S K R I P T U M Recht - DAVID eV
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„Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“ 295<br />
Wenn Aristoteles mit dem Beginn seiner berühmten Schrift <strong>Recht</strong> hat, und wenn seine Aussage<br />
auch heute noch gelten soll, so setzt dies nach meiner Meinung voraus, dass der Wissbegierige<br />
die Tatsachen überhaupt erfährt, die dann sein Wissen bilden sollen. Das setzt weiter voraus,<br />
dass diejenigen, die sich als bereits Wissende fühlen (Experten, Sachverständige), den anderen<br />
ihr Wissen auch kundtun. Ich habe große Zweifel, dass dies in der gebotenen Weise geschieht.<br />
Ein Beispiel habe ich oben genannt. Ich unterstelle, dass ein früherer Ordinarius für Neurologie,<br />
u. a. Autor mehrerer Lehrbücher, die internationale Literatur kennt, die den wissenschaftlichen<br />
Bereich betrifft, über den er Aufsätze schreibt. Wie soll man es dann werten, dass Poeck nahezu<br />
die gesamte Literatur verschweigt, die es z. B. zum Problem „psychische Folgen nach<br />
Schleudertrauma“ gibt und nur einige wenige Literaturstellen zitiert, die (Zufall oder nicht?) in<br />
eine Richtung gehen: „Solche Schleudertraumafolgen gibt es nicht.“<br />
Oder: Was soll ich davon halten, dass in der deutschen Literatur zum Problem<br />
„Harmlosigkeitsgrenze“ oft (oder meistens?) so getan wird, als würde auf der Welt zu diesem<br />
Komplex nur in Münster in Westfalen geforscht. Wie kommt es, dass es Juristen, die die<br />
entsprechenden Informationen dringend benötigen, um entsprechende Fälle richtig handhaben zu<br />
können, vorenthalten wird, dass es in den USA, Skandinavien, den Niederlanden und vielen<br />
anderen Ländern Forscher gibt, die zu ganz anderen Ergebnissen kommen als Castro und<br />
Schimmelpfennig/Becke. Nicht einmal deutsche Wissenschaftler (u. a. Otte, Blauth und<br />
Pohlemann) werden zur Kenntnis genommen.<br />
Das Problem Wissen um die Zusammenhänge von „whiplash“ hat aber noch eine andere<br />
Komponente. In allen Bereichen der Medizin gibt es unter dem Stichwort „Evidenzbasierte<br />
Medizin“ Bestrebungen, die medizinischen Standards zu verbessern. Eine der Organisationen,<br />
die sich international um die evidenzbasierte Medizin kümmert, ist die Cochrane Library. Diese<br />
unterteilt den Wissensstand, der in einem bestimmten medizinischen Bereich besteht, in vier<br />
Grade ein (von erstgradig = bestgradig bis viertgradig). Für die Cochrane Library haben mehrere<br />
Wissenschaftler das Wissen um „whiplash“ untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen,<br />
dass dieses nur als viert-(also niedrigst-)gradig einzustufen ist. 296<br />
Zu vergleichbaren Schlussfolgerungen kommt die bereits wiederholt angesprochene Quebec<br />
Task Force 297 (QTF), die weltweit über 10 000 Veröffentlichungen aus den Jahren 1980–1994<br />
zum Thema „Whiplash associated disorders, WAD“ ausgewertet hat und zu dem Ergebnis<br />
gekommen ist, dass gerade einmal 62 (das sind 0,6 %) wissenschaftlichen Standards<br />
entsprechen.<br />
Wenn die Cochrane Library und die QTF <strong>Recht</strong> haben, dass das Wissen über das Problem<br />
Schleudertrauma so bescheiden ist, so ist es nach meiner Meinung geradezu unglaublich, dass<br />
dieses wenige Wissen, repräsentiert in internationaler wissenschaftlicher Literatur, den Juristen,<br />
denen diese Literatur nicht ohne weiteres zugänglich ist, vorenthalten wird. Wie soll ein Richter,<br />
der aus Aufsätzen in juristischen Fachzeitschriften und aus Gutachten nur von den Arbeiten<br />
Castros und Schimmelpfennigs Kenntnis hat, die internationalen Studien, die zu anderen<br />
Ergebnissen kommen, jedoch nicht kennt (nicht kennen kann), zu zutreffenden Bewertungen der<br />
Folgen von Schleudertraumen kommen ?<br />
Ein großes Problem scheint mir auch die Frage zu sein, ob Menschen, die unter den Folgen eines<br />
Schleudertraumas leiden, immer mit dem gebotenen Respekt behandelt, ob sie in ihrem Leiden