br />
Verfahren auch sein mag, folgende Frage sollte deutlich machen, dass dies einfach nicht<br />
funktionieren kann:<br />
Kann man Schmerzen auf dem Röntgenbild sehen? Natürlich nicht! Was nicht heißt, dass<br />
Schmerz nicht auf andere (z. B. psychometrische) Art objektiviert und sogar in gewissem Sinne<br />
quantifiziert werden kann. 241 Diese Untersuchungen bedürfen aber der Mitarbeit des<br />
Untersuchten und sind deshalb allein zur Objektivierung nicht geeignet. Im eigentlichen,<br />
klassischen Sinn bleibt es aber dabei, dass man Schmerz natürlich nicht „messen“ kann.