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Logbuch2011 02 - bei der Reservistenkameradschaft Marine Berlin

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SICHERHEITSPOLITIK<br />

SICHERHEITSPOLITIK<br />

EI Baradei ist zwar eine respektable<br />

Persönlichkeit, aber Diplomaten<br />

sind nun einmal keine<br />

Volkstribunen. Die Bürgerlichen<br />

wie die liberalen und <strong>der</strong> nationalistische<br />

Wafd („Delegation“),<br />

<strong>der</strong> zwischen den Weltkriegen,<br />

dem liberalen Zeitalter in<br />

Ägypten, die ägyptische Politik<br />

dominierte, sind zu schwach.<br />

Ein ernsthafter Anwärter auf die<br />

Präsidentschaft ist dagegen <strong>der</strong><br />

GS <strong>der</strong> Arabischen Liga, Amr<br />

Mussa, 74 Jahr alt, die wichtigste<br />

Stimme <strong>der</strong> arabischen Welt,<br />

Botschafter <strong>bei</strong> den VN und Indien,<br />

von 1991-2001 Außenminister.<br />

Seit 2005 war sein Verhältnis<br />

zu Mubarak zerrüttet. Er<br />

gilt als engagierter Verfechter<br />

<strong>der</strong> palästinensischen Sache und<br />

trat als scharfer Kritiker <strong>der</strong> israelischen<br />

Politik hervor. Nach<br />

eigenem Bekunden steht er aber<br />

zu dem Friedensvertrag mit Israel<br />

(„pacta sunt servanda“). Er<br />

dürfte aber ein weniger bequemer<br />

Vermittler als Mubarak sein.<br />

Neu verhandelt wird wohl <strong>der</strong><br />

Vertrag über bevorzugte Lieferkonditionen<br />

von ägyptischem<br />

Gas nach Israel.<br />

Der eigentllche Verlierer <strong>der</strong> Ereignisse<br />

in Ägypten dürfte Israel<br />

sein, dessen Parteien allesamt<br />

Mubarak nachtrauern. Die Israelis<br />

werden gut daran tun, sich auf<br />

die neue Lage einzustellen.<br />

Als die am besten organisierte<br />

Kraft in <strong>der</strong> Opposition werden<br />

die bisher verbotenen<br />

islamistischen Muslimbrü<strong>der</strong><br />

(MBr.) angesehen, die 1928 von<br />

Hassan el-Banna in Ägypten gegründet<br />

worden sind. Zur allgemeinen<br />

Überraschung haben sie<br />

sich - nach meiner Einschätzung<br />

aus taktischen Gründen – zurückgehalten,<br />

um sich nicht<br />

frühzeitig zu exponieren. Das<br />

bedeutet aber nicht, dass man sie<br />

unterschätzen sollte. Sie sind<br />

stark im Volk vernetzt und sozial<br />

engagiert. Da, wo <strong>der</strong> Staat<br />

versagt hat, haben sie die Lücke<br />

mit humanitären und sozialen<br />

Leistungen ausgefüllt. Bei wirklich<br />

freien Wahlen wird ihre<br />

Anhängerschaft auf ca. 30% geschätzt.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Sympathisanten<br />

dürft aber wohl noch höher liegen,<br />

was am tiefkonservativen<br />

und religiösen Charakter des<br />

ägyptischen Volkes liegt. Ihre<br />

Bandbreite reicht von Erdogans<br />

AKP in <strong>der</strong> Türkei bis zu den<br />

Djihadisten des ägyptischen<br />

Stellvertreters von Bin Laden,<br />

Aiman Sawahiri.<br />

Der Westen befindet sich in einem<br />

Dilemma, wie wir schon in<br />

den 90er Jahre in Algerien gesehen<br />

haben, als die Islamisten die<br />

Wahl gewonnen hatten und das<br />

Militär sie nie<strong>der</strong>knüppelte (ca.<br />

100.000 Tote). Was zählt: Demokratie<br />

o<strong>der</strong> Stabilität? El<br />

Baradei und auch Amr Mussa<br />

glauben, dass sie die<br />

Muslimbrü<strong>der</strong> einbinden können.<br />

Das dürfte ein Ritt auf dem<br />

sprichwörtlichen Tiger sein, wie<br />

<strong>bei</strong> uns von Papen und<br />

Hugenberg 1932/33 nach dem<br />

Sieg <strong>der</strong> National Sozialisten <strong>bei</strong><br />

den Reichstagwahlen erfahren<br />

mussten. M. E. sind Stabilität<br />

und Demokratie keine Gegensätze.<br />

Beide müssen in ein ausgewogenes<br />

Verhältnis gebracht<br />

werden.<br />

Und noch eine zweite Überraschung<br />

hat <strong>der</strong> Aufstand in<br />

Ägypten offenbart:<br />

Der Nahostkonflikt hat <strong>bei</strong> den<br />

Demonstranten keine Rolle gespielt,<br />

obwohl <strong>der</strong><br />

Friedensprozess zum Stillstand<br />

gekommen ist. Die internationa-<br />

le Gemeinschaft hat sich jahrzehntelang<br />

viel zu sehr auf den<br />

israelisch-palästinensischen<br />

Konflikt konzentriert. Dem gegenüber<br />

wurde die innere Lage<br />

in den einzelnen arabischen Län<strong>der</strong>n,<br />

wie wir jetzt wissen, zu<br />

sehr ausgeblendet. Diese Erkenntnis<br />

wird die Nahostpolitik<br />

künftig zu berücksichtigen haben.<br />

Angemerkt sei in diesem<br />

Zusammenhang, dass in jüngster<br />

Zeit die radikalen Palästinenser<br />

unter dem Druck <strong>der</strong> Umbrüche<br />

in <strong>der</strong> arabischen Welt durch erneute<br />

Anschläge auf Israel auf<br />

sich aufmerksam machen und<br />

wohl auch von den inneren<br />

Missständen in Arabien ablenken<br />

wollen.<br />

Erste Schritte in Richtung Demokratisierung<br />

sind in Ägypten<br />

getan. Am 19.März sind Än<strong>der</strong>ungen<br />

in <strong>der</strong> Verfassung mit<br />

großer Mehrheit (77%) <strong>bei</strong> 41%<br />

Wahlbeteiligung in einem Referendum<br />

gebilligt worden. Die<br />

Än<strong>der</strong>ungen sollen demokratische<br />

Wahlen des Staatsoberhaupts<br />

(Beschränkung <strong>der</strong> Amtszeit<br />

auf jeweils 4 Jahre), eines<br />

Parlaments und die Voraussetzungen<br />

zur Ausar<strong>bei</strong>tung einer<br />

neuen Verfassung gewährleisten.<br />

Der Militärrat hat die<br />

Rahmenbedingung für den<br />

Übergang zur Demokratie in<br />

einer Verfassungserklärung am<br />

30. März bestätigt.<br />

Kaum sind die Verfassungsän<strong>der</strong>ungen<br />

genehmigt, sieht die<br />

Demokratiebewegung eine<br />

Rückfallgefahr: Sie kritisiert,<br />

das sich an dem Präsidialsystem<br />

im Grunde nichts än<strong>der</strong>e, die<br />

Aufrechterhaltung <strong>der</strong> Notstandsgesetze<br />

und des Verbots<br />

von Parteien auf religiöser<br />

Grundlage sowie den zu frühen<br />

Wahltermin, <strong>der</strong> die neuen Par-<br />

18 LOGBUCH 2/2011

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