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Konfliktregelung und Friedenssicherung im internationalen System

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2.3 Ethnopolitische Konflikte als Erscheinungsform neuer Kriege 43<br />

Kaldor (2000: 121f) beschreibt als ein Merkmal der „Neuen Kriege“ eine „Politik<br />

der Identität“, wobei Identität hier als eine „Form des Etikettierens“ zu verstehen<br />

ist. Ob Ethnie, Religion oder Nationalität als Etikett <strong>und</strong> Zuordnungskriterium<br />

verwendet wird, ist zweitrangig: In jedem der Fälle wird die Etikettierung als Basis<br />

für politische Ansprüche genutzt. Diese Vorgehensweise, von Ropers<br />

(1995: 202) als „Ethnisierung der Politik“ bezeichnet, soll dazu dienen, den <strong>im</strong><br />

Kontext von „schwachen Staaten“ zunehmenden Machtverlust politischer Eliten,<br />

ihre schwindende Legit<strong>im</strong>ationsbasis <strong>und</strong> ihren Kampf um staatliche Ressourcen<br />

zu überdecken. „Ethnie“ wird dabei häufig als „natürliche Legit<strong>im</strong>ationsbasis“<br />

instrumentalisiert (vgl. Stroux 1998: 237f.). Ziel ist die Mobilisierung von Gefolgschaft<br />

auf der Gr<strong>und</strong>lage ethnischer (oder religiöser, nationaler etc.) Identität. Bei<br />

diesen Mobilisierungsversuchen bedienen sich politische Eliten häufig bereits<br />

vorhandener kollektiver Wahrnehmungsmuster <strong>und</strong> verstärken mit Hilfe staatlicher<br />

Medien das Kl<strong>im</strong>a des gegenseitigen Misstrauens <strong>und</strong> der Angst (vgl. Gardner<br />

2001: 304–306; Snyder/Ballentine 2001: 63). Häufig existieren reale W<strong>und</strong>en,<br />

die sich Bevölkerungsgruppierungen in der Vergangenheit gegenseitig zugefügt<br />

haben. Bei der Schaffung ethnischer Identität werden geschichtliche Ereignisse<br />

jedoch sehr selektiv <strong>und</strong> verkürzt rekonstruiert. Best<strong>im</strong>mte Teile der gemeinsamen<br />

Geschichte werden ausgeklammert, andere dafür „neu erf<strong>und</strong>en“ (vgl. Lemarchand<br />

1996). Diese historischen Mythen dienen „Schicksalsgemeinschaften“<br />

als verbindendes Element. Häufig enthält das kollektive Bewusstsein einer Gruppierung<br />

sowohl eine Reihe an „chosen traumas“ (kollektiv erlebte oder antizipierte<br />

Negativerfahrungen wie Vertreibungen <strong>und</strong> Genozid) als auch an „chosen glories“<br />

(vgl. Ropers 1995: 200f; Volkan 1999: 70ff). Politische Eliten <strong>und</strong> die Konfliktparteien<br />

forcieren die gesellschaftliche Polarisierung <strong>und</strong> machen sie sich zum<br />

Erhalt ihrer eigenen Machtposition zunutze. Häufig wird gezielt eine Spaltung<br />

gegnerischer Allianzen betrieben. Die Verbreitung von Gerüchten schürt zusätzlich<br />

Angst <strong>und</strong> Hass. Dieses Kl<strong>im</strong>a erleichtert es politischen Eliten, von dem eigentlichen<br />

Machtkampf <strong>und</strong> Ressourcenkonflikt abzulenken <strong>und</strong> einen Vorwand<br />

für die Beibehaltung des Status quo zu schaffen (vgl. Stroux 1998: 238; Lake/Rothchild<br />

2001: 126).<br />

Das zweite Merkmal, das ethnopolitische Konflikte von früheren, „klassischen“<br />

zwischenstaatlichen Kriegen abhebt, ist die Art der Kriegführung. Während bei<br />

„klassischen“ Kriegen<br />

„[...] mindestens auf einer Seite der Staat als klar abgrenzbare Konfliktpartei<br />

zu identifizieren ist, zeichnet sich das Konfliktgeschehen der ‚neuen<br />

Kriege’ durch eine Zunahme substaatlicher <strong>und</strong> transnationaler Konfliktakteure<br />

aus, die einen niedrigen Organisationsgrad besitzen <strong>und</strong> mit unkonventionellen<br />

Methoden kämpfen“ (Chojnacki/Eberwein 2000: 19).<br />

Zu diesen Konfliktakteuren gehören paramilitärische Gruppen, Selbstverteidigungseinheiten,<br />

Kindersoldaten, ausländische Söldner, der verbleibende Rest<br />

von regulären Streitkräften <strong>und</strong> ausländische reguläre Truppen, die meist ein<br />

internationales Mandat besitzen (vgl. Kaldor 2000: 147; Münkler 2002b: 220–<br />

Mobilisierung von Gefolgschaft<br />

auf<br />

Gr<strong>und</strong>lage ethnischer<br />

Neue Art der<br />

Kriegsführung<br />

Zunahme substaatlicher<br />

<strong>und</strong> transnationaler<br />

Konfliktakteure

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