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Konfliktregelung und Friedenssicherung im internationalen System

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2.3 Ethnopolitische Konflikte als Erscheinungsform neuer Kriege 45<br />

Während zu Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts etwa 90 Prozent der Kriegsopfer Armeeangehörige<br />

waren, entstammen heute etwa 80 Prozent aller Kriegsopfer der Zivilbevölkerung.<br />

Eine Konfrontation auf dem Schlachtfeld wird vermieden, die Sicherung<br />

des Territoriums wird auf dem Weg der Kontrolle über die Bevölkerung in den entsprechenden<br />

Gebieten hergestellt. Angehörige der „falschen“ ethnischen Gruppe<br />

oder moderate Angehörige der eigenen ethnischen Gruppierung werden aus dem<br />

Weg geräumt. Methoden sind Vertreibung, Zwangsumsiedlung, systematische Ermordungen,<br />

Massenvergewaltigungen (vgl. Münkler 2003: 28, 37–40), Unbewohnbarmachung<br />

von Gebieten sowie die Vereinnahmung von Zivilpersonen als<br />

„menschliche Schutzschilde“ (vgl. Chojnacki/Eberwein 2000: 21; Kaldor<br />

2000: 158). Aus diesen Methoden erklären sich auch die massiven Flüchtlingsströme,<br />

die mit den Konflikten einhergehen. Flüchtlingsbewegungen machen nicht an<br />

Landesgrenzen halt. Sie sind ein Aspekt, an dem verdeutlicht werden kann, dass<br />

ethnopolitische Konflikte keineswegs „innerstaatlich“ sind. In der Region der Großen<br />

Seen beispielsweise spielt die Verflechtung von Rebellengruppen <strong>und</strong> Flüchtlingen<br />

über Grenzen hinweg eine große Rolle (vgl. Parqué/Reyntjens 1999: 181;<br />

Evans 1997: 9). Flüchtlingslager dienen Rebellenbewegungen, die häufig von Nachbarstaaten<br />

aus agieren, als Rekrutierungsquelle für Kämpfer – die bur<strong>und</strong>ische<br />

Rebellengruppe PALIPEHUTU beispielsweise hat sich <strong>im</strong> Mishamo-<br />

Flüchtlingslager in Tansania gegründet. Zudem eröffnen Flüchtlingslager Zugang<br />

zu Ressourcen, da Lieferungen humanitärer Hilfsorganisationen abgeschöpft oder<br />

mit hohen „Zöllen“ versehen werden können (vgl. Anderson 1999: 37–39; Münkler<br />

2003: 22f).<br />

Das dritte wichtige Merkmal, das ethnopolitische Konflikte kennzeichnet, ist die Art<br />

<strong>und</strong> Weise, wie sie finanziert werden. Die klassischen Kriegswirtschaften, für die<br />

Kriege des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts typisch, waren trotz mancher „Leih-Pacht-<br />

Unterstützung“ relativ autarke <strong>System</strong>e. Ethnopolitische Konflikte dagegen speisen<br />

sich aus einer „globalisierten“ Kriegsökonomie (vgl. Ehrke 2002; Menzel 2003;<br />

Kaldor 2000: 144; Ruf 2003). Während sich traditionelle Kriegswirtschaften durch<br />

eine Zentralisierung der wirtschaftlichen Entscheidungen auszeichneten (die Wirtschaft<br />

wurde an den Ausnahmezustand angepasst), lässt sich bei den heutigen<br />

Kriegsökonomien eine Dezentralisierung der Wirtschaftaktivitäten beobachten. Die<br />

verschiedenen Konfliktakteure <strong>und</strong> paramilitärischen Kampfeinheiten betreiben<br />

Eigenfinanzierung durch Plünderung, Schwarzmarkthandel mit Waffen <strong>und</strong> Drogen<br />

sowie Unterstützung von außen. Diese erfolgt insbesondere in Form finanzieller<br />

Zuwendungen seitens der Diaspora (vgl. Anderson 1999: 18; Münkler 2003: 17ff.),<br />

der „Besteuerung“ humanitärer Hilfslieferungen, der Nutzung von Flüchtlingslagern<br />

als „Nachschubzentren <strong>und</strong> Kraftreserven“ (vgl. Berkeley 2002: 107; Jung/Schlichte<br />

1999: 47) sowie der Unterstützung durch Nachbarstaaten oder andere ausländische<br />

Regierungen sowie transnationale Wirtschaftsunternehmen:<br />

Methoden der Kriegsführung<br />

Flüchtlingslager als<br />

Rekrutierungsstätte <strong>und</strong><br />

Ressourcenquelle<br />

Finanzierung der Gewalt:<br />

globalisierte<br />

Kriegsökonomie

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