Jürgen Kletti (Hrsg.) MES - Manufacturing Execution System
Jürgen Kletti (Hrsg.) MES - Manufacturing Execution System
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<strong>Jürgen</strong> <strong>Kletti</strong> (<strong>Hrsg</strong>.)<br />
<strong>MES</strong> - <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>
<strong>Jürgen</strong> <strong>Kletti</strong> (<strong>Hrsg</strong>.)<br />
<strong>MES</strong><br />
<strong>Manufacturing</strong><br />
<strong>Execution</strong> <strong>System</strong><br />
Moderne Informationstechnologie<br />
zur Prozessfähigkeit der Wertschöpfung<br />
Mit 100 Abbildungen<br />
13
Dr.-Ing. <strong>Jürgen</strong> <strong>Kletti</strong> (<strong>Hrsg</strong>.)<br />
MPDV Mikrolab GmbH<br />
Römerring 1<br />
74821 Mosbach<br />
j.kletti@mpdv.de<br />
Bibliografi sche Information der Deutschen Bibliothek<br />
Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografi e;<br />
detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über abrufbar.<br />
ISBN 10 3-540-28010-3 Springer Berlin Heidelberg New York<br />
ISBN 13 978-3-540-28010-1 Springer Berlin Heidelberg New York<br />
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springer.de<br />
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006<br />
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Umschlaggestaltung: medionet AG, Berlin<br />
Satz: Digitale Druckvorlage der Autoren<br />
Herstellung: medionet AG, Berlin<br />
Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020 /M 5 4 3 2 1 0
Geleitwort<br />
Mit der Veränderung der klassischen Fabrik von einer Produktionsstätte zu einem<br />
modernen Dienstleistungszentrum ergeben sich Führungsprobleme, auf die viele<br />
Unternehmen noch nicht vorbereitet sind: Wirtschaftlichkeit der modernen Wertschöpfung<br />
ist keine Eigenschaft der Produkte, sondern des Prozesses. Das führt<br />
dazu, dass die entscheidenden Potenziale der Unternehmen weniger in ihrer Produktionsfähigkeit,<br />
als in ihrer Prozessfähigkeit liegen.<br />
Mit dem Anspruch der Prozessfähigkeit, der inzwischen auch die Grundlage<br />
der Zertifizierungsregelwerke ist, entsteht für die Fertigungsbetriebe die Forderung<br />
nach einer Ausrichtung aller wertschöpfenden Prozesse auf das Prozessergebnis<br />
und damit den Kunden. Voraussetzung einer Prozesstransparenz ist die Fähigkeit,<br />
den Wertstrom des Unternehmens zeitnah und ohne Erfassungsaufwand<br />
abzubilden – eine Aufgabe, welche die herrschenden ERP-<strong>System</strong>e kaum bieten<br />
können.<br />
Real-Time-Anwendungen bieten heute moderne <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e<br />
(<strong>MES</strong>). Sie erzeugen aktuelle und auch historische Abbilder von Fertigungseinrichtungen<br />
und können so als Basis für Optimierungen herangenommen werden.<br />
Mit solchen Techniken hatte man bereits unter dem Begriff Betriebsdatenerfassung<br />
oder Maschinendatenerfassung Anfang der 80er Jahre begonnen. Doch<br />
während in der Vergangenheit zunächst eine verbesserte Maschinenauslastung im<br />
Vordergrund stand, geht es heute überwiegend darum, den Wertstrom (Suppy-<br />
Chain) zeitnah abzubilden.<br />
Dabei erfordert die zunehmende Komplexität in der Fertigung eine gesamtheitliche<br />
Sicht auf die Produktions- und Dienstleistungseinrichtungen: Feinplanung,<br />
Zustandserfassung, Qualität, Performance-Analyse, Materialverfolgung usw. müssen<br />
integriert erfasst und dargestellt werden.<br />
Aus diesen Erfordernissen heraus hat sich Mitte der 90er Jahre in den USA der<br />
Begriff <strong>MES</strong> <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> entwickelt. Eine Non-Profit-<br />
Organisation namens <strong>MES</strong>A (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> Association) hat<br />
begonnen, diese Anwendungen zu normieren und damit drei Anwendungsschichten<br />
eines Fertigungsbetriebes zum Prinzip erhoben. <strong>MES</strong>A definiert die Ebene<br />
der eigentlichen Fertigung, die Ebene des Fertigungsmanagements, also<br />
<strong>MES</strong>, und die Ebene des Unternehmensmanagements.<br />
Weitere Normierungen zu diesem Thema sind bereits im Werden. So ist eine<br />
ISA S95 verabschiedet, ein Verband von Prozessfertigern namens NAMUR hat<br />
für ihre Fertigungswelt eine eigene Richtlinie verabschiedet. In jüngster Zeit hat<br />
der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) sich dieses Themas angenommen und ist<br />
bestrebt, eine auf europäische Belange zugeschnittene Richtlinie herauszubringen.
2 Geleitwort<br />
Die Erwartungen an ein <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> zur Steigerung der<br />
Performance sind entsprechend hoch. Für den Praktiker stehen insbesondere Themen<br />
wie TQM, SIX Sigma, Fertigungsplanung oder optimierte Materialbewegungen<br />
im Mittelpunkt.<br />
Schon heute zeigt die zunehmende Verwendung des Begriffs „<strong>MES</strong>“ in der<br />
Fachliteratur und Marktübersichten und nicht zuletzt auch die Normierungsbemühungen<br />
verschiedener Gremien ein wachsendes Interesse.<br />
Um Fertigungsbetrieben einen möglichst umfassenden Überblick über die Leistungsfähigkeit<br />
und die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten eines <strong>Manufacturing</strong><br />
<strong>Execution</strong> <strong>System</strong>s (<strong>MES</strong>) zu bieten und damit die Möglichkeit zu schaffen,<br />
sich mit dem gewonnenen Überblick in einem breiten Marktangebot zu<br />
orientieren, soll der Begriff <strong>MES</strong> methodisch systematisiert werden. Dazu beleuchten<br />
erfahrene Fachleute in dem vorliegenden Buch detailliert die verschiedenen<br />
Aspekte eines <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>s, ohne das ein modernes Unternehmen<br />
heute nicht wirtschaftlich zu führen ist.<br />
Die Beherrschung der Prozesse wird für die Unternehmen in zunehmendem<br />
Maße zur Voraussetzung, auch am Standort Deutschland gewinnbringend zu produzieren.<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Johann Löhn<br />
Präsident Steinbeis-Hochschule Berlin<br />
Regierungsbeauftragter für Technologietransfer<br />
Baden-Württemberg
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis 3<br />
1 Neue Wege für die effektive Fabrik...................................................................9<br />
1.1 Anforderungen an die Produktion von morgen ............................................9<br />
1.2 Fertigungsstrukturen ...................................................................................12<br />
1.2.1 Ausrichtung an Kennzahlen ................................................................12<br />
1.2.2 Steuerungsmethoden ...........................................................................13<br />
1.2.3 Kombinationen aus Fertigungsstruktur und Steuerungsmethode .......15<br />
1.2.4 Schwachstellen der traditionellen PPS-<strong>System</strong>e.................................15<br />
1.2.5 Funktionsebenen..................................................................................16<br />
1.2.6 Fertigungstypen...................................................................................17<br />
1.3 Klassische IT-Unterstützung in der Fertigung............................................19<br />
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>).................................................21<br />
1.4.1 Entstehung der <strong>MES</strong>-Idee ...................................................................21<br />
1.4.2 Aktuelle Standards ..............................................................................25<br />
1.4.3 Das ideale <strong>MES</strong>...................................................................................30<br />
1.4.4 Technische Voraussetzungen ..............................................................35<br />
1.5 Vertikale und Horizontale Integration ........................................................36<br />
1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen ...........................................40<br />
1.6.1 Organisatorische Voraussetzungen .....................................................40<br />
1.6.2 Technische Voraussetzungen ..............................................................41<br />
1.6.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung............................................................41<br />
1.6.4 Unterstützung des KVP und aktueller Zertifizierungen......................42<br />
1.6.5 Zieldefinition und -verfolgung............................................................43<br />
1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale..........................................................44<br />
2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit...........................................................................47<br />
2.1 Die Wirtschaftlichkeit als Prozesseigenschaft............................................47<br />
2.1.1 Der prozessorientierte Ansatz der ISO 9001/TS 16949......................48<br />
2.1.2 Das Prozesspotenzial in Zahlen...........................................................48<br />
2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation .......................................................49<br />
2.2.1 Das Identifizieren systematischer Fehler ............................................50<br />
2.2.2 Die systematische Fehlerbearbeitung..................................................51<br />
2.2.3 Maßnahmeverfolgung .........................................................................52<br />
2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit....................................................................53<br />
2.3.1 Verschwendete Mitarbeit ....................................................................53<br />
2.3.2 Zielvereinbarungen..............................................................................55<br />
2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe ..................................................56<br />
2.4.1 Das Unternehmen als Papierfabrik......................................................56
4 Inhaltsverzeichnis<br />
2.4.2 Schnittstellen ohne Wertschöpfung.....................................................57<br />
2.4.3 Der Weg zur papierlosen Fertigung ....................................................58<br />
2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung ............................................60<br />
2.5.1 Deterministische Steuerung ................................................................60<br />
2.5.2 Rückgekoppelte Regelung ..................................................................60<br />
2.6 Zusammenfassung ......................................................................................64<br />
Literatur ............................................................................................................65<br />
3 Mehrwert durch Software ................................................................................67<br />
3.1 Das Unternehmen als Informationssystem .................................................67<br />
3.1.1 Produktionsfaktor Information............................................................67<br />
3.1.2 Reengineering und Integration............................................................68<br />
3.1.3 Informationsverarbeitung in der Fertigung .........................................69<br />
3.1.4 Maschinen als informationsverarbeitende <strong>System</strong>e............................69<br />
3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie........................................................70<br />
3.2.1 Kennzeichen der Investitionsgüterindustrie........................................71<br />
3.2.2 <strong>MES</strong> in der IT-Softwarelandschaft .....................................................72<br />
3.2.3 <strong>MES</strong> im Technology-Lebenszyklus....................................................73<br />
3.2.4 <strong>MES</strong> aus Anwendersicht.....................................................................74<br />
3.2.5 <strong>MES</strong> aus Marktsicht............................................................................75<br />
3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes ............................................................77<br />
3.3.1 Erarbeitung der Zielsetzung ................................................................77<br />
3.3.2 <strong>System</strong>atische Prozessentwicklung.....................................................78<br />
3.3.3 Abschätzung eines Return on Investment...........................................78<br />
3.3.4 Der <strong>System</strong>abgleich ............................................................................79<br />
3.3.5 Die <strong>MES</strong>-Einführung im Unternehmen ..............................................80<br />
3.3.6 Der Betrieb der <strong>MES</strong>-Lösung .............................................................80<br />
3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> .........................................81<br />
3.4.1 Die digitalisierte Fabrik.......................................................................81<br />
3.4.2 Die Digitale Fabrik..............................................................................82<br />
3.4.3 Die echtzeitfähige Fabrik ....................................................................83<br />
4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen................................................85<br />
4.1 Einleitung und Motivation..........................................................................85<br />
4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen ................................................86<br />
4.2.1 Hilfsmittel und <strong>System</strong>e für die operative Ebene ...............................86<br />
4.2.2 Manuelle Informationsbeschaffung und andere Hilfsmittel ...............88<br />
4.2.3 Probleme bei der Zusammenführung der Daten .................................90<br />
4.3 Der angestrebte Soll-Zustand .....................................................................90<br />
4.3.1 Lückenlose, automatisierte Datenerfassung........................................90<br />
4.3.2 Der I-Punkt für die Fertigung..............................................................92<br />
4.3.3 Die Idee des „<strong>Manufacturing</strong> Cockpits“ .............................................93<br />
4.3.4 Eskalationsmanagement und Workflow .............................................99<br />
4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en .........................101<br />
Literatur ..........................................................................................................102
Inhaltsverzeichnis 5<br />
5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s............................................................................103<br />
5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ...............................................104<br />
5.1.1 Basisfunktionen.................................................................................105<br />
5.1.2 Datenschicht ......................................................................................107<br />
5.1.3 Anwendungsschicht – Business-Objekte und Methoden..................108<br />
5.1.4 Prozessabbildung...............................................................................109<br />
5.1.5 Die Vorteile der ESA-Architektur für <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e.......................110<br />
5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s............................................................111<br />
5.2.1 Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en......................................112<br />
5.2.2 Schnittstellen für die horizontale Integration....................................115<br />
5.2.3 Schnittstellen zum Produktionsmittel................................................115<br />
5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s................................................117<br />
5.3.1 Technologien für Benutzeroberflächen.............................................117<br />
5.3.2 Benutzeroberflächen für Konfiguration, Monitoring und Reporting 119<br />
5.3.3 Benutzeroberflächen für die Erfassung.............................................119<br />
5.4 Ausblick ....................................................................................................120<br />
6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong>......................................123<br />
6.1 <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ermöglichen Fertigungsmanagement................................123<br />
6.2 Das <strong>MES</strong>-Modell ......................................................................................123<br />
6.3 Datenanalyse – Informationen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ..................................125<br />
6.4 Betriebsmittel Maschine oder Anlagenteil ...............................................126<br />
6.4.1 Auftrag/Arbeitsgang..........................................................................127<br />
6.4.2 Material .............................................................................................127<br />
6.4.3 Ressourcen und Fertigungshilfsmittel...............................................128<br />
6.4.4 Prozesswerte......................................................................................128<br />
6.4.5 Personal .............................................................................................129<br />
6.4.6 Prüfmerkmal......................................................................................129<br />
6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität..................................................................129<br />
6.5.1 Ausstattung des Erfassungsterminals................................................130<br />
6.5.2 Informationsbereitstellung für den Werker.......................................133<br />
6.5.3 Modularität unterstützt die Vielfalt der Erfassungsdialoge ..............134<br />
6.5.4 Plausibilität im Erfassungsprozess....................................................135<br />
6.5.5 Welche Schnittstellen zum Prozess lassen sich sinnvoll nutzen? .....136<br />
6.5.6 Datenkorrekturen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ...................................................137<br />
6.5.7 Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s...................138<br />
6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement ...............................138<br />
6.6.1 Transparenz durch <strong>MES</strong>-Aktualiät....................................................139<br />
6.6.2 Anwendergerechte Auswertungen ....................................................140<br />
6.6.3 Fertigungsnahe Zieldefinition ...........................................................142<br />
Literatur...........................................................................................................143<br />
7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong>...........................................................145<br />
7.1 Überblick und Zielsetzung........................................................................145<br />
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung ...................................148<br />
7.2.1 Überblick...........................................................................................148
6 Inhaltsverzeichnis<br />
7.2.2 Umgang mit primären Kapazitäten in <strong>MES</strong>......................................150<br />
7.2.3 Modellierung der Prozesse im <strong>MES</strong> .................................................153<br />
7.2.4 Personal – die besonders wertvolle Ressource .................................155<br />
7.2.5 Modellierung der technischen Sicht..................................................156<br />
7.2.6 Strategien zur Ressourcenbelegung ..................................................158<br />
7.2.7 Konfliktauflösung durch Simulation & Optimierung .......................160<br />
7.2.8 Monitoring des Auftragsdurchlaufs ..................................................164<br />
7.2.9 Reaktive Planung mit <strong>MES</strong>...............................................................165<br />
7.3 Verwaltung von Produktionsmitteln (Ressourcen)...................................166<br />
7.3.1 Statusverwaltung...............................................................................167<br />
7.3.2 Anonyme und individualisierte Ressourcen .....................................168<br />
7.4 Zusammenfassung ....................................................................................169<br />
8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong> ..........................................................................171<br />
8.1 Gelebte Qualität........................................................................................171<br />
8.2 Geplante Qualität......................................................................................172<br />
8.2.1 Qualitätsstammdaten eines <strong>MES</strong> ......................................................172<br />
8.2.2 Präventive Fehlervermeidung mit FMEA.........................................174<br />
8.2.3 Prüfplanung – das Fundament der Produktqualität...........................174<br />
8.2.4 Prüfmittel – Reduktion von Messunsicherheiten..............................176<br />
8.2.5 Lieferantenbewertung – Optimierung des Beschaffungsprozesses .177<br />
8.2.6 Aufbau von Workflows mit Eskalationsszenarien............................178<br />
8.2.7 Qualitätsplanung innerhalb der Fertigungsvorbereitung...................179<br />
8.3 Integrierte Qualität....................................................................................181<br />
8.3.1 Qualität durch Informationsmanagement..........................................182<br />
8.3.2 Sicherstellung der Zulieferqualität....................................................182<br />
8.3.3 Fertigungsbegleitende Qualitätssicherung ........................................183<br />
8.3.4 Optimierung der Prüfmittelüberwachung .........................................184<br />
8.3.5 Transparentes Reklamationsmanagement.........................................185<br />
8.4 Dokumentierte Qualität ............................................................................186<br />
8.4.1 Vernetzung von Informationen .........................................................187<br />
8.4.2 Qualitätsdaten zielgerecht nutzen .....................................................187<br />
8.4.3 Traceability .......................................................................................190<br />
8.5 Analysierte und bewertete Qualität ..........................................................192<br />
8.5.1 Verbesserungspotenziale in der Fertigung........................................193<br />
8.5.2 Aus Reklamationen lernen ................................................................194<br />
8.5.3 Six Sigma – der Verschwendung Einhalt gebieten...........................194<br />
8.5.4 Qualitätsinformationen – Mehrwert im <strong>MES</strong> ...................................196<br />
9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong>......................................................................199<br />
9.1 Überblick ..................................................................................................199<br />
9.2 Personalzeiterfassung ...............................................................................200<br />
9.2.1 Aufgaben der Personalzeiterfassung.................................................200<br />
9.2.2 Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>- oder ERP-<strong>System</strong>.......................................201<br />
9.2.3 Flexibilisierung der Arbeitszeit.........................................................202<br />
9.3 Motivation und Mitarbeiterführung..........................................................204
Inhaltsverzeichnis 7<br />
9.3.1 Leistungs- und Prämienentlohnung...................................................204<br />
9.3.2 Qualifizierung der Mitarbeiter ..........................................................206<br />
9.4 Personaleinsatzplanung.............................................................................206<br />
9.4.1 Urlaubs- und Schichtplanung............................................................207<br />
9.4.2 Prüfung der Personalkapazitäten bei der Feinplanung......................208<br />
9.4.3 Einplanung der Mitarbeiter auf die Arbeitsplätze.............................209<br />
9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen......................................................210<br />
9.6 Ausblick ....................................................................................................212<br />
Literatur...........................................................................................................212<br />
10 <strong>MES</strong> unter SAP..............................................................................................213<br />
10.1 Motiva.....................................................................................................213<br />
10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld...................................................214<br />
10.2.1 Entwicklung des <strong>MES</strong> in der SAP-Historie ....................................214<br />
10.2.2 Anforderungen an ein <strong>MES</strong> im SAP-<strong>System</strong>-Umfeld ....................215<br />
10.2.3 Ebenendarstellung eines Fertigungsunternehmens .........................215<br />
10.2.4 Unternehmensprozesse in mySAP ERP und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ............217<br />
10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong>..........................................221<br />
10.3.1 Bedeutung des SAP NetWeaver für die Integration des <strong>MES</strong>........221<br />
10.3.2 Schnittstellen zu den mySAP- ERP-Anwendungen........................224<br />
10.3.3 Integration von <strong>MES</strong>-Funktionen über das SAP-Portal..................227<br />
10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP .............229<br />
10.4.1 Skalierbarkeit der <strong>MES</strong>-Lösung......................................................229<br />
10.4.2 <strong>MES</strong> für die horizontale Integration................................................230<br />
10.4.3 Anbindung der Maschinen- und Steuerungsebene..........................230<br />
10.4.4 Beispiele für die Integration von <strong>MES</strong> und mySAP ERP...............232<br />
10.5 Zusammenfassung ..................................................................................237<br />
11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung ............................................................239<br />
11.1 Besonderheiten der Kunststoffindustrie..................................................239<br />
11.2 Einsetzbare <strong>MES</strong>-Module.......................................................................240<br />
11.3 Leitstand..................................................................................................241<br />
11.4 Erfassung der Maschinen- und Betriebsdaten ........................................243<br />
11.5 Anschluss der Spritzgießmaschinen .......................................................244<br />
11.6 Visualisierung und Auswertungen..........................................................245<br />
11.7 Verbindung Qualitätssicherung und Prozessdaten .................................247<br />
11.8 Werkzeugbau ..........................................................................................248<br />
11.8.1 Überwachung der Wartungsintervalle durch ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ......248<br />
11.8.2 BDE und Leitstand im Werkzeugbau..............................................249<br />
11.9 DNC, Chargenverfolgung und Nachweispflicht.....................................250<br />
11.10 Management Information <strong>System</strong> (MIS)..............................................251<br />
11.11 Rentabilität (Return on Investment) .....................................................252<br />
11.12 Zusammenfassung ................................................................................254<br />
Abkürzungsverzeichnis......................................................................................255
8 Inhaltsverzeichnis<br />
Checkliste ............................................................................................................257<br />
Vorbemerkung für den Bearbeiter..................................................................257<br />
Allgemeine Kriterien ......................................................................................257<br />
<strong>System</strong>konzept ...........................................................................................258<br />
Fertigung ....................................................................................................258<br />
Qualität.......................................................................................................259<br />
Personal ......................................................................................................259<br />
Datenerfassung...........................................................................................259<br />
<strong>MES</strong> im SAP-Umfeld ................................................................................260<br />
Aktualisierungen ........................................................................................260<br />
Autorenverzeichnis.............................................................................................261<br />
Sachverzeichnis...................................................................................................267
1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
1 Neue Wege für die effektive Fabrik 9<br />
1.1 Anforderungen an die Produktion von morgen<br />
Die klassische Fabrik hat sich über die Herstellung von Produkten definiert. Die<br />
Produkte und deren Wert wurden hauptsächlich an ihren Materialanteilen gemessen.<br />
Das genügt heute nicht mehr. Die zunehmende Globalisierung führt zwangsläufig<br />
zu einer zunehmenden Anonymisierung der Produkte und ihrer Herkunft.<br />
Damit verschiebt sich der Focus von der Beherrschung der Produktentstehung<br />
(Fertigungstiefe) zur Beherrschung der Produktwahrnehmung durch den Kunden<br />
(OEM). Kunden betrachten heute Produkte in erstklassiger Qualität als Selbstverständlichkeit.<br />
Wer sich in der Zukunft vom Wettbewerb abheben will, benötigt eine<br />
Wettbewerbsstrategie, die dem Kunden einen zusätzlichen Mehrwert bietet,<br />
wie z. B. hohe Flexibilität, kurze Lieferzeiten, hohe Termintreue, hohe Variantenvielfalt,<br />
kürzere Produktlebenszyklen – Eigenschaften, die nicht durch Produktion,<br />
sondern durch die Prozesse erzeugt werden. Der heute zunehmend verwendete<br />
Begriff Adaptive <strong>Manufacturing</strong> beschreibt diesen Ansatz als „Maschinen mit<br />
Märkten verbinden.“<br />
Viele klassische Hersteller definieren daher heute ihre Produktionsstätten schon<br />
als Dienstleistungs- oder Servicezentrum und signalisieren dem Kunden damit,<br />
dass sie die Veredelung von Material zu einem fertigen Produkt auch als Dienstleistung<br />
für den Kunden verstehen. Aus diesem Mehr an Kundennähe resultieren<br />
zunächst einmal Kostensteigerungen. Moderne Produzenten versuchen, diese<br />
Mehrkosten auszugleichen, in dem sie ihre Fertigungstiefe überdenken, teilweise<br />
Standardkomponenten einsetzen oder sich geeignete Komponenten auf dem weltweiten<br />
Markt beschaffen. Der moderne Produzent sieht sich damit Kräften gegenüber,<br />
die man als Vernetzung, Dynamisierung und Individualisierung bezeichnen<br />
kann.<br />
Unter dem Begriff „Vernetzung“ wird die zunehmende überbetriebliche Kooperation<br />
verstanden, die globale Formen annehmen kann und die heute mit vielen<br />
Facetten als Globalisierung öffentlich diskutiert wird. Durch diese Vernetzung<br />
kann der Produzent benötigte Komponenten auf dem Markt beschaffen und kann<br />
sich selbst auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, die er dann effektiv in einem<br />
Supply-Chain-Management in die Kette der gesamten Produktherstellung<br />
einbindet.<br />
Die Dynamisierung entsteht durch starke Marktschwankungen, welche, getrieben<br />
durch mehr Informationen und immer schneller verbreitete Informationen, die<br />
Kunden zu einem schnellen Wechsel ihrer Kaufgewohnheiten verleiten. Das sich<br />
immer schneller drehende Rad der Technologieentwicklung trägt ein Übriges zu
10 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
diesen Effekten bei. In komplexen, kooperativen Abläufen sind Störungen wahrscheinlicher<br />
als in einfachen eng gekoppelten Abläufen. Das daraus resultierende<br />
Störungsmanagement und häufige und schnellere Kundenauftragsänderungen heizen<br />
die Dynamik weiter an.<br />
Der Wandel zu Käufermärkten und eine zunehmende Kundenorientierung verlangt<br />
von den Produzenten ein Mehr an Individualisierung. Der Kunde möchte<br />
gerne ein Produkt auf seine Bedürfnisse zugeschnitten haben. Eine zunehmende<br />
Variantenvielfalt, die der Produzent dem Kunden anbieten muss, ist die logische<br />
Folge.<br />
Vernetzung, Dynamisierung und Individualisierung erzeugen Turbulenz in den<br />
Produktionsbetrieben und verlangen vom Produzenten Wandelbarkeit. Die Turbulenz<br />
wird geprägt durch neue Anforderungen an die interne Auftragsabwicklung<br />
und die externe Marktdynamik. Die Wandelbarkeit ist geprägt durch stärkere externe<br />
Vernetzung, Kooperation mit mehreren oder immer neuen Partnern und<br />
schnellere interne strukturelle und technologische Anpassungen. Diese Bewegung<br />
der Turbulenz bzw. Wandelbarkeit erschweren die Produktion nahe an einem<br />
wirtschaftlichen Optimum, fördern ein mangelhaftes Informationsmanagement<br />
sowie untaugliche bzw. veraltete Geschäftsprozesse. Für den Kunden resultieren<br />
daraus mangelhafte Liefertermintreue und Zeiten, sowie unbefriedigende Produktqualität.<br />
Beim Hersteller entstehen oft zu lange Durchlaufzeiten, welche überhöhte<br />
Bestände verursachen. Die Folge davon ist eine höhere (vermeidbare) Kapitalbindung.<br />
Die Liste der Effekte, die von Turbulenz und Wandelbarkeit erzeugt werden,<br />
ließe sich fortsetzen. Diese Effekte betreffen jede Ebene eines Fertigungsunternehmens,<br />
oft in unterschiedlicher Art und Weise mit unterschiedlichen Auswirkungen.<br />
Begegnen kann man den Folgen dieser Effekte, in dem man innerhalb<br />
der Ebenen und zwischen den Ebenen mehr Transparenz schafft, in dem man reaktionsfähiger<br />
wird und die Wirtschaftlichkeit sicherstellt.<br />
Um die Transparenz zu steigern, müssen die betroffenen Geschäftsprozesse<br />
stärker integriert werden. Hemmnisse, die heute immer noch in der Kommunikation<br />
zwischen den Unternehmensebenen Management, Fertigungsmanagement sowie<br />
der ausführenden Produktion bestehen, müssen abgebaut werden. Innerhalb<br />
der Ebenen müssen Informationen schneller und effektiver fließen. Die heute vielfach<br />
geforderte vertikale Integration oder Durchgängigkeit vom Management zur<br />
Fertigung ist durch eine horizontale Integration zu ergänzen. Auf dieser Basis gesteigerter<br />
Transparenz entwickelt sich eine bessere Reaktionsfähigkeit. Durch<br />
schnellere Information werden Störungen und ungeplante Abläufe schneller erkannt.<br />
Es kann schneller darauf reagiert und schneller Abhilfe geschaffen werden.<br />
Mit diesen Hilfsmitteln kann eine Fertigungsplanung errichtet werden, die sich<br />
durch kurze Reaktionszeiten auszeichnet und damit das Prädikat eines Feinplanungsregelkreises<br />
mit kurzen Regelzyklen verdient.<br />
Mit diesem Instrumentarium ist es möglich, kurzfristige Änderungen bei Lieferungen<br />
oder Dienstleistungen wirtschaftlich und kostenorientiert durchzuführen,<br />
so dass man damit einer wichtigen Forderung des heutigen Kunden nach Flexibilität<br />
nachkommen kann. Aber auch die effiziente Einführung von Veränderungen,<br />
eine gute Anpassbarkeit an sich verändernde Unternehmensbedürfnisse und die
1.1 Anforderungen an die Produktion von morgen 11<br />
gute Integrationsfähigkeit von vorhandenen Technologien und <strong>System</strong>en müssen<br />
in einem Fertigungsunternehmen entwickelt und kultiviert werden.<br />
Die Nutzenpotenziale, die aus diesen Elementen resultieren wie besserer Kundenservicegrad<br />
durch erhöhte Termintreue und Lieferfähigkeit sowie Produktqualität<br />
und Informationsfähigkeit, Kosteneinsparung durch Bestandssenkungen,<br />
verbesserte Mitarbeiterposition, Motivation durch Beherrschung der Produktion<br />
etc. liefern entscheidende Leistungskennzahlen für das heutige Wettbewerbsumfeld.<br />
Diese drei Elemente eines Verbesserungsprozesses, Transparenz, Reaktionsfähigkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit, sind in Teilen in den letzten Jahren in der Industrie<br />
umgesetzt worden. Besonders in der Ebene des Unternehmensmanagements<br />
wurden hier einige Schritte getan. Im kaufmännischen Bereich des Unternehmensmanagements<br />
werden Veränderungen nicht in Sekunden, Minuten oder<br />
Stunden wirksam, sondern eher in Tagen, Wochen und Monaten. Völlig anders ist<br />
die Situation im Bereich des Fertigungsmanagements und im Bereich der Produktion<br />
(Automation). Hier sind wesentlich kurzfristigere Aktivitäten notwendig und<br />
bedingen Werkzeuge, die auch Ad-hoc-Entscheidungen unterstützen. Jede Minute,<br />
die eine Maschine oder ein Werksteil still steht, kostet Geld. Jede Minute, die eine<br />
solche Störung dauert, frisst Gewinn. In solchen Fällen kann leicht eine sehr deutliche<br />
Beziehung zwischen Nutzen und Kosten für Maßnahmen und Werkzeuge zur<br />
Störungsverhinderung oder Störungsminderung dargestellt werden.<br />
Das Ziel „Steigerung von Transparenz, Reaktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit“<br />
erfordert heute besonders im Fertigungsmanagement das Beschreiten neuer<br />
Wege bzw. vermehrte Anstrengungen bei bereits eingeleiteten Maßnahmen. Ein<br />
Werkzeug, das diese Ziele unterstützt, ist das sog. <strong>MES</strong> (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong><br />
<strong>System</strong>). Darunter wird eine Technologie verstanden, die sich in Europa aus eher<br />
klassischen Disziplinen wie Betriebsdatenerfassung, Personalzeiterfassung, Qualitätssicherung<br />
und Fertigungsfeinplanung entwickelt hat. Die homogenisierte und<br />
verdichtete Version dieser Technologien kann mit dem Begriff <strong>MES</strong> zusammengefasst<br />
werden. Ziel eines <strong>MES</strong> ist es, die wertschöpfenden Prozesse transparent<br />
zu machen und auf Basis dieser Transparenz sowohl horizontale, als auch vertikale<br />
Regelkreise zu bilden. Die Zykluszeit dieser Regelkreise orientiert sich an den<br />
jeweiligen Aufgaben und wird z. B. für die Fertigung nicht, wie in einem klassischen<br />
ERP-Umfeld üblich in Schichten und Tagen gemessen, sondern in Vielfachen<br />
von Minuten. Damit kann die Produktion neuen Anforderungen reaktionsschnell<br />
und wirtschaftlich begegnet werden.<br />
Das vorliegende Buch soll verschiedene Aspekte von <strong>MES</strong> und dem Einsatz<br />
von <strong>MES</strong> beleuchten und soll auch darstellen, wie auch in einer stark automatisierten<br />
Industrie, Verbesserungspotenziale zu lokalisieren und auszuschöpfen<br />
sind.
12 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
1.2 Fertigungsstrukturen<br />
Das Ziel einer Wirtschaftlichkeitssteigerung ist natürlich keine neue Forderung,<br />
sondern ist ein permanenter Prozess, der die produzierende Industrie in den letzten<br />
Jahrzehnten zunehmend herausfordert. In der öffentlichen Diskussion sind immer<br />
nur besonders große Schübe in diese Richtung wahrgenommen worden (z. B. Lopez<br />
oder der Export von Arbeitsplätzen aus Deutschland). Diesem Streben nach<br />
mehr Wirtschaftlichkeit ist man neben der Verbesserung der Bearbeitungstechnik<br />
und der Reduzierung der Material- und Lohnkosten zunächst mit einer Verbesserung<br />
der Fertigungsstrukturen und Steuerungsmethoden begegnet, mit dem Ziel<br />
eines verbesserten Auftragsdurchlaufs durch die Fertigung. In den letzten Jahren<br />
haben sich daher neue Ausprägungen entwickelt, die den Anforderungen nach<br />
kürzeren Durchlaufzeiten und einer höheren Flexibilität, insbesondere in Bezug<br />
auf die steigende Variantenanzahl entgegen kommen. Einige dieser Fertigungsstrukturen<br />
und Steuerungsmethoden sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.<br />
1.2.1 Ausrichtung an Kennzahlen<br />
Bei der Auswahl geeigneter Fertigungsstrukturen müssen verschiedene Faktoren<br />
berücksichtigt werden. Ein wichtiges Kriterium ist die geplante Produktionsmenge.<br />
Durch den hohen Automatisierungsgrad erreicht die Linienstruktur die höchste<br />
Produktivität, die hohen Investitionskosten können sich jedoch nur bei langfristig<br />
hohen Stückzahlen amortisieren. Weitere wichtige Kriterien sind die Flexibilität in<br />
Bezug auf Produktwechsel, Variantenfertigung, Mengenänderungen, Umlaufbestände,<br />
Arbeitsbedingungen, etc. Hier gilt es, durch eine Bewertung der verschiedenen<br />
Strukturen im Hinblick auf diese Kriterien den höchsten Nutzen zu ermitteln.<br />
Werkstattfertigung<br />
Bei der Werkstattfertigung werden alle Maschinen, die gleiche Verrichtungen<br />
ausüben, in Werkstätten zusammengefasst, z. B. alle Drehmaschinen in der Dreherei,<br />
alle Fräsmaschinen in der Fräserei (layout by machine). Der zeitliche Ablauf<br />
der Fertigung ist dabei an Lose gebunden. Erst wenn das letzte Werkstück eines<br />
Loses bearbeitet ist, werden alle Teile des Loses zur nächsten Verrichtung transportiert.<br />
Dadurch kommt es bei mehrstufigen Produkten zu einem unübersichtlichen<br />
Materialfluss mit langen Transportwegen, Warte- und Liegezeiten, hohen<br />
Umlaufbeständen und schlechter Termineinhaltung. Entstanden ist die Werkstattfertigung<br />
aus dem Streben nach hoher Flexibilität und einer vereinfachten Layoutplanung.
Fertigung in dezentralen Strukturen<br />
1.2 Fertigungsstrukturen 13<br />
In dezentralen Strukturen werden produkt- oder kundenorientierte Organisationseinheiten<br />
zusammengefasst, die mehrere Fertigungsstufen umfassen (Fabrik in der<br />
Fabrik). Ziel ist die Vereinigung der Kosten- und Produktivitätsvorteile der Linien-<br />
bzw. Fließfertigung mit der hohen Flexibilität der Werkstattfertigung. Dem<br />
Ansatz der dezentralen Strukturen liegt die Annahme zugrunde, dass sich kleine<br />
Einheiten leichter koordinieren lassen, da alle zur Leistungserstellung erforderlichen<br />
Einheiten in einem Bereich zusammengefasst sind. Dezentrale Strukturen<br />
sind damit in der Lage sich intensiv auf spezifische Wettbewerbsstrategien auszurichten.<br />
Linien- und Fließfertigung<br />
Hier werden Maschinen und Arbeitsgänge entsprechend der Bearbeitungsreihenfolge<br />
eines Produktes angeordnet (layout by product). Aufgrund der feinen zeitlichen<br />
Abstimmung und Verkettung der einzelnen Arbeitsgänge untereinander<br />
(Taktung) ist diese Struktur sehr anfällig bei Ausfällen und Störungen, sowie unflexibel<br />
in Bezug auf Produktvariationen. Hinzu kommen die hohen Investitionskosten<br />
solcher Anlagen weshalb sie sich nur in der Großserienproduktion wirtschaftlich<br />
einsetzen lassen. Hier bietet die Linien- und Fließfertigung jedoch die<br />
größten Produktivitätsvorteile gegenüber anderen Fertigungsstrukturen, da Warte-<br />
und Liegzeiten, Umlaufbestände sowie Transportwege minimiert sind.<br />
1.2.2 Steuerungsmethoden<br />
Die Auswahl geeigneter Steuerungsmethoden hängt stark von der Fertigungsstruktur<br />
(z. B. Werkstattfertigung oder Fließfertigung) ab. Aber auch die Art der zu bearbeitenden<br />
Aufträge (z. B. Kunden-/Lagerauftrag, Stückzahlen, Variantenanzahl,<br />
Streuung der Aufträge, etc.) spielt eine wichtige Rolle. Prinzipiell kann dabei zwischen<br />
dem Push-Prinzip und dem Pull-Prinzip unterschieden werden.<br />
Push-Prinzip<br />
Beim Push-Prinzip werden in einer zentralen Produktionsplanung und -steuerung<br />
Fertigungsaufträge erzeugt, die dann in der Fertigung umzusetzen sind. Beispiele<br />
solcher Push-Methoden sind:<br />
− MRP II (<strong>Manufacturing</strong> Requirement Planning)<br />
Die MRP II Methode entwickelte sich aus MRP I (Material Requirements<br />
Planning) durch die Einbeziehung von Personal- und Maschinenkapazitäten in<br />
die Berechnung. Sie wird hauptsächlich in der Serien- und Kleinserienfertigung<br />
nach dem Werkstattprinzip angewandt, da die mehrstufigen Fertigungsstrukturen<br />
einen höheren Planungsaufwand erfordern.
14 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
− Fortschrittszahlenkonzept<br />
Beim Fortschrittszahlenkonzept werden die Materialbewegungen mit Hilfe einer<br />
Fortschrittszahl (FZ) über der Zeit kumuliert erfasst (Ist-FZ) und dem<br />
Planwert (Soll-FZ) gegenüber gestellt. Voraussetzung für das Fortschrittszahlenkonzept<br />
sind große Produktionsmengen und eine lineare Fertigungsstruktur.<br />
Aus diesem Grund eignet sich diese Methode hauptsächlich in der Serien- und<br />
Massenfertigung mit Linien-/Fließfertigung.<br />
− Belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA)<br />
Die belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA) wurde insbesondere für die<br />
Einzel- und Serienfertigung variantenreicher Produkte nach dem Werkstattprinzip<br />
entwickelt. Sie betrachtet Maschinen als Trichter, deren Füllstand (Anzahl<br />
Aufträge) geregelt wird.<br />
Pull-Prinzip<br />
Beim Pull-Prinzip wird nur gefertigt, wenn ein Kundenbedarf vorliegt. Der Kundenauftrag<br />
erzeugt einen Bedarf in der Endmontage. Dieser Bedarf erzeugt wiederum<br />
einen Bedarf in der Vormontage, usw., d.h. der Kundenauftrag zieht sich<br />
rückwärts durch die Fertigung bis zur Materialbeschaffung. Ziel des Pull-Prinzips<br />
ist es, den Steuerungsaufwand zu reduzieren und die Produktion transparenter und<br />
bestandsärmer zu machen. Beispiele solcher Pull-Methoden sind:<br />
− KANBAN<br />
Die KANBAN Methode basiert auf sich selbst steuernden Regelkreisen zwischen<br />
einer verbrauchenden Stelle und einer produzierenden Stelle. Die produzierende<br />
Stelle erhält dabei ein Signal, welche Teile in welcher Menge zu welchem<br />
Zeitpunkt bei der verbrauchenden Stelle benötigt werden. Das Signal<br />
wird durch KANBAN-Karten ausgelöst. KANBAN wird überwiegend in der<br />
Massenfertigung mit Fließfertigung angewandt.<br />
− CONWIP<br />
Die CONWIP-Methode (CONstant Work-In-Process) basiert auf dem Kanban-<br />
<strong>System</strong>, umfasst jedoch die Regelkreise mehrerer Stationen der Fließfertigung.<br />
− Synchrone Produktion<br />
Bei der Synchronen Produktion fertigt die ideale Fertigungslinie im Takt des<br />
Kunden oder entsprechend der Kundenabrufe. Durch die Verkettung der Arbeitsschritte<br />
ist nur die Steuerung einer einzigen Prozessstufe in der gesamten<br />
Prozesskette erforderlich. Der Schrittmacherprozess ist der Prozess, der direkt<br />
vom Kunden gesteuert wird. Ziel der Methode ist ein kontinuierlicher Fluss (one-piece-flow).
1.2 Fertigungsstrukturen 15<br />
− Agentensteuerung<br />
Übergeordnete IT-<strong>System</strong>e ermitteln Ecktermine auf Basis der Kundentermine.<br />
Nach diesen Vorgaben handeln Werkstücke, Anlagen und Transportsysteme<br />
den Arbeitsablauf dezentral und selbständig aus. Dabei berücksichtigen sie stets<br />
den aktuellen Status der Produktion.<br />
1.2.3 Kombinationen aus Fertigungsstruktur und Steuerungsmethode<br />
Wie bereits oben erwähnt, eignet sich nicht jede Steuerungsmethode für jede Fertigungsstruktur.<br />
In der Praxis sind folgende Kombinationen anzutreffen:<br />
Welche Steuerungsmethode ist<br />
für welche Fertigungsstruktur<br />
geeignet und in der Praxis<br />
in Kombination anzutreffen?<br />
Werkstattfertigung<br />
Fertigung in dezentralen Strukturen<br />
Linien-/Fließfertigung<br />
Push-Steuerung:<br />
MRP, MRP II, BOA, etc.<br />
+ +<br />
-<br />
O<br />
Push-Steuerung:<br />
MRP, MRP II, BOA, etc.<br />
+<br />
+<br />
PULL-Steuerung:<br />
KANBAN, CONWIP<br />
PULL-Steuerung:<br />
KANBAN, CONWIP<br />
O<br />
+<br />
+<br />
PULL-Steuerung:<br />
PULL-Steuerung:<br />
Synchrone Synchrone Produktion Produktion<br />
+<br />
+<br />
O<br />
Agentensteuerung/<br />
Dezentrale Intelligenz<br />
Agentensteuerung/<br />
Dezentrale Intelligenz<br />
- ungeeignet<br />
O teilweise geeignet<br />
+ geeignet<br />
Abb. 1.1. Steuerungsmethoden in Abhängigkeit der Fertigungsstruktur (Fraunhofer IITB,<br />
2005)<br />
1.2.4 Schwachstellen der traditionellen PPS-<strong>System</strong>e<br />
Trotz ausgeklügelter Steuerungsmethoden weist die traditionelle Produktionsplanung<br />
und -steuerung erhebliche Schwachstellen bei der Planung und Terminierung<br />
von Fertigungsaufträgen auf, weshalb ein Trend zu Pull-Ansätzen zu beobachten<br />
ist. Solche Schwachstellen sind u.a.<br />
− Planung mit unsicheren Planvorgaben (Bearbeitungszeiten, Maschinennutzgrad,<br />
etc.),<br />
− zu grobes Planungsraster durch Planung auf Wochen- oder bestenfalls Tagessicht,<br />
− Planung ohne aktualisierten Belastungshorizont,
16 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
− fehlende oder zu späte Rückmeldungen über Auftragsfortschritt, Störungen etc.,<br />
dadurch nur verzögerte Regelungsmöglichkeit,<br />
− unflexibel bei Eilaufträgen und Bedarfs- bzw. Terminänderungen,<br />
− keine Berücksichtigung der tatsächlichen Kapazitätsauslastung.<br />
Aus diesen Strategien ist ein Hang zur Planung, also einem Einbahnstraßenprinzip<br />
ohne Rückkopplung ersichtlich. Transparenz und Reaktionsfähigkeit werden<br />
damit nicht erreicht. Ein Verbesserungsprozess durch bessere Planung muss<br />
an einem bestimmten Punkt prinzipiell enden. Ohne zeitnahe Rückmeldung wird<br />
der Regelkreis, der aus Fertigungsplan und Fertigung gebildet wird, im günstigsten<br />
Falle einmal am Tag durchlaufen, da Eingaben erst geprüft, korrigiert und in<br />
den neuen Plan eingearbeitet werden müssen.<br />
1.2.5 Funktionsebenen<br />
Die im vorigen Abschnitt betrachteten Fertigungsstrukturen und Steuerungsmethoden<br />
koordinieren und organisieren die gehobenen Ebenen eines Fertigungsunternehmens.<br />
Für die weitere Betrachtung ist es sinnvoll, ein solches Unternehmen<br />
in verschiedene Ebenen einzuteilen.<br />
Das Unternehmensmanagement<br />
Die Ebene des Unternehmensmanagements übernimmt natürlich primär kommerzielle<br />
Aufgaben. Aus den Aktivitäten des Vertriebs und der Produktgestaltung ergeben<br />
sich Produktprogrammplanung und die zugehörige Mengenplanung. Ist die<br />
Mengenplanung kunden-, auftrags- oder lagerorientiert abgeschlossen, so erfolgt<br />
die Auftragsfreigabe und darauf hin oder auf auch davon abhängig die Termin-<br />
und Kapazitätsplanung für die Fertigung. In nahezu allen Fällen ist dieser Planungsschritt<br />
eine Grobplanung, das heißt, man betrachtet in einem am Bearbeitungszeitraum<br />
gemessenen groben Raster die zur Verfügung stehenden Kapazitäten<br />
und die auf diesen Kapazitäten zu fertigenden Einheiten. Aus den aus der<br />
Fertigung zurückfließenden Informationen wie Zeiten und Mengen führt das Controlling<br />
Soll-/Ist-Vergleiche durch, woraufhin gegebenenfalls Vorgaben für die<br />
nächste Fertigungsperiode oder für den nächsten Planungsabschnitt geändert werden<br />
können.<br />
Das Fertigungsmanagement<br />
Das Fertigungsmanagement übernimmt die Auftragsbelastung und zugehörige<br />
Termine aus dem Unternehmensmanagement und macht eine Reihenfolge- und<br />
Belegungsplanung. Dieser Planschritt soll als sog. Feinplanung bezeichnet werden.<br />
Hier werden die Aufträge bzw. Arbeitsgänge auf die vorhandenen Kapazitäten<br />
eingelastet, wobei möglichst präzise Starttermine ermittelt und der eigentli-
1.2 Fertigungsstrukturen 17<br />
chen Fertigung vorgegeben werden. In diesem Fertigungsmanagement ist auch die<br />
Erfassung der Fertigungsdaten angesiedelt, mit deren Hilfe man einen zeitnahen<br />
Soll-/Ist-Vergleich zwischen Vorgaben und realen Informationen durchführen<br />
kann.<br />
Auf dieser Ebene werden üblicherweise alle Arten von Ressourcenverwaltungen<br />
durchgeführt. Die Erstellung von Personaleinsatzplänen ist üblicherweise<br />
eine Disziplin des Fertigungsmanagements. Auch die Qualitätssicherung<br />
mit ihren vielfältigen Funktionen, was Datenerfassung und Auswertung betrifft,<br />
sind üblicherweise eine Aufgabe des Fertigungsmanagements.<br />
Die Fertigungsebene (Automationsebene)<br />
Der eigentlichen Fertigung werden nun Maschinen- und Anlagensteuerung sowie<br />
Lagersteuerung zugeordnet. Ebenso sind Transportsteuerung, Instandhaltung und<br />
die eigentliche Herstellung von Waren die Aufgaben der Fertigung. Bei zukünftigen<br />
Betrachtungen wird diese Ebene auch häufig als Automationsebene bezeichnet.<br />
Besonders dann, wenn man sich darauf beschränkt, ein Unternehmen nach IT-<br />
Gesichtspunkten zu beschreiben.<br />
Im Rahmen dieses Buches spielt die Betrachtung des Fertigungsmanagements<br />
eine zentrale Rolle. Hier kreuzen sich in einem Fertigungsunternehmen in entscheidender<br />
Weise Material- und Informationsflüsse. Das Fertigungs-management<br />
trägt auch maßgeblich zur Wertschöpfung bei. An dieser Stelle kann durch ungeeignete<br />
Mechanismen nicht nur kein Geld verdient, sondern vorhandenes Geld<br />
auch leicht vernichtet werden.<br />
Das Fertigungsmanagement bestimmt die logistische Leistungsfähigkeit eines<br />
Unternehmens, besonders im Hinblick auf die Reaktionsfähigkeit auf Markteinflüsse.<br />
In neueren Steuerungsmethoden wird eher dezentralisiert und die Verantwortung<br />
an einzelne Abteilungen delegiert. Hierdurch gewinnt das Fertigungsmanagement<br />
immer mehr an Verantwortung und Bedeutung. Überbetriebliche<br />
Vernetzung im Umfeld von Supply Chain Management erfolgt heute immer mehr<br />
auf der Ebene der eigentlichen Fertigung bzw. des Fertigungsmanagements. Diese<br />
Ebenenbildung soll innerhalb dieses Buches für alle Arten von Fertigungen als<br />
Modell dienen.<br />
1.2.6 Fertigungstypen<br />
Bei den Fertigungsarten sollen drei verschiedene sog. Fertigungstypen unterschieden<br />
werden. Die sog. diskrete oder Werkstattfertigung, die Prozesslinienfertigung<br />
oder Massenfertigung und der Einzelfertiger oder Anlagenbauer. Die Unterscheidung<br />
ist an dieser Stelle wichtig, weil in der Folge dieses Buches gezeigt<br />
werden soll, inwieweit diese Fertigungstypen Bedarf an <strong>MES</strong>-Funktionalität haben.<br />
Die drei Typen sollen hier kurz in ihren Eigenschaften charakterisiert werden.
18 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Diskrete oder Werkstattfertigung<br />
Hier bestehen Fertigungsaufträge aus einer Reihe von Arbeitsgängen, die teilweise<br />
wieder zu Baugruppen zusammengefasst sein können. Der diskrete Fertiger möchte<br />
möglichst kurze und optimale Übergänge zwischen seinen Bearbeitungsstufen<br />
haben. Die Verfügbarkeit von Zwischenprodukten ist eine wichtige Größe, ebenso<br />
das Organisieren dieser Zwischenprodukte in Zwischenlägern. Eine bestimmte<br />
Größe sind hier Ressourcenverfügbarkeiten und vor allem die Flexibilität in der<br />
Abarbeitung von Aufträgen. Unter einem diskreten Fertiger wird hier auch ein Serienfertiger<br />
verstanden.<br />
Prozesslinien oder Massenfertigung<br />
Der Massen-, Prozess- oder Linienfertiger verkettet seine Aggregate und Maschinen<br />
zu Linien, die üblicherweise große Stückzahlen eines Produktes herstellen.<br />
Flexible Veränderungen in der Auftragsabarbeitung sind nur bedingt möglich.<br />
Von zentraler Bedeutung ist die Tatsache, dass eine Linie permanent läuft. Ein<br />
Umplanen von Aufträgen auf andere Ressourcen ist aufgrund der Komplexilität<br />
von Anlagen oft nicht oder nur bedingt möglich. Entsprechend diesen Gegebenheiten<br />
ist bei der Fertigungsplanung auch eine besondere Logik zu berücksichtigen.<br />
Einzelfertigung/Anlagenbau<br />
Der Einzelfertiger oder Anlagenbauer verfügt typischerweise über umfangreiche<br />
Stücklisten, die oft in Inseln oder in besonders gearteten Werkstätten abgearbeitet<br />
werden. Diese Inseln zeichnen eine gewisse Eigenständigkeit aus, so dass sich<br />
zwischen den Inseln teilweise zeitlich unkritische Übergänge ergeben. Abhängig<br />
von den gefertigten Produkten kann ein solcher Fertiger jedoch auch über Serien-<br />
oder Kleinserienfertigung verfügen.<br />
Die im Bild dargestellte Fristigkeit soll qualitativ die unterschiedlichen Zeithorizonte<br />
symbolisieren, in denen die 3 Ebenen ihre Aufgaben wahrnehmen. Die<br />
Spanne reicht dabei von langfristig in der ERP Produktionsprogrammplanung bis<br />
hin zu zeitnah oder online in der Ebene der Automation.
Fristigkeit<br />
ERP / PPS<br />
APS<br />
<strong>MES</strong><br />
Real-Time &<br />
Technologie<br />
Anlagensteuerung<br />
Automatisierung<br />
1.3 Klassische IT-Unterstützung in der Fertigung 19<br />
diskrete<br />
(Werkstatt)<br />
Fertigung<br />
Abb. 1.2. Die drei Haupttypen in der Fertigungsindustrie<br />
Prozess-<br />
Industrie<br />
Linien-,<br />
Massen-<br />
Fertigung<br />
Einzel-<br />
Fertiger,<br />
Anlagenbauer<br />
Jeder dieser Typen verfügt über eine ERP-, eine <strong>MES</strong>- und eine Automatisierungsebene.<br />
1.3 Klassische IT-Unterstützung in der Fertigung<br />
In der IT-Frühzeit wurden Fertigungsunternehmen hauptsächlich durch kommerziell<br />
orientierte <strong>System</strong>e „gesteuert“. Es war ein Riesenfortschritt, die klassischen,<br />
manuell orientierten kommerziellen Dienste zu automatisieren, Buchhaltungen,<br />
Bestände und Auftragseingänge elektronisch zu verwalten. In der nächsten Stufe<br />
dieser Automatisierung konnten einige der oben genannten Fertigungsstrukturen<br />
und Steuerungsmethoden auch mit Hilfe von sog. EDV-<strong>System</strong>en unterstützt werden.<br />
Eine detaillierter Planung von Aufträgen, eine Auflösung der Aufträge in einzelne<br />
Arbeitsgänge oder Arbeitsfolgen, Auflösung von Produkten in einzelne<br />
Baugruppen, waren hier die Meilensteine. Die Verantwortlichen in der Fertigung<br />
wurden mit Listen versorgt, die Absatzplanungen und zu fertigende Kundenaufträge<br />
enthielten. Die Verbräuche an Zeiten, Materialien und sonstigen Ressourcen<br />
wurden aus der Fertigung an das EDV-<strong>System</strong> zurückgemeldet und dort verbucht,<br />
eine aufwändige und fehlerträchtige Methode. Einfacher und besser wurde die
20 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Rückmeldung, als man begonnen hat, die einzelnen Abteilungen, mit dedizierten<br />
Erfassungssystemen auszurüsten. So wurde die PPS-Seite mit einer Betriebsdatenerfassung<br />
versehen, die Personalabteilung mit einer Personalzeiterfassung und die<br />
Qualitätssicherung mit einem sog. CAQ-<strong>System</strong>. Der Aufwand für die Datenerfassung<br />
konnte deutlich reduziert werden und die Aufwände konnten verursachungsgerechter<br />
als vorher einzelnen Produkten oder Fertigungsaufträgen zugeordnet<br />
werden.<br />
Mit diesen Mechanismen hat man jedoch nur den Aufgabenstellungen des Unternehmensmanagements<br />
Rechnung getragen. Das Fertigungsmanagement selbst<br />
wurde nach wie vor mit den entsprechenden Listen, Auftragsbegleitscheinen, Materialbegleitscheinen<br />
usw., versorgt. Die Rückmeldungen mussten zwar nicht<br />
mehr manuell erfasst, plausibilitätsgeprüft und korrigiert werden, standen jedoch<br />
für eine Onlineinformation des Fertigungspersonals nur in ganz geringem Maße<br />
zur Verfügung.<br />
Wie bereits im ersten Abschnitt beschrieben, haben sich die Anforderungen an<br />
die Fertigung in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Kräftige Turbulenz<br />
und der Zwang zur schnellen Wandlung wirken auf den Fertiger ein und erschweren<br />
bei ihm eine Produktion nahe an einem wirtschaftlichen Optimum. Sie verlangen<br />
von ihm ein leistungsfähiges Informationsmanagement. Kann der Fertiger diese<br />
Fähigkeiten nicht schnell genug bereitstellen, resultiert dies in untauglichen<br />
Geschäftsprozessen, die zu mangelhafter Liefertermintreue, zu mangelhaften Lieferzeiten,<br />
zu unbefriedigender Produktqualität, zu langen Durchlaufzeiten und zu<br />
überhöhten Beständen führen. Hierbei haben die ERP-/PPS-<strong>System</strong>e bis heute einen<br />
großen Teil ihrer damaligen Eigenschaften beibehalten. Sie unterstützen z. B.<br />
keine Hierarchisierung und Auftrennung in Ebenen, wie sie durch die unterschiedlichen<br />
Detaillierungsgrade und Fristigkeiten in einer Fertigung benötigt würden.<br />
Der Fokus aller Optimierungen bezieht sich auf die Planung, also das „Einbahnstraßenprinzip“<br />
und vernachlässigt die Steuerungsfähigkeit. Die Regelzyklen eines<br />
ERP-<strong>System</strong>s sind heute immer noch größer als eine Schicht. Der Fertigungssteuerer<br />
vor Ort benötigt jedoch Regelzyklen in der Größenordnung von mehreren<br />
Minuten. Derart schnelle Regelkreise sind in einer ERP-gestützten Fertigungsorganisation<br />
nicht vorhanden. Es herrschen daher offene Steuerketten vor. Die aus<br />
der Produktion zurückfließenden Informationen stehen verarbeitet teilweise erst in<br />
der nächsten Schicht zur Verfügung, so dass sie nicht als Online-Information<br />
durch die Verantwortlichen in der Fertigung verwendet werden können.<br />
In den APS-Funktionen (Advanced Planning and Scheduling) wird ein Teil dieser<br />
Problematik entschärft. Die Regelzyklen dauern hier nicht mehr eine Woche,<br />
sondern können auf ein oder zwei Tage verkürzt werden. Jedoch bleibt auch mit<br />
APS nach wie vor das Problem bestehen, dass Steuerungsmechaniken innerhalb<br />
einer Schicht oder eines Tages nur ganz bedingt möglich sind und dass der Fokus<br />
nach wie vor sehr auf die Belegungsplanung und weniger auf die Steuerung der<br />
Fertigung gerichtet ist.<br />
Vergleichbar mit den APS-Funktionen war die Möglichkeit, die man durch den<br />
Einsatz von Leitständen in der Fertigungssteuerung hatte. Hier konnten Planungen<br />
nicht nur sehr zeitnah, sondern auch in einem gewissen Rahmen technologieorientiert<br />
durchgeführt werden. Ein typischer Leitstand berücksichtigt branchenorien-
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 21<br />
tierte Besonderheiten, wie zum Beispiel Farbreihenfolge im Spritzguss oder die<br />
Tauglichkeit von Werkzeugen und Maschinenkombinationen, bestimmte Artikel<br />
zu produzieren. Aber auch mit dieser Leitstandstechnik ist nur ein bestimmtes<br />
Maß an Verbesserung zu erreichen. Solange nicht die aktuelle Ist-Situation in die<br />
jeweilige Neuplanung mit einbezogen wird, kann man nicht von einer Steuerung,<br />
sondern nach wie vor nur von einer Planung sprechen. Bezeichnet man die ERPbasierende<br />
Planung als Grobplanung, so erreicht man mit APS bzw. leitstandsorientierten<br />
Planungen eine sog. Feinplanung.<br />
Dedizierte Funktionalitäten, wie sie in der Fertigungssteuerung und im Fertigungsmanagement<br />
gebraucht werden, wie z. B. Online-Darstellung von aktuellen<br />
Zuständen, Darstellung von Nutzungsgraden, Online-Interpretation von erfassten<br />
und unzureichenden Qualitäten, sowie die Darstellung kapitalfressender, fehlerhafter<br />
Zustände fehlen in diesen Konzepten nahezu völlig. Auswertungen, mit denen<br />
man morgen erfährt, was man heute hätte besser machen können, sind nur für<br />
die historische Betrachtung interessant.<br />
An dieser Stelle erhält auch der Begriff „Transparenz“ eine neue Bedeutung.<br />
Mit Transparenz in der modernen Fertigung ist nicht mehr nur gemeint, historisches<br />
lückenlos nachvollziehen zu können und daraus Handlungsempfehlungen<br />
für die Zukunft abzuleiten, Transparenz bedeutet heute auch, zeitnah Realitäten zu<br />
visualisieren, daraus Schlüsse zu ziehen und den Verantwortlichen Empfehlungen<br />
für eine sofortige Abstellung der fehlerhaften Zustände zu vermitteln.<br />
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>)<br />
1.4.1 Entstehung der <strong>MES</strong>-Idee<br />
Die Anfänge der <strong>MES</strong>-Idee sind in den Datenerfassungsystemen der 80-er Jahre<br />
zu suchen. Die Disziplinen in der Unternehmensführung wie Fertigungsplanung,<br />
Personal und Qualitätssicherung waren mit dedizierten Erfassungssystemen ausgerüstet.<br />
Das folgende Bild zeigt diese Situation: Voneinander fast unabhängige<br />
Aufgabenbereiche sind mit speziellen Erfassungssystemen ausgerüstet.<br />
Mit dem Aufkommen der CIM-Idee (Computer Integrated <strong>Manufacturing</strong>) begann<br />
man die Abhängigkeiten der oben genannten Aufgabenbereiche auch in den<br />
IT-<strong>System</strong>en abzubilden. Man betrachtete Fertigung, Personal und Qualität nicht<br />
mehr als total unabhängig, sondern erlaubte Datenübergänge von der einen Aufgabe<br />
zur anderen. Leider war dieser prinzipiell richtigen Idee keine große Zukunft<br />
beschieden. Durch Bagatellisierung der Problemstellung wurde mit der Zeit jedes<br />
Erfassungsterminal zum CIM-<strong>System</strong> erklärt. CIM hatte damit als Problemlöser<br />
für die Fertigung verspielt.<br />
Die Hersteller von Erfassungssystemen haben Anfang und Mitte der 90-er Jahre<br />
begonnen ihre teilweise spezialisierten <strong>System</strong>e (Personalzeit, BDE, CAQ,<br />
DNC etc.) mit benachbarten Themen aufzurüsten (z. B.: PZE mit BDE, BDE zusammen<br />
mit MDE). Mit einer kleinen Anzahl solcher Kombinationssysteme war
22 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Unternehmensmanagement<br />
PPS TQM Personal<br />
Fertigungsmanagement<br />
Maschinen -und Anlagensteuerung<br />
Abb. 1.3. Jeder Bereich des Unternehmensmanagements hat eine ihm zugeordnete und von<br />
den anderen unabhängige Erfassungsmethodik<br />
ein Erfassungs- und teilweise Auswerte-<strong>System</strong> für viele Bereiche eines Fertigungsunternehmens<br />
schon zu realisieren. Die <strong>System</strong>teile waren jedoch voneinander<br />
unabhängig und nur mit großem Schnittstellenaufwand zu synchronisieren. Im<br />
Laufe der Zeit haben sich 3 Gruppen von Erfassungs-/Auswertesystemen gebildet.<br />
Aus den unabhängigen Erfassungssystemen haben sich Kombinationssysteme gebildet,<br />
die teilweise mehrere Aufgaben erfüllen. Die Funktionalität dieser Kombinationssysteme<br />
zusammengenommen beschreibt heute den Funktionsumfang von<br />
<strong>MES</strong>:<br />
− Für die Belange der Fertigung: BDE, MDE, DNC, Leitstand<br />
− Für die Belange des Personals: PZE, ZKS, PEP<br />
− Für die Belange der Qualitätssicherung: CAQ, Messdatenerfassung.<br />
In der Realität der Fertigung können die 3 genannten Aufgabenbereiche nicht<br />
voneinander unabhängig betrachtet werden. So braucht die Fertigung zum Produzieren<br />
das geeignete Personal und muss über die gefertigte Qualität schnellstmöglich<br />
Bescheid wissen. Tauschen voneinander unabhängige <strong>System</strong>e ihre Daten über<br />
Schnittstellen aus oder wird der Austausch gar über die <strong>System</strong>e der<br />
Unternehmensebene durchgeführt, so geht zuviel Zeit verloren, die eigentlich für<br />
eine effektive Reaktion verfügbar sein sollte. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde<br />
die Forderung entwickelt solche <strong>System</strong>e stärker zu vernetzen oder auch horizontal<br />
zu integrieren. Um es vorweg zu nehmen; nur wenige heute am Markt befindliche<br />
<strong>System</strong>e unterstützen diese horizontale Integration.
Leitstand/BDE<br />
APS/Leitstand<br />
Persona/BDE<br />
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 23<br />
...<br />
ERP<br />
<strong>MES</strong><br />
Automation<br />
Abb. 1.4. Integration der ursprünglich getrennten Erfassungssysteme<br />
...<br />
PPS TQM Personal<br />
BDE/MDE<br />
BDE/MDE/DNC<br />
Qualität<br />
Unternehmensmanagement<br />
Fertigungsmanagement<br />
Maschinen -und Anlagensteuerung<br />
Abb.1.5. Voneinander unabhängige Erfassungssysteme wurden vernetzt, teilweise über<br />
einheitliche Schnittstellen an Unternehmensmanagement und Automation angekoppelt
24 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Vernetzte Erfassungs- und Auswertesysteme bieten die Möglichkeit den Datenaustausch<br />
zum ERP-<strong>System</strong> oder zur Automationsebene zu homogenisieren. Dabei<br />
werden über einheitliche Schnittstellen-Mechanismen die Daten von externen<br />
<strong>System</strong>en übernommen oder übertragen. Innerhalb der Auswertesysteme werden<br />
die werden die Schnittstellendaten gemäß ihrer Bestimmung verteilt. Unter diesen<br />
Randbedingungen der Vernetzung und der einheitlichen Schnittstellentechnik sind<br />
Erfassungssysteme schon nahe an der <strong>MES</strong>-Idee. Solche <strong>System</strong>e unterstützen<br />
dann einen Fertigungsbetrieb bei der Befolgung der sog. 6R-Regel, die lautet:<br />
Ein Produkt wird nur dann wirtschaftlich optimal erstellt, wenn die richtigen<br />
Ressourcen, in der richtigen Menge, am richtigen Ort, zur richtigen<br />
Zeit, mit der richtigen Qualität und zu richtigen Kosten während des gesamten<br />
Geschäftprozesses vorliegen.<br />
Werden die vernetzten Erfassungssysteme durch Elemente der Qualitätssicherung,<br />
des Dokumentenmanagements und der Dokumentenerstellung, sowie der<br />
Performanceanalyse ergänzt, so kann man bereits von einem leistungsfähigen<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sprechen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, in der Fertigung entstehende<br />
Situationen zeitnah und technologieorientiert zu beurteilen. Erst dadurch<br />
wird auf der Basis eines aktuellen Abbildes der Fertigung eine fundierte Fertigungssteuerung<br />
möglich. Die Abbildung 1.6 zeigt den technologie- und situationsabhängigen<br />
Entscheidungsbedarf als Funktion der Bearbeitungszeit. Je näher<br />
der Liefertermin eines Auftrages heranrückt, umso höher ist der Bedarf richtigere<br />
Einscheidung schneller und von verfügbaren Ressourcen abhängig zu fällen. Damit<br />
ist dies dann weniger eine Aufgabe der Planung sondern der kurzfristigen<br />
hoch<br />
Technologieund<br />
Situations-<br />
Abhängigkeit<br />
von<br />
Entscheidungen<br />
niedrig<br />
Beginn der<br />
Berabeitung<br />
ERP <strong>MES</strong><br />
Liefertermin<br />
Abb. 1.6. Abhängigkeit des Steuerungsbedarfs vom der Planungszeit<br />
Zeitverlauf
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 25<br />
Steuerung, wodurch sich die Verantwortung von der ERP- zur <strong>MES</strong>-Ebene verlagert.<br />
So plant das ERP-<strong>System</strong> am Beginn der Bearbeitung einer Auftragslast nach<br />
einer durchschnittlichen Kapazität. Die Situations- und Technologieabhängigkeit<br />
der Planentscheidungen sind relativ gering. Je näher die Liefertermine einer Auftragslast<br />
heranrücken, umso mehr werden durch unvorhergesehene Störungen Anpassungen<br />
notwendig. Diese Steuerungsfunktion wird, je näher der Liefertermin<br />
heranrückt, immer mehr von Technologie, Situation und Restkapazitäten abhängig.<br />
1.4.2 Aktuelle Standards<br />
Das Thema <strong>MES</strong> wurde von einer Reihe von Institutionen aufgegriffen, die versuchen,<br />
mit Hilfe von Definitionen und Normierungen den Begriff <strong>MES</strong> vor der Bagatellisierung<br />
zu bewahren. Es werden verschiedene Ausprägungen sichtbar, von<br />
denen nur die beiden wichtigsten hier genannt werden sollen: <strong>MES</strong> für die Prozessindustrie<br />
und <strong>MES</strong> für die diskrete Industrie. Im ersten Falle bezieht man Maschinen-<br />
und Anlagensteuerungen sehr stark in das Thema <strong>MES</strong> mit ein. Im zweiten<br />
Falle ist <strong>MES</strong> mehr ein Online-Informationssystem, Rückmelde- und Steuerungssystem<br />
für die Fertigung. Von den genannten Normierungsbemühungen<br />
sollen hier nur einige wenige angesprochen werden:<br />
<strong>MES</strong>A<br />
Die <strong>MES</strong>A (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> Association) trägt das Thema schon<br />
im Namen und ist als erste Organisation, die sich dieses Themas angenommen hat,<br />
wohl auch die Erfahrenste, darüber zu berichten. Die <strong>MES</strong>A geht hier den ganz<br />
pragmatischen Weg und beschreibt zwölf Funktionsgruppen, die für eine effektive<br />
Unterstützung des Fertigungsmanagements notwendig sind. Diese Funktionsgruppen<br />
lauten:<br />
− Feinplanung (Operation/Detail Scheduling)<br />
Reihenfolge und Zeitoptimierung der Aufträge fein abgestimmt auf das Leistungsvermögen<br />
der Maschinen (Performance) und deren Kapazität und der<br />
Ressourcen<br />
− Ressourcen-Management (Resource Allocation & Status)<br />
Verwaltung und Überwachung von Ressourcen, wie Maschinen, Werkzeuge<br />
− Erfassen und Darstellung des aktuellen Status von Ressourcen<br />
− Dokumenten- Management (Document Control)<br />
Verwaltung und Verteilung von Produkt-, Prozess-, Konstruktions-, oder Auftragsinformationen<br />
wie auch qualitätssichernde Arbeitsanweisungen<br />
− Materialmanagement (Dispatching Production Units)<br />
Verwalten der bei der Produktion verwendeten Einsatzstoffe und Zwischenprodukte<br />
teilweise für die Dokumentation von Materialverbräuchen
26 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
− Leistungs-Analyse (Performance Analysis)<br />
Vergleichen und Bewerten von gemessenen und aufgezeichneten Istwerten von<br />
Anlagen oder Bereichen mit Betriebsvorgaben, Kundenvorgaben etc.<br />
− Auftrags Management (Labor-Management)<br />
Steuern und definieren von Arbeitsvorgängen und Arbeitsverteilung auf Arbeitsplätze<br />
und Personal<br />
− Maintenance Management wie Wartung und Service<br />
Planung und Ausführung geeigneter Maßnahmen, damit Maschinen und Anlagen<br />
ihre Leistungsziele erfüllen können<br />
− Prozess-Management ( Process Management )<br />
Steuerung und Leitung des Arbeitsflusses in einer Fertigung gemäß den geplanten<br />
und aktuellen Belastungen und Spezifikationen<br />
− Qualitätsmanagement (Quality Management)<br />
Aufzeichnung, Verfolgung und Analyse des Produktes und des Prozesses und<br />
Verifizierung mit dem Ideal<br />
− Datenerfassung (Data Collection/Acquisition)<br />
Visualisieren, aufzeichnen, sammeln und organisieren von Prozessdaten, von<br />
Material und Rohstoffen, vom Personalhandling, der Maschinenfunktionen und<br />
deren Steuerung<br />
− Produkt-Entstehung und Verfolgung (Product Tracking and Genealogy)<br />
Dokumentierung aller Vorgänge um die Entstehung eines Produktes. Erfassen<br />
der Einsatzstoffe und der Umgebungsbedingungen.<br />
Alle diese Funktionsgruppen zusammen, oder sinnvolle Kombinationen hieraus,<br />
können eine <strong>MES</strong>-Gesamtlösung bilden. Auf der Jahrestagung der <strong>MES</strong>A<br />
2004 in Chicago wurde der Begriff C-<strong>MES</strong> (Collaborative <strong>MES</strong>) geprägt. Die oben<br />
beschriebenen <strong>MES</strong>A-eigenen <strong>MES</strong>-Funktionen wurden umgestaltet und<br />
teilweise zusammengefasst bzw. mit veränderten Bedeutungen versehen. Hier<br />
dient das <strong>MES</strong> nicht nur als Mittler zwischen Automation und Unternehmensmanagement,<br />
sondern es wird auch als Daten- und Informationsdrehscheibe gesehen.<br />
Die <strong>MES</strong>A geht hier soweit, C-<strong>MES</strong> als die Integrationsplattform in einem<br />
Unternehmen zu sehen. Hiernach sind auch betriebswirtschaftliche, technische<br />
und logistische Funktionalitäten nur noch Teilnehmer, die auf die Plattform <strong>MES</strong><br />
zugreifen. Dies ist sicherlich eine sehr weitgehende Interpretation. In einem Fertigungsbetrieb<br />
ist allerdings die Fertigung der zentrale Dreh- und Angelpunkt, so<br />
dass es nicht ganz unsinnig erscheint, alle Dienste um dieses wichtige Thema herum<br />
zu gruppieren. <strong>MES</strong> wird hier nicht nur als Sammlung von Funktionen im Fertigungsmanagement<br />
gesehen, sondern auch als Integrationsdrehscheibe für Informationen<br />
im gesamten Unternehmen. Bei der genannten <strong>MES</strong>A-Tagung wurde<br />
<strong>MES</strong> auch als wichtiges Instrument im Wettbewerb dargestellt. <strong>MES</strong> soll hiernach<br />
seinem Anwender die Vorteile verschaffen, die er benötigt, um im internationalen<br />
Wettbewerb bestehen zu können.
ISA S 95<br />
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 27<br />
Ein Komitee aus ca. 200 Anwendern und Herstellern hat begonnen, aufbauend auf<br />
dem Stand ISA S 88 den Standard ISA S 95 zu definieren. Ziel ist dabei, zu definieren,<br />
was man unter einem <strong>MES</strong> zu verstehen hat. Hier wurde auch der Begriff<br />
MOS – <strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong> – geprägt. ISA S 95 setzt auf eine 3-<br />
Ebenen-Struktur: Unternehmensmanagement, MOS/<strong>MES</strong> und auf die eigentliche<br />
Automationsebene. Die Automationsebene selbst wird in drei verschiedene Typen<br />
aufgeteilt. Typ 1 ist die sog. „kontinuierliche oder Prozessfertigung“. Typ 2 ist die<br />
sog. „Batch-Fertigung“. Hierunter ist eine chargen- oder losorientierte kontinuierliche<br />
Fertigung zu verstehen. Typ 3 ist die „diskrete Fertigung“, also eine teileorientierte<br />
Fertigung. ISA S 95 beschäftigt sich ausgiebig mit dem Schnittstellenthema<br />
zwischen Ebene 1 und Ebene 2 und definiert diese in Teil 1 und Teil 2 des<br />
Standards. In Teil 3 beschäftigt man sich mit den Aktivitäten innerhalb der Ebene<br />
2, also innerhalb des MOS/<strong>MES</strong>.<br />
Compliance<br />
Focused:<br />
Doc Mgmt.<br />
ISO EH&S<br />
Supply<br />
Customer<br />
Focused:<br />
CRM, Service<br />
Mgmt.<br />
Financial &<br />
Focused:<br />
Performance<br />
Procurement<br />
SCP<br />
Product<br />
Tracking &<br />
Focused:<br />
ERP, BI<br />
Dispatching Genealogy Resource<br />
Production<br />
Allocation<br />
Units<br />
& Status<br />
Labor<br />
Management<br />
c-<strong>MES</strong><br />
Performance<br />
Analysis<br />
Quality<br />
Process<br />
Management<br />
Data<br />
Management<br />
Collection<br />
Controls<br />
PLC, DCS<br />
Acquisition<br />
Logistics<br />
Focused:<br />
TMS, WMS<br />
Abb. 1.7. Die Funktionsstruktur des <strong>MES</strong>A-Modells<br />
Product<br />
Focused:<br />
CAD/CAM<br />
PLM
28 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Hier sieht man als wesentliche Punkte das eigentliche Fertigungsmanagement,<br />
die Datenerfassung, die Schnittstellen zur Automationsebene, Störungsmangement<br />
und den produktionsnahen Statistiken. Die Vorgaben über die Datenstrukturen und<br />
die Datenmodelle sind in S 95 sehr ausgeprägt.<br />
Für die notwendigen Aktivitäten innerhalb des MOS/<strong>MES</strong>-Levels werden Aktivitätsmodelle<br />
definiert. Erste Modellierungen sind bereits verfügbar, z. B. für Instandhaltungsoperationen,<br />
Qualitätssicherungsoperationen oder die eigentlichen<br />
Produktionsvorgänge. Auch für diese Aktivitätenmodelle wird eine sehr klare<br />
Modellstruktur verwendet. Aufgrund dieser sehr prinzipiellen Herangehensweise<br />
an das Thema <strong>MES</strong> ist S 95 eher für große <strong>System</strong>e geeignet, die in mehrfachen<br />
Einsätzen, z. B.: innerhalb eines Konzerns, eine gewisse Standardisierung erfahren<br />
sollen. Für die tägliche Projektarbeit bedeutet die reine Lehre der ISA S 95 eher<br />
ein Ballast, dem schon ein sehr gut definierter Vorteil gegenüberstehen muss, um<br />
die Anwendung dieser reinen Norm zu rechtfertigen. Als Bauanleitung für einige<br />
prinzipielle Grundstrukturen ist die S 95-Denke jedoch geeignet. ISA beschreibt<br />
hier eine 3-Schicht-Architektur und führt neben dem Begriff <strong>MES</strong> auch den Begriff<br />
<strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong> (MOS) ein. Mit Fertigungsarten werden die<br />
diskrete Fertigung, die kontinuierliche Fertigung und die sog. Batch-Fertigung unterschieden.<br />
Unternehmensmanagement<br />
<strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong> (MOS)<br />
<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> (<strong>MES</strong>)<br />
Batch<br />
Kontinuierlich<br />
Abb. 1.8. Die ISA-3-Schicht Architektur<br />
Diskret<br />
Interface in S95<br />
Part 1 and Part 2<br />
Activities defined in<br />
S95 Part 3
NAMUR<br />
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 29<br />
NAMUR ist eine Vereinigung von Anwendern, die sich speziell mit den <strong>System</strong>en<br />
in der Prozessindustrie (chemische oder pharmazeutische Industrie) beschäftigt.<br />
Die Empfehlungen der NAMUR basieren auf der Definition ISA S 95. Hier geht<br />
man, über den Standard hinaus, zu konkreteren Definitionen. Es werden Funktionen<br />
und Informationsflüsse beschrieben, wie sie sich besonders in der Prozessindustrie<br />
darstellen. Auch die Trennlinie zwischen der eigentlichen Automationsebene<br />
und dem <strong>MES</strong> ist hier nicht so deutlich ausgeprägt. Dies ist wohl damit zu<br />
begründen, dass in der Prozessindustrie wichtige Teile des Fertigungsmanagements<br />
in der Maschinen- oder Anlagensteuerung selbst abgebildet werden müssen,<br />
um Qualitäts- und Effektivitätsziele zu erreichen.<br />
Bei wenigen großen Anlagen innerhalb eines Betriebes ist auch die Grenze<br />
zwischen Grob- und Feinplanung, oder Mittelfrist- und Kurzfristplanung, nicht so<br />
deutlich zu ziehen, wie in einem werkstattorientierten Produktionsumfeld, wo die<br />
Variationsmöglichkeiten in der Produktion unverhältnismäßig größer sind. Die<br />
NAMUR-Empfehlung ist damit eine gute Handlungsanweisung für den Aufbau<br />
von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en im prozessorientierten Umfeld.<br />
Qualitätsdaten<br />
Qualitätsdaten<br />
Produktionsplan<br />
Produktionsplan<br />
Produktionsdokumentation<br />
Auftrag/ Auftrag/ Ergebnis Ergebnis IPK IPK<br />
Qualitätsmanagement<br />
Produktionsdaten<br />
Produktionsdaten<br />
Produktionsfeinplanung<br />
Auftragsrückmeldungen<br />
Auftragsrückmeldungen<br />
Ressourcenverfügbarkeit<br />
Ressourcenverfügbarkeit<br />
kurzfr. kurzfr. Produktionsaufträge<br />
Produktionsaufträge<br />
Produktionssteuerung<br />
Materialflusssteuerung<br />
Prüfauftrag<br />
Produktionsplan<br />
Produktionsplan<br />
Produktionsbedarf<br />
Produktionsbedarf<br />
dispositive dispositive Bestände Bestände<br />
geplanter geplanter Produktionszugang<br />
Produktionszugang<br />
Einsatzstoffverfügbarkeit<br />
Einsatzstoffverfügbarkeit<br />
Materialbewegungen<br />
Materialbewegungen<br />
Primärbedarf<br />
Primärbedarf<br />
betriebsübergreifende<br />
Produktionsplanung<br />
Einsatzstoffbedarf<br />
Einsatzstoffbedarf<br />
Bestandsführung<br />
(Einsatzstoffe, Produkte)<br />
Abb. 1.9. Die NAMUR-Organisation gibt in ihrer Empfehlung einen sehr detaillierten<br />
Überblick über die Vernetzung von Funktionalitäten, wie sie sich in der Prozessindustrie<br />
darstellen<br />
externe externe Leferungen<br />
Leferungen
30 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
VDI<br />
Der VDI (Verein Deutsche Ingenieure) hat im Jahr 2004 begonnen aus den oben<br />
genannten Normen sowie aktuellen Erkenntnissen und Marktentwicklungen den<br />
Begriff <strong>MES</strong> in einer VDI-Richtlinie zu definieren. Ein besonderes Anliegen dieser<br />
Richtlinie ist es, dem Begriff <strong>MES</strong> eine Bedeutung zu geben, und so seine Erosion<br />
in der Wahrnehmung der Fertigungsindustrie zu verhindern. In dieser Richtlinie<br />
soll beim <strong>MES</strong>-Bedarf und bei den <strong>MES</strong>-Funktionen nach verschiedenen<br />
Fertigungstypen unterschieden werden. Der stark automatisierte Linienfertiger<br />
wird einen anderen Bedarf an Funktionen haben als der Kleinserienfertiger. Die<br />
Richtlinie fragt in ihrem Aufbau nicht primär nach Funktionen, die ein <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> bereitstellen soll, sondern definiert die Aufgaben, die ein <strong>MES</strong> <strong>System</strong> in<br />
einem Fertigungsbetrieb wahrnehmen soll. Bei der Ausgestaltung der Richtlinie<br />
wird besondere Sorgfalt auf die Anwendbarkeit dieser Empfehlung gelegt. Dazu<br />
wird ausdrücklich eine praxisnahe Terminologie verwendet.<br />
Die Aufgaben, die ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> gemäß VDI wahrnehmen kann sind folgende:<br />
− Feinplanung und Feinsteuerung,<br />
− Betriebsmittelmanagement,<br />
− Materialmanagement,<br />
− Personalmanagement,<br />
− Datenerfassung und -verarbeitung,<br />
− Schnittstellenmanagement,<br />
− Leistungsanalyse,<br />
− Qualitätsmanagement,<br />
− Informationsmanagement.<br />
1.4.3 Das ideale <strong>MES</strong><br />
Bei den bisher beschriebenen Aufgaben, die ein <strong>MES</strong> im Kontext von verschiedenen<br />
Steuerungsstrategien und verschiedenen Typen von Fertigern erfüllen sollte,<br />
stellt sich die Frage nach dem idealen <strong>MES</strong>. Gibt es überhaupt ein ideales <strong>MES</strong>?<br />
Über alle Fertigungsindustrien hinweg ist diese Frage sicherlich nicht mit „ja“<br />
zu beantworten. Es soll jedoch versucht werden, für das Umfeld einer diskreten<br />
Fertigung bzw. auch einer losorientierten Fertigung Funktionalitäten zu skizzieren,<br />
die ein <strong>MES</strong> idealerweise haben sollte. Der „Arbeitsbereich“ eines <strong>MES</strong> erstreckt<br />
sich naturgemäß vom Interfacing mit den Anwendungen des Unternehmens-<br />
Managements bis hin zu den tiefsten Tiefen der Datenerfassung, der Kommunikation<br />
mit industriellen <strong>System</strong>en und Bereitstellen von Daten für Maschinensteuerungen<br />
oder Beeinflussung der Maschinensteuerungen direkt. Dieses breite Arbeitsfeld,<br />
das nicht nur eine umfangreiche Thematik überstreicht, sondern das<br />
auch verschiedene Zeitebenen von Tagen und Wochen bis hin zu Sekunden abdecken<br />
muss, erfordert auch eine gestufte Betrachtung der einzelnen Funktionalitäten.<br />
Die Betrachtung lässt sich dabei in folgende Bereiche einteilen:
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 31<br />
− die Funktionalitäten eines <strong>MES</strong> selbst,<br />
− Kommunikation mit den Anwendungen des Unternehmensmanagements,<br />
− Kommunikation mit dem Fertigungsumfeld.<br />
Ein PPS umfasst in der Regel drei Funktionsgruppen: Fertigung, Qualität und<br />
Personal. Innerhalb dieser Funktionsgruppen gibt es leistungsfähige Module, die<br />
je nach Bedarf eingeführt und benutzt werden können. Ein Basissystem stellt die<br />
zeitnahe Verknüpfung aller Module untereinander sicher und stellt weiterhin modulübergreifende<br />
Funktionalitäten zur Verfügung. Eine weitere wichtige Funktion<br />
ist die der Informationsdrehscheibe.<br />
Waagen<br />
ERP QM Personal<br />
Fertigung<br />
BDE, MDE,<br />
Leitstand, DNC,<br />
WRM, MPL<br />
......<br />
Maschinenkopplung<br />
Abb. 1.10. <strong>MES</strong> Funktionsgruppen<br />
Qualität<br />
REK, SPC,<br />
WE/WA,<br />
PMV, PDV<br />
.......<br />
ESK<br />
Meßmittel<br />
Personal<br />
PZE, PEP,<br />
LLE<br />
ZKS<br />
......<br />
Industrielle<br />
Bussysteme<br />
Terminals<br />
Analog zu diesen Funktionsgruppen im PPS/ERP-<strong>System</strong> gliedert sich ein <strong>MES</strong><br />
ebenfalls in drei Funktionsgruppen. Das sind erstens die Funktionalitäten für die<br />
Fertigung, die Funktionalitäten für die Qualität und die Funktionalitäten für die<br />
Personaldisposition. Um diese Funktionen nicht allzu abstrakt erscheinen zu lassen,<br />
werden hierfür die Beschreibung und teilweise die Bezeichnung der klassischen<br />
Definitionen der Module herangezogen, aus denen sich <strong>MES</strong> entwickelt hat.<br />
Funktionsgruppe Fertigung<br />
Die Funktionsgruppe „Fertigung“ kann die folgenden Module enthalten:<br />
− BDE – Betriebsdatenerfassung<br />
Hier werden auftrags- und personenbezogen Zeiten und Mengen erfasst. Bei<br />
den Mengen wird zwischen Gutstück und Ausschuss sowie Ausschussarten un-
32 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
terschieden. Ebenso ist es möglich, direkt Materialverbräuche und Abnutzungen<br />
von Betriebsmitteln oder Hilfsstoffen zu erfassen und den Aufträgen zuzuordnen.<br />
Die über Schichten, Tage oder Wochen kumulierten Daten werden entsprechend<br />
aufbereitet und den Anwendungen des Unternehmensmanagements<br />
zur Verfügung gestellt. Für die Organisation in der Fertigung können detailliertere<br />
und zeitnahe Darstellungen und Auswertungen parallel dazu erstellt werden.<br />
− MDE – Maschinendatenerfassung<br />
Hier werden Maschinen oder sonstige betriebliche Ressourcen verwaltet. Über<br />
eine umfangreiche <strong>System</strong>atik können Zustandsdaten manuell und automatisch<br />
erfasst werden und diese Ressourcen oder Ressourcengruppen zugeordnet werden.<br />
Die Daten können dann dabei nicht nur von typischen Terminals sondern<br />
auch von industriellen Bussystemen angeliefert werden. Auch automatisierte<br />
Mengenerfassung über Zähler, über Waagen und vergleichbare Einrichtungen<br />
sollen an dieser Stelle unterstützt werden. Die erfassten Daten können dann in<br />
verdichteter Form dem Unternehmensmanagement für Effektivitätsaussagen<br />
zur Verfügung gestellt werden, erlauben aber auch in detaillierter Form eine<br />
Schwachstellenanalyse innerhalb der Fertigung.<br />
− Leitstand, Plantafel<br />
Diese Funktionalitäten sind heftig diskutiert. Einerseits bieten ERP-<strong>System</strong>e<br />
über APS-Funktionen Planungsmöglichkeiten innerhalb einer Schicht an. Bei<br />
den Leitstands- und Plantafelmodulen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s liegt der Fokus noch<br />
mehr im Erstellen von technisch machbaren Plänen, wobei die Machbarkeit<br />
auch aus einer aktuellen Situation heraus beurteilt werden sollte. Pläne zu machen,<br />
deren Eintrittswahrscheinlichkeit relativ gering ist, ist Verschwendung.<br />
Daraus folgt, je detaillierter und genauer geplant werden muss, umso mehr<br />
muss der Plan auf aktuelle Situationen bezogen werden. Hier sollten die Feinplanungsmodule<br />
eines <strong>MES</strong> einfach zu bedienende manuelle Eingriffe und eine<br />
Unterstützung bei vollautomatischer Belegung wie auch bei Simulation und<br />
Optimierung bieten.<br />
− WRM, DNC – Werkzeug- und Ressourcenmanagement und Einstelldatenübertragung<br />
Ein <strong>MES</strong> sollte Werkzeuge und sonstige Fertigungshilfsmittel technisch orientiert<br />
verwalten können. Es geht dabei weniger um die Inventarisierung, wie sie<br />
im Bereich des Unternehmensmanagements notwendig und üblich ist, es geht<br />
hier vielmehr um den technischen Zustand der Betriebsmittel, um aktuelle Verfügbarkeiten,<br />
um das Verwalten von Kompatibilitäten zu Maschinen und die<br />
qualitative Beurteilung dieser Hilfsmittel. Aus der direkten Nähe zur Maschinendatenerfassung<br />
ergeben sich hier auch Möglichkeiten der präventiven Wartung<br />
und damit einem effektiven Mittel, um unvorhergesehene Stillstände reduzieren<br />
zu können.
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 33<br />
− MPL – Material- und Produktionslogistik<br />
Ein besonders wichtiger Punkt in der Fertigung sind die im Umlauf befindlichen<br />
oder in Zwischenlagern gelagerten Materialien. Hier hilft ein Modul Material-<br />
und Produktionslogistik (MPL) den Überblick zu bewahren und fällige<br />
Transportvorgänge rechtzeitig anzustoßen. Eine solche Funktion sollte nicht<br />
mit einer Lagerverwaltung verwechselt werden. Hier geht es ausschließlich um<br />
WIP (Work in Progress), also die Materialien, die sich außerhalb der klassischen<br />
Lager in Umlauf befinden. MPL liefert aktuelle im Umlauf befindliche<br />
Mengen.<br />
Funktionsgruppe Qualität<br />
Die Funktionsgruppe Qualität im Sinne einer operativen Qualitätssicherung sollte<br />
nicht verwechselt werden mit einem Qualitätsmanagement, wie es beispielsweise<br />
die großen ERP-<strong>System</strong>e bieten und die darunter ein unternehmensweit planendes<br />
und verwaltendes Qualitätsmanagement verstehen.<br />
− SPC – (Statistische Prozessregelung)<br />
Hier geht es um das Ankoppeln von Messmitteln, um das konkrete Erfassen<br />
von Messwerten, der Online-Vergleich der gemessenen Werte mit einem Sollwert<br />
und der direkten Ausgabe von Warnungen, falls die beiden Werte über ein<br />
geeignetes Maß hinaus differieren. SPC speichert natürlich diese Stichproben<br />
und erlaubt es, gewisse Trends zu verfolgen und diese Trends auch direkt online<br />
in der Fertigung anzuzeigen und damit vielleicht fehlerhafte Produktionen<br />
zu vermeiden.<br />
− REK – Reklamationsmanagement<br />
Hier werden reklamierte Produkte nach technischen Gesichtspunkten, nach den<br />
Herstellbedingungen und nach den Einsatzstoffen zurückverfolgt. Über eine<br />
Maßnahmensystematik werden Gegenmaßnahmen eingeleitet und verfolgt.<br />
− WEK – Wareneingang<br />
Unter Wareneingang und Warenausgang (WE/WA) ist hier nun weniger das<br />
Rating von Lieferanten zu verstehen, wie dies im QM üblich ist, sondern hier<br />
geht es um die konkrete Erfassung von angelieferten Waren bzw. von ausgelieferten<br />
Waren, das Verifizieren von Chargennummerierungen und auch hier<br />
wieder eine Online-Alarmierung, falls die Vorgabewerte verletzt werden.<br />
− PMC – Prüfmittelverwaltung<br />
Die Prüfmittelverwaltung ist direkt vergleichbar mit dem WRM aus der Funktionsgruppe<br />
„Fertigung“. Hier werden Prüfmittel und Messmittel verwaltet.<br />
Hier wird sichergestellt, dass sie den geforderten Normen genügen und dass sie<br />
für die entsprechenden Prüfungen auch eingesetzt werden können. Diese Informationen<br />
müssen natürlich während des Prüfvorgangs auch direkt abrufbar<br />
zur Verfügung stehen.
34 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
− PDC – Prozessdatenverarbeitung<br />
Eine Besonderheit in diesem Kontext ist das Modul Prozessdatenverarbeitung.<br />
Hier trägt man der Überlegung Rechnung, dass Qualität nicht nur eine Eigenschaft<br />
des Produktes ist, sondern dass Qualität auch von den Produktionsumständen<br />
abhängt. Hier kann z. B. die bei der Produktion verwendeten Drücke<br />
und Temperaturen für die Qualität ausschlaggebend sein, deshalb sollte ein<br />
<strong>MES</strong> auch hier die Möglichkeit haben, Prozesswerte direkt zu erfassen und gegenüber<br />
Toleranz- bzw. Eingriffsgrenzen zu verifizieren und bei Fehlern auch<br />
konkrete Gegenmaßnahmen zu empfehlen.<br />
Funktionsgruppe Personal<br />
− PZE – Personalzeiterfassung<br />
Die Funktionsgruppe „Personal“ ist aus der Historie heraus immer sehr nahe<br />
am Unternehmensmanagement angehängt. Für die Personaldisposition und die<br />
Personalverwaltung in der Fertigung ergibt sich eine Reihe von eleganten Vereinfachungen,<br />
wenn das fertigungsnahe Personalhandling im <strong>MES</strong> abgebildet<br />
wird. Das Modul Personalzeiterfassung erfasst die Kommt- und Geht-Daten<br />
sowie die Abwesenheitszeiten und kann soweit sinnvoll auch monatsbezogene<br />
Zeitkonten führen. Diese Vorgehensweise ist besonders dann ideal, wenn in<br />
Fertigungen (was sehr häufig der Fall ist) Personalkapazitäten eine wichtige<br />
Rolle spielen und diese Personalkapazitäten zeitnah disponiert werden müssen.<br />
− LEE – Leistungslohnermittlung<br />
Die PZE im <strong>MES</strong> spielt dann ihre Stärken aus, wenn es um die Realisierung<br />
von Prämiensystemen geht. Hier kann das Modul Leistungslohnermittlung<br />
durch die direkte Nähe zur Betriebsdatenerfassung sehr effektiv die Verbindung<br />
von Anwesenheits- zu Auftragszeiten herstellen und damit eine Berechnung<br />
von Leistungsgraden sehr vereinfachen.<br />
− PEP – Personaleinsatzplanung<br />
Das Modul Personaleinsatzplanung bietet die Möglichkeit, ähnlich wie die<br />
Plantafel in der Funktionsgruppe Fertigung, eine Übersicht über das aktive Personal<br />
zu behalten und elegant oder auch mit Hilfe von Automatismen entsprechende<br />
Einsatzpläne zu erstellen, die sich an der Belastungssituation einer Abteilung<br />
oder des Unternehmens oder des Werkes orientieren. Auch hier gilt<br />
wieder: kurzfristig wirksame Pläne können nur effektiv auf Basis eines aktuellen<br />
Fertigungsabbildes erstellt werden.<br />
− ZKS – Zutrittskontrolle<br />
Hat man im <strong>MES</strong> eine PZE integriert, so kann man als einfachen Nebeneffekt<br />
auch die Zutrittskontrolle in der Fertigung über das Modul ZKS realisieren.<br />
− ESK – Eslakationsmanagement<br />
Im Gesamtkonzept eines <strong>MES</strong> lassen sich weitere Mechaniken verankern, um<br />
zeitnah agieren zu können und automatisch bei Verletzung von Grenzwerten
1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 35<br />
(hier im weitesten Sinne gemeint sind Qualitäten, Nutzungsgrade, Stillstände<br />
usw.) entsprechende Eskalationen oder Alarmierungen ermöglichen und damit<br />
das Andauern von fehlerhaften Zuständen deutlich verringern. Ein Eskalationsmanagement<br />
(ESK) unterstützt hier das Fertigungscontrolling und die operative<br />
Ebene.<br />
1.4.4 Technische Voraussetzungen<br />
Datenhaltung<br />
Die Datenhaltung eines <strong>MES</strong> sollte immer auf dem technisch neuesten Stand sein<br />
und in standardisierten Datenbanken erfolgen. Ein besonders wichtiger Punkt ist<br />
die Anpassbarkeit eines <strong>MES</strong>. Fertigungen sind vielfältig strukturiert. Die Abläufe<br />
in verschiedenen Fertigungen haben ein sehr breites Spektrum. Ein Standard kann<br />
kaum so mächtig sein, dass man über Parameter alle erdenklichen Veränderungen<br />
vornehmen kann. Auch muss die Komplexität einer Parametrierung überschaubar<br />
sein. Der goldene Mittelweg ist hier eine Parametrierung, die vom Anwender noch<br />
durchgeführt werden kann gepaart mit der Möglichkeit, mit geeigneten Hilfsmitteln<br />
Verarbeitungen zu steuern und eigene Applikationen zu entwickeln. Hier<br />
kann der heutige Anwender einen Solution Designer in einem <strong>MES</strong> erwarten, der<br />
ihm die Möglichkeit gibt, in verschiedenen Levels eigene Applikationen zu entwickeln<br />
und diese in das Menüsystem einzubinden. Über einfache Befehlszeilen<br />
sollte der Anwender auch die Möglichkeit haben, Verarbeitungen im <strong>MES</strong> zu beeinflussen,<br />
um seine Ergebnisse möglichst effektiv zu erhalten. Auf der Darstellungsseite<br />
sollten natürlich gut parametrierte Auswertungen performant zur Verfügung<br />
stehen. Diese Auswertungen sollten auch in einem vernünftigen Rahmen<br />
userspezifisch einstellbar sein.<br />
Kommunikation zum Unternehmensmanagement<br />
Ein <strong>MES</strong> muss über entsprechende Schnittstellen verfügen, die standardmäßig mit<br />
den gängigsten ERP-, Personal- und QM-<strong>System</strong>en am Markt kommunizieren<br />
können. Für alle die Fälle, bei denen es sich eher um untypische Produkte handelt,<br />
sollte ein <strong>MES</strong> leicht parametrierbare Schnittstellen zur Verfügung haben, die<br />
leicht einstellbar sind.<br />
Kommunikation zum Fertigungsmanagement<br />
Das heutige Fertigungsumfeld bietet natürlich eine breite Palette von Produktionseinrichtungen,<br />
von dem ein <strong>MES</strong> Daten abgreifen muss und umgekehrt auch Daten<br />
für die Beeinflussung dieses Umfeldes bereitstellen muss. Die Kopplung zu<br />
Maschinen und Waagen werden benutzt, um Mengen, Qualitäten und auch<br />
Schwachstellen zu erfassen. Hier werden entsprechende Bibliotheken vorgehalten,<br />
die den einfachen Anschluss auch an nicht standardisierte Produkte erlauben. Immer<br />
mehr Maschinen- und Bearbeitungszentren von Herstellern werden über eige-
36 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
ne industrielle Bussysteme gekoppelt. Ein <strong>MES</strong> verfügt über die entsprechenden<br />
Kommunikationsbausteine, um die gewünschten Daten aus diesen Bussystemen<br />
auszulesen. Wesentliche Schlagworte, die auch in den folgenden Kapiteln behandelt<br />
werden, sind hier OPC und beispielsweise EuroMap 63, sowie herstellerspezifische<br />
<strong>System</strong>e.<br />
Erfassungsterminals spielen in <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en eine sehr wichtige Rolle. Sie<br />
waren in der Vergangenheit reine Erfassungsgeräte, werden heute immer mehr<br />
auch zu Informationsmedien. Ein leistungsfähiges <strong>MES</strong> sollte daher sowohl einfache<br />
Eingabegeräte unterstützen wie auch PC-basierte Eingabe- und Informationsstationen.<br />
Bei komplexeren Terminals und PC-basierten <strong>System</strong>en kann der Anwender<br />
heute eine leicht zu bedienende Informations- und Erfassungsoberfläche<br />
erwarten und auch eine Plausibilitätsprüfung, die direkt bei der Eingabe fehlerhafte<br />
Zustände oder Eingaben signalisiert. Die PC-Funktionalität wird hier auch dazu<br />
benutzt, um alles das was heute noch in großem Maße in Papierform durch die<br />
Fertigung transportiert wird, direkt auf elektronischem Wege zu übermitteln.<br />
Die hier dargestellten Funktionsgruppen und einzelnen Module sind modellhaft<br />
zu verstehen, stellen aber heute einen Großteil dessen dar, was ein leistungsfähiges<br />
<strong>MES</strong> dem Anwender bieten sollte. An dieser Stelle kommt auch noch ein<br />
wichtiger Punkt zum Tragen: Ein <strong>MES</strong> sollte bausteinartig aufgebaut sein, so dass<br />
man mit der Einführung nach Bedarf beginnen und in den Funktionalitäten leicht<br />
voranschreiten kann.<br />
1.5 Vertikale und Horizontale Integration<br />
Aus der Ebene der Automation und dem ERP ergab sich in der Vergangenheit automatisch<br />
ein Zweischichtmodell. Der Austausch von Informationen zwischen den<br />
zwei Schichten erfolgte meist manuell.<br />
Die Verbindung zwischen den Ebenen des Unternehmensmanagements und der<br />
Fertigung war damit eine sehr indirekte und die Kommunikationszyklen auf ein<br />
Raster von mehreren Tagen ausgelegt. Mit der Entwicklung des <strong>MES</strong>-Gedankens<br />
wurde auch das Fertigungsmanagement, von der IT-Seite her betrachtet, eine ausgeprägte<br />
Disziplin. Den drei Ebenen Unternehmensmanagement, Fertigungsmanagement<br />
und Fertigung können nun recht konkrete zeitliche Aktionsradien zugewiesen<br />
werden. Das Unternehmensmanagement handelt mit ERP bzw. PPS eher<br />
langfristig in Rastern von Wochen und Monaten. Die Fertigungsgrobplanung ist<br />
im mittelfristigen Bereich von Wochen und Tagen anzusiedeln. Die Feinplanung,<br />
oder auch Belegungsplanung genannt, agiert kurzfristig in Tagen und Schichten.<br />
Entscheidungen innerhalb des Fertigungsmanagements müssen in Schichten bis<br />
Minuten gefällt werden und die Automation mit Maschinen- und Anlagensteuerung<br />
muss natürlich innerhalb von Minuten bis Sekunden reagieren.<br />
Das zugehörige Bild symbolisiert eine Regelcharakteristik innerhalb der verschiedenen<br />
Ebenen, wobei die Regelzyklen in den genannten zeitlichen Rastern<br />
ablaufen. Exakte Trennlinien sind zwischen den drei Ebenen eines Fertigungsunternehmens<br />
naturgemäß nicht zu ziehen. So befinden sich zwischen ERP und <strong>MES</strong>
1.5 Vertikale und Horizontale Integration 37<br />
die Funktionen des APS (Advanced Planning and Scheduling), die je nach Fertigungstyp<br />
mehr zu ERP oder mehr zu <strong>MES</strong> hin tendieren.<br />
Ebenso ungenau ist die Trennung zwischen <strong>MES</strong> und Automation. Allein durch<br />
Funktionen wie Datenerfassung und Einstelldatenübertragung ergibt sich eine enge<br />
Verknüpfung zwischen den beiden Ebenen, die dennoch als separate Ebene betrachtet<br />
werden sollten und eher eine dispositive und eine technische realisierende<br />
Charakteristik haben.<br />
In den ersten Abschnitten dieses Kapitels wurden drei verschiedene Fertigungstypen<br />
betrachtet. Abbildung 1.11 zeigt in qualitativer Weise die Frage beantworten<br />
„Wie viel <strong>MES</strong> braucht jeder Fertigungstyp?“.<br />
Wie bereits beschrieben, sind in den Überlappungsbereichen der drei Unternehmensebenen<br />
die Funktionalität des APS und der Anlagensteuerung angesiedelt.<br />
In der Abgrenzung zwischen ERP- und <strong>MES</strong>-Funktionalitäten kann hier zur<br />
Verdeutlichung noch dargestellt werden, dass <strong>MES</strong> eher technologieorientiert und<br />
zeitnah agiert, während die Aktivitäten im ERP eher kommerziell und mittelfristig<br />
angelegt sind.<br />
Die drei <strong>MES</strong> Ebenen eines Fertigungsunternehmens arbeiten zudem mit völlig<br />
unterschiedlichen Zeithorizonten. Sie sind innerhalb dieser Zeithorizonte eigenständige<br />
Regelsysteme, deren Regelzyklus an den Horizonten orientiert.<br />
Aus der Definition eines diskreten Fertigungstyps ergibt sich, dass in den Abläufen<br />
sehr viele Freiheitsgrade existieren, über die ein Fertigungsauftrag durch<br />
die Produktion geschleust werden kann. Freiheitsgrade bedeuten natürlich auch<br />
viele Möglichkeiten von langen Transferzeiten, Wartezeiten und uneffektiven<br />
Auftragsreihenfolgen. Hier sind situations- und technologieorientierte Planungs-<br />
ERP / PPS<br />
Fertigungsmanagement<br />
Automation<br />
Zeithorizonte<br />
Abb. 1.11. <strong>MES</strong> Durchdringungsbedarf im Unternehmen<br />
Langfristig z. B.Monate, Wochen<br />
mittelfristig z. B. Wochen, Tage<br />
kurzfristig Tage, Schichten<br />
zeitnah Schichten, Minuten<br />
online Minuten, Sekunden
38 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
hilfen notwendig, die dem Fertigungsmanagement kurzfristige und optimale Reaktionen<br />
auf Störungen ermöglichen. Ein <strong>MES</strong> deckt an dieser Stelle einen Teil der<br />
APS-Funktionalitäten mit ab. An der Grenzlinie zur Automation erlaubt das <strong>MES</strong><br />
den direkten Datenabgriff innerhalb der Fertigung.<br />
Etwas anders stellt sich die Situation bei Massen- und Linienfertigung dar. Hier<br />
wird der Unterschied zwischen Grob- und Feinplanung geringer ausfallen, als in<br />
der diskreten Fertigung. Relativ lang laufende Aufträge, große Umrüstzeiten verbieten<br />
kurzfristige Reaktionen und verlangen damit automatisch mittelfristige Fertigungspläne.<br />
Ein Großteil der kurzfristigen Aktivitäten wird innerhalb der Automationsebene,<br />
also in der Maschinen- und Anlagensteuerung, abgehandelt. Bei<br />
diesem Fertigungstyp wird der Bereich Automation sehr mächtig ausgebaut sein.<br />
Damit reduziert sich der dispositive Teil des <strong>MES</strong> auf einen relativ schmalen Bereich,<br />
der sich auf kurzfristige und technologieorientierte Situationsdarstellung<br />
und Auswertungen über Zeiten, Störungen und Qualitäten beschränkt.<br />
Für den Einzelfertiger ist die Auflösung von großen Stücklisten das bestimmte<br />
Thema. Lang laufende Aufträge bestimmen sein Geschäft. Hier wird eine kurzfristige,<br />
reaktive Feinplanung nur in den Serienbereichen von Nöten sein. Ein Großteil<br />
der Automation wird auch in diesen Bereichen stattfinden. Natürlich abgesehen<br />
von komplexen Bearbeitungszentren, an denen umfangreiche Bearbeitungen<br />
an einzelnen Teilen vorgenommen werden. Hier wird sich der <strong>MES</strong>-Part auf den<br />
Bereich der Kleinserienanteile beschränken und auf Zeiterfassung bzw. Projektzeiterfassung<br />
innerhalb des eigentlichen Anlagenbaus.<br />
Fristigkeit<br />
ERP/PPS<br />
APS<br />
<strong>MES</strong><br />
Real-Time &<br />
Technologie<br />
Anlagensteuerung<br />
Automatisierung<br />
Abb. 1.12. <strong>MES</strong>-Bedarf nach Fertigungstypen<br />
diskrete<br />
(Werkstatt)<br />
Fertigung<br />
Prozess-<br />
Industrie<br />
Linien-<br />
Fertigung<br />
Anlagenbauer
1.5 Vertikale und Horizontale Integration 39<br />
Verschiedene Fertigungstypen benötigen verschiedene <strong>MES</strong>-Funktionalitäten<br />
und benötigen auch verschieden mächtige <strong>MES</strong>-Ausprägungen. Abbildung 1.12<br />
zeigt, inwieweit <strong>MES</strong>-Funktionen von ERP bzw. Automation abgedeckt oder in<br />
diese Bereiche hineinragen können.<br />
Mit der beschriebenen 3-Ebenen-Struktur wurde es möglich, mit <strong>MES</strong> als Bindeglied<br />
zwischen Unternehmensmanagement und Fertigung eine durchgängige,<br />
vertikale Integration zu realisieren. In der IT-Welt sind nach einem solchen Modell<br />
nun keine Medienbrüche mehr notwendig, die durch langwierige und zeitversetzte<br />
manuelle Aufschreibungen und Datenerfassungen einen zeitnahen Informationsaustausch<br />
verhindern. Über das <strong>MES</strong> kann die ERP-Ebene nun die Fertigung<br />
zeitnah mit aktuellen Informationen versorgen. Das ERP erhält via <strong>MES</strong> korrekt<br />
aufbereitete Informationen zum richtigen Zeitpunkt zurück. Allerdings liefert das<br />
<strong>MES</strong> an dieser Stelle dem Fertigungsmanagement zeitnah technologie- und situationsorientiert<br />
die Informationen, die notwendig sind, um rechtzeitig auf fehlerhafte<br />
Zustände zu reagieren bzw. Fehlerzustände so kurz wie möglich zu halten.<br />
Trotz der engen Kopplung durch die vertikale Integration sind die drei Zeitebenen<br />
soweit entkoppelt, dass jede Ebene korrekt agieren kann und das Gesamtunternehmen<br />
dennoch die Zeitbereiche von langfristig bis online abbilden kann.<br />
Unternehmens-<br />
Management<br />
Fertigungs-<br />
Management<br />
Fertigung, Automation<br />
Abb. 1.13. Die vertikale Integration stellt sicher, dass die verschiedenen Unternehmensebenen<br />
zeitgerecht (so wie sie dies benötigen) über Informationen aus den jeweils anderen<br />
Ebenen versorgt werden<br />
Die Betrachtungen, die aktuell über die vertikale Integration angestellt werden,<br />
zeigen, wie wichtig die Rolle des <strong>MES</strong> in der Architektur eines Unternehmens ist.<br />
Innerhalb des Fertigungsmanagements, also im Bereich des <strong>MES</strong>, gibt es gemäß<br />
obiger Darstellung drei Funktionsgruppen: Fertigung, Personal und Qualität. Diese<br />
Funktionsgruppen sind in den wenigsten Fällen voneinander unabhängig. Zum<br />
Fertigen wird zum richtigen Zeitpunkt das geeignete Personal benötigt, die teure
40 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Ressource Mensch soll möglichst effektiv an der richtigen Stelle eingesetzt werden.<br />
In der Fertigung fallen Teile mit verschiedenen Qualitäten an, die geprüft<br />
werden müssen. Allein diese kurze Aufzählung zeigt, dass das Fertigungsmanagement,<br />
soll es effektiv funktionieren, alle drei Funktionsgruppen mehr oder<br />
minder simultan bedienen muss. Daraus entsteht die Forderung, dass diese drei<br />
Funktionsgruppen sehr eng gekoppelt werden müssen. Das IT-<strong>System</strong>, das diese<br />
Funktionalitäten abbildet, sollte demzufolge möglichst einheitlich agieren und auf<br />
einem einzigen Datenbestand aufsetzen. Damit werden Doppelerfassungen, redundante<br />
Stammdaten und Bewegungsdaten vermieden.<br />
Diese sog. horizontale Integration ist damit eine wesentliche Voraussetzung,<br />
dass ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> das Fertigungsmanagement effektiv unterstützt. Obige Betrachtungen<br />
zeigen, wie wichtig dieser Integrationsmechanismus <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> für<br />
die vertikale Integration in einem Fertigungsunternehmen ist. Vertikale Integration<br />
ist eine wesentliche Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige Zukunft in einem<br />
Fertigungsbetrieb.<br />
Unternehmens-<br />
Management<br />
Fertigungs-<br />
Management<br />
Fertigung, Automation<br />
Abb. 1.14. Die vertikale Integration ist wichtig für die effektive Funktion des Gesamtunternehmens.<br />
Die horizontale Integration im <strong>MES</strong>-Bereich ist eine besondere Ausprägung der<br />
Realisierung. Die horizontale Integration gestattet ein effektives Arbeiten mit den verschiedenen<br />
Funktionsgruppen eines <strong>MES</strong><br />
1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen<br />
1.6.1 Organisatorische Voraussetzungen<br />
Der Einsatz eines <strong>MES</strong> im Unternehmen hängt weniger von der Unternehmensgröße<br />
oder Branche ab, sondern vielmehr von der Fertigungsstruktur (Werkstattfertigung,<br />
Fertigungssegmente, Linien-/Fließfertigung, etc.) und der Fertigungsart
1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen 41<br />
(Einmalfertigung, Einzel- und Kleinserienfertigung, Serienfertigung, Massenfertigung).<br />
Während man mit einem <strong>MES</strong> im Fall einer mehrstufigen Werkstattfertigung<br />
(Dreherei, Fräserei, Galvanik, etc.) hauptsächlich das Zusammenspiel<br />
der einzelnen Bearbeitungsschritte untereinander und damit den Auftragsdurchlauf<br />
verbessern wird, liegt der Schwerpunkt im Fall einer Massenfertigung<br />
sicherlich bei der Erhöhung des Nutzgrads einzelner Fertigungslinien. Durch ihren<br />
modularen Aufbau lassen sich <strong>MES</strong> leicht an die jeweilige Fertigungsumgebung<br />
und Aufgabenstellungen anpassen. Im Rahmen eines geplanten <strong>MES</strong> Projekts gilt<br />
es daher, zunächst einmal zu überprüfen, welche Ausgangssituation (Fertigungsstruktur<br />
und -art) vorliegt. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, wie die momentane<br />
Produktionsplanung und -steuerung realisiert ist und wie diese durch <strong>MES</strong> Funktionalitäten<br />
erweitert werden kann.<br />
1.6.2 Technische Voraussetzungen<br />
Zur technischen Einbindung eines <strong>MES</strong> im Unternehmen bedarf es eines Unternehmensnetzwerks<br />
(LAN), über das die Managementebene, das Fertigungsmanagement<br />
und die eigentliche Fertigung kommunizieren. <strong>MES</strong> Server und –<br />
Clients können so in das Unternehmensnetzwerk integriert werden. Der Datenaustausch<br />
mit übergeordneten Planungssystemen (ERP, PPS, etc.) erfolgt über standardisierte<br />
Schnittstellen. Die Informationen auf der Fertigungsebene werden entweder<br />
manuell (Maschinenbediener an Terminals) oder automatisch durch Maschinenanbindung<br />
über Maschinenschnittstellen (z. B. OPC, Euromap, etc.) erfasst.<br />
1.6.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />
Prozessfähigkeit<br />
Neben der Produktqualität haben viele Unternehmen die Prozessqualität als weiteres<br />
Potenzial für mehr Wirtschaftlichkeit in der Fertigung erkannt. Zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />
empfiehlt es sich, zunächst zu definieren, welche prozessorientierten<br />
Ziele durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> erreicht werden sollen. Solche Ziele<br />
können beispielsweise eine Reduzierung der Durchlaufzeit sein, eine Erhöhung<br />
der Maschinenauslastung, eine Verbesserung der Termintreue, eine Verringerung<br />
der Umlaufbestände oder eine Senkung der Fehlerkosten. Anhand der definierten<br />
Ziele lässt sich dann das konkrete Wirtschaftlichkeitspotenzial untersuchen. Beispiele<br />
solcher Wirtschaftlichkeitspotenziale sind:<br />
Erhöhung der Maschinenauslastung<br />
Die durchschnittliche Maschinenauslastung liegt in der Metallverarbeitung oft<br />
niedriger als angenommen. Tatsächlich wird jedoch mit einer höheren angenommenen<br />
Auslastung geplant und kalkuliert. Durch systematische Erfassung und
42 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Auswertung aller ungeplanten Stillstände mit einem <strong>MES</strong> lassen sich die Stillstandsgründe<br />
erkennen, beseitigen und damit die Maschinenauslastung erheblich<br />
verbessern. Die Investitionskosten eines <strong>MES</strong> betragen dabei nur wenige Prozent<br />
der jährlichen Maschinenkosten. Das heißt, dass bereits eine Verbesserung der<br />
Maschinenauslastung um wenige Prozentpunkte den erwünschten Return-on-<br />
Investment (ROI) bringt.<br />
Reduzierung der Durchlaufzeit<br />
Die Reduzierung der Durchlaufzeit ist sicherlich der wichtigste Faktor für die<br />
Wirtschaftlichkeit der Fertigung. Am Auftragsdurchlauf hängen Lieferzeit (Wettbewerbsvorteil),<br />
Termintreue (Kundenzufriedenheit), Bestände (Liquidität) und<br />
Durchsatz (Gewinn). Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> lassen sich diese Potenziale<br />
erkennen und systematisch erschließen.<br />
Diese einfachen und eher banal wirkenden Beispiele zeigen, welche Prozesspotenziale<br />
in einem Unternehmen versteckt sein können und wie diese allein mit<br />
dem pragmatisch angewendeten Software-Tool <strong>MES</strong> aufgedeckt werden können.<br />
Generell lässt sich sagen, dass sich Verbesserungspotenziale im Unternehmen<br />
durch die <strong>MES</strong>-basierte Prozesstransparenz schneller erkennen lassen und durch<br />
die <strong>MES</strong>-basierten Regelkreise auch schneller erschließen lassen. Darüber hinaus<br />
lassen sich durch die systematische Erfassung aller Prozessdaten auch mehr Potenziale<br />
erkennen als ohne <strong>MES</strong>.<br />
1.6.4 Unterstützung des KVP und aktueller Zertifizierungen<br />
Obwohl in der Verbesserung der Prozessqualität noch riesige Potenziale stecken<br />
und obwohl die kontinuierliche Prozessverbesserung (KVP) in den aktuellen Zertifizierungsnormen,<br />
wie DIN EN ISO 9001:2000 oder ISO/TS 16949:2002 verankert<br />
ist, wird die Prozessorientierung in vielen Betrieben noch nicht in der Praxis<br />
gelebt. Häufige Ursache hierfür ist die mangelnde Prozesstransparenz, die jedoch<br />
durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> leicht behoben werden kann. Durch die Integration<br />
zwischen dem ERP-<strong>System</strong> einerseits und der Fertigungsebene andererseits erfasst<br />
ein <strong>MES</strong> kontinuierlich im Hintergrund die Daten aller Prozesseinflüsse (Aufträge,<br />
Maschinen, Werkzeuge, Personal, Material, Qualität, etc.) in der Fertigung.<br />
Damit lassen sich Hitlisten (Pareto-Diagramme) über die häufigsten Störgründe<br />
und Fehler erstellen, Prozesszeiten ermitteln (Rüst- und Bearbeitungszeiten, Warte-<br />
und Stillstandszeiten, Störunterbrechungen, etc.) sowie Kennzahlen über die<br />
Prozess- und Produktqualität zu berechnen (z. B. OEE-Index, Maschinennutzgrad,<br />
Prozessgrad, Ausschussquote, etc.) und darstellen. Damit unterstützt ein <strong>MES</strong><br />
Verbesserungsaktivitäten in allen Phasen: Define (Definition zu verbessernder<br />
Prozesse), Measure (Prozessdaten messen), Analyze (Messdaten analysieren) und<br />
Control (durchgeführte Maßnahmen überprüfen).
1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen 43<br />
Verbesserungspotenziale erschließen mit <strong>MES</strong><br />
Verbesserungspotenzial<br />
mit <strong>MES</strong><br />
ohne <strong>MES</strong><br />
Abb. 1.15. Schnelleres Erkennen und Erschließen von Verbesserungspotenzialen mit Hilfe<br />
eines <strong>MES</strong><br />
1.6.5 Zieldefinition und -verfolgung<br />
<strong>Manufacturing</strong> Scorecard – prozessorientierte Kennzahlen<br />
Um im immer härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können, setzten viele<br />
Unternehmen auf eine ganz gezielte Wettbewerbsstrategie, wie z. B. Preisführerschaft,<br />
Technologieführerschaft, Lieferbereitschaft, Flexibilität, etc. Mit Hilfe der<br />
Methode <strong>Manufacturing</strong> Scorecard lassen sich von dieser Strategie ausgehend auf<br />
Basis der Messgrößen des <strong>MES</strong> prozessorientierte Kennzahlen für die Fertigung<br />
ableiten und dort den Mitarbeitern als Zielgrößen vorgeben. Damit wird bewirkt,<br />
dass die Mitarbeiter in der Fertigung im Sinne des Unternehmens handeln und sich<br />
Gedanken darüber machen, wie die eigenen Kennzahlen verbessert werden können.<br />
Auch KVP-Aktivitäten werden durch die Kennzahlen unterstützt, da mit<br />
Kennzahlen überwiegend Vorschläge gemacht werden, die sich direkt in der Zielgröße<br />
niederschlagen. Durch die Kenntnis des aktuellen Standes sowie der Zielgrößen<br />
wird eine ungeheure Motivation bei den Mitarbeitern bewirkt. Zwei Beispiele,<br />
die das Fertigungsumfeld schon lange beherrschen, seien hier angeführt,<br />
um zu zeigen das <strong>MES</strong> auch bei bekannten Motivationsmechaniken neue Möglichkeiten<br />
bieten können.<br />
t
44 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />
Gruppenarbeit<br />
Da ein Prozess meist durch mehrere Personen beeinflusst wird (z. B. wird der Prozess<br />
Rüsten vom Maschinenbediener, vom Einrichter und vom Werkzeugbau beeinflusst)<br />
bietet es sich an, immer denjenigen Mitarbeitern die gleichen Kennzahlen<br />
zu geben, die das jeweilige Prozessergebnis gemeinsam beeinflussen können<br />
(Gruppe). Ein <strong>MES</strong> unterstützt die Gruppenarbeit durch papierlose Bereitstellung<br />
aller relevanten Informationen auf sog. Gruppen i-Punkt Terminals.<br />
Zielvereinbarungen und Prämienentlohnung<br />
Die Kennzahlen der <strong>Manufacturing</strong> Scorecard eignen sich neben den Zielvereinbarungen<br />
auch zur Prämienentlohnung, was einen weiteren Motivationsschub bei<br />
den Mitarbeitern bewirkt. Beispiele solcher Kennzahlen sind der Nutzgrad =<br />
Hauptnutzungszeit/Belegzeit, der Prozessgrad = Hauptnutzungszeit/Durchlaufzeit,<br />
der Beleggrad = Belegzeit/Durchlaufzeit, der Zeitgrad = Hauptnutzungszeit/ Anwesenheitszeit<br />
und der OEE-Index = Produktivität x Effektivität x Qualität.<br />
1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale<br />
Beim konsequenten Einsatz eines <strong>MES</strong> innerhalb einer Fertigungsorganisation ergeben<br />
sich durch Regelkreise mit kurzen Zykluszeiten und die intensive Kopplung<br />
mehrerer klassischer Disziplinen, wie z. B. Leitstand, BDE, Qualitätssicherung,<br />
Maschinendatenerfassung usw., eine Reihe von besonderen Nutzenpotenzialen,<br />
die hier stichwortartig aufgelistet werden sollen.<br />
− Eine kurzfristige Terminierung mit Betrachtung begrenzter Kapazitäten sichert<br />
einen geplanten Liefertermin, weil durch <strong>MES</strong> ein aktuelles Modell der Kapazitätssituation<br />
dieser Terminierung zugrunde liegt. Liefertermintreue, das heißt<br />
Kundenzufriedenheit und Mitarbeitermotivation können dadurch erheblich<br />
steigen. Mit einer Simulation auf Basis aktueller Fertigungszustände kann die<br />
Auswahl der bestmöglichen Alternative mit Hilfe von Szenarienbildung durchgeführt<br />
werden. Hier können als Vorteile entstehen: höhere Liefertermintreue,<br />
bessere Kapazitätsauslastung, Durchlaufzeiten und Bestände können dadurch<br />
deutlich sinken. Ähnliche Effekte erzeugt eine aktuelle Plantafel, die über ergonomische<br />
Auftragsinformationen den Handlungsspielraum des Planers bzw.<br />
des Arbeitsvorbereiter erhöht.<br />
− Durch die Kopplung von BDE, MDE und Plantafel werden sehr realistische,<br />
zeitnahe Abbilder, teilweise auch durch automatische Stückzahlerfassung, in<br />
eine Plantafel übernommen und führen ebenfalls zu den oben genannten Effekten.<br />
− Eine technologieorientierte Auftrags- und Artikelstatistik aus BDE, MDE und<br />
Qualitätssicherung kann technische Möglichkeiten aufdecken, die zu höheren<br />
Kosten durch ungeplante Verbräuche von Material und Zeit bei der Herstellung<br />
eines Produktes führen.
1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale 45<br />
− Zeitnahe Auftrags-, Maschinen- und Personalübersichten erhöhen die Aussagefähigkeit<br />
über Liefertermine gegenüber Kunden und können ungewünschte Materialbestände<br />
in der Fertigung reduzieren.<br />
− Über eine intensive Kopplung von CAQ und BDE wird eine erhöhte Datenkonsistenz<br />
und ein verminderter Erfassungsaufwand erreicht. Es sind vor allem<br />
direkte Aussagen möglich, wie viele Teile sind in welcher Qualität aktuell vorrätig<br />
und wo sind aufgrund von Nacharbeiten oder Qualitätsproblemen direkte<br />
Maßnahmen einzuleiten.<br />
− Über eine Kopplung von Werkzeug bzw. Ressourcenverwaltung und der Maschinendatenerfassung<br />
kann ein verringerter Werkzeug- bzw. Maschinenausfall<br />
erreicht werden. Abnutzungen von Betriebsmitteln stehen online zur Verfügung<br />
und Wartungsmaßnahmen können zu günstigen Zeitpunkten eingeplant werden.<br />
− Stillstandsauswertungen und Schwachstellenanalyse aus der Maschinendatenerfassung<br />
bewirken einen höheren Nutzungsgrad und damit mehr Kapazität bei<br />
gleichen Kosten.<br />
− Über die Verbindung von Personalzeiterfassung oder Zeitwirtschaft und Betriebsdatenerfassung<br />
kann eine einfache Berechnung von leistungsorientierten<br />
Mitarbeiterprämien erfolgen. Damit können direkt Unternehmensziele wie Maschinenauslastung,<br />
Liefertermintreue und Qualität unterstützt werden. Mit diesen<br />
Mechaniken ist auch eine verursachungsgerechte Verbuchung von Zeiten<br />
möglich, so dass damit unternehmensweit die Gemeinkostenanteile sinken können.<br />
− Durch Bestandsübersichten aus einer Verbindung von Materialwirtschaft und<br />
BDE lassen sich die Bestände an Fertigungsmaterialien in Materialpuffern und<br />
Zwischenlagern. deutlich reduzieren und damit auch die Kapitalbindung verringern.<br />
− Aus einer Kopplung von Prozessdatenverarbeitung, CAQ und MDE lässt sich<br />
ein lückenloser Prozess-Produktnachweis führen, wie dies von Automobilzulieferern<br />
und auch von der Nahrungsmittelindustrie immer mehr gefordert<br />
wird. Verletzungen von Toleranz- und Eingriffsgrenzen können so dokumentiert<br />
werden, aber auch schnelle Reaktionen auf Negativ-Trends sind damit<br />
möglich. Durch Visualisieren von fertigungsrelevanten Dokumenten an einem<br />
Erfassungsterminal, die aus allen möglichen Bereichen stammen können, lässt<br />
sich der Aufwand für fertigungsbegleitende Informationen deutlich reduzieren.<br />
Eine papierarme Fertigung ist mit dieser Mechanik nicht utopisch.<br />
− Mit einer Los- und Chargenverfolgung aus CAQ, BDE und Materialwirtschaft<br />
lässt sich, wie oben bereits beschrieben, ein lückenloser Produkt- und Produktionsnachweis<br />
führen. Es lassen sich aber auch sehr einfach Rückverfolgungen<br />
von Einsatzmaterialien und von defekten Teilen bewerkstelligen und damit<br />
Verbesserungspotenziale in der Produktion aufdecken.<br />
− Durch Verdichten der immensen Detailinformationen, die in einem <strong>MES</strong> enthalten<br />
sind, lassen sich Managementinformationen erzeugen, die technologische<br />
Verhältnisse widerspiegeln und die auch Aufschluss über Verbesserungspotenziale<br />
geben, wie z. B. der OEE-Index einzelner Betriebsmittel, ganzer<br />
Abteilungen oder auch ganzer Werke.
2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale 47<br />
2.1 Die Wirtschaftlichkeit als Prozesseigenschaft<br />
Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ist heute vor dem Hintergrund steigender<br />
Dienstleistungen kaum noch eine Eigenschaft der Produkte, als vielmehr der<br />
Prozesse. Damit stehen die Unternehmen heute vor der Aufgabe, ihre Prozessketten<br />
zu optimieren, was in der Praxis zu einer Wettbewerb entscheidenden Umorientierung<br />
in der Ressourcenlenkung führt: Während man in der Vergangenheit<br />
versucht hat, die Wirtschaftlichkeit der Fertigung über Zahlen aus dem betrieblichen<br />
Rechnungswesen zu beherrschen, versucht man heute, die hinter diesen Zahlen<br />
liegenden Prozesse zu identifizieren. Das ist in Kürze der Ansatz von Norton<br />
und Kaplan mit der Balanced Scorecard (Kaplan u. Norton 1997). Die bisher verbreitete<br />
Praxis, die Ressourcen über die Kosten am Ergebnis auszurichten, versagt<br />
mit zunehmendem Gemeinkostenanteil, weil es den Kostenrechner zwingt, einen<br />
erheblichen Kostenblock, der sich aus logischen Gründen nicht verursachungsgerecht<br />
auf den Kostenträger (Produkte) umlegen lässt, trotzdem nach künstlich geschaffenen<br />
Schlüsseln (Kostenstellenrechnung) verursachungsfremd zu verteilen.<br />
Die Kritik lässt sich auf die wichtigsten Punkte zusammenfassen:<br />
� Gemeinkosten sind proportional zur Zeit – damit werden die Zeitverbräuche<br />
(Durchlaufzeit) zur entscheidenden Kostenverursachung. Diese aber werden<br />
von der traditionellen Kostenrechnung nicht gesehen, sie hat keine Zeitdimension,<br />
was in der Praxis dazu führt, dass eine Fertigung mit langer Durchlaufzeit<br />
incl. anschließender Lagerung praktisch ebenso kalkuliert wird, wie eine Fertigung<br />
mit kurzer Durchlaufzeit.<br />
� Das wiederum führt dazu, dass erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung<br />
des Wirkungsgrades der Wertschöpfung (Nutzgrad) sich in den Kosten nicht<br />
ausdrücken lassen.<br />
Das Erschließen der in den Prozessen steckenden Potenziale wird zunehmend<br />
zu einer Überlebensfrage: Praktisch alle Unternehmen stehen heute vor dem Hintergrund<br />
des sich verschärfenden Wettbewerbs sowohl mit ihren Preisen, als auch<br />
mit ihrem Eigenkapital mit dem Rücken zu Wand. Demgegenüber sind die Prozesspotenziale<br />
vergleichsweise riesig. Das führt heute dazu, die Prozessketten in<br />
einem ersten Schritt zu identifizieren und sie dann dauerhaft zu verbessern.
48 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
2.1.1 Der prozessorientierte Ansatz der ISO 9001/TS 16949<br />
Der prozessorientierte Ansatz ist die Grundlage der Prozesslenkung. „Damit eine<br />
Organisation wirksam funktionieren kann, muss sie zahlreiche miteinander verknüpfte<br />
Tätigkeiten erkennen, leiten und lenken. Eine Tätigkeit, die Ressourcen<br />
verwendet und die ausgeführt wird, um die Umwandlung von Eingaben in Ergebnisse<br />
zu ermöglichen, kann als Prozess angesehen werden.“ (ISO/TS 16949 2002).<br />
Damit umfasst der prozessorientierte Ansatz nach der ISO/TS 16949:<br />
� Verstehen und Erfüllen von Anforderungen<br />
� Prozessbeurteilung aus der Sicht der Wertschöpfung<br />
� Erzielen von Ergebnissen bezüglich der Prozessleistung<br />
� Permanente Prozessverbesserung auf der Grundlage objektiver Messungen.<br />
Der Wettbewerb im globalen Marktumfeld verschiebt sich zunehmend von einem<br />
Wettbewerb der Produkte zu einem Wettbewerb der Prozesse. Unternehmen<br />
wie Dell, Amazon oder Würth liefern Beispiele dafür, wie sich Märkte nicht über<br />
Produkte, sondern über Geschäftsprozesse schaffen lassen.<br />
Die Ausrichtung der Wertschöpfung auf den Kunden hat Konsequenzen für die<br />
Lenkung der internen Prozesse: Der Kunde beurteilt nicht isolierte Verbesserungen<br />
einzelner Bearbeitungsschritte, sondern ausschließlich das Ergebnis der Wertschöpfungskette,<br />
also die Fähigkeit des gesamten Prozesses. Dieser Übergang von<br />
der Produktions- zur Serviceökonomie wird heute als zweites industrielles Paradigma<br />
bezeichnet.<br />
Die Prozessfähigkeit bringt eine neue Sichtweise: Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens<br />
statt über seine technische Ausstattung, über seine internen Prozesse<br />
zu lenken. Während Verbesserungen auf der Grundlage einer verbesserten Fertigungstechnologie<br />
nur noch schwer zu erzielen sind – die meisten Unternehmen<br />
verfügen über modernste Maschinen und Werkzeuge und kaufen das Material<br />
möglicherweise bei den gleichen Lieferanten – ist das Prozesspotenzial vergleichsweise<br />
riesig. Obwohl die prozessbasierten Zertifizierungsnormen inzwischen<br />
sehr verbreitet sind, und obwohl inzwischen die meisten Unternehmen nach<br />
einem prozessorientierten Regelwerk (ISO 9001, TS 16949) zertifiziert sind, wird<br />
der prozessorientierte Ansatz in der Praxis kaum gelebt.<br />
Nachstehend wird daher gezeigt, mit welchen Maßnahmen und Tools sich die<br />
Prozessfähigkeit des Unternehmens in der Praxis erreichen lässt.<br />
2.1.2 Das Prozesspotenzial in Zahlen<br />
Prozessfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, fehlerfrei zu arbeiten. Prozessfähigkeit<br />
lässt sich messen als Streuung innerhalb vorgegebener Spezifikationsgrenzen. Die<br />
Prozessfähigkeit lässt sich statistisch durch das Streumaß Sigma in Zahlen ausdrücken.<br />
Den verschiedenen Sigma-Werten lassen sich Reinheitsgrade zuordnen.<br />
Reinheitsgrade werden heute ausgedrückt als ppm-Werte (parts per million Fehlteile<br />
einer Lieferung).
2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation 49<br />
Sigma Niveau CPK Werte Fehlleistung ppm<br />
2 0,67 22.750<br />
3 1.00 1.350<br />
4 1,33 32<br />
5 1.67 0,3<br />
6 2.00 0,001<br />
Abb. 2.1. Zuordnung von Sigma-Niveau und Fehlleistungen<br />
Faktor 100<br />
Abbildung 2.1 stellt die Abhängigkeit zwischen Prozessstreuungen – ausgedrückt<br />
als Streumaß Sigma – und Fehlleistungen – ausgedrückt als ppm-Wert gegenüber.<br />
Die entscheidende Erkenntnis besteht darin, dass über eine Verbesserung<br />
der Prozessfähigkeit um nur ein Sigma-Niveau eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit<br />
durch eine Reduzierung von Fehlleistungen in einer Größenordnung erreicht<br />
werden kann, die über eine Verbesserung der Bearbeitung (Maschinen,<br />
Werkzeuge, Verfahren etc.) bei weitem nicht möglich ist (Rehbehn u. Zafer 2003).<br />
2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation<br />
Eine Organisation ist dann prozessfähig, wenn sie dauerhaft lernfähig ist. Das<br />
Lernpotenzial von Organisationen (sozialen, technischen oder ökonomischen) ist<br />
prinzipiell unbegrenzt – es muss aber systematisch erschlossen werden. Das bedingt,<br />
dass das Lernverhalten in der Organisation verankert wird. Analog zur Luftfahrt,<br />
wo jeder Flugunfall das Fliegen sicherer macht, muss in der Fabrik jeder<br />
Fehler das Unternehmen besser machen.<br />
Abbildung 2.2 zeigt das Verbesserungspotenzial einer Organisation am Beispiel<br />
der Erfahrungskurve, wie sie von der Boston Consulting Group entwickelte wurde.<br />
Sie besagt, dass mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge<br />
die Stückkosten um einen festen Prozentsatz (20 bis 30 Prozent) zu sinken.
50 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
Arithmetische Darstellung Logarithmische Darstellung<br />
Kumulierte Produktionsmenge in Stück<br />
Abb. 2.2. Die Erfahrungskurve<br />
Lohnkosten<br />
In €//Stck<br />
10 20 50 100 200 400 800 1600<br />
Kumulierte Produktionsmenge in Stück<br />
Der Zusammenhang zwischen den Kosten und der hergestellter Menge beruht<br />
auf der Annahme, dass ein Unternehmen mit zunehmender Produktion lernt, die<br />
Produkte günstiger herzustellen – ein Zusammengang, der jedem Praktiker zunächst<br />
einmal einleuchtet (Hendersen 1974). Die entscheidende Managementaufgabe<br />
heute ist die dauerhafte Einrichtung eines Verbesserungsverhaltens. Dieses<br />
kann in drei Schritten erfolgen:<br />
2.2.1 Das Identifizieren systematischer Fehler<br />
Voraussetzung für die Prozessbeherrschung ist das Eliminieren systematischer<br />
Fehler. Dazu müssen zunächst alle Prozesseinflüsse erfasst und analysiert werden.<br />
Abbildung 2.3 zeigt beispielhaft für eine Maschine, Maschinengruppe, Abteilung<br />
oder Auftrag aufgetretenen Störungen, die nun von den Mitarbeitern analysiert<br />
werden können. Jedes <strong>MES</strong> (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>) erfasst zugleich<br />
mit der Auftragsanmeldung am Maschinenterminal praktisch fingerlos die zugehörigen<br />
Prozessparametern wie: Maschine, Maschinengruppe, Werkzeug, Artikel<br />
und Arbeitsgang, Auftrag, Kunde, Schicht, Mitarbeiter etc.<br />
Während sich zufällige Fehler zurückführen lassen auf normale Prozessstreuung<br />
und damit nur schwer zu beherrschen sind, ist es für die Analyse entscheidend,<br />
den hinter den Prozessstörungen liegenden systematischen Anteil zu identifizieren,<br />
denn die Herstellung eines Verursachungsbezuges ist die entscheidende<br />
Voraussetzung für das nachhaltige Eliminieren dieser Störung. Erst wenn es möglich<br />
ist, bezogen auf eine Verursachung, Fehlercluster zu finden, lassen sich Fehler
2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation 51<br />
beheben. Fehlercluster sind typischerweise erkennbar durch Aussagen wie: „Immer<br />
dann… oder immer wenn…“ (in der Nachtschicht, bei diesem Werkzeug, bei<br />
diesem Kunden, bei dieser Maschine etc.).<br />
Abb. 2.3. Darstellung systematischer Fehler im <strong>MES</strong><br />
2.2.2 Die systematische Fehlerbearbeitung<br />
Jede ungeplante Störung im Ablauf muss wie eine interne Reklamation behandelt<br />
werden. Dazu müssen alle erkannten Fehler dauerhaft beseitigt werden, was dazu<br />
führt, dass die Organisation mit jedem erkannten und abgestellten Fehler besser<br />
wird. Der langfristige Erfolg eines Unternehmens setzt damit ein Verbesserungsverhalten<br />
voraus, welches in der Organisation dauerhaft verankert werden<br />
muss.<br />
Während diese <strong>System</strong>atik einer permanenten und konsequenten Fehlerbearbeitung<br />
in den Unternehmen heute im Bereich der längst praktiziert wird, ist<br />
dieses <strong>System</strong>atik auf die Organisation als Ganzes bezogen bei weitem noch nicht<br />
Stand der Technik.
52 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
1. Fehler<br />
Beule in der Verpackung,<br />
dadurch Beschädigung der Lieferung<br />
«ANALKRBEZ»<br />
2. Ursache(n)<br />
Fehler im Versand.<br />
Der Spediteur hatte bei der Lagerung nicht auf die max. zulässige Tragkraft des Regals geachtet<br />
3. kurzfristige Maßnahme(n)<br />
wirksam (%)<br />
Ersatzlieferung 100<br />
4. m ittelfristige M aßnahm e(n)<br />
5. langfristige Maßnahme(n)<br />
6. Erfolgskontrolle<br />
Ständige Kontrolle der Spediteure (z.B. durch telefonische Nachfrage bei Kunden).<br />
wirksam (%)<br />
100<br />
wirksam (%)<br />
7. Vorhersage<br />
Laut Aussage des Spediteurs war die Deformation der Kartonage eine Ausnahme. Seine Mitarbeiter werden bezüglich des<br />
sachgemäßen Umgangs mit der W are erneut geschult.<br />
8. Bemerkung<br />
Dem Spediteur wurde im Falle erneuter Mängel mit der Kündigung aller bestehenden Verträge gedroht.<br />
Abb. 2.4. Der 8-D-Report zur systematischen Fehlerbearbeitung<br />
Die systematische Fehlerbehandlung erfordert das Zusammenspiel unterschiedlicher<br />
Stellen – es ist ein Mannschaftsspiel: Der Meister, der Einrichter, der Werkzeugbau,<br />
die Konstruktion oder das Controlling tragen zur Bearbeitung des Fehlerreports<br />
bei. Für die <strong>System</strong>atik hat sich der von Ford eingeführte 8-D-Report<br />
inzwischen als Quasistandard etabliert, der aber leicht für jedes Unternehmen angepasst<br />
oder variiert werden kann. Wichtig ist nur, dass jeder erkannte Fehler geführt<br />
zu korrigieren ist. Jede Statistik, die nicht automatisch in eine Fehlerbearbeitung<br />
mündet, ist unnötig und damit verschwendet.<br />
2.2.3 Maßnahmeverfolgung<br />
Jeder angelegte Fehler kann im <strong>MES</strong> sofort einen Workflow erzeugen, in welchem<br />
die Bearbeitungsschritte (wie z. B. im 8-D-Report) festgelegt und die bearbeitenden<br />
Stellen definiert werden. Alle in Zuge der Abarbeitung durchgeführten<br />
Maßnahmen werden abschließend in einer Maske Maßnahmeverfolgung eingetragen<br />
und können somit transparent überwacht werden. Erst wenn alle Bearbeitungsschritte<br />
abgehakt sind, kann der „Fall“ abgeschlossen werden. Dabei verlangt<br />
der 8-D-Report auch eine langfristige Vorhersage, die sich aus den ergriffenen<br />
langfristigen Maßnahmen (Schulung, Zeichnungsänderung, Dokumentenprüfung<br />
etc.) ergeben muss.
Abb. 2.5. Workflow zur systematischen Fehlerbearbeitung im <strong>MES</strong><br />
2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit 53<br />
Der in Abbildung 2.5 gezeigte Workflow kann für unterschiedliche Arten von<br />
Fehlerbehandlungen definiert werden. Ein <strong>MES</strong> kann darüber hinaus Workflows<br />
für beliebige Störungen automatisch generieren. Dazu werden im Vorfeld zu bestimmten<br />
Abläufen (Maschinen, Prozessen, Arbeit, Störungen etc.) Eingriffsgrenzen<br />
definiert – z. B. wenn eine Engpassmaschine länger als 10 Minuten steht – bei<br />
deren Überschreiten sofort automatisch ein Workflow mit laufender Störnummer,<br />
mit Datum und geforderten Maßnahmen generiert wird.<br />
2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit<br />
Mitarbeit ist dann prozessfähig, wenn jeder im Unternehmen weiß, wie er sich und<br />
das Unternehmen gegenüber den Kunden verbessern kann. Voraussetzung dazu<br />
ist, die wirklichen Werttreiber in objektiv messbare Zielgrößen umzusetzen, an<br />
denen entlang jeder im Unternehmen kontrollierbar arbeiten kann.<br />
2.3.1 Verschwendete Mitarbeit<br />
Im traditionellen Kostenumfeld stehen dem Mitarbeiter keine objektiv messbaren<br />
Zielgrößen zur Verfügung. Kostenaussagen sind abstrakt – also immer das Ergeb-
54 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
nis von Berechnungen, sie sind anonym – es gibt kein individuelles Herunterbrechen<br />
auf die einzelnen Funktionsträger und sie kommen immer zu spät – die Kostenrechnung<br />
ist eine nachlaufende Betrachtung.<br />
Mit den Mitteln der Kostenrechnung können z. B. wichtige tägliche Fragen<br />
wie:<br />
� Was ist eigentlich die „richtige“ Losgrösse?<br />
� Lässt man die Maschine stehen oder ist es besser, schon einmal vorzuarbeiten?<br />
� Was ist besser: Rüstvorgänge zu vermeiden und die Losgrösse erhöhen oder<br />
mehrmals zu rüsten?<br />
� Aufträge zusammenfassen – auch wenn einige erst in einigen Monaten fällig<br />
sind?<br />
� Kann man die alten Maschinen mit hohem Stundensatz einplanen?<br />
� Sollte man pünktlich gehen oder noch eine Stunde dranhängen, um die Maschine<br />
noch zu Ende zu rüsten?<br />
� Was ist besser: Niedrige Stückkosten oder kurze Durchlaufzeiten?<br />
nicht richtig beantwortet werden. Das führt in der Praxis dazu, dass die verschwendete<br />
Mitarbeit zur größten Einzelverursachung aller Verschwendungen im<br />
Unternehmen wird.<br />
Zielvorgaben: Das Management der messbaren Veränderung<br />
Die einzige Ursache für Veränderungen sind Denkprozesse. Für die Mitarbeiterführung<br />
geht es daher darum, den Anspruch des Unternehmens, sein Leistungsversprechen<br />
für den Markt und seine Einmaligkeit auf die Mitarbeiter messbar herunterzubrechen.<br />
Erst damit kann sichergestellt werden, dass sich die Anstrengungen<br />
der Mitarbeit tatsächlich auf das Prozessergebnis ausrichten lassen.<br />
Abbildung 2.6 zeigt beispielhaft, wie sich unterschiedliche Unternehmensstrategien<br />
(also die Antwort auf die Frage: bei welchen Kunden wollen wir uns<br />
mit welchen Leistungen vom Wettbewerb absetzten?) in interne Vorgaben an die<br />
Fertigung und anschließend in objektive Messgrößen für die Mitarbeiter fassen<br />
lassen.<br />
Nur dieses schrittweise Herunterbrechen der Unternehmensstrategie bis auf die<br />
eigentliche Prozessebene kann sicherstellen, dass der Anspruch des Unternehmens<br />
seinen Kunden gegenüber intern auch gelebt wird. Erst vor dem Hintergrund<br />
quantifizierbarer Zielgrößen wie z. B. Verringerung der Prozesszeiten, Abbau von<br />
Beständen oder Verbesserung der Prozesssicherheit, Reduzierung von Ausschuss<br />
oder Rüstzeiten wird es möglich, den Mitarbeitern messbare Vorgaben an die<br />
Hand zu geben, an Hand derer sie sich und das Unternehmen verbessern können.<br />
Diese bottom-up- Entscheidungsstrukturen erfordern eine neue Art der Mitarbeiterführung:<br />
Statt über Anweisungen – wie in der traditionellen Fabrik – werden sie<br />
in Zukunft vermehrt über Zielvereinbarungen geführt. Damit werden Entscheidungen<br />
verstärkt von denen gefällt, die der Arbeit am nächsten stehen.
Wirtschaftlichkeit<br />
Reinheitsgrad<br />
Pünktlichkeit<br />
Lieferfähigkeit<br />
Umsatzsteigerung<br />
Kundenakzeptanz<br />
Teilespektrum<br />
Liefergenauigkeit<br />
2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit 55<br />
Strategie/ Ziele Kennzahlen Messgrößen Massnahmen<br />
Kostenführerschaft<br />
Qualität<br />
Termintreue<br />
Flexibilität<br />
Marktanteil<br />
Design/ Innovation<br />
Varianten<br />
Liefertreue<br />
Durchsatz / Zeiteinheit<br />
ppm Wert<br />
Abweichung i.Tagen<br />
Durchlaufzeit<br />
in Tagen<br />
Umsatzsteigerung<br />
- Menge / Stück<br />
-in %<br />
Rückweisungen<br />
Abweichungen<br />
.Reduzieren Stillstände<br />
u. Wartezeiten<br />
Werkerselbstprüfung<br />
Reduzieren ungeplante<br />
Störungen<br />
etc.<br />
(Maßnahmen müssen<br />
gemeinsam erarbeitet<br />
werden.)<br />
Abb. 2.6. Herunterbrechen von strategischen Vorgaben auf die Wertschöpfungsebene<br />
Die <strong>Manufacturing</strong> Scorecard als operativer Teil eines <strong>MES</strong> bietet dazu die<br />
Möglichkeit, den Mitarbeitern (oder der Gruppe) „ihren“ jeweiligen Spielstand aktuell<br />
mitzuteilen (<strong>Kletti</strong> u. Brauckmann 2004).<br />
2.3.2 Zielvereinbarungen<br />
Die für die Wertschöpfungsebene gefundenen und formulierten Zielvorgaben und<br />
Messgrößen werden anschließend in Zielvereinbarungen zusammengefasst. Diese<br />
bilden dann die logische Begründung eines entsprechenden leistungsbezogenen<br />
Entlohnungssystems.<br />
Abbildung 2.7. zeigt beispielhaft, wie sich verschiedene Ziel- und Messgrößen<br />
den Prozessverantwortlichen zuordnen lassen. Immer dort, wo mehrere Mitarbeiter<br />
gemeinsam das Prozessergebnis beeinflussen können, entsteht Gruppenarbeit.
56 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
Messgrößen Prozessverantwortliche<br />
Zielgrössen<br />
Lieferfähigkeit<br />
B-Unterbrechung<br />
Rüstreduzierung<br />
Bestände reduzieren<br />
Termintreue<br />
Prozessfähigkeit<br />
Messgrößen<br />
Lieferung in Tagen<br />
Nach Anzahl und Stunden<br />
Rüstgrad<br />
Lagerbestände in Tagen<br />
Terminüberschreitung<br />
OEE-Index<br />
Gruppe<br />
Meister<br />
X X<br />
X X<br />
Einrichter<br />
X X X<br />
Abb. 2.7. Zuordnen von Messgrößen zu Prozessverantwortlichen<br />
2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe<br />
Fertigungsplanung<br />
Disponent<br />
Werkzeugbau<br />
Reperaturabteilungtät<br />
X X X<br />
Maschinenbediener<br />
X X X<br />
Informations- und Kommunikationsabläufe sind dann prozessfähig, wenn sie am<br />
Wertstrom ausgerichtet werden. Je weiter sich der Informationsfluss vom Materialfluß<br />
entfernt, umso größer ist der Schlupf und die dadurch bewirkten Verluste.<br />
2.4.1 Das Unternehmen als Papierfabrik<br />
In der Fabrik ist jedes Stück Metall (Maschine, Werkzeug, Gitterbox, produzierte<br />
Teile etc.) ohne einen begleitenden Datensatz gemäß der Zertifizierungsregeln<br />
Schrott. Damit wird verständlich, welcher Belegaufwand allein nur für den Materialdurchlauf<br />
erforderlich ist: Lieferschein und Werkszeugnis vom Lieferanten<br />
(Wareneingang); Freigabeentscheid, Lieferantenbeurteilung durch die QS (Sperrlager),<br />
Lagerzugangsliste (Eingangslager), Arbeitspapiere, Materialentnahmescheine,<br />
Lohscheine, Gebindekennzeichnung, Laufkarten, Chargen, Losverfolgung,<br />
Schrottbericht (Produktion), Fremdauftrag, Gebindeverfolgung (Aussenliegende<br />
Nebenstellen), Lagerkarte, Etikett (Lager), Komissionsauftrag, Ausfassliste<br />
(Montage/Komissionieren), Lieferschein, Rechnung, Versandpapiere, QS-Dokumente(Versand),<br />
etc.
2.4.2 Schnittstellen ohne Wertschöpfung<br />
2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe 57<br />
Der Grund für die Papierfabrik liegt darin, dass die Informationsabläufe in den<br />
Unternehmen traditionell hierarchisch – also quasi senkrecht zum Materialfluss −<br />
organisiert sind. Das kommt im Organigramm zum Ausdruck, welches neben den<br />
Über- und Unterstellungsverhältnissen auch die Anweisungs- und Berichtswege<br />
beschreibt. Jedes Kästchen im Organigramm kann eine Person oder eine Funktion<br />
sein. Der Übergang von einem Kästchen zum anderen ist eine Schnittstelle und<br />
damit immer auch ein Medienbruch. Schnittstellen sind kostenintensiv, zeitfressend<br />
und ein Qualitätsrisiko mit hohen Sickerverlusten.<br />
Jede Schnittstelle produziert Papier. Die Unternehmen bezahlen Unsummen für<br />
ihre Papierproduktion. Allein die Druckkosten größerer Unternehmen werden heute<br />
bereits auf fünf Prozent vom Umsatz geschätzt. Bereits der „normale“ Auftragsdurchlauf<br />
in der Fertigung erfordert einen hohen Schreibaufwand: beginnend<br />
mit der Erstellung des Werksauftrags mit dem Ausdruck der Arbeitspapiere wie<br />
Lohnscheinen, Materialentnahmescheinen, Prüfaufträgen, Schrottberichten, Terminkarten<br />
oder Laufkarten.<br />
Jeder Beleg hat einen teueren Lebenslauf: Er wird irgendwo erstellt (meist dort,<br />
wo er nicht gebraucht wird), irgendwo hingebracht (z. B. Meister), von dort aus<br />
verteilt (zum Maschinenbediener), von diesem ausgefüllt, dann zurückgebracht,<br />
vom Meister nochmals überflogen oder geprüft und abgezeichnet, dann eingesammelt<br />
und zum Büro/EDV etc. zurückgebracht, irgendwann eingegeben (EDV<br />
oder Excel), und zum Schluss, wenn alle alles vergessen haben, ausgewertet. Von<br />
der Auswertung werden Kopien gemacht, die Kopien werden an die Verteiler gebracht,<br />
und zum Schluss wird alles abgelegt. Eine lange Kette von Tätigkeiten die<br />
Zeit und Personal bindet.<br />
Jeder Beleg erfordert zudem unterschiedliches Wissen und dadurch unterschiedliche<br />
Zuständigkeiten. Zuständigkeiten bedingen aufwendige Abstimmungen<br />
der beteiligten Stellen: informieren, rückfragen, anordnen, weitergeben etc.<br />
Kommunikation zwischen Ressorts erfordert immer auch das Bereitstellen von<br />
Papieren. Hinzu kommen noch in fast allen Unternehmen die unterschiedlichsten<br />
periodisch angefertigten Berichte, die aufwendig erstellt werden, deren ursprünglicher<br />
Zweck in Vergessenheit geraten ist und die daher nie gelesen und sofort abgelegt<br />
werden.<br />
Eine weitere und wenig gesehene Schwachstelle der dezentralen Informationsstrukturen<br />
liegt in der Transformation des vorhandenen Wissens, welches im Unternehmen<br />
grundsätzlich vorhanden, aber nicht aktuell verfügbar ist: Es befindet<br />
sich in den Schubladen, Ordnern, Akten oder Köpfen der Mitarbeiter.
58 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
Hierarchie<br />
Berichtswege<br />
VA<br />
Meister Meister<br />
Kontrollspanne<br />
Prod.L.<br />
Schnittstelle = Medienbruch<br />
VA VA<br />
Abteilung A Abteilung B Abteilung C<br />
Abb. 2.8. Das Organigramm als traditionelles Kommunikationsmodell<br />
2.4.3 Der Weg zur papierlosen Fertigung<br />
Anweisungen<br />
Die Alternative zum Medienbruch ist der dezentrale Zugriff im Dialog auf die<br />
zentrale Datenhaltung: die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen<br />
Ort. Damit lassen sich auf einen Schlag alle Datenhortungen wie Listen, Statistiken,<br />
Aktenordner, diverse Aufschreibungen etc. auflösen und die wirklich erforderlichen<br />
Informationen allen Nutzern in Echtzeit und papierlos zur Verfügung<br />
stellen.<br />
Durch die Zusammenfassung und Vernetzung aller verbundenen Geschäftsprozesse<br />
innerhalb einer Datenhaltung hat man automatisch auch den Schnittstellenaufwand<br />
der klassischen Organisation eliminiert, der durch das isolierte Neben-<br />
und Nacheinander von Geschäftsprozessen, die in ihren Ergebnissen miteinander<br />
verbunden sind, entsteht. Voraussetzung dazu ist, dass alle für die Wertschöpfung<br />
erforderlichen Abläufe in einem Datenmodell vernetzt werden. Modernes Betriebsdatenmanagement<br />
erfasst die wertschöpfenden Abläufe automatisch im Hintergrund<br />
und stellt die Daten – sozusagen als Abfallprodukt − auf einer zentralen<br />
Produktionsdatenbank allen Informationsendverbrauchern dezentral zur Verfügung.<br />
Diese gemeinsame Nutzung nur einmal vorhandener zentraler Daten ist eine<br />
Revolution im Vergleich zu den oben kurz beschriebenen herkömmlichen Organisationsformen.
Fertigungssteuerung<br />
/ AV<br />
Verkauf<br />
Kunde<br />
Vertreter<br />
Nächste<br />
Bearbeitungs-<br />
Stufe/<br />
Werkzeugbau<br />
Abb. 2.9. Prozessfähiges Kommunikationsmodell<br />
2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe 59<br />
Einkauf<br />
Lieferanten<br />
Controlling<br />
/Nachkalkultion<br />
Zentrale<br />
Produktions<br />
Datenbank<br />
Außenliegende<br />
Nebenstelle<br />
Die automatische Online-Erfassung ist damit eine entscheidende Voraussetzung<br />
für die Integration der Geschäftsprozesse, die sich innerhalb der arbeitsteiligen<br />
Organisation über Aufschreibungen nicht wirtschaftlich und effizient abwickeln<br />
lassen. So können zum Beispiel durch eine zentrale Erfassung der Auftragsbearbeitung<br />
automatisch gleichzeitig Informationen gewonnen werden: Auftragsfortschritt<br />
für die Fertigungssteuerung. Maschinenstörungen für die Terminplanung,<br />
Beginn des Rüstens für die nächste Bearbeitungsstufe, Bereitstellungstermine für<br />
den Lieferanten, Lieferbereitschaft für die Kunden, Bearbeitungszeiten für das<br />
Controlling.<br />
Der hinter jedem Geschäftsprozess verborgene Informationsaufwand ist über<br />
eine zentrale Datenhaltung bei dezentralem Zugriff online und zeitgleich möglich:<br />
Die richtige Information zur richtigen zeit am richtigen Ort. Maschinenzustände,<br />
Auftragsfortschritt, Terminplanung, Losverfolgung, vorbeugende Instandhaltung,<br />
Werkzeugverwaltung und Nachkalkulation werden in der neuen Fabrik als vernetzte<br />
Vorgänge gesehen und dargestellt. Statt arbeitsteiliger personaler Organisationen<br />
mit ihren traditionellen Ressorts und Hierarchien werden Abläufe durch die<br />
Vernetzung allen Informationsverbrauchern zeitgleich zur Verfügung gestellt. Die<br />
richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dadurch lassen sich<br />
auch die traditionellen Führungsstrukturen wie Hierarchien und Ressorts ersetzen<br />
durch Informationsstrukturen, in denen alle Mitarbeiter vernetzt sind und über die<br />
gleichen Informationen verfügen.
60 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
Das Konzept der Informationsvernetzung hat weitere entscheidende Auswirkungen:<br />
� der Vorgesetzte als Informationsquelle des Mitarbeiters wird überflüssig,<br />
� das Wissen des Unternehmens, welches normalerweise „irgendwo“ unkontrolliert<br />
vorhanden ist (Aktenordner, Schubladen, Personen) wird plötzlich<br />
verfügbar.<br />
2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung<br />
Die Durchlaufsteuerung ist dann prozessfähig, wenn sie auf Regelung basiert. Im<br />
Gegensatz zur Steuerung erhält man Regelung erst durch eine Rückkoppelung des<br />
<strong>System</strong>verhaltens.<br />
2.5.1 Deterministische Steuerung<br />
Die traditionelle Fertigungssteuerung regelt nicht – sie ist deterministisch: Die<br />
weiter oben in der Hierarchie angelegten Parameter wie Kundendaten (Mengen,<br />
Spezifikationen etc.) und Produktionsplanungsdaten (Schichten, Maschinen, Te<br />
und Tr etc.) werden nach unten – meist noch über Terminjäger – durchgereicht<br />
und bearbeitet. Der zugehörige Denkansatz ist tayloristisch: Das gesamte Wissen<br />
ist weiter oben grundsätzlich vorhanden und es muss weiter unter nur umgesetzt<br />
werden.<br />
Moderne Unternehmen aber sind komplexe, permanent gestörte chaotische <strong>System</strong>e,<br />
die zudem noch gekennzeichnet sind durch einen hohen Anteil nicht planbarer<br />
Zeiten. Sie lassen sich im Gegensatz zu einfachen (linearen) <strong>System</strong>en nicht<br />
steuern. Trotzdem ist eine lineare (deterministische) Fertigungssteuerung heute<br />
noch der vorherrschende <strong>System</strong>ansatz, was in der Praxis zu erheblichen Problemen<br />
mit den ungeplanten Liege- und Wartezeiten, ungeplanten Beständen, Terminüberschreitungen<br />
und dadurch bedingten Mehraufwand in der Fertigung (Hektik,<br />
Überstunden, Sonderschichten, Expresstransporte etc.) führt.<br />
2.5.2 Rückgekoppelte Regelung<br />
Erst, wenn man ein <strong>System</strong>verhalten rückkoppelt, erhält man Regelung. Rückkoppelung<br />
des <strong>System</strong>s ist damit die entscheidende Voraussetzung zur Prozessfähigkeit<br />
des Materialdurchlaufs. Das wiederum bedingt, die Elemente des Regelkreises<br />
(Sollgrößen, Stellgrößen und Messglieder) in die Organisation einzubetten.<br />
Eine effiziente Durchlaufsteuerung muss zeitnah und flexibel auf Störungen reagieren<br />
können. Durch die Organisation von Regelkreisen lässt sich erreichen,<br />
dass auf die Störungen schnell und kompetent reagiert werden kann.
Störungen<br />
Anweisung<br />
2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung 61<br />
Kunde<br />
Dispositionsdaten<br />
Artikel, Spezifikation, Menge<br />
Produktionsplanung<br />
Stammdaten<br />
Stücklisten, Arbeitspläne, Material<br />
Steuerungsparameter<br />
Schichten, Maschinen, Personen<br />
Werkzeuge<br />
Umsetzung<br />
Wertschöpfung<br />
Abb. 2.10. Die Fertigungssteuerung als Regelkreis<br />
Rückmeldung<br />
Regelung<br />
Ausweichkapazitäten<br />
Maschineneignung<br />
Sonderschichten<br />
Überstunden<br />
Werkzeugbereitstellung<br />
Personalfelxibilität<br />
Personal Qualifikation<br />
Terminprioritäten<br />
Kundeprioritäten<br />
Qualitätsprioritäten<br />
Über-, Unterfertigung<br />
Gebindevorschriften<br />
Teillieferungen<br />
Expresslieferung<br />
Externe Kapazitäten<br />
Ausweichkapazitäten<br />
Dieser Aufbau führt zu einem Organisationsmodell, in dem die Planungsebene<br />
(AV, Fertigungssteuerung) einerseits und die Dispositionsebene (Stellglied) andererseits<br />
über ein Messglied (<strong>MES</strong>/dezentrale Online-Plantafel) miteinander verknüpft<br />
sind. Im Gegensatz zum traditionellen deterministischen tayloristischen<br />
Durchsetzungsmodell mit zentraler Fertigungssteuerung und Terminjägern, ist ein<br />
modernes Auftragszentrum gekennzeichnet durch eine prozessorientierte Aufgabenverteilung.<br />
Zentrale Planung<br />
Das Auftragszentrum ist der zentrale Prozessowner. Analog zum Abteilungsleiter,<br />
der eine Verantwortung für die Abteilung hat, hat der Prozessowner die Verantwortung<br />
für das Prozessergebnis. Im Gegensatz zur traditionellen vertikalen Ausrichtung<br />
der Abteilungsgliederung ist der Prozessowner durch die Prozessorientierung<br />
horizontal ausgerichtet – er bildet damit einen Teil der Prozesskette (supply-<br />
chain).<br />
Das Auftragszentrum als Prozessowner hat damit die Verantwortung vom externen<br />
Lieferanten, über die außenliegenden Nebenstellen bis hin zum Kunden. Er<br />
ist mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet: Er kann ohne Einschaltung<br />
des Einkaufs mit den Lieferanten Termine ausmachen und ist ohne Einschaltung
62 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
des Verkaufs den Kunden gegenüber für die Liefertermine der verantwortliche<br />
Ansprechpartner.<br />
Aus den Informationen über Stücklisten, Arbeitsplänen, Auftragsmengen und<br />
Lagerbeständen ermittelt das ERP-<strong>System</strong> in der Durchlaufterminierung die Ecktermine<br />
(frühester-, spätester Starttermin als auch frühester-, spätester Endtermin)<br />
pro Arbeitsgang, die an die Dispositionsebene vorgegeben werden.<br />
Dezentrale Disposition<br />
Die Dispositionsebene vor Ort (Einrichter, Meister, Gruppe) spielen im Konzept<br />
Auftragszentrum eine zentrale Rolle: Hier liegt das fertigungsnahe Anwendungswissen<br />
zu Maschinen, Werkzeugen, Personen etc., also des Wissens, welches<br />
in der traditionellen Fertigungssteuerung erst mühsam erfragt werden musste<br />
und welches im Falle von Simulationssystemen komplett codiert werden muss.<br />
Danach hat die dezentrale Disposition (Feinsteuerung) unter Nutzung der vorhandenen<br />
Kenntnisse über Maschinen (Maschinenfähigkeit), Werkzeuge (Status,<br />
Verfügbarkeit) alle Freiheiten, innerhalb der vorgegebenen Zeitfenster die Bearbeitung<br />
zu optimieren (Rüstoptimierung).<br />
<strong>MES</strong> und Online-Plantafel als integriertes <strong>System</strong><br />
Voraussetzung für die Entscheidungsfähigkeit der Mitarbeiter vor Ort ist ihre Information<br />
über Vorgaben, Ziele und Ressourcen ihrer Entscheidungen. Wer entscheiden<br />
soll muss wissen. Diese Kommunikation ist ohne eine leistungsfähige<br />
<strong>MES</strong> und einer integrierten Online-Plantafel nicht wirtschaftlich zu übermitteln.<br />
Sie stellt die Informationen für Entscheidungen zu: Fertigungsfeinplanung, Steuerung<br />
der Abläufe, Materialtransport, Beseitigung von Störungen, Qalitätskontrolle,<br />
Instanthaltung, etc. zur Verfügung.<br />
In der traditionellen Fertigungssteuerung arbeitet die Planungsebene – heute<br />
meist innerhalb der PPS/ERP-<strong>System</strong>e − und die Ausführungsebene unkontrolliert<br />
nebeneinander. Darin bilden die Terminjäger, Werkstattschreiber oder Meister eine<br />
Parallelorganisation, die sich in Terminbesprechungen und diversen Abstimmungen<br />
zeigt, die außerhalb des Datenmodells getroffen werden und anschließend<br />
wieder eingebucht werden müssen. Ein Verfahren, welches man in der Praxis Zuruforganisation<br />
nennt.<br />
Durch modernes <strong>MES</strong> ist es heute möglich, die Planung und Ausführung<br />
schnittstellenfrei in einem <strong>System</strong> zu integrieren. Online werden die entsprechenden<br />
Informationen weitergegeben:<br />
� Arbeitsanweisungen gehen über das Netz an das maschinennahe Terminal.<br />
Damit werden automatisch alle weiteren zugehörigen Informationen, sei es<br />
aus der ERP Datenbank, der QS Datenbank, dem DNC Server etc. papierlos<br />
(aber dezentral ausdruckbar) verfügbar.<br />
� Rückmeldungen erfolgen ebenfalls online zu den Arbeitspätzen/Maschinen<br />
im Arbeitstakt. Damit entfallen alle Aufschreibungen mit den üblichen Risiken<br />
wie Unsicherheit, Willkür, Zeitverzug, Unvollständigkeit.
Abb. 2.11. Online-Leitstand als Werkzeug für die Disposition<br />
2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung 63<br />
Abbildung 2.11. zeigt beispielhaft einen Graphischer Fertigungsleitstand als einen<br />
integralen Bestandteil eines <strong>MES</strong>, welcher die Möglichkeit bietet, einerseits<br />
die Planungsvorgaben aus dem ERP <strong>System</strong> wie Artikel, Arbeitsgänge, Rüst- und<br />
Bearbeitungszeiten, Materialeinsatz, Fertigungsmenge und Kundentermine online<br />
von „oben“ zu übernehmen und andererseits die aktuelle Ist-Situation wie Maschinenzustände,<br />
dynamisch errechnete Restlaufzeiten, Auftragsfortschritt, Belegungshorizont,<br />
Kapazitätskonflikte online von „unten“ – also aus der operativen<br />
Ebene – dagegen zu setzen. Durch diesen geschlossenen Regelkreis besteht erst<br />
die Möglichkeit für den Disponenten, schlupffrei zu reagieren – also zu regeln.<br />
Besondere Bedeutung kommt der zeitnahen Aktualisierung der Datenbasis<br />
(Stammdaten im ERP-<strong>System</strong>) zu: Wie oben schon beschrieben, ist die Zuverlässigkeit<br />
der Datenbasis die entscheidende Voraussetzung für die Effizienz des Materialdurchlaufs.<br />
Eine manuelle Pflege der Vorgaben (Arbeitspläne, Bearbeitungszeiten,<br />
Rüstzeiten, Maschinen und Materialanforderungen) ist insbesondere vor<br />
dem Hintergrund schneller Veränderungen in der Praxis nicht möglich.
64 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />
2.6 Zusammenfassung<br />
Der Wettbewerb verschiebt sich zunehmend vom Wettbewerb der Produkte zum<br />
Wettbewerb der Geschäftsprozesse. Damit steht die Forderung nach Prozessfähigkeit<br />
für die neue Fabrik an oberster Stelle. Prozessfähigkeit bedeutet die konsequente<br />
Ausrichtung des Unternehmens und seiner Ressourceneinsätze am Prozessergebnis<br />
und damit am Kunden.<br />
Die traditionelle Fertigung hat versucht, die Ressourcenverbräuche an der Bearbeitung<br />
über das Zahlenwerk des betrieblichen Rechnungswesens mit der Zielgröße<br />
Stückkosten auszurichten. Stückkosten im Sinne verursachungsgerecht zugeordneter<br />
Kosten gibt es heute kaum noch. Die moderne Serviceökonomie ist<br />
gekennzeichnet ist durch einen hohen und weiter zunehmenden Gemeinkostenanteil.<br />
Gemeinkosten aber lassen sich aber nach keinem logischen Verfahren dem<br />
einzelnen Kostenträger zuordnen, was dazu führt, dass in der Vergangenheit keine<br />
Möglichkeit bestand, die Wertschöpfung am Markt und damit beim Kunden mit<br />
den entstandenen Kosten verursachungsgerecht zu bewerten.<br />
Das dadurch bedingte Fehlen eines wirksamen Regelkreises zwischen dem<br />
Markt und dem Unternehmen (pretiale Lenkung) führt in der Praxis zu riesigen<br />
Verschwendungen. Das zeigt sich z. B. daran, dass in praktisch allen Unternehmen<br />
Kostensparmöglichkeiten ausgereizt sind, obwohl gleichzeitig diese Verschwendungen<br />
ein erhebliches Prozesspotenzial darstellen.<br />
Der in den Regelwerken zur Zertifizierung niedergelegte prozessorientierte Ansatz<br />
mit den Forderungen nach Kundenausrichtung, Prozesslenkung und der permanenten<br />
Verbesserung erzwingt eine konsequente Prozessidentifizierung. Es gehört<br />
gerade zu der zentralen Schwäche der traditionellen Kostenrechnung, dass sie<br />
diese Identifizierung methodisch bedingt nicht leisten kann: Sie besitzt keine Zeitdimension.<br />
Prozessidentifizierung bedeutet eine mitlaufende prozessbegleitende Erfassung<br />
aller wertschöpfenden Abläufe im Unternehmen, die nur über ein im Hintergrund<br />
mitlaufendes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> wirtschaftlich gelöst werden kann. Eine schlüssige<br />
Prozessidentifizierung ist daher ohne moderne Informationstechnologie in Form<br />
eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s nicht realisierbar.<br />
Obwohl inzwischen ein überwiegender Teil aller Unternehmen nach den prozessorientierten<br />
Regelwerken der ISO 9001 oder der TS 16949 zertifiziert ist, wird<br />
dieser Ansatz in der Praxis nicht gelebt. Die konsequente Prozessfähigkeit ist heute<br />
nicht Stand der Technik.
Wann ist ein Unternehmen prozessfähig?<br />
Prozessfähigkeit der Organisation<br />
2.6 Zusammenfassung 65<br />
Eine Organisation ist dann prozessfähig,<br />
wenn sie konsequent bis auf die operative<br />
Ebene herunter selbstlernend ist. So wie der<br />
Luftverkehr durch jeden Flugunfall sicherer<br />
wird, so muss das Unternehmen durch jeden<br />
Fehler besser werden.<br />
Prozessfähigkeit der Mitarbeit Wenn jeder Mitarbeiter der operativen Ebene<br />
an Hand quantifizierbarer Vorgaben und Ziele<br />
weiß, wie gut er ist und wie er sich und das<br />
Prozessfähigkeit der Ressourceneinsätze<br />
Prozessfähigkeit der IT-Abläufe<br />
Prozessfähigkeit des Controlling/<br />
Berichtswesen<br />
Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung<br />
Literatur<br />
Unternehmen verbessern kann.<br />
Die Ressourcenlenkung ist dann prozessfähig,<br />
wenn sie an Prozessparametern (Durchlaufzeiten,<br />
Termine, Bestände, etc.) statt an falschen<br />
Kennzahlen wie Stückkosten, Losgrö-<br />
ßen und Stundensätzen ausgerichtet wird.<br />
Die IT Strukturen sind dann prozessfähig,<br />
wenn sie den Wertstrom schnittstellenfrei –<br />
also ohne Medienbrüche in Form von Papieren,<br />
Aufschreibungen, Belegen, Planungsaus-<br />
zügen etc. abbildet.<br />
Das Berichtswesen ist dann prozessfähig,<br />
wenn Statistiken flächendeckend durch Re-<br />
viewing ersetzt worden sind.<br />
Die Durchlaufsteuerung ist dann prozessfähig,<br />
wenn die traditionelle zentrale Steuerung<br />
durch dezentrale Regelung (operative Regelkreise)<br />
ersetzt wurde.<br />
ISO/TS 16949 Technische Spezifikation Zweite Ausgabe 2002-03.01<br />
Hendersen B (1974) Die Erfahrungskurve in der Unternehmensstrategie. Herder &<br />
Herder, Frankfurt/Main<br />
Kaplan R, Norton D (1997) Balanced Scorecard. Schäffer-Poeschel, Stuttgart<br />
<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard. Gabler, Wiesbaden<br />
Rehbehn R, Zafer B (2003) Mit Six Sigma zu Business Excellence. Siemens AG,<br />
Berlin und München
3 Mehrwert durch Software<br />
3.1 Das Unternehmen als Informationssystem<br />
3.1.1 Produktionsfaktor Information<br />
2.6 Zusammenfassung 67<br />
Moderne Unternehmen sind zum überwiegenden Teil informationsverarbeitende<br />
<strong>System</strong>e. Man kann heute davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der Wertschöpfungskosten<br />
in den Produktionsfaktor Information fließen. Die eigentliche<br />
Produktion verliert immer stärker an strategischer Bedeutung. Dies äußert sich<br />
beispielsweise darin, dass Unternehmen aus Kostengründen Teile ihrer Produktion<br />
ins Ausland verlagern oder die Fertigungstiefe reduzieren ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />
zu verlieren oder diese sogar zu steigern. Dies bestätigt auch eine Umfrage<br />
des VDMA, wonach die Fertigungstiefe von knapp 50% in 1998 auf fast<br />
40% in 2004 verringert wurde bei gleichzeitiger Steigerung der internationalen<br />
Wettbewerbsposition.<br />
An Stelle der Produktion tritt zunehmend die Servicefähigkeit, dem Markt ein<br />
kundenwunschkonformes, breites Variantenspektrum bei gleichzeitiger Sicherstellung<br />
einer hohen Qualität der Produkte und Dienstleistungen sowie einen exzellenten<br />
Lieferservice anzubieten. Die hier aufgeführten Merkmale wie kundenwunschkonform,<br />
Dienstleistungen, Qualität, Variantenspektrum, Lieferservice<br />
sind alles keine Eigenschaften, die über Produktion im traditionellen Sinne erreicht<br />
werden und damit messbar am Produkt festzumachen sind. Sie basieren<br />
primär auf Informationsverarbeitung und der Fähigkeit, die benötigten Informationen<br />
zur „richtigen Zeit“, in der „richtigen Menge“ und am „richtigen Ort“ verfügbar<br />
zu haben. Die Beherrschung des Informationsmanagement entlang der<br />
Wertschöpfungskette ist für alle Unternehmen, ob sie nun physische Produkte herstellen<br />
wie die Investitionsgüterindustrie oder virtuelle Produkte wie beispielsweise<br />
die Softwareindustrie, immer wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Unternehmen.<br />
Je mehr die Wertschöpfung eines Unternehmens für die Kunden in Kombination<br />
aus Produkten und Dienstleistungen mit einem immer größeren Anteil an<br />
Dienstleistungen bestehen, umso mehr Produktivität muss ein Unternehmen in<br />
seine Informationsverarbeitung und damit in den Einsatz unterstützender Software<br />
investieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass mit der Investition in Software automatisch<br />
ein Mehrwert an Produktivität, Flexibilität oder Transparenz entsteht. Es<br />
gibt viele Beispiele, in denen der halbherzige und unsystematische Einsatz von<br />
Software eher Nachteile mit sich brachte. Software per se bringt noch keinen
68 3 Mehrwert durch Software<br />
Mehrwert – erst in der richtigen Umgebung und konsequenten Nutzung lassen<br />
sich mit Software Mehrwerte erzielen.<br />
3.1.2 Reengineering und Integration<br />
Sieht man sich die wertschöpfenden Prozesse eines Unternehmens an, so haben<br />
diese alle gemeinsam, dass sie von Informationen begleitet werden, welche einerseits<br />
den Status der Wertschöpfung dokumentieren und andererseits noch zu<br />
erbringende Leistungen beschreiben. Die Informationen sind damit die eigentlichen<br />
Prozesstreiber und steuern so die operativen Abläufe im Unternehmen. Ein<br />
Hindernis für flüssige Prozesse sind aber verrichtungsorientierte Organisationsformen,<br />
welche die Prozesse auf Grund von Abteilungsgrenzen behindern und abbremsen.<br />
Ein weiteres Hindernis für flüssige Prozesse sind die unzähligen Medienbrüche,<br />
welche die Informationen in viele einzelne Teile zerstückeln. Damit<br />
ist es sehr schwer diese Prozesse zu verfolgen, zu steuern und zu führen.<br />
Das Überwinden einer überkommenen, tayloristisch geprägten Organisationsstruktur<br />
ist gewiss eine Managementaufgabe, die mit deutlichen unternehmenskulturellen<br />
Veränderungen ein her geht. Wenn Informationsverarbeitung einen<br />
überwiegenden Anteil der an der Wertschöpfung darstellt, muss die<br />
Rationalisierung an den Informationsprozessen ansetzen. Das ist der Denkansatz<br />
des Reengineering. Reengineering richtet sich auf eine Neustrukturierung der Informationsprozesse<br />
mit dem Ziel, die zunehmend höheren Anforderungen hinsichtlich<br />
Qualität, Service, Flexibilität, Kosten Termine, Lieferzeiten zu beherrschen.<br />
Die entscheidenden Veränderungen finden in Zukunft nicht im Bereich der<br />
Technologie, sondern in der Definition und Beherrschung von Informationsprozessen<br />
statt. Das Vermeiden von Medienbrüchen dagegen ist eine Aufgabe, die<br />
mit technischen Hilfsmitteln gelöst werden kann. Die Steuerungs- und Verarbeitungslogik<br />
wird hierbei in Software abgebildet. Unter Nutzung interner und externer<br />
Datennetzwerke können die Informationen zeitnah über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen<br />
hinweg weitergeleitet werden. Entscheidend ist hierbei, dass<br />
sich die beteiligten <strong>System</strong>e aber auch verstehen. Es darf nicht die Situation entstehen,<br />
dass zwar die Informationen digital ausgetauscht werden, aber aufgrund<br />
fehlender oder inkompatibler Datenschnittstellen der Mensch als Informationsvermittler<br />
aktiv werden muss.<br />
Beide Aspekte, die Modernisierung der Unternehmensorganisation durch das<br />
Reengineering und die Optimierung und softwaretechnische Unterstützung der Informationsflüsse<br />
müssen Hand in Hand gehen, um eine nachhaltige Verbesserung<br />
der Wertschöpfungsprozesse zu erzielen. In diesem Zusammenhang kann nicht<br />
häufig genug darauf hingewiesen werden, dass hier das Management gefordert ist,<br />
sich aktiv in die erfolgreiche Realisierung entsprechender <strong>System</strong>e einzubringen.<br />
Viele Projekte scheitern daran, dass sich das Management nur für die Mittelvergabe<br />
verantwortlich fühlt und die Projektverantwortlichen nicht an der technischen<br />
Realisierung, sondern an der erforderlichen organisatorischen oder personellen<br />
Gestaltung scheitern.
3.1.3 Informationsverarbeitung in der Fertigung<br />
3.1 Das Unternehmen als Informationssystem 69<br />
Vergleicht man den Fortschritt der Informationsverarbeitung in den verschiedenen<br />
Bereichen eines Unternehmens, so muss festgestellt werden, dass insbesondere die<br />
Fertigung häufig noch unter mangelnder Informationsverarbeitung und Vernetzung<br />
leidet. Die Fertigungsschritte sind durch eine wachsende Komplexität gekennzeichnet,<br />
die durch die hohe Produktvarianz und kundenspezifische Ausprägung<br />
der Produkte verursacht oder zumindest beeinflusst ist. In besonderem Maße<br />
trifft dies auf die Investitionsgüterindustrie zu, deren Herausforderung die wirtschaftliche<br />
Fertigung der Losgröße 1 ist. Die Beherrschung der Komplexität bei<br />
gleichzeitiger Sicherstellung der Produktivität bietet geradezu eine idealtypische<br />
Voraussetzung für den Einsatz moderner Informationsverarbeitung.<br />
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass in der Fertigung vieler Unternehmen<br />
der papierbezogene Informationsaustausch vorherrscht. Die Erfassung<br />
von Maschinenlaufzeiten, Maschinenverfügbarkeiten und Gutteilen aus der laufenden<br />
Produktion auf Papierbelegen sind lebende Anachronismen im industriellen<br />
Alltag. Diese Tätigkeiten gehören zu den aufwendigsten, nicht wertschöpfenden<br />
Tätigkeiten im Produktionsumfeld, die sich die Industrieunternehmen heute<br />
immer noch leisten. Diese Art zu arbeiten ist aber nicht nur höchst ineffizient, sie<br />
fordert Fehler und Ungenauigkeiten geradezu heraus. Weiterhin ist zu beachten,<br />
dass die Mitarbeiter auch an den Daten und Informationen, die im Produktionsprozess<br />
entstehen, gemessen und beurteilt werden. Lohnsysteme, die auf die Bewertung<br />
gefertigter Stückzahlen basieren, bergen automatisch die Gefahr, manipuliert<br />
zu werden.<br />
Die Fehler, die bei der manuellen Erfassung entstehen können, bringen aber<br />
nicht nur die Fertigungsplanung durcheinander. Bis heute gelten Maschinenstundensätze<br />
als Grundlage der Kalkulation für die Verkaufspreise. Wenn trotz aller<br />
bekannten Unzulänglichkeiten dieser Methode der Maschinenstundensatz als Kalkulationsgrundlage<br />
genommen wird, sollte wenigstens alles dafür getan werden,<br />
dass die hierfür verwendeten Informationen nicht noch durch menschliche Fehler<br />
und Schwächen verfälscht werden.<br />
3.1.4 Maschinen als informationsverarbeitende <strong>System</strong>e<br />
Beim Thema Informationsverarbeitung denkt man vor allem an den Einsatz von<br />
Software auf klassischer IT-Hardware wie Mainframes, Server oder PCs. Parallel<br />
zu dieser Welt der Unternehmens-IT existiert aber auch eine Welt der Automatisierungstechnik<br />
und maschinennahen Software. Maschinen und Anlagen bzw. die<br />
darin eingesetzte Automatisierungstechnik stellen selbst zumeist komplexe informationsverarbeitende<br />
<strong>System</strong>e dar. Technische Funktionen in Maschinen und Anlagen,<br />
die früher über mechanische und spezialisierte elektrotechnische Komponenten<br />
realisiert wurden, werden heute zunehmend über Software und Standard-IT<br />
umgesetzt. So regelt und steuert Software über digitale Sensoren und Aktoren die<br />
Bewegungen und Abläufe der Maschine, industrietaugliche PC´s dienen dem Maschinenbediener<br />
als Kommunikationsschnittstelle zur Maschine, zu übergelagerten
70 3 Mehrwert durch Software<br />
Softwaresystemen oder zur Außenwelt über das Internet. Bei modernen informationsgesteuerten<br />
Komponenten oder Maschinen liegt der Stückkostenanteil der<br />
Software durchaus schon bei 25 Prozent bis 40 Prozent oder gelegentlich auch<br />
darüber. Entwicklungsaufwendungen für Software von 30 Prozent und mehr an<br />
den Gesamtentwicklungskosten sind keine Seltenheit, was sich auch in einer stetig<br />
wachsenden Zahl von Softwareentwicklern in den Unternehmen widerspiegelt.<br />
Der wachsende Anteil von Software in Investitionsgütern, aber auch in Konsumprodukten<br />
wie Autos, Unterhaltungselektronik, Telekommunikation liegt vor<br />
allem darin begründet, dass über Software die Produkte wesentlich einfacher und<br />
flexibler an die spezifischen Bedürfnisse der Kunden angepasst und zusätzliche<br />
neue Services und Dienstleitungen angeboten werden können. Der Einsatz von<br />
Software wird also auch in klassischen Produkten immer stärker zum Wettbewerbsfaktor,<br />
zur Basis für kundenorientierten Mehrwert.<br />
Aus Sicht von <strong>MES</strong> lag in der Vergangenheit ein wesentliches Problem darin,<br />
dass sich die Informationsverarbeitung in der Automation eingeständig entwickelt<br />
hat und die Anbindung von Maschinen aufwendig und produktspezifisch war. Die<br />
besonderen Anforderungen im Automationsumfeld wie Echtzeit, Sicherheit (Safety),<br />
Verfügbarkeit, aber auch Kosten haben zu speziellen, inkompatiblen Steuerungen,<br />
Bussystemen, Bedienterminals, Datenhaltungen und Programmiersprachen<br />
geführt. Mit der wachsenden Nutzung von Standard-IT und Software,<br />
auch in die Automation, reduzieren sich die Schnittstellenprobleme zwischen der<br />
Unternehmens- und Automationswelt und ermöglichen die Realisierung standardisierter<br />
und wesentlich effizienter Informations- und Kommunikationsprozesse.<br />
3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie<br />
Der Einsatz von Software zur Leistungssteigerung in der Informationsverarbeitung<br />
ist für die Unternehmen an und für sich nichts Neues und seit Jahren ein Dauerthema.<br />
Neu ist, dass sich die Frage des Softwareeinsatzes immer wieder unter<br />
neuen technologischen Gesichtspunkten und Einsatzmöglichkeiten stellt. Aufgrund<br />
der hohen Innovationsgeschwindigkeit der IT-Industrie verändern sich die<br />
Basistechnologien ständig und es werden immer neue Anwendungsfelder erschlossen.<br />
(Mit Marketingaussagen wie „Diese Software sichert Ihre Zukunft“ oder<br />
„Mit dieser Software lösen Sie ihre Probleme“ sollen die potentiellen Kunden<br />
für neue Softwareinvestitionen gewonnen werden.) Nach Jahren der Euphorie stellen<br />
wir aber insbesondere bei mittelständischen Unternehmen inzwischen eine zurückhaltende<br />
oder abwartende Haltung fest. Gerade bei neuen Technologien (wie<br />
z. B. <strong>MES</strong>) ist eine gewisse Skepsis und Betrachtung des Umfeldes durchaus ratsam,<br />
bevor in Software investiert wird – dann allerdings mit klarer Zielrichtung<br />
und Konsequenz in der Umsetzung.
3.2.1 Kennzeichen der Investitionsgüterindustrie<br />
3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie 71<br />
Die Investitionsgüterindustrie, dazu zählen wir insbesondere Maschinenbau, Anlagenbau<br />
und Elektroindustrie, gehört momentan wieder zu den Vorzeigebranchen.<br />
Nachdem die „New-Economy“ kläglich versagt hat, besinnt man sich wieder<br />
auf die traditionellen Stärken in Deutschland. Starkes Umsatzwachstum, hohe Exportquoten<br />
und technologische Führerschaft sind durchaus vorzeigbare Kenngrößen<br />
der Branche. Trotz eher ungünstiger Einflüsse im Umfeld, wie hoher Eurokurs<br />
so wie hohe Kosten für Energie und Rohstoffe, setzt sich die Problemlösungskompetenz<br />
der Branche international durch, die Produkte sind weltweit auf Rekordniveau<br />
nachgefragt.<br />
Forcierte Produktinnovation<br />
Mitarbeiterqualifikation<br />
Stärkere Erschließung ausländischer Märkte<br />
Mehr kundenspezifische Problemlösungen<br />
Kostenreduzierung durch organisatorische Maßnahmen<br />
Ausweitung des Dienstleistungsangebots<br />
Auf Kernkompetenzen fokussieren<br />
Verstärkte Standardisierung der Produktion<br />
Aggressives Marketing<br />
Mehr Standardprodukte<br />
Verstärkter Einkauf in Niedriglohnländern<br />
Abb. 3.1. Innovationserhebung<br />
Kooperation<br />
Verringerung der Fertigunstiefe<br />
In Maschinen und Anlagen investieren<br />
Produktionsverlagerung ins Ausland<br />
Punkte 1 2 3 4 5<br />
unwichtig sehr wichtig<br />
Quelle: VDMA Tendenzbefragung 2004<br />
Dabei ruht sich die Branche keineswegs auf ihren Lorbeeren aus. Wie die Tendenzbefragung<br />
2004 des VDMA ausweist, stehen zur Verbesserung der Wettbewerbssituation<br />
Maßnahmen in den Bereichen „Forcierte Produktinnovation“ und<br />
„Mitarbeiterqualifikation“ hoch im Kurs. Um als Standort mit hohem Lohnniveau<br />
die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten, muss einerseits die Produktführerschaft verteidigt<br />
werden und zum anderen ist es erforderlich, die Ressource Mensch immer<br />
effizienter zu nutzen. Um diesen Nutzen zu erschließen, sind IT-Lösungen ein entscheidender<br />
Hebel. Dies ist umso bedeutender, als sich bereits heute für die kommenden<br />
Jahre ein Mangel an qualifiziertem Personal für die Branche erkennen<br />
lässt. Es gilt also, Routineaufgaben weiter zu automatisieren und komplexe Abläufe<br />
wirkungsvoll durch geeignete Softwareinstrumente zu unterstützen. Dass die<br />
Unternehmen unserer Branche diesen Weg gehen wollen, lässt sich auch wieder<br />
2,8<br />
3,1<br />
3,1<br />
3,4<br />
3,4<br />
3,3<br />
3,9<br />
3,9<br />
3,8<br />
3,8<br />
4,2<br />
4,1<br />
4,4<br />
4,4<br />
4,3<br />
3,7: durchschnittliche<br />
Punktzahl
72 3 Mehrwert durch Software<br />
aus der o. g. Tendenzumfrage ableiten. Hier wird deutlich, dass als Strategie zur<br />
Verbesserung der Wettbewerbssituation die Option der Produktionsverlagerung<br />
ins Ausland weit unter Durchschnitt an letzter Stelle der Möglichkeiten rangiert!<br />
3.2.2 <strong>MES</strong> in der IT-Softwarelandschaft<br />
<strong>MES</strong> ist in den Unternehmen der Investitionsgüterindustrie in der Regel von einer<br />
Vielzahl von ergänzenden Softwarelösungen umgeben. Die Einordnung dieser<br />
Bausteine richtet sich einerseits nach der Funktionalität im Rahmen der Wert-<br />
Abb. 3.2. Integration der Softwarelandschaft in das Unternehmen<br />
schöpfungsprozesse. Nach außen sind dies die Lieferanten und die Kunden des<br />
Unternehmens, im Inneren die Funktionsbereiche mit ihren spezifischen Aufgaben<br />
im Prozess. Die Prozesse lassen sich grob in kaufmännische und technische Aufgabenstellungen<br />
unterteilen. Für die Integration vom <strong>MES</strong> in diese Softwareumgebung<br />
ergeben sich unterschiedliche Erfordernisse zur Integration. Insgesamt<br />
kann man feststellen, dass sich die Notwendigkeit zur Integration der Softwareprodukte<br />
zu <strong>MES</strong> in dem Maße erhöht, wie die Nähe zum Fertigungsprozess zunimmt.<br />
So ergeben sich vor allem zu den klassischen ERP-Komponenten Warenwirtschaft<br />
(DIS) und Produktion (PPS) deutliche Anforderungen an Schnittstellen.<br />
Darüber hinaus ist die enge Anbindung an die Ebene der Automatisierung hervorzuheben,<br />
wo die in der Vergangenheit unidirektionale Datenversorgung des ERP<br />
mit Maschinendaten aus der MDE (Maschinendatenerfassung) oder BDE (Betriebsdatenerfassung)<br />
nun zum Dialog zwischen <strong>MES</strong> auf der einen und diesen<br />
<strong>System</strong>en auf der anderen Seite geworden ist.
3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie 73<br />
Die enge Anbindung an die Warenwirtschaft hat vor allem zum Ziel, die Feinsteuerung<br />
der für die Fertigungsaufträge verfügbaren Fertigungsmaterialien und<br />
Komponenten zu unterstützen. Damit wird eine der unverzichtbaren Voraussetzungen<br />
für eine Produktion, nämlich die Materialverfügbarkeit, in den Planungsprozess<br />
eingebracht.<br />
PPS ist in der Vergangenheit häufig falsch mit „Produktionsplanung und Steuerung“<br />
übersetzt worden. Tatsächlich ist es gerade die Unfähigkeit von Standard<br />
PPS-<strong>System</strong>en, dem Fertigungssteuerer die Möglichkeit zur Steuerung zu geben.<br />
Klassisch wird hier gegen unbegrenzte Kapazitäten und möglicherweise auch mit<br />
Startterminen geplant, welche bereits in der Vergangenheit liegen. Hier kann <strong>MES</strong><br />
seine Stärken ausspielen, indem eine auf rückstandsfreie Planung gegen die vorhandenen<br />
Kapazitäten aufgesetzt und der erreichte Fertigungsfortschritt zeitnah<br />
zurückgemeldet wird. Auf dieser Grundlage kann PPS dann rollierend die vorhandenen<br />
Kundenaufträge für die Fertigung freigeben, die <strong>System</strong>e laufen synchron<br />
und ergänzen einander.<br />
3.2.3 <strong>MES</strong> im Technology-Lebenszyklus<br />
Trotz des durchaus ordentlichen Nutzens von <strong>MES</strong> hat sich dieses Konzept in der<br />
Investitionsgüterindusrie noch lange nicht durchgesetzt. Es herrscht teilweise noch<br />
erhebliche Skepsis, ob <strong>MES</strong> nur „Alter Wein in neuen Schläuchen ist“ oder ob es<br />
sich vielleicht noch besser ist abzuwarten, bis sich <strong>MES</strong> auf breiter Front etabliert<br />
hat.<br />
Die skeptische bzw. abwartende Haltung begründet sich vor allem auf teilweise<br />
negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit. Bereits vor rund 20 Jahren wurde<br />
unter dem Stichwort CIM der Integrationsgedanke und der verstärkte Computereinsatz<br />
aufgegriffen und theoretisch sehr fundiert dargelegt. Die begrenzte Leistungsfähigkeit<br />
der damaligen Hardware-Infrastruktur sowie mangelnde Möglichkeiten<br />
einer leistungsfähigen Umsetzung durch Softwarewerkzeuge ließen nur<br />
einen langsamen Fortschritt zu. Über Betriebsdatenerfassung (BDE) und Maschinendatenerfassung<br />
(MDE) auf speziell dafür entwickelten Erfassungsterminals<br />
wurde der existierende grafische Fertigungsleitstand auf Plantafeln im AV- oder<br />
Meisterbüro durch eine elektronische Darstellung der gleichen Sachverhalte ersetzt.<br />
Durch den „Advanced Planning and Scheduling“ (APS)-Ansatz Mitte der<br />
90er Jahre versuchte man, die Lücke zu schließen, welche PPS-<strong>System</strong>e mit den<br />
Planungsphilosophien MRP und MRPII gelassen hatten. Nun sollte damit Schluss<br />
sein, in der Vergangenheit liegende Perioden als planungsrelevant für noch nicht<br />
durchgeführte Fertigungsschritte zuzulassen. Dennoch kam auch der APS-Ansatz<br />
nicht darüber hinaus, nur ein verfeinerter Planungsansatz zu sein, den Regelkreis<br />
zwischen IST und SOLL zu schließen.<br />
Mit <strong>MES</strong> wird nun die Integration aller relevanten Informationen für die Fertigung,<br />
also die Bereiche Personal, Materialressourcen und Fertigungsmittel vollzogen.<br />
In das <strong>MES</strong> fließen die verfügbaren Personalressourcen mit Qualifikationsprofilen,<br />
die verfügbaren Rohstoffe und Komponenten sowie die freie Maschinenkapazität<br />
inklusive der benötigten Werkzeuge und Vorrichtungen zu-
74 3 Mehrwert durch Software<br />
sammen. Im gleichen Zuge wird der Fertigungsfortschritt laufend an das Planungssystem<br />
zurückgemeldet und damit der Regelkreis der Fertigungssteuerung<br />
derart geschlossen, dass auf dieser Grundlage eine iterative Neuplanung in der<br />
Fertigung möglich ist.<br />
Abb. 3.3. Gartner-Hypce-Cycle<br />
Rückblickend hat <strong>MES</strong> mit seinen Vorläufern eine für neue Technologien typische<br />
Entwicklungskurve entsprechend dem Gartner-Hypce-Cycle durchlaufen.<br />
Nimmt man die Idee des CIM als Startpunkt, so ist man mit <strong>MES</strong> inzwischen auf<br />
dem „Pfad der Erkenntnis“ angelangt. Es gibt am Markt eine wachsende Zahl angebotener<br />
<strong>System</strong>e, die technologisch reif für den praktischen Einsatz sind und deren<br />
Nutzwert anhand konkreter Realisierungen nachgewiesen ist. Demnach ist es<br />
recht wahrscheinlich, dass <strong>MES</strong> in absehbarer Zukunft eine wesentliche Rolle im<br />
Rahmen der Fertigungsorganisation und -steuerung spielen wird und das Plateau<br />
der Anwendungsebene und der breiten industriellen Nutzung erreichen wird.<br />
Letztendlich werden die potentiellen Anwender darüber entscheiden, ob <strong>MES</strong> sich<br />
durchsetzt oder seinen eigenen Hype durchleben wird.<br />
3.2.4 <strong>MES</strong> aus Anwendersicht<br />
Das Abbrechen eines Technologie-Hypes zeigt sich manchmal darin, dass Technologie-Begriffe<br />
verspottet oder verniedlicht werden. So wurde aus CIM das
3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie 75<br />
„Simsalabim“, aus BtoB das „To Be or not to Be“. Bei neuen IT-Begriffen besteht<br />
immer die Gefahr, dass diese zur Ausschöpfung des Marktpotenzials von einer<br />
Vielzahl von Anbietern aufgegriffen und nach eigenem Gusto definiert werden.<br />
Dies führt zu einer erheblichen Intransparenz für die potentiellen Anwender. Es ist<br />
deshalb wichtig, dass Organisationen wie <strong>MES</strong>A, NAMUR oder VDI sich darum<br />
bemühen, Klarheit in die Definition des Begriffes <strong>MES</strong> zu bringen und den funktionalen<br />
Rahmen von <strong>MES</strong> zu definieren.<br />
<strong>MES</strong> ist als Begriff in Deutschland noch vergleichsweise neu. Nach einer Umfrage<br />
von Trovarit in 2004 bei 670 Unternehmen der Fertigungsindustrie ist der<br />
Begriff <strong>MES</strong> bei mehr als 50% der Unternehmen unbekannt, nur 7% weisen sich<br />
als Kenner der Materie aus. Vergleichbare Situationen sehen wir auch in anderen<br />
Software-Technologiefeldern wie PLM oder Digitale Fabrik. Insbesondere bei<br />
mittelständischen Unternehmen besteht zumeist große Unsicherheit hinsichtlich<br />
Anwendungsfelder, praktischer Umsetzung oder auch des wirtschaftlichen Nutzens.<br />
Der VDMA als Vertreter eines breiten Mittelstands setzt sich deshalb gerade<br />
bei neuen Technologien dafür ein, über die Vorstellung von Anwendungsbeispielen,<br />
Referenzlisten, Leitfäden oder der Durchführung spezieller Umfragen<br />
Klarheit über neue Technologien aus Anwendersicht zu schaffen.<br />
In der in regelmäßigen Abständen durchgeführten Umfrage zur Fertigung, in<br />
der auch nach eingesetzten technisch/organisatorischen Hilfsmitteln gefragt wird,<br />
wurde der Begriff <strong>MES</strong> bisher noch nicht verwendet. Betrachtet man die Ergebnisse<br />
im Zeitverlauf, so fällt auf, dass der Einsatz technisch/organisatorischer<br />
Hilfsmittel in der Fertigung in den letzten Jahren eher stagniert oder rückläufig ist.<br />
Andererseits lassen der hohe Anteil an eingesetzten Fertigungsinformationssystemen<br />
oder BDE-<strong>System</strong>en von über 60% auf das große Potenzial schließen, das<br />
sich für <strong>MES</strong> bietet.<br />
3.2.5 <strong>MES</strong> aus Marktsicht<br />
Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich nicht überraschend, dass der <strong>MES</strong>-Markt<br />
in den nächsten Jahren als einer der am stärksten wachsenden Softwarebereiche<br />
im industriellen Umfeld eingeschätzt wird. So prognostiziert die Unternehmensberatung<br />
ARC zum Beispiel ein jährliches Wachstum von 11% für <strong>MES</strong> in der<br />
Prozessindustrie.<br />
Schwierig bei derartigen Prognosen ist, dass weder die Anforderungen an die<br />
<strong>System</strong>e noch das Anbieterumfeld klar strukturiert sind. Der <strong>MES</strong>-Anbietermarkt<br />
ist noch von einer hohen Heterogenität geprägt und wird von mehreren Anbietergruppen<br />
angegangen, was sich aus der Positionierung von <strong>MES</strong> als Bindeglied<br />
zwischen ERP und Automation erklärt.
76 3 Mehrwert durch Software<br />
Abb. 3.4. Bild über Marktwachstum für Prozessindustrie (Quelle ARC)<br />
Aufgrund der wachsenden Nachfrage nach <strong>MES</strong> haben viele Automatisierungsanbieter<br />
durch Akquisition von <strong>MES</strong>-Anbietern ihr Produkt- und Dienstleistungsspektrum<br />
in diese Richtung erweitert. Das starke Engagement der Automatisierer<br />
wird sicherlich dazu führen, dass die Anbindung und Kommunikation von<br />
Automatisierungssystemen mit <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en weiter ausgebaut und verbessert<br />
wird. Das Interesse der ERP-Anbieter an <strong>MES</strong> liegt darin, die bisher in die Fertigung<br />
bestehende Informationslücke durch eigene Entwicklungen oder Kooperation<br />
mit <strong>MES</strong>-Anbietern weiter zu schließen. Bei einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist die funktionierende<br />
Verbindung mit dem übergelagerten ERP-<strong>System</strong> ein wesentlicher und<br />
kritischer Faktor. Die Definition praktikabler und standardisierter Integrationsschnittstellen<br />
zu ERP ist eine wichtige Aufgabenstellung für die Weiterentwicklung<br />
von <strong>MES</strong>. Das Engagement der in der Industrie bereits breit etablierten ERP-<br />
Anbieter könnte einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des <strong>MES</strong>-<br />
Marktes.<br />
Die dritte Gruppe sind die eigentlichen <strong>MES</strong>-Spezialisten, die bereits ausgereifte<br />
und in sich geschlossene Lösungen für den <strong>MES</strong>-Markt haben. Unterschiede<br />
liegen zumeist im Umfang der abgedeckten <strong>MES</strong>-Funktionen und der primären<br />
Ausrichtung auf spezifische Branchen und Unternehmenstypen. Aufgrund der<br />
langjährigen Erfahrung und der kundenorientierten Flexibilität werden diese Anbieter<br />
weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Unternehmen, die sich mit <strong>MES</strong><br />
befassen und die Einführung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s planen, sollten sich von der Vorstellung<br />
verabschieden, ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s „von der Stange“ kaufen zu können.<br />
<strong>MES</strong> muss auf die eigene Situation zugeschnitten werden und kann durchaus über<br />
unterschiedliche Softwaresysteme verteilt sein. Die Unternehmen sollten quasi eine<br />
Vogelperspektive einnehmen und beim Blick auf das eigene Unternehmen den<br />
Bebauungsplan für das eigene <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> aufstellen.
3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes<br />
3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes 77<br />
Voraussetzungen für kontinuierliche Veränderungen sind kontinuierliche Denkprozesse.<br />
Das systematische Herunterbrechen des Leistungsversprechens des Unternehmens<br />
über Zielvorgaben auf Kennzahlen und Messgrößen bis herunter auf<br />
die operative Ebene wird eine langfristige Dynamik auslösen, die sich im Voraus<br />
nicht festschreiben oder sogar in einen Maßnahmenkatalog gießen lässt. Daher ist<br />
es sinnvoll, die Strukturen, Ziele und Spielräume zusammen mit den Mitarbeitern<br />
zu erarbeiten. Erst durch dieses gemeinsame Vorgehen wird es möglich, dass sich<br />
das Unternehmen über die Prozessverantwortung jedes einzelnen darin identifiziert.<br />
3.3.1 Erarbeitung der Zielsetzung<br />
Ein konsequenter <strong>MES</strong>-Einsatz führt im Unternehmen zu erheblichen Konsequenzen,<br />
die in der Regel im Vorhinein für die Betroffenen nicht erkennbar sind:<br />
− Die Organisation wird selbstlernend, was durch ein <strong>MES</strong> über automatisierte<br />
Workflows und Eskalationsautomatismen ermöglicht wird.<br />
− Der Personalbereich wird dezentralisiert, viele Entscheidungen werden im bottom<br />
up Verfahren vor Ort getroffen und nach oben kommuniziert.<br />
− Die Mitarbeiterführung erfolgt über Leistungskennzahlen, an denen sich die<br />
Mitarbeiter permanent ausrichten.<br />
− Entlohnungsmodelle richten sich an Prozessen und nicht mehr an statischen<br />
Vorgaben aus.<br />
− Zentrale Datenhaltung bei dezentraler Verfügbarkeit revolutioniet die klassische<br />
Fabrikinformatik, indem sie die Medienbrüche eliminiert – die Wertschöpfung<br />
wird schnittstellenfrei.<br />
− Das Hierarchieverständnis wird durch prozessfähige Informationsstrukturen<br />
verändert: Die Hierarchie wird zum Dienstleister.<br />
− Aus der traditionell zentral angesiedelten Durchlaufsteuerung wird durch die<br />
Einführung von <strong>MES</strong> eine dezentrale Disposition mit prozessnahen Regelkreisen.<br />
Im Rahmen eines <strong>MES</strong>-Einführungsprojektes gilt es also, ein möglichst realistisches<br />
Modell für eine zukünftige Fertigungsorganisation zu entwerfen. Dazu ist<br />
die bestehende Situation sorgfältig zu analysieren, sind die Verbesserungspotenziale<br />
herauszuarbeiten und daraus die erforderlichen Maßnahmen für die Umsetzung<br />
abzuleiten. Erst wenn Klarheit über das Ziel besteht, kann der optimale Kurs bestimmt<br />
werden:<br />
− Welche strategische Ausrichtung soll umgesetzt werden?<br />
− Welche Zielvorgaben unterstützen diese Unternehmensstrategie?<br />
− Welche Kennzahlen und Messgrößen lassen sich für die Zielvorgaben entwickeln?
78 3 Mehrwert durch Software<br />
3.3.2 <strong>System</strong>atische Prozessentwicklung<br />
Die permanente Ausrichtung der Ressourceneinsätze am Prozessergebnis erfordert<br />
eine systematische Prozessentwicklung mit allen Prozessverantwortlichen. Während<br />
in der Vergangenheit Wirtschaftlichkeitsentscheidungen ausschließlich an<br />
den Zahlen des Rechnungswesens ausgerichtet wurden, wird die Fabrik von morgen<br />
ihre Leistungskennzahlen mit Hilfe eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s auf die hinter diesen<br />
Zahlen liegenden Abläufe – die Prozesse – beziehen. Diese durchgreifende Veränderung<br />
betrifft die gesamte Organisation, sie muss daher von allen Mitarbeitern<br />
getragen werden.<br />
Im Gegensatz zum traditionellen Vorgehen bei Veränderungen, welche im Topdown<br />
Verfahren durchgesetzt wurden, sind die unmittelbar betroffenen Prozessverantwortlichen<br />
anzusprechen. Workshops vor Ort haben immer wieder gezeigt,<br />
dass die Werker in der Regel diejenigen sind, die auf immer wieder auftretende<br />
Organisationsmängel hinweisen, ohne dass sie in der Vergangenheit die Mittel in<br />
der Hand hatten, diese Missstände in Zeit und Geld zu qualifizieren und zu quantifizieren<br />
oder gar zu beheben. Dabei ist das durch diese Ignoranz verloren gegangene<br />
Potenzial vergleichsweise riesig: Überschreitungen geplanter Fertigungsauftragszeiten<br />
und Liefertermine, „Feuerwehraktionen“ und immense Vertriebs- und<br />
Verwaltungskosten sind Beispiele für typische Verschwendungen.<br />
Diese Projektphase beginnt entsprechend damit, alle am Prozess beteiligten<br />
einzubeziehen. Jeder Wissensvorsprung im Unternehmen schafft Aggressionen,<br />
Misstrauen und Überheblichkeiten und führt zu unkontrollierbaren Nebenhierarchien.<br />
So tragen insbesondere das Controlling, die Organisationsabteilung,<br />
der Vertrieb, die Arbeitsvorbereitung, der Einkauf, die Technik, die Produktion,<br />
das Qualitätsmanagement und die IT gemeinsam die Prozessverantwortung. Bereits<br />
in dieser Phase sollte auch der Betriebsrat einbezogen werden, um möglichen<br />
Blockaden von Beginn an entgegen zu wirken. In diesem Zusammenhang muss<br />
klar gemacht werden, dass es bei <strong>MES</strong> nicht um die Überwachung der Mitarbeiter<br />
geht, sondern um eine Maßnahme zur Optimierung der Fertigungsprozesse. Günstig<br />
ist, wenn aufgezeigt werden kann, dass die Werker auch unmittelbar an der erfolgreichen<br />
Umsetzung des Projekts beteiligt werden können, indem sich etwa<br />
Termintreue und erreichte Qualität positiv auf die Löhne auswirken.<br />
Prozessbeschreibungen, wie sie bereits im Zuge der Zertifizierung angefertigt<br />
wurden, sind ein nützliches Hilfsmittel. Die Anforderungen der prozessbeteiligten<br />
Abteilungen oder Verantwortungsbereiche sind in dieser Phase zusammen mit den<br />
Mitarbeitern zu detaillieren.<br />
3.3.3 Abschätzung eines Return on Investment<br />
Ist das Ausmaß der Schwachstellen an Beispielen dokumentiert und für das Unternehmen<br />
quantifiziert, lässt sich über eine anschließende Potenzialanalyse eine<br />
überschlägige Kosten-Nutzenberechnung durchführen, aus der sich ein Return on<br />
Investment zumindestens näherungsweise berechnen lässt. Dazu zählt neben dem<br />
Aufzeigen der Potenziale auch die Erläuterung von Lösungs- und Handlungsalter-
3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes 79<br />
nativen. Dabei sollten die Möglichkeiten von <strong>MES</strong> vorgestellt werden. Eine in<br />
dieser Phase noch grobe Kosten-Nutzen-Betrachtung, eine erste Machbarkeitsstudie<br />
und ein grober Projektplan sollten Bestandteil der Information an die verantwortlichen<br />
Entscheider sein. Ziel dieses ersten Projektschritts ist es, vom Management<br />
einen Projektauftrag und ein Budget zu erhalten und für dieses Projekt<br />
einen verantwortlichen Paten aus den Reihen der Geschäftsführung zu benennen.<br />
3.3.4 Der <strong>System</strong>abgleich<br />
Grundlage eines abschließenden <strong>System</strong>abgleichs sind die erarbeiteten Eckdaten<br />
der systematischen Prozessentwicklung. Anforderungen können beispielsweise<br />
sein:<br />
− Integration der operativen Ebene (Controls),<br />
− Entlohnungsformen,<br />
− Prozesszeitoptimierungen,<br />
− Durchführung der Qualitätssicherung,<br />
− Schnittstellenanforderungen,<br />
− Besonderheiten der Fertigungstechnologie,<br />
− Globalisierung (Browserfähigkeit).<br />
Vor dem Hintergrund der erarbeiteten Projektziele können diese nun mit dem<br />
Marktangebot abgeglichen werden. Dazu bietet der VDMA seinen Mitgliedern z.<br />
B. spezifische Referenzlisten an. Bei der Komplexität des Angebots an <strong>MES</strong>-<br />
Lösungen empfiehlt sich in diesem Zusammenhang möglicherweise die Unterstützung<br />
durch ein Beratungsunternehmen, welches sich nachweislich bei der Auswahl<br />
derartiger Unternehmenssoftware als erfolgreicher Partner bewährt hat. Hier<br />
sind entsprechende Referenzen hilfreich für die Beurteilung. Die möglichen Anbieter<br />
müssen jetzt auf Grundlage der Vorgaben bewertet werden.<br />
Die Angebote werden neben den üblichen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten<br />
auch beurteilt nach „weichen“ Faktoren wie:<br />
− Das finanzielle Standing. Das anbietende Unternehmen sollte ebenso Nachweis<br />
über seine wirtschaftliche Gesundheit wie über eine überzeugende Geschäftsstrategie<br />
liefern.<br />
− Die technische Zukunftsfähigkeit der Lösung und Entwicklungsstrategie für die<br />
nächsten Jahre müssen erkennbar und nachvollziehbar sein.<br />
− Die organisatorische Leistungsfähigkeit und die permanente Verfügbarkeit sind<br />
nicht zu vernachlässigende Leistungsmerkmale, die sich zeigen im Service,<br />
Softwarepflege (Update- und Releasepolitik) oder Projekt Know-how.<br />
− Schließlich ist auch darauf zu achten, dass Anwender und Anbieter von ihrer<br />
Unternehmensgröße zueinander passen. Beim mittelständischen Softwarehaus<br />
ist davon auszugehen, dass es die Alltagsprobleme des mittelständischen Fertigungsunternehmens<br />
verstehen und nachvollziehen kann. Die 2–3 <strong>System</strong>anbieter,<br />
welche den Anforderungen am besten genügen, werden nun zur Abgabe eines<br />
Pflichtenhefts und eines detaillierten Implementierungsplans aufgefordert.
80 3 Mehrwert durch Software<br />
Außerdem sollte in Workshops, in denen mit Echtdaten des Unternehmens Abläufe<br />
simuliert werden, die <strong>System</strong>e auf ihre Tauglichkeit überprüft werden.<br />
Am Ende dieses Prozesses steht die Auftragserteilung an einen der letzten Anbieter<br />
und mit der praktischen Umsetzung des Einführungsprojektes kann begonnen<br />
werden.<br />
3.3.5 Die <strong>MES</strong>-Einführung im Unternehmen<br />
Die Grundlage für die Einführung des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s bildet der Implementierungsplan.<br />
Darin sind die Einführungsschritte und die Abfolge der Organisationseinheiten<br />
niedergelegt, in denen das <strong>System</strong> sukzessive eingeführt wird. Es hat<br />
sich als nützlich erwiesen, solche <strong>System</strong>e schrittweise und nicht mit einem „Big<br />
Bang“ einzuführen. Dabei ist es entsprechend der 80:20-Regel günstig dort anzufangen,<br />
wo die größten RationalisierungsPotenziale liegen und die Möglichkeit<br />
der Einbeziehung hochwertiger Maschinen und Anlagen am größten ist. Schnelle,<br />
offensichtliche Erfolge sind gut für das Ansehen des Projekts und geben den nötigen<br />
Schwung für die flächendeckende Umsetzung. Um Rückschläge zu vermeiden,<br />
muss der Echtlauf des <strong>System</strong>s gründlich vorbereitet werden. Neben der erforderlichen<br />
Anwenderschulung steht hierbei vor allem die lückenlose und<br />
konsistente Verfügbarkeit der Daten im Vordergrund, die das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> für<br />
seinen Betrieb braucht. Auch hier gilt die alte Regel, dass der Output nur so gut<br />
sein kann, wie dies der Input zulässt. Fehler, die in der Einführungsphase auftreten,<br />
müssen dokumentiert und genau untersucht werden. Die Maßnahmen, die zur<br />
Korrektur von Fehlern führen, müssen derart im Einführungsprozess verankert<br />
werden, dass sie zur zukünftigen Fehlervermeidung dienen können. Während der<br />
gesamten Einführungsphase ist die Einhaltung des Implementierungsplans sowohl<br />
hinsichtlich der Meilensteintermine als auch hinsichtlich von Zielabweichungen<br />
zu überwachen und nötigenfalls zu korrigieren. Der Projektfortschritt wird bis<br />
zum Abschluss der Einführungsphase an den Verantwortlichen in der Geschäftsführung<br />
in festgelegten Perioden berichtet. Sind die Einführungsschritte gemäss<br />
Implementierungsplan abgeschlossen, so wird das Projekt formell abgeschlossen.<br />
Das heißt unter anderem, dass die entstandenen Kosten von nachfolgenden Perioden<br />
klar abgegrenzt werden und dass z. B. weitere Dienstleistungen des Anbieters<br />
entweder neue Projekte betreffen oder als laufende Kosten zu verbuchen sind.<br />
3.3.6 Der Betrieb der <strong>MES</strong>-Lösung<br />
Wertschöpfungsprozesse in Unternehmen sind stets auch durch Veränderung gekennzeichnet.<br />
Deshalb ist es nur natürlich, dass sich auch nach der Einführung eines<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s Zielabweichungen ergeben können. Einerseits können sich<br />
Verhaltensweisen oder Abläufe „einschleichen“, welche den ursprünglichen Zielen<br />
widersprechen oder sie nur suboptimal unterstützen. Andererseits verschieben<br />
sich jedoch auch taktische oder gar strategische Ziele der Unternehmensführung<br />
und die <strong>System</strong>e, welche die Zielerreichung unterstützen. In diesem Sinne bleibt
3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> 81<br />
das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> auch nach seiner erfolgreichen Einführung Gegenstand des Monitoring<br />
und Auditierung der Verantwortlichen von Controlling und Organisation.<br />
Die Phase des Betriebs der <strong>MES</strong>-Lösung ist aber auch die Zeit, in der nun die<br />
Kosten-Nutzen-Analyse abgeschlossen wird und eine Aussage über den wirtschaftlichen<br />
Erfolg des Projekts erfolgen muss. Hierbei werden die gleichen<br />
Kennzahlen und Messgrößen zu Grunde gelegt, die bei der Anforderungsanalyse<br />
als Grundlage gedient haben. Auf diese Weise erhält das Management nicht nur<br />
Informationen über den Erfolg des Projekts, sondern auch über die Projektfähigkeit<br />
des Unternehmens und Hinweise zu möglichen erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen.<br />
Potenziale aufdecken.<br />
3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong><br />
Die Planung und Einführung von <strong>MES</strong> zur Verbesserung der Informationsverarbeitung<br />
in der Fertigung ist kein einmaliger Prozess, sondern eine entscheidender<br />
Schritt in eine erfolgreiche Zukunft. Hierbei darf <strong>MES</strong> allerdings nicht isoliert betrachtet<br />
werden, sondern es müssen andere Softwaretechnologiefelder berücksichtigt<br />
werden, die die Fabrik als informationsverarbeitendes <strong>System</strong> ebenfalls direkt<br />
oder indirekt mit einbeziehen. Die aktuelle als auch zukünftige Rolle von <strong>MES</strong><br />
muss klar definiert werden, um die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.<br />
3.4.1 Die digitalisierte Fabrik<br />
In den letzten Jahren ist generell ein Trend zur Digitalisierung und „Informatisierung“<br />
klassischer Technologien festzustellen. Allgemein bekannte Beispiele sind<br />
das digitale Fernsehen, die digitalisierte Telekommunikation oder die digitale Fotografie.<br />
Der gemeinsame Ansatz all dieser Entwicklungen liegt darin, dass anstelle<br />
der analogen Signalverarbeitung und -übertragung heute digitale Technologien<br />
eingesetzt werden. Auf Basis moderner, standardisierter Informations- und Kommunikationstechnik<br />
lassen sich einerseits leistungsfähigere und flexiblere Produkte<br />
mit innovativen Services entwickeln, andererseits aber auch Medienbrüche und<br />
technologiebedingte Inkompatibilitäten abbauen.<br />
Der Trend der zunehmenden Digitalisierung von Produkten ist auch in der Automatisierungstechnik<br />
und den darauf aufbauenden Fertigungs- und Logistiksystemen<br />
seit längerem im Gange. Es findet eine zunehmende Substitution von<br />
Hardware durch Software statt. Entscheidend ist, dass auch in diesem Sektor zunehmend<br />
auf Standard-IT und -Software gesetzt wird. So werden beispielsweise<br />
proprietäre Feldbussysteme durch Industrial Ethernet, speicherprogrammierbare<br />
Steuerungen durch „Soft-SPSen“ oder spezielle Bedienpanels durch PC´s mit<br />
Windowsoberflächen ersetzt. Darüber hinaus sollen in Zukunft Barcodes durch intelligente<br />
Etiketten (RFID´s) oder kabelgebundene Kommunikationsnetze durch<br />
Wireless Technologien ersetzt werden.
82 3 Mehrwert durch Software<br />
Die Digitalisierung von Produkten und <strong>System</strong>en findet also nicht nur in den<br />
konsumnahen, sondern auch den produzierenden Bereichen statt. Damit werden<br />
die in der Fabrik zu verwaltenden oder zu steuernden Produkte und Produktionsmittel<br />
immer kommunikativer und kompatibler. Gleichzeitig steigt aber auch die<br />
Fülle an Informationen und Informationswegen, die über geeignete IT- und Softwaresysteme<br />
zu managen sind. Hier könnte <strong>MES</strong> durchaus die Rolle eines „Backbones“<br />
für die Fabrik einnehmen, der als Bindeglied zwischen der Fabrik und der<br />
restlichen IT-Welt fungiert.<br />
3.4.2 Die Digitale Fabrik<br />
Bei der Digitalen Fabrik steht nicht der operative Fabrikbetrieb, sondern die<br />
Wandlungsfähigkeit und Flexibilität der Produktion im Vordergrund. Nicht nur in<br />
der Serienproduktion stellt sich immer wieder die Aufgabe, Fabriken aufgrund<br />
neuer Produkte, Produktionsmittel oder Engpässe umzuplanen oder einzelne Fertigungsprozesse<br />
zu optimieren. Die Digitale Fabrik zielt nun darauf, einen durchgängigen<br />
digitalen Planungsprozess für Produktion und Fabrik einschließlich der<br />
methodischen und rechnerbasierten Unterstützung sicherzustellen. Hierzu gibt es<br />
inzwischen eine Vielzahl von Software-Werkzeugen, die vor allem in der Produktionsplanung<br />
und Fabrikgestaltung eingesetzt werden. Die Software-Werkzeuge<br />
bilden die Maschinen und Produkte mit ihren kompletten Strukturen, logistischen<br />
Abläufen und technologischen Prozessen bis ins kleinste Detail ab, die dann virtuell<br />
erprobt und verbessert werden. Ergebnis ist ein abgesichertes, digitales Modell<br />
der Fabrik, bevor diese überhaupt gebaut oder umgebaut wird.<br />
Das größte Potenzial bietet die Digitale Fabrik heutzutage für Unternehmen mit<br />
langen Planungszyklen oder komplexen Fertigungsprozessen. Es ist daher nicht<br />
verwunderlich, dass insbesondere die Automobilproduzenten den Einsatz dieser<br />
Technologien massiv vorantreiben und sich quasi in einem Realisierungswettbewerb<br />
befinden. Denn die Vorteile der Digitalen Fabrik für den Planungsprozess<br />
hinsichtlich Verkürzung der Anlaufzeiten, Reduzierung von Planungsfehlern<br />
und Senkung der Planungskosten sind unbestritten. Inzwischen setzt sich aber<br />
immer mehr die Erkenntnis durch, dass noch ein erhebliches Rationalisierungs-<br />
und Optimierungspotenzial in der Verknüpfung der Digitalen Fabrik mit der Realen<br />
Fabrik besteht. Über die Rückkopplung realer Daten aus der Fabrik in die digitale<br />
Fabrik könnten die zugrunde liegenden Planungsmodelle sukzessive verbessert<br />
und der Realität angepasst werden. Es ist durchaus vorstellbar, dass die<br />
Digitale Fabrik zukünftig nicht nur sporadische Planungsprozesse unterstützt,<br />
sondern auch als Hilfsmittel für eine permanente Überprüfung und Optimierung<br />
operativer Prozesse in der Fabrik genutzt wird.
3.4.3 Die echtzeitfähige Fabrik<br />
3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> 83<br />
Betrachtet man die Situation der Informationsverarbeitung in der Fabrik aus ganzheitlicher<br />
Sicht, so trifft man heutzutage auf unterschiedliche <strong>System</strong>e und Informationsströme:<br />
− Herzustellenden Produkte werden über CAD entwickelt und dann auf Basis abgeleiteter<br />
NC-Programme und Zeichnungen hergestellt und montiert.<br />
− Aufträge und Arbeitspläne werden über ERP geplant und operativ über <strong>MES</strong><br />
feingesteuert.<br />
− Fabriken oder Fertigungsprozesse werden über die Werkzeuge der Digitalen<br />
Fabrik simuliert und in den operativen Betrieb überführt.<br />
− Maschinendaten werden in den Maschinen und Anlagen gesammelt und über<br />
Bildschirm oder Netzwerke rückgemeldet.<br />
Ein generelles Problem besteht darin, dass diese Informationsprozesse noch eine<br />
Vielzahl von Medienbrüchen und Schnittstellen aufweisen. Es erweist sich damit<br />
als außerordentlich schwierig, schnell auf sich verändernde Rahmenbedingungen<br />
und Aufgabenstellungen in der Fabrik zu reagieren. Vor diesem Hintergrund<br />
befasst sich die Forschung bereits mit dem weiterführenden Konzept der „echtzeitfähigen<br />
Fabrik“, in der die physische Fabrik und deren Informations- und Kommunikationsprozesse<br />
eine Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen, Störungen<br />
und ähnliches in Echtzeit ermöglichen beziehungsweise zulassen. Ansätze zur<br />
Realisierung der echtzeitfähigen Fabrik im Hinblick auf die Informations- und<br />
Kommunikationsprozesse sind beispielsweise<br />
− die Echtzeiterhebung von Produktions- oder Logistikdaten über passive oder<br />
aktive RFID-<strong>System</strong>e,<br />
− Echtzeitprozessregelung von Maschinen und Anlagen über Industrial Ethernet,<br />
− zeitnahe Rückmeldung von Echtzeit-Daten für die Aktualisierung von ERP-<br />
Planungen,<br />
− Online-Übermittlung erhobener Echtzeit-Daten für Simulationszwecke in der<br />
Digitalen Fabrik,<br />
− direkte Verarbeitung von 3D-Produktdaten in Fertigungseinrichtungen wie<br />
Steuerung (technologieabhängig).<br />
Auch wenn diese Ansätze noch weit von der Realität entfernt sind und eventuell<br />
als „Wunschdenken“ auf die Seite gelegt werden, zeigen sie doch anstehende<br />
Aufgabenstellungen und Zielsetzungen auf. Die Basistechnologien zur Realisierung<br />
dieser Ansätze sind heute vielfach schon vorhanden. Des weiteren wird intensiv<br />
daran gearbeitet, diese Technologien noch besser aufeinander abzustimmen<br />
und die bestehenden Medienbrüche und Inkompatibilitäten abzubauen. Die Weiterentwicklung<br />
der <strong>System</strong>landschaft und die Nutzung in der Praxis wird jedoch in<br />
erheblichem Maße davon abhängen, inwieweit die Unternehmen bereit sind, noch<br />
stärker als in der Vergangenheit in eine effiziente und flexible Informationsverarbeitung<br />
in der Fertigung zu investieren.
84 3 Mehrwert durch Software<br />
Wir sind der festen Überzeugung, dass durch einen konsequenten Softwareeinsatz<br />
in der Fertigung bereits heute erhebliche Mehrwerte hinsichtlich Transparenz,<br />
Flexibilität und Produktivität erschlossen werden können. Von der Erschließung<br />
dieses Potenzials würden aber nicht nur die produzierenden Unternehmen, sondern<br />
auch der Produktionsstandort Deutschland in hohem Maße profitieren.
3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> 85<br />
4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
4.1 Einleitung und Motivation<br />
In Kap. 2 wurde erläutert, warum zeitnahe Informationen für die operativen, nahe<br />
am Fertigungsgeschehen agierenden Abteilungen wie die Arbeitsvorbereitung, die<br />
Fertigungssteuerung, die Instandhaltung, die Qualitätssicherung und insbesondere<br />
die Meister wichtig sind. Betrachtet man aber den Ist-Zustand in den Unternehmen,<br />
stellt man in vielen Fällen fest, dass die Informationsbeschaffung auch heute<br />
im Zeitalter moderner, IT-gestützter <strong>System</strong>e noch immer ein Schattendasein fristet.<br />
Wenn überhaupt, erhalten Mitarbeiter, die in den oben genannten Abteilungen<br />
tätig sind, allenfalls Informationen aus isolierten Insellösungen. Um den notwendigen<br />
„Rundumblick“ über alle an der Fertigung beteiligten Ressourcen zu bekommen,<br />
müssen die Informationen zusammengeführt und durch manuell erfasste<br />
Daten ergänzt werden. Die Folgen sind für die heutigen, durch kurze Regelzyklen<br />
gekennzeichneten Fertigungsprozesse fatal: die Informationen sind oft unvollständig<br />
oder gar fehlerhaft, sie liegen zu spät vor und die eingeleiteten Maßnahmen<br />
basieren oft auf Verdacht oder Schätzung, dass heißt auf nicht eindeutig abgesicherten<br />
Erkenntnissen. Diese Lücke zu schließen, ist eine der wesentlichen Aufgaben<br />
von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en.<br />
Mit der Erfassung und Auswertung von Daten ist jedoch nur eine Wirkungsrichtung<br />
abgedeckt. Moderne Management-Ansätze gehen heute davon aus, dass<br />
die relevanten Informationen auch an den Maschinen, Anlagen und Arbeitsplätzen,<br />
also direkt bei den Werkern verfügbar sein müssen. Nur der umfassend informierte<br />
Mitarbeiter kann seine Tätigkeiten in der Produktion im Sinne des Unternehmens<br />
verrichten. Und dazu gehört heute nicht nur die richtige Arbeits- oder<br />
Prüfanweisung bzw. die Zeichnung auf dem aktuellen Stand, sondern auch weiterführende<br />
Informationen zum Beispiel zu Problemen, die bei der Herstellung des<br />
gleichen Teiles zu einem früheren Zeitpunkt auftraten. Im Sinne des Gruppengedankens<br />
ist es außerdem unerlässlich, dass sich auch die Werker die relevanten<br />
Kennzahlen (Nutzungsgrade, Ausschussquoten, Prämienkennwerte etc.) zu den<br />
Produktionsergebnissen der Arbeitsgruppe, des Meisterbereichs oder der Abteilung<br />
ansehen und auf deren Basis an der Verbesserung der Produktionsergebnisse<br />
mitarbeiten können.<br />
Nach wie vor wird heute der Transport der Daten in Richtung Fertigung in vielen<br />
Produktionsbetrieben auf dem herkömmlichen, „papierbehafteten“ Weg<br />
durchgeführt. Lohnscheine und Fertigungspapiere werden direkt aus dem ERP-/<br />
PPS-<strong>System</strong> heraus gedruckt, manuell sortiert und den betreffenden Meisterbereichen<br />
zugeteilt. In Zeiten, wo die Produktionsplanung von eher langfristigen Ände-
86 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
rungszyklen geprägt war, wirkte sich dies nicht besonders nachteilig aus. Heute<br />
wird der in vielen Fällen mehrere Tage betragende Zeitversatz zwischen dem<br />
Ausdruck der Papiere für einen Auftrag und dem tatsächlichen Arbeitsbeginn<br />
mehr und mehr zum Problem: kurzfristige Reaktionen auf die Änderungen (Termine,<br />
Liefermenge, Qualität etc.), die Kunden heute als Selbstverständlichkeit bei<br />
Ihren Lieferanten einfordern, müssen per Hand auf den bereits gedruckten Papieren<br />
nachgeführt oder die Dokumente neu erstellt werden. Die zwangsläufig entstehenden<br />
Folgeprobleme dürften hinlänglich bekannt sein, vom enormen organisatorischen<br />
Aufwand gar nicht zu reden.<br />
Mit der konsequenten Ausrichtung auf die Belange der fertigungsnah agierenden<br />
Mitarbeiter entsteht mit <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en eine neue Klasse von IT-gestützten<br />
Anwendungen, die über die klassischen Ansätze der ERP oder PPS-<strong>System</strong>e bzw.<br />
der Automatisierungstechnik hinausgehen, die neue Sichtweisen zulassen und die<br />
ein praxisgerechtes Werkzeug für Werker, Meister, Instandhalter, Fertigungssteuerer<br />
und QS-Verantwortliche bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben darstellen.<br />
4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen<br />
In den nachfolgenden Kapiteln werden die klassischen Wege der, Informationsbeschaffung<br />
bzw. Fertigungssteuerung aufgezeigt und welche Probleme sich dadurch<br />
für den oben genannten Personenkreis ergeben.<br />
4.2.1 Hilfsmittel und <strong>System</strong>e für die operative Ebene<br />
ERP-/PPS-<strong>System</strong>e<br />
Als Konsequenz daraus, dass manuelle Aufzeichnungen auf Lohnscheinen und<br />
Laufkarten erst mit einem Zeitversatz von oftmals mehreren Tagen im ERP-/PPS-<br />
<strong>System</strong> zur Verfügung stehen, ergibt sich zwangsläufig folgende Regel: je zeitnaher<br />
die Informationen sein müssen, umso weniger stellt das ERP-/PPS-<strong>System</strong> ein<br />
echtes Hilfsmittel zur Steuerung der Fertigung dar. Oft sehr kurzfristig benötigte<br />
Informationen zum Auftragsfortschritt und damit auch zum Liefertermin liegen so<br />
zum Beispiel in der Regel erst nach Abschluss des gesamten Auftrags vor. Bedingt<br />
durch retrograde Buchungen sind Auskünfte zu Material- und Lagerbeständen<br />
(Rohmaterial, Halbzeuge, Fertigwaren) nicht auf dem aktuellen Stand und die<br />
Mitarbeiter gehen in vielen Fällen von falschen Annahmen aus. Probleme mit den<br />
Lieferterminen, zu hohe oder zu niedrige Bestände sind die zwangsläufige Folge.<br />
Außerdem werden Auswertungen zu Aufträgen und Artikeln (u. a. die Nachkalkulation)<br />
oft nur unter kaufmännischen Gesichtspunkten durchgeführt und sind wegen<br />
der fehlerträchtigen, manuellen Aufschreibung nur mit entsprechender Unschärfe<br />
verfügbar.<br />
Muss das ERP-/PPS-<strong>System</strong> neben der eigentlichen Aufgabe als Grobplanungsinstrument<br />
auch als Werkzeug zur Fertigungssteuerung genutzt werden, entstehen
4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen 87<br />
Probleme bei der Feinplanung. Viele ERP-/PPS-<strong>System</strong>e planen auch heute noch<br />
gegen unendlich verfügbare Kapazität der Produktionseinrichtungen. In der Praxis<br />
gibt es jedoch Einschränkungen bzgl. Verfügbarkeit durch nicht besetzte Schichten<br />
und nicht planbare Gegebenheiten wie Maschinenstörungen, nicht genügend<br />
Personal mit ausreichender Qualifikation, qualitativ minderwertiges Rohmaterial,<br />
kein Werkzeug usw. Durch die fehlenden zeitnahen Rückmeldungen zu diesen Ereignissen<br />
über eine geeignete <strong>System</strong>atik und durch die im ERP-/PPS-<strong>System</strong><br />
nicht vorhandenen Regelmechanismen ist der Regelkreis der Fertigungssteuerung<br />
zu träge. Dadurch kann nicht zeitgerecht gegengesteuert werden, wenn Engpass-<br />
und Konfliktsituationen eintreten. Der Fertigungsfortschritt verläuft nicht wie geplant<br />
und früher gemachte Terminaussagen entbehren jeglicher Realität.<br />
Automatisierungstechnik<br />
Einrichtungen der Automatisierungstechnik haben in erster Linie die Aufgabe,<br />
Anlagen, Prozesse und Maschinen aus technischer Sicht zu steuern oder zu regeln.<br />
Im Laufe der letzten Jahre haben sich derartige <strong>System</strong>e jedoch immer mehr auch<br />
zum Informationsmedium entwickelt. Es stellt in der Regel kein Problem für sie<br />
dar, Prozesswerte oder andere technische Daten wie zum Beispiel Maschinenstörungen<br />
zu erfassen, abzuspeichern und auszuwerten. Die Defizite im Sinne einer<br />
Gesamtbetrachtung der Fertigungsprozesse ergeben sich jedoch dadurch, dass sie<br />
keinen Bezug zu dispositiven und logistischen Daten haben. Der Meister oder Fertigungssteuerer<br />
kann zwar den technischen Zustand der Maschine direkt ablesen,<br />
die Beziehung zum betroffenen Auftrag, dessen Fertigungsfortschritt von der Störung<br />
betroffen ist, muss über Umwege manuell hergestellt werden. Auch andere,<br />
an der Produktion beteiligte Ressourcen wie Werkzeuge, das Material oder auch<br />
das Personal sind der Maschinensteuerung meist nicht bekannt.<br />
QS-<strong>System</strong>e<br />
Der Fokus von <strong>System</strong>en zur Qualitätssicherung liegt logischerweise auf allen Ereignissen,<br />
die mit dem Thema Qualität zu tun haben. Obwohl jedoch ein direkter<br />
Zusammenhang zwischen dem Produktionsprozess und der erzeugten Qualität besteht,<br />
arbeiten die QS-<strong>System</strong>e oft autark und ohne Integration in die Fertigung. Es<br />
besteht keine systemtechnische Kopplung zwischen dem Fertigungs- und dem<br />
Prüfauftrag, was zur Folge hat, dass eine direkte Planung der Prüfaufträge und<br />
Prüfmittel nicht erfolgt. Außerdem entstehen isoliert betrachtete Q-Daten, deren<br />
notwendige Zusammenführung mit den Verursachern von Qualitätsproblemen<br />
(Fehler durch Personal, schlechtes Material, Werkzeuge etc.) wieder nur manuell<br />
oder über separat einzurichtende Schnittstellen erfolgt.<br />
Nutzungsschreiber zur Aufzeichnung von Maschinendaten<br />
Bei diesen Geräten ist es ähnlich wie bei automatisierungstechnischen Einrichtungen.<br />
Sie haben eine einseitig technische „Sichtweise“ und der Bezug zu Aufträgen,<br />
zum Bedienpersonal oder zu den Werkzeugen kann gar nicht oder nur indi-
88 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
rekt hergestellt werden. Um elektronische Auswertungen zu bekommen, müssen<br />
die Daten abgelesen und manuell in ein separates <strong>System</strong> eingegeben werden. Ein<br />
weiterer Nachteil ist das aufwendige, wartungsintensive und teure Aufzeichnungsverfahren<br />
(Verbrauch an speziellen Formblättern, Tintenpatronen etc.) sowie<br />
die gesamte Organisation, die für den Nachschub der Verbrauchsmaterialien erforderlich<br />
ist. Auch die elektronischen Pendants der Nutzungsschreiber (z. B.<br />
MDE-<strong>System</strong>e) verbessern die Situation nur dann, wenn eine automatische Beziehung<br />
zur Welt der Aufträge hergestellt wird.<br />
Veraltete BDE-<strong>System</strong>e<br />
Mit BDE-<strong>System</strong>en, die vor einigen Jahren eingeführt wurden und die ITtechnischen<br />
Grenzen unterlagen, verfolgten die Nutzer meist einen speziellen Ansatz.<br />
Sie wurden zum Beispiel als Informationsquelle für Daten verwendet, die an<br />
Schwerpunktmaschinen und -arbeitsgängen entstehen oder zur Fertigmeldung von<br />
Aufträgen. Sie beherrschen meist nur die Auswertung zu einstufigen Fertigungsprozessen<br />
(z. B. Schwerpunkt-Arbeitsgang Spritzgießen), sind oft nur Insellösungen,<br />
die keine Schnittstellen zum ERP-/PPS-<strong>System</strong> besitzen. Außerdem fehlt<br />
auch hier die Ressourcen-übergreifende Betrachtung z. B. zum Werkzeug, zum<br />
Personal oder zum Material.<br />
4.2.2 Manuelle Informationsbeschaffung und andere Hilfsmittel<br />
Um einen Ausweg aus den oben dargestellten Defiziten zu finden, werden in vielen<br />
Unternehmen zusätzlich zu den genannten <strong>System</strong>en Einrichtungen geschaffen,<br />
mit deren Hilfe dringend benötigte Informationen zum aktuellen Geschehen<br />
beschafft oder planerische Tätigkeiten unterstützt werden.<br />
Plan- oder Stecktafeln<br />
Die oft genutzte Plan- oder Stecktafel hat gegenüber PC-Monitoren den Vorteil,<br />
dass sie eine übersichtliche, großflächige Darstellung des Planungsszenarios liefert.<br />
Ihre Funktion basiert allerdings auf dem Ausdruck von Auftragsbelegen aus<br />
dem ERP-/PPS-<strong>System</strong> und deren aufwendiger, manueller Verplanung an der<br />
Stecktafel. Dadurch ergibt sich ein hoher Aufwand beim Stecken neuer Aufträge<br />
und ganz besonders beim Umplanen (Eilaufträge mit hoher Priorität, Änderung<br />
der Prioritäten, ungeplante Verzögerungen) bereits gesteckter Auftragskarten. Außer<br />
der Visualisierung bietet die Stecktafel keinerlei Unterstützung bei Verfügbarkeits-Checks,<br />
bei der Betrachtung von verketteten Vorgängen oder gar bei der Berücksichtigung<br />
des realen Kapazitätsangebots, das durch Maschinenstörungen<br />
oder fehlendes Personal eingeschränkt wird.
Terminjäger<br />
4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen 89<br />
Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt, liegen ohne BDE- oder <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
keine aktuellen Informationen zum Auftragsfortschritt vor und es können daher<br />
„auf Knopfdruck“ keine präzisen Aussagen zu Lieferterminen und -mengen gemacht<br />
werden. Da Kunden aber konkrete Auskünfte fordern, wurde in vielen Unternehmen<br />
die Stelle eines „Terminjägers“ geschaffen. Er hat die Aufgabe, bei<br />
Nachfrage alle notwendigen Informationen zu Kundenaufträgen zu beschaffen,<br />
was mit einem hohen personellen Aufwand und Zeitverzögerungen zum Beispiel<br />
durch das Suchen von Teilen verbunden ist.<br />
Lohnscheine und Laufkarten<br />
Sie dienen dazu, den Arbeitsvorrat in die Fertigungsbereiche zu „transportieren“<br />
und Informationen zu den Aufträgen oder Arbeitsgängen zur Verfügung zu stellen.<br />
Sie enthalten jedoch nicht immer den aktuellen Stand, da deren Ausdruck aus<br />
dem ERP-/PPS-<strong>System</strong> erfolgt und kurzfristig geänderte Stückzahlen, eine neue<br />
Maschinenzuordnung oder Änderungen an Arbeits- und Prüfplänen nicht automatisch<br />
nachgeführt werden. Es entsteht ein hoher personeller Aufwand beim Ausfüllen<br />
der Lohnscheine durch die Werker und es erfolgt keine Plausibilitätsprüfung<br />
auf die Richtigkeit der Daten. Weiterer Aufwand, Zeitversatz und oftmals<br />
auch Fehler entstehen dadurch, dass andere Mitarbeiter die Daten in das ERP-<br />
/PPS-<strong>System</strong> per Hand eingeben müssen.<br />
Stempelkarten<br />
Stempelkarten werden auch heute noch in vielen Unternehmen dazu genutzt, die<br />
Kommt-Geht-Zeiten der Mitarbeiter zu dokumentieren und daraus manuell deren<br />
Anwesenheitszeiten als Grundlage für die Lohnberechnung zu ermitteln. Es entsteht<br />
ein hoher Verwaltungs- und Materialaufwand. Auch hier werden zusätzliche<br />
Personalkapazitäten benötigt, die Zeiten zu errechnen und in das Lohn- und Gehaltssystem<br />
einzugeben. Außerdem ist eine Übersicht zu an- und abwesenden<br />
Mitarbeitern nur lokal an der Stempeluhr verfügbar.<br />
Arbeitsanweisungen, Zeichnungen und Prüfpläne<br />
Gedruckte Informationen sind ebenfalls ein gewohntes Medium für Werker, Einrichter,<br />
Prüfer und Meister. Auch sie enthalten jedoch nicht immer den aktuellen<br />
Stand, da der Ausdruck nicht zeitnah zum Fertigungsbeginn aus dem ERP-/PPS-,<br />
CAD- oder QS-<strong>System</strong> erfolgt. Es entsteht ein hoher Material-, Organisations- und<br />
Verwaltungsaufwand beim Erstellen, Aktualisieren und Verteilen der Dokumente.
90 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
4.2.3 Probleme bei der Zusammenführung der Daten<br />
Oben beschriebene <strong>System</strong>e und Hilfsmittel sind meist Insellösungen und haben<br />
entweder keine oder nur beschränkte Möglichkeiten, Daten mit anderen <strong>System</strong>en<br />
auszutauschen. Ein Datenaustausch ist jedoch notwendig, um den erforderlichen<br />
„Rundumblick“ zu erhalten oder die Daten gegeneinander abzugleichen. Nachfolgend<br />
einige Beispiele:<br />
− Um sicher zu stellen, dass eine lückenlose Erfassung der Produktivzeiten erfolgt,<br />
sollte ein Abgleich von Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter mit den Produktivzeiten<br />
aus der BDE erfolgen. Werden leistungsbezogene oder Prämienlöhne<br />
gezahlt, ist dieser Abgleich zwingend notwendig.<br />
− Bei der Personleinsatzplanung (PEP) benötigt der Meister einerseits die Informationen<br />
aus der Fehlzeitenplanung und Personalzeiterfassung (wer ist tatsächlich<br />
anwesend?). Andererseits muss natürlich die zu bewältigende Auftragslast<br />
als Ergebnis der Feinplanung für die Ermittlung des Personalbedarfs bekannt<br />
sein.<br />
− Daten müssen aus unterschiedlichen Bereichen und <strong>System</strong>en zusammengeführt<br />
werden, wenn ein eindeutiger Produktnachweis gefordert wird und dokumentiert<br />
werden muss, welcher Mitarbeiter welches Teil mit welchem Werkzeug<br />
auf welcher Maschine unter welchen Prozessbedingungen gefertigt hat<br />
und welche Rohmaterial-Charge verwendet wurde.<br />
4.3 Der angestrebte Soll-Zustand<br />
Ausgehend von der beschriebenen Istsituation wird sehr schnell deutlich, dass die<br />
Informationsbeschaffung, der Informationsfluss und die Feinplanung in den Fertigungsunternehmen<br />
signifikant zu verbessern sind. Welche Randbedingungen zu<br />
beachten sind und welche Nutzenpotenziale ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> bietet, soll in den<br />
nachfolgenden Kapiteln anhand einiger repräsentativer Beispiele aufgezeigt werden.<br />
4.3.1 Lückenlose, automatisierte Datenerfassung<br />
Der Weg zur vernetzten Information in der Fertigung beginnt damit, dass die Daten<br />
von allen relevanten Ressourcen und Prozessen möglichst lückenlos erfasst<br />
und in einer übergreifenden Datenbasis gespeichert werden. Im Gegensatz zur traditionellen<br />
Aufschreibung werden durch ein <strong>MES</strong> die wertschöpfenden Prozesse<br />
sozusagen „fingerlos“ online erfasst und als Buchungen in die zentrale Datenbasis<br />
eingetragen.
4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 91<br />
Abb. 4.1. Die integrierte Produktionsdatenbank als Voraussetzung für den „Rundumblick“<br />
in der Fertigung<br />
Einen weiteren Qualitätssprung bringen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e mit einem gesamthaften<br />
Ansatz, wenn nicht nur die Produktivzeiten, sondern auch die typischerweise heute<br />
nicht beachteten Nebenzeiten (Gemeinkosten-, Warte-, Transport- oder Liegezeiten)<br />
sowie Stillstands- und Störzeiten erfasst werden. Damit ist automatisch eine<br />
bessere Datenbasis für die Nachkalkulation und das Aufspüren der echten<br />
Kostenverursacher gegeben.<br />
Zu beachten ist jedoch, dass die Vollständigkeit der Daten in direktem Zusammenhang<br />
mit dem Aufwand für deren Erfassung steht. <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e werden Akzeptanzprobleme<br />
erzeugen, wenn die zusätzliche Belastung der Mitarbeiter in keinem<br />
vernünftigen Verhältnis mehr zu den erzielbaren Nutzeffekten steht. Daher<br />
gilt es an dieser Stelle, Vereinfachungen in der Form zu schaffen, dass die Daten<br />
zum Beispiel über den direkten Anschluss von Maschinen, Waagen und anderen<br />
Einrichtungen automatisch übernommen werden und manuelle Dateneingaben<br />
weitestgehend entfallen. Der Einsatz maschinell lesbarer Identträger (Barcodes,<br />
Transponder, RFID-Tags etc.) zur Übernahme der gespeicherten Daten macht das<br />
aufwändige, fehlerbehaftete Eintippen überflüssig. Weitere Erleichterungen bieten<br />
ausgereifte <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e unter anderem dadurch, dass Erfassungslogiken hinterlegt<br />
sind, die den Eingabeaufwand deutlich reduzieren. Hierzu einige Beispiele:<br />
− Bei Aufträgen mit Bearbeitungszeiten über mehrere Tage unterbricht der Mitarbeiter<br />
mit seiner Geht-Stempelung seinen aktuellen Auftrag zum Schichtende<br />
und meldet ihn automatisch mit der Kommt-Stempelung am nächsten Morgen<br />
an. Die mehrfache Unterbrechung und erneute Anmeldung des Auftrags entfällt<br />
dadurch.
92 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
− Die Zeitdifferenz zwischen der Fertigmeldung eines Arbeitsvorgangs innerhalb<br />
eines mehrstufigen Auftrags und der Anmeldung des Nachfolgers wird vom<br />
<strong>MES</strong> automatisch als Übergangs- oder Gemeinkostenzeit interpretiert. Separate<br />
Buchungen sind hierbei nicht erforderlich.<br />
− Mehrere Vorgänge mit kurzer Bearbeitungsdauer werden als sog. Sammelarbeitsgänge<br />
zeitgleich an einem BDE-Terminal an- und abgemeldet. Damit entfallen<br />
störende Eingabe- und Wegezeiten. Das <strong>MES</strong> nimmt automatisch eine<br />
anteilige Zeitverbuchung auf die Einzelvorgänge nach einstellbaren Regeln vor.<br />
4.3.2 Der I-Punkt für die Fertigung<br />
Mit der Einführung von fertigungsnahen <strong>System</strong>en ist in der Regel auch der Aufbau<br />
einer IT-Infrastruktur verbunden, die bis zu den Arbeitsplätzen und Maschinen<br />
reicht. Leistungsfähige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e sind in der Lage, die vorhandenen<br />
Netzwerke, Industrie-PC´s und Datenerfassungseinrichtungen zusätzlich zu nutzen,<br />
um Daten und Informationen auf elektronischem Weg – also „papierlos“ – an<br />
den richtigen Ort in der Fertigung zu transportieren. Neben den bekannten Einsparungseffekten<br />
schaffen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e damit eine neue Qualität für die Einrichter<br />
und Maschinenbediener: sie erhalten umfassende Informationen auf dem aktuellen<br />
Stand und werden damit in die Lage versetzt, aktiv an der Gestaltung der Fertigungsprozesse<br />
mitzuwirken. Auch hierzu einige Beispiele:<br />
− Planungsdaten wie Auftragsbestand, Kundentermine, Maschinenwartungen,<br />
Personalverfügbarkeit etc.<br />
− Anzeige von Infos zum laufenden Auftrag (bereits produzierte Menge, errechnete<br />
Restlaufzeit, bisher erreichter Leistungsgrad etc.)<br />
− Darstellung von Fotos, Zeichnungen, Videos, Stücklisten, Arbeits- und Prüfanweisungen<br />
am Bildschirm mit der Option, bei Bedarf einen Ausdruck auf einem<br />
Drucker anzustoßen<br />
− Leistungsvergleiche und Statistiken zu Ausschussquoten, Terminverspätungen,<br />
Kennzahlen, Stillstands- und Störgründen etc., um den persönlichen Stand, den<br />
der Abteilung oder des gesamten Werkes einschätzen zu können<br />
− aktueller Soll-Istvergleich zu Kennzahlen wie Nutzungs- oder Auftragserfüllungsgrad<br />
und Maschinenleistung oder -takt<br />
Persönliche Informationen zum Resturlaub, zum Überstunden- bzw. Flexzeitkonto<br />
oder zum erreichten Zeitgrad bei Prämien- oder Leistungslohn. Abbildung<br />
4.2 zeigt beispielhaft, wie Mitarbeiter umfassend informiert und damit in Entscheidungsprozesse<br />
eingebunden werden können: am I-Punkt sind Auswertungen<br />
zu Maschinenstillständen im frei wählbaren Zeitraum verfügbar. Natürlich besteht<br />
außerdem die Möglichkeit, Übersichten zu den im <strong>MES</strong> ermittelten Kennzahlen<br />
und Statistiken auszudrucken und in Papierform im jeweiligen Produktionsbereich<br />
zu veröffentlichen.
Abb. 4.2. Auswertungen zu Maschinenstillständen<br />
4.3.3 Die Idee des „<strong>Manufacturing</strong> Cockpits“<br />
4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 93<br />
Die Aufgaben eines Fertigungssteuerers, Instandhalters, eines Qualitätsbeauftragten<br />
oder Meisters, in vielen Unternehmen auch die des Managements, sind<br />
vergleichbar mit denen eines Piloten. Problemsituationen müssen schnell erkannt<br />
und geeignete Maßnahmen mit möglichst kurzem Zeitversatz eingeleitet werden,<br />
um eine Eskalation zu verhindern. Warum sollte daher der Cockpit-Gedanke nicht<br />
auch auf die Produktion übertragen werden? Dazu muss der heute noch bestehende<br />
Unterschied, dass an den Schaltstellen der Fertigung im Gegensatz zum Cockpit<br />
eines Flugzeugs die notwendigen Informationen nur unzureichend oder zu spät<br />
zur Verfügung stehen, durch integrierte <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ausgeglichen werden.<br />
Da naturgemäß jede Ebene im Unternehmen eine andere Sichtweise auf die Daten<br />
haben möchte, besteht eine wesentliche Aufgabe von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en darin,<br />
die Daten zu verknüpfen, auszuwerten, zu verdichten und in geeigneter Form zum<br />
Beispiel als Übersichten, Listen oder Grafiken verfügbar zu machen. Entscheidend<br />
dabei ist, dass alle Auswertungen und Statistiken auf den gleichen Datenbestand<br />
aufsetzen und daher Wahrheitsgehalt und Aktualität so gegeben sind, dass die Daten<br />
als Entscheidungsgrundlage genutzt werden können.
94 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
Die folgende Aufzählung soll beispielhaft verdeutlichen, welche typischen<br />
Funktionen im Sinne des <strong>Manufacturing</strong> Cockpits ein richtig konzipiertes <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> den jeweiligen Bereichen eines Fertigungsbetriebes bieten kann. Der Fokus<br />
liegt dabei auf den übergreifenden Funktionen, also denen, die gleichzeitig<br />
den Blick auf unterschiedliche Ressourcen zulassen.<br />
<strong>MES</strong>-Funktionen im Meisterbüro<br />
− aktuelle Übersichten zu Aufträgen und Maschinen zum schnellen Erkennen von<br />
Problemsituationen,<br />
− einfache Planungstools zum Festlegen der Bearbeitungsreihenfolge von Aufträgen<br />
und zum Umplanen von Aufträgen,<br />
− Urlaubs- und Fehlzeitenplanung für die zugeordneten Mitarbeiter als Teil der<br />
Personaleinsatzplanung,<br />
− aktuelle Übersichten zu den an- und abwesenden Mitarbeitern,<br />
− auftrags- und personalbezogene Schichtprotokolle,<br />
− Stillstandsauswertungen zu Maschinen und Anlagen,<br />
− Übersichten zu den aktuell gefertigten Qualitäten.<br />
Abb. 4.3. Der graphische Maschinenpark<br />
Mit dem in der Abbildung 4.3 dargestellten grafischen Maschinenpark hat der<br />
Meister zu jeder Zeit einen Überblick über den aktuellen Status der Maschinen<br />
und Aufträge Der entscheidende Vorteil besteht darin, dass alle Informationen
4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 95<br />
zeitgleich zur Verfügung stehen und damit den Verantwortlichen die Möglichkeit<br />
geben, sofort zu reagieren. Damit wird aus einer nachlaufenden Statistik eine aktive<br />
Regelung.<br />
Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung<br />
− Auftragsübergreifende Betrachtungen zum Fertigungsfortschritt inkl. Hochrechnungsfunktionen<br />
und automatischer Planungshilfen,<br />
− Materialbereitstellungs- und Umrüstlisten,<br />
− Komplexe Feinplanungswerkzeuge auf Basis grafischer Plantafeln,<br />
− Auftrags- und Artikelstatistiken, die Rückschlüsse darauf zulassen, wie ein<br />
identisches Teil in früheren Aufträgen „gelaufen“ ist,<br />
− Verfügbarkeitsbetrachtungen und -checks zu Maschinen, Werkzeugen, Personal<br />
und Material.<br />
Abb. 4.4. Graphische Plantafel<br />
Die grafische Plantafel ist das zentrale Informations- und Feinplanungsinstrument<br />
der Fertigungssteuerung. Hier werden die Kapazitäten buchungsfrei sowohl<br />
mit ihren aktuellen als auch zukünftigen Zuständen abgebildet. Damit lassen sich<br />
drohende Konflikte bereits im Voraus erkennen und beheben.
96 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
Instandhaltung<br />
− Grafischer Maschinenpark mit aktueller Anzeige der Maschinenzustände (zum<br />
Beispiel auch inkl. Projektion mit Beamer in der Werkhalle),<br />
− Wartungskalender für Maschinen und Werkzeuge,<br />
− Störgrundstatistiken mit einstellbaren Detaillierungsgraden,<br />
− Störklassenauswertungen,<br />
− Verlaufsdarstellungen (Profile) zu Kennzahlen, die für die Instandhaltung wichtig<br />
sind (Entwicklung des Nutzgrads, Maschinenzyklus etc.).<br />
Abb. 4.5. Störgrundstatistiken<br />
Störgrund- und Stillstandsstatistiken wie in der Abbildung 4.5 dargestellt, ermöglichen<br />
den Verantwortlichen (Gruppe, Meister, Instandhaltung etc.) ein gezieltes<br />
Aufspüren von Problemverursachern bei Maschinen und Anlagen.<br />
QS-Abteilung<br />
− automatisches Generieren von Prüfaufträgen auf der Basis von hinterlegten<br />
Prüfplänen<br />
− Online-Zählung von produzierten Teilen und automatische Überwachung von<br />
Stichprobenintervallen auf Basis eines integrierten Terminals mit BDE- und<br />
SPC-Funktionen<br />
− Fertigungsleitstand mit Überprüfung der Verfügbarkeit von Prüfplänen
4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 97<br />
− Erfassen von Chargen- und Los-Informationen innerhalb der normalen BDE-<br />
Buchungen<br />
− Generieren eines Enstehungsnachweises für Zwischen- und Fertigprodukte<br />
bzw. eines Verwendungsnachweises für Rohmaterial und Halbzeuge.<br />
Abb. 4.6. Chargen- und Losverfolgung<br />
Werden parallel zu den BDE-Meldungen auch Chargen- oder Losinformationen<br />
mit erfasst, entsteht automatisch ein Entstehungsnachweis (Chargenbaum) für die<br />
produzierten Erzeugnisse. Insbesondere vor dem Hintergrund der Anforderungen<br />
der modernen Zertifizierungsregelwerke (ISO 9001/TS 16949) kommt der Chargen-<br />
und Losdokumentation eine wachsende Bedeutung zu. Allgemein lässt sich<br />
sagen, dass eine Fülle von Anforderungen der Auditierung ohne ein integriertes<br />
<strong>MES</strong> heute nicht wirtschaftlich gelöst werden kann.<br />
Controlling und Management<br />
− Auswertungen zum Auslastungsgrad von Maschinen und den freien Produktionskapazitäten<br />
in kurz- und mittelfristigen Planungszeiträumen<br />
− Unterstützung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses durch langfristige<br />
Beobachtung der Entwicklung von Nutzgraden und anderen Kennzahlen<br />
− Nutzung von Methoden der <strong>Manufacturing</strong> Scorecard (MSC) (<strong>Kletti</strong> u.<br />
Brauckmann 2004) zur kontinuierlichen Überwachung von definierten Zielen<br />
− verdichtete Auswertungen und Statistiken zu „Problempunkten“ im Unternehmen<br />
wie Krankheitsstand, Lieferproblemen, Terminverletzungen, Ausschussentwicklung,<br />
Problemverursacher (Maschinen, Werkzeuge, produzierte Teile),<br />
Entwicklung der Liegezeiten etc.
98 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
Abb. 4.7. OEE Index zur Berechnung der Gruppenfähigkeit<br />
Das Management nutzt verdichtete Auswertungen und individuell ermittelte<br />
Kennzahlen wie den OEE-Index (Overall Equipment Efficiency), um die Effizienz<br />
von Maschinen und Anlagen exakt beurteilen zu können. Damit stehen erstmals<br />
objektiv messbare Kennzahlen für die operative Ebene zur Verfügung, die damit<br />
zur Grundlage permanenter Verbesserungen werden. Besonders das Problem prozessrelevanter<br />
objektiver Kennzahlen konnte in der Vergangenheit auf der Basis<br />
des betrieblichen Rechnungswesens nicht gelöst werden.<br />
Personalabteilung<br />
− aktuelle An- und Abwesenheitslisten<br />
− Delegation von zeitaufwendigen Routine-Tätigkeiten (Genehmigen von Urlaubsanträgen,<br />
Aufnehmen von Krankmeldungen, Fehlzeitenplanung) zum<br />
Meister und damit an den Ort, wo die Informationen in der Regel auch direkt<br />
eintreffen bzw. ohnehin verarbeitet werden müssen<br />
− Abgleichlisten, die einen automatischen Vergleich von Anwesenheits- und Produktivzeiten<br />
liefern<br />
− automatisierte Berechnung von Leistungs- und Prämienlöhnen und die erforderliche<br />
automatisierte Integration zu den Lohn- und Gehaltssystemen.<br />
− Aufbau eines Personalinformationssystems mit Daten, die zum Beispiel bei der<br />
Personaleinsatzplanung hilfreich sind.
Abb. 4.8. Personalverfügbarkeit<br />
4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 99<br />
Der in Abbildung 4.8 dargestellte Schichtplan zeigt auf Knopfdruck, wie viele<br />
und welche Mitarbeiter an welchem Tag für welche Schicht verfügbar sind und<br />
welche Fehlzeiten (z. B. Urlaub oder Weiterbildung) geplant sind.<br />
4.3.4 Eskalationsmanagement und Workflow<br />
Nahezu alle oben genannten Beispiele sind dadurch gekennzeichnet, dass die Daten<br />
bei Bedarf von den entsprechenden Stellen angefordert werden. Eine vollkommen<br />
neue Qualität der Informationsbereitstellung bieten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e, die<br />
über ein integriertes Eskalationsmanagement und einen darauf aufsetzenden, individuell<br />
definierbaren Workflow-Prozess verfügen. Der entscheidende Vorteil besteht<br />
darin, dass die notwendigen Informationen automatisch an den richtigen Ort<br />
transportiert werden und sich der Verantwortliche nicht mehr aktiv darum bemühen<br />
muss. Damit ist eine zeitnahe Benachrichtigung gegeben, wenn eine kritische<br />
Situation eingetreten und ein Eingriff in laufende Prozesse erforderlich ist.<br />
Für jede Eskalation bzw. jedes Ereignis kann zusätzlich ein Workflow hinterlegt<br />
werden. Innerhalb dessen wird geregelt, auf welche Art (z. B. SMS auf Mobiltelefone,<br />
per E-Mail, als Nachricht auf einen Pager oder als Popup-Fenster am<br />
Arbeitsplatz-PC) die Benachrichtigung erfolgt. Wird die Nachricht nicht innerhalb<br />
einer festgelegten Zeit vom Empfänger quittiert, sorgt die nächste Eskalationsstufe<br />
dafür, dass die Meldung auch an den Vertreter oder Vorgesetzten versandt wird.
100 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
Nachfolgend werden einige Beispiele aufgeführt, die die praktische Anwendbarkeit<br />
im Fertigungsumfeld illustrieren sollen:<br />
− Der Instandhalter bekommt eine Meldung auf seinem Pager, dass an einer Maschine<br />
ein bestimmter Störgrund eingetreten ist.<br />
− Das Wartungsintervall für ein Werkzeug ist erreicht. Der Verantwortliche im<br />
Werkzeugbau erhält eine E-Mail, aus der er die Werkzeugnummer und die<br />
durchzuführende Wartungsaktivität direkt ablesen kann.<br />
− Das <strong>MES</strong> hat an einer Maschine die Verletzung einer Eingriffs- oder Toleranzgrenze<br />
für einen Prozesswert (z. B. Temperatur oder Druck) erkannt. Der Einrichter<br />
wird darüber automatisch per SMS informiert.<br />
− Das lt. Prüfplan vorgegebene Prüfintervall bei der Abarbeitung eines Auftrags<br />
wurde erreicht. Der Qualitätsbeauftragte wird darüber informiert und kann sofort<br />
die notwendige Prüfung einleiten.<br />
− Die Kommunikation zwischen dem ERP-/PPS-<strong>System</strong> und dem <strong>MES</strong> ist bei<br />
der Übernahme der freigegebenen Fertigungsaufträge aus technischen Gründen<br />
unterbrochen worden. Der <strong>System</strong>administrator erhält eine E-Mail und kann sofort<br />
Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung einleiten.<br />
Abb. 4.9. Automatisch generierter Workflow zur Fehlerbearbeitung<br />
Ein Beispiel für einen Workflow. Sofort mit der Verletzung einer vordefinierten<br />
Eingriffsgrenze kann vom <strong>MES</strong> ein ebenfalls vordefinierter Workflow erzeugt<br />
werden, in dem festgelegt wird, welche Mitarbeiter mit welchen Aufgaben an der<br />
Abarbeitung beteiligt sind. Alle Bearbeitungsschritte werden in einer Maßnahmeverfolgung<br />
mit Datum und verantwortlichem Mitarbeiter erfasst.
Abb. 4.10. Maßnahmeverfolgung<br />
4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en 101<br />
Abbildung 4.10 zeigt eine Übersicht über alle aufgetretenen Eskalationen innerhalb<br />
eines ausgewählten Zeitraums. Die ausgewerteten Daten lassen Rückschlüsse<br />
auf die Reaktionszeit, die Bearbeiter und den Abschluss der Eskalation<br />
zu.<br />
Weitere typische Anwendungsfälle findet man darüber hinaus auch im Personal-<br />
und Sicherheitsbereich. So kann man zum Beispiel einen Workflow dafür einrichten,<br />
dass ein Mitarbeiter seinen Urlaubsantrag an einem I-Punkt (PC oder<br />
Terminal mit Webbrowser) stellt und der Vorgesetzte automatisch darüber informiert<br />
wird. Nach dem Genehmigen oder Ablehnen des Urlaubsgesuchs erhält der<br />
Mitarbeiter wiederum die entsprechende Nachricht am Zeiterfassungsterminal,<br />
wenn er am Abend seine Geht-Stempelung vornimmt.<br />
4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en<br />
Im gleichen Maß, wie sich Fertigungsunternehmen in den nächsten Jahren den<br />
veränderten Anforderungen des Marktes stellen müssen, werden <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e<br />
eine immer stärkere Bedeutung erlangen. Kürze Lieferzeiten, Kostendruck, geringere<br />
Losgrößen und erhöhte Qualitätsbedürfnisse erfordern eine leistungsfähige<br />
Fertigungsorganisation und -steuerung, die in der Lage ist, flexibel auf die Bedürfnisse<br />
der Kunden und die internen Randbedingungen zu reagieren. Und dies<br />
alles, ohne Qualitätsverluste und erhöhte Kosten in Kauf zu nehmen. Nur durch<br />
den Einsatz von integrierten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en wird es daher möglich sein, die internen<br />
Reibungsverluste zu reduzieren, kostengünstiger zu produzieren und die Fertigungsprozesse<br />
immer besser zu beherrschen. In diesem Sinne werden die darge-
102 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />
stellten <strong>MES</strong>-Funktionen für alle Unternehmensbereiche in Zukunft ein unverzichtbares<br />
Werkzeug zur Bewältigung der täglichen Aufgaben sein.<br />
Literatur<br />
<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard – Prozesse effizienter<br />
gestalten, mehr Kundennähe erreichen – mit vielen Praxisbeispielen. Gabler,<br />
Wiesbaden
4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en 103<br />
5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Aus den Anforderungen an ein modernes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ergibt sich die Notwendigkeit,<br />
solche <strong>System</strong>e in einer geeigneten Form zu strukturieren. Insellösungen oder<br />
auch klassische BDE-<strong>System</strong>e sind darauf ausgerichtet, mehrere monolithische<br />
Softwaremodule parallel auf einer Integrationsplattform betreiben zu können. Der<br />
Wunsch der Anwender, dass diese monolithischen Module miteinander kommunizieren<br />
bestand schon immer. Die Realität sah leider oftmals anders aus, wie beispielsweise<br />
die Notwendigkeit in einem früheren BDE-<strong>System</strong>, die Schichtleistung<br />
der Maschine und die gefertigten Teile für den Arbeitsgang zum Schichtende<br />
in zwei separaten Dialogen einzugeben.<br />
Einer der wichtigsten Gründe für diese Probleme war das Verlangen des Marktes<br />
nach Standardsoftware: Statt eine individuelle Programmierung zu beauftragen<br />
und die dazu notwendige Analyse der Anforderungen zu betreiben, versprachen<br />
diese Standardprodukte dem Anwender den schnellen und kostengünstigen Weg<br />
zum Ziel. Die Grenzen dieser Lösungen sind entsprechend dem genannten Beispiel<br />
klar zu erkennen: Die Integration dieser Produkte untereinander fand nur genau<br />
an der Stelle statt, wo diese explizit geplant wurde. Wurde diese Integration<br />
nicht für notwendig erachtet, dann stand diese auch nicht zur Verfügung und<br />
musste teilweise mit erheblichen Kosten nachträglich erkauft werden.<br />
In den letzten Jahren beschäftigen sich die Hersteller von <strong>MES</strong>-Lösungen sehr<br />
intensiv damit, die Grenzen der bisherigen Softwarearchitekturen zu durchbrechen.<br />
Die Stichworte „Prozessabbildung“, „Business Logik“ und „Prozess-<br />
Workflow“ sind mittlerweile jedem Entscheider und jedem Berater im <strong>MES</strong>-<br />
Umfeld vertraut, wobei ein Hinterfragen der Begrifflichkeiten sehr schnell zeigt,<br />
dass oft ein unterschiedliches Verständnis vorhanden ist. Tatsächlich steckt hinter<br />
dem Begriff <strong>MES</strong> und der zugehörigen Denkweise auch eine moderne Software-<br />
Architektur, welche im Wesentlichen folgende Anforderungen abdecken soll:<br />
− vollständige Abbildung aller Anforderungen unterhalb eines ERP-/PPS-<br />
<strong>System</strong>s (sog. horizontale Integration),<br />
− Verfügbarkeit als Standardsoftware mit folgenden Eigenschaften:<br />
- modulare Softwarestruktur,<br />
- Ausbaufähigkeit entsprechend den Anforderungen des Anwenders,<br />
- basierend auf gängigen Standards,<br />
− einfache Anpassbarkeit der Standardmodule sowohl auf die Prozesse als auch<br />
die funktionalen Anforderungen des Anwenders,<br />
− Verfügbarkeit von standardisierten Schnittstellen auf allen Ebenen.
104 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Die ersten beiden Punkte sind eine Grundvoraussetzung für ein ernstzunehmendes<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>. Ohne eine vollständige Abdeckung aller Anforderungen<br />
des Anwenders unterhalb eines ERP-/PPS-<strong>System</strong>s kauft sich der Anwender<br />
genau die Probleme ein, welche er eigentlich vermeiden will. Die im zweiten<br />
Punkt genannte Standardsoftware muss, wie noch ersichtlich wird, konform zu<br />
den Anforderungen der <strong>MES</strong>-Architektur zur Verfügung stehen und unterscheidet<br />
sich daher von den eingangs erwähnten ehemaligen monolithischen Standardprodukten.<br />
Nur dann können die Vorteile bezüglich der Anpassbarkeit auf die Prozesse<br />
des Anwenders vollständig genutzt werden. Über den vierten Punkt wird eine<br />
Flexibilität bereitgestellt, welche ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> als ein offenes und erweiterbares<br />
<strong>System</strong> auszeichnet. Die letzten beiden Punkte zusammen- stellen die Basis<br />
dar, mit welcher zukünftig ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> einfach und flexibel auf die Anforderungen<br />
des Anwenders an die Abbildung seiner sich ändernden Prozesse angepasst<br />
werden kann.<br />
Dieses Kapitel beschreibt die Architektur und den Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
mit seinen notwendigen Komponenten. Der Leser erhält sowohl eine Übersicht<br />
über die einzelnen Bestandteile eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s. Auf Basis dieser Informationen<br />
sollte es möglich sein, <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e nach ihrer Leistungsfähigkeit und Flexibilität<br />
auszuwählen und zu bewerten. Des Weiteren macht es sich dieses Kapitel<br />
zur Aufgabe, Informationen bereitzustellen, wie die für heutige Unternehmen so<br />
wichtige variable Abbildung der Prozesse durch ein modernes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> gelöst<br />
wird.<br />
5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Die Architektur von modernen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en orientiert sich wie andere Business-Lösungen<br />
auch an der sog. „Business Service Architecture” bzw. “Enterprise<br />
Service Architecture”, kurz ESA. Ein wichtiger Grund für die Wahl dieser Architektur<br />
liegt darin, dass im Lebenszyklus eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s wie auch in anderen<br />
Business-Lösungen immer wieder neue Anforderungen an das <strong>System</strong> gestellt<br />
werden, welche eine Anpassung der bisherigen Lösung an neue oder sich ändernde<br />
Prozesse des Anwenders erfordern.<br />
Die einzelnen Schichten der Architektur eines modernen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und deren<br />
Besonderheiten werden in den nachfolgenden Kapiteln erläutert.<br />
Neben der Gewährleistung von vorwiegend technischen Eigenschaften kommt<br />
sowohl der Architektur als auch den Basisfunktionen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ein besonderer<br />
Stellenwert zu. Unter der Voraussetzung, dass sowohl Architektur als<br />
auch die Basisfunktionen sauber definiert und implementiert sind und sich die Basisfunktionen<br />
an marktüblichen Standards orientieren, dann sind dies die besten<br />
Voraussetzungen für ein offenes, erweiterbares und zukunftssicheres <strong>System</strong> sowie<br />
zur Vermeidung von IT-Risiken.
Schnittstelle 3<br />
Schnittstelle 2<br />
Schnittstelle 1<br />
5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 105<br />
Prozessabbildung<br />
Business-Objekte und Methoden<br />
Datenschicht<br />
Basisfunktionen<br />
Abb. 5.1. Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Benutzeroberfläche 1<br />
Benutzeroberfläche 2<br />
Benutzeroberfläche 3<br />
Aus diesen Gründen leiden viele proprietäre <strong>System</strong>e am Mangel einer durchgängigen<br />
Architektur oder den fehlenden Möglichkeiten, innerhalb der Basisfunktionen<br />
neue Technologien schnell und problemlos ohne Auswirkungen auf die eigentlichen<br />
Anwendungen einfließen zu lassen und stellen somit ein IT-Risiko dar.<br />
5.1.1 Basisfunktionen<br />
Unter den Basisfunktionen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s versteht man eine Sammlung von<br />
softwaretechnischen Funktionen, welche produktübergreifend zur Verfügung stehen,<br />
damit die darauf aufbauenden Produkte möglichst mit den gleichen Bausteinen<br />
und nach einem einheitlichen Aufbau entwickelt werden. Wie bereits im vorigen<br />
Kapitel dargestellt, ermöglicht eine gute Basisfunktionalität das Einbinden<br />
oder Ersetzen von Technologien, ohne dass dies Einflüsse auf die einzelnen Produkte<br />
hat.<br />
Somit sorgen die Basisfunktionen für die Trennung der <strong>MES</strong>-Anwendungen<br />
von den technischen Komponenten, welche die Grundlage für jedes IT-<strong>System</strong><br />
darstellen. In der Praxis fordern die Anwender, oftmals aus konzerninternen<br />
Zwängen, den Wechsel des Betriebssystems, den Wechsel des Datenbanksystems<br />
oder den Wechsel von Kommunikationsprotokollen für ihre <strong>MES</strong>-Anwendung.<br />
Schon allein diese Änderungsforderungen zeigen die Schnelllebigkeit in der IT-<br />
Branche auf und zeigen, wie wichtig es ist, dass sich solche Änderungen möglichst<br />
nicht auf die eigentlichen Anwendungen auswirken.
106 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Die wichtigsten Funktionen und Ziele der Basisfunktionen im Einzelnen sind:<br />
− Bereitstellung einer einheitlichen Schnittstelle auf die zugrundeliegende Datenbank<br />
mit dem Ziel der Datenbankunabhängigkeit. Ein modernes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
unterstützt mehrere SQL-Datenbanksysteme. Die wichtigsten Datenbanksysteme<br />
sind Oracle, Microsoft SQL Server sowie die IBM-Datenbanken<br />
Informix bzw. DB2. Die Datenbankunabhängigkeit ist für ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> besonders<br />
wichtig, da aufgrund von Kosten für Lizenzen und Administrationsaufwendungen<br />
das Datenbanksystem vom Anwender einfach ausgetauscht<br />
werden kann.<br />
− Bereitstellung einer einheitlichen Schnittstelle auf das zugrundeliegende Betriebssystem<br />
mit dem Ziel der Unabhängigkeit vom Betriebssystem. Die wichtigsten<br />
Betriebssysteme für den Einsatz von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en sind Microsoft<br />
Windows, Linux sowie die Unix-Derivate IBM AIX, HP UX und SUN Solaris.<br />
Die Gründe für die Betriebssystemunabhängigkeit sind oftmals die gleichen<br />
wie für die Datenbankunabhängigkeit.<br />
− Bereitstellung von Kommunikationstechniken<br />
Beispiele:<br />
- gesichertere Netzwerkkommunikation auf Basis TCP/IP<br />
- Bussysteme in der Fertigung<br />
− Bereitstellung von Komponenten für <strong>MES</strong>-typische Aufgaben<br />
Beispiele:<br />
- Komponente für die Darstellung von Business-Diagrammen<br />
- Komponente für das Zwischenspeichern von Daten<br />
− - Komponenten für das sichere Erfassen und Prüfen von Daten<br />
− Bereitstellung von Schnittstellen und Funktionen zum Einbinden von Produkten<br />
mit den Bestandteilen Datenschicht, Anwendungsschicht und Prozessabbildung.<br />
− Bereitstellung von getrennten Datenbankbereichen für OLTP 1 und Langzeit zur<br />
Sicherstellung von Antwortzeiten einerseits sowie mittel- und langfristiger Verfügbarkeit<br />
von Daten andererseits<br />
− Bereitstellung von Technologien für Schnittstellen<br />
Beispiele:<br />
- WebServices<br />
- OPC<br />
- Excel-Export oder XML-Export<br />
− - verschiedene Dateiformate<br />
− Produktübergreifendes Alarmierungssystem mit den Kommunikationsendpunkten,<br />
Email, Handy, Pager usw. (sog. Eskalations-Management)<br />
− Funktionen für Protokollierung, Monitoring und Tracing (z. B. für das schnelle<br />
Erkennen und Auffinden von Fehlerzuständen)<br />
1 OLTP ist die Abkürzung für Online Transaction Protocol und steht an dieser<br />
Stelle als Synonym für den zeitnahen Datenbankbereich eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s
5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 107<br />
Für ein offenes <strong>System</strong> ist es zusätzlich wichtig, dass der <strong>MES</strong>-Hersteller einen<br />
Teil seiner Schnittstellen offen legt, insbesondere für die Schnittstellen und Funktionen<br />
zum Einbinden von Produkten. Ist dies der Fall, dann besteht für Partner<br />
oder sogar für IT-versierte Anwender potenziell die Möglichkeit, eigene Anwendungen<br />
in das bestehende <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu integrieren.<br />
Speziell beim Einsatz in der Lebensmittelindustrie und im Pharmabereich werden<br />
zusätzliche technische Anforderungen bezüglich der sog. „FDA-Konformität“<br />
an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> gestellt, welche idealerweise bereits durch die Basisfunktionen<br />
eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s abgebildet oder zumindest unterstützt werden. Zusätzlich<br />
verfügt ein Lieferant geeigneter <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e für den Bereich Lebensmittel und<br />
Pharma über Kenntnisse und Erfahrungen in der FDA-konformen Projektierung<br />
und Entwicklung von Software.<br />
5.1.2 Datenschicht<br />
Die Datenschicht ist der Teil der <strong>MES</strong>-Anwendung, welcher für die Definition der<br />
Datenbankstrukturen sowie für die darin abgelegten Daten zuständig ist und damit<br />
für die sog. Persistenz der Daten sorgt. Jedes <strong>MES</strong>-Produkt besitzt zu einer Version<br />
eines Produkts das zugehörige Datenmodell. Dieses Datenmodell wird heute<br />
üblicherweise in relationalen Datenbanksystemen abgelegt und die zugehörigen<br />
Daten werden mittels SQL (Structured Query Language) bearbeitet.<br />
Die Notwendigkeit der Definition einer Datenschicht zeigt sich bei der Gesamtbetrachtung<br />
wie Produkte in der Architektur eines modernen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
abgebildet werden.<br />
Aus der obigen Abbildung lässt sich erkennen, dass sich die Produkte eines<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s über drei Schichten der <strong>System</strong>architektur verteilen. Von diesem<br />
Modell lässt sich eine Regel in der Form ableiten, dass Veränderungen bzw. Erweiterungen<br />
an einem Produkt möglichst nur in einer Schicht stattfinden. Diese<br />
Regel gewährleistet Stabilität und reduziert den Änderungsaufwand. Die Änderung<br />
selbst findet genau in der Schicht statt, welche für die Änderung zuständig<br />
ist.<br />
Die Datenschicht übernimmt hierbei die Aufgabe, dass die Daten eines <strong>MES</strong>-<br />
Produkts auf Basis des zugrunde liegenden Datenbanksystems zuverlässig und<br />
dauerhaft geschrieben und auch wieder gelesen werden können. Die Datenschicht<br />
definiert hierzu die notwendigen Tabellen und Felder innerhalb des Datenbanksystems.<br />
Alle Änderungen, Modifikationen und Produkterweiterungen, die sich auf<br />
die Persistenz der Daten beziehen, finden demnach in dieser Schicht statt. Weitere<br />
Beispiele für den Eingriff in das Datenmodell sind die Umstellungen von Datenbankstrukturen,<br />
z. B. aufgrund neuer Funktionalitäten oder eines weiteren <strong>System</strong>ausbaus<br />
in weitere Produktionsbereiche oder zur Abdeckung weiterer Anwendungen.<br />
Damit wird deutlich, dass das Datenmodell oftmals technischen Änderungen<br />
unterliegt, die nur bedingt mit den Anforderungen an die Anwendung konform<br />
gehen.
108 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Prozessabbildung<br />
Business-Objekte<br />
und Methoden<br />
MM HR QM<br />
Datenschicht MM HR QM<br />
Basisfunktionen<br />
MM HR QM<br />
MM, HR und QM sind beispielhafte Produkte eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Abb. 5.2. Produktabbildung in der Enterprise-Service-Architektur<br />
Für den Anwender ergibt sich die Möglichkeit, über Reporting-Tools direkt auf<br />
die Datenschicht zuzugreifen, um damit elegant und einfach eigene Auswertungen<br />
zu erstellen. Aufgrund der beschriebenen produktinternen Veränderungen bei Produktupgrades<br />
oder neuen Versionen eines <strong>MES</strong>-Produkts wird es häufig der Fall<br />
sein, dass die auf der Datenschicht aufgesetzte Auswertung an die veränderte Datenschicht<br />
anzupassen ist. Daraus lässt sich ableiten, dass direkte Zugriffe auf die<br />
Datenschicht nicht als „releasesicher“ eingestuft werden können. Releasesicherheit<br />
existiert erst dann, wenn über die Anwendungsschicht auf die Daten zugegriffen<br />
wird.<br />
5.1.3 Anwendungsschicht – Business-Objekte und Methoden<br />
Die Anwendungsschicht setzt auf der Datenschicht auf und stellt der Prozessabbildung<br />
Funktionalität zur Verfügung. Die Anwendungsschicht deckt folgende<br />
wichtige Anforderungen ab:<br />
− Die Anwendungsschicht stellt die Objekte und zugehörigen Methoden zur Erstellung<br />
der Geschäfts- bzw. Businesslogik in der Schicht Prozessabbildung zur<br />
Verfügung.<br />
Unter einem Objekt versteht man an dieser Stelle z. B. „Maschine 3523 mit<br />
zughörigen Daten“ oder „Arbeitsgang 7330022 010 mit zugehörigen Daten“.
5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 109<br />
Unter einer Methode versteht man Funktionen, mit welchen die Daten des Objektes<br />
bearbeitet werden können oder Funktionen, die Aktionen für das Objekt<br />
auslösen, wie z. B. das Anmelden einer Person an einer Maschine.<br />
− Die Anwendungsschicht stellt ihre Objekte und Methoden unabhängig vom Datenmodell<br />
bereit. Durch diese Vorgehensweise wird erreicht, dass bei Änderungen<br />
der zugrunde liegenden Datenstrukturen die Anwendungsschicht für die<br />
notwendige Kompatibilität sorgt und sich somit die Objekte und Methoden wie<br />
gewohnt verhalten. Bei neuen Funktionen stellt die Anwendungsschicht neue<br />
Objekte und neue Methoden hierfür explizit zur Verfügung.<br />
Die Anforderungen an die Anwendungsschicht machen deutlich, dass diese<br />
Schicht die wichtige Aufgabe hat, notwendige technische Veränderungen aufzufangen,<br />
sodass die Prozessabbildung wie gewohnt funktioniert. Die Architektur<br />
eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sorgt somit bei richtiger Umsetzung dafür, dass bereits definierte<br />
Prozesse durch Veränderungen nicht beeinträchtigt werden.<br />
5.1.4 Prozessabbildung<br />
Die Prozessabbildung hat die Aufgabe, auf Basis der Methoden und Objekte der<br />
Anwendungsschicht die eigentliche Geschäftslogik abzubilden. Synonym für die<br />
Begriffe Geschäftslogik stehen auch die Begriffe Business-Logik oder Enterprise-<br />
Logik.<br />
Die Prozessabbildung empfängt über Schnittstellen oder grafische Oberflächen<br />
Botschaften inklusive zugehöriger Daten, welche im Wesentlichen über „Wenndann“–Bedingungen<br />
und Nutzung der Objekte und Methoden der Anwendungsschicht<br />
abgearbeitet werden. Die Prozessabbildung beinhaltet somit die eigentliche<br />
Logik einer Anwendung bzw. eines Produktes und nutzt dazu die darunterliegenden<br />
Schichten. Ein wesentliches Merkmal der Prozessabbildung ist, dass ihr<br />
die Objekte und Methoden sämtlicher Produkte zur Verfügung stehen. Somit ist es<br />
gegenüber monolithischen Produkten problemlos möglich, in der Prozessabbildung<br />
mehrere Produkte miteinander zu verweben.<br />
Dieser Vorteil vergrößert sich noch deutlich, wenn zu einem späteren Zeitpunkt<br />
weitere Produkte zum Einsatz kommen sollen. Falls notwendig, dann werden einfach<br />
die Methoden der neuen Produkte in die bestehenden Prozessabbildungen<br />
einbezogen. Somit wird deutlich, dass sich mit den genannten Möglichkeiten eine<br />
vollständige horizontale Integration und Verwebung der Anwendungen schaffen<br />
lässt, welche auch stufenweise erfolgen kann.<br />
Ein weiterer Vorteil der Prozessabbildung ist die große Releasesicherheit, welche<br />
diese Schicht bereitstellt. Die darunter liegenden Schichten gewährleisten eine<br />
Kompatibilität bei Änderungen und Modifikationen wie z. B. bei Produktupgrades,<br />
sodass die erstellte Prozessabbildung nicht beeinflusst wird.<br />
Für die Wenn-dann-Beziehungen können nach wie vor die klassischen Konfigurationseinstellungen<br />
genutzt werden. Diese werden der Prozessabbildung über<br />
entsprechende Methoden aus der Anwendungsschicht zur Verfügung gestellt. Die<br />
genannten „Wenn-dann-Bedingungen“ lassen sich aber auch grafisch darstellen,
110 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
es entstehen dann sog. Workflows. Der Vorteil einer grafischen Darstellung ist es,<br />
dass solche Workflows einerseits klar und übersichtlich die Abläufe beschreiben,<br />
andererseits gibt es die Möglichkeit, solche Workflows in elektronischer Form zu<br />
erstellen und daraus dann die Prozessabbildung zu generieren.<br />
5.1.5 Die Vorteile der ESA-Architektur für <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e<br />
In <strong>System</strong>en ohne eine solche Architektur bedeuten Änderungen der Abläufe und<br />
Prozesse des Anwenders oftmals immense Aufwendungen und Kosten innerhalb<br />
der eingesetzten Software, da insbesondere bei produktübergreifenden Änderungen<br />
zum Teil erheblich in die Standardverarbeitung eingegriffen werden musste.<br />
Die vorgestellte Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s kann bei richtiger und konsequenter<br />
Anwendung die Kosten deutlich reduzieren und eine schnellere Umsetzung<br />
gewährleisten. Im günstigsten Fall muss nur in die „Prozessabbildung“ eingegriffen<br />
werden, d. h. die eingesetzten Standardprodukte müssen nicht geändert<br />
werden.<br />
Weitere Vorteile einer ESA-Architektur für <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e:<br />
− Die Grenzen der klassischen Konfigurationsmöglichkeiten können mit der<br />
ESA-Architektur fallen, neue Möglichkeiten wie grafische Workflows schaffen<br />
Übersichtlichkeit, Transparenz und Sicherheit.<br />
− Eine vollständige horizontale Integration ist realistisch, die Aufwendungen liegen<br />
deutlich geringer als bisher.<br />
− Eine stufenweise Einführung der Lösung ist wesentlich einfacher als bisher.<br />
− Prozesse können in Form von grafischen Workflows abgebildet werden.<br />
− Die Abläufe der Prozesse lassen sich gegenüber monolithischen Produkten wesentlich<br />
leichter modifizieren, auch nach der Einführungsphase.<br />
− Das Risiko, dass sich neue Fehler in bestehende Abläufe einschleichen, reduziert<br />
sich.<br />
− Die Aufwendungen bei Produktwechsel reduzieren sich.<br />
− Die Testphasen und Testaufwendungen reduzieren sich.<br />
− Für Partner oder IT-versierte Kunden besteht die potenzielle Möglichkeit, zum<br />
<strong>MES</strong>-Lieferanten gleichwertige Produkte oder Module zu erstellen.<br />
Abbildung 5.3 stellt den Unterschied einer produktübergreifenden Änderung zwischen<br />
der klassischen Architektur und der ESA-Architektur dar.
Monolithische Architektur:<br />
5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 111<br />
Monolithische<br />
Produkte Material Arbeitsgänge Qualität<br />
Enterprise Service Architecture:<br />
Prozessabbildung<br />
Neuer<br />
Material Arbeitsgänge Qualität<br />
Prozess<br />
Business-Objekte<br />
und Methoden Material Arbeitsgänge Qualität<br />
Legende:<br />
Standardprodukt<br />
Anpassung<br />
Abb. 5.3. Änderungstiefe bei monolithischer Enterprise-Service-Architektur<br />
Methode Standardprodukt<br />
Methode Anpassung<br />
Es ist ersichtlich, dass in monolithischen Architekturen Eingriffe in mehrere<br />
Standardprodukte notwendig sind und diese Änderungen müssen auch gegenseitig<br />
korrekt miteinander kommunizieren. Innerhalb einer ESA-Architektur kann die<br />
Änderung im günstigen Fall durch das Einrichten eines neuen Prozesses erfolgen,<br />
welcher vorhandene Aufrufe der Standardprodukte nutzt.<br />
Diese Vorgehensweise ist dann möglich, wenn die Produkte des <strong>MES</strong>-<br />
Anbieters entsprechend der ESA-Architektur aufgebaut sind, d. h. neben der Bedienoberfläche<br />
und den zugehörigen Schnittstellen besitzen diese Produkte ihre<br />
eigene Datenschicht, ihre Anwendungsschicht sowie ihre eigene Prozessabbildung.<br />
5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Mit Schnittstellen werden die Kommunikationseinrichtungen bezeichnet, mit welchen<br />
unterschiedliche <strong>System</strong>e ihre Daten austauschen. Für ein modernes <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> sind Bereitstellung und Unterstützung von standardisierten Schnittstellen<br />
unerlässlich, und zwar aus folgenden Gründen:
112 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
− <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e differenzieren und automatisieren die Prozesse von ERP-/PPS-<br />
<strong>System</strong>en und komprimieren die technischen Daten im <strong>MES</strong>-Umfeld zu ERP-/<br />
PPS-tauglichen Informationen. Schnittstellen fungieren als Bindeglied zwischen<br />
diesen beiden <strong>System</strong>en und übernehmen den Datenaustausch bei der<br />
Übernahme von Stammdaten und Bewegungsdaten sowie bei Rückmelden von<br />
Istdaten, Änderungen und Korrekturen<br />
− <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e koppeln direkt an den Fertigungsprozess an (z. B. an Maschinensteuerung,<br />
BUS-<strong>System</strong>e oder RFID-Lesesysteme) und schaffen damit die<br />
Voraussetzung für eine möglichst gute Automatisierung von Abläufen<br />
− <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e entwickeln sich zunehmend als Integrationsplattform für vorhandene<br />
Insellösungen. Daten werden an bestehende <strong>System</strong>e des Kunden weitergereicht<br />
bzw. von dort eingesammelt, im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> mit den dort verfügbaren<br />
Informationen abgeglichen und an das ERP-/PPS-<strong>System</strong> weitergeleitet.<br />
Beispiele hierfür sind bestehende CAQ-Lösungen, bestehende CAD und DNC-<br />
Lösungen sowie <strong>System</strong>e für die Rückverfolgbarkeit des Materialflusses.<br />
Schnittstellen zwischen zwei <strong>System</strong>en verfügen prinzipiell über zwei Bestandteile.<br />
Einerseits dem technischen Teil, welcher sich um die Kommunikation und<br />
den Transport der Daten kümmert, andererseits um die eigentliche Definition der<br />
Daten. Die nachfolgenden Kapitel werden sich im Wesentlichen mit dem technischen<br />
Teil „Kommunikation und Transport“ beschäftigen, da die Dateninhalte von<br />
Anwendung zu Anwendung variieren.<br />
Für die Auswahl eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sollte auf jeden Fall beachtet werden,<br />
dass das <strong>System</strong> neue Kommunikationswege unterstützt und die Dateninhalte für<br />
die Schnittstellen flexibel zu definieren sind. Welchen Nutzen hat der Anwender<br />
von einer hochmodernen Technologie, wenn jede kleine Anpassung aufwändig<br />
und langwierig programmiert werden muss? Ein gutes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zeichnet sich<br />
an dieser Stelle dadurch aus, dass die Dateninhalte von Schnittstellen möglichst<br />
einfach, z. B. im Rahmen des Customizing, an die Anforderungen des Kunden angepasst<br />
werden können.<br />
5.2.1 Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en<br />
Die nachfolgenden Kapitel geben eine Übersicht zur Umsetzung der Aufgabe<br />
„Kommunikation und Transport“ von Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en<br />
wie ERP-/PPS-<strong>System</strong>e, Lohn und Gehaltssysteme. Zusätzlich werden die einzelnen<br />
Möglichkeiten kurz bewertet.<br />
5.2.1.1 Schnittstelle Datenbank zu Datenbank<br />
Immer wieder tauchen Anfragen auf, warum kann man nicht einfach Datenbank<br />
mit Datenbank koppeln kann. Mögliche technische Schnittstellen hierzu sind die<br />
sog. nativen Treiber der Datenbankhersteller, aber auch ODBC oder JDBC. Die
ASCI XML<br />
Dateischnittstelle<br />
Internet oder<br />
Intranet<br />
WebService<br />
Prozessabbildung<br />
Business-Objekte und Methoden<br />
Datenschicht<br />
Basisfunktionen<br />
Abb. 5.4. Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en<br />
5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 113<br />
IDOC<br />
RFC-Client<br />
Gründe für solche Überlegungen sind naheliegend, da die Definitionen der Datenbankstrukturen<br />
vorliegen und vermeintlich eine schnelle Implementierung möglich<br />
ist. Wie im obigen Kapitel Datenschicht beschrieben, gehört die Datenschicht<br />
zum innersten Teil eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und ist damit eine denkbar schlechte Basis<br />
für das Aufsetzen von Schnittstellen. Datenbank-Änderungen, ggf. die Umstellung<br />
des Datenbanksystems und das völlige Umgehen der Anwendungsschicht und der<br />
Prozessabbildung sind die eindeutigen Argumente gegen eine solche Schnittstelle.<br />
5.2.1.2 Dateibasierte Schnittstellen<br />
Aus technischer Sicht angestaubt und in die Jahre gekommen, erfüllen dateibasierte<br />
Schnittstellen aus Sicht der Anwendung nach wie vor ihre Aufgabe. Dateibasierte<br />
Schnittstellen können auf der Prozessabbildung aufsetzen und sind damit<br />
prinzipiell releasesicher. Weitere Vorteile sind der einfache Datenaustausch sowohl<br />
in der Entwicklungsphase als auch in der späteren Anwendung, die gute<br />
Kontrollierbarkeit der Inhalte und auch die einfache Möglichkeit, verarbeitete Dateien<br />
für Kontrollzwecke wegzuspeichern. Die Nachteile liegen an der fehlenden<br />
Onlinefähigkeit von dateibasierten Schnittstellen, da Dateien zyklisch abgefragt<br />
werden müssen. Ein bevorzugter Einsatz von dateibasierten Schnittstellen findet<br />
sich daher bei mittlere bis größere Datenmengen, bei denen ein bestimmter Zeitverzug<br />
in Kauf genommen werden kann.
114 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Neben proprietären Dateiformaten (ASCI, CSV usw.) kommen immer häufiger<br />
XML-Dateien für den Datenaustausch zum Einsatz. Die Vorteile von XML-<br />
Dateien sind die plattformunabhängige Speicherung von Daten und die Möglichkeit,<br />
diese Dateien innerhalb von WebServices auszutauschen.<br />
5.2.1.3 WebServices<br />
WebServices sind aktuell im IT-Umfeld als ein mögliches Heilmittel für viele bestehende<br />
Unzulänglichkeiten von Software-<strong>System</strong>en in aller Munde. Die wesentlichen<br />
Eigenschaften von WebServices sind:<br />
− normierter Standard,<br />
− Netzwerk- bzw. Internet-basierter Datenaustausch,<br />
− plattformunabhängiger Aufbau,<br />
− Online-Fähigkeit,<br />
− leichte Erweiterbarkeit.<br />
Die genannten Eigenschaften zeigen, dass WebServices alle Voraussetzungen<br />
mitbringen, um die Aufgaben einer systemübergreifenden Kommunikation zu lösen.<br />
Aufgrund der normierten Standardisierung durch das World Wide Web Konsortium<br />
W3C bieten WebServices die notwendige langfristige Stabilität und zielorientierte<br />
Weiterentwicklung, welche für einen Industriestandard notwendig ist.<br />
WebServices ermöglichen prinzipiell Online-Anfragen, sodass Ad-hoc-Anfragen<br />
in anderen <strong>System</strong>en technisch machbar sind. Aus aktueller Sicht scheinen daher<br />
WebServices mittelfristig die Standardtechnologie für den Datenaustausch zwischen<br />
ERP-/PPS- und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e zu werden.<br />
5.2.1.4 RFC und IDOC<br />
Diese Technologie stammt aus dem Umfeld von SAP und stellt die Basis für alle<br />
Online-tauglichen Kommunikationsschnittstellen zwischen SAP R/3 und <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong>en unter SAP dar. Unter RFC versteht man sog. Remote Function Calls, in<br />
diesem Fall das Transportmittel für die Daten. Hierzu stellt SAP dem <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> eine Programmbibliothek sowie eine Entwicklungsumgebung zur Verfügung,<br />
mit welcher <strong>MES</strong>-seitig die Schnittstelle realisiert werden kann. Die Daten<br />
werden im IDOC-Format (Intermediate Document) übertragen, wobei aus dem<br />
Aufbau dieses IDOCs die Datenstruktur und damit die Dateninhalte bestimmt<br />
werden können. Der Nachteil dieser Lösung ist, dass SAP-seitig nur für die wichtigsten<br />
Betriebssysteme die Programmbibliothek zur Verfügung gestellt wird und<br />
dass diese Technologie ausnahmslos im SAP-Umfeld zum Einsatz kommt.<br />
5.2.1.5 EDI<br />
Diese Schnittstelle zum Austausch von strukturierten Geschäftsdaten wird nur zur<br />
Vollständigkeit erwähnt. Innerhalb der Kommunikation ERP-/PPS und <strong>MES</strong> hat<br />
EDI (Electronic Data Interchange) bisher keine tragende Rolle eingenommen.
5.2.2 Schnittstellen für die horizontale Integration<br />
5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 115<br />
Ausgehend von der Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s nutzen alle Schnittstellen die<br />
Prozessabbildung, um über die verfügbaren Botschaften die definierten<br />
Workflows mit entsprechenden Daten aufzurufen (Abb. 5.5). Aus der Definition<br />
heraus bietet eine auf diese Art realisierte Schnittstelle folgende Vorteile:<br />
− Schnittstellen nutzen somit die definierte Businesslogik.<br />
− Es existieren auch für Schnittstellen Eingriffsmöglichkeiten in die Abläufe der<br />
Workflows auf Ebene der Prozessabbildung.<br />
− Schnittstellen bieten in diesem Fall Releasesicherheit.<br />
Auf der Prozessabbildung setzen bei <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en üblicherweise die Benutzeroberflächen<br />
und Erfassungssysteme auf. Somit es ist für das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
möglich, z. B. einen Arbeitsgang an einem Erfassungsgerät zu starten und an einem<br />
Info-Arbeitsplatz zu beenden. Legt der Hersteller des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s die Botschaften<br />
in Richtung Prozessabbildung offen und macht diese Informationen seinen<br />
Kunden oder Partnern zugänglich, dann stehen auf dieser Ebene neue<br />
Möglichkeiten zur Verfügung, wie das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eingesetzt werden kann. Die<br />
Verwendung dieser Botschaften eignet sich besonders gut, bestehende <strong>System</strong>e<br />
mit einer gewissen Intelligenz oder eigener Verarbeitung an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> anzukoppeln,<br />
wodurch eine horizontale Integration möglich wird. Wird dieser Gedanke<br />
konsequent weitergedacht, dann entwickelt sich das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zur Integrationsplattform<br />
und bisherige Insellösungen müssen nicht abgelöst werden,<br />
sondern bleiben als spezialisierter Datensammler erhalten und liefern ihre Daten<br />
an das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ab.<br />
5.2.3 Schnittstellen zum Produktionsmittel<br />
Für ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sind Schnittstellen zum eigentlichen Produktionsmittel, wie<br />
Maschine, Aggregat, oder Linie, aber auch zu Anlagensteuerungen, unverzichtbar.<br />
Die wichtigsten Daten, welche ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> an die Produktionsmittel weitergibt,<br />
sind Sollwertvorgaben, Prozesswertvorgaben, Rezepturen und Mischungen<br />
sowie DNC-Programme. Die wichtigsten Daten, welche ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> von den<br />
Produktionsmitteln aufnimmt sind im Wesentlichen Maschinentakt, Zählimpulse,<br />
Betriebssignale, Maschinenstatus, Messwerte und Prozessdaten.<br />
Ziel dieser Anbindungen sind zum einen ein hoher Automatisierungsgrad und<br />
damit die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit sowie die Reduzierung von Fehlbedienungen.<br />
Andererseits richten sich die Anforderungen an die Erreichung und Kontrolle<br />
einer spezifizierten Qualität des gefertigten Produktes sowie der Qualität<br />
und Kontrolle des eigentlichen Fertigungsprozesses.
116 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Insellösung 2<br />
Insellösung 1<br />
Abb. 5.5. <strong>MES</strong> als Integrationsplattform<br />
5.2.3.1 Proprietäre Schnittstellen<br />
Prozessabbildung<br />
Business-Objekte und Methoden<br />
Datenschicht<br />
Basisfunktionen<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
Es gibt eine Vielzahl an Schnittstellen zu Produktionsmitteln, deren Aufzählung<br />
den Rahmen an dieser Stelle sprengen würde. Diese Vielfältigkeit stellt jedoch<br />
durchaus ein Problem für <strong>MES</strong>-Hersteller und Kunden dar, da aufgrund fehlender<br />
Standards jeder Maschinenhersteller bis vor wenigen Jahren und teilweise noch<br />
heute eigene, proprietäre Steuerungen und Protokolle entwickelt, sodass sich die<br />
Anbindung eines heterogenen Maschinenparks für den Anwender oftmals teuer<br />
und aufwändig gestaltet hat. Einige <strong>MES</strong>-Hersteller haben sich mittlerweile im<br />
Rahmen von jahrelanger Projektarbeit das Know-how zur Anbindung der unterschiedlichsten<br />
Maschinen und Steuerungen erarbeitet, sodass auch heterogene<br />
Maschinenparks wirtschaftlich an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> angekoppelt werden können.<br />
Da es aber auch an dieser Stelle eine Weiterentwicklung geben wird, müssen<br />
sich zukünftig die Maschinenhersteller dem Druck bezüglich standardisierter und<br />
offener Schnittstellen beugen. Nur dann hat der Anwender die Sicherheit, dass<br />
seine Investitionen auf längere Zeit gesichert sind und dass die Kosten für die Anbindung<br />
einer Maschine an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> möglichst niedrig ausfallen.<br />
5.2.3.2 OPC<br />
Unter OPC (OPE für Process-Control) versteht man eine windowsbasierte Schnittstelle<br />
zum Datenaustausch zwischen zwei <strong>System</strong>en. Diese Schnittstelle wurde
5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 117<br />
speziell für die Maschinenanbindung entwickelt und hat den Vorteil, dass sich<br />
ähnlich wie bei WebServices ein Konsortium (die OPC Foundation) um die Definition<br />
und Einhaltung der Schnittstelle kümmert. Die weiteren Vorteile der OPC-<br />
Schnittstellentechnologie sind:<br />
− Auflösung der Herstellerabhängigkeit bei Hard- und Software<br />
− Einfache Konfiguration der auszutauschenden Informationen<br />
− Netzwerkfähigkeit<br />
− OPC erlaubt einen parallelen Zugriff auf die Daten, welche der OPC-Server bereit<br />
stellt.<br />
5.2.3.3 Euromap 63<br />
Euromap 63 ist eine standardisierte Schnittstelle für den Datenaustausch mit<br />
Spritzguss-Maschinen, welche vom Europäischen Komitee der Maschinenhersteller<br />
festgelegt wurde. Die Euromap-Schnittstelle weist folgende Eigenschaften aus:<br />
− Euromap 63 ist spezialisiert auf den Datenaustausch mit Spritzguss-Maschinen<br />
− Euromap 63 ist nicht an eine Plattform gebunden. Die Euromap-Fähigkeit ist<br />
vielmehr eine Eigenschaft der Steuerung der Spritzguss-Maschine.<br />
Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Steuerungen der Maschinenhersteller<br />
sowie der freien Definierbarkeit der Inhalte der Schnittstelle durch den Maschinenhersteller<br />
fallen die Implementierungen von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich<br />
aus. Der Abstraktionsgrad ist daher nicht so gut wie bei OPC, dennoch<br />
zeigt sich, dass der Bereich Spritzguss durch die Verbreitung von Euromap 63 mit<br />
zu den Maschinen gehört, die am häufigsten an <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e angebunden sind.<br />
5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Eine wesentliche Eigenschaft von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en sind deren Benutzeroberflächen.<br />
Die wichtigsten Einsatzgebiete sind einerseits spezialisierte Oberflächen für<br />
die Verwendung in der Fertigung. Auf der anderen Seite sollen eine effektive<br />
Konfiguration des <strong>System</strong>s sowie die übersichtliche Präsentation der erfassten Daten<br />
möglich sein. Das nachfolgende Kapitel gibt hierzu Auskunft über die technischen<br />
Möglichkeiten, vor allem aber auch bezüglich des Nutzens, welchen <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong>e an dieser Stelle den Anwendern zu bieten haben.<br />
5.3.1 Technologien für Benutzeroberflächen<br />
5.3.1.1 Lokaler Client<br />
Diese Technologie existiert in mehreren Ausprägungen, vom einfachen<br />
Client/Server-<strong>System</strong> bis hin zu verteilten Anwendungen, in welchen ein Teil der<br />
Anwendung nicht mehr im Client ausgeführt wird.
118 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Die Vorteile dieser Lösung:<br />
− Die lokalen Ressourcen werden gut ausgenutzt<br />
− Kommunikation findet nur für den Datenaustausch statt<br />
− Komplexe Anwendungen sind problemlos realisierbar.<br />
Die Nachteile dieser Lösung:<br />
− Hoher administrativer Aufwand<br />
− Hohe Kosten pro Client.<br />
5.3.1.2 Thin Client<br />
Im Gegensatz zum lokalen Client kommt bei einer Thin-Client-Lösung nur noch<br />
eine Art Interpreter auf dem lokalen Arbeitsplatzrechner zum Einsatz. Sowohl die<br />
Oberfläche als auch die Daten werden zunächst an den Client übertragen und definieren<br />
dann zusammen die Anwendung. Über lokale Speicherstrategien am Client<br />
werden längere Wartezeiten beim Laden der Daten reduziert.<br />
Die Vorteile dieser Lösung:<br />
− Niedriger administrativer Aufwand<br />
− Geringe Kosten pro Client<br />
− Die Nachteile dieser Lösung:<br />
− Komplexe Anwendungen sind sehr aufwändig zu erstellen<br />
− Hohe Anforderungen bezüglich der LAN-Infrastrukrur<br />
− Eingeschränkte Möglichkeiten bei der grafischen Darstellung von technischen<br />
Sachverhalten.<br />
5.3.1.3 Windows Terminal Server und Citrix-Lösungen<br />
Diese Lösungen basieren auf der Strategie, die Vorteile der beiden zuvor genannten<br />
Lösungen zu verbinden. Es kommen normale Anwendungen zum Einsatz (lokale<br />
Clients), welche allerdings auf speziellen Servern ausgeführt werden. Auf<br />
dem lokalen Arbeitsplatzrechner wird nur noch ein spezieller Client ausgeführt,<br />
welcher nicht mehr die Daten und die Anwendung interpretiert, sondern nur noch<br />
die Bildschirmausgaben vom Server empfängt und anzeigt und umgekehrt die Benutzeraktionen<br />
wie Tastatur und Maus an den Server leitet. Diese Kombination erlaubt<br />
es, auch auf schwächeren Arbeitsplatzrechnern komplexe Anwendungen<br />
auszuführen. Außerdem reduzieren sich die administrativen Aufwände, da eine Installation<br />
der Anwendung nur noch auf dem Server notwendig ist.<br />
5.3.1.4 Smart Clients<br />
Microsoft propagiert aktuell sein neues Entwicklungsframework .NET. Dieses<br />
Entwicklungsframework erlaubt die Erstellung von sog. Smart Clients. Der Entwickler<br />
legt beim Entwicklungsprozess fest, welche Teile lokal und welche Teile<br />
auf dem Server laufen, sodass sich die Anwendungen wie eine Mixtur aus lokalem
5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 119<br />
Client und Thin Client darstellen. Smart Clients zeichnen sich außerdem noch dadurch<br />
aus, dass keine separate Installationsroutinen mehr durchlaufen werden<br />
müssen, stattdessen soll eine Software-Verteilung via Kopierbefehl die Administration<br />
dieser <strong>System</strong>e erleichtern.<br />
5.3.2 Benutzeroberflächen für Konfiguration, Monitoring und<br />
Reporting<br />
Als Plattform für den Bereich Konfiguration, Monitoring und Reporting kommt in<br />
vielen Fällen das Betriebssystem Microsoft Windows mit den aktuellen Versionen<br />
Windows XP und Windows 2000 zum Einsatz, diese gelten als Industriestandard.<br />
Als Technologien für die Benutzeroberfläche kommen alle genannten Möglichkeiten<br />
in Frage. Zur richtigen Auswahl der Technologie sollte der Nutzen der Anwendung<br />
im Vordergrund stehen. Für Infoarbeitsplätze und einfaches Controlling<br />
reichen Weblösungen sicher aus, dagegen werden auch in nächster Zukunft komplexe<br />
Anwendungen wie Leitstände, Planungsmodule oder Anwendungen mit<br />
speziellen Anforderungen an effektives Arbeiten einen lokalen Client benötigen.<br />
Die Benutzeroberfläche eines <strong>MES</strong> sollte folgende wichtige Eigenschaften haben:<br />
− Leichte Anpassbarkeit der Oberfläche für kundenspezifische Wünsche z. B.<br />
durch Benutzerfelder<br />
− Leistungsfähige Werkzeuge zum Erstellen von kundenspezifischen Reports<br />
− Leistungsfähige Werkzeuge zum Erstellen von kompletten kundenspezifischen<br />
Anwendungen (Application Designer)<br />
− Wie bereits in den vorigen Kapiteln erläutert, ergeben auch hier die richtige<br />
Kombination aus Technik und Anwendung den bestmöglichen Nutzen für den<br />
Anwender.<br />
5.3.3 Benutzeroberflächen für die Erfassung<br />
5.3.3.1 Besondere Anforderungen an die Benutzeroberfläche<br />
Im Bereich der Erfassung steht neben dem schnellen und effektiven Erfassen von<br />
Daten die Anzeige der Istsituation im Vordergrund. Im Rahmen der Verlagerung<br />
der Verantwortung in der Produktion hin zu den Werkern (z. B. Gruppenarbeit)<br />
oder aufgrund von Einsparungen wird aber auch das Reporting im Bereich der Erfassung<br />
zunehmend wichtiger, sodass schon auf der operativen Ebene Vergleiche<br />
zum Vortag oder zur letzten Woche möglich werden. Aus den genannten Gründen<br />
kommen auch im Bereich der Erfassung vermehrt Windows oder Windows CE-<br />
<strong>System</strong>e (CE für consumer electronisc, <strong>System</strong>e für kleinere Anwendungen) zum<br />
Einsatz, da aufgrund der grafischen Oberfläche mehr Informationen angezeigt<br />
werden können.<br />
Außerdem bieten diese Betriebssysteme gute Voraussetzungen für die Vernetzung<br />
im lokalen Netzwerk sowie eine einfache Einbindung von Druckern. Die gu-
120 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
te Vernetzbarkeit bringt den windowsbasierten <strong>System</strong>en entscheidende Vorteile<br />
im zunehmenden Segment der WLAN-Kopplungen, wobei in diesem Fall die Vorteile<br />
„mobile Erfassung“ und „Online-Datenzugriff“ miteinander kombiniert werden.<br />
Die Bedienung der Erfassungsgeräte erfolgt manuell über spezielle in das Gehäuse<br />
integrierte Tastaturen oder Touchscreen-Technologie. Außerdem kommen<br />
die unterschiedlichsten Lesesysteme für Barcodes, RFIDs oder sonstige Identträger<br />
wie auch die biometrische Erkennung zum Einsatz.<br />
Ein Argument für Windows-basierte Erfassungssysteme ist der Schutz der Investition,<br />
da solche Geräte von nahezu allen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en unterstützt werden.<br />
Andererseits gibt es einen großen Markt an speziellen Terminallösungen, welche<br />
auf anderen Betriebssystemen basieren, die vornehmlich dann zum Einsatz kommen,<br />
wenn die Anforderungen einfacher sind oder die Kosten pro Erfassungsgerät<br />
niedrig gehalten werden müssen.<br />
5.3.3.2 Einsatzmöglichkeiten der unterschiedlichen Technologien für<br />
Benutzeroberflächen<br />
Auch im Bereich der Erfassung finden die weiter oben erläuterten Technologien<br />
für Benutzeroberflächen Verwendung. Eine der wichtigsten Anforderung im Bereich<br />
der Erfassung ist die Offline-Fähigkeit: Fällt der Server oder das Netzwerk<br />
aus, so sollen je nach Anwendung die Erfassungsgeräte möglichst autark weiterarbeiten.<br />
Aus diesem Grund kommen in den meisten Fällen lokale Clients zum Einsatz<br />
(sog. Intelligente Clients), welche den Programmablauf steuern, einen Kommunikationsausfall<br />
erkennen und die Daten lokal puffern.<br />
Thin Clients wie webbasierte Lösungen gewinnen zunehmend an Bedeutung im<br />
Bereich der Erfassung. Bisher hat die fehlende Offline-Fähigkeit von Thin Clients<br />
deren Einsatz im Bereich der Erfassung stark eingeschränkt. Mit der zunehmenden<br />
Verwendung von WLAN-Lösungen erreicht man eine höhere Ausfallsicherheit<br />
und gewinnt an Mobilität, sodass sich auch Thin Clients im Bereich der Erfassung<br />
einsetzen lassen, wodurch sich eine Reduzierung des administrativen Aufwands<br />
erreichen lässt.<br />
Ein aktueller Trend ist die Verwendung von Windows Terminal Server und<br />
Citrix-Lösungen auch im Bereich der Erfassung. Verfügt man über eine hohe Ausfallsicherheit<br />
des Netzwerks, so lassen sich auch hier die kombinierten Vorteile<br />
dieser Technologie in der Fertigung nutzen.<br />
5.4 Ausblick<br />
„Nichts ist so stetig wie der Wandel“. Diese Aussage ist auch im Bereich <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong>e mehr als zutreffend. Auf der einen Seite verändern sich die Technologien.<br />
Der Trend geht, wie aus den obigen Ausführungen abgeleitet werden kann,<br />
klar in Richtung Kostenreduzierung, Wirtschaftlichkeit und Ersparnis von administrativen<br />
Aufwendungen. Die Bereitschaft der Anwender, in neue Technologien
5.4 Ausblick 121<br />
zu investieren, orientiert sich nicht mehr an „Featuritis“, sondern klar am Ziel,<br />
dass die Kosten für die IT reduziert werden müssen.<br />
Auf der anderen Seite werden ähnliche Forderungen an die Fertigung eines<br />
modernen Unternehmens gestellt. Abläufe müssen schnell geändert werden, Prozesse<br />
müssen schnell und flexibel neu abgebildet werden, Wartungs-, Ausfall- und<br />
Lagerzeiten müssen reduziert werden.<br />
Ein wichtiges Hilfsmittel zur Erreichung dieser Ziele ist die Auswahl des richtigen<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s. Orientiert sich das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> an den technischen Anforderungen<br />
der Anwender, dann ermöglicht das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die Reduzierung der laufenden<br />
Kosten für die eigene Verwendung.<br />
Aber noch viel wichtiger ist, dass das richtige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die notwendige<br />
Flexibilität mitbringt, damit die Forderungen des Anwenders in einem überschaubaren<br />
kostenseitigen und terminlichen Rahmen erfüllt werden können. Hierzu<br />
stellt der <strong>MES</strong>-Lieferant ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sowie geschultes Personal zur Verfügung,<br />
so dass über<br />
− Parametrisierung<br />
− Customizing<br />
− Klassische Anpassung<br />
− Eigenentwicklung durch den Anwender<br />
− die Funktionen<br />
− Prozessabbildung<br />
− Schnittstellen<br />
− Benutzeroberflächen<br />
− möglichst optimal an die Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden können.<br />
Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der einfachen Anpassbarkeit der Prozessabbildung,<br />
da Änderungen im Lebenszyklus eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s an dieser Stelle<br />
die meisten Kosten verursachen. Des Weiteren sollte der <strong>MES</strong>-Anbieter sowohl<br />
technologisch als auch anwendungsseitig möglichst viele der real existierenden<br />
Anforderungen des Anwenders abdecken. Sind diese Voraussetzungen gegeben,<br />
dann sollte einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen dem richtigen <strong>MES</strong>-<br />
Lieferanten und Anwender nichts mehr im Wege stehen, zumal solche Beziehungen<br />
mittel- bis langfristig bestehen werden.
5.4 Ausblick 123<br />
6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
6.1 <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ermöglichen Fertigungsmanagement<br />
Während Büroarbeitsplätze im Laufe der letzten 20 Jahre mit PCs ausgestattet<br />
wurden, erleben wir aktuell die konsequente Fortsetzung dieses Trends im Bereich<br />
der Fertigung. Am Info-Punkt in der Fertigung entsteht der Büroarbeitsplatz des<br />
Werkers.<br />
Im Gegensatz zum Computereinsatz in der Verwaltung, bei der die Textverarbeitung,<br />
Tabellenkalkulationsprogramme und ERP-<strong>System</strong>e im Vordergrund<br />
stehen, nutzt der Werker Programme, die auf das fertigungsnahe Datenhandling<br />
zugeschnitten sind.<br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist das Informations- und Erfassungssystem für Fertigung<br />
und Produktion. Hier werden die aktuellsten Statusinformationen zu Auftrag, Maschine,<br />
Werkzeug, Material und Personal zusammengeführt und anwendungsgerecht<br />
aufbereitet. Disponenten, Fertigungssteuerer, Logistiker, Fertigungsmeister<br />
und der Werker selbst nutzen die Online-Informationen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und<br />
können situativ die richtigen Entscheidungen treffen, wenn Produktionsprozesse<br />
nicht planmäßig ablaufen. Ein optimales Fertigungsmanagement wird durch ein<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erst ermöglicht.<br />
Das ERP-<strong>System</strong> schaut durch ein Fernglas auf die Fertigung. Dort werden die<br />
Produktionsabläufe geplant und nachkalkuliert auf der Basis von Fertigungsrückmeldungen<br />
aus dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>.<br />
Prozessrechner mit Visualisierungen stellen Insellösungen dar, die auf den jeweiligen<br />
Prozess optimal ausgelegt sind. Aus der Sicht des Fertigungsmanagements<br />
ist dies der Blick durch ein Mikroskop. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist das Bindeglied<br />
zwischen der ERP-Ebene und dem Fertigungsprozess. Hier sind alle Daten zusammengeführt,<br />
die optimale Entscheidungen durch das Fertigungsmanagement<br />
ermöglichen.<br />
6.2 Das <strong>MES</strong>-Modell<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e stellen erfasste Daten den Sollvorgaben gegenüber. Die <strong>MES</strong>-<br />
Funktionalität ist somit aufgeteilt in eine Erfassungsfunktionalität und in eine Überwachungsfunktionalität<br />
auf diesen erfassten Daten. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> wird<br />
zielgerichtet eingesetzt und auf die Daten fokussiert, die für das jeweilige Unter-
124 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
nehmen wichtig sind. Der vorliegende Aufsatz gliedert sich in die drei Schwerpunktthemen:<br />
<strong>MES</strong>-Datenanalyse<br />
Die Aufgabe der Datenanalyse steht am Anfang eines <strong>MES</strong>-Projektes. Häufig<br />
lassen sich aus dem Produktionsprozess oder der Branche des Anwenders die<br />
typischen <strong>MES</strong>-Erfassungsobjekte ableiten. Das Ergebnis ist eine Aufstellung<br />
der Erfassungsobjekte als Grundlage der Datenbasis des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s.<br />
Erfassungsfunktionalität<br />
Anforderungen an eine optimal abgestimmte Erfassungsfunktionalität bilden<br />
den zweiten Schwerpunkt der <strong>MES</strong>-Anforderungen. Welcher Automatisierungsgrad<br />
lässt sich bei der Erfassung umsetzen? Welche Daten müssen manuell<br />
erfasst werden? Die Festlegungen, welche Erfassungsfunktionen sich optimal<br />
in die bestehenden Fertigungsabläufe integrieren lassen, werden hierbei<br />
getroffen.<br />
Informationsdarstellung und Aufbereitung von Auswertungen <strong>MES</strong>-<br />
Anwender interessieren sich für unterschiedliche <strong>MES</strong>-Erfassungsobjekte zu<br />
unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Kumulationen und unterschiedlich<br />
aggregierten Darstellungen. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> muss für jeden Anwender<br />
Informationsaufbereitungen bieten und erfasste Informationen über<br />
Schnittstellen weiterleiten.<br />
Die Zusammenhänge zwischen der Erfassungsfunktionalität und den Auswertungen<br />
werden im <strong>MES</strong>-Modell dargestellt. Die Aufnahme der Daten erfolgt am<br />
Erfassungsterminal mit den relevanten Erfassungsfunktionen auf den jeweiligen<br />
Erfassungsobjekten, unter Berücksichtigung der Plausibilisierungen.<br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> verwaltet die Daten in einer Datenbank, die als Datenarchiv<br />
für die Übersichten und Auswertungen verwendet wird.<br />
Die Erfassungsfunktionalität setzt auf Planungsvorgaben zu den jeweiligen Bezugsgrößen<br />
auf, z. B. Vorgaben zum Auftrag und Artikel. Das Personal steuert die<br />
Erfassungsdialoge und betätigt Auswahllisten oder es nimmt manuelle Eingaben<br />
vor. Hierbei finden kontextsensitive Plausibilisierungen gegen die <strong>MES</strong>-<br />
Datenbank statt.<br />
Die Prozessschnittstellen zu Maschinen- oder Waagensteuerungen werden teilweise<br />
durch manuelle Eingaben getriggert. Aktuelle und objektive Daten werden<br />
direkt aus dem Prozess aufgenommen und zur Beschreibung des Fertigungsfortschritts<br />
ausgewertet.<br />
Der entscheidende Vorteil des <strong>MES</strong> besteht gegenüber traditionellen Erfassungssystemen<br />
wie die immer noch vorhandenen Aufschreibungen darin, dass<br />
erstmalig die Zeitdimension der Wertschöpfung mit betrachtet und erfasst wird.<br />
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein überwiegender Anteil der Ressourcen<br />
Potenziale sind, die proportional zur Zeit genutzt werden, wird eine Abbildung<br />
dieser Abhängigkeiten zur einer wichtigen Entscheidungsgrundlage.
Planungsvorgaben<br />
Abb. 6.1. Das <strong>MES</strong>-Modell<br />
6.3 Datenanalyse – Informationen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> 125<br />
<strong>MES</strong>-<br />
Fertigungsmanagement<br />
Maschinen- und Prozessschnittstellen<br />
Übersichten,<br />
Auswertungen<br />
Manuelle<br />
Meldungen<br />
6.3 Datenanalyse – Informationen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
Das moderne Erfassungsterminal ist in das Firmennetzwerk integriert und hat vollen<br />
Zugriff auf die für die Fertigung relevanten Datenbestände des Unternehmens.<br />
Der Erfassungsclient ist somit ein mächtiges Werkzeug und durch die Kommunikation<br />
mit der Peripherie, die auf die Umgebung abgestimmt ist, ein regelrechter<br />
„Alleskönner“. Zentrale Aufgabe des <strong>MES</strong> ist die ergonomische Fokussierung auf<br />
die wesentlichen Datenobjekte und ein ergonomisches Datenhandling.<br />
Wer die Einführung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s plant, muss sich zunächst Klarheit<br />
darüber verschaffen, auf welchen Datenobjekten er seine Erfassung aufsetzen<br />
möchte.<br />
Die Frage nach dem Datenmodell des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s orientiert sich an der<br />
Branche und den Produktionsprozessen. Je nach Einsatz sind andere Erfassungsobjekte<br />
von Interesse: der Anlagenbauer interessiert sich für erfasste Zeiten und<br />
kaum für Mengen, für den Serienfertiger dagegen ist die Prozessgeschwindigkeit<br />
an der Maschine der wesentliche Faktor. Qualitätsprüfungen wiederum sind für<br />
die beiden genannten Zielgruppen von gleicher Bedeutung.
126 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> übernimmt Vorgaben zum Auftrag und den geplanten Ressourcen<br />
des Fertigungsprozesses aus dem ERP-<strong>System</strong>. Diese Daten werden in<br />
entsprechenden Bestandstabellen verwaltet. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> verfügt aber auch<br />
über <strong>MES</strong>-eigene Konfigurationsdaten, die <strong>MES</strong>-lokal gepflegt werden. Aus Auftragsvorgaben<br />
und den Konfigurationen leitet das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> Vorgaben für die<br />
Produktionsprozesse ab.<br />
Rückmeldungen aus dem Produktionsprozess werden den <strong>MES</strong>-Erfassungsobjekten<br />
zugeordnet. Die Daten werden den Vorgaben gegenübergestellt und<br />
unterstützen das Fertigungsmanagement. Kumulierte Ergebnisse übergibt das<br />
<strong>MES</strong>- an das ERP-<strong>System</strong>.<br />
Festlegungen darüber, wie lange Daten im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> verbleiben, werden pro<br />
Erfassungsobjekt ebenso getroffen, wie die Einordnung in das <strong>MES</strong>-Datenmodell,<br />
die Stammdatenherkunft, die Verwendung und die Eigenschaften innerhalb des<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und die Rückmeldungen in die ERP-Welt.<br />
Material- und<br />
Lagerdaten<br />
Chargen<br />
Lose<br />
Qualitätsdaten<br />
SPC<br />
Prozessdaten<br />
HYDRA- HYDRA<br />
Produktions -<br />
Datenbank<br />
NC-Daten<br />
Abb. 6.2. Auswahl der Erfassungsobjekte<br />
Werkzeugdaten<br />
6.4 Betriebsmittel Maschine oder Anlagenteil<br />
Personalzeiten<br />
Zutrittsdaten<br />
Lohndaten<br />
Maschinendaten<br />
BDE<br />
Auftragsdaten<br />
Zentraler Bezugspunkt der klassischen Betriebsdatenerfassung ist die Maschine,<br />
das Aggregat oder Anlagenteil. Die Festlegung der einzelnen Arbeitsplätze ist im<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> prozessabhängig und orientiert sich deshalb nur bedingt an den Vorgaben<br />
des ERP-<strong>System</strong>s. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> setzt auf einer feineren Maschinende-
6.4 Betriebsmittel Maschine oder Anlagenteil 127<br />
finition auf, so wird eine Produktionslinie im <strong>MES</strong> meist auf einzelne Aggregate<br />
herunter gebrochen, da die dort aktiven Prozessschritte die Basis für die Erfassung<br />
darstellen.<br />
Die Produktionsgeschwindigkeit, produzierte Mengen guter oder schlechter<br />
Qualität, sowie Stillstandsgründe und Stillstandsdauern sind die wesentlichen Daten,<br />
die zur Maschine erfasst werden.<br />
6.4.1 Auftrag/Arbeitsgang<br />
Ein Auftrag entsteht in der ERP-Welt und beschreibt mit seinen Planvorgaben das<br />
Soll für den Produktionsprozess. Gleichzeitig dient er als Kostensammler für die<br />
Aufnahme von erbrachten Leistungen (Zeiten) und produzierten Mengen. Der<br />
Auftrag stellt deshalb das Rückgrat der Erfassung dar und ist somit das klassische<br />
Erfassungs-Objekt.<br />
Wer im Umfeld der Datenerfassung vom Auftrag spricht, meint meist den Arbeitsgang,<br />
die Arbeitsfolge oder den Vorgang. Der Arbeitsgang beinhaltet alle Informationen,<br />
die sich gemäß Arbeitsplan auf den jeweiligen Arbeitsplatz und die<br />
Prozessstufe innerhalb des Auftrags beziehen.<br />
Der Arbeitsgang transportiert Fertigungsinformationen an den Erfassungsplatz.<br />
Dazu gehören Stammdaten aus dem Arbeitsplan (Vorgabegeschwindigkeit, Planarbeitsplatz,<br />
Te, Tr, Arbeitsanweisungen) und dem Materialstamm (Stücklisteninformation,<br />
Einsatzmengen, Zeichnungen) sowie die beschreibenden Daten des<br />
Auftrags, wie Termin und Sollmenge, eventuell Kundeninformationen, Drucktexte<br />
für Etikettenlayouts etc. Der Arbeitsgang bestimmt auch Ressourcenbedarfe, die<br />
bei der Fertigung implizit oder durch manuelle Eingaben als <strong>MES</strong>-Meldeobjekt<br />
zugeordnet und plausibilisiert werden.<br />
Der Arbeitsgang nimmt gleichzeitig Informationen zum Fertigungsfortschritt<br />
aus dem Produktionsprozess auf und stellt diese am Erfassungsplatz dar, übergibt<br />
Informationen in die Datenbank des <strong>MES</strong> und sammelt Rückmeldedaten für das<br />
ERP-<strong>System</strong>.<br />
Neben den reinen Fertigungsaufträgen verarbeitet ein <strong>MES</strong> auch Nacharbeitsaufträge,<br />
Projektaufträge, Gemeinkostenaufträge, Prüfaufträge, deren Handling<br />
sich im Erfassungsprozess durchaus unterscheiden kann.<br />
6.4.2 Material<br />
Erfassungen können sich sowohl auf diejenigen Materialien beziehen, welche in<br />
den Produktionsprozess einfließen, als auch auf das produzierte Material. Bezüglich<br />
der einfließenden Materialien finden meist Plausibilisierungen gegen die<br />
Stückliste statt. Ist ein Hersteller dazu verpflichtet, Einsatzmaterialien Chargenbezogen<br />
zu erfassen, so muss er die Materialchargen im Produktionsprozess am<br />
Erfassungsclient identifizieren. Der diskrete Mengenverbrauch, der am Arbeitsplatz<br />
gemessen wird, stellt ebenfalls eine materialbezogene Meldung dar, die an<br />
die Materialwirtschaft überführt werden kann.
128 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
Gefertigte Materialien werden als Gut-, Ausschuss- oder Nacharbeitsmengen<br />
erfasst. Für verkettete Prozesse mit chargenbezogener Erfassung erzeugt das<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eindeutige Chargen- oder Losnummern zur weiteren Verfolgung.<br />
Materialien lassen sicht direkt in der Produktion sperren und können in diesem<br />
Fall bis zum Verwendungsentscheid nicht mehr eingesetzt werden.<br />
6.4.3 Ressourcen und Fertigungshilfsmittel<br />
Ressourcen, die zur Durchführung des Fertigungsprozesses benötigt werden und<br />
gleichzeitig nur in begrenzter Kapazität zur Verfügung stehen, werden planerisch<br />
berücksichtigt, zugeordnet und durch den Fertigungsprozess belegt. Dazu gehört<br />
das Werkzeug, speziell ausgebildetes Personal, wie der Einrichter oder der Qualitätsverantwortliche<br />
in gleicher Weise, wie besondere Handlinggeräte oder benötigte<br />
Vorrichtungen.<br />
In vielen Produktionsumgebungen spielt die Ressource Werkzeug im Vergleich<br />
zur Maschine die bedeutendere Rolle. Werkzeugbezogene Wartung basiert auf der<br />
Erfassung der geleisteten Zeiten und Mengen (Takte oder Zyklen). Die Erfassung<br />
der Werkzeugnummer ist dann unumgänglich, wenn mehrere Werkzeuge des gleichen<br />
Werkzeugtyps vorhanden sind, wie dies beispielsweise in der Serienfertigung<br />
üblich ist. Auf die Eingabe der Werkzeugnummer kann hingegen verzichtet werden,<br />
wenn grundsätzlich das geplante Werkzeug zum Einsatz kommt.<br />
Aktive Ressourcen sind gesperrt bezüglich der parallelen Verplanung und der<br />
Verwendung an anderen Maschinen.<br />
Maschinenprogramme oder Einstelldatensätze sind spezielle Ressourcen, die<br />
das Terminal vor Beginn des Produktionsprozesses an die Maschinensteuerung<br />
überträgt. Die Überwachung von Freigabekriterien und die Verwaltung von Versionen<br />
sind bezüglich dieser Ressourcen ebenfalls Aufgaben des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s.<br />
6.4.4 Prozesswerte<br />
Bei hoch automatisierten Prozessen und in Fertigungsumgebungen, in denen die<br />
Produktqualität in erheblichem Maße von einzelnen Prozesswerten abhängt, spielt<br />
die Aufnahme und die permanente Kontrolle charakteristischer Prozesswerte eine<br />
zentrale Rolle. Die <strong>MES</strong>-Erfassung nimmt hierbei direkt aus dem Prozess die relevanten<br />
Signale (analog oder digital) auf, stellt diese dar und speichert sie nach<br />
vorgegebenen Stichprobenmustern oder in festgelegten Intervallen in der Datenbank.<br />
Bei chargenbezogener Fertigung besteht häufig die Anforderung, aufgenommene<br />
Prozesswerte mit Bezug zu den produzierten Materialchargen zu speichern.
6.4.5 Personal<br />
6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 129<br />
Zielsetzung der Erfassung des Bedienpersonals ist die Zuordnung der Leistung zu<br />
einem Kostenträger, beispielsweise dem Fertigungsauftrag, dem Instandhaltungs-<br />
oder Gemeinkostenauftrag. Die Personalmeldungen in der Fertigung werden in einem<br />
integrierten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> kombiniert mit den Kommt/Geht-Stempelungen erfasst,<br />
so dass eine Gegenüberstellung der Anwesenheitszeiten zu den produktiven<br />
Einsatzzeiten am Arbeitsplatz ermöglicht wird. Arbeitet das Personal in Leistungsentlohnungsmodellen,<br />
so bilden kostenstellen- oder auftragsbezogene Meldungen<br />
der Werker die Basis zur Errechnung entsprechender Zeitsalden für die<br />
hinterlegten Prämien- oder Akkordmodelle.<br />
Soll-Ist-Vergleiche, wie beispielsweise aktuelle Personalübersichten basieren<br />
auf den Personalmeldungen der Werker.<br />
Die Identifikation der Person spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von<br />
Zutrittskontrollanforderungen. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterstützt diesbezüglich neben<br />
den herkömmlichen Kartenlesern spezielle Erfassungstechniken zur Prüfung biometrischer<br />
Daten, wie Fingerprint-Lesern oder auch Netzhautscannern. Aufgabe<br />
des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ist die Verwaltung der Referenzbitmuster pro Person für den<br />
Vergleich bei der Identifikation.<br />
6.4.6 Prüfmerkmal<br />
Der Prüfauftrag gibt einem Fertigungsprozess vor, in welchen zeitlichen oder<br />
mengenbezogenen Intervallen einzelne Merkmale des eingesetzten oder gefertigten<br />
Materials Prüfungen zu unterziehen sind. Aufgabe der <strong>MES</strong>-Erfassung ist die<br />
Aufnahme der Prüfresultate, die Gegenüberstellung der Sollwerte und Toleranzen,<br />
sowie die Anzeige der charakteristischen Verläufe, z. B. in Form von Regelkarten,<br />
Paretoanalysen oder Auswertungen der statistischen Prozesskontrolle. Besonders<br />
wichtig ist hier eine Funktion einiger <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e, direkt bei der Dateneingabe<br />
oder Messung Unregelmässigkeiten oder Abweichungen von Sollvorgaben anzuzeigen.<br />
6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität<br />
Aus DV-technischer Sicht stellt die Erfassungsfunktionalität eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
eine in die Fertigungsumgebung verlagerte Schnittstelle dar. Der Bedeutung dieser<br />
Schnittstelle wird meist wenig Beachtung beigemessen, obwohl eine gut funktionierende<br />
Erfassungsschnittstelle für die Akzeptanz des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s entscheidend<br />
ist.<br />
Die Vielfalt der Erfassungsobjekte und deren automatisierte Identifikation, die<br />
Ergonomie der Dialogführung, die Plausibilisierung erfasster Daten, die Techniken<br />
der Erfassung sind vielfältige Aspekte, die bei der Planung und Umsetzung
130 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s zu beachten sind, damit eine zuverlässige Schnittstelle entsteht<br />
und das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> seine Zielsetzung optimal erfüllt.<br />
Eine Forderung, die jedes Unternehmen an die Erfassung stellt ist die, dass die<br />
Erfassung von Daten in der Produktion praktisch ohne Zusatzaufwand für den<br />
Werker durchgeführt werden soll. So utopisch die Forderung grundsätzlich ist, so<br />
nachhaltig muss sie bei der Ausstattung der Erfassungsplätze und bei der Gestaltung<br />
der Erfassungsfunktionen betrachtet werden.<br />
Geprägt wird die Erfassung durch systemtechnische Forderungen, die eine gute<br />
Datenqualität sicherstellen:<br />
− Ergonomie Die effiziente Bedienbarkeit durch den Werker ist die Voraussetzung<br />
für den Erfolg bei der Implementierung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s.<br />
− Plausibilität und Vollständigkeit der Daten. Die ständige Überprüfung der<br />
Konsistenz führt zu einer hohen<br />
− Prozesssicherheit. Plausibilität und Vollständigkeit garantieren eine hohe<br />
− Datenqualität und sind somit ausschlaggebend für den Nutzen der Erfassung.<br />
− Außerdem wird hier geringst mögliche Nacharbeit durch Korrigieren oder<br />
− Stornieren der erfassten Daten sichergestellt.<br />
− Betriebssicherheit Die Offline-Fähigkeit des Erfassungsprogramms und die<br />
Pufferung-smöglichkeiten erfasster Daten stellen die hohe Verfügbarkeit eines<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sicher.<br />
Aufgabe des Erfassungsterminals ist die Bereitstellung von Erfassungsdialogen<br />
für den Werker zur Steuerung der Fertigungsabläufe, der Datentransport der Planungsvorgaben<br />
für das jeweilige Erfassungsobjekt (Auftrag, Werkzeug, Material,<br />
Personal etc.) in die Fertigung und die Aufnahme von Prozessparametern durch<br />
entsprechende Schnittstellen zum Prozess. Dazu gehören außerdem die ergonomische<br />
Informationsdarstellung am Terminal und die Bedienung der <strong>System</strong>peripherie,<br />
wie zum Beispiel das Drucken von Begleitpapieren oder Etiketten. Weitere<br />
<strong>System</strong>funktionen unterstützen die Vergabe eindeutiger Identifikationen, z. B. zur<br />
Kennzeichnung von Materialchargen.<br />
6.5.1 Ausstattung des Erfassungsterminals<br />
Die Ergonomie und Sicherheit wird durch den Einsatz von Identlesern und durch<br />
eine möglichst papierarme und automatisierte Erfassung erzielt. Die örtlichen Gegebenheiten<br />
in der Fertigung, die Entfernungen zum Meldeplatz, Temperaturschwankungen<br />
oder eine schmutzige Umgebung, stellen bestimmende Faktoren<br />
für die optimale Ausstattung der Erfassungsplätze dar.<br />
Eine Vielfalt technischer Möglichkeiten bedient das Spektrum der Anforderungen<br />
unterschiedlichster Branchen und unterschiedlichster Fertigungsverfahren.<br />
Terminals mit Touchbedienung, mobile Erfassungsgeräte mit Wireless-LAN-<br />
Anbindung, elektronische Leser und Scanner, Waagen und Maschinen- oder Anlagensteuerungen,<br />
die Daten verdichten und entsprechende Schnittstellen zur Verfügung<br />
stellen, unterstützen die ergonomische Erfassung durch das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>.
6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 131<br />
Für jedes Erfassungsobjekt ist die Art der Erfassung festzulegen. Ein Auftrag<br />
lässt sich beispielsweise aus der arbeitsplatzbezogenen Planungsliste auswählen,<br />
per Barcode auf dem Fertigungspapier melden oder manuell zuordnen. Das <strong>MES</strong><br />
muss alle Möglichkeiten zur Verfügung stellen und pro Arbeitsplatz eine individuelle<br />
Konfiguration unterstützen<br />
Waagenschnittstellen<br />
Datenschnittstellen<br />
Bussysteme<br />
Zählimpulse<br />
Betriebssignal<br />
Abb. 6.3. Festlegung der Erfassungsinfrastruktur<br />
Identleser<br />
Begleitpapiere<br />
Etiketten<br />
Prozeßwerte<br />
Die Ausstattung der Erfassungsterminals und die Wahl der Peripheriegeräte<br />
müssen sich an den verwendeten Identifikationsmedien für die einzelnen Erfassungsobjekte<br />
orientieren.<br />
Stationäre PC-basierte Terminals mit Touchbedienung. PC-basierte Terminals<br />
erschließen der Erfassungsanwendung alle Möglichkeiten. Grosse Displays<br />
und Touchbedienung ermöglichen eine ergonomische Bedienerführung und<br />
eignen sich ideal für die Informationsdarstellung in schriftlicher oder grafischer<br />
Form. In den Erfassungsdialogen lassen sich Auswahllisten übersichtlich<br />
bereitstellen. Peripheriegeräte mit entsprechenden Treiberprogrammen<br />
stehen universell zur Verfügung. Wireless-LAN-Anbindungen<br />
ermöglichen den flexiblen Einsatz PC-basierter Terminals.<br />
Mobile Terminals. Wireless-LAN-Ausstattungen ermöglichen den Einsatz mobiler<br />
Terminals, die eine örtliche Flexibilität mit der Online-Plausibilisierung<br />
gegen die aktuelle Datenbasis verbinden. Die Auswahl der Terminalhardware
132 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
und des entsprechenden Betriebssystems müssen mit der Anwendung abgestimmt<br />
werden. Neben PC-basierten Terminalarchitekturen spielen zunehmend<br />
PDA’s oder auch Handys eine Rolle bei der mobilen Datenerfassung. Meist<br />
sind mobile Terminals mit entsprechenden Leseeinrichtungen kombiniert.<br />
Berührungslose Identifikation. Kontaktlose Karten für Personen, Transponder<br />
zur Identifikation von Materialien in unterschiedlichster Geometrie und Ausführung,<br />
geeignet selbst für widrigste Produktionsumgebungen, sorgen unter<br />
dem Schlagwort der RFID-Techniken (radio-frequency-identification) für eine<br />
neue Flexibilisierung bei der Identifikation der Erfassungsobjekte. Das flexible<br />
Beschreiben verschiedener Segmente mit unterschiedlichen Attributen erschließt<br />
neue Möglichkeiten, wie z. B. das Beschreiben des gleichen RFID mit<br />
den unterschiedlichen Artikelnummern des Kunden und des Lieferanten in<br />
verschiedenen Segmenten.<br />
Kombinierte Identifikation. Kombinationen, wie z. B. berührungslose Personalkarten<br />
für die Zutrittsberechtigung, der Barcode auf derselben Karte zur Anmeldung<br />
am Erfassungsterminal des Arbeitsplatzes, und der Chip auf der Karte<br />
für das Kantinenbuchungssystem ermöglichen den Einsatz eines zentralen<br />
Ausweises für die Kommunikation mit unterschiedlichen Anwendungen. Mittlerweile<br />
sind auch Klebeetiketten auf dem Markt, die auf der Klebeseite mit<br />
einem RFID-Transponder ausgestattet sind und gleichzeitig auf der Oberfläche<br />
mit Barcodes bedruckt werden.<br />
Zur reinen Identerfassung sind mobile Lesegeräte geeignet, die eine Informationsaufnahme<br />
am Ort ihres Entstehens ermöglichen. Das Chargenlabel eines<br />
sperrigen Materials kann am Lagerort erfasst werden. Der Leser selbst kann<br />
über eine Funkstrecke oder über eine Dockingstation mit einem stationären<br />
Terminal verbunden sein.<br />
Biometrische Daten. Die Personenidentifikation in sensiblen Umgebungen oder<br />
bei der Zutrittskontrolle kann durch die Aufnahme und den Vergleich biometrischer<br />
Daten erfolgen. Mittlerweile stehen Fingerprint-Leser oder auch Netzhautscanner<br />
in einem vernünftigen Preis-Leistungsverhältnis zur Verfügung,<br />
so dass ein breiter Einsatz dieser Identifikationsmöglichkeiten nicht mehr utopisch<br />
ist, speziell für den Bereich der Zutrittskontrolle besteht die Anforderung,<br />
Türöffner anzusteuern. Das Terminal unterstützt in diesem Fall entsprechende<br />
Schnittstellen.<br />
Drucker und gedruckte Codes. Barcodes oder auch Matrixcodes sind leicht und<br />
flexibel herstellbar. Der Etikettendruck am Erfassungsplatz der Maschine hat<br />
aus diesem Grund weiter an Bedeutung gewonnen. Der Einsatz in der Produktionslogistik,<br />
zur Identifikation von Materiallosen oder Transportbehältern bei<br />
Umbuchungs- oder Umlagerungsvorgängen, wurde in vielen Branchen durch<br />
gesetzliche Bestimmungen notwendig und befindet sich weiter auf dem Vormarsch.
6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 133<br />
Alarmgeber. Die Anforderung der Alarmierung besteht direkt im Fertigungsprozess<br />
am Erfassungsterminal. Die auslösenden Ereignisse werden durch das<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> dargestellt, aber auch in akustische oder optische Alarmierungen<br />
umgesetzt. Durch einstellbare Eskalationsstufen werden durch das <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> per E-Mail, Pager oder Handy konfigurierbare Alarmsituationen direkt<br />
an das verantwortliche Personal weitergeleitet.<br />
Web-Clients zur Erfassung an entfernten Standorten<br />
Unter dem Schlagwort der „verlängerten Werkbank“ arbeiten immer mehr Fertigungsumgebungen<br />
mit dezentralen Produktionsstätten oder externen<br />
Dienstleistern. Transparenz für die Fertigungssteuerung über den gesamten<br />
Fertigungsprozess ist nur dann gegeben, wenn die externen Produktionsprozesse<br />
ebenfalls in die Datenerfassung zum Fertigungsfortschritt einbezogen werden.<br />
Neben der Ausstattung mit identischem Erfassungs-Equipment stellen<br />
moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e die Möglichkeit der Datenerfassung durch einen Web-<br />
Client zur Verfügung. Konfigurierbare Erfassungsdialoge, die sich praktisch<br />
auf jedem PC mit Internetanschluss aufrufen lassen, ermöglichen eine firmenübergreifende<br />
Datenerfassung.<br />
6.5.2 Informationsbereitstellung für den Werker<br />
Der Informationsbedarf des Werkers nimmt aufgrund wachsender Bedeutung automatisierter<br />
Abläufe in der Fertigung immer weiter zu. Die richtige Information<br />
an der richtigen Stelle, umfassend, schnell und in ergonomischer Darstellung, dies<br />
sind die Anforderungen an die Informationsbereitstellung durch das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
in der Fertigung.<br />
Das Erfassungsterminal zeigt die aktuellen Informationen zum Status aller Erfassungsobjekte<br />
an, schafft dadurch Transparenz am Arbeitsplatz und gewährt die<br />
Prozesssicherheit. Aktuelle Statusmonitore zum Zustand der Maschine und dem<br />
Fertigungsprozess, zum Auftrag, Arbeitsgang und eingesetzten Materialchargen,<br />
zum Maschinenbediener oder der Mannschaft, zu anstehenden Prüfungen und den<br />
letzten Prüfergebnissen, zum aktuell geladenen Maschinenprogramm, zur Werkzeugnutzung<br />
und den anstehenden Wartungsintervallen für Maschine oder Fertigungshilfsmittel<br />
sind Beispiele für diesen Informationsbedarf.<br />
Die Möglichkeiten zur Darstellung von Stamminformationen sind durch die<br />
Vernetzung der Erfassungsterminals praktisch unbegrenzt: Bilder von Montagezeichnungen<br />
oder Endartikeln, Arbeitsanweisungen in Form von Filmsequenzen<br />
als Montageunterstützung, die Darstellung von Einstellparametern der DNC-<br />
Programme durch geeignete Viewer, sind nur Beispiele der Informationsfülle,<br />
welche dem Werker zur Verfügung gestellt wird. Entscheidend ist die Aktualität<br />
der dargestellten Information, die im Vergleich zu gedruckten Vorschriften jederzeit<br />
gewährleistet ist. Auswertefunktionen zur letzten Schicht, dem Nutzungsgrad<br />
der Vorwoche, dem Materialverbrauch im laufenden Monat etc. runden den Funktionsumfang<br />
des Erfassungsterminals ab.
134 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
Abb. 6.4. Darstellung aktueller Informationen am Erfassungsterminal<br />
Die persönliche Motivation des Werkers spielt eine entscheidende Rolle bei der<br />
Optimierung von Produktionsprozessen. Informationen zu den persönlichen Bedürfnissen<br />
und der persönlichen Zielsetzung sind wesentliche Faktoren. Dazu gehören<br />
der aktuelle Zeitsaldo des Mitarbeiters, der letzte Stand seines Leistungslohnes<br />
sowie der Zielerreichungsgrad bezogen auf die individuelle Mitarbeiterzieldefinition.<br />
Speziell mit dem Einzug der Methoden der <strong>Manufacturing</strong><br />
Scorecard (<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O,(2004)) gewinnen diese personenindividuellen<br />
Informationsanzeigen weiter an Bedeutung.<br />
Die <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>architektur stellt Tools bereit, die zur Informationsaufbereitung<br />
und zur Layoutgestaltung verwendet werden. Alle Informationsfunktionen<br />
sind dadurch individuell gestaltbar und können durch ein Login in einen<br />
individuellen Informationspool des Mitarbeiters verzweigen.<br />
6.5.3 Modularität unterstützt die Vielfalt der Erfassungsdialoge<br />
Die Akzeptanz der Mitarbeiter ist entscheidend für den Erfolg einer <strong>MES</strong>-<br />
Einführung. Die meisten Mitarbeiter eines Unternehmens arbeiten mit dem Erfassungsterminal.<br />
In der Gestaltung und Dialogführung stecken deshalb die entscheidenden<br />
Potenziale bezüglich der <strong>System</strong>ergonomie.<br />
Moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>architekturen unterstützen eine flexible Anpassbarkeit<br />
der Erfassungsfunktionen auf den Erfassungsprozess. Um das Customizing des
6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 135<br />
Standardsystems auf den individuellen Prozess zu ermöglichen, müssen die Voraussetzungen<br />
dafür durch die <strong>System</strong>architektur geschaffen sein.<br />
Die Modularität und Anpassbarkeit der Erfassungsdialoge auf den einzelnen<br />
Arbeitsplatz muss gegeben sein. Bei den wenigsten Unternehmen findet sich eine<br />
homogene Produktions- und damit Erfassungsstruktur. So bringt der Kunststoffspritzgießer<br />
mit angeschlossenem Werkzeugbau sowohl die Anforderungen eines<br />
Serienfertigers, wie auch die Anforderungen des Anlagenbauers in ein <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> ein. Die Erfassungsdialoge müssen sich in einem solchen Umfeld pro Arbeitsplatz<br />
individuell gestalten lassen.<br />
Die Einstellbarkeit bezogen auf den Bediener, z. B. durch Sprachwahl für ausländische<br />
Mitarbeiter, stellt eine weitere Anforderung an die Flexibilität der Dialoggestaltung<br />
dar.<br />
Voraussetzung für die vielfältigen Konfigurationseinstellungen eines <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong>s, die Möglichkeiten des Customizings der Erfassungsfunktionen und die<br />
individuelle Dialoggestaltung pro Arbeitsplatz ist eine modulare <strong>System</strong>architektur.<br />
Die Integration der Erfassungsschnittstellen in die Dialoge muss einstellbar<br />
sein, z. B. durch die Festlegung, dass das Feld Personalnummer ausschließlich per<br />
Legic-Ident belegt wird oder dass ein Mengenrückmeldefeld aus der Waagensteuerung<br />
ausgelesen wird.<br />
6.5.4 Plausibilität im Erfassungsprozess<br />
Eine gute Datenqualität erzielt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> dann, wenn die Daten direkt im<br />
Erfassungsvorgang plausibilisierbar sind. Abhängig vom jeweiligen Erfassungsobjekt<br />
können im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterschiedlichste Prüfungen definiert werden. Statische<br />
Prüfungen sind hierbei auf die Stamm- oder Vorgabedaten ausgerichtet, z. B.<br />
„die Istmenge darf die Sollmenge nicht überschreiten“. Dynamische Prüfungen orientieren<br />
sich dagegen am Verlauf des Produktionsprozesses, z. B. „kann bei überlappender<br />
Produktion die gefertigte Menge eines Arbeitsgangs nicht höher<br />
sein, als die des Vorgängerarbeitsgangs“.<br />
Bei manueller Dialogführung können Plausibilitätsverletzungen, z. B. Mengenüberschreitungen,<br />
dem Fertigungspersonal direkt angezeigt werden. Der Werker<br />
kann durch geänderte Eingaben auf die Verletzung reagieren, indem er seinen<br />
Fehler korrigiert und die richtige Menge eingibt. Offline Nachberabeitungen werden<br />
dadurch weitgegehend vermieden.<br />
Plausibilisierungen in der Kommunikation mit Maschinensteuerungen sind dagegen<br />
im Dialog kaum lösbar. Die Schnittstelle zwischen Prozess und Erfassungs-<br />
Client muss diese Verletzung durch eine geordnete Ausnahmebehandlung verarbeiten,<br />
ohne die Datenqualität und -integrität zu verletzten.<br />
Häufig sind Prüfungen nur in Teilbereichen eines Unternehmens sinnvoll, in<br />
anderen hingegen völlig unbrauchbar. Moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e unterstützen deshalb<br />
dialogorientierte Plausibilisierungen, die durch Customizing-Einstellungen<br />
für unterschiedliche Fertigungsbereiche (Kostenstellen, Arbeitsplätze, Maschinen-
136 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
aggregate) oder unterschiedliche Auftragsarten aktiviert und deaktiviert werden<br />
können.<br />
Eine wichtige Forderung ist die Statusprüfung auf allen Erfassungsobjekten,<br />
durch die Plausibilisierungen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s, wodurch eine integrale Prozesssicherheit<br />
gewährt wird. Beispielsweise bewirkt eine materialbezogene Laborprüfung<br />
mit negativem Ergebnis eine sofortige Sperre des betroffenen Materials.<br />
Durch die Online-Statusprüfung vor jeglicher Verwendung von Materialien im Erfassungsdialog<br />
wird sichergestellt, dass soeben gesperrtes Material im <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> nicht mehr für die Produktion angemeldet werden kann.<br />
6.5.5 Welche Schnittstellen zum Prozess lassen sich sinnvoll nutzen?<br />
Moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e unterstützen auf der Erfassungsebene universell einsetzbare<br />
Kopplungsmöglichkeiten. Oft besteht der anzubindende Maschinenpark aus<br />
alten und neuen Maschinen, deren Steuerungen unterschiedliche Möglichkeiten<br />
der Kommunikation zur Verfügung stellen. Die Modularität und die Konfigurationsmöglichkeiten<br />
des <strong>MES</strong> spielen insbesondere bei der Prozessanbindung eine<br />
große Rolle.<br />
Takt- und Betriebssignalerfassung<br />
Die einfache Takt- oder Betriebssignalerfassung über digitale I/O- oder Zähleingänge<br />
stellt immer noch eine bedeutende Grundlage der MDE-Erfassung<br />
automatisierter Fertigungsprozesse dar. Insbesondere die Lebensdauer älterer<br />
Maschinen bestimmt auch zukünftig den Einsatz dieser universell verwendbaren<br />
und effektiv arbeitenden Art der Maschinenkopplung.<br />
Maschinensteuerungsprotokolle<br />
Ein aufwändigeres Verfahren ist die direkte Kommunikation mit der Maschinensteuerung.<br />
Diese ermöglicht dem Erfassungsterminal einerseits Daten direkt<br />
in die Steuerung zu übertragen (z. B. ein Maschinenprogramm zur Bearbeitung<br />
eines bestimmten Artikels) und andererseits Daten zum Produktionsfortschritt<br />
oder zu auftretenden Maschinenstillständen oder beliebige Prozesswerte<br />
aus der Steuerung aufzunehmen. Bei der Kommunikation muss sich das<br />
Terminal an der Steuerungsversion und dem verwendeten Protokoll orientieren.<br />
Waagen<br />
Waagenschnittstellen sind wichtige Stützen einer automatisierten Datenerfassung.<br />
Meist kommt der Anstoß zur Aufnahme eines Wiegeergebnisses aus<br />
einem Benutzerdialog. Der Datentransfer von der Waagensteuerung zum Erfassungsterminal,<br />
die potentielle Fehlerquelle des menschlichen Eingriffs, wird<br />
automatisiert und abgesichert. Für die Kommunikation zur Waagensteuerung<br />
gelten die gleichen Randbedingungen, wie für die Maschinensteuerungsanbindung.
6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 137<br />
Prozesskommunikation per OPC<br />
Der Datentransfer per OPC (Object-Linking- and Embedding for Process-<br />
Control) wird zur direkten Kommunikation mit der Maschinen- oder Anlagensteuerung<br />
verwendet. Durch die OPC-Technologie steht ein Standardprotokoll<br />
zur Verfügung, das den Datentransfer zwischen der Steuerung und externen<br />
Kommunikationspartnern herstellerunabhängig unterstützt. MDE-Signale aus<br />
der Maschine, wie Zähler, Taktzyklen, Status oder Prozesswerte, sind genauso<br />
möglich, wie der Datentransfer in die Steuerung hinein. Voraussetzung für die<br />
Nutzung dieser Art der Kommunikation ist die Unterstützung eines OPC-<br />
Servers durch die Maschinen- oder Anlagensteuerung. Das Erfassungsprogramm<br />
kommuniziert bei dieser Technik über einen OPC-Client mit einem<br />
festgelegten Adressraum der Maschinensteuerung. Das Erfassungsprogramm<br />
kann somit einerseits über definierte OPC-Variablen auf alle Informationen<br />
zugreifen, die in diesem Adressraum hinterlegt sind, andererseits kann das Erfassungsprogramm<br />
Datenfelder dieses Adressraumes beschreiben. Aufgabe des<br />
OPC-Clients ist die logische Verbindung der Anwendungsprogramme mit den<br />
OPC-Variablen.<br />
Ein Vorteil der OPC-Kommunikation ist die Protokoll- und Steuerungsversionsunabhängigkeit.<br />
Ein Nachteil ist dagegen die häufig verwendete Kommunikation<br />
über das LAN, die eine hohe Netzwerkverfügbarkeit voraussetzt.<br />
Spezielle Protokolle<br />
In einigen Branchen haben sich spezielle Protokolle durchgesetzt, deren Anbindung<br />
das <strong>MES</strong> unterstützen muss, wenn die Voraussetzungen maschinenseitig<br />
bereits geschaffen sind. Das Euromap-Protokoll E63 für Spritzguss-<br />
Maschinen aller bedeutender Maschinenhersteller ist ein Beispiel für eine solche<br />
Normierung.<br />
6.5.6 Datenkorrekturen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
Alle Daten, die durch das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erfasst wurden, müssen dort auch änderbar<br />
sein. Diese Forderung bezieht sich nicht nur auf manuell eingegebene Daten sondern<br />
auch auf Daten, die durch Prozessschnittstellen aufgenommen wurden.<br />
Die Änderungsfunktionalität muss durch entsprechende Berechtigungsprüfungen<br />
abgesichert sein und die Durchführung muss im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> lückenlos<br />
protokolliert werden.<br />
Im Fall einer Korrektur muss das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> alle Abhängigkeiten zwischen<br />
den Erfassungsobjekten berücksichtigen. Beispielsweise muss die Korrektur einer<br />
Mengeneingabe sich auf alle betroffenen Erfassungsobjekte auswirken, z. B. auf<br />
Maschine, Auftrag und Personal. Sämtliche Schnittstellen zu den übergeordneten<br />
<strong>System</strong>en müssen im Falle von Korrekturen über entsprechende Stornosätze versorgt<br />
werden.
138 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
6.5.7 Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
Ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> stellt die <strong>System</strong>verfügbarkeit des Informationssystems für die<br />
Fertigung sicher und bietet dadurch ein zusätzliches Sicherheitspotenzial gegen<br />
den Ausfall des ERP-<strong>System</strong>s. Praktische Erfahrungen belegen, dass während<br />
mehrtägiger Ausfälle auf der ERP-Ebene der Auftragsvorrat im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die<br />
Fertigung am Leben erhalten hat, wodurch ein größerer wirtschaftlicher Schaden<br />
vermieden werden konnte.<br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> selbst verfügt über Sicherheitsmechanismen, die den Ausfall<br />
des Unternehmensnetzwerks überbrücken können. Das Erfassungsterminal puffert<br />
Daten, wenn keine Verbindung zum <strong>MES</strong>-Server besteht. Plausibilisierungen zum<br />
Erfassungsobjekt sind bei LAN-Ausfall gegen die lokal verfügbaren Datenbestände<br />
möglich.<br />
Stromausfall, Datenbankausfall oder Hardware-Fehler der <strong>System</strong>hardware<br />
können selbst bei redundanter <strong>System</strong>auslegung zum Totalausfall der <strong>MES</strong>-<br />
Erfassung führen. In diesem Fall greift die Organisation des Notbetriebs. Das<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> stellt für diesen Fall eine Funktionalität zur effektiven Nacherfassung<br />
der Daten bereit.<br />
6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement<br />
Gute und objektive Entscheidungen können nur dann getroffen werden, wenn zuverlässige<br />
Informationen zur Verfügung stehen. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> garantiert jederzeit<br />
aktuellste Informationen zum Fertigungsumfeld an den Arbeitsplätzen der<br />
<strong>MES</strong>-Anwender. Dazu gehören Darstellungen des Online-Status zum Auftrag, der<br />
Maschine, dem Prozess, dem Werkzeug, dem aktuell eingesetzten und produzierten<br />
Material, sowie der Qualität und dem Personal.<br />
Für jede Zielgruppe stellt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> objektive Informationen mit unterschiedlichem<br />
zeitlichen Bezug dar, so enthält das <strong>MES</strong> beispielsweise zu einem<br />
Auftrag oder Artikel unterschiedliche Informationen unter verschiedenen Zeitaspekten:<br />
Planungslisten für die nächste Schicht, die aktuell laufenden Arbeitsgänge<br />
an den Arbeitsplätzen des Maschinenparks, die erledigten Aufträge vom Vortag,<br />
oder die Darstellung benötigter Istzeiten im Vergleich zu den Vorgabezeiten aller<br />
Aufträge zu einem speziellen Artikel im letzten Vierteljahr.<br />
Der Werker an der Maschine interessiert sich für eine andere Informationsdarstellung<br />
als der Fertigungsleiter. Alle erfassten Daten lassen sich deshalb durch<br />
unterschiedlichen Zeit- oder Bereichsbezug kumulieren und grafisch aufbereiten:<br />
Für den Maschinenführer ist es wichtig, dass alle Maschinenzustände, die aufgenommen<br />
wurden, zur Einzelanalyse für die Gruppenbesprechung ebenso zur Verfügung<br />
stehen, wie die Nutzungsauswertungen als Grundlage für das Reporting<br />
des Bereichsvorgesetzten beim Fertigungsleiter, und die Werks-OEE-Kennzahlen<br />
(OEE = Overall Equipment Efficiency) zum objektiven Vergleich verschiedener<br />
Werke durch das Management in der Unternehmenszentrale.
Leitstand<br />
Schnittstellen<br />
zu ERP, TQM,<br />
Lager<br />
Meister,<br />
AV<br />
6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 139<br />
GF<br />
HYDRA- HYDRA<br />
Produktions -<br />
Datenbank<br />
Controlling<br />
Abb. 6.5. Informationsdarstellungen für <strong>MES</strong>-Anwender<br />
6.6.1 Transparenz durch <strong>MES</strong>-Aktualiät<br />
QS<br />
Personalbüro<br />
Schnittstellen<br />
zu Lohn- und<br />
Gehalt<br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> schafft Transparenz durch die Darstellung von Online-<br />
Informationen zur aktuellen Situation in der Fertigung. Permanente Statusinformationen<br />
und darauf aufsetzende Soll-Ist-Vergleiche zu allen Erfassungsobjekten:<br />
Aktuelle Statusübersichten zu Auftrag, Arbeitsgang, Maschine und Aggregat,<br />
Werkzeug und Werkzeugteil, Fertigungspersonal, Verbrauchsmaterialien und<br />
Einsatzchargen, verwendete Maschinenprogramme, Prozessverläufen und aktuellen<br />
Prüfergebnissen.<br />
Potenziale aus der Nutzung dieser Online-Informationen ergeben sich in der<br />
Fertigungsplanung und -steuerung. Durch die Bereitstellung einer umfassenden<br />
Informationsbasis unterstützt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> den Fertigungssteuerer im Falle<br />
von Umplanungen bei der Auswahl der richtigen Entscheidung, indem die Auswirkungen<br />
auf die konkurrierenden Bedarfe direkt dargestellt werden.<br />
Permanente Statusabgleiche im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> führen zu aktualisierten Darstellungen<br />
auf allen Erfassungsobjekten:<br />
− Auftragsübersichten mit aktuellen Soll-Ist-Vergleichen<br />
− Maschinenstatusübersichten mit Darstellung des aktuellen Status<br />
− Materialbestandsentwicklungen
140 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
− Personalstatusübersichten und aktualisierte Personaleinsatzplanungen<br />
− Aktualisierte Rüstlisten<br />
− Werkzeugbedarfslisten<br />
− Aktualisierte Listen anstehender Wartungen pro Ressource.<br />
Abb. 6.6. Darstellung aktueller Maschinenstatus und der geplanten Arbeitsgänge<br />
Alarmsituationen, die aus kritischen Veränderungen in der Fertigung resultieren,<br />
lassen sich durch das Alarmmanagement des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s darstellen, und<br />
per Mail oder Handy direkt an den Verantwortlichen adressieren. Durch Eskalationsstufen<br />
wird ein Workflow im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> generiert, der zu einem geordneten<br />
Umgang mit kritischen Situationen führt.<br />
6.6.2 Anwendergerechte Auswertungen<br />
Auswertungen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sind über alle Erfassungsobjekte und über beliebige<br />
Zeiträume möglich. Auf allen Erfassungsobjekten des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s werden<br />
Auswertungen zur Verfügung gestellt. Die folgenden Beispiele geben nur einen<br />
kleinen Querschnitt wieder:<br />
− Artikel-, Auftrags- und Arbeitsgangprofile<br />
− Analysen zu Transport, Liege-, und Lagerzeiten innerhalb der Produktion
6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 141<br />
− Darstellung von Gemeinkostensalden aus der Erfassung aller Nebenzeiten<br />
− Stillstandsanalysen zu Maschinen- und Anlagen über beliebige Zeiträume<br />
− Gegenüberstellungen von Produktivitätskennzahlen<br />
− Personalinformationen zu durchgeführten Tätigkeiten<br />
− Leistungslohnentwicklungen für Einzelpersonen oder Prämiengruppen<br />
− Istwertverläufe zu Prozesswerten<br />
− Traceability-Auswertungen zur Material- und Chargenverfolgung in der Produktion<br />
− SPC-Analysen über definierte Qualitätsmerkmale und Ausschussanalysen<br />
− Werkzeughistorien mit Darstellung der Standzeiten.<br />
Abb. 6.7. Maschinenstillstandsanalyse<br />
Mächtige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e stellen die verfügbaren Auswertungen auch auf einem<br />
Web-Client zur Verfügung. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist somit global als Werkzeug nutzbar:<br />
Der Produktionsleiter kann auch an einem fremden Standort alle relevanten<br />
Informationen zu seinem Verantwortungsbereich einsehen und er kann Kennzahlen<br />
der einzelnen Unternehmen übergreifend direkt vergleichen. Fertigungsunternehmen,<br />
deren Struktur sich durch die Globalisierung und durch Produktionsverlagerungen<br />
verändern, profitieren von den werksübergreifenden objektiven<br />
Vergleichsmöglichkeiten der Trends aus den <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en der einzelnen Standorte.
142 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />
Aus den aktiven Datenbeständen löscht das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> üblicherweise alle<br />
Bewegungsdaten nach einem definierbaren Zeitintervall von einigen Monaten. Erfasste<br />
Informationen, deren Langzeitdatenhaltung im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erfolgt, werden<br />
zusammengefasst und in Archivtabellen überführt. Auswertungen auf diesen Archivdaten<br />
können durch entsprechende Schalter in die aktuelle Auswertungen mit<br />
einbezogen werden.<br />
6.6.3 Fertigungsnahe Zieldefinition<br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> stellt mit seinen Auswertungen keine statischen Daten dar.<br />
Vielmehr zeigt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die zeitlichen Verläufe und die aktuellen Werte<br />
in einer Trendkurve. Für vorgegebene Zielvereinbarungen gibt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
die Zwischenergebnisse auf dem Weg zum Ziel und damit den Grad der Zielerreichung<br />
an.<br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> kann zur Formulierung von Zielvereinbarungen eingesetzt<br />
werden. Die Basis hierfür sind die Erfassungsobjekte und deren Verknüpfung.<br />
Beispiele sind die Vorgaben von Zielwerten für die Maschinenstillstandsminimierung,<br />
für die Ausschussquote oder die Formulierung von Nutzungskennzahlen,<br />
deren Erreichen binnen einer festgelegten Frist angestrebt wird.<br />
Abb. 6.8. Darstellung der <strong>Manufacturing</strong> Scorecard des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s HYDRA
6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 143<br />
Die Zielvereinbarungen können auf beliebige Organisationseinheiten herunter<br />
gebrochen werden. Es lassen sich für das Werk, die Kostenstelle oder den Arbeitsplatz,<br />
die Prämiengruppe oder den einzelnen Mitarbeiter Vorgaben festlegen.<br />
Das Ziel wird bekannt gegeben und die Istwerte auf dem Weg zur Zielereichung<br />
werden konsequent verfolgt. Jeder Beteiligte dieses Innovationsprozesses<br />
kann in Informationsdarstellungen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ablesen, welcher Grad der<br />
Zielerreichung aktuell vorliegt. Persönliche Zieldarstellungen und deren Erreichungsquotient<br />
werden in die mitarbeiterbezogene Informationsdarstellung integriert.<br />
Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterstützt die Organisation nachhaltig, da die Mitarbeitermotivation<br />
durch die Zielwertvorgaben auf Dauer garantiert ist.<br />
Literatur<br />
<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard. Gabler, Wiesbaden
6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 145<br />
7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
7.1 Überblick und Zielsetzung<br />
7.1.1 Einordnung der Feinplanung und Steuerung<br />
In einem Fertigungsunternehmen ist die eigentliche Produktionsplanung eingebettet<br />
in die Rahmenbedingungen, die durch die Branche und die Unternehmenspolitik<br />
vorgegeben sind. Beginnend mit der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens<br />
und der daraus abgeleiteten Absatzplanung ergeben sich die Rahmenbedingungen<br />
für die Produktionsplanung. Teil dieser strategischen Planung ist<br />
auch die Investitions- und Wachstumsplanung, um die nötigen Produktionskapazitäten<br />
für die Fertigungsprozesse bereitzustellen.<br />
Aus dieser kurzen Einleitung wird deutlich, dass die Ansprüche bezüglich zeitlicher<br />
Gültigkeit und Genauigkeit eines Plans und die damit einhergehenden Planungsprobleme<br />
abhängig von der Ebene (Grob-/Feinplanung) und der Sichtweise<br />
(AV/Fertigungssteuerung) der jeweiligen Zielgruppe stark differieren.<br />
Angewandt auf die Fertigungsplanung hat sich auch hier der ziel- und bedarfsorientierte<br />
Ansatz einer mehrstufigen Fertigungsplanung als Basis eines integrierten<br />
Fertigungsmanagements bewährt.<br />
Zur Einordnung der Begrifflichkeiten und der im Folgenden näher betrachteten<br />
Feinplanung in <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en hier eine Übersicht der verschiedenen Planungsebenen:<br />
1. Taktische Planung (Absatzplanung)<br />
Festlegung von Rahmenbedingungen wie geplante Investitionen oder auch Wachstumsziele.<br />
Vorgabe von Basisdaten wie dem Betriebskalender und von abgeleiteten Zielen<br />
für die Produktion wie zum Beispiel die Minimierung von Lagerbeständen.<br />
Fristigkeit � langfristige, strategische Planung<br />
Gültigkeit � jährlich; gegebenenfalls vierteljährliche Revision<br />
WER � Management/GF<br />
2. Produktionsgrobplanung<br />
� lang-/mittelfristig<br />
Umsetzung der strategischen Planung in Primärbedarfe unter Berücksichtigung<br />
von konkreten Bedarfen (Bestellungen /Abrufe). Im Rahmen der Materialbedarfs-
146 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
planung werden Möglichkeiten zur Deckung der eingehenden Primärbedarfe und<br />
der sich durch die Stücklistenauflösung ergebenden Sekundärbedarfe ermittelt.<br />
Als Ergebnis entstehen bei Eigenfertigung konkrete Fertigungsaufträge und<br />
damit die in der Fertigungsplanung zu verplanenden Bedarfe. Abhängig von der<br />
Fertigungstiefe beziehungsweise der Komplexität der Arbeitspläne sind die einzelnen<br />
Fertigungsaufträge zur Abbildung der fertigungsrelevanten Abhängigkeiten<br />
teilweise zu Auftragsnetzen verknüpft.<br />
Unter Berücksichtigung des frühesten Start und des spätestens Endtermins (Liefertermin<br />
abzüglich Sicherheitszeit) erfolgt im ERP-/PPS-<strong>System</strong> eine Grobterminierung.<br />
Bei dieser Grobterminierung erfolgt teilweise ein sog. Kapazitätsabgleich, wobei<br />
die Machbarkeit der entstandenen Fertigungsaufträge grob abgeglichen wird.<br />
Für diesen Abgleich wird zum Beispiel die Leistungsfähigkeit der Produktion in<br />
Materialmengen pro Zeiteinheit ausgedrückt und häufig werden dabei nur die<br />
Endfabrikatsstufen betrachtet.<br />
An dieser Stelle muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass dieser Abgleich<br />
nur gegen eine angenommene, abstrakte Kapazität und ohne Berücksichtigung<br />
von technologischen Gegebenheiten erfolgen kann und damit die Aussagekraft<br />
entsprechend zu werten ist.<br />
Durch diese viel zu grobe Einschätzung besteht das Risiko, unrealistische Terminvorgaben<br />
oder sogar Zusagen gegenüber dem Kunden zu machen und zusätzlich<br />
den entstehenden Auftragsvorrat für die Fertigung unrealistisch zu planen.<br />
Durch entsprechend durchdachte Konzepte für die Optimierung der Grobplanung<br />
in einem Unternehmen kann der entstehende Auftragsvorrat für die Fertigung realistischer<br />
gestaltet werden.<br />
Leider zeigt die Praxis bis heute, dass in vielen ERP-/PPS-Implementierungen<br />
an dieser Stelle nur eine Durchlaufterminierung gegen unendliche Kapazität stattfindet<br />
und damit die Machbarkeitsentscheidung in den Köpfen der Prozesskenner<br />
oder gar erst im Rahmen der Fertigung fällt.<br />
3. Feinplanung<br />
Durch die grobterminierten Fertigungsaufträge ergeben sich die entsprechenden<br />
Kapazitätsbedarfe für die notwendigen Ressourcen. Dabei wird zwischen den primären<br />
Ressourcen (Maschinen/Anlagen) und den sekundären Ressourcen (Personal,<br />
Werkzeuge etc.) unterschieden.<br />
Im Rahmen der Feinplanung werden die grobterminierten Fertigungsaufträge in<br />
Konkurrenz zueinander auf die zur Verfügung stehenden Kapazitäten belegt.<br />
Durch diese Art der Belegung lassen sich realistische Aussagen bezüglich Terminen<br />
und der Auslastungssituation treffen.<br />
Die im Rahmen der Feinplanung fixierten Aufträge werden zur Ausführung in<br />
die Produktion übergeben. Die Rückmeldungen der Fertigung werden in die Feinplanung<br />
rückgekoppelt und somit ist ein permanenter Abgleich des Plans mit den<br />
realen Gegebenheiten möglich. Da die Realität mit an Sicherheit grenzender<br />
Wahrscheinlichkeit vom Plan abweicht, muss in der Feinplanung auf solche Abweichungen<br />
reagiert werden.
7.1.2 Aufgaben der Feinplanung und Steuerung<br />
7.1 Überblick und Zielsetzung 147<br />
Im Rahmen der Feinplanung erfolgt – je nach Organisation – auf Abteilungs-,<br />
bzw. Gruppenebene die Zuteilung der grobterminierten Aufträge/Arbeitsgänge auf<br />
die aktuell zur Verfügung stehenden Ressourcen.<br />
Im Gegensatz zur Grobplanung auf Ebene ERP-/PPS sieht sich die umsetzende<br />
Fertigung mit der aktuellen Realität konfrontiert. Diese Realität zeigt sich beispielsweise<br />
durch<br />
− technische Störungen der Produktionsmittel (Maschinenstillstand, Werkzeugbruch,<br />
etc.),<br />
− Verarbeitungsprobleme mit dem eingesetzten Material,<br />
− neue Prioritäten im Produktionsprogramm oder durch Kundeneinflüsse,<br />
− Ausfälle von Mitarbeitern durch Krankheit oder,<br />
− auch sehr indirekte Faktoren wie z. B. Umwelteinflüsse.<br />
Es steht fest – wie die Auflistung verdeutlichen soll –, dass in der Fertigungsrealität<br />
zahlreiche Ereignisse auftreten, die zu Abweichungen der „Planung“ führen.<br />
Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit, nahezu permanent über geeignete<br />
Maßnahmen zu entscheiden.<br />
Die Aufgabenstellung an den Fertigungsteuerer ergibt sich im Wesentlichen in<br />
Abhängigkeit von der jeweils betrachteten Fertigungsbranche, der logistischen<br />
Gegebenheiten wie auch der Fertigungstiefe. Die beiden folgenden Fallbeispiele<br />
sollen dies verständlich machen.<br />
Bei einer hohen Fertigungstiefe bietet sich eine zweitstufige Vorgehensweise<br />
an, bei der auf einer zentralen Ebene die Zuteilung der Arbeitsgänge auf Fertigungsinseln/Gruppen<br />
erfolgt und die finale Entscheidung bezüglich der zu wählenden<br />
Ressourcen und der konkreten Fertigungsreihenfolge an die Gruppe delegiert<br />
wird.<br />
In Bereichen mit hohem Termindruck und kurzen Auftragsvorläufen, wie zum<br />
Beispiel bei Automobilzulieferern ist eine Planung, die auf strategischen Abwägungen<br />
beruht kaum möglich, da die Zeit zwischen Auftragseingang und Durchführung<br />
nur minimalen Spielraum bietet. Ein zeitaufwändiger und strategischer<br />
Planungsansatz steht hier in keinem sinnvollen Verhältnis zum erzielbaren Ergebnis,<br />
das meist ohnehin nur von kurzer Gültigkeitsdauer ist. Zusammenfassend lassen<br />
sich die Kernaufgaben der Feinplanung und Steuerung in einem integrierten<br />
Produktionsumfeld wie folgt benennen:<br />
− Ressourcenbelegung,<br />
− Überwachung des Auftragsdurchlaufs,<br />
− Auflösung von Konflikten,<br />
− Abgleich mit der Grobplanung.
148 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung<br />
7.2.1 Überblick<br />
Aus Sicht eines <strong>MES</strong> ist die Feinplanung oder genauer die technologische Ressourcenbelegung<br />
und die Rückkopplung der fortschreitenden Realität nur als Einheit<br />
zu betrachten. Während in herkömmlichen Planungssystemen wie zum Beispiel<br />
ERP-/PPS-<strong>System</strong>en dieser Regelkreis meist durch eine Neuplanung<br />
Anwendung findet, verschmelzen in aktuellen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en die Planwelt mit<br />
der Realität in der Ist-Situation.<br />
Die Kernaufgabe der Feinplanung ist es, den kapazitätsorientierten Auftragsvorrat<br />
aus der Grobplanung in eine technologieorientierte Belegung von verfügbaren<br />
Ressourcen zu überführen. Die Unterscheidung der Kapazitätsorientierung eines<br />
ERP-/PPS und der Technologieorientierung eines <strong>MES</strong> lässt sich recht<br />
anschaulich am Beispiel einer Spritzgussfertigung mit häufig vielen gleichartigen<br />
oder zumindest vergleichbaren Maschinen verdeutlichen.<br />
Angenommen, in der zu planenden Abteilung stehen zehn technisch gleichwertige<br />
Spritzguss-Maschinen zur Verfügung und es wird in zwei Schichten zu je 8<br />
Stunden gearbeitet. Für die Grobplanung steht damit pro Tag eine Kapazität von<br />
320 Stunden zur Verfügung. Eine Unterscheidung der einzelnen Maschinen ist an<br />
dieser Stelle, das heißt für die Grobplanung im ERP-/PPS-<strong>System</strong>, irrelevant.<br />
Für die Fertigung und damit zum Beispiel den Schichtführer und schlussendlich<br />
den Maschinenbediener ist es jedoch absolut von Interesse, auf welcher der Maschinen<br />
ein Auftrag nun tatsächlich gefertigt wird. Erschwerend kommt hinzu,<br />
dass bei genauer Betrachtung sich die zehn Maschinen eben doch im Detail unterscheiden<br />
und sei es nur durch den aktuellen Rüstzustand. So verfügen beispielsweise<br />
nur zwei Maschinen über ein bestimmtes Zusatzaggregat, das für die Fertigung<br />
einiger weniger Produkte benötigt wird. Möglicherweise haben auch nur<br />
bestimmte Maschinen und im Weiteren in Kombination mit bestimmten Werkzeugen<br />
die Freigabe aus Qualitäts- oder Kundensicht.<br />
Bei investitionsintensiven Anlagen und häufig im Bereich prozesstechnisch<br />
komplexer Abläufe erfolgt die Grobplanung meist bereits auf physikalischen Einzelkapazitäten,<br />
eine Kapazitätsauswahl im <strong>MES</strong> entfällt damit. In solchen Fällen<br />
liegt der Schwerpunkt häufig auf der Reihenfolgenplanung unter Berücksichtigung<br />
der Kapazität von sekundären Ressourcen.<br />
Aus der Grobplanung werden die dort gesetzten Eckpunkte als Restriktionen<br />
für die Feinplanung mit dem Auftragsvorrat übergeben. Im Wesentlichen handelt<br />
es sich hierbei um die folgenden:<br />
− frühestmöglicher Auftragsbeginn,<br />
− spätestmögliches Auftragsende,<br />
− Auftragsmenge.
Arbeitsgang<br />
9820 010<br />
Arbeitsgang<br />
0282 010<br />
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 149<br />
Arbeitsgang<br />
9217 020<br />
?<br />
Abb. 7.1. Kapazitätspool vs. Einzelkapazität<br />
Arbeitsgang<br />
2963 010<br />
Arbeitsgang<br />
4927 020<br />
Arbeitsgang<br />
6238 020<br />
Wie der Auftrag nun innerhalb der vorgegebenen Grenzen ausgeführt wird, ist<br />
für die ERP-/PPS-Ebene nicht von Interesse und obliegt der Produktion selbst. Der<br />
Puffer beziehungsweise die sich aus dem Puffer ergebenden Freiheitsgrade können<br />
im Rahmen der Feinplanung genutzt werden. Damit wird deutlich, dass die<br />
Handlungsfähigkeit der Feinplanung im Wesentlichen durch die vorgegebenen<br />
Randbedingungen bestimmt wird. Jedoch gerade im Extremfall von engen Randbedingungen<br />
(zum Beispiel sehr engen Terminen) macht sich die Feinplanung im<br />
<strong>MES</strong> durch ihre Technologienähe und die zeitnahe Rückführung der Ist-Situation<br />
bemerkbar.<br />
So lassen sich durch geschickte Reihenfolgenbildung Rüstzeiten massiv verringern<br />
beziehungsweise verhindern und somit Engpässe an anderen Stellen ausgleichen.<br />
Andererseits können Transport- und Umbauzeiten von Zusatzaggregaten<br />
oder Werkzeugen optimiert werden, wenn deren Belegung unter Berücksichtigung<br />
der realen Kapazität, des aktuellen Lager- oder Einbauorts und ggf. geplanten<br />
Maßnahmen wie zum Beispiel Wartung im Rahmen der Feinplanung abgebildet<br />
wird.<br />
Neben den aus der Grobplanung vorgegebenen Rahmenbedingungen sind für<br />
eine sinnvolle Feinplanung im <strong>MES</strong> und Wahrnehmung der entsprechenden, hier<br />
zu erfüllenden Aufgaben weitere Strukturen mit meist technologischem Hintergrund<br />
notwendig, die in den folgenden Absätzen behandelt und die jeweilige<br />
Notwendigkeit verdeutlicht werden.
150 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
7.2.2 Umgang mit primären Kapazitäten in <strong>MES</strong><br />
Eine wesentliche Basisinformation ist die Definition der primären Kapazitäten im<br />
<strong>MES</strong>. Sie ergeben sich aus den Maschinen oder allgemeiner Arbeitsplätze, die den<br />
primären Bedarf der Arbeitsgänge decken. Dieser Bedarf wird als solcher mit dem<br />
Fertigungsauftrag beziehungsweise den enthaltenen Arbeitsgängen übergeben.<br />
Das Kapazitätsangebot im <strong>MES</strong> spiegelt die realistische Kapazität der Produktion<br />
wider, die sie zur Erledigung ihrer Aufgaben zur Verfügung hat. Das Kapazitätsangebot<br />
im ERP-/PPS hingegen dient primär zur Grobplanung und ersten<br />
Machbarkeitsprüfung und ist damit in der Regel nur eine Untermenge der praktisch<br />
möglichen Leistungsfähigkeit. Dies ist aus mehreren Gründen notwendig.<br />
Zum einen muss ein gewisser Sicherheitsfaktor für unvorhergesehene Ausfälle<br />
enthalten sein. Weiterhin wird für die Grobplanung nicht zwischen einzelnen Aggregaten<br />
oder gar Produktausprägungen unterschieden, es wird vielmehr von einem<br />
durchschnittlichen Bedarf (Produkt-Mix) ausgegangen. Auch diesem Fakt<br />
muss bei der Festlegung der Plankapazität für die Grobplanung Rechnung getragen<br />
werden.<br />
Bei <strong>System</strong>einführungen wird häufig im Enthusiasmus der zentralen Stammdatenverwaltung<br />
auch davon gesprochen, die primären Kapazitäten (Arbeitplätze)<br />
und das zeitliche Kapazitätsangebot aus dem ERP-/PPS ins <strong>MES</strong> automatisiert zu<br />
übernehmen. Doch wie bereits weiter oben im entsprechenden Kapitel näher erläutert,<br />
differieren die Ausprägungen häufig aufgrund des jeweiligen Kontextes<br />
der <strong>System</strong>e beziehungsweise der Anwendungsfälle. So führt zum Beispiel das<br />
einmalige, kurzfristige Einführen einer Zusatzschicht im <strong>MES</strong> nicht zur Anpassung<br />
der Plankapazität oder gar des Werkskalenders im ERP-/PPS. Die Differenzierung<br />
wird auch sehr deutlich am Beispiel der Spezifikation der primären Kapazitäten.<br />
So werden ERP-/PPS-seitig häufig mehrere physikalische Einzelkapazitäten<br />
oder Maschinen zu einer Pool- oder Kapazitätsgruppe zusammengefasst.<br />
Teilweise erfolgt die Definition der Kapazitäten auch einfach durch Abbildung der<br />
Kostenstellen.<br />
Für alle Arten von Arbeitsplätzen wird die zeitliche Verfügbarkeit in Form eines<br />
Zeitmodells oder auch Schichtkalenders hinterlegt. Aufgrund der Notwendigkeit,<br />
im <strong>MES</strong> auch sehr kurzfristig Änderungen an diesem Modell (zum Beispiel<br />
eine Sonderschicht) durchzuführen, muss die Gestaltung dieser Modelle im <strong>MES</strong><br />
möglichst flexibel gestaltet werden. Da die Durchführung solcher Änderungen<br />
durchaus üblich ist und im Gegensatz zu den Arbeitszeitkalendern im ERP-/PPS<br />
nicht im Rahmen des Stammdaten-Änderungsdienstes erfolgt, müssen sie an sich<br />
einfach und intuitiv durchführbar sein, wie das folgende Beispiel zeigt.<br />
Zur Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten werden im <strong>MES</strong> verschiedene<br />
Arten von Arbeitsplätzen unterschieden:<br />
1 Einzel-/Maschinenkapazität<br />
Dies ist die typische Art einer Maschinenkapazität, die exklusiv zu belegen ist und<br />
sich im Wesentlichen durch die hinterlegte, zeitliche Verfügbarkeit definiert. Die<br />
Verfügbarkeit kann außerdem durch einen generellen Nutz- oder Leistungsgrad
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 151<br />
beeinflusst werden, um zum Beispiel weniger leistungsfähige, aber technologisch<br />
gleichwertig einsetzbare Maschinen einer Gruppe zu klassifizieren.<br />
Abb. 7.2. Schichtmodell am Beispiel des <strong>MES</strong> HYDRA<br />
Die Laufzeitberechnung erfolgt ausschließlich durch Parameter, die sich aus<br />
dem Paar Arbeitplatz und Arbeitsgang ergeben.<br />
Beispiele:<br />
- Spritzguss-Maschine<br />
- Spindelpresse<br />
- Stanzmaschine<br />
- Schweißroboter<br />
2 Gruppenkapazität<br />
In Abgrenzung zu den vorgenannten Einzelarbeitsplätzen stehen bei dieser Art neben<br />
der primären Kapazität, die sich durch die hinterlegte Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes<br />
selbst ergibt, die spezifische Verfügbarkeiten weiterer, benötigter<br />
Ressourcen im Vordergrund.<br />
Die letztendlichen Restriktionen beziehungsweise Belegungsengpässe ergeben<br />
sich meist durch die verfügbare Personalkapazität oder ganz allgemein durch die<br />
benötigten sekundäre Ressourcen und Fertigungshilfsmittel. An solchen Arbeits-
152 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
plätzen richtet sich die Laufzeit von Arbeitsgängen häufig an der Art oder Anzahl<br />
eingesetzter Ressourcen aus, der Arbeitsplatz selbst steht im Hintergrund. Dies<br />
wird bei Betrachtung personalintensiver Bearbeitungsschritte deutlich.<br />
Beispiele:<br />
- Montagebereiche<br />
- Handarbeitsplätze<br />
3 Maschinenkapazität mit 2. Dimension (Öfen, Galvanikbäder, ...)<br />
Als besondere Variante von Maschinenkapazitäten versteht sich diese Gruppe von<br />
Kapazitäten, die neben der zeitlichen Verfügbarkeit durch eine weitere Dimension<br />
bestimmt wird. Diese Dimension ist zum Beispiel das räumliche Fassungsvermögen<br />
eines Galvanikbades oder eines Glühofens.<br />
Durch geeignete Kombinatorik verschiedener Aufträge ergeben sich somit Bestückungspläne<br />
und daraus abgeleitet die Laufzeit der einzelnen Arbeitsgänge.<br />
Selbstverständlich folgt die Findung der Kombinationen klar hinterlegten Regeln,<br />
die sich durch technologische Parameter ergeben. So sind zum Beispiel Glühprogramme<br />
oder Temperaturverläufe ganz allgemein zu beachten. Häufig stellen jedoch<br />
auch die Werkstückträger (die zum Beispiel säurebeständig sein müssen) an<br />
sich einen Engpass dar, was sich wiederum durch geeignete Abbildung als sekundäre<br />
Ressourcen beziehungsweise Fertigungshilfsmittel abbilden lässt.<br />
Beispiele:<br />
- Galvanikbäder<br />
- Glühöfen<br />
- Lackierstraße<br />
4 Bearbeitungszentrum<br />
Eine besondere Herausforderung für eine systemgestützte Belegungsplanung stellen<br />
die Bearbeitungszentren dar. Dabei wird davon ausgegangen, dass zu einem<br />
Zeitpunkt genau 1 Werkstück und damit ein Arbeitsgang bearbeitet wird, die<br />
Werkstückzufuhr jedoch parallel erfolgen kann. Durch geeignete Kombination<br />
mehrerer Arbeitsgänge unter Verwendung der entsprechenden Werkzeuge wird<br />
nun das Ziel verfolgt, die Spindel möglichst durchgängig laufen zu lassen. Bei näherer<br />
Betrachtung der Freiheitsgrade und Randbedingungen wird der Umfang der<br />
Aufgabe deutlich. So ist über geeignete technologische Parameter wie zum Beispiel<br />
das NC-Programm und Größenverhältnisse die Kombinatorik von Arbeitsgängen<br />
zu prüfen und die einzelnen Bearbeitungszeiten eines Werkstücks mit den<br />
Bestückungszeiten abzugleichen. Weiterhin werden in der Regel mehrere solcher<br />
Bearbeitungszentren von einem Mitarbeiter betreut, so dass eine Bestückung für<br />
eine bestimmte Zeit ohne weiteren Personaleinsatz ausreichen muss. Neben den<br />
eigentlichen Bearbeitungszentren sind die verschiedenen Werkzeuge zu berücksichtigen,<br />
die häufig aus automatisierten Werkzeugmagazinen zugeführt werden,<br />
die teilweise auch mehrere Anlagen versorgen, wodurch sich eine zusätzliche Restriktion<br />
ergibt.
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 153<br />
Neben der eigentlichen Belegungsplanung muss eine geeignete Laufzeitberechnung<br />
der verschiedenen Arbeitsgänge auf diesen Bearbeitungszentren erfolgen.<br />
Für diese Berechnung ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitsgänge zwar parallel<br />
auf der Anlage aktiv sind, jedoch sequentiell bearbeitet werden. So wirkt sich die<br />
Maschinenkombination, die Werkstückwechselzeit, die Palettenkapazität und die<br />
Häufigkeit der Wiederholung auf die Laufzeit der einzelnen Arbeitsgänge aus.<br />
Beispiel:<br />
- CNC-Palettenmaschinen<br />
7.2.3 Modellierung der Prozesse im <strong>MES</strong><br />
Die prozessfähige und durchgängige Abbildung von Fertigungsabläufen beginnt<br />
unbestreitbar mit der Qualität und Prozessnähe der Stammdaten. Denn auf dieser<br />
Basis werden Kalkulationen durchgeführt, entstehen Preise und letztendlich die<br />
Vorgaben für die Umsetzung einer Fertigung.<br />
Durch die zunehmende Leistungsfähigkeit der PPS-<strong>System</strong>e und vor allem den<br />
steigenden Möglichkeiten zur Abbildung der Prozesse in den dort gepflegten<br />
Stammdaten wie Arbeitsplänen und Stücklisten lässt sich der oben genannte Ansatz<br />
in einer Vielzahl von Fertigungsbereichen tatsächlich umsetzen.<br />
Gehen wir im Weiteren davon aus, dass dieser Ansatz als zielführend erkannt<br />
und damit das Bestreben zur Generierung von guten Stammdaten vorhanden ist.<br />
Weiterhin wächst aus diesem Bewusstsein die Erkenntnis, dass die Erfahrungen<br />
aus den Prozessen permanent reflektiert und fast zwangsläufig zur permanenten<br />
Optimierung der Vorgaben und damit auch der Stammdaten zu nutzen sind.<br />
Damit spiegeln die, aus der Grobplanung an die Feinplanung zur Umsetzung<br />
übergebenen, Fertigungsaufträge die Überlegungen und das Know-how der Vorgaben<br />
und Stammdaten wider, auf deren Basis diese generiert wurden. Daraus entsteht<br />
der Wunsch oder vielmehr die Notwendigkeit, diese Informationen im Rahmen<br />
der Umsetzung in der Fertigung und damit im <strong>MES</strong> zu berücksichtigen oder<br />
gar durchzusetzen.<br />
Zur Verdeutlichung dieser Notwendigkeit, hier die Abläufe einer Großmaschinenmontage<br />
wie zum Beispiel Baumaschinen. Die Auftragsgröße ist recht gering,<br />
da es sich um aufwändige und kundenbezogen gefertigte Großmaschinen handelt.<br />
Die einzelnen Baumaschinen werden in verschiedenen, sequentiellen Montageschritten<br />
auf den Einzelkomponenten aufgebaut und ab einem bestimmten Montageschritt<br />
individualisiert betrachtet.<br />
Damit die einzelnen Komponenten abgestimmt aufeinander gefertigt werden<br />
und die Auswirkungen der einzelnen Schritte bereits planerisch berücksichtigt<br />
werden, müssen die vorgelagerten Fertigungsaufträge (Komponenten) im Sinne<br />
einer Baugruppe zusammengefasst und entsprechend im <strong>MES</strong> berücksichtigt werden.
154 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
Material 1<br />
Material 2<br />
Material 3<br />
Material 4<br />
Teil 1<br />
Lager<br />
Fertigungsauftrag Baugruppe A<br />
10 20 30 40 50<br />
Fertigungsauftrag Baugruppe B<br />
10 20 30 40 50<br />
Fertigungsauftrag Baugruppe C<br />
10 20 30 40<br />
10 20 30 40 50<br />
Fertigungsauftrag Erzeugnis 1<br />
Abb. 7.3. Baugruppenorientierte Fertigung/Montage<br />
Fertigung<br />
Montage<br />
Ablieferung<br />
Erzeugnis 1<br />
Zurück zum Beispiel der Montage, die sich bei genauer Betrachtung im Auftragsnetz<br />
„nur“ als einzelne Komponente darstellt. Innerhalb dieses einzelnen<br />
Montageauftrags ist die Sequenz im Sinne einer Vorgänger-/Nachfolgerbeziehung<br />
einzuhalten. Um die Flexibilität der einzelnen Arbeitsschritte zu gewährleisten,<br />
gilt es hier jedoch, diese Sequenz für jede individualisierte Einzelmaschine zu berücksichtigen.<br />
Häufig ist dies bei der Montage von Großmaschinen alleine aufgrund<br />
des Platzbedarfs und der verfügbaren Zwischenlagerkapazität zwingend erforderlich.<br />
Nachdem eine einzelne Maschine an sich fertig ist, schließen sich noch diverse<br />
nachgelagerte Arbeitsschritte an, wie zum Beispiel verschiedene Kontroll- und<br />
Prüfvorgänge, Testläufe oder banale Dinge wie die Ausstattung mit Dokumentationen<br />
und sonstigen ergänzenden Ausstattungsmerkmalen.<br />
Diese Arbeitsschritte unterliegen dann keiner strikten Sequenz mehr, sondern<br />
können – wieder bezogen auf Einzelmaschinen – in beliebiger Reihenfolge durchgeführt<br />
werden. Da es sich aber durchaus um zeitintensive Tätigkeiten handelt, die<br />
auch entsprechend restriktive Kapazitäten wie zum Beispiel einen Prüfstand benötigen,<br />
ist eine detaillierte Feinplanung durchaus nötig und damit eine entsprechend<br />
feine Aufteilung des Arbeitsplans.<br />
Sicher sind die durchaus komplexen Abläufe der Realität für dieses Beispiel<br />
stark vereinfacht, es zeigt aber sehr schön viele unterschiedliche Beziehungen auf,<br />
die für die Feinplanung und Umsetzung einer Fertigung unbedingt berücksichtigt<br />
werden müssen, um eben den Abläufen in der Realität nahe zu kommen. Ähnliche<br />
Szenarien lassen sich für beliebige Prozesse und Abläufe aufbauen und dadurch
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 155<br />
auf zahlreiche Beziehungen stoßen, die für eine hinreichende Abbildung im Rahmen<br />
der Stammdatenmodellierung beziehungsweise der <strong>MES</strong> Feinplanung unverzichtbar<br />
sind.<br />
Um eine ausreichend exakte und realitätsnahe Modellierung der Prozesse erreichen<br />
zu können, bilden moderne ERP-/PPS-<strong>System</strong>e und damit auch <strong>MES</strong> <strong>System</strong>e<br />
im wesentlichen folgende Arbeitsplanstrukturen ab:<br />
− Aufträge unterschiedlicher Auftragsarten<br />
− Arbeitsgänge zur Abbildung der technologieorientierten Arbeits- oder Prozessschritte<br />
− Arbeitsgangsplitts zur Nutzung paralleler Produktionsmöglichkeiten wie<br />
gleichartiger Anlagen mit dem Ziel der Durchlaufzeitreduzierung<br />
− Einzelteilbetrachtung (Serialisierung oder Individualisierung) zur Betrachtung<br />
der einzelnen Prozessschritte bezogen auf jedes Einzelteil<br />
− Auftragsnetze zur Vernetzung mehrerer Aufträge untereinander und damit zum<br />
Beispiel der Abbildung von Projekten oder einer typischen Baugruppenmontage<br />
− Variable Beziehungen zwischen einzelnen oder auch mehreren Arbeitsschritten<br />
(Arbeitsgängen) eines Auftrags zur Abbildung von beispielsweise<br />
- strikter Vorgänger-/Nachfolgerbeziehung<br />
- exakte Synchronierung einer Parallelität um zum Beispiel eine Erstteilprüfung<br />
exakt bezogen auf den herstellenden Produktionsschritt zu terminieren.<br />
− Abbildung von Teilnetzen innerhalb von Aufträgen um dieses untereinander<br />
parallelisieren und gegebenenfalls wieder zusammenführen zu können.<br />
− Unterstützung von Überlappung mit unterschiedlichen Ausprägungen:<br />
KANN-Überlappung<br />
Solche Überlappungen sind initial nicht vorgesehen, können jedoch bei Be-<br />
darf zur Durchlaufzeitreduzierung genutzt werden.<br />
SOLL-Überlappung<br />
Hierbei wird bereits bei der Terminierung und auch der Feinplanung von Überlappungen<br />
ausgegangen, das heißt sie dient der Reduzierung der Prozessdauer.<br />
Kann aus bestimmten Gründen nicht überlappend gefertigt werden, ist dies<br />
auch zulässig.<br />
− MUSS-Überlappung<br />
Im Falle einer definierten MUSS-Überlappung muss diese aus Prozessgründen<br />
eingehalten werden und ist entsprechend bei der Feinplanung einzuhalten und<br />
im Rahmen der anschließenden Umsetzung zu plausibilisieren.<br />
7.2.4 Personal – die besonders wertvolle Ressource<br />
Mit zunehmender Komplexität der Fertigungsprozesse und der Bedeutung des<br />
Mitarbeiters in produzierenden Unternehmen nimmt auch der Einfluss der Personalverfügbarkeit<br />
auf die Fertigungsplanung und umgekehrt die Fertigungsplanung<br />
auf die Personaleinteilung zu.
156 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
So ist in vielen Unternehmen eine Fertigungsplanung ohne Berücksichtigung<br />
des Schichtplans undenkbar geworden. Dies erfolgt heutzutage in den meisten Fällen<br />
immer noch unter Zuhilfenahme von manuell erstellten Listen oder den unsäglichen,<br />
in vielen Unternehmen kaum noch weg zu denkenden Excellisten. Bei Betrachtung<br />
der Funktionalitäten aktueller und integrierter <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ist dieser<br />
Zustand kaum nachvollziehbar, gehört doch die An-/Abwesenheitsplanung der<br />
Mitarbeiter wie auch die aktuelle Anwesenheitszeiterfassung zu den Grunddisziplinen,<br />
auf die im Kapitel detailliert eingegangen wird.<br />
7.2.5 Modellierung der technischen Sicht<br />
Neben den Beziehungen, die sich aus den Stücklisten und Arbeitsplänen ergeben,<br />
bestimmen zahlreiche, vor allem prozessnahe, technologische Parameter den Prozess.<br />
Je detaillierter die Einflüsse der Prozesse Berücksichtigung finden, desto realistischer<br />
wird ein Plan und seine Eintrittswahrscheinlichkeit nimmt zu.<br />
Bei solchen technologischen Parametern handelt es sich zum Beispiel um die<br />
mögliche Kombinatorik von unterschiedlichen Ressourcen zur Herstellung eines<br />
bestimmten Artikels zum Beispiel die Kombinatorik von Maschine und Werkzeug.<br />
Derartige Einschränkungen entstehen aus technischen oder auch aus qualitätsorientierten<br />
Gründen. Dies bedeutet, dass im ersten Fall eben ein bestimmtes<br />
Werkzeug zur Herstellung eines Produkts nur auf bestimmten Anlagen eingesetzt<br />
werden kann. Im anderen Fall entsteht – unabhängig von der rein technischen<br />
Möglichkeit – in einer bestimmten Kombination keine ausreichende Qualität oder<br />
es wurde ganz einfach noch keine entsprechende Freigabe durch die QS oder den<br />
Kunden erteilt. Dieses einfache Beispiel lässt sich beliebig auf andere Ressourcen<br />
wie Prüfmittel, NC-Programme aber auch Personen übertragen und damit entsprechend<br />
zahlreiche Anwendungsfälle in der Praxis finden.<br />
Durch die Abbildung dieser Gegebenheiten werden im Rahmen der Feinplanung<br />
die Möglichkeiten zur Deckung der Bedarfe, die sich aus den Aufträgen beziehungsweise<br />
den Arbeitsgängen ergeben genauer spezifiziert. Durch die weiter<br />
oben beschriebenen Beziehungen innerhalb der Aufträge beziehungsweise zwischen<br />
Aufträgen ergeben sich die Möglichkeiten zur zeitlichen Variation auf den<br />
möglichen Kapazitäten.<br />
Weiterhin ergeben sich durch die Reihenfolge auf einer Kapazität weitere Indizien,<br />
die im Rahmen der Feinplanung für eine letztendliche Belegungsentscheidung<br />
von Interesse sind. Nehmen wir der Einfachheit wegen eine Maschine, die<br />
mit gleichartigen Arbeitsgängen unterschiedlicher Aufträge belegt werden soll, ist<br />
neben den terminlichen Restriktionen aus den Aufträgen auch die Reihenfolge an<br />
sich von Bedeutung, da sich dadurch möglicherweise enorme Rüstzeiten sparen<br />
lassen. Anders betrachtet kann eine Reihenfolge, die aus terminlichen Gründen<br />
eingehalten werden muss, zu unnötigen Umbau-/Rüstaufwänden führen, die als<br />
solche in den rein produktorientierten Arbeitsplänen und damit der Kalkulation<br />
nicht berücksichtigt wurde.<br />
Um solche Zeiten in der Feinplanung berücksichtigen zu können, bieten <strong>MES</strong><br />
<strong>System</strong>e entsprechende Strukturen wie zum Beispiel die sog. Rüstwechselmatrix
Modellierung technologischer Beziehungen:<br />
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 157<br />
Artikel Werkzeug Maschine<br />
• Passt das Werkzeug rein technisch auf die Maschine?<br />
• Ist das Werkzeug aktuell verfügbar (oder zum Beispiel in<br />
Wartung)?<br />
• Ist die Kombination von der QS / dem Kunden freigegeben?<br />
Feinplanung gültiger Kombinationen<br />
Abb. 7.4. Modellierung technologischer Beziehungen<br />
an. Über die erwähnten und recht diskreten Parameter hinaus, verbergen sich leider<br />
noch viele technologische Parameter nur in den Köpfen der Prozesskenner wie<br />
zum Beispiel der Arbeitsvorbereiter oder Maschinenführer. Um die darin verborgenen<br />
immensen Potenziale systematisch, objektiv und personenunabhängig nutzen<br />
zu können, bieten einige wenige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e bereits weitergehende Möglichkeiten<br />
zur Modellierung von Expertenwissen oder auch Erfahrungen und<br />
Nutzung im Rahmen der <strong>MES</strong> Feinplanung.<br />
Warten<br />
Dynamische<br />
Rüstzeit<br />
Die dynamische Rüstzeit...<br />
• ergibt sich aus der<br />
Rüstwechselmatrix<br />
• wird aufgrund der<br />
Belegungsreihenfolge<br />
eines Arbeitsplatzes ermittelt<br />
Abb. 7.5. Statische vs. Dynamische Rüstzeit<br />
Rüsten Bearbeiten Abrüsten<br />
Statische<br />
Rüstzeit<br />
Liegen Transport<br />
Die Statische Rüstzeit...<br />
• ist im Arbeitsplan hinterlegt<br />
• ist unabhängig von der<br />
Belegungsreihenfolge
158 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
7.2.6 Strategien zur Ressourcenbelegung<br />
Die wesentliche Aufgabe der Feinplanung ist die Erstellung eines Plans zur<br />
Durchführung der, aus der Grobplanung vorgegebenen Aufträge auf den zur Verfügung<br />
stehenden Kapazitäten unter Berücksichtigung der technologischen Randbedingungen.<br />
Ein solcher Plan wird durch Belegung der verschiedenen Ressourcen<br />
erzeugt, weshalb die entsprechende planerische Aktivität auch als Ressourcenbelegung<br />
bezeichnet wird.<br />
Je nach Branche, dem Fertigungsumfeld, der Terminsituation und der gewünschten<br />
Flexibilität im Rahmen der Feinplanung ergibt sich der zeitliche Vorlauf,<br />
mit der die Ressourcenbelegung vor der Umsetzung in der Fertigung selbst<br />
erfolgt. Zur Abbildung der zeitlichen Gegebenheiten stehen im <strong>MES</strong> <strong>System</strong> entsprechende<br />
Möglichkeiten zur Verfügung. So werden verschiedene Zeitbereiche<br />
oder auch Zeithorizonte angeboten, die sich flexibel einstellen und damit die Feinplanung<br />
auf die spezifischen Belange eines Unternehmens anpassen.<br />
Zur Unterstützung der Anwender bei der Erledigung Ihrer Aufgaben stellen<br />
<strong>MES</strong> <strong>System</strong>e im Rahmen der Feinplanung die Möglichkeit zur automatischen Erstellung<br />
einer Ressourcenbelegung zur Verfügung. Dabei wird unter Berücksichtigung<br />
der definierten Horizonte und der weiter oben beschriebenen, zahlreichen<br />
Beziehungen und Restriktionen ein anstehender Auftragsvorrats gegen das verfügbare<br />
Kapazitätsangebot verplant.<br />
• Planungsvorlauf<br />
• Planungshorizont<br />
•<br />
•<br />
Fixierungshorizont<br />
Simulationshorizont<br />
Abb. 7.6. Feinplanungshorizonte eines <strong>MES</strong>
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 159<br />
Dabei wird in der Regel zwischen einer Neuplanung und einer Deltaplanung<br />
unterschieden. Bei einer Neuplanung werden zuerst alle bereits vorhandenen Belegungen<br />
ausgeplant und anschließend der gesamte verplanende Auftragsvorrat<br />
neu verplant. Bei einer Deltaplanung wird versucht, Änderungen des Auftragsvorrats<br />
in eine existierende Belegung einzuarbeiten.<br />
Um für einen bestimmten zeitlichen Bereich, den sog. Fixierungshorizont, die<br />
Belegung festzuschreiben und damit für die Fertigung verbindlich zu halten, besteht<br />
die Möglichkeit der Fixierung Belegungen, die wiederum automatisiert oder<br />
durch manuelle Interaktion erfolgen kann.<br />
Zur Unterstützung der unterschiedlichen teilweise auch branchentypischen Zielen<br />
stehen im Rahmen der <strong>MES</strong> Feinplanung verschiedene Planungsstrategien zur<br />
Verfügung. Bei den erwähnten Zielen handelt es sich beispielsweise um die Optimierung<br />
der Rüstzeit, Verkürzung der Durchlaufzeit, die Minimierung von Umlaufbeständen<br />
oder die Termintreue.<br />
Im folgenden eine Übersicht typischer Heuristiken und deren Einsatzgebiet beziehungsweise<br />
Zielrichtung:<br />
Regel/Strategie�<br />
�Kriterium<br />
max.<br />
Kapazitätsauslastung<br />
minimale<br />
Durchlaufzeit<br />
minimale<br />
Zwischenlagerkosten<br />
minimale<br />
Terminabweichung<br />
Abb. 7.7. Einordnung einiger Standardheuristiken<br />
KOZ LOZ KRB GRB SZ<br />
sehr gut schlecht gut gut gut<br />
sehr gut sehr gut gut schlecht mäßig<br />
gut mäßig mäßig mäßig mäßig<br />
schlecht schlecht mäßig sehr gut sehr gut<br />
KOZ Kürzeste Operationszeit<br />
LOZ Längste Operationszeit<br />
KRB Kleinste Restbearbeitungszeit<br />
GRB Größte Restbearbeitungszeit<br />
SZ geringste Schlupfzeitregel<br />
Durch die Berücksichtigung der verschiedenen technologischen Gegebenheiten<br />
in der <strong>MES</strong> Feinplanung liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit einer so entstandenen<br />
Ressourcenbelegung recht hoch und kann durch Optimierung und Detaillierung<br />
der Parameter permanent verbessert werden.<br />
So werden Restriktion durch fehlende Maschinenfreigaben, aktuell gesperrte<br />
Werkzeuge oder Urlaubssituationen berücksichtigt. Dies gilt selbstverständlich für<br />
die automatische Planung beziehungsweise Erstellung von Planvorschlägen als<br />
auch die manuelle Interaktion.
160 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
Für die Planung von Personen im Sinne von Fertigungspersonal lassen sich in den<br />
Unternehmen zwei grundlegende Vorgehensweisen unterscheiden, die im wesentlichen<br />
vom Umfeld, der Flexibilität und der Einsetzbarkeit der Mitarbeiter bestimmt<br />
werden. Der große Unterschied beschreibt sehr schön die Varianz, der sich<br />
<strong>MES</strong> <strong>System</strong>e im Bereich der Feinplanung stellen müssen.<br />
− Im einen Fall ergibt sich die verfügbare und planbare Personalstärke sich aus<br />
der An-/Abwesenheitsplanung und gilt als Restriktion für die Fertigungsplanung.<br />
− Im anderen Extremfall ergibt sich aus der Fertigungsplanung heraus der Bedarf<br />
an entsprechend qualifiziertem Personal, der als Vorgabe für die Personaleinsatzplanung<br />
herangezogen und befriedigt werden muss.<br />
7.2.7 Konfliktauflösung durch Simulation & Optimierung<br />
Wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben, bestehen zahlreiche Alternativen zur<br />
Verplanung eines Auftragsvorrats nach vorgegebenen Strategien. Die Anzahl der<br />
Variationen wird noch drastisch erhöht, wenn man die manuellen Eingriffe mit berücksichtigt.<br />
Durch Anwenden verschiedener Strategien und objektive Bewertung der Ergebnisse<br />
lassen sich verschiedene Simulationen durchführen.<br />
Ausgangsplan<br />
Belegungsplan<br />
Abb. 7.8. Bestandteile eines gespeicherten Plans<br />
Planungsprofil (der Planerstellung)<br />
Planungsvariante (der Planerstellung)<br />
Basierende Schichtmodelle<br />
Planbewertung (Kennzahlen)
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 161<br />
Die dabei entstandenen Plansituationen lassen sich aufgrund der objektiven<br />
Bewertung miteinander vergleichen und somit bessere Pläne finden.<br />
Die wesentlichen Funktionalitäten zur zielführenden Durchführung von Simulationen<br />
sind im Folgenden beschrieben, wodurch auch die generelle Arbeitsweise<br />
deutlich wird.<br />
− Es besteht die Möglichkeit, einen Belegungsplan als Simulation zu speichern.<br />
Bei einer solchen Simulation sind neben dem Plan selbst die zugrunde liegenden<br />
Basisdaten, wie die Planungsstrategie, das Kapazitätsangebot und die Ausgangssituation<br />
abgelegt.<br />
− Die Erstellung von mehreren Simulationen erfolgt auf einer auswählbaren Ausgangssituation,<br />
da sonst keine Vergleichbarkeit gewährleistet werden kann.<br />
− Eine Simulation selbst kann wiederum als Ausgangssituation für weitere Simulationen<br />
verwendet werden.<br />
− Es besteht die Möglichkeit, ausgehend von einer Ausgangssituation mehrere<br />
Planungsläufe mit unterschiedlichen Parametern/Strategien automatisiert starten<br />
zu können.<br />
− Um eine objektive Vergleichsmöglichkeit bieten zu können, werden die verschiedenen<br />
Pläne/Simulationen objektiv durch Kennzahlen bewertet und wiederum<br />
mit einem Plan sprich einer Simulation zusammen abgespeichert.<br />
− Nach Vergleich mehrerer Simulationen und der Auswahl einer entsprechenden<br />
Variante kann diese Plansituation als verbindlicher Belegungsplan übernommen<br />
und gespeichert werden. Da sich in diesem Fall in der Regel die Ausgangssituation<br />
inzwischen geändert hat, erfolgt eine solche Übernahme unter<br />
Berücksichtigung des aktuellen Zustands. Eventuell auftretende Konflikte oder<br />
Abweichungen werden entweder direkt beseitigt, oder falls dies nicht eindeutig<br />
möglich ist, zur Bearbeitung ausgewiesen.<br />
− Für Simulationen in der Zukunft, sprich über den üblichen Feinplanungshorizont<br />
hinaus werden sog. Plan- oder Kapazitätsaufträge unterstützt, um realistische<br />
Auslastungen auch dann zu simulieren, wenn noch nicht alle konkreten<br />
Bedarfe vorhanden sind.<br />
Wie in der Übersicht bereits erwähnt wurde, besteht die Notwendigkeit, verschiedene<br />
Simulationen durch objektive Kennzahlen zu bewerten, um eine Vergleichbarkeit<br />
mehrerer Situationen erreichen zu können. Hier einige Beispiele für<br />
typische Kennzahlen zur Bewertung eines Planes:<br />
− Verspätungssumme,<br />
− Leerzeiten,<br />
− Termintreue,<br />
− Rüstaufwand.
162 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
Plan A Plan B<br />
Abb. 7.9. Planbewertung<br />
Welcher Plan ist der bessere ?<br />
Neben den üblichen Kriterien existieren in den Unternehmen spezifische Kenngrößen,<br />
die besondere Gegebenheiten berücksichtigen und damit häufig sehr deutlich<br />
die Qualität einer Belegung beurteilen lassen.<br />
Zur Abbildung solcher Spezifika lassen sich anwenderspezifische Bewertungskriterien<br />
flexibel, auf die jeweiligen Gegebenheiten abgestimmt, einstellen. Bekanntermaßen<br />
besteht ein Dilemma der Fertigungsplanung darin, dass die verschiedenen<br />
Ziele untereinander konkurrieren. So ist bei einer optimalen Rüstsituation<br />
möglicherweise die Auslastung oder die Termintreue vernachlässigt oder<br />
im umgekehrten Fall geht die Berücksichtigung aller Wunschtermine oder sogar<br />
Terminzusagen zu Lasten des Rüstaufwands oder der Umlaufbestände.<br />
Dieser permanente Zielkonflikt lässt sich recht anschaulich durch das folgende<br />
Schema darstellen, bei dem die Eckpunkte der Pyramide die konkurrierenden Ziele<br />
und die Kugel in der Mitte das individuelle Ziel beziehungsweise den Kompromiss<br />
darstellt.<br />
Durch geeignete Gewichtung von Einzelzielen lassen sich diese zusammenführen<br />
und zu einem kombinierten Ziel – unter Akzeptanz gewisser Kompromisse –<br />
zusammenfassen. Nun lassen sich verschiedene Pläne erzeugen und bezüglich dieses<br />
kombinierten Zieles beurteilen und somit gegeneinander bewerten.<br />
Die unterschiedlichen Simulationen lassen sich durch Auswahl und Anwendung<br />
unterschiedlicher Planungsstrategien erzeugen. Muss beispielsweise eine<br />
Überlast ausgeglichen werden, kann durchaus das Kapazitätsangebot durch eine<br />
zusätzliche Schicht oder auch der Simulation neuer Anlagen variiert werden.
Individuelles Ziel<br />
Hohe<br />
Termintreue<br />
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 163<br />
Geringe<br />
Rüstkosten stkosten<br />
Geringe<br />
Umlaufbestände<br />
Umlaufbest nde<br />
Abb. 7.10. Zielkonflikt bei der Fertigungsplanung<br />
Gleichmäß<br />
Gleichmäßige<br />
ige<br />
Kapazitäts Kapazit ts-<br />
auslastung<br />
Lässt sich so durch Variation eines Kriteriums die Situation bezogen auf das<br />
individuelle Ziel verbessern, kann ausgehend von der „besten“ Situation wiederholt<br />
und durch die Variation anderer Parameter das Ergebnis weiter optimiert<br />
werden.<br />
Zusammengefasst lässt sich hiermit durch das Finden „besserer“ Pläne die Gesamtsituation<br />
immer weiter optimieren. Entscheidend für die Qualität und den Erfolg<br />
dieser Vorgehensweise ist die Stimmigkeit des individuellen Ziels an sich.<br />
Die Hersteller von <strong>MES</strong> <strong>System</strong>en bieten unterschiedliche Strategien zur systemgestützten<br />
Optimierung an. Die Optimierung von Planungsproblemen im allgemeinen<br />
und die Anwendung in der Fertigungsplanung im speziellen beschäftigt<br />
schon seit Jahren die Forschung. So waren vor vielen Jahren die sog. Optimalplanungsstrategien<br />
modern, konnten sich jedoch aufgrund der langen Laufzeiten und<br />
der extremen Auswirkungen kleiner Unstimmigkeiten bei der Modellierung auf<br />
das Ergebnis nicht durchsetzen. Aktuelle Forschungsarbeiten beschäftigen sich<br />
mit den Algorithmen, die sich an der Natur orientieren und die Prozesse der Evolution<br />
nachempfinden. Nachteil dieser Ansätze ist, dass sie sehr stark lösungsspezifisch<br />
sind und sich damit in Reinkultur nur bedingt für Standardsysteme eignen.<br />
Einige <strong>MES</strong>-Anbieter haben den Trend erkannt und konnten durch frühzeitige<br />
Kooperationen und Zusammenarbeit mit Instituten, Hochschulen und Kunden die<br />
Erkenntnisse nutzen und als konkrete Funktionalitäten ins eigene Produkt einbringen.
164 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
7.2.8 Monitoring des Auftragsdurchlaufs<br />
Neben der Planung der Zukunft besteht eine wesentliche Aufgabe darin, den Auftragsdurchlauf<br />
zu überwachen. Dies erfolgt in <strong>MES</strong> <strong>System</strong>en durch die permanente<br />
Rückkopplung der Ist-Situation in Abgleich mit der Feinplanung.<br />
Durch die fortschreitende Zeit werden die Rückmeldungen von der Planung<br />
abgetragen und damit ein permanenter Soll-/Ist-Vergleich durchgeführt. So wird<br />
zum Beispiel durch Hochrechnung der Restlaufzeit eines Arbeitsgangs aufgrund<br />
der aktuellen Rückmeldungen direkt erkennbar, ob die Planung eingehalten werden<br />
kann oder zum Beispiel aufgrund von technischen Problemen die Vorgabezeit<br />
nicht erreicht wird. Aufgrund dieser frühzeitigen Information lassen sich Maßnahmen<br />
einleiten oder gar die Probleme noch hinreichend beseitigen, um das Ziel<br />
doch noch zu erreichen.<br />
Ein weiteres Beispiel ist ein erkannter Stillstand einer Maschine, der direkt auf<br />
die Feinplanung rückgekoppelt und beispielsweise in der grafischen Plantafel visualisiert<br />
wird. So wird dem Anwender direkt dargestellt, welche Störung vorliegt<br />
und die Auswirkungen auf die Fertigungssituation aufgezeigt.<br />
Wie in diesem Beispiel schon angesprochen bietet die grafische Plantafel einen<br />
Gesamtüberblick der Fertigung und stellt damit ein wesentliches Werkzeug eines<br />
integrierten <strong>MES</strong> <strong>System</strong>s dar.<br />
Im Gegensatz dazu gilt im herkömmlichen PPS Umfeld heute noch das überwiegend<br />
angewandt Vorgehen, welches darin besteht, dass die Planungen unabhängig<br />
und ohne Bezug zur Realität durchgeführt werden und damit ins Leere laufen.<br />
Die Rückmeldungen aus der Fertigung werden lediglich in zeitlichen viel zu<br />
Abb. 7.11. Grafische Plantafel am Beispiel des <strong>MES</strong> HYDRA
7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 165<br />
großen Intervallen, zum Beispiel einmal pro Schicht – was in der Realität häufig<br />
nicht einmal erreicht wird – durchgeführt. Diese Rückmeldungen werden dann im<br />
Rahmen der nächsten Planung berücksichtigt und dabei Rückstände oder Abweichungen<br />
ausgeglichen. Im Gegensatz dazu scheinen die Vorteile bei Einsatz eines<br />
<strong>MES</strong> unglaublich.<br />
7.2.9 Reaktive Planung mit <strong>MES</strong><br />
Wie bereits zu Anfang erwähnt, besteht aufgrund der zeitnahen Rückmeldung aus<br />
der Fertigung durch entsprechende Erfassungsinfrastruktur im <strong>MES</strong> die Möglichkeit,<br />
Abweichungen sofort zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Aus<br />
diesem Grund spricht man bei der Feinplanung im <strong>MES</strong> auch von der reaktiven<br />
Planung.<br />
Neben den bereits hinreichend beschriebenen planerischen Aktivitäten lassen<br />
sich die reaktiven Eingriffe dadurch kennzeichnen, dass sie sehr kurzfristig und<br />
eben aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses notwendig werden.<br />
Hier einige Beispiele für derartige, unvorhergesehene Ereignisse, mit denen die<br />
verantwortlichen Anwender tagtäglich konfrontiert werden.<br />
− technische Störungen an Maschinen,<br />
− Krankheit von Mitarbeitern,<br />
− Schwierigkeiten mit Einsatzmaterial,<br />
− kurzfristige Änderungen von Terminen oder Auftragsmengen,<br />
− Werkzeugdefekt.<br />
Die verschiedenen Störungen haben mehr oder weniger drastische Auswirkungen<br />
auf das Umfeld und die notwendige Reaktion hängt jeweils von der Störung, den<br />
Auswirkungen und vor allem den Möglichkeiten an sich ab. Von entscheidender<br />
Bedeutung ist jedoch, dass die Störung an sich und die systematisch erkennbaren<br />
Auswirkungen zeitnah und objektiv aufgezeigt werden. Die notwendigen Maßnahmen<br />
können dann unterschiedliche Ausprägungen haben. Hierzu wiederum einige<br />
Beispiele:<br />
Aufgrund eines Maschinenausfalls müssen die geplanten Aufträge auf andere<br />
Maschinen gelegt werden, hierzu ist eine Neuplanung nötig. Da bei entsprechender<br />
Auslastung nicht alle Aufträge in der ursprüngliche geplanten Zeit umsetzbar<br />
sind, kann dies eventuell mit einer zusätzlichen Schicht der Ausfall kompensiert<br />
werden oder mit dem Kunden eine Teillieferung und die Restlieferung zu einem<br />
späteren Zeitpunkt verabredet werden.<br />
Bei einem Automobilzulieferer kann aufgrund von Qualitätsproblemen ein<br />
wichtiger und dringender Auftrag nicht mit der geplanten Leistung produziert<br />
werden. Durch Split des Arbeitsgangs und Belegung einer parallelen Anlage kann<br />
der Termin gehalten und damit neben dem Imageverlust auch sensible Vertragsstrafen<br />
vermieden werden.<br />
Ein bedeutender Kunde benötigt kurzfristig eine Mehrmenge und das Unternehmen<br />
möchte diesem Kunden aushelfen. Durch Einplanung des entsprechenden<br />
Auftrags und vor allem der Berücksichtigung aller technologischen Gegebenheiten
166 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
werden die Auswirkungen transparent. Die unterschiedlichen Störungen und<br />
Auswirkungen werden in geeigneter Art und Weise vom <strong>MES</strong> an den Anwender<br />
eskaliert. Dabei kann es sich um eine direkte Visualisierung, zum Beispiel in der<br />
grafischen Plantafel handeln. Um zum Beispiel in der Nachtschicht einen Maschinenstillstand<br />
oder eine andere schwerwiegende Abweichung an eine Bereitschaft<br />
weiterzuleiten, werden auch entsprechende Medien wie zum Beispiel SMS auf ein<br />
Mobiltelefon oder aber auch eine Email eingesetzt.<br />
Neben dem kurzfristigen Aufzeigen von Störungen und Konflikten kann das<br />
<strong>MES</strong> dem Anwender durch Aufzeigen und Bewerten von Ausweichmöglichkeiten<br />
unterstützen. So lassen sich auch in einem solchen Fall verschiedene Szenarien<br />
simulieren und die damit erreichten Ergebnisse bewerten. Damit stehen zum Beispiel<br />
für die Anordnung einer Sonder- oder einer Wochenendschicht objektive<br />
Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung. Es wäre jedoch auch denkbar, dass<br />
durch teure Überstunden die Auswirkungen nur geringfügig besser würden und<br />
dies aus betriebswirtschaftlicher Sicht unsinnig wäre. Um den Faden an dieser<br />
Stelle noch etwas weiter zu verfolgen, ließen sich in der – wenn auch monetär gesehen<br />
– unwirtschaftlichen Sonderschicht besondere Aufträge legen, um den<br />
Imageverlust zu mindern.<br />
7.3 Verwaltung von Produktionsmitteln (Ressourcen)<br />
Wie aus den vorhergehenden Darlegungen deutlich wird, gehört die Verplanung<br />
von sog. sekundären Kapazitäten oder auch Fertigungshilfsmittel zu einer wesentlichen<br />
Aufgabe der Feinplanung eines <strong>MES</strong>. Im Folgenden zur Verdeutlichung<br />
dieser Notwendigkeit einige weitere Beispiele:<br />
Durch die zunehmende Komplexität der Fertigungsprozesse und der technologischen<br />
Prozesstiefe nimmt auch die Notwendigkeit hochwertiger und damit nur<br />
begrenzt verfügbarer Zusatzaggregate oder Werkzeuge zu. So stellen in vielen<br />
Fertigungsbereichen diese Aggregate eigentlich den Engpass für die Fertigungsdurchführung<br />
dar.<br />
Die Arbeitsplan- und Arbeitsplatzgestaltung in ERP-/PPS-<strong>System</strong>en orientiert<br />
sich meist an kostenrechnerischen beziehungsweise kalkulatorischen Einheiten,<br />
während die Fertigungsrealität sich mit technologieorientierten Einheiten beschäftigt.<br />
Daraus resultiert teilweise, dass die Grobplanung Kapazitäten betrachtet, die<br />
für die Umsetzung in der Fertigung als unkritisch gelten, während die eigentlichen<br />
Engpässe nicht berücksichtigt werden.<br />
Bei eng verzahnten Lieferketten stellen häufig auch die Transporteinheiten eine<br />
beschränkte Kapazität dar, die für die Erstellung eines realistisch machbaren Plans<br />
ebenso von Bedeutung sind, wie die Produktionsmittel an sich. So ist eine Produktion<br />
nicht ausführbar, wenn die besonders für dieses Material nötigen Behälter<br />
nicht verfügbar sind, weil sie beispielsweise noch nicht gereinigt sind oder auch<br />
noch beim Spediteur im Lager stehen.<br />
In sensiblen Bereichen wie beispielsweise der Lebensmittel- oder Medizinbranche<br />
müssen für die Produktionsanlagen, aber auch alle beteiligten Ressourcen wie
7.3 Verwaltung von Produktionsmitteln (Ressourcen) 167<br />
Mischtanks, Transportbehälter oder Pumpen, sog. Logbücher geführt und entsprechende<br />
Reinigungszyklen eingehalten werden. Um dem enormen internationalen<br />
Konkurrenzdruck in diesen Bereichen stand zu halten und trotzdem den hohen<br />
Anforderungen entsprechen zu können, sind die Hersteller gezwungen, derartige<br />
Gegebenheiten durch Einführung von <strong>MES</strong> <strong>System</strong>en abzubilden.<br />
Zur realistischen Verplanung von Fertigungshilfsmitteln ist eine geeignete<br />
Verwaltung eben solcher Ressourcen Voraussetzung. Diese Aufgabe übernimmt<br />
in einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> das Ressourcenmanagement, das sich neben den Fertigungshilfsmitteln<br />
selbstverständlich ebenso mit den primären Kapazitäten, also<br />
den Maschinen, beschäftigt.<br />
Durch die Berücksichtigung der Ressourcen bei der Feinplanung lässt sich klar<br />
ableiten, zu welchem Zeitpunkt an welchen Arbeitsplätzen oder Maschinen welche<br />
Ressourcen benötigt werden. Daraus wiederum können durch das <strong>MES</strong> Ressourcenmanagement<br />
entsprechende Transport- oder Bereitstellungsaufträge generiert<br />
werden und die Bereitstellung zum Bedarfstermin sicherstellen.<br />
Unter Berücksichtigung von Transportkapazitäten lassen sich diese Transportaufträge<br />
im Rahmen der Feinplanung analog zu Fertigungsaufträgen auch betrachten<br />
und damit eine Belegungsplanung durchführen.<br />
7.3.1 Statusverwaltung<br />
Für jede einzelne Ressource wird, wie bei Maschinen üblich, der Status erfasst.<br />
Zum besseren Verständnis hier ein beispielhaftes Statusmodell für eine bestimmte<br />
Art von Ressource:<br />
Ressourcen Status<br />
• Gesperrt<br />
• Warten auf QS-Freigabe<br />
• Freigegeben<br />
• Aktiv/in Einsatz<br />
• Sonst (z.B. Wartung)<br />
• Neu/außer Einsatz<br />
Abb. 7.12. Beispielhaftes Statusmodell
168 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
Aufgrund der unterschiedlichen Ressourcenarten wird im Ressourcenmanagement<br />
auch die Gestaltung der Statusmodelle flexibel gehalten, um den verschiedenen<br />
Besonderheiten gerecht zu werden. Neben dem diskreten Status lässt<br />
sich weiterhin der Lagerort der Ressourcen verwalten.<br />
Durch den integrierten Ansatz eines <strong>MES</strong> lassen sich die Mengen und Zeiten,<br />
der Bearbeitung, direkt auf die Ressource verbuchen. Damit werden neben der Erfassung<br />
dieser Informationen auch die Basisdaten für die Überwachung von takt-<br />
oder einsatzzeitgesteuerte Wartungsintervallen bereitgestellt. Diese Wartungsintervalle<br />
werden im <strong>MES</strong>-eigenen Wartungskalender geplant, der den Funktionsumfang<br />
eines integrierten <strong>MES</strong> abrundet.<br />
Durch die Erfassung und Aufzeichnung aller Aktivitäten, bezogen auf jede einzelne<br />
Ressource, baut sich im <strong>MES</strong> eine Historie in Form eines Logbuches auf,<br />
die anschließend nach Ressourcen und damit nach Maschinen ausgewertet werden<br />
kann. Ein solches Logbuch wird zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie und<br />
vor allem auch im Pharmabereich zwingend gefordert.<br />
7.3.2 Anonyme und individualisierte Ressourcen<br />
Im Sinne eines <strong>MES</strong> verstehen sich Ressourcen als nicht verbrauchende Betriebsmittel<br />
in einer konkret verfügbaren Anzahl, die zur Fertigung benötigt werden und<br />
nicht direkt in das Produkt eingehen. Sie unterscheiden sich in ihrer Funktion und<br />
Verwendung durch die Klassifizierung in Ressourcentypen.<br />
Eine Maschine ist eine einem Arbeitsplatz 1:1 zugeordnete Ressource und damit<br />
mit einem Arbeitsplatz identisch bzw. eine spezielle Ausprägung eines Arbeitsplatzes.<br />
Damit stellt die Maschine als Arbeitsplatz die primäre Kapazität dar,<br />
die verplant wird, ist aber gleichzeitig eine Ressource mit den damit verbundenen<br />
Aufgaben. Eine Maschine bzw. ein Arbeitsplatz besitzt im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eine eindeutige<br />
Identität.<br />
Werkzeuge, Transportbehälter, Hilfsstoffe und Anlagen sind Ressourcen,<br />
die Arbeitsplätzen vom Prinzip her temporär oder fix zugeordnet werden können.<br />
Diese können mehrfach vorkommen und anonym geführt sein oder eine eindeutige<br />
Identität haben. Die Verplanung der Kapazitäten erfolgt sekundär. Die Zuordnung<br />
von Ressourcen erfolgt entweder als Fertigungshilfsmittel im Arbeitsplan oder fix<br />
zu Arbeitsplätzen direkt im <strong>MES</strong>.<br />
Abbildung 7.13 zeigt beispielhaft verschiedene Ressourcen, die in einer Fertigung<br />
zum Einsatz kommen können:
Maschinen<br />
Peripheriegeräte<br />
Abb. 7.13. Beispiele für Ressourcentypen<br />
Ressourcen<br />
7.4 Zusammenfassung 169<br />
Personen<br />
Werkzeuge<br />
Ressourcen unterscheiden sich in ihrer Eigenschaft durch die Klassifizierung in<br />
Ressourcentypen. So werden beispielsweise Werkzeuge zusammengefasst. Neben<br />
der reinen Klassifizierung werden über diese Zusammenfassung auch bestimmte<br />
Funktionalitäten im <strong>MES</strong> gesteuert. So ist beispielsweise für einen Typ von Ressourcen<br />
ein Belegungsplanung sinnvoll, bei einem anderen die Erfassung von<br />
Einsatzzeiten.<br />
7.4 Zusammenfassung<br />
Einleitend in das Thema wurde erläutert, wie sich das Fertigungsmanagement und<br />
die Feinplanung eines <strong>MES</strong> in die gesamten Planungsabläufe eines Fertigungsunternehmens<br />
integriert. Dazu wurden die verschiedenen Planungsebenen vorgestellt<br />
und auf deren Schwerpunkte bezüglich Detaillierung und zeitlichem Bezug eingegangen.<br />
Ausgehend von dieser Einführung wurde im weiteren der Schwerpunkt, nämlich<br />
der Ebene Feinplanung, und der Anforderungen betrachtet, die sich aus der<br />
speziellen Aufgabenstellung in diesem Bereich ergibt. Hieraus entsteht als logische<br />
Konsequenz eines integrierten Fertigungsmanagements die Verwaltung von<br />
Ressourcen auf individualisierter und technologischer Ebene.
170 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />
Als Essenz ergibt sich, dass in der Fertigungsrealität permanent Ereignisse<br />
auftreten, die zu Abweichungen des Plans führen und deren Beseitigung<br />
beziehungsweise Behandlung den Alltag beherrscht. Die Unterstützung der<br />
Anwender zur Bewältigung dieser Problemstellung versteht ein <strong>MES</strong> als<br />
elementare Aufgabe im Bereich der Feinplanung & Steuerung. Die ursprünglichen<br />
und der Grobplanung ausschließlich zugrunde liegenden Ziele<br />
und Optimierungsstrategien treten bei diesen kurzfristigen Entscheidungen<br />
in den Hintergrund.<br />
Durch die folgenden Kapitel wurde anschließend beschrieben, wie ein integriertes<br />
<strong>MES</strong> in einem Fertigungsunternehmen zielführend und effektiv zur Unterstützung<br />
eben im Bereich des Fertigungsmanagements eingesetzt werden sollte.<br />
Dabei wurde wiederum der Fokus im Besonderen auf die Feinplanung und das<br />
Ressourcenmanagement gelegt.<br />
Die Ansätze wurden jeweils durch praxisorientierte Beispiele verdeutlicht, die<br />
sich durch entsprechende Abstraktion leicht auf beliebige, andere Branchen oder<br />
Fertigungstypen übertragen lassen und somit der spezifische Nutzen eines <strong>MES</strong> an<br />
dieser Stelle völlig transparent auf der Hand liegt.<br />
Zum Abschluss dieses Kapitels lässt sich noch folgender Leitsatz erwähnen,<br />
den jedes Unternehmen, unabhängig von der Branche oder auch der Organisation,<br />
berücksichtigen sollte.<br />
Die Präzision/Detaillierung eines Plans und damit der Aufwand zur Planerstellung<br />
muss in einem gesunden Verhältnis zur Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
des Plans stehen!
8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
8.1 Gelebte Qualität<br />
7.4 Zusammenfassung 171<br />
Die Qualitätssicherung war und ist heute immer noch ein selbständiger Zweig in<br />
vielen Fertigungsunternehmen. Die historisch bedingte Trennung zwischen der<br />
Qualitätssicherung und dem Fertigungsmanagement hat oft zu einer inhomogenen<br />
<strong>System</strong>landschaft geführt. Getrennte Meldedialoge, z. B. in der Betriebsdatenerfassung<br />
und der Fertigungsprüfung sind die Folge. Fertigungs- und Prüfaufträge<br />
werden separat angemeldet und die Fehler- und Ausschusserfassung erfolgt nicht<br />
selten in beiden <strong>System</strong>en. Zu vermeiden ist auch die unnötige Konfrontation der<br />
Anwender mit zwei <strong>System</strong>en, zumal Betriebsdaten auch Qualitätsdaten sind.<br />
Hinzu kommt, dass sich zwei verschiedene <strong>System</strong>e nur mit hohem Aufwand integrieren<br />
lassen. Monolithische Standardprodukte sind zwar kostengünstig, haben<br />
aber klar erkennbare Grenzen. Eine Integration zweier <strong>System</strong>e gibt es nur an definierten<br />
Stellen und spätere Erweiterungen sind mit erheblichen Kosten verbunden.<br />
Ein <strong>MES</strong> sieht die Qualitätssicherung in das Fertigungsmanagement integriert.<br />
Dadurch werden Meldedialoge reduziert, Schnittstellen vermieden und die Akzeptanz<br />
bei den Anwendern gesteigert. Ein weiterer Vorteil der Integration innerhalb<br />
eines <strong>MES</strong> zeigt sich bei Auditierungen und Zertifizierungen. Speziell im Lebensmittel-<br />
und Pharmabereich kommt die Forderung nach der FDA-Konformität<br />
hinzu. Bei der Erfüllung der FDA-Auflagen können die Synergien der Integration<br />
in einem <strong>MES</strong> optimal genutzt werden. Idealerweise sind diese durch die Basisfunktionen<br />
führender <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e erfüllt. Nachfolgend werden Funktionalitäten<br />
und Nutzen einer integrierten Qualitätssicherung aufgezeigt. Dabei wird bewusst<br />
auf die Beschreibung der verschiedenen Normenwerke (QS9000, TS16949, VDA,<br />
etc.) verzichtet.<br />
Neben der Qualitätsplanung werden auch Methoden zur Fehlervermeidung und<br />
Sicherstellung der Produktqualität betrachtet. Bereits in der Fertigungsprüfung<br />
kann so die Vollständigkeit der zugehörigen Qualitätsdatenbasis überprüft werden.<br />
Durch die Einleitung von Maßnahmen lassen sich eventuelle Defizite rechtzeitig<br />
beseitigen. Weitere Aspekte der integrierten Qualitätssicherung sind die Teilbereiche<br />
Dokumentation, Bewertung und Analyse. Mit der Dokumentation ist dabei<br />
keinesfalls die Verwaltung von Formularen gemeint. Vielmehr geht es um die lückenlose<br />
und effiziente Darstellung aller qualitätsrelevanter Daten. Hervorzuheben<br />
ist die Traceability (Rückverfolgung und Verfolgung von Losen, Chargen und<br />
Produkten). Vom Wareneingang, über die entstehenden Zwischenprodukte/Halb-
172 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
fabrikate bis hin zur Auslieferung der Endprodukte kann die gesamte Entstehung<br />
vollständig ermittelt werden.<br />
Erst durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> werden übergreifende Auswertungen und<br />
Analysen mit einem wesentlich höheren Informationsgehalt ermöglicht. Unter<br />
Einbeziehung aller fertigungsbezogener Informationen, dazu gehören insbesondere<br />
Maschinen- und Prozessdaten, ist die Einleitung effizienter Maßnahmen zur<br />
Fehlervermeidung und Prozessoptimierung möglich.<br />
8.2 Geplante Qualität<br />
Ein Qualitätsplan ist eine Form von Projektplanung, um Abläufe, welche sich an<br />
Unternehmenszielen und Kundenwünschen orientieren, zu definieren und deren<br />
Einhaltung zu überwachen. Die DIN ISO/CD2 9001:2000 sagt zur Qualitätsplanung<br />
unter 5.5.2: „Die Organisation muss die Tätigkeiten und Mittel zur Erreichung<br />
von Qualitätszielen bestimmen und planen. Die Planung muss mit anderen<br />
Forderungen des QM-<strong>System</strong>s vereinbar sein. Die Planung muss sich auf folgende<br />
Bereiche erstrecken:<br />
− im QM-<strong>System</strong> geforderte Prozesse,<br />
− benötigte (Produkt-) Realisierungsprozesse und -mittel,<br />
− Festlegung der Qualitätsmerkmale auf unterschiedlichen Stufen zur Erzielung<br />
der gewünschten Ergebnisse,<br />
− Verifizierungstätigkeiten.<br />
Annahmekriterien und benötigte Qualitätsaufzeichnungen. Die Planung muss<br />
sicherstellen, dass organisatorische Änderungen gelenkt durchgeführt werden und<br />
dass das QM-<strong>System</strong> während der Änderungen aufrechterhalten bleibt.“ Mit einer<br />
inhaltlich vollständigen und transparenten Qualitätsplanung wird der Grundstein<br />
gelegt, um seinen Kunden nachzuweisen, dass die Lieferanten die Anforderungen<br />
zu Funktion und Qualität erfüllen. Ein <strong>MES</strong> unterstützt den Anwender bei der systematischen<br />
und frühzeitigen Vorbereitung und Planung aller Maßnahmen, welche<br />
zum Erreichen einer, den Kunden zufriedenstellenden, Leistung erforderlich sind.<br />
8.2.1 Qualitätsstammdaten eines <strong>MES</strong><br />
Für die Planung und Durchführung qualitätssichernder Maßnahmen stellt ein <strong>MES</strong><br />
Funktionen zur Verwaltung von Basisdaten zur Verfügung. Zur Fehleranalyse<br />
werden meist folgende Stammdaten herangezogen:<br />
− Fehlerarten<br />
− Fehlerorte<br />
− Fehlerursachen<br />
− Verursacher<br />
− Maßnahmen<br />
− Kostenarten.
8.2 Geplante Qualität 173<br />
Diese Daten sollten in einer hierarchischen Struktur abgelegt werden. Damit<br />
können beispielsweise Auswertungen auf der obersten Gruppenebene beginnend<br />
nach Fehlerschwerpunkten detailliert werden.<br />
Abb. 8.1. Gruppierung von Fehlerarten<br />
Sollten die Fehleranalysekriterien detailliert und damit in einer entsprechend<br />
großen Anzahl vorliegen, unterstützt das <strong>MES</strong> den Anwender, um nur die relevanten<br />
Teilmengen dieser Basisdaten mit Artikeln, Artikelgruppen, Merkmalen oder<br />
Prüfplänen zu verknüpfen. Diese Maßnahme trägt zur Vermeidung von Fehleingaben<br />
und zur Steigerung der Akzeptanz an den Erfassungsplätzen bei.<br />
Mit dem Einsatz eines <strong>MES</strong> ergeben sich bereits auf Ebene der Basisdaten<br />
Synergien. Es entfällt die doppelte Pflege gleichartiger Daten, wie dies bei monolithischen<br />
Standardprodukten der Fall ist. Entsprechende Stammdatenschnittstellen<br />
sind meist mit hohen Kosten und administrativen Aufwänden verbunden.<br />
Unter anderem können folgende qualitätsrelevante Basisdaten im <strong>MES</strong> zentral<br />
(d.h. für alle <strong>MES</strong>-Funktionen gemeinsam) verwaltet werden:<br />
− Einheiten<br />
− Arbeits-/Prüfplätze<br />
− Fehlerarten/Ausschussgründe<br />
− Kostenarten<br />
− Personen.
174 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
8.2.2 Präventive Fehlervermeidung mit FMEA<br />
Mit Hilfe der FMEA werden bereits während der Konstruktion des Produkts beziehungsweise<br />
Fertigungsprozesses potentielle Mängel erforscht. Diese gilt es im<br />
Anschluss durch geeignete Maßnahmen zu eliminieren oder, wenn dies nicht möglich<br />
ist, zu minimieren. Diese Art der präventiven Fehlervermeidung gilt als die<br />
kostenoptimierte Art der Schwachstellenbeseitigung. Die FMEA kann als Konstruktions-,<br />
Design- oder Prozess-FMEA erfolgen. Meist sind die Übergänge zwischen<br />
diesen Formen fließend. Entsprechend flexibel sollte das <strong>MES</strong> mit diesen<br />
Arten umgehen.<br />
Durch die Beurteilung der Fehlerursachen hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit<br />
des Auftretens, der Bedeutung und der Entdeckung ergeben sich entsprechende<br />
Risikoprioritätszahlen, welche zur Bewertung herangezogen werden. Diese bildet<br />
eine wichtige Grundlage für die Prüfplanung. Durch die Risikobewertung wird bereits<br />
im Vorfeld ersichtlich, welche Merkmale während der Produktion in welcher<br />
Intensität geprüft werden müssen.<br />
Durch den Einsatz einer FMEA im Rahmen eines <strong>MES</strong> können die hier erfassten<br />
Daten effektiv und dauerhaft zur weiteren Verarbeitung in der Prüfplanung<br />
genutzt werden.<br />
8.2.3 Prüfplanung – das Fundament der Produktqualität<br />
Für jede Prüfung, egal ob im Wareneingang, in der Fertigung oder für Maschinenfähigkeitsuntersuchungen,<br />
müssen Merkmale definiert werden, mit deren Hilfe die<br />
Qualitätsanforderungen kontrolliert werden. Für jedes Merkmal müssen Mittel,<br />
Tätigkeiten und Überprüfungen anhand von Spezifikationen festgelegt werden.<br />
Diese Merkmale werden in der Prüfplanung definiert und zusammenfasst.<br />
Durch die Möglichkeit, Prozess- und Produktmerkmale gleichzeitig zu verwenden,<br />
stehen dem <strong>MES</strong> für Auswertungen, Zertifikate und Regelkreise alle qualitätsrelevanten<br />
Daten zur Verfügung. Das <strong>MES</strong> ermöglicht es, Prüfpläne zu erstellen, welche,<br />
je nach Bedarf, für Artikel, Artikelgruppen, Arbeitsgänge, Kunden, Lieferanten,<br />
Normen und/oder Prozesse gilt.<br />
Bereits während der Konstruktion wird klar, welche Merkmale eines Produkts<br />
qualitätsrelevant sind. Bei Verwendung einer FMEA ergibt sich aus den Risikoprioritätszahlen<br />
eine entsprechende Gewichtung. Durch die Integration der FMEA<br />
in das <strong>MES</strong> können hier definierte Merkmale direkt übernommen werden. Alternativ<br />
kann die Übernahme von Merkmalen auch über das Auslesen von CAD-<br />
Zeichnungen erfolgen. Damit wird eine doppelte und fehleranfällige Dateneingabe<br />
vermieden.<br />
Durch die Zuweisung zu verwendender Prüfmittel bzw. Prüfmittelgruppen kann<br />
gesteuert werden, welche Messmittel zur Qualitätsdatenerfassung verwendet werden<br />
sollen. Dabei wird der Prüfer durch direkte Anbindung von Messmaschinen<br />
und Messmitteln unterstützt. Das spart Zeit, vermeidet Fehleingaben und erhöht<br />
die Akzeptanz an den Erfassungsplätzen.
8.2 Geplante Qualität 175<br />
Durch den Einsatz des <strong>MES</strong> stehen in der Fertigungsprüfplanung bereits alle<br />
produktionsspezifischen Daten (Arbeitspläne etc.) zur Verfügung. Darauf kann<br />
zugegriffen werden, um beispielsweise für jeden qualitätsrelevanten Arbeitsgang<br />
entsprechende Merkmale anzulegen. Durch einen Vergleich der Arbeitspläne mit<br />
dem Prüfplanbestand kann das <strong>MES</strong> bereits im Vorfeld Defizite in der Prüfplanung<br />
aufdecken. Durch die direkte Verknüpfung der Qualitätssicherung mit der<br />
Fertigungsplanung stehen ohne gesonderten Eingabe- oder Schnittstellenaufwand<br />
alle Informationen über produzierende Maschinen, verwendete Werkzeuge und<br />
Nester und an Maschinen angemeldete Personen zur Verfügung. Diese Daten<br />
müssen mit monolithischen Standardsystemen unter Umständen doppelt gepflegt<br />
werden.<br />
Besondere Anforderungen an die Prüfplanung stellt die Variantenfertigung.<br />
Hierbei werden gleichartige Produkte hergestellt, welche sich nur in Details unterscheiden.<br />
Sollten für jedes Produkt separate Prüfpläne gepflegt werden, würde<br />
dies zu einem enormen planerischen Aufwand führen. Abhilfe schaffen hier sog.<br />
Spezifikationslisten. Der Inhalt eines Prüfplans kann sich dadurch auf die Auflistung<br />
der zu prüfenden Merkmale, ohne die Angabe von Spezifikationen, beschränken.<br />
In einer separaten Liste werden für alle zu produzierenden Produktvarianten<br />
dann lediglich die spezifischen Ausprägungen festgelegt. Alternativ kann<br />
die Verwendung von Konfigurationsmerkmalen zum Einsatz kommen. Dabei wird<br />
in der Prüfplanung zu jedem Merkmal festgelegt, wie sich die Spezifikationen aus<br />
den Konstruktionsmaßen ergeben. Die Toleranz- und Plausibilitätsgrenzen des<br />
Merkmals werden relativ vorgegeben. Im Auftrag selber stehen dann die zu verwendenden<br />
Sollwerte, aus denen die restlichen Spezifikationen berechnet werden.<br />
Diese Funktionalitäten zeigen, wie ein <strong>MES</strong> den Prüfplaner unterstützt. Durch den<br />
Einsatz dieser Planungsvariante verringert sich der Pflegeaufwand auf ein Minimum.<br />
Gleichzeitig werden potenzielle Fehler durch Datenredundanz vermieden.<br />
Mit der Verwendung von Methoden zur Dynamisierung kann die Prüffrequenz<br />
aufgrund von Erfahrungswerten deutlich reduziert werden. Diese Funktionen<br />
kommen hauptsächlich in der Wareneingangsprüfung zum Einsatz. Für eine Dynamisierung<br />
muss im Vorfeld geplant werden, nach welchen Regeln sie erfolgen<br />
soll. Außer der Verwendung gebräuchlicher Normen (ISO 2859, ISO 3951 etc.)<br />
Abb. 8.2. Dynamisierungshistorie
176 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
stellt das <strong>MES</strong> dem Prüfplaner Mittel zur Verfügung, um eigene Regelwerke zu<br />
erstellen. Alternativ kann eine dynamisierte Prüfung auch in der Fertigung eingesetzt<br />
werden, um beispielsweise das Prüfintervall nach dem Auftreten eines Fehlers<br />
zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Korrekturmaßnahme temporär zu erhöhen.<br />
Um den Forderungen nach einer lückenlosen Dokumentation aller qualitätsrelevanter<br />
Daten über die gesamte Wertschöpfungskette nachzukommen, besteht<br />
für den Anwender eines <strong>MES</strong> die Möglichkeit, einen Control-Plan zu verwenden.<br />
Diese beinhalten alle Planungsdaten der gesamten Produktherstellung. Ein<br />
Control-Plan fasst die Daten mehrerer Prüfpläne zusammen. Dem Anwender bietet<br />
sich die Möglichkeit, seine Daten entweder im Control-Plan oder in den spezifischen<br />
Prüfplänen zu pflegen.<br />
Alle Änderungen an den Planungsvorgaben müssen nachvollziehbar dokumentiert<br />
werden. Aus diesem Grund werden alle relevanten Daten (Control-Plan,<br />
Prüfpläne, Spezifikationslisteneinträge etc.) vom <strong>MES</strong> mit Versionsnummern und<br />
Änderungsgründen versehen. Das Freigeben und Aktivieren eines Versionsstandes<br />
stellt sicher, dass nur ein berechtigter Personenkreis Modifikationen in den Produktionsprozess<br />
übergeben kann. Außerdem können Änderungen im Vorfeld geplant<br />
und gezielt zu einem festen Zeitpunkt aktiviert werden. Durch die Verwendung<br />
der Versionsverwaltung wird automatisch dokumentiert, wann, warum und<br />
von wem Veränderungen durchgeführt wurden. Diese Daten stellt das <strong>MES</strong> für<br />
Recherchen z. B. im Teilelebenslauf zur Verfügung.<br />
Beinhaltet das <strong>MES</strong> eine Erstmusterprüfung, wird der Anwender beim Import<br />
der zugehörigen Merkmale in Fertigungsprüfpläne unterstützt. Alle relevanten<br />
Einstellungen werden übernommen und können optional bearbeitet werden. Auch<br />
dies reduziert den Planungsaufwand und verhindert Fehler, welche beim manuellen<br />
Kopieren von Qualitätsmerkmalen auftreten können.<br />
8.2.4 Prüfmittel – Reduktion von Messunsicherheiten<br />
Prüfmittel unterliegen dem Verschleiß. Der Einsatz von Prüfmitteln ist nur dann<br />
zuverlässig, wenn diese fähig sind, dass heißt den Hersteller- und Prozessvorgaben<br />
entsprechen. Um diese Fähigkeit sicherzustellen, müssen in regelmäßigen Abständen<br />
Untersuchungen nach bestimmten Normen (QS9000, VDI 2618 etc.) durchgeführt<br />
werden. Daraus ergibt sich, dass vor dem produktiven Einsatz Tätigkeiten,<br />
Mittel und Termine zur Sicherstellung der Prüfmittelfähigkeit definiert werden<br />
müssen.<br />
Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> werden die Möglichkeiten eines effizienten Prüfmittelmanagements<br />
voll ausgeschöpft. Im Rahmen der Qualitätsplanung wird für<br />
Prüfmittelfähigkeitsuntersuchungen definiert, welche Merkmale mit welchen Ressourcen<br />
nach welchen Spezifikationen kontrolliert werden. Je nachdem, welche<br />
Norm zugrunde liegt, muss im Vorfeld festgelegt werden, anhand welcher statistischer<br />
Kennwerte (Wiederholbarkeit/Messmittelstreuung, Vergleichbarkeit/Prüferstreuung,<br />
Wiederholbarkeit/Vergleichbarkeit, Streuung von Teil zu Teil und Gesamtstreuung)<br />
der Fähigkeitsnachweis erfolgen muss.
8.2 Geplante Qualität 177<br />
Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> Prüfmittelmanagements wird die Planung von<br />
Fähigkeitsuntersuchungen vereinfacht. Während der Kalibrierplanung wird festgelegt,<br />
in welchen Intervallen diese anstehen. Dabei können neben Zeit- auch Stückintervalle<br />
verwendet werden. Bei Ermittlung der Fälligkeit nach Stückintervallen<br />
werden die der Messwerterfassung vorliegenden Informationen über verwendete<br />
Prüfmittel benutzt. Für jeden Arbeitsplatz, an dem Prüfungen durchgeführt werden,<br />
kann mit Hilfe eines Verschleißfaktors definiert werden, wie stark das Prüfmittel<br />
in dieser Umgebung in Mitleidenschaft gezogen wird. So wird ein Prüfmittel<br />
an einer Maschine unter dem Einfluss von Öl und Kühlmitteln schneller<br />
verschleißen als beim Einsatz im Reinraum. Mit Hilfe dieser Funktionalitäten<br />
kann das <strong>MES</strong> die Anzahl durchzuführender Kalibrierungen deutlich verringern,<br />
da eine realitätsnahe, am Verschleiß orientierte Terminplanung möglich ist. Durch<br />
die Verwendung von Vorwarnzeiten kann der Zeitpuffer von der ersten Benachrichtigung<br />
bis zur Fälligkeit der Kalibrierung individuell definiert werden.<br />
8.2.5 Lieferantenbewertung – Optimierung des Beschaffungsprozesses<br />
Die Qualität der in die Produktion einfließenden Materialien hat, gerade in Bezug<br />
auf die steigende Spezialisierung und die Verringerung der Fertigungstiefe, einen<br />
großen Einfluss auf die Qualität der Produkte. Um im Einkauf die besten Lieferanten<br />
selektieren zu können, müssen effektive Methoden zur Beurteilung angewandt<br />
werden. Eine dieser Methoden ist die Lieferantenbewertung.<br />
Die Lieferantenbewertung ist eine klassische Domäne von ERP-/PPS-<br />
<strong>System</strong>en. Dabei werden alle einfließenden Faktoren gesammelt. Daten von Subsystemen<br />
werden über Schnittstellenfunktionen eingelesen. Aus all diesen Einzelfaktoren<br />
und eventuellen subjektiven Kriterien werden Kennzahlen für unterschiedliche<br />
Lieferanten ermittelt. Diese werden zur Bewertung der Lieferanten<br />
benutzt. Darüber hinaus sind sie bei Lieferantengesprächen von großem Nutzen.<br />
Durch diese Methoden lässt sich die Qualität der gelieferten Waren kontinuierlich<br />
verbessern.<br />
Wenn alle in die Lieferantenbewertung einfließenden Daten bereits im <strong>MES</strong><br />
vorliegen, kann die Lieferantenbewertung in einfachen Fällen auch im <strong>MES</strong> selber<br />
erfolgen. Durch die dem <strong>MES</strong> vorliegenden zeitnahen Daten ist auch ein<br />
‚Schnappschuss’ der aktuellen Qualitätslage eines Lieferanten möglich.<br />
Um die Lieferantenbewertung im <strong>MES</strong> durchführen zu können, müssen vorher<br />
die zugehörigen Kriterien definiert bzw. vom ERP-/PPS übernommen werden.<br />
Dies erfolgt in Form von Bewertungskatalogen. Hier können, in einer frei definierbaren<br />
Hierarchie, verschiedene Bewertungsblöcke definiert werden. Diesen<br />
werden die Bewertungskriterien zugeordnet. Dabei erfolgt eine Unterteilung in die<br />
Kategorien ‚subjektiv’ und ‚automatisch ermittelbar’. Während die subjektiven<br />
Kriterien manuell beurteilt werden müssen, ermitteln die automatischen ihr Ergebnis<br />
direkt aus dem Datenpool des <strong>MES</strong>.<br />
Sowohl die Bewertungskriterien als auch deren Blöcke können unterschiedlich<br />
gewichtet werden. Aus der aktuellen Einstufung eines Kriteriums und dessen Ge-
178 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
wichtung ergibt sich die Einstufung des Blocks. Das Lieferantenergebnis berechnet<br />
sich aus den Bewertungen und Gewichtungen der zugehörigen Blöcke.<br />
Auch bei den Bewertungskatalogen verwendet das <strong>MES</strong> die, schon aus der<br />
Prüfplanung bekannte, Versionisierung und Aktivierung. Damit wird auch in diesem<br />
Bereich sichergestellt, dass alle Änderungen an den Planungsgrundlagen lückenlos<br />
dokumentiert werden.<br />
Der entscheidende Vorteil beim Einsatz eines <strong>MES</strong> ist die Möglichkeit, alle im<br />
<strong>System</strong> vorhanden Daten direkt zur Beurteilung von Lieferanten heranziehen zu<br />
können. Das Ergebnis der <strong>MES</strong>-Lieferantenbewertung ist entweder direkt verwendbar<br />
oder kann im ERP-/PPS zur ganzheitlichen Beurteilung eines Lieferanten<br />
herangezogen werden.<br />
8.2.6 Aufbau von Workflows mit Eskalationsszenarien<br />
Um die Qualitätsanforderungen an Produkte erfüllen zu können, müssen alle<br />
Maßnahmen, welche der Qualitätssicherung dienen, geplant werden. Dazu gehören<br />
auch Führungs- und Ausführungstätigkeiten sowie die Reaktion auf qualitätsbeeinflussende<br />
Ereignisse.<br />
Qualitätsrelevante Abläufe werden im Bereich der Planung in Form von<br />
Workflows definiert. Durch den Funktionsumfang des <strong>MES</strong> stehen der Definition<br />
dieser Workflows deutlich mehr Möglichkeiten als bei monolithischen Standardprodukten<br />
zur Verfügung. So kann das Festellen von Fehlern in der nachgelagerten<br />
Qualitätsprüfung direkte Auswirkungen auf die laufende Produktion haben. Im<br />
einfachsten Fall werden Meister/Schichtführer, bei welchen Aufträge des fehlerhaften<br />
Artikels produziert werden oder zur Produktion anstehen, über die Probleme<br />
informiert<br />
Auch Reklamationen können anhand von hinterlegten Workflows gezielter bearbeitet<br />
werden. Damit stellt das <strong>MES</strong> sicher, dass bewährte Abläufe bei der Bearbeitung<br />
berücksichtigt werden. Ein weiterer Vorteil dieser Art der strukturierten<br />
Reklamationsbearbeitung ist, dass der aktuelle Status und der historische Verlauf<br />
der Handlungen anhand der im Workflow durchlaufenen Schritte jederzeit dargestellt<br />
werden kann.<br />
Um alle diese Möglichkeiten ausnutzen zu können, müssen die zugrunde liegenden<br />
Workflows erst einmal definiert werden. Dies sollte möglichst in grafischer<br />
Form erfolgen. Nur so bleiben komplexe Abläufe transparent und pflegbar.<br />
Fortgeschrittene <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e bieten die Flexibilität, für einen unterschiedlichen<br />
Datenkontext (Kundenreklamationen, interne Reklamationen etc.) auch unterschiedliche<br />
Formen von Workflows zu verwenden. Durch die Überwachung des<br />
Workflows in Verbindung mit einer zeitlichen Steuerung stellt das <strong>MES</strong> sicher,<br />
dass der Ablauf nicht zum Stillstand kommt. Bei der Planung können auch Funktionen<br />
des Eskalationsmanagements angesprochen werden. Damit können später<br />
bestimmte Personen(gruppen) gezielt benachrichtigt werden.
Abb. 8.3. Workflow gestützte Reklamationsbearbeitung<br />
8.2 Geplante Qualität 179<br />
Die kontinuierliche Verbesserung der Workflows führt zu einer deutlichen Effizienzsteigerung<br />
innerbetrieblicher Abläufe. Eine flexible Workflowsteuerung<br />
und -überwachung mit mannigfaltigen Möglichkeiten der bereichsübergreifenden<br />
Kommunikation ist die Stärke eines <strong>MES</strong>.<br />
8.2.7 Qualitätsplanung innerhalb der Fertigungsvorbereitung<br />
Durch die Tatsache, dass die Qualitätsplanung Bestandteil eines <strong>MES</strong> ist, ergeben<br />
sich einige Funktionen, welche bei monolithischen Standardprodukten, wenn überhaupt,<br />
nur durch den Einsatz von Schnittstellen erkauft werden können. So<br />
können, gerade in der Fertigungsplanung, historische Daten aus der Qualitätssicherung<br />
verwendet werden. Einige Möglichkeiten, welche das <strong>MES</strong> dadurch zur<br />
Verfügung stellen kann, werden nachfolgend aufgelistet:<br />
− Vor der Freigabe eines Fertigungsauftrags kontrolliert das <strong>MES</strong>, ob für den Artikel<br />
und/oder Kunden Reklamationen vorliegen. In diesem Fall wird der Fertigungsplaner<br />
auf diesen Umstand hingewiesen. In weiteren Recherchen (zum<br />
Beispiel einer Analyse, ob die Fehlerursache mit der verplanten Maschine zu-
180 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
sammenhängt) kann eine Entscheidung getroffen werden, ob der Fertigungsauftrag<br />
wie geplant freigegeben werden soll.<br />
− Vor der Freigabe von Fertigungsaufträgen auf bestimmten Maschinen testet das<br />
<strong>MES</strong>, ob für den Prozess durch die Qualitätssicherung eine entsprechende Maschinenfähigkeit<br />
nachgewiesen wurde. Ist dies nicht der Fall, sind folgende<br />
Szenarien vorstellbar:<br />
− Der Fertigungsauftrag kann an dieser Maschine nicht freigegeben werden.<br />
− Eine entsprechende Maschinenfähigkeitsprüfung wird veranlasst.<br />
− Eine Hinweismeldung erscheint. Optional kann der Fertigungsauftrag freigegeben<br />
werden.<br />
− Vor der Freigabe eines Fertigungsauftrags wird durch das <strong>MES</strong> geprüft, ob bei<br />
dem zu fertigenden Artikel für den Kunden eine Erstmusterfreigabe vorliegt.<br />
Bei Defiziten kann eine der folgenden Reaktionen erfolgen:<br />
− Der Fertigungsauftrag kann nicht freigegeben werden.<br />
− Die Erstmusterfreigabe wird eingeholt.<br />
− Eine entsprechende Erstmusterprüfung wird veranlasst.<br />
− Eine Hinweismeldung erscheint. Dennoch kann der Fertigungsauftrag freigegeben<br />
werden.<br />
− Bei der Fertigungsplanung kann das <strong>MES</strong> auf cm- und cmk-Werte aus der Qualitätssicherung<br />
zugreifen. Diese Daten stehen für eine optimale Maschinenzuordnung<br />
zur Verfügung.<br />
Ein <strong>MES</strong> ist monolithischen Standardprogrammen nicht nur durch die Analyse<br />
historischer Daten überlegen. So können bereits in der Fertigungsplanung eventuelle<br />
Defizite der Prüfplanung erkannt werden. Durch entsprechende Maßnahmen<br />
kann bereits vor Produktionsbeginn reagiert werden, um diese Lücken zu schließen.<br />
Beispiele hierfür sind nachfolgend aufgelistet:<br />
− Durch die Verbindung aus Fertigungs- und Qualitätsplanung können Prüfer und<br />
Messmittel verplant werden. Engpässe werden rechtzeitig aufgezeigt und können<br />
durch Korrekturen vermieden werden. Ein zusätzlicher Nutzen ergibt sich<br />
aus der Möglichkeit, die Prüfer entsprechend ihrer Qualifikation zu verplanen.<br />
Hinweise und Assistenten des <strong>MES</strong> unterstützen den Fertigungsplaner und weisen<br />
auf potenzielle Probleme hin.<br />
− Bei der Berechnung der Laufzeit eines Fertigungsauftrags kann das <strong>MES</strong> auf<br />
Informationen ein- oder nachgelagerter Prüfungen zurückgreifen. Aus diesen<br />
Angaben lassen sich realistischere Aussagen über die Produktionszeiten ableiten.<br />
− Bei der Freigabe von Fertigungsaufträgen wird sichergestellt, dass die zugehörige<br />
Planungsebene der Qualitätssicherung vollständig vorhanden ist. Defizite<br />
(fehlende Prüfpläne etc.) können durch die rechtzeitige Einleitung entsprechender<br />
Korrekturmaßnahmen behoben werden.<br />
− Bei der Fertigungsplanung ermittelt das <strong>MES</strong>, ob während der Produktion Kalibrierungen<br />
für die durch die Prüfplanung zugewiesene Messmittel fällig werden.<br />
Diese Informationen werden durch das <strong>MES</strong> angezeigt und können dann<br />
entsprechende Maßnahmen auslösen. Daraus entstehende Verzögerungen der
8.3 Integrierte Qualität 181<br />
Fertigung werden bereits im Vorfeld visualisiert. Diese Funktionalität entfaltet<br />
ihre ganze Effektivität bei Verwendung stückbezogener Kalibrierintervalle.<br />
8.3 Integrierte Qualität<br />
Prozessqualität ist die Voraussetzung für Produktqualität. Nur durch fähige und<br />
beherrschte Prozesse können qualitativ hochwertige Produkte gefertigt werden.<br />
Wird ein Fehler rechtzeitig, zum Beispiel schon in der Konstruktion, erkannt, entstehen<br />
wesentlich geringere Kosten als bei der Entdeckung in der Produktion, der<br />
Endkontrolle oder, noch unangenehmer, durch den Kunden. Dies wird durch die<br />
Zehnerregel der Fehlerkosten eindrucksvoll veranschaulicht. Hiernach steigern<br />
sich die Kosten mit jeder Phase, in der er später, in Bezug auf seinen Entstehungszeitpunkt,<br />
aufgedeckt und beseitigt wird. Um Fehler zu vermeiden, müssen qualitätssichernde<br />
Methoden im gesamten Prozessablauf, vom Wareneingang über die<br />
Fertigung bis hin zum Warenausgang, zum Einsatz kommen.<br />
In der Fertigung sichern Fähigkeitsuntersuchungen die Eignung von Fertigungsprozessen<br />
und den daran beteiligten Maschinen. Damit ist sichergestellt,<br />
dass qualitätsrelevante Merkmale innerhalb der vorgegebenen Toleranzen gefertigt<br />
werden können. Die in diesen Untersuchungen gewonnen Erkenntnisse können<br />
mit Hilfe des <strong>MES</strong> für die statistische Prozesskontrolle (SPC) der Fertigung<br />
herangezogen werden.<br />
Um die Prüfmittelfähigkeit nachzuweisen und die Herstellerangaben zu überwachen,<br />
ist der Einsatz eines Prüfmittelmanagements notwendig. Nur mit Hilfe<br />
regelmäßiger Kalibrierungen kann sichergestellt werden, dass die gemessenen<br />
Werte realistisch sind. Das <strong>MES</strong> unterstützt den Anwender bei der Verwaltung<br />
von Prüfmitteln, deren Kalibrierung und der Bereitstellung für die Anwender.<br />
Darüber hinaus werden Fälligkeiten überwacht, wodurch auf anstehende Kalibrierungen<br />
bereits rechtzeitig hingewiesen werden kann.<br />
Das Reklamationsmanagement regelt die Bearbeitung von Reklamationen, deren<br />
Fehleranalyse und die Ergreifung und Überwachung von Sofort- und Abstellmaßnahmen.<br />
Um sicherzustellen, dass in Reklamationen analysierte Fehler keine<br />
Auswirkungen auf aktuelle oder zukünftige Produktionsprozesse haben, unterstützt<br />
die Workflow-Steuerung des <strong>MES</strong> den Anwender durch Einflussnahme auf<br />
die Prüfplanung und die laufenden Wareneingangs-, Fertigungs- und Endprüfungen.<br />
Durch die konsequente Anwendung eines <strong>MES</strong> kann nach einiger Zeit auf eine<br />
breite Wissensbasis zurückgriffen werden. Dadurch wird vorhandenes Wissen benutzt,<br />
um im Falle einer Wiederholung durch Verwendung bereits erfolgreich angewendeter<br />
Problemlösungsstrategien schneller und damit kostengünstiger reagieren<br />
zu können. Mit der Bildung von Qualitätsregelkreisen trägt das <strong>MES</strong> durch<br />
Fehlervermeidung maßgeblich zur Reduktion der Kosten bei steigender Produktqualität<br />
und Kundenzufriedenheit bei.
182 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
8.3.1 Qualität durch Informationsmanagement<br />
Durch die Integration von Fertigungs- und Qualitätsmanagement können alle relevanten<br />
Daten übersichtlich in einer Anwendung dargestellt werden. Anwender<br />
müssen nicht mehrere <strong>System</strong>e parallel betreiben, um Informationen einzusehen<br />
und zu pflegen. Redundante Eingaben und/oder teure Schnittstellen können entfallen.<br />
Mit dem Einsatz eines in das <strong>MES</strong> integrierten Maßnahmen- und Eskalationsmanagements<br />
stehen einheitliche Werkzeuge zur zielgerichteten und dokumentierten<br />
Benachrichtigung und Aufgabenverteilung zur Verfügung. Damit ergeben<br />
sich kurze Informationswege zwischen Schichtführern, Maschinenbedienern, Prüfern<br />
und den Qualitätsverantwortlichen. Die integrierte Terminüberwachung unterstützt<br />
die Anwender dabei, wichtige Tätigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren.<br />
Mit Hilfe der workflow-basierten Prozesssteuerung kann firmeninternes Knowhow<br />
transparent abgebildet und effizient genutzt werden. Bei der Krankmeldung<br />
eines Mitarbeiters des QS-Labors wird beispielsweise der Vorgesetzte informiert,<br />
bei welchen Aufträgen durch den Ausfall Prüfungen gefährdet sind. Als Konsequenz<br />
daraus könnten in der Personalplanung die anstehenden Aufgaben auf andere<br />
Kollegen mit gleicher Qualifikation verteilt werden.<br />
8.3.2 Sicherstellung der Zulieferqualität<br />
Die Produktqualität wird entscheidend vom Qualitätsniveau der Zulieferungen bestimmt.<br />
Wurde mit den Lieferanten keine Qualitätsvereinbarung getroffen, reduziert<br />
die Wareneingangsprüfung das Risiko, dass fehlerhafte Materialien oder<br />
Komponenten in die Fertigung einfließen. Eine Dynamisierung hilft, den daraus<br />
entstehenden Prüfaufwand herabzusetzen. Hierbei wird nach mehreren fehlerfreien<br />
Lieferungen eines Artikels von einem Lieferanten die Prüfung reduziert. Im<br />
Fall eines festgestellten Fehlers kann diese wieder verschärft werden.<br />
Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> kann in der Fertigung auf die Ergebnisse der Wareneingangsprüfung<br />
zugegriffen werden. Die Daten, aus welchem Wareneingang<br />
die einfließenden Materialen bzw. Komponenten stammen, stellt die Material- und<br />
Produktionslogistik zur Verfügung. Sollten während der Produktion Probleme auftreten,<br />
welche auf einen mangelhaften Wareneingang zurückzuführen sind, kann<br />
das <strong>MES</strong> sofort Maßnahmen ergreifen, um die Prüfung der Zulieferungen zu verschärfen.<br />
Wenn Lieferungen, resultierend aus der Wareneingangsprüfung, zurückgewiesen<br />
werden, besteht im <strong>MES</strong> die Möglichkeit der direkten Erstellung einer Lieferantenreklamation.<br />
Umgekehrt kann bei einem Wareneingang anhand der aktuellen und historischen<br />
Lieferantenreklamationen sofort geprüft werden, ob die Lieferung als potenziell<br />
kritisch einzustufen ist. Eine Benachrichtigung sorgt für die nötige Sensibilisierung<br />
der Mitarbeiter.
8.3.3 Fertigungsbegleitende Qualitätssicherung<br />
8.3 Integrierte Qualität 183<br />
Um sicherzustellen, dass der Fertigungsprozess qualitätsfähig und beherrscht ist,<br />
wird meist eine statistische Prozessregelung eingesetzt. Alternativ kann auch die<br />
zufällige Stichprobenprüfung, die sog. Annahmestichprobenprüfung Anwendung<br />
finden. Beiden Methoden ist gemein, dass sie durch statistische Berechungen Aussagen<br />
über die aktuelle Qualitätslage des Fertigungsprozesses liefern. Diese können<br />
verwendet werden, um im Bedarfsfall mit Hilfe von Fehleranalysen und den<br />
daraus abgeleiteten Korrektur- und Abstellmaßnahmen den Produktionsprozess direkt<br />
zu beeinflussen. Die Prüfungen dienen damit als Grundlage von Regelkreisen,<br />
welche einen abgeschlossenen Wirkungsablauf darstellen, um innerhalb eines<br />
Prozesses ein Qualitätsprodukt zu erzeugen.<br />
Gerade in der fertigungsbegleitenden Prüfung bringt der Einsatz eines <strong>MES</strong> gegenüber<br />
monolithischen Standardprodukten wesentliche Vorteile. So werden<br />
durch eine entsprechende Kennzeichnung qualitätsrelevanter Objekte (Artikel,<br />
Arbeitsgänge, Lose) bedarfsgerecht Funktionen und Anzeigen des Qualitätsmanagements<br />
aktiviert. Die Zusammenführung von Fertigungs- und Qualitätsmanagement<br />
durch ein <strong>MES</strong> ermöglicht eine einheitliche Sichtweise auf den Herstellungsprozess.<br />
Statt der bisherigen Teilung von produktiven Arbeitsgängen und<br />
Prüfschritten entsteht durch eine uniforme Betrachtung ein planbares und transparentes<br />
Gesamtgebilde. Dabei kann ein Fertigungsauftrag mehrere Arbeitsgänge<br />
unterschiedlicher Ausprägung enthalten.<br />
Fertigungsauftrag 34581<br />
Arbeitsgang 0100 0100<br />
Drehen Drehen<br />
ADE: Startdatum: 21.03.2005<br />
Durchlaufzeit: 18,5Std<br />
Prioriät: 3<br />
Arbeitsgang 0200 0200<br />
Oberflächenveredelung<br />
ADE: Startdatum: 23.03.2005<br />
Durchlaufzeit: 103 Std.<br />
Prioriät: 3<br />
Arbeitsgang 0250 0250<br />
Laborprüfung<br />
Sollmenge: 2200<br />
Gutmenge: 2212<br />
Ausschuss: 78<br />
CAQ: Durchmesser: 20mm ± 3mm<br />
Breite: 12,3cm ± 0,3cm<br />
Grat: i.O. / n.i.O.<br />
Sollmenge: 2200<br />
Gutmenge: 2203<br />
Ausschuss: 9<br />
Sollmenge: 2200<br />
Gutmenge: 2198<br />
Ausschuss: 5<br />
CAQ: Schichtdicke 5µm ± 1µm<br />
Kohlenstoffgehalt 0,5% ± 0,04%<br />
Oberfläche i.O. / n.i.O.<br />
Abb. 8.4. Aufträge mit produktions- und prüfungsrelevanten Arbeitsgängen
184 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
Sie können entweder produktiv, prüfend oder produktiv und prüfend sein.<br />
Durch diese Aufteilung entsteht eine einheitliche Basis für Planung, Abarbeitung,<br />
Verbuchung und Auswertung.<br />
Die Ergebnisse der Qualitätsprüfung können dabei nachfolgende Arbeitsgänge<br />
beeinflussen. So kann zum Beispiel bei mangelhaften Merkmalen ein Nacharbeitsschritt<br />
erforderlich werden. Ebenso kann der Prüfentscheid Auswirkungen auf die<br />
Verwendung der entstandenen Halb- oder Fertigprodukte haben.<br />
Weitere Vorteile der Integration von Fertigungs- und Qualitätsmanagement<br />
durch ein <strong>MES</strong> sind nachfolgend aufgelistet:<br />
− Gut- und Ausschussmengen werden einheitlich zurückgemeldet und bewertet,<br />
unabhängig davon, ob die Klassifizierung fertigungs- oder qualitätsbegründet<br />
erfolgte. Einzelne <strong>System</strong>e haben immer wieder Probleme bei der unterschiedlichen<br />
Handhabung.<br />
− In allen Anzeigen und Reports können gleichzeitig der Auftragsfortschritt und<br />
entsprechend die Auftragsqualität visualisiert werden.<br />
− Bei der fertigungsnahen Datenerfassung an der Maschine sind alle relevanten<br />
Daten auf einen Blick ersichtlich. Neben den aktuellen Stückzahlen werden<br />
auch Informationen über anstehende Prüfungen und aufgetretene Grenzwertverletzungen<br />
visualisiert. Der Anwender wird durch farblich hervorgehobene Anzeigen<br />
auf qualitätskritische Informationen gezielt hingewiesen.<br />
− Auch bei der intervallgesteuerten Prüfung stehen alle Auftragsdaten direkt und<br />
ohne Umwege zur Verfügung. Mit dem direkten Zugriff auf die Produktionsmengen<br />
ergeben sich produktionsnahe Stückintervalle.<br />
− Bei Zeitintervallen kann die Berücksichtigung des Maschinenstatus zum Aussetzen<br />
der Prüfung führen. Damit werden realistische Zeitintervalle erreicht,<br />
welche bei getrennter Auftrags-, Maschinen- und Qualitätsdatenerfassung so<br />
nicht realisierbar wären.<br />
− Eine entsprechende Anbindung vorausgesetzt, kann bei einer Verschlechterung<br />
der Qualitätslage Einfluss auf die Maschine ausgeübt werden. Wird zum Beispiel<br />
bei einer automatisierten Qualitätsprüfung eine Eingriffsgrenze verletzt,<br />
kann dies zum Maschinenstillstand führen.<br />
8.3.4 Optimierung der Prüfmittelüberwachung<br />
Der Einsatz eines Prüfmittelmanagements ist nötig, um sicherzustellen, dass in<br />
Unternehmen nur Messmittel eingesetzt werden, welche eindeutig gekennzeichnet<br />
sind. Diese müssen kontrolliert und freigegeben sein. Durch eine Prüfung wird<br />
gewährleistet, dass das Messmittel den Vorgaben des Herstellers entspricht. Die<br />
Messwerte müssen in einem definierten Toleranzbereich liegen. Die aus der Prüfung<br />
resultierenden Ergebnisse müssen reproduzierbar sein. Sollte die ermittelte<br />
Messungenauigkeit nicht mit den Qualitätsforderungen vereinbar sein, muss das<br />
Prüfmittel gesperrt werden.<br />
Das <strong>MES</strong> unterstützt den Anwender bei der Verwaltung und Überwachung seiner<br />
Prüfmittel. Durch die Tatsache, dass auch die Prüfungen im <strong>MES</strong> erfolgen,
8.3 Integrierte Qualität 185<br />
stehen alle Informationen über die Einsatzhäufigkeit zur Verfügung. Diese können<br />
zum Beispiel für die Ermittlung von verschleißabhängigen Kalibrierintervallen<br />
verwendet werden. Eine Überwachung der Fälligkeit kann bei stückbezogenen<br />
Kalibrierintervallen zeitnah und direkt an der Maschine erfolgen.<br />
Sollte ein Messmittel während des Einsatzes fällig werden, so wird der Prüfer<br />
direkt benachrichtigt. Eine weitere Verwendung des fälligen Prüfmittels wird optional<br />
unterbunden. Durch die Integration des Qualitätsmanagements können<br />
Messmittel bei Bedarf vor Ort kalibriert werden. Diese Handhabung ist vorwiegend<br />
bei unbeweglichen Prüfmitteln, wie zum Beispiel Messmaschinen sinnvoll.<br />
8.3.5 Transparentes Reklamationsmanagement<br />
Eine Reklamation ist immer das Ergebnis schlechter Qualität. Sei es durch fehlerhafte,<br />
unzureichende Information oder durch ungenügende Produktqualität. Dabei<br />
spielt es keine Rolle, ob es sich um eine interne, Kunden- oder Lieferantenreklamation<br />
handelt.<br />
Das Reklamationsmanagement des <strong>MES</strong> unterstützt bei der Erfassung und der<br />
Bearbeitung von Reklamationen. Ferner werden ergriffene Sofort- und Korrekturmaßnahmen<br />
überwacht. Das <strong>System</strong> ist dem Anwender bei der Fehleranalyse behilflich.<br />
Selbstverständlich stehen alle einer Reklamation zugeordneten Daten,<br />
einschließlich der Kosten, späteren Auswertungen zur Verfügung.<br />
Bewährte Abläufe werden durch die workflow-gestützte Bearbeitung von Reklamationen<br />
berücksichtigt. Gleichzeitig wird die Bearbeitung einer Reklamation<br />
lückenlos dokumentiert. Durch den Funktionsumfang des <strong>MES</strong> ergeben sich gegenüber<br />
monolithischer Standardsoftware zusätzliche Synergien. Bei bestimmten<br />
Störgründen einer Maschine wird automatisch eine interne Reklamation erzeugt.<br />
Durch die eingeleitete Fehleranalyse mit den daraus resultierenden Maßnahmen<br />
können zukünftig gleichartige Fehler vermieden oder zumindest minimiert werden.<br />
Abb. 8.5. Beispiel für eine strukturierte Fehleranalyse
186 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
Auch das integrierte Eskalationsmanagement eröffnet neue Möglichkeiten. Bei<br />
der Anlage einer Reklamation eines Artikels, für den geplante Fertigungsaufträge<br />
vorliegen, kann der Qualitätsverantwortliche benachrichtigt werden, um durch geeignete<br />
Maßnahmen präventiv Folgereklamationen auszuschließen.<br />
8.4 Dokumentierte Qualität<br />
Der sinnvolle Umgang mit der Ware „Information“ ist ein zunehmend wichtiger<br />
Faktor für die Wettbewerbsituation im Markt. Immer mehr Unternehmen sehen<br />
daher in ihrer Dokumentation ein wesentliches Qualitätskriterium der eigenen<br />
Produkte. Verstärkte Bedeutung hat die Anforderung, entscheidende Informationen<br />
ohne großen Zeitverlust und Kostenaufwand sofort abrufen zu können. Dies<br />
ist insbesondere bei Reklamationen, Produkthaftungen, Lieferanten- und Kundengesprächen<br />
von Interesse. Die breite Datenbasis eines <strong>MES</strong>, geschaffen durch die<br />
Interaktion verschiedener Module, ermöglicht den Unternehmen eine effektive<br />
Bearbeitung der jeweiligen Aufgaben.<br />
Die Interpretation des Begriffs „Dokumentation“ hinsichtlich der Qualitätssicherung<br />
ist dabei vielschichtig. Grundsätzlich ist darunter die effiziente und lückenlose<br />
Erfassung, Verwaltung, Archivierung und Aufbereitung von qualitätsrelevanten<br />
Daten zu verstehen.<br />
Bei genauerer Betrachtung ergeben sich verschiedene Aspekte des Begriffs<br />
„Dokumentierte Qualität“. Einerseits geht es um den zentralen Zugriff auf Belege,<br />
welche in den unterschiedlichen Bereichen der Qualitätssicherung benötigt werden<br />
oder dort entstehen. Zu beachten ist, dass diese Dokumente keinesfalls ausschließlichen<br />
Qualitätsbezug haben müssen. Vielmehr geht es auch um den Zugriff auf<br />
Informationen aus Abteilungen außerhalb dieses Fachbereichs, den „qualitätsfernen“<br />
Abteilungen. Umgekehrt müssen Dokumente, welche in der Qualitätssicherung,<br />
z. B. durch die Erfassung von Messwerten, entstehen, übergreifend zur Verfügung<br />
gestellt werden. Der Einsatz eines <strong>MES</strong> ermöglicht die gegenseitige<br />
Informationsbereitstellung in geeigneter Art und Weise. Entscheidend ist dabei die<br />
Vernetzung innerhalb eines <strong>MES</strong> (horizontale Integration), denn der effiziente Datenzugriff<br />
verschlechtert sich mit der Anzahl der installierten <strong>System</strong>e aus denen<br />
diese stammen.<br />
Zusätzlich sind die direkt mit den Qualitätsdaten in Korrelation stehenden Informationen<br />
einzubeziehen. Dabei sind im Vorfeld die Einflussgrößen zu ermitteln,<br />
welche für die Dokumentation der Qualitätssicherung von Bedeutung sind.<br />
Umgekehrt muss die Auswirkung von Änderungen der eigentlichen Qualitätsdaten<br />
auf „qualitätsferne“ Unternehmens- und Produktprozesse berücksichtigt werden.<br />
Eine besondere Bedeutung kommt der Traceability zu. Diese ist hinsichtlich der<br />
Produkthaftung, insbesondere der seit 1990 gültigen Gesetzgebung mit der Neuerung<br />
der Beweisumkehr, der Haftungsdauer von 10 Jahren und dem erweiterten<br />
Produktbegriff wichtig. Hinzu kommt dass seit dem 1. August 2002 gültige Gesetz<br />
zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, welches auch Schmerzensgeldansprüche<br />
in die Produkthaftung einbezieht.
8.4 Dokumentierte Qualität 187<br />
Ein weiterer Grund zur Einführung eines Traceability-Managements ist die<br />
Verordnung (EU) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und Rates. Diese<br />
besagt, dass bis zum 01. Januar 2005 alle Betriebe der Lebensmittelbranche ein<br />
<strong>System</strong> zur Rückverfolgbarkeit implementieren müssen.<br />
8.4.1 Vernetzung von Informationen<br />
In der Qualitätsdatenerfassung eines <strong>MES</strong> kann sowohl auf Auftragsdokumente,<br />
Werkzeug- und Maschineninformationen als auch auf Daten bzgl. der Fertigungsplanung<br />
zugegriffen werden. Dadurch wird der beschränkte Informationsabruf einer<br />
Insellösung „Qualitätssicherung“ durchbrochen. Die geplante Fertigungsdauer<br />
und damit der Fertigstellungstermin sind ebenso abrufbar wie der Fertigstellungsgrad<br />
des aktuellen Auftrags. Des Weiteren hat der Prüfer Einsicht in hinterlegte<br />
Arbeitspläne und damit einen Überblick über den nachfolgenden Fertigungsprozess.<br />
Nur dieser umfassende Zugriff auf alle relevanten Informationen ermöglicht<br />
bei Qualitätsproblemen die Einleitung der richtigen Maßnahmen. Bei Schwachstellen,<br />
welche z. B. auf Werkzeugverschleiß zurückzuführen sind, kann sofort<br />
ermittelt werden, ob ein Ersatzwerkzeug vorhanden ist oder eine komplette Umrüstung<br />
auf ein anderes Produkt erforderlich wird. Durch den globalen Zugriff auf<br />
die Information der nächsten geplanten Maschinenwartung kann sofort entschieden<br />
werden, diese vorzuziehen. Ein <strong>MES</strong> liefert alle erforderlichen Information in<br />
der notwendigen Aktualität.<br />
Das <strong>MES</strong> ermöglicht jedem Anwender den Zugriff auf die für ihn relevanten<br />
Daten. Dokumente müssen nur einmal erstellt und anschließend lediglich mit den<br />
einzelnen Funktionsbausteinen vernetzt werden. Dadurch entfällt eine redundante<br />
Pflege und Zuweisung. Eine Artikelzeichnung kann zum Beispiel zentral beim Artikelstamm<br />
hinterlegt werden und steht allen <strong>MES</strong>-Modulen zur Verfügung. Sowohl<br />
bei Erfassung von Messwerten im Prüflabor als auch bei den Arbeitsgang-<br />
und Auftragsinformationen an der Maschine kann auf dieses zentral hinterlegte<br />
Dokument zurückgegriffen werden.<br />
8.4.2 Qualitätsdaten zielgerecht nutzen<br />
Es wird immer wichtiger, Informationen aus verschiedenen Unternehmensbereichen<br />
in einer übersichtlichen Form bereitzustellen und funktional zu verknüpfen.<br />
Der ausschließliche Zugriff auf Qualitätsdaten reicht nicht mehr aus. Der<br />
Zugriff auf alle Daten ermöglicht die Rückverfolgung von Qualitätsdaten bis zum<br />
Entstehungszeitpunkt. Reibungsverluste werden minimiert, da alle Berechtigten<br />
die Informationen zu jeder Zeit von jedem Ort abrufen können. Neben den Qualitätsmanagern<br />
können alle anderen Abteilungen, vom Einkauf und der Entwicklung<br />
bis hin zum Servicemitarbeiter beim Kunden, auf einer einheitlichen Datenbasis<br />
arbeiten. Dadurch ist die notwendige Flexibilität, insbesondere der funktionalen<br />
Verknüpfung, ohne Zusatzkosten gewährleistet.
188 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
Ein Beispiel hierfür ist die Einbeziehung des Mitarbeiterführerscheins aus dem<br />
Personalmanagement. Reichte früher die Dokumentation „Wer hat was geprüft“<br />
aus, wird es heute immer wichtiger, die notwendige Prüferqualifikation zu berücksichtigen.<br />
Unter der Einbeziehung des Mitarbeiterführerscheins ist es möglich,<br />
Prüfungen von Personen, welche nicht die notwendige Qualifikation besitzen, zu<br />
unterbinden. Unter Berücksichtigung der Gültigkeitskriterien besteht sogar die<br />
Möglichkeit zu kontrollieren, ob der Prüfer einen bestimmten Artikel in den letzten<br />
Monaten häufig genug geprüft hat, um die Qualifikation zur Prüfung dieses<br />
Artikels weiterhin zu behalten. Gegebenenfalls muss die Qualifikation neu erbracht<br />
werden.<br />
Eine klassische Dokumentation von Qualitätsdaten sind die Prüfbescheinigungen<br />
nach der EN 10204, wie z. B. das Abnahmeprüfzeugnis 3.1, 3.2<br />
und das Werksprüfzeugnis 2.1, 2.2. Seitens der Kunden besteht sehr häufig die<br />
Anforderung nach speziellen Zertifikaten mit erweitertem Inhalt. Die Form und<br />
der Inhalt können dabei von Kunde zu Kunde variieren. Oft beschränkt sich die<br />
Vereinbarung darauf, dass z. B. im Reklamationsfall ein Zertifikat mit den gewünschten<br />
Informationen zur Verfügung gestellt werden muss. Spätestens bei der<br />
Ausweitung des Inhalts auf relevante Daten von zugehörigen Prozessmerkmalen<br />
gibt es meistens Probleme. Nicht so beim Einsatz eines <strong>MES</strong>. Hier sind die geforderten<br />
Dokumente vom Inhalt flexibel gestaltbar und können an Kundenanforderungen<br />
angepasst werden.<br />
Die Einbeziehung aller qualitätsrelevanten Ereignisse, welche die Produktqualität<br />
beeinflussen, stellt eine Erweiterung der klassischen Dokumentation dar.<br />
Darunter fällt die Verbindung von Produktions- und Qualitätsdaten. Einen großen<br />
Einfluss auf die entstehende Produktqualität haben Störungen, welche während<br />
des Entstehungsprozesses auftreten. Gleiches gilt für die Kennwerte der Prozess-,<br />
Maschinen- und Werkzeugparameter. Insgesamt können fünf Ursachengruppen<br />
für abweichende Qualität verantwortlich sein:<br />
− der Mensch als Bedien- und Prüfpersonal,<br />
− das eingesetzte Material als Ergebnis eines vorgelagerten Fertigungsprozesses,<br />
− die Maschine mit der elementaren Einflussgröße Werkzeug,<br />
− die Methode, welche maßgebend das Zusammenspiel von Mensch und Maschine<br />
bestimmt und<br />
− die Mitwelt mit verschiedenen Umgebungseinflüssen, wie z. B. Temperatur<br />
und Staub.<br />
Ein Beispiel für die Bedeutung der Einflussgröße „Werkzeug“ ist die Gefahr der<br />
Lunkerbildung bei Unterschreitung einer vorgegebenen Werkzeugtemperatur. Auf<br />
Grund der Abhängigkeit der Produktqualität von den vielfältigen Einflussgrößen<br />
der genannten Ursachengruppen kommt der Verknüpfung aller Informationen eine<br />
große Bedeutung zu. Dies verdeutlicht die, im Rahmen der Produkthaftung erforderliche,<br />
lückenlose Dokumentation des Teilelebenslaufs, welcher Bestandteil eines<br />
<strong>MES</strong> ist.<br />
Im Teilelebenslauf müssen zu den bekannten Einflussgrößen noch weitere Informationen<br />
enthalten sein. Es sind grundsätzlich alle wichtigen Ereignisse, von
8.4 Dokumentierte Qualität 189<br />
der Zeichnungserstellung bis zur Verschrottung der Werkzeuge, aufzuführen. Bei<br />
Änderungen sind diese zu beschreiben und zu begründen. Mögliche Inhalte eines<br />
Teilelebenslaufs sind:<br />
− das Datum der Bemusterung und der Beginn der Serienlieferung,<br />
− Angaben zur Werkzeugreparatur,<br />
− zu Prozessoptimierungen,<br />
− zu Indexänderungen und<br />
− der Verwendung neuer Werkstoffe.<br />
Bei komplexen Produkten, wie Maschinen oder Autos, kommt zur historischen<br />
Betrachtung noch die Anforderung, Ereignisse nach der Produktfertigstellung in<br />
den Teilelebenslauf zu integrieren. Wird ein sicherheitsrelevantes Bauteil ausgetauscht,<br />
muss auf Grund der Rückverfolgbarkeit im Rahmen der Produkthaftung<br />
diese Änderung dokumentiert werden. Um im Schadensfall die richtigen Maßnahmen<br />
ergreifen zu können, wird festgelegt, wer bei welchen Ereignissen aktiv<br />
werden muss. Tritt der Schadensfall ein, ist eine Terminüberwachung aller Aktivitäten<br />
gefordert. Diese sind wiederum in den Teilelebenslauf zu integrieren.<br />
Keinesfalls dürfen die in einem Teilelebenslauf dokumentierten Änderungen<br />
von qualitätsrelevanten Daten isoliert betrachtet werden. Vielmehr gilt es zu berücksichtigen,<br />
dass jede Änderung auch Auswirkungen auf andere Unternehmensbereiche<br />
bzw. Prozesse haben kann. Während in einer monolithischen Qualitätssicherung<br />
die Gefahr besteht, dass diese unerkannt bleiben oder sich nicht<br />
notwendigerweise automatisch auf andere Bereiche auswirken, gewährleistet ein<br />
<strong>MES</strong> die sofortige Informationsweiterleitung. Allen Unternehmensbereichen stehen<br />
die geänderten Inhalte bzw. Dokumente unmittelbar zur Verfügung. Folgekosten,<br />
verursacht durch eine verzögerte Einbeziehung geänderter und qualitätsrelevanter<br />
Daten, werden vermieden. Eine nachträglich erforderliche Korrektur von<br />
Messwerten kann den Prüfentscheid und damit den Qualitätsstatus des zugehörigen<br />
Produktionsloses beeinflussen. Das <strong>MES</strong> unterbindet in diesem Fall eine Weiterverarbeitung<br />
des gesperrten Loses in allen nachgelagerten Produktionsprozessen.<br />
Alle Lose, in welches das gesperrte Los bereits eingeflossen ist, werden<br />
ebenfalls gesperrt und eine Auslieferung wird verhindert. Im schlimmsten Fall<br />
müssen bereits versandte Produkte im Rahmen einer Rückrufaktion aus dem Umlauf<br />
gebracht werden. Um den Schaden und die damit verbundenen Kosten zu begrenzen,<br />
sind die Automatismen eines <strong>MES</strong> nötig. Durch den übergreifenden<br />
Zugriff auf alle relevanten Daten kann schnell und effektiv reagiert werden.<br />
Ähnliche Auswirkungen haben die im Rahmen einer Prüfmittelkalibrierung oder<br />
Maschinen-/Werkzeugwartung festgestellten unzulässigen Abweichungen. Die<br />
mit diesem Prüfmittel dokumentierten Ergebnisse können auf falsch erfassten<br />
Messwerten basieren. Auch in diesem Fall müssen die Produktionslose, bei welchen<br />
das Prüfmittel zum Einsatz kam, gesperrt oder mit einem Weiterverarbeitungshinweis<br />
versehen werden. Sofern die festgestellten unzulässigen Abweichungen<br />
nicht korrigiert werden können, ist das Objekt zu sperren und steht damit<br />
nicht mehr als Ressource zur Verfügung. Mit der Sperrung muss durch das <strong>MES</strong><br />
sofort überprüft werden, ob diese bereits in zukünftigen Fertigungsaufträgen ver-
190 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
plant ist. Stehen keine Alternativressourcen zur Verfügung muss umgeplant werden.<br />
Auch die im Rahmen einer Reklamation ermittelten Fehlerursachen können direkte<br />
Auswirkungen auf die aktuelle oder anstehende Fertigung haben. Wird als<br />
Fehlerursache ein falsch zugewiesenes DNC Programm oder eine nicht durchgeführte<br />
Wartung ermittelt, sind umgehend entsprechende Maßnahmen einzuleiten.<br />
Gegebenenfalls sind die aktuellen Maschineneinstellungen und die eingesetzten<br />
Werkzeuge zu überprüfen. Wichtig ist, dass die Überprüfungsprozesse schnell angestoßen<br />
werden und weitestgehend automatisiert ablaufen, wodurch Folgekosten<br />
vermieden werden. Dazu trägt auch der Einsatz des <strong>MES</strong> übergreifenden Eskalationsmanagements<br />
bei. Diese ermöglicht bei der Anlage einer Reklamation die automatische<br />
Überprüfung, ob für den reklamierten Artikel geplante oder aktuelle<br />
Fertigungsaufträge vorliegen. Ist die Überprüfung positiv, erfolgt eine Benachrichtigung<br />
des Fertigungsleiters oder des Planungsverantwortlichen. Bei der Zuweisung<br />
bestimmter Fehlerursachen oder Maßnahmen kann wiederum eine Eskalation<br />
mit automatischer Benachrichtigung ausgelöst werden. Bei nicht erfolgter Bestätigung<br />
des Nachrichtenempfangs werden automatisch weitere Personen, zum Beispiel<br />
Stellvertreter, informiert.<br />
Diese Beispiele verdeutlichen die Auswirkung der Änderung qualitätsrelevanter<br />
Daten oder Entscheide auf andere Unternehmensbereiche und Prozesse und offenbaren<br />
die Notwendigkeit eines <strong>MES</strong> als Integrationsplattform für frühere Insellösungen.<br />
8.4.3 Traceability<br />
Zur Rückverfolgbarkeit müssen alle Lose bzw. Chargen oder sogar einzelner Produkte<br />
eindeutig gekennzeichnet werden. Dies ist über alle Herstellungsphasen und<br />
logistischen Prozessen aufrecht zu erhalten. Nur dadurch ist die Ermittlung der<br />
Herkunft von Produkten entlang der Wertschöpfungskette möglich.<br />
Abb. 8.6. Tracing
8.4 Dokumentierte Qualität 191<br />
Die Traceability beinhaltet neben der Rückverfolgung („Tracing“) auch die<br />
Verfolgung („Tracking“) eines Produkts im Entstehungs-/Lieferprozess, was die<br />
Verbindung des Informationsflusses mit dem physischen Warenfluss voraussetzt.<br />
Lager / Materialpuffer<br />
Auftrag 1 AVO 100<br />
Abb. 8.7. Tracking<br />
Lager / Materialpuffer<br />
Auftrag 1 AVO 200<br />
Auftrag 2 AVO 100<br />
Auftrag 3 AVO 100<br />
Auftrag 1 AVO 300<br />
Warenausgang<br />
Die Gründe für die Einführung einer Traceability sind gesetzliche Vorschriften<br />
im Rahmen der Produkthaftung sowie allgemeine Kundenforderungen. Nicht nur<br />
unter dem Gesichtspunkt gesetzlicher Vorschriften gewinnt die Traceability an<br />
Bedeutung. Sie wird auch hinsichtlich der Produktionskostensenkung immer<br />
wichtiger, was sie zunehmend zu einem strategischen Unternehmensfaktor macht.<br />
In vielen Firmen sind Qualitätssicherungssysteme in Form einer Insellösung etabliert.<br />
Diese sind jedoch für eine vollkommene Rückverfolgbarkeit nicht ausreichend,<br />
was im Schadensfall zu Problemen führen kann. Verbunden mit den gesetzlichen<br />
Vorschriften ist die Einführung eines Traceability-<strong>System</strong>s unentbehrlich.<br />
Die Unterstützung der Anwender zur Bewältigung dieser Anforderung<br />
ist die elementare Aufgabe eines <strong>MES</strong>. Anders ausgedrückt: <strong>MES</strong> ist die Sicherstellung<br />
der Traceability von Produkten.<br />
In einem Traceability-<strong>System</strong> werden alle Details einer Produktentstehung<br />
rückverfolgbar dokumentiert. Dazu gehören Informationen aus allen Modulen eines<br />
<strong>MES</strong>, z. B.:<br />
− einfließende und entstehende Lose bzw. Chargen,<br />
− materialbeschreibende Los- und Chargenattribute (z. B. Gewicht, Länge, Klebstellen,<br />
Herstellungsdatum, Verfallsdatum),<br />
− verwendete Betriebsstoffe,
192 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
− eingesetzte Maschinen,<br />
− ermittelte Prozessdaten,<br />
− am Fertigungsprozess beteiligte Personen,<br />
− verwendete Werkzeuge,<br />
− Reparaturen von Maschinen und Werkzeugen,<br />
− Qualitätsdaten (z. B. Messwerte, verwendete Prüfmittel und Prüfentscheide.<br />
Vom Wareneingang über die Zwischenprodukte/Halbfabrikate bis zum Endprodukt,<br />
Bemusterungen) werden alle Vorgänge im <strong>System</strong>hintergrund erfasst.<br />
Zentrale Bedeutung haben hierbei die Los- bzw. Produktverfolgung, die Prozessabbildung,<br />
die Dokumentation der Teileverwendung und die Verbindung aller<br />
qualitätsrelevanten Daten.<br />
Bei der Gesamtbetrachtung wird der Nutzen eines Traceability-<strong>System</strong> deutlich.<br />
Durch seinen Einsatz kann dort aktiv in den Prozess eingegriffen werden, wo<br />
Fehler entstehen. Dies wird durch die ausführliche Dokumentation, Überwachung<br />
und Visualisierung des gesamten Fertigungsprozesses möglich. Hinzu kommt die<br />
Vernetzung der Produktionsprozesse mit den Produktionssystemen.<br />
Nur der Einsatz eines <strong>MES</strong> schafft die notwendige Datenvernetzung, wodurch<br />
die Anforderungen an alle Anforderungen erfüllt werden. Traceability ist mehr als<br />
pure Qualitätssicherung und bringt entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />
unmittelbare wirtschaftliche Vorteile. Prozesse können optimiert, die Durchlaufund<br />
Prüfungszeiten der Produkte reduziert werden.<br />
8.5 Analysierte und bewertete Qualität<br />
Heute ist es wichtiger denn je, entscheidungsrelevante Informationen in einer übersichtlich<br />
aufbereiteten Form zu erhalten. Auswertungen und Analysen in Echtzeit<br />
liefern wichtige Informationen, um fundierte Entscheidungen oder Maßnahmen<br />
im täglichen betrieblichen Ablauf zeitnah zu treffen. Für jede Unternehmensebene<br />
(vom Einkauf, Verkauf, Produktion bis hin zur obersten Managementebene)<br />
müssen die Daten schnell und zielgerichtet zur Verfügung stehen.<br />
In den Zeiten der globalen Informationsbeschaffung spielt die isolierte Betrachtung<br />
und Analyse von Qualitätsdaten nur eine untergeordnete Rolle. Dies bedeutet<br />
nicht, dass die statistischen Kennwerte und Analysen von reinen Qualitätsdaten<br />
nicht mehr wichtig sind. Sie werden weiterhin benötigt, bilden sie doch oft die<br />
Grundlage übergreifender Bewertungen. Um immer kürzer werdende Produktzyklen<br />
zu realisieren, Prozesse zu optimieren und dem Wettbewerb stets einen Schritt<br />
voraus zu sein, müssen jedoch alle Bewertungspotenziale ausgeschöpft werden.<br />
Auf schnell ändernde Rahmenbedingungen muss flexibel reagiert werden können.<br />
Monolithische Standardprodukte mit fest definierten Integrationspunkten haben<br />
hier ihre Grenzen schnell erreicht. Notwendige Erweiterungen der Schnittstellen<br />
müssen, abgesehen von der nicht vorhandenen Flexibilität, teuer erkauft werden.<br />
Ein integriertes <strong>System</strong> bietet die geforderte Flexibilität, da es von seiner<br />
Grundstruktur her bereits Zugriff auf alle Daten aus „qualitätsfernen“ Bereichen,<br />
wie z. B. Maschinen-, Werkzeug-, Personal- und Prozessdaten ermöglicht. Die In-
8.5 Analysierte und bewertete Qualität 193<br />
formationsgewinnung im Unternehmen wird verbessert, bildet die Grundlage für<br />
Prozessoptimierungen und den zukünftigen Unternehmenserfolg.<br />
8.5.1 Verbesserungspotenziale in der Fertigung<br />
Die Qualität von Produkten wird von vielen Faktoren beeinflusst. Eine ausschließliche<br />
Analyse der Qualitätsdaten durch<br />
− Regelkarten,<br />
− statistische Kennwerte,<br />
− Verteilungstests,<br />
− Fehlerschwerpunkte,<br />
− Reklamationen,<br />
− Prüfmittelkalibrierungen, etc.<br />
trägt nur einen kleinen Teil zur Verbesserung des Fertigungsprozesses und der<br />
Produktqualität bei. Das Optimierungspotenzial wird damit nicht vollständig ausgeschöpft.<br />
Entscheidend ist die Einbeziehung der externen Einflussgrößen, auch<br />
als „qualitätsferne“ Parameter bezeichnet. Dazu gehört<br />
− die Erfassung und Verarbeitung von Prozessdaten,<br />
− das Betriebsmittelmanagement,<br />
− das Materialmanagement und<br />
− das Personalmanagement.<br />
Mit einem vertretbaren Aufwand und geringen Kosten gelingt dies durch den<br />
Einsatz eines <strong>MES</strong>. Während in einem CAQ-<strong>System</strong> die Ermittlung von Korrelationen<br />
innerhalb der Produktmerkmale ohne großen Aufwand durchführbar ist,<br />
stoßen diese bei der Einbeziehung von Prozessmerkmalen schnell an ihre Grenzen.<br />
Dabei beinhaltet gerade die übergreifende Analyse von Produkt- und Prozessmerkmalen<br />
ein erhebliches Verbesserungspotenzial. Der Druck oder die Temperatur<br />
einer Maschine kann bestimmte Produktmerkmale maßgebend beeinflussen.<br />
Wird eine derartige Abhängigkeit anhand einer übergreifenden Korrelationsanalyse<br />
erkannt, kann die Fehlerquote durch eine Überwachung des<br />
Drucks oder der Temperatur nachhaltig gesenkt werden. Es ist denkbar, dass<br />
durch die automatische Überwachung das Prüfintervall von Produktmerkmalen<br />
verlängert werden kann, wodurch Prüfkosten eingespart werden.<br />
Die übergreifende Analyse der Maschinendaten ermöglicht eine zusätzliche<br />
Optimierung des Fertigungsprozesses. Durch die Auswertung der Stillstandsgründe<br />
oder des Nutzungsgrads, bezogen auf die dort produzierten Artikel und Artikelgruppen,<br />
kann die für die Fertigung jeweils optimale Maschine ermittelt werden.<br />
Betrachtet man die maschinenbedingten Stör- und Ausschussgründe hinsichtlich<br />
der während der Prüfung festgestellten Produktfehler und Fehlerursachen,<br />
ist eine weitere Verbesserung möglich. Neben der Untersuchung der<br />
Durchlaufzeit gibt es weitere „qualitätsferne“ Faktoren, welche die Wertschöpfung<br />
optimieren können.
194 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
Ein weiteres Beispiel für die Vorteile eines umfassend vernetzten Datenpools<br />
ist die nestbezogene und nestvergleichende Analyse unter Einbeziehung der gesamten<br />
Werkzeughistorie. Dadurch wird erkennbar, wie sich Reparaturen/Wartungen<br />
einzelner Nester auf die Produktqualität auswirken bzw. ob einzelne Nester<br />
bei der Wartung/Reparatur häufig nachgearbeitet werden müssen.<br />
Ein Vorteil eines <strong>MES</strong> ist, dass für Analysen die notwendigen Daten aus allen<br />
Bereichen schnell, zielgerichtet und kostengünstig zur Verfügung stehen. Da die<br />
gesamte Datenerfassung und Verarbeitung auf einheitlichen Stammdaten beruht,<br />
gelten diese Auswertungen als gesichert. Es gibt keine doppelte Stammdatenpflege<br />
von z. B. Ausschuss- und Störgründen, Fehlerarten, Fehlerursachen. Dadurch<br />
besteht nicht die Gefahr, dass Fehler im Qualitätsmanagement und im Rahmen<br />
der Störgrundzuweisung in der Maschinendatenerfassung doppelt oder<br />
unvollständig erfasst und getrennt analysiert werden. Ohne diese einheitliche Betrachtung<br />
ist es schwierig, eine klare Struktur zur Ermittlung der Anzahl von Ausschussteilen<br />
zu definieren.<br />
8.5.2 Aus Reklamationen lernen<br />
Für eine umfassende Reklamationsanalyse ist es unerlässlich, dass auch auf die<br />
Werkzeugdaten (Wartungsergebnisse und Reparaturen) sowie auf die Maschinenauswertungen<br />
(z. B. Stör-, Ausschuss-, Maschinenstillstandsgründe) zurückgegriffen<br />
werden kann. Es ist wichtig zu klären, ob es während des Produktionszeitraums<br />
Schwierigkeiten an der Maschine gegeben hat oder aufgrund von<br />
Problemen ein Werkzeugwechsel erfolgt ist. Dadurch können Fehlerursachen<br />
schnell erkannt und Abstellmaßnahmen zur künftigen Vermeidung ergriffen werden.<br />
Im Rahmen der Rückverfolgung besteht ein schneller Zugriff auf alle eingesetzten<br />
Materialien, inklusive der zugehörigen Detailinformationen. Die Frage<br />
„auf welcher Maschine, mit welchem Werkzeug und durch welche Schicht bzw.<br />
Person das fehlerhafte Produkt gefertigt wurde“ kann dadurch schnell beantworten<br />
werden. Infolgedessen ergibt sich eine verkürzte Bearbeitungsdauer von Reklamationen,<br />
was wiederum im Sinne der Kundenorientierung ist.<br />
8.5.3 Six Sigma – der Verschwendung Einhalt gebieten<br />
Trotz der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen z. B. nach ISO<br />
9000:2000, QS-9000, VDA 6.1 oder ISO/TS 16949:2002 gibt es noch erhebliches<br />
Verbesserungspotenzial der Prozesse und Produkte. Erfahrungen zeigen, dass sich<br />
in den Unternehmen die Fehlerkosten auf bis zu 30% des Jahresumsatzes belaufen.<br />
Diese Reserve gilt es auszuschöpfen. Weitere Optimierungen können durch<br />
− die Reduzierung der Durchlaufzeiten,<br />
− die Reduzierung von Beständen,<br />
− die Erhöhung der Produktivität und<br />
− die Steigerung der Termintreue<br />
erreicht werden.
8.5 Analysierte und bewertete Qualität 195<br />
Six Sigma ist eine geeignete Methode zur Verbesserung der Qualität von Produkten<br />
und Prozessen. Es ist die Basis zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit und<br />
zur nachhaltigen Ergebnisverbesserung. Die Idee von Six Sigma ist es, die Anzahl<br />
von Fehlern in Prozessen zu erkennen, zu messen und danach systematisch zu eliminieren.<br />
Auch wenn Six Sigma im Kern auf der Anwendung statistischer Methoden<br />
basiert, ist das Konzept, unter anderem durch die Einbeziehung von Erkenntnissen<br />
über Prozesse, wesentlich umfassender. Dies belegt der erfolgreiche<br />
Einsatz in administrativen Bereichen, wie dem Kundenservice und der Auftragsabwicklung.<br />
Eine Begrenzung von Six Sigma auf die Daten des Qualitätsmanagements<br />
ist nicht ausreichend. Vielmehr müssen Informationen aus allen Bereichen<br />
eines Unternehmens, wie dem Betriebsmittel-, Material- und Personalmanagement,<br />
zur Verfügung stehen. Beispiele hierfür sind die Durchlaufzeiten<br />
von Aufträgen und die Stör- und Stillstandsgründe bei Produktionsstopp. Dies belegt,<br />
wie wichtig der Einsatz eines <strong>MES</strong> mit seinen vernetzten Informationen ist.<br />
Zur Erreichung der Prozess- und Produktverbesserungen wird häufig nach dem<br />
DMAIC-Zyklus gearbeitet. Der DMAIC-Zyklus gliedert sich in fünf Phasen.<br />
Durch sie wird gewährleistet, dass ein Verbesserungsprojekt richtig definiert und<br />
mit den geeigneten Methoden durchgeführt wird.<br />
Definition des Projektzieles,<br />
Überprüfung der<br />
Messsysteme und<br />
Sammeln der Daten<br />
Aufzeigen der<br />
Ursachen für<br />
die Prozessstreuung<br />
Optimierung<br />
des<br />
Prozesses<br />
hinsichtlich<br />
der Zielgröße<br />
Überwachung<br />
der kritischen<br />
Prozessparameter<br />
Define Measure Analyze Improve Control<br />
Symptom<br />
Ursache<br />
Natürliche<br />
Streuung<br />
Abb. 8.8. Die fünf Six Sigma Projektphasen nach DMAIC<br />
Das Erreichte<br />
halten<br />
Erfahrungen belegen, dass die Verschwendung in einem Unternehmen auf<br />
Grund von Fehlern, zu langen Durchlaufzeiten und zu hohen Kosten mittels Six<br />
Sigma innerhalb weniger Monate drastisch gesenkt werden konnte. Hinzu kommt,<br />
dass die Ergebnisse von Six Sigma Projekten in vielen <strong>MES</strong>-Funktionen, wie der<br />
Ressourcen- und Auftragsplanung, direkt verwendet werden können.
196 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />
8.5.4 Qualitätsinformationen – Mehrwert im <strong>MES</strong><br />
Im Bereich der Auswertungen bietet ein <strong>MES</strong> gegenüber monolithischen Standardsystemen<br />
mehrere Vorteile. Zum einen können Daten aus „qualitätsfernen“<br />
Modulen direkt in den Qualitätsauswertungen verwendet werden. Ferner erlangen<br />
viele Auswertungen anderer <strong>MES</strong>-Module erst durch die direkte Verknüpfung mit<br />
den Daten der Qualitätssicherung die erforderliche Aussagekraft und Präzision.<br />
Ein Beispiel hierfür ist die Ermittlung der Auftragskosten. Zu den Auftragskosten<br />
gehören, neben dem zur Produktion eingesetzten Personal, den verwendeten<br />
Werkzeugen, dem verbrauchten Material auch die Prüfkosten und eventuell anfallende<br />
interne Reklamationskosten. Die Prüfkosten setzen sich wiederum aus dem<br />
eingesetzten Personal kombiniert mit der Prüfdauer und den eingesetzten Messmitteln<br />
und -maschinen zusammen. Bei einer integrierten Lösung können die<br />
durch die Prüfung verursachten Kosten mit Auftragsbezug automatisch und in<br />
Echtzeit einer zentralen Kostenstelle zugebucht werden. Da die eingesetzten<br />
Messmittel und -maschinen bekannt sind, können bei Bedarf die anfallenden Kalibrierkosten<br />
anteilig auf den jeweiligen Auftrag gebucht werden. Über die<br />
Abb. 8.9. grafischer Maschinenpark mit Qualitätsinformationen
8.5 Analysierte und bewertete Qualität 197<br />
Schnittstelle des <strong>MES</strong> zum ERP-/PPS-<strong>System</strong> erfolgt abschließend die Rückmeldung<br />
aller Auftragskosten. Anhand des umfassenden Informationsgehalts kann im<br />
ERP-/PPS-<strong>System</strong> eine bessere und genauere Kostenkalkulation erfolgen.<br />
Die Einbeziehung der Qualitätsdaten in andere <strong>MES</strong>-Auswertungen ermöglicht<br />
eine höhere Fertigungstransparenz. Dadurch können bei laufenden Prozessen ad-<br />
hoc Entscheidungen besser getroffen werden. In einem grafischen Maschinenpark<br />
kann das <strong>MES</strong> neben dem aktuellen Maschinen- und Auftragsstatus auch die Qualitätslage<br />
anzeigen. Der direkte Abruf von Detailinformation in Form von Regelkarten,<br />
festgestellten Qualitätsfehlern, eingeleiteten Maßnahmen und ppm-Werten<br />
unterstützt den Anwender bei zu treffenden Entscheidungen.<br />
Hinzu kommt, dass für die Qualitätssicherung wichtige Maßnahmen meist über<br />
den Benutzerkreis eines CAQ-<strong>System</strong>s hinaus von Bedeutung sind. Durch ein systemweites<br />
Maßnahmen- und Eskalationsmanagement wird eine optimale Verteilung<br />
und Bearbeitung von Aufgaben und die Ermittlung der „wahren“ Wirksamkeit<br />
gewährleistet.<br />
Ein <strong>MES</strong> ermöglicht jederzeit den Vergleich des aktuellen ppm-Wertes (Anzahl<br />
Fehler je eine Millionen Möglichkeiten) mit den in der Qualitätssicherung vorgegebenen<br />
Grenzwerten. Über eine automatische Erfassung der Anzahl gefertigter<br />
Teile über das <strong>MES</strong> ist, unter Einbeziehung der Anzahl fehlerhafter Einheiten, eine<br />
sofortige Berechnung der produzierten ppm-Rate möglich. Bei einer Verletzung<br />
des Grenzwertes kann sofort gewarnt und eine Eskalation ausgelöst werden.<br />
Voraussetzung dafür ist, dass die Erfassung der Anzahl gefertigter und fehlerhafter<br />
Teile zentral und nicht doppelt, d.h. in der Qualitätssicherung und der Fertigung,<br />
erfolgt.
9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
9.1 Überblick<br />
8.5 Analysierte und bewertete Qualität 199<br />
Personal ist eine wichtige, wenn nicht „die wichtigste Ressource“ in einem Fertigungsunternehmen.<br />
Die Personalkapazitäten für den Einsatz in der Fertigung effektiv<br />
und flexibel zu verplanen, ist eine Domäne eines <strong>MES</strong>. In einer vernetzt arbeitenden<br />
Fertigung ist es wichtig, nicht nur Anlagen und Maschinen, Aufträge<br />
und Qualitäten, sondern auch im besonderen Maße die Personalkapazitäten in Planungen<br />
und Optimierungen einzubeziehen.<br />
Die steigende Bedeutung der „Ressource“ Personal im Fertigungsprozess hängt<br />
vornehmlich mit zwei Ursachen zusammen:<br />
1. Da die Lohn- und Lohnnebenkosten in den Industrieländern sehr hoch sind, haben<br />
sie einen großen Einfluss auf die Produktionskosten. Durch den allgemeinen<br />
Trend zur Globalisierung und die wirtschaftliche Öffnung vieler Staaten im<br />
Osten stehen die Mitarbeiter in unseren Breiten in direkter Konkurrenz zu Mitarbeitern<br />
in anderen Ländern. Um diesem Standort-Nachteil entgegenzuwirken<br />
ist es wichtig, das Personal möglichst effektiv einzusetzen.<br />
2. Der Einsatz hoch entwickelter und spezialisierter Maschinen erfordert eine<br />
gleichermaßen hohe Qualifizierung des Bedienpersonals. Daraus ergibt sich die<br />
steigende Notwendigkeit, die Mitarbeiter gezielt auf Basis ihrer Fähigkeiten<br />
und ihres Wissens einzusetzen.<br />
Um die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, erfolgreich meistern zu können,<br />
bedarf es effektiver Lösungen, welche die Anforderungen abbilden. Zur effektiven<br />
Umsetzung dieser Aufgaben stellt der Bereich Personalmanagement innerhalb<br />
eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s Werkzeuge bereit. Eine besonders wichtige Rolle<br />
spielt hierbei die nahtlose Integration des Teilbereichs Personal in die Gesamtlösung<br />
<strong>MES</strong>, um einen vollständigen umfassenden Blick auf die Planung, die Abläufe<br />
und die Ergebnisse der Fertigung zu erhalten.<br />
Neben der Einsatzplanung von Mitarbeitern hat ein Unternehmen weitere Anforderungen<br />
an das Personalmanagement in den Bereichen Sicherheit, Zeiterfassung<br />
und Mitarbeiterführung. Für diese Punkte bieten leistungsfähige <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong>e ebenfalls Lösungen, um die anstehenden Aufgaben elegant und mit geringem<br />
Aufwand zu meistern.
200 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
9.2 Personalzeiterfassung<br />
Eine wichtige Funktion des Personalmanagements in einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist die<br />
Personalzeiterfassung, deren Bedeutung sich in den letzten Jahren von der Verwaltung<br />
der Anwesenheits- und Fehlzeiten der Mitarbeiter zu einem Steuerungssytem<br />
für die Personalressourcen entwickelt hat.<br />
9.2.1 Aufgaben der Personalzeiterfassung<br />
Die Personalzeiterfassung beschäftigt sich mit den drei Schwerpunkten Zeiterfassung,<br />
Zeitwirtschaft und Personaleinsatzplanung.<br />
9.2.1.1 Zeiterfassung<br />
Als Ersatz für die früheren Stempeluhren werden die Kommt- und Geht-<br />
Stempelungen der Mitarbeiter an Computer-Terminals erfasst. Zusätzlich können<br />
auch Pausen und Gründe für verspäteten Arbeitsbeginn und verfrühtes Ende der<br />
Arbeitszeit gemeldet werden. Aktuelle Informationen über den Resturlaub und<br />
Zeitguthaben oder die Stempelungen der letzten Tage können am Terminal abgefragt<br />
werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, den Mitarbeitern Nachrichten an<br />
das Terminal zu schicken und diese beispielsweise bei einer Kommt-Stempelung<br />
anzuzeigen.<br />
9.2.1.2 Zeitwirtschaft<br />
Die Aufgabe der Zeitwirtschaft ist es, die Arbeitszeit durch Rundung der Stempelungen<br />
und Verrechnung der Pausen zu ermitteln. Über den Abgleich mit der im<br />
Arbeitszeitmodell hinterlegten Sollzeit errechnet sich die eventuell vorhandene<br />
Mehr- oder Minderarbeit. Diese kann ausgezahlt oder auf einem Zeitkonto gesammelt<br />
werden. Neben den Zeitkonten wird auch das Urlaubskonto geführt. Die<br />
Zeitwirtschaft verbucht die vom Mitarbeiter geleistete Arbeitszeit anhand frei konfigurierbarer<br />
Entlohnungsvorschriften auf Lohnarten, die am Monatsende summiert<br />
und an die Lohnbuchhaltung übergeben werden. Arbeitszeitmodelle werden<br />
hier in einem weiten Sinne verstanden: von der bekannten Tages-Schichtzeit über<br />
Gleitzeit bis hin zur Monats-, Jahres-, oder gar Lebensarbeitszeit. Mit dem<br />
Workflow-Management können Abläufe wie die Beantragung von Urlaub oder die<br />
Korrektur fehlerhafter Stempelungen papierlos abgebildet werden. Darüber hinaus<br />
zeigen aktuelle Übersichten an- und abwesende Mitarbeiter, die Entwicklung der<br />
Arbeitszeit und Statistiken über Fehlzeiten.
Abb. 9.1. An- und Abwesenheitsübersicht<br />
9.2.1.3 Personaleinsatzplanung<br />
9.2 Personalzeiterfassung 201<br />
Die Personaleinsatzplanung beschäftigt sich damit, welcher Mitarbeiter zu welchen<br />
Zeiten und Schichten arbeitet. Hierbei spielen die Tätigkeit und die Qualifikationen<br />
der einzelnen Mitarbeiter eine große Rolle. Wenn eine ausreichende<br />
Schichtstärke sichergestellt ist, kann im nächsten Schritt geplant werden, an welchem<br />
Arbeitsplatz bzw. an welchem Auftrag die Mitarbeiter arbeiten sollen. Auch<br />
bei der Einplanung der Aufträge im Leitstand kann über die Personaleinsatzplanung<br />
geprüft werden, ob für die aktuelle Auftragssituation genügend Personal mit<br />
den entsprechenden Fähigkeiten vorhanden ist.<br />
9.2.2 Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>- oder ERP-<strong>System</strong><br />
Während die Zeiterfassung fester Bestandteil eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ist, kann die<br />
Zeitwirtschaft oftmals auch im ERP- oder Lohnbuchhaltungssystem durchgeführt<br />
werden. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass keine Schnittstelle zur Lohnbuchhaltung<br />
benötigt wird und eine einfache Integration zur Finanzbuchhaltung
202 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
und zum Controlling besteht. Demgegenüber stehen die Vorteile der Nutzung der<br />
Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>:<br />
− Die ermittelte Anwesenheitszeit kann den in der BDE gemeldeten Auftragszeiten<br />
gegenübergestellt werden. Dieser Abgleich ist wichtig, um sicherzustellen,<br />
dass die gesamte Arbeitszeit des Mitarbeiters in der BDE erfasst wurde, da diese<br />
Daten für das Controlling oder eine Leistungsentlohnung benötigt werden.<br />
− Die Durchführung der Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ermöglicht die Erfassung<br />
von Fehlzeiten, die Korrektur fehlerhafter Stempelungen und die Genehmigung<br />
von Überstunden dezentral durch den Meister in der ihm beispielsweise aus der<br />
BDE bekannten Oberfläche. Die Installation eines weiteren Arbeitsplatzes entfällt.<br />
− Für die Personaleinsatzplanung ist es erforderlich, dass die geplanten Arbeitszeiten<br />
der Mitarbeiter im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> hinterlegt sind. Damit ist es beispielsweise<br />
möglich, bei der Planung der Aufträge im Leitstand die Ressource Personal<br />
zu berücksichtigen.<br />
− Während die Lohnbuchhaltungssysteme eine standardisierte Schnittstelle zur<br />
Übergabe der Monatslohnarten besitzen, müssen Schnittstellen zur Übernahme<br />
der geleisteten Arbeitzeiten aus dem Zeitwirtschaftssystem für den Abgleich<br />
mit der BDE und der geplanten Arbeits- und Fehlzeiten für die Personaleinsatzplanung<br />
meistens projektspezifisch realisiert werden.<br />
Ein Beispiel für ein ERP-<strong>System</strong>, das eine Zeitwirtschaft beinhaltet ist SAP-HR.<br />
Beim Einsatz von SAP muss die Entscheidung getroffen werden, ob das <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> als Subsystem zur Erfassung der Stempelungen eingesetzt wird oder ob<br />
die Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zum Einsatz kommt. Für beide Alternativen<br />
kommt die Schnittstelle HR-PDC zum Einsatz.<br />
9.2.3 Flexibilisierung der Arbeitszeit<br />
Trends wie „Just in time“ beschäftigen sich damit, die Kosten für Lagerhaltung<br />
und das Umlaufvermögen zu reduzieren, indem immer genau das gefertigt wird,<br />
was der Kunde gerade braucht. Eine Folge davon sind große Schwankungen der<br />
Auslastung in der Fertigung und mancher Abteilungen in der Verwaltung.<br />
Auch die saisonale Schwankung der Nachfrage nach bestimmten Produkten<br />
sorgt für eine unterschiedliche Verteilung des Bedarfs an Arbeitskräften. Gleichzeitig<br />
nehmen die Personalkosten einen großen Teil der Produktionskosten ein, so<br />
dass die Vermeidung von unproduktiven Löhnen eine immer wichtigere Aufgabe<br />
der Personalplanung darstellt. Diese und viele weitere Gründe machen eine zunehmende<br />
Flexibilisierung der Arbeitszeit erforderlich.<br />
Eine einfache Möglichkeit, dieser Anforderung zu begegnen, ist die Einführung<br />
eines Zeitkontos. Unabhängig davon, ob die Mitarbeiter die Bewegungen ihres<br />
Zeitkontos aufgrund des Arbeitsanfalls selbst entscheiden oder ob der Auf- und<br />
Abbau des Kontos vom Unternehmen gesteuert wird, bietet ein Zeitkonto die<br />
Möglichkeit, den Einsatz von Arbeitskräften an den Bedarf anzupassen.
9.2 Personalzeiterfassung 203<br />
Dementsprechend kommen unterschiedliche Konten zum Einsatz. Wenn der<br />
Mitarbeiter den Verlauf des Kontos selbstverantwortlich bestimmt, spricht man<br />
von einem Gleitzeitkonto. Ein Flexzeitkonto nutzen Unternehmen, um ihrerseits<br />
Mehr- und Minderarbeit zu steuern. Bei saisonal schwankendem Auftragseingang<br />
kann über ein Jahreskonto gesteuert werden, dass sich die Arbeitszeit auf Jahressicht<br />
ausgleicht. Ein über eine längerer Zeit anhaltendem hohen Bedarf an Arbeitskräften<br />
kann über ein Lebensarbeitszeitkonto abgebildet werden. Hierbei<br />
kann die erbrachte Mehrarbeit dazu führen, dass ein Mitarbeiter früher die Möglichkeit<br />
hat, seine Rente zu beantragen.<br />
Abb. 9.2. Flexibler Schicht-Tagestyp<br />
Erforderliche Mehrarbeit kann vor oder nach der regulären Arbeitszeit geleistet<br />
werden. Bei Unternehmen, die, um eine hohe Maschinenauslastung zu erreichen,<br />
bereits in 3 Schichten arbeiten, können zusätzliche Schichten am Wochenende<br />
eingeplant werden.<br />
Aber auch im 3-Schichtbetrieb besteht die Möglichkeit, gleitende Arbeitszeiten<br />
einzuführen. Entscheidend für die Produktion ist nicht, dass die Mitarbeiter ihre<br />
Arbeitszeit zu bestimmten Uhrzeiten pünktlich beginnen und beenden, sondern<br />
dass genügend Personal zur Bedienung der Maschinen anwesend ist. Mit einer<br />
gleitenden Schichtübergabe, bei der sich die Mitarbeiter bzgl. der Ablösung ab-
204 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
sprechen, kann sowohl den Anforderungen des Unternehmens, als auch den Wünschen<br />
der Mitarbeiter entsprochen werden.<br />
9.3 Motivation und Mitarbeiterführung<br />
Eine Studie des Gallup-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland im<br />
Jahr 2002 nur 15 Prozent der Arbeitnehmer motiviert bei der Arbeit waren. 67<br />
Prozent der Werktätigen gehen unmotiviert zur Arbeit und 18 Prozent arbeiteten<br />
sogar bewusst destruktiv. Vergleiche mit den Vorjahren zeigen, dass die Anzahl<br />
der motivierten Mitarbeiter abnimmt. Diese Entwicklung ist erschreckend, wenn<br />
man weiß, welches Potenzial in motivierten Arbeitskräften steckt und wenn man<br />
sich vorstellt, was passiert, wenn diese Kraft teilweise sogar gegen das Unternehmen<br />
eingesetzt wird.<br />
Automatisch drängt sich die Frage auf, wie die Motivation der Mitarbeiter gesteigert<br />
werden kann, doch viele Führungskräfte wissen nicht, dass es ihre Aufgabe<br />
ist, dieses Potenzial freizusetzen. Hier sind Führungsseminare auf allen Führungsebenen<br />
erforderlich, um diese Aufgabe zu verdeutlichen.<br />
Es gibt verschiedene Motivatoren für Mitarbeiter. Die Übertragung von Verantwortung<br />
an seine Mitarbeiter ist eine Möglichkeit, die Motivation zu verbessern.<br />
Dies kann beispielsweise durch die Einführung von gleitenden Arbeitszeiten<br />
erfolgen: Der Arbeitnehmer ist selbst dafür verantwortlich, seine Arbeitszeiten an<br />
das Arbeitsaufkommen anzupassen und hat zusätzlich die Möglichkeit auch private<br />
Wünsche mit einfließen zu lassen.<br />
Daraus resultiert direkt die nächste Führungsaufgabe: Damit der Mitarbeiter die<br />
ihm übertragenen Aufgaben erfolgreich bearbeiten kann, ist es erforderlich, die<br />
Ziele zu definieren und die Ergebnisse zu prüfen. Für eine objektive Beurteilung<br />
sind messbare Zielgrößen erforderlich. Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
werden Auftrags- und Maschinendaten erfasst, die als Zielgrößen eingesetzt werden<br />
können. Die Manufactoring Scorecard (<strong>Kletti</strong> u. Brauckmann 2004) dient als<br />
Werkzeug zur Visualisierung der Ziele und des aktuellen Stands der Zielerreichung.<br />
9.3.1 Leistungs- und Prämienentlohnung<br />
Die Bezahlung kann auch als Motivationsfaktor für die Mitarbeiter eingesetzt<br />
werden. Anhand bestimmter Vorgaben, die mit den erreichten Leistungen ins Verhältnis<br />
gesetzt werden, kann beispielsweise ein prozentualer Leistungsgrad ermittelt<br />
werden, der die Höhe einer Prämie bestimmt.<br />
Während früher eher Einzelakkord, bei dem die Leistung des einzelnen Arbeiters<br />
für seine eigenen Zulagen ausschlaggebend ist, eingesetzt wurde, stehen heute<br />
Gruppenprämien bei vielen Firmen im Vordergrund. Ein Vorteil der Leistungsentlohnung<br />
auf Gruppenbasis liegt darin, dass bei diesem Ansatz die Zusammenarbeit<br />
der Mitarbeiter gefördert wird. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, auch Mitarbei-
9.3 Motivation und Mitarbeiterführung 205<br />
ter wie Vorarbeiter oder Staplerfahrer, die nur indirekt am Fertigungsprozess beteiligt<br />
sind, in die Prämie mit einzubeziehen.<br />
Die Datengrundlage für die Leistungslohnermittlung bilden in erster Linie die<br />
Auftragsmeldungen. In einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> können aber auch Maschinendaten,<br />
Daten aus der Personalzeiterfassung oder Qualitätsdaten aus dem CAQ-Modul in<br />
den Leistungslohn einfließen, ohne dass dafür Schnittstellen benötigt werden. Gegenüber<br />
einer Leistungsprämie, bei der die Vorgabe- und die Ist-Zeit ins Verhältnis<br />
gesetzt werden, verrechnet eine Nutzungsprämie zusätzlich Werte wie Gutmenge<br />
und Ausschuss. Nutzungsprämien sind dann sinnvoll, wenn die Ist-Zeit<br />
hauptsächlich vom Takt der Maschine bestimmt wird und der Werker nahezu keinen<br />
Einfluss darauf hat.<br />
Abb. 9.3. Zeitgradentwicklung<br />
Eine weitere Integration der Leistungslohnermittlung zur Zeiterfassung bildet<br />
die Abgleichliste, in der geprüft werden kann, ob die gesamte Anwesenheitszeit<br />
der Mitarbeiter auf Aufträge verbucht wurde und damit die Datengrundlage für<br />
den Leistungslohn vollständig ist.<br />
Da die Tarifverträge in verschiedenen Branchen und Regionen sehr unterschiedlich<br />
sind und die Berechnung des Leistungslohns in den einzelnen Betrieben<br />
stark variiert, bedarf es in der Leistungslohnermittlung einer hohen Flexibilität<br />
und einer leichten Anpassbarkeit der Verrechnungsvorschriften. Die Zeitgradent-
206 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
wicklung liefert einen grafischen Überblick über den Verlauf der Leistungen der<br />
einzelnen Prämiengruppen.<br />
9.3.2 Qualifizierung der Mitarbeiter<br />
Damit die Mitarbeiter ihre Aufgaben erfolgreich meistern können, ist es erforderlich,<br />
das notwendige Wissen und die erforderlichen Fähigkeiten durch Weiterbildung<br />
zu erwerben und auszubauen. Gleichzeitig zeigt die Fortbildung dem Arbeitsnehmer,<br />
dass er dem Unternehmen die Weiterbildungskosten wert ist und<br />
fördert damit seine Zufriedenheit und Motivation.<br />
Gerade der anhaltende Trend zur Automatisierung in der Fertigung erfordert<br />
eine ständige Weiterbildung des Bedienpersonals. Nur durch die Spezialisierung<br />
auf bestimmte Aufgabenbereiche kann sichergestellt werden, dass die komplexen<br />
Maschinen und <strong>System</strong>e richtig bedient werden und sie damit eine hohe Produktivität<br />
erreichen.<br />
Wichtig für das Unternehmen ist es, die Investitionen in seine Mitarbeiter gewinnbringend<br />
umzusetzen. Deshalb ist es eine Aufgabe des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s, die<br />
Qualifikationen zu erfassen und fertigungsnah anzuzeigen. Beispielsweise durch<br />
eine Plausibilitätsprüfung beim Anmelden eines Auftrags kann sichergestellt werden,<br />
dass der Bearbeiter des Auftrags die notwendigen Qualifikationen hat. Durch<br />
diese Maßnahme wird die zu erwartende Qualität der erzeugten Produkte verbessert,<br />
aber auch die Motivation der Mitarbeiter gesteigert, da sie nicht für Aufgaben<br />
eingesetzt werden, für die ihnen die notwendigen Kenntnisse fehlen.<br />
9.4 Personaleinsatzplanung<br />
Aktuelle Studien zeigen, dass etwa 60 bis 70 Prozent aller Unternehmen ein Standard-Tabellenkalkulationsprogramm<br />
als Werkzeug zur Planung des Personaleinsatzes<br />
einsetzen. Die Zuordnung, welcher Mitarbeiter an welchem Arbeitsplatz die<br />
eingeplanten Aufträge bearbeitet, wird häufig auch an Wandtafeln geplant.<br />
Das Problem dieser Methoden liegt darin, dass Daten wie beispielsweise die<br />
Urlaubsanträge der Mitarbeiter an mehreren Stellen gepflegt werden müssen. Solche<br />
redundante Datenhaltung bedingt unnötigen Mehraufwand und führt dazu,<br />
dass die einzelnen Stände auseinander laufen. Dadurch kommt es zu Fehlern in<br />
der Personalplanung und die Produktion wird aufgrund von Personalmangel oder<br />
Personalüberdeckung unwirtschaftlich. Obwohl die Daten mehrfach gepflegt werden,<br />
sind sie oft an anderen wichtigen Stellen nicht verfügbar. Beispielsweise bei<br />
der Einplanung der Aufträge wäre es sinnvoll, die Planung mit den vorhandenen<br />
Personalkapazitäten abgleichen zu können.<br />
Um die Anforderungen zur Planung des Personaleinsatzes erfolgreich abzubilden,<br />
sind mehrere Werkzeuge notwendig, welche die Personalkapazitäten in unterschiedlichen<br />
Sichten und Abhängigkeiten darstellen.
9.4.1 Urlaubs- und Schichtplanung<br />
9.4 Personaleinsatzplanung 207<br />
Für die Bearbeitung der Urlaubsanträge seiner Mitarbeiter braucht der Vorgesetzte<br />
einen Überblick, ob noch genügend Personal für einen geregelten Arbeitsablauf<br />
vorhanden ist. Bei dieser Betrachtung reicht es nicht aus, die Anzahl der geplant<br />
verfügbaren Mitarbeiter zu berücksichtigen, sondern auch deren Tätigkeit und<br />
Kontostände müssen beachtet werden.<br />
Abb. 9.4. Urlaubs- und Schichtplanung<br />
Während die Urlaubsplanung oft über einen längeren Zeitraum im Voraus erfolgt,<br />
wird die Schichtplanung eher mittel- bis kurzfristig eingesetzt. Aufgabe der<br />
Schichtplanung ist es, sicherzustellen, dass die einzelnen Schichten mit genügend<br />
Personal belegt sind. Da hierbei nur Daten aus der Personalzeiterfassung zugrunde<br />
liegen, wird beim Bedarf mit Erfahrungswerten oder mit Vorgaben aus dem ERP-<br />
<strong>System</strong> gearbeitet.<br />
Die Urlaubs- und Schichtplanung wird hauptsächlich von Meistern und<br />
Schichtführern benutzt. Deshalb ist es erforderlich, dass dieses Modul intuitiv zu
208 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
bedienen ist und einfache Planungsmöglichkeiten bereitstellt. Das Ergebnis der<br />
Planung ist der Schichtplan, der den Mitarbeitern ausgedruckt oder in elektronischer<br />
Form zur Verfügung steht oder den der Werker am Terminal abrufen kann.<br />
9.4.2 Prüfung der Personalkapazitäten bei der Feinplanung<br />
Die Personalbedarfsübersicht zeigt den Bedarf an Mitarbeitern gruppiert nach<br />
Qualifikation. Der Bedarf resultiert aus den an einem Arbeitsplatz eingeplanten<br />
Aufträgen oder kann fest am Arbeitsplatz hinterlegt werden. Demgegenüber stehen<br />
die eingeplanten Personalkapazitäten mit den zugeordneten Qualifikationen.<br />
Daraus resultiert eine Darstellung, welche die Deckung des Personalbedarfs, den<br />
Mangel an Arbeitskräften und die Überdeckung des Bedarfs anzeigt.<br />
Abb. 9.5. Personalbedarf<br />
Da ein Mitarbeiter über mehrere Qualifikationen verfügen kann, wird die Personalbedarfsübersicht<br />
in unterschiedlichen Sichtweisen eingesetzt:<br />
− Bei der Darstellung einzelner Qualifikation kann geprüft werden, ob genügend<br />
Arbeiter mit der entsprechenden Fähigkeit eingeplant sind.
9.4 Personaleinsatzplanung 209<br />
− Die Summendarstellung für mehrere oder alle Qualifikationen zeigt, ob die Anzahl<br />
der Mitarbeiter zur Bearbeitung der eingeplanten Aufträge ausreichend ist.<br />
Diese Prüfung ist erforderlich, da in der Einzeldarstellung nicht berücksichtigt<br />
wird, dass den Mitarbeitern mehrere Qualifikationen zugeordnet sein können.<br />
Die Summendarstellung für mehrere oder alle Qualifikationen zeigt, ob die Anzahl<br />
der Mitarbeiter zur Bearbeitung der eingeplanten Aufträge ausreichend ist.<br />
Diese Prüfung ist erforderlich, da in der Einzeldarstellung nicht berücksichtigt<br />
wird, dass den Mitarbeitern mehrere Qualifikationen zugeordnet sein können. Bei<br />
gleichzeitigem Einsatz des Fertigungsleitstands kann die Personalbedarfsübersicht<br />
genutzt werden, um die aktuelle Planung oder eine Planungssimulation anhand der<br />
Personalkapazitäten zu bewerten. Hier zeigt sich der Vorteil eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s,<br />
bei dem die Integration zwischen den einzelnen Modulen ohne die Definition und<br />
Realisierung von Schnittstellen möglich ist.<br />
9.4.3 Einplanung der Mitarbeiter auf die Arbeitsplätze<br />
Die Personalbelegung wird eingesetzt, um die Mitarbeiter auf die Arbeitsplätze<br />
einzuplanen. Analog zur Personalbedarfsübersicht ermittelt sich der Bedarf an Arbeitern<br />
mit bestimmter Qualifikation anhand der Aufträge oder wird direkt am Arbeitsplatz<br />
definiert.<br />
Die Personalbelegung zeigt im unteren Bereich die verfügbaren Mitarbeiter und<br />
im oberen Bereich die zu belegenden Arbeitsplätze. Durch Auswahl eines Planungsprofils<br />
kann die Darstellung auf eine Planungseinheit mit bestimmten Arbeitsplätzen<br />
und Mitarbeitern eingeschränkt werden. Bei der manuellen Zuordnung<br />
der Personen zu den Arbeitsplätzen erfolgt eine Plausibilitätsprüfung, ob der<br />
Werker über die erforderliche Qualifikation verfügt.<br />
Die Einplanung der Mitarbeiter kann auch automatisch erfolgen. Hier werden<br />
die Arbeiter anhand ihrer Qualifikationen automatisch auf die Arbeitsplätze zugeordnet.<br />
Wenn mehrere Werker die gleiche Qualifikation besitzen, kann anhand einer<br />
Rangstufe festgelegt werden, welcher Mitarbeiter die erforderlichen Fähigkeiten<br />
am besten beherrscht. Mit diesen Daten versucht die Personalbelegung einen<br />
möglichst optimalen Plan zu finden, bei dem die Arbeitsplätze vollständig mit den<br />
qualifiziertesten Arbeitern belegt sind. Das Ergebnis der Personalbelegung ist ein<br />
Personaleinsatzplan, der den Mitarbeitern gedruckt oder über eine Informationstaste<br />
am Terminal bekannt gegeben wird.
210 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
Abb. 9.6. Personalbelegung<br />
9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen<br />
Die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington haben die<br />
Welt verändert. Eine Folge dieser Ereignisse ist das gestiegene Sicherheitsbedürfnis<br />
vieler Unternehmen. Doch es gibt noch weitere Gründe, die Ein- und Ausgänge<br />
zum Firmengelände und die Türen verschiedener Räume innerhalb des Unternehmens<br />
zu überwachen:<br />
− Im Gegensatz zu einer Schließanlage ermöglicht ein Zutrittskontrollsystem<br />
(ZKS) die Vergabe zeitlicher Berechtigungen. Damit kann beispielsweise gesteuert<br />
werden, dass bestimmte Mitarbeiter nur zu den Arbeitszeiten an Wochentagen<br />
Zutritt bekommen, während andere Mitarbeiter rund um die Uhr und<br />
eventuell auch am Wochenende Zugang zu ihrem Arbeitsplatz haben.<br />
− Bei einer Schließanlage führt ein verlorener Schlüssel oft zum Austausch der<br />
gesamten Anlage, während im Zutrittskontrollsystem der verlorene Ausweis<br />
seine Berechtigungen durch Zuordnung eines neuen Ausweises verliert.<br />
− Besonders in sicherheitsrelevanten Bereichen ist es erforderlich, die Zutritte der<br />
Mitarbeiter zu protokollieren.
9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen 211<br />
− Die Prüfung der Berechtigungen für bestimmte Räume, Hallen und Lagerbereiche<br />
und die Protokollierung der Zutritte erhöht den Diebstahlschutz. Auch in<br />
Bezug auf Werksspionage ist es erforderlich, zu definieren, welche Mitarbeiter<br />
und Besucher welche Bereiche betreten dürfen.<br />
− In Hochsicherheitsbereichen besteht die Anforderung, den Schlüssel vor Missbrauch<br />
zu schützen. Hier ist es möglich, die Identität des Mitarbeiters durch einen<br />
zusätzlichen Pincode oder durch biometrische Merkmale (beispielsweise<br />
ein Fingerabdruck) zu verifizieren.<br />
− Im Feuerfall ist es erforderlich, eine Liste aller Mitarbeiter, die auf dem<br />
Firmengelände sind, zu haben, um feststellen zu können, welche Mitarbeiter<br />
nicht an den Sammelstellen angekommen sind.<br />
− Über das Eskalationsmanagement besteht die Möglichkeit, Alarme bzgl. unerlaubt<br />
geöffneter Türen oder Sabotage an den Zutrittslesern direkt an die zuständigen<br />
Mitarbeiter weiterzuleiten.<br />
Durch den Einsatz eines leistungsfähigen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sind diese Anforderungen<br />
abgedeckt. Zusätzlich können aktuelle Informationen zum Zustand der<br />
einzelnen Zugänge im Sicherheitsleitstand angezeigt werden:<br />
Abb. 9.7. Sicherheitsleitstand
212 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />
9.6 Ausblick<br />
Der Begriff „Humankapital“ wurde 2004 von einer unabhängigen Jury zum Unwort<br />
des Jahres gewählt. Unabhängig davon, ob dieser Begriff gut oder schlecht<br />
gewählt ist, zeigt er die steigende Bedeutung der Mitarbeiter für die Unternehmen.<br />
Nach vielen Jahren, in denen hauptsächlich finanzielle Kriterien zur Beurteilung<br />
eines Unternehmens herangezogen wurden, ist es ein neuer Ansatz, die Mitarbeiter<br />
mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten in die Bewertung einzubeziehen.<br />
Aus dieser wichtigen Bedeutung des Personals folgt zwangsläufig, dass es ebenfalls<br />
als wichtiger Bestandteil in ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eingebunden sein muss.<br />
Hierbei ist es besonders wichtig, Aufgaben wie Personalzeiterfassung, Personaleinsatzplanung<br />
und Zutrittskontrolle nicht als einzelne Disziplinen zu sehen,<br />
sondern zusammen mit anderen Modulen wie beispielsweise der Feinplanung zu<br />
betrachten. Die Stärke eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ist es demnach, die Fertigung aus vielen<br />
unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und damit eine ganzheitliche<br />
Abbildung der Fertigung zu erreichen.<br />
Literatur<br />
<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard – Prozesse effizienter<br />
gestalten, mehr Kundennähe erreichen – mit vielen Praxisbeispielen. Gabler,<br />
Wiesbaden.
10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
10.1 Motiva<br />
9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen 213<br />
Durch den hohen Verbreitungs- und Standardisierungsgrad nimmt die SAP in<br />
doppelter Hinsicht einen besonderen Stellenwert unter den ERP-<strong>System</strong>en am<br />
Markt ein: Zum einen „lohnen“ Entwicklungen für <strong>MES</strong>-Anbieter im SAP-<br />
Umfeld durch die hohe Marktdurchdringung, zum anderen ist SAP einer der wenigen<br />
Anbieter im ERP-Umfeld, die ein eigenständiges <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> außerhalb<br />
mySAP-ERP aktiv befürworten, um damit die vertikale Integration ihren Kunden<br />
bieten zu können. Seit Mitte 2004 wurde ein Partner-Konzept gerade im Fertigungsumfeld<br />
für die sog. <strong>Manufacturing</strong>-Anwendungen massiv verstärkt: Allen<br />
Bemühungen voran die Partnerinitiative Adaptive <strong>Manufacturing</strong>.<br />
Durch diese Initiative und entsprechende Veröffentlichungen stellt die SAP<br />
klar, dass für viele Branchen und Anwendungsgebiete der Einsatz eines eigenständigen<br />
<strong>MES</strong> empfehlenswert ist, um die volle Funktionalität der SAP ERP und<br />
Logistik Lösungen nutzen zu können. Man setzt SAP-seitig auf Integration von<br />
<strong>MES</strong>-Lösungen der Partner.<br />
Das Wort Integration eines <strong>MES</strong> in die ERP-Welt gewinnt bei SAP eine neue<br />
Bedeutung und erfordert eine ganze Bandbreite von Schnittstellen und Integrationstechnologien<br />
von einem <strong>MES</strong> und damit natürlich auch von einem <strong>MES</strong> Anbieter.<br />
Entscheidend ist es jedoch für den SAP-Anwender, d.h. das Fertigungsunternehmen,<br />
das mySAP einsetzt, den Blick für das eigentlich Notwendige nicht zu<br />
verlieren, um die Qualität der Anwendung sicherzustellen. Die geeignete Technologie<br />
selbst sollte dabei nur die Grundlage sein, um eine Anwendung realisieren<br />
zu können. SAP bietet eine Technologie-Plattform zur Realisierung einer „breiten“<br />
Anwendungspalette mit sehr tiefer Integration des <strong>MES</strong> in die SAP-Welt. Die<br />
SAP stellt ihre Technologie-Plattform SAP NetWeaver in den Mittelpunkt dieser<br />
Bemühungen. So bedeuten Logos wie „Certified for SAP NetWeaver“ zunächst<br />
einmal nur, dass der jeweilige Anbieter die Technologie anwendet, jedoch nicht,<br />
dass hier ein Mehrwert in der Applikation selbst erzeugt wurde.<br />
Das Zertifikat „Powered by NetWeaver“ zielt dann schon wesentlich mehr in<br />
Richtung Anwendung. Damit wird bestätigt, dass ein Partner seine Anwendung<br />
auf der NetWeaver-Plattform in die SAP Anwendungen integriert.<br />
Technologie und Anwendung zu trennen ist für den Anwender, speziell im SAP-<br />
Umfeld, sehr schwierig. Aufwändige Marketingaktionen der SAP und des SAP-<br />
Umfeldes tragen hier nicht immer zur Erhöhung der Transparenz bei. Allein die<br />
verwendeten Fachbegriffe und Schlagwörter drängen vor allem dem mittelständischen<br />
Fertigungsunternehmen immer mehr die Frage auf: „Was ist der Nutzen für
214 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
mein Unternehmen?“. Die Antwort auf die Frage und die damit vorhandenen Begriffsbestimmungen<br />
für die Einbindung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s in mySAP ERP ist die<br />
Motivation der folgenden Ausführungen.<br />
10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld<br />
10.2.1 Entwicklung des <strong>MES</strong> in der SAP-Historie<br />
Speziell im SAP-Umfeld, wurde zu Beginn der 90er Jahre ein einfaches Rückmeldesystem,<br />
was nichts anderes war, als ein reiner Datensammler, am Markt als Betriebsdatenerfassung<br />
(BDE) oder später sogar als <strong>MES</strong> angeboten. Häufig bestanden<br />
bzw. bestehen diese <strong>System</strong>e aus einer mehr oder minder komplexen<br />
Rückmeldehardware und einer sehr einfach gehaltenen Schnittstellen-Software zu<br />
SAP R/3. Diese <strong>System</strong>e haben nach der Erfassung die Daten über konventionelle<br />
Dateischnittstellen an das R/3-<strong>System</strong> „abgeliefert“. Beim Einsatz solcher <strong>System</strong>e<br />
wurden die strukturellen Unzulänglichkeiten sichtbar. Aufgrund ihrer Struktur<br />
sind diese <strong>System</strong>e nicht in der Lage, Daten bereits vorzuverarbeiten oder sogar<br />
umfangreichere Plausibilitätsprüfungen vorzunehmen. Über die Erfassungsmechanismen<br />
konnten eigentlich nur die manuellen Aufschreibungen, der sog. Werkstattschreiber,<br />
durch eine elektronische Datenaufnahme ersetzt werden. Die fehlende<br />
Vorverarbeitung und Plausibilitätsprüfung der Daten führte zu einer<br />
mangelhaften Datenqualität der Ist-Daten im SAP-<strong>System</strong>. Um die Datenqualität<br />
zu erhöhen, mussten die erfassten Daten nachbearbeitet werden. Die mangelnde<br />
Objektivität von Daten, die auf solchem Weg ermittelt werden, lässt automatisch<br />
Zweifel an der Richtigkeit von betriebswirtschaftlichen Kenngrößen und Steuerungsvorgaben<br />
für die Fertigung aufkommen, die auf Basis solcher Daten in R/3<br />
„errechnet“ werden. Der Versuch, bei gleicher <strong>System</strong>architektur bessere Datenqualität<br />
zu erreichen, ist mit hohen Kosten für den manuellen Pflegeaufwand der<br />
Daten und für die IT-Infrastruktur zur Erreichung von besserer <strong>System</strong>performance<br />
verbunden. Außerdem führte diese Bemühung dazu, dass das Erfassungs-<br />
/BDE-<strong>System</strong> und die darüber liegende SAP-Anwendung – im Wesentlichen die<br />
Warenwirtschaft (MM) und die Produktionsplanung (PP) – so eng miteinander<br />
verzahnt wurden, dass nur geringfügige Änderungen im Fertigungsprozess eine<br />
aufwändige Softwareänderung im Erfassungssystem, an der Schnittstelle und in<br />
R/3 zur Folge hatten. Aus dieser Zeit stammen auch Ansätze, in der Soll- gleich<br />
Ist-Rückmeldungen generiert wurden, um damit IT-Kosten zu vermeiden. Eine<br />
Verbesserung der Plandaten oder gar eine realistische Nachkalkulation, sind so natürlich<br />
nicht zu erwarten. Für starre Fertigungsprozesse, die in einem eingeschwungenen<br />
Zustand sind, kann ein Fertigungsunternehmen unter Umständen auf<br />
permanent aktuelle Rückmeldungen über die Qualität des Fertigungsprozesses<br />
verzichten. In einer modernen Fertigung im Zeitalter zunehmender Flexibilität, die<br />
von den Kunden gefordert wird, ist dies nicht mehr akzeptabel.
10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld 215<br />
10.2.2 Anforderungen an ein <strong>MES</strong> im SAP-<strong>System</strong>-Umfeld<br />
Die Konsequenz daraus war, das untergelagerte <strong>System</strong> intelligenter, d. h. prozessnäher<br />
zu gestalten, mit dem Ziel, durch prozessnahe Plausibilitätsprüfungen<br />
die Datenqualität zu verbessern.<br />
Prozessnah bedeutet in diesem Zusammenhang reaktiv aufgrund der aktuellen<br />
Fertigungssituation und der Steuervorgaben aus dem ERP (Termine, Sollmengen,<br />
Prüfpläne) Prüfungen vorzunehmen und die Ergebnisse an das ERP zu melden.<br />
Diese lösen dort Aktionen aus, oder versetzen den Anwender durch entsprechende<br />
Information in die Lage, steuernd einzugreifen.<br />
IT-technisches Ziel ist natürlich auch, durch Vorverarbeitung die Datenflut im<br />
mySAP ERP-<strong>System</strong> einzudämmen, um die IT-Kosten für das SAP-<strong>System</strong> zu reduzieren.<br />
Beispiele hierfür sind das Melden von Meilensteinen in der Materialwirtschaft<br />
(MM), während der Materialtransport mit allen Materialbewegungen im<br />
<strong>MES</strong> sichergestellt wird oder das Kumulieren von Mengen und Zeiten und lohnscheinbezogenes<br />
Rückmelden an SAP-PP.<br />
Gleichzeitig ist es wichtig, mySAP ERP und das unterlagerte <strong>MES</strong> so aufeinander<br />
abzustimmen, dass keine Redundanz entsteht. D.h. die <strong>System</strong>e müssen so<br />
miteinander „verzahnbar“ sein, dass sie sich für den Anwender als durchgängige<br />
Lösung darstellen und der Anwender beispielsweise nur in einem <strong>System</strong> die<br />
Stammdatenpflege vornehmen muss. Die Funktion beider <strong>System</strong>e sollte sich also<br />
ergänzen und keinesfalls überlappen. Das ist die Forderung für eine dedizierte<br />
Implementierung in einem Fertigungsunternehmen.<br />
Für ein weitverzweigtes Fertigungsunternehmen, d.h. ein Unternehmen, das<br />
zwar eine zentrale IT besitzt aber mehrere Fertigungsstandorte, die unterschiedlichen<br />
Branchen angehören, ergibt sich eine weitere wichtige Anforderung. Das<br />
<strong>MES</strong> soll so flexibel sein, dass es sich auf die unterschiedlichen Fertigungsorganisationen<br />
einstellen kann, jedoch eine einheitliche Integration zum zentralen SAP-<br />
<strong>System</strong> sicherstellt.<br />
Je nach Fertigungsorganisation oder Branche wird in einem Standort eine<br />
Werkstattsteuerung im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> benötigt. Im anderen Standort des Unternehmens<br />
ist diese Funktion nicht notwendig oder wird im mySAP ERP abgebildet.<br />
10.2.3 Ebenendarstellung eines Fertigungsunternehmens<br />
Aus dieser Fragestellung heraus, ist es zunächst wichtig zu strukturieren, welche<br />
Prozesse und <strong>System</strong>funktionen in einem Fertigungsunternehmen vorliegen und<br />
welches <strong>System</strong> (SAP oder <strong>MES</strong>) diese zugeordnet werden können oder müssen.<br />
In jüngster Zeit hat SAP in Veröffentlichungen die Aufgaben und Funktionen<br />
eines Fertigungsunternehmens unter dem Gesichtspunkt der Zuordnung zum Begriff<br />
<strong>MES</strong> definiert. Aus diesen Veröffentlichungen heraus lässt sich ein Ebenenkonzept<br />
ableiten, das die Prozesse und Funktionen darstellt. Diese Funktionen<br />
werden zu Ebenen zusammengefasst.
216 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
Personal-<br />
Management<br />
Absatzplanung<br />
Kapazitätsplanung<br />
Auftragsverwaltung<br />
Vetrieb / Versand<br />
Materialwirtschaft<br />
Produktionsplanung<br />
Termin / Reihenfolgeplanung<br />
Fertigungssteuerung Qualitätsmanagement<br />
Transportmanagement Lagerverwaltung<br />
Automation<br />
Prozesssteuerung<br />
Maschinensteuerung<br />
Abb. 10.1. Funktionale Ebenen eines Fertigungsunternehmens<br />
Ebene 1a: Unternehmensplanung<br />
Ebene 1a<br />
Ebene 1b<br />
Ebene 2<br />
Ebene 3<br />
Auf der obersten Ebene liegen die klassischen ERP-Funktionen, wie Absatzplanung,<br />
Kapazitätsplanung, Kundenauftragsverwaltung, Vertrieb und Versand.<br />
Ebene 1b: Planung und Disposition der Fertigung<br />
Auf der Ebene 1b liegen die Funktionen für Produktplanung, Produktionsflussplanung<br />
und der Materialwirtschaft. Dazu gehört auch das Supply Chain Management,<br />
mit dem die gesamte logistische Abwicklung auf Unternehmens- und<br />
Konzernebene, aber auch die Logistik zwischen Kunden und Lieferanten gesteuert<br />
wird. In Abgrenzung dazu ist das unten beschriebene Transportmanagement, die<br />
sog. Intra-Logistik, d. h. die Materialsteuerung innerhalb der Fertigung des Unternehmens,<br />
zu sehen. Darüber hinaus sind hier die SAP Anwendungen des APO angesiedelt.<br />
Der Zeithorizont für Planungen ist hier grundsätzlich mittel- und langfristig.
Ebene 2: Fertigungsmanagement<br />
10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld 217<br />
In der Ebene 2 liegen alle Prozesse, die weitgehend der Umsetzung der Fertigungspläne<br />
dienen, die auf der darüber liegenden Ebene erstellt wurde. Hier werden<br />
der Materialfluss und die eigentliche Produktion gesteuert.<br />
Funktionen und Aufgaben wie die reaktive Planung, also die eigentliche Fertigungssteuerung,<br />
auch Werkstattsteuerung genannt, sind hier angesiedelt. Der zeitliche<br />
Horizont ist kurzfristig.<br />
Ebene 3: Automation<br />
Je nach Branche und/oder Fertigungsstruktur finden sich auf der Ebene Funktionen,<br />
die in der Prozessindustrie/Fließfertigung weitgehend von Prozessleitsystemen<br />
übernommen werden. In einer diskreten Fertigung werden diese Funktionen<br />
der Steuerung des Fertigungsprozesses weitgehend auf der Ebene der Fertigungssteuerung<br />
(Werkstattsteuerung) abgebildet. Auf dieser Ebene sind auch alle Funktionen<br />
und Prozesse im Fertigungsunternehmen angesiedelt, die Maschinen und<br />
Anlagen steuern, aber auch für den Austausch von Informationen und Steuerparametern<br />
von und zur Maschine/Aggregat zuständig sind.<br />
10.2.4 Unternehmensprozesse in mySAP ERP und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
Im Folgenden werden den IT-<strong>System</strong>en mySAP ERP und dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> diese<br />
Funktionen und Prozesse zugeordnet. Diese Zuordnung ist für die „außen“ liegenden<br />
Ebenen augenfällig. Die Funktionen der Ebene 1 Unternehmensplanung sind<br />
die klassischen Disziplinen des ERP-<strong>System</strong>s und werden von mySAP ERP abgedeckt.<br />
Auch die Funktionen zur Fertigungsplanung und zur mittelfristigen Disposition<br />
von Material und Ressourcen werden größtenteils durchgängig in mySAP<br />
ERP implementiert.<br />
Die Funktionen der Ebene 4 und 5 sind weitgehend dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zuzuordnen<br />
oder müssen zumindest in ein <strong>MES</strong> integrierbar sein.<br />
Die Steuerung des Fertigungsprozesses erfolgt im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> (Funktion Prozesssteuerung).<br />
Dazu gehören die klassische Erfassungsfunktion und natürlich die<br />
Integration der maßgeblichen Technologien zur Anbindung von Maschinen, Aggregaten<br />
und Prozessanlagen. Die Bereitstellung sämtlicher Daten für die überlagerten<br />
Ebenen ist Grundvoraussetzung. Dies ist die Basis, um die Anforderung der<br />
sog. vertikalen Integration sicherzustellen.<br />
Da jedoch im Fertigungsunternehmen immer mehr davon ausgegangen wird,<br />
dass Prozesse nicht unbedingt vollständig in einem <strong>System</strong> ablaufen, sondern vertikal<br />
über mehrere <strong>System</strong>ebenen hinweg unterstützt werden müssen, ist neben der<br />
Zuordnung der Funktionen zu einem <strong>System</strong> die „Zusammenstellung“ der Funktionen<br />
aus mehreren <strong>System</strong>en zu einer Prozessabbildung der „wesentlich interessantere“<br />
Bestandteil einer <strong>System</strong>integration.
218 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
Transportmanagemnt<br />
Termin- und<br />
Reihenfolgenplanung<br />
Absatzplanung<br />
Kapazitätsplanung<br />
Auftragsverwaltung<br />
Vetrieb / Versand<br />
Produktionsplanung<br />
Materialwirtschaft<br />
mySAP ERP<br />
Fertigungssteuerung<br />
Prozesssteuerung<br />
Maschinensteuerung<br />
Abb. 10.2. Einordnung der Prozesse eines Fertigungsunternehmens in die IT-Landschaft<br />
IT-technisch beinhaltet dieser Bereich von „überlappenden Funktionen“ weitgehend<br />
die der Ebene 3 des vorliegenden Modells. Diese Prozesse können je nach<br />
Fertigungsorganisation oder Branche entweder vollständig in <strong>MES</strong>- oder in SAP-<br />
<strong>System</strong>e implementiert werden. Oder aber, und das scheint die Zukunft zu sein,<br />
sie zerfallen in Teilprozesse und werden sowohl im SAP als auch im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
abgebildet.<br />
Relevante Prozesse im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
Wie bereits oben erwähnt, gibt es Funktionen/Prozesse, die entweder vollständig<br />
oder auch nur teilweise im <strong>MES</strong> abgebildet werden. Die Anbindung des <strong>MES</strong> an<br />
das mySAP ERP muss so flexibel sein, dass folgende Funktionen, je nach Anwendung<br />
und Fertigungsorganisation, in einem Unternehmen „zu- und abschaltbar“<br />
sind.<br />
Termin- und Reihenfolgeplanung, Fertigungssteuerung<br />
Während die Termin- und Reihenfolgenplanung, beispielsweise bei Serienfertigung,<br />
im Sinne einer Fertigungssteuerung mittel- bis langfristig, das heißt, Tage<br />
Zeitwirtschaft<br />
Qualitätsmanagement<br />
Lagerverwaltung
10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld 219<br />
im voraus im Produktionsplan erfolgt, gibt es Branchen- und Fertigungsorganisationen,<br />
bei denen diese Pläne entweder erst kurz vor Produktionsbeginn erstellt<br />
oder während der Produktion geändert werden müssen. Zur Differenzierung dieser<br />
Planungsarten wurde der Begriff „reaktive Planung“ geprägt. Dieser Begriff steht<br />
für die Erstellung eines durchführbaren Produktionsplans, der im Hinblick auf die<br />
Produktionsbedingungen zum Zeitpunkt der Erstellung optimiert wurde. Die reaktive<br />
Planung ist dann notwendig, wenn beispielsweise für verschiedene Aggregate<br />
und Produktionseinrichtungen aufgrund der verwendeten Materialien technische<br />
Einschränkungen vorliegen. Wenn bei der Produktion die dafür verantwortlichen<br />
Eigenschaften der Materialien jedoch erst bekannt werden, dann ist es notwendig,<br />
direkt am Aggregat die Änderung der Planung oder die eigentliche Planung oder<br />
Fertigungssteuerung vorzunehmen.<br />
Ein Beispiel hierfür ist die Stahlindustrie. Hier werden aufgrund der Materialeigenschaften<br />
direkt vor oder während dem Produktionsprozess Planänderungen<br />
entschieden, was zu Mehr- oder Minderlieferungen für den Produktionsauftrag<br />
führen kann.<br />
Sind darüber hinaus weitere Produktionsstufen betroffen, die die übergelagerten<br />
Planungssysteme wie die SAP-Module PP, MM oder APO erfordern, so ist es<br />
notwendig, diese über die betroffenen <strong>System</strong>e anzusteuern. In diesem Fall ist es<br />
die Aufgabe des <strong>MES</strong>, die SAP-Module synchron mit Informationen zu versorgen<br />
bzw. neue Planungsvorgaben oder gar einen neuen Plan dort abzurufen oder dessen<br />
Erstellung auszulösen.<br />
Transportmanagement<br />
Je nach Fertigungsablauf und Infrastruktur eines einzelnen Fertigungsunternehmens<br />
hat der Begriff Transportmanagement ganz unterschiedliche Bedeutungen.<br />
Das Transportmanagement beinhaltet grundsätzlich nicht die Transporte von<br />
Materialien von einem Produktionswerk zum anderen, zu einem Verteilzentrum<br />
oder direkt zum Endkunden. Diese Funktionen werden üblicherweise im SAP-<br />
<strong>System</strong> mit dem Supply-Chain-Management abgehandelt. In bestimmten Fertigungsindustrien,<br />
wie der Stahlindustrie, gibt es darüber hinaus große Entfernungen<br />
zu überbrücken. Zwischen einzelnen Fertigungsbereichen, wie Hochofenstahlwerk<br />
und Warmwalzwerk, ist die Transportlogistik innerhalb des Werkes eine<br />
wichtige und völlig unabhängige Aufgabe zum Supply Chain Management. Dies<br />
gilt aber auch für die Fertigungsunternehmen, die aufgrund des Wachstums über<br />
die Firmenhistorie hinweg sehr schwierige infrastrukturelle Voraussetzungen haben<br />
(Betriebsteile durch öffentliche Straßen getrennt, Betriebsteile zwar am gleichen<br />
Ort, jedoch weit voneinander entfernt).<br />
Hier gehört das Transportmanagement und die Transportlogistik teilweise oder<br />
vollständig zum Fertigungsprozess und muss ähnlich flexibel wie der Fertigungsprozess<br />
selbst gehandhabt werden. In diesem Fall ist es sinnvoll, das Transportmanagement<br />
als eigene Logistikfunktion innerhalb des <strong>MES</strong> abzubilden. Das gleiche<br />
gilt auch für die typischen, während der Produktion entstehenden Materialien<br />
(WIP = work in process). Die entstandenen Zwischenmaterialien haben nur eine
220 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
„kurze Lebensdauer“ und daher ist es nicht notwendig, diese in einer eigenen<br />
Dispostufe in der Materialwirtschaft (MM) zu führen.<br />
Neben der Erfassung und Verfolgung von Zwischenmaterialien im Produktionsprozess,<br />
spielt auf der Ebene Transportmanagement die Dokumentation des<br />
Entstehungsprozesses von Kundenendprodukten eine maßgebliche Rolle. Speziell<br />
in der Pharma-, Lebensmittel- und Automotivindustrie spielt die Los- und Chargenverfolgung<br />
bis hin zur Einzelteilverfolgung eine immer größere Rolle. In den<br />
Bereichen Tracking und Tracing stellt SAP in seinen Branchenlösungen zunehmend<br />
mehr Funktionen zur Verfügung, die jedoch vom <strong>MES</strong> in den Fertigungsprozess<br />
integriert werden müssen.<br />
Qualitätsmanagement<br />
Für alle Branchen gilt immer mehr, dass das Qualitätsmanagement kein eigenständiger<br />
Prozess im Fertigungsunternehmen, sondern in den Fertigungsprozess<br />
selbst zu integrieren ist: die sog. fertigungsbegleitende Qualitätssicherung. Der<br />
Mitarbeiter in der Fertigung selbst soll die Qualität des Produktes prüfen, Einstellungen<br />
korrigieren, die die Qualität des Materials bzw. des Endproduktes beeinflussen<br />
oder einfach Qualitätsdaten erfassen. Dieses bezeichnet man typischerweise<br />
klassisch mit dem Begriff Werkerselbstprüfung.<br />
Zur Unterstützung dieses Prozesses ist es notwendig, dass die Erfassungsfunktionen<br />
an der Maschine oder am Aggregat auch die Überwachungsfunktionen<br />
für die Qualitätssicherung beinhalten. Die Steuerung dieses Qualitätsmanagements<br />
und die Archivierung der Daten, liegt jedoch im SAP-QM. Die<br />
Qualifizierung, ob erfasste Daten oder Vorgänge für die Qualitätssicherung oder<br />
die Produktdokumentation relevant sind, muss direkt im Fertigungsprozess erfolgen.<br />
Der Fertigungsprozess ermöglicht alles, was für die fertigungsbegleitende Produktdokumentation<br />
notwendig ist. Transport- und Qualitätsmanagement laufen im<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> auf einer Ebene. Zum Zeitpunkt der Datenentstehung werden hier<br />
online Beziehungen zwischen Produkt und Qualitätsdaten sowie Messwerten hergestellt.<br />
Zeitwirtschaft in der Fertigung<br />
In einem Unternehmen ist die Zeitwirtschaft bis hin zur Lohnberechnung Bestandteil<br />
des Personalmangementsystems und damit Bestandteil von SAP HR<br />
Von dieser „Regel“ kann dann abgewichen werden, wenn in einem Fertigungsunternehmen<br />
eine Leistungslohnberechnung für die produktiven Mitarbeiter in der<br />
Fertigung erfolgen soll.<br />
Dann ist es wichtig, dass die Vorverarbeitung der Daten direkt zum Zeitpunkt<br />
des Entstehens erfolgt und zeitnah der Workflow für die Datenpflege sichergestellt<br />
wird. Beispiel: Pflegt ein Meister Personalbuchungen bereits während der aktuellen<br />
Schicht und nicht ein Zeitbeauftragter erst in der nächsten Schicht oder gar am<br />
nächsten Tag, so ist ein zeitnaher Abgleich und Plausibilitätstest der Personal- und<br />
Mengen-Meldungen möglich. Dies bedeutet Datenqualität und Sicherheit für den
10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 221<br />
Fertigungsprozess und gerechte und vor allem effektive Entlohnung in Konformität<br />
zur Produktqualität und Produktivität.<br />
Für Unternehmen, in denen die leistungsorientierte Entlohnung in der Produktion<br />
keine Rolle spielt, ist es sinnvoll, die Zeitwirtschaft klassisch im SAP-Umfeld<br />
(Modul HR) abzubilden. Somit reduziert sich die Funktionalität im <strong>MES</strong> auf einfache<br />
Erfassung von Zeitereignissen wie KOMMT, GEHT, Pause oder ähnliches.<br />
Aber auch Anforderungen an Plausibilitätschecks von Mitarbeitern in der Fertigung,<br />
sind an das <strong>MES</strong> zu stellen. Im Sinne einer Gesamtlösung ist es wichtig,<br />
dass das <strong>System</strong> (SAP plus <strong>MES</strong>) die beiden Alternativen unterstützt.<br />
10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong><br />
Das im vorhergehenden Kapitel beschriebene Ebenen-Konzept, vor allem die hier<br />
vorgesehene Überlappung von Funktionen und Prozessen, erfordert eine flexible<br />
und skalierbare Methode, um das SAP-<strong>System</strong> mit dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu verknüpfen.<br />
Hierfür stellt SAP über konventionelle Schnittstellentechnologie, also den bloßen<br />
Austausch von Daten zwischen zwei <strong>System</strong>en, zahlreiche Methoden und<br />
Verfahren zur Verfügung, die für eine Anbindung eines unterlagerten <strong>MES</strong> vielfältige<br />
Integrationsmöglichkeiten bieten.<br />
Seit Mitte 2004 verfolgt die SAP mit der Freigabe des Produktes SAP NetWeaver<br />
das Ziel, alle bestehenden Integrationsverfahren in diesem Produkt zusammenzufassen.<br />
Damit spielt der SAP NetWeaver automatisch eine zentrale Rolle<br />
bei der Integration eines <strong>MES</strong> <strong>System</strong>s im mySAP ERP.<br />
10.3.1 Bedeutung des SAP NetWeaver für die Integration des <strong>MES</strong><br />
Ziel ist es, den NetWeaver als eine Art Integrator für alle Applikationen eines Unternehmens<br />
zu implementieren. Applikationen oder Teilapplikationen sollen beliebig<br />
austauschbar werden. Das heißt auch, dass mySAP ERP automatisch wieder<br />
in Einzelapplikationen (sog. Services) „zerfallen“ muss, um als Anwendung die<br />
notwendige Flexibilität aufzuweisen. In einer SAP Roadmap soll mySAP ERP erst<br />
2007 vollständig „NetWeaver“-fähig sein.<br />
Da die Idee des NetWeaver den ESA * -Definitionen genügt, bedeutet das konsequenterweise<br />
auch, dass die SAP-Applikationen selbst den anderen „nicht SAP“-<br />
Anwendungen des Unternehmens gleich gestellt sind. Damit kommt dem <strong>MES</strong>-<br />
Gedanken eine weitere bedeutende Dimension hinzu. Das <strong>MES</strong> ist damit eine<br />
Sammlung von fertigungsnahen Diensten, die außerhalb der ERP-Applikation liegen,<br />
jedoch über eine geeignete <strong>System</strong>plattform, wie oben dargestellt, zu einer<br />
Gesamtanwendung „verwoben“ werden können.
222 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
mySAP<br />
CRM<br />
mySAP<br />
SRM<br />
mySAP<br />
ERP<br />
mySAP<br />
SCM<br />
mySAP<br />
PLM<br />
SAP NetWeaver Exchange Infrastructure XI<br />
<strong>MES</strong> - <strong>System</strong><br />
SAP Enterprise Portal<br />
<strong>MES</strong> Add On<br />
for SAP NetWeaver<br />
Application Interfaces<br />
PP-PDC, POI,<br />
QM-IDI, PCS<br />
BAPI´s<br />
Automation Layer<br />
OPC RFID Euromap Profibus SIEMENS S7 Prozessanbindung Terminals<br />
Abb. 10.3. Überblick über Integrationsszenarien im SAP NetWeaver<br />
Die Metagroup sagt hierzu: „Der SAP NetWeaver ist das erste funktionsfähige<br />
Produkt, das die Enterprise Service Architektur unterstützt. Danach sollen alle<br />
Anwendungen eines Unternehmens als sog. Services in den SAP Netweaver integriert<br />
werden. Dem Anwender stehen die Services dann über eine einheitliche Architektur<br />
und Oberfläche zur Verfügung. Der Anwender selbst nimmt dann keine<br />
einzelnen <strong>System</strong>e mehr wahr, sondern nur noch eine Lösung, die seine Prozesse<br />
abbildet.“<br />
Laut Aussage der MetaGroup befindet sich SAP mit dem Produkt NetWeaver<br />
im Mitbewerb zu IBM und Microsoft. Diese verfügen über die gleiche Strategie,<br />
nach der ebenfalls auf Betriebssystemebene versucht wird, eine einheitliche Plattform<br />
am Markt einzuführen.<br />
Der IT-Einführungsaufwand für Anwendungen soll durch diese Strategien in<br />
Zukunft stark zurückgehen. Um dies zu erreichen stellt die SAP im Netweaver eine<br />
Art Entwicklungsumgebung für Partner zur Verfügung mit der Workflows und<br />
Lösungen realisiert werden: das Composite Application Framework. Damit können<br />
unter anderem die sog. Cross Applications erzeugt werden.<br />
Die Exchange Infrastructure (XI) steht für die technische Anbindung von <strong>System</strong>en,<br />
auch dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>, an den SAP NetWeaver zur Verfügung. Dies ist<br />
die Kommunikationsebene, über die alle im SAP NetWeaver zu integrierenden<br />
<strong>System</strong>e miteinander kommunizieren.
10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 223<br />
Zum besseren Grundverständnis werden im Folgenden die Begriffe Composite<br />
Application Framework und die Cross Application erläutert.<br />
SAP NetWeaver<br />
Composite Composite Application Application Framework<br />
Framework<br />
PEOPLE INTEGRATION<br />
Multi channel access<br />
Portal Collaboration<br />
INFORMATION INTEGRATION<br />
Bus. Intelligence<br />
Master Data Mgmt<br />
PROCESS INTEGRATION<br />
Integration<br />
Broker<br />
APPLICATION PLATFORM<br />
J2EE<br />
DB and OS Abstraction<br />
Knowledge Mgmt<br />
Business<br />
Process Mgmt<br />
ABAP<br />
Abb. 10.4. Schematische Darstellung des SAP NetWeaver<br />
Composite Application Framework<br />
Eine wichtige NetWeaver-Komponente für das zukünftige Design von Anwendungen<br />
ist das Composite Application Framework. Im SAP NetWeaver soll diese<br />
Entwicklungsumgebung die Abbildung des Geschäftsprozesses als Workflow<br />
(Guided Procedures) ermöglichen. Dieser Idealzustand, sofern man ihn erreicht,<br />
würde das Fertigungsunternehmen in die Lage versetzen, sich seine gesamten Geschäftsprozesse<br />
in einem <strong>System</strong>, der sog. SAP Business Suite, über den SAP<br />
NetWeaver abzubilden. Unabhängig davon, welche Anwendungen im Einsatz<br />
sind, erfahren diese über den SAP NetWeaver eine vollständige Integration. Die<br />
MetaGroup spricht in diesem Zusammenhang nicht mehr von ERP-Beratern, die<br />
ERP-<strong>System</strong>e einführen, sondern von „Geschäftsprozessdesigner“, die mit Hilfe<br />
der in SAP NetWeaver enthaltenen Entwicklungstools die Prozesse des Fertigungsunternehmens<br />
direkt im <strong>System</strong> entwickeln. Die SAP hat aus diesem Grund<br />
die Produkte wie Master Data Management und das Business Warehouse in den<br />
Life Life Cycle Cycle Mgmt Mgmt
224 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
NetWeaver integriert. Mit dem Master Data Management sollen alle Daten eines<br />
Fertigungsunternehmens zentral verwaltet werden, ungeachtet der physikalischen<br />
Datenspeicherung. Dieser Ansatz geht weit über eine „zentrale“ Datenbank hinaus,<br />
da in diesem Datenmanagement auch die logischen Abhängigkeiten und<br />
Zugriffspfade beinhaltet sind.<br />
Cross Applications (XAPPS)<br />
Die SAP-Definition aus der Literatur für die Cross Application lässt sich wie folgt<br />
zusammenfassen: Eine sog. Cross Application verbindet und aggregiert Daten über<br />
die Fertigungslandschaft hinweg. Informationen aus verschiedenen Prozessen,<br />
Linien und Werksanlagen sind damit transparenter. Das zusammengesetzte Anwendungspaket<br />
enthält vorkonfigurierte Inhalte (die sog. iViews) sowie eine direkte<br />
Integration, z. B. mit den Dashboards und dem Alert-Management aus my-<br />
SAP ERP.<br />
Hierfür werden die Services für Datenzugriff, Analyse und Geschäftslogik genutzt,<br />
um beliebige Datenquellen in der Fertigung anzubinden, wie etwa Lösungen<br />
für die Fertigungsautomatisierung und -steuerung oder Wartungsanwendungen.<br />
Das zusammengesetzte Anwendungspaket erlaubt es allen an der Wertschöpfungskette<br />
beteiligten Fachleuten, auftretende Fragen über das SAP Enterprise<br />
Portal gemeinsam zu bearbeiten und in jeder Anwendung der mySAP Business<br />
Suite Maßnahmen zur Problemlösung zu ergreifen.<br />
Das bedeutet für ein Fertigungsunternehmen, um mySAP ERP zukünftig optimal<br />
einsetzen zu können, muss ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> in diesem Umfeld die notwendigen<br />
Funktionen bereitstellen, um dem Anwender mit SAP zusammen eine Gesamtlösung<br />
für seine Fertigung anzubieten.<br />
10.3.2 Schnittstellen zu den mySAP- ERP-Anwendungen<br />
Grundsätzlich muss bei einer Implementierung im SAP-Umfeld der klassische Datenaustausch<br />
zwischen zwei Applikationen, z. B. zwischen der SAP-Produktionsplanung<br />
(PP) oder der SAP-Warenwirtschaft (MM) und dem untergelagerten <strong>MES</strong><br />
möglich sein.<br />
Zu den einzelnen SAP-Modulen in mySAP ERP stellt SAP, ebenfalls basierend<br />
auf der NetWeaver Technologie, Schnittstellen zur Verfügung, über die das untergelagerte<br />
<strong>MES</strong> <strong>System</strong> erfasste Daten an das ERP übermittelt und notwendige Daten<br />
für die Information des Anwenders und vor allem für die Steuerung des <strong>MES</strong><br />
aus dem SAP <strong>System</strong> lädt.<br />
Die Anwendungen in mySAP ERP und dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> werden über die<br />
Anwendungsschnittstellen verbunden.<br />
Über diese Schnittstellen, über die zu bestimmten Zeitpunkten Informationen<br />
zwischen den beiden <strong>System</strong>en ausgetauscht werden, ist es gut möglich, zwei Prozesse,<br />
die in zwei unterschiedlichen <strong>System</strong>en vollständig ablaufen, miteinander<br />
zu verbinden.
10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 225<br />
Im Folgenden sind die wichtigsten Schnittstellen zu der ERP-Anwendung aufgeführt.<br />
Wichtig ist, dass das <strong>MES</strong> die geforderte Schnittstellentechnologie unterstützt.<br />
Maßgebend für den Anwender ist jedoch der Inhalt, der über die Schnittstelle<br />
ausgetauschten Daten.<br />
mySAP<br />
CRM<br />
mySAP<br />
SRM<br />
mySAP<br />
ERP<br />
mySAP<br />
SCM<br />
mySAP<br />
PLM<br />
Abb. 10.5. Überblick Application Interfaces<br />
Plant Data Collection (PP-PDC)<br />
Fertigungsaufträge<br />
PP-PDC<br />
Materialbewegungen<br />
MM-MOB<br />
Terminierungsdaten<br />
PP-POI<br />
Personal-/Lohndaten<br />
HR-PDC<br />
Qualitätsdaten<br />
QM-IDI<br />
.<br />
BAPI´s<br />
HYDRA<br />
<strong>MES</strong><br />
Über diese Schnittstelle werden klassisch Rückmeldungen, Stamm- und Bewegungsdaten<br />
zu Fertigungsaufträgen zwischen mySAP ERP und dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
ausgetauscht. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> meldet über diese Schnittstelle Zeitereignisse oder<br />
verdichtete Daten in Form von Lohnscheinen an das SAP-<strong>System</strong> zurück. Dadurch<br />
wird mySAP ERP zeitnah mit den Produktionsparametern versorgt. Der gebräuchliche<br />
Betriebsmodus dieser Schnittstelle an einem unterlagerten <strong>MES</strong> ist die<br />
Meldung über Lohnscheine. Hier werden aufsummierte bzw. verdichtete Zeiten<br />
und Mengen auftragsbezogen rückgemeldet. Nur so ist eine Vorverarbeitung der<br />
Daten möglich und das SAP-<strong>System</strong> wird, was die Datenmenge und die <strong>System</strong>performance<br />
des untergelagerten <strong>System</strong>s betrifft, entlastet.<br />
Production-Optimizing-Interface (PP-POI)<br />
Über die Schnittstelle PP-POI ermöglicht mySAP ERP dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sämtliche<br />
Stamm- und Bewegungsdaten für Material wie Stücklisten, Arbeitsplatzin-
226 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
formationen sowie Plan-/Fertigungsaufträge und Lagerbestände auszulesen bzw.<br />
geänderte Informationen an das Produktionsplanungssystem zurück zu schreiben.<br />
Diese Funktion ist von besonderer Bedeutung, wenn das <strong>MES</strong>, Funktionen der<br />
Werkstattsteuerung oder der reaktiven Planung übernehmen soll. In diesem Fall<br />
werden über die POI-Schnittstelle zum einen Plantermine an die Steuerungskomponente<br />
des <strong>MES</strong> als Meilensteintermine gegeben und zum anderen meldet das<br />
<strong>MES</strong> nach erfolgter Planoptimierung die geänderten Termine an das <strong>MES</strong> zurück,<br />
um dort die notwendigen „Konsequenzen“ aus diesen Terminänderungen abzuleiten.<br />
Inspection Data Interface (QM-IDI)<br />
Diese Schnittstelle wird im Bereich des Qualitätsmanagements eingesetzt. Hierüber<br />
werden vom <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die Vorgaben für die Qualitätssicherung „gelesen“.<br />
Die gesamte Prüfabwicklung kann dann im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erfolgen und die<br />
für die Qualitätsdokumentation notwendigen Messwerte und Qualitätsinformationen<br />
werden an mySAP ERP rückgemeldet. Die sehr umfangreiche Schnittstelle<br />
muss natürlich vom untergelagerten <strong>MES</strong> skalierbar bedient werden können. Je<br />
nach Ausprägung des Qualitätsmanagements in den Fertigungsunternehmen muss<br />
die gesamte Bandbreite von einfacher Messdatenerfassung bis hin zur vollständigen<br />
Ausführung und Umsetzung der durch das SAP vorgegebenen Prüfpläne verfügbar<br />
sein.<br />
Process-Control-<strong>System</strong> (PI-PCS)<br />
In der Prozessindustrie ist eine Vielfalt von Steuersystemen im Einsatz. Die Steuerungsszenarien<br />
reichen von vollautomatisierten, durch Prozesssysteme gesteuerten<br />
Anlagen bis zu weitgehend manuell bedienten Anlagen mit geringem Automatisierungsgrad.<br />
Um diese Anlagen und Steuerinformationen zu versorgen bzw. Prozessmeldungen<br />
zu erfassen, stellt SAP die sog. PI-PCS Schnittstelle zur Verfügung.<br />
Die PI-PCS Schnittstelle ermöglicht sowohl den Download von Steuerrezepten<br />
an die untergelagerte Steuerung als auch den Upload prozessbezogener Daten in<br />
Form von Prozessmeldungen. Die Rückmeldungen auftragsbezogener Daten über<br />
die Schnittstelle PI-PCS ersetzt die auftragsbezogenen Rückmeldungen über PP-<br />
PDC.<br />
In Steuerrezepten werden folgende Daten übergeben:<br />
− Prozess- und Steuerungsparameter,<br />
− textuelle Anweisungen für den Anlagenfahrer in teilautomatisierten oder voll<br />
manuell bedienten Anlagen,<br />
− Informationen über rückzusendende Prozessmeldungen.<br />
Prozessmeldungen geben Auskunft über<br />
− den Status von Prozessaufträgen,<br />
− Verbrauch und Produktion von Materialien,
− den Status von Ressourcen,<br />
− ausgewählte Prozessereignisse.<br />
10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 227<br />
Business Application Programming Interface (BAPI)<br />
Sollen Prozesse im Unternehmen enger miteinander „verwoben“ werden, ist es<br />
notwendig, dass der Datenaustausch zwischen beiden <strong>System</strong>en intensiver wird.<br />
Sollen die Prozesse kundenspezifisch angepasst werden, bedeutet das häufig eine<br />
Anpassung in beiden <strong>System</strong>en (in <strong>MES</strong> und in SAP). Die Verbindung beider <strong>System</strong>e<br />
wird damit bei steigender Flexibilität des Fertigungsprozesses zur „Belastung“.<br />
Um die <strong>System</strong>e effektiver einzusetzen, bietet SAP mit dem Business Application<br />
Programming Interface (BAPI) die Möglichkeit, Teilprozesse aus SAP<br />
„heraus zu lösen“, um sie vom untergelagerten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> mitnutzen zu können.<br />
Damit verhält sich das untergelagerte <strong>MES</strong> wie ein virtueller Benutzer im SAP.<br />
Der Vorteil für den SAP Anwender ist, dass die Einbindung des <strong>MES</strong> durch die<br />
Verwendung von ihm bekannten und damit reproduzierbaren Abläufen im SAP<br />
geschieht. Voraussetzung ist, dass das <strong>MES</strong> die SAP Funktionen so unterstützt<br />
und ergänzt, dass die durchgängige Abbildung des Fertigungsprozesses möglich<br />
wird. Bei der Implementierung wird vom <strong>MES</strong>-Hersteller deshalb neben dem<br />
notwendigen Prozess-Know-how des Fertigungsunternehmens auch das notwendige<br />
SAP Anwendungswissen vorausgesetzt.<br />
Mit dieser Vorgehensweise können kundenspezifische Änderungen im <strong>MES</strong><br />
vorgenommen werden, ohne parallel SAP-seitig Änderungen durchführen zu müssen.<br />
10.3.3 Integration von <strong>MES</strong>-Funktionen über das SAP-Portal<br />
Das Enterprise Portal der SAP verfolgt die Zielstellung, Informationen aus nahezu<br />
beliebigen Anwendungen im Web zur Verfügung zu stellen. Neben der SAP gibt<br />
es am Markt weitere Anbieter von Portallösungen, wie beispielsweise die IBM.<br />
Jedoch hat die SAP durch die Verbindung des Portals mit dem NetWeaver und der<br />
ERP-Anwendung selbst Wettbewerbsvorteile bei Unternehmen, die bereits SAP-<br />
Anwendungen im Einsatz haben.<br />
Grundsätzlich ist das SAP-Portal somit eine „anwendungsneutrale Einrichtung“,<br />
die sowohl SAP-Inhalte als auch <strong>MES</strong>-Inhalte darstellen soll.<br />
Für alle Bereiche im Fertigungsunternehmen, in denen dem Anwender kein<br />
Portalzugang zur Verfügung steht oder es sich um Key- oder Poweruser handelt,<br />
die mächtigere Funktionen außerhalb des Portals benötigen, sind darüber hinaus<br />
umfangreiche <strong>MES</strong>-Anwendungen notwendig, die ausschließlich im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
selbst zur Verfügung stehen.<br />
Das SAP-Portal bietet für den Anwender eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s zwei interessante<br />
Integrationsmöglichkeiten. Zum einen die <strong>Manufacturing</strong> Intelligence Dashboards.<br />
Dabei handelt es sich um eine Art Monitore, die dem Anwender Navigations- und<br />
Alarmmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Zum anderen sind die sog. Business
228 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
Packages ganze <strong>MES</strong>-Anwendungspakete, die üblicherweise Bestandteil des<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sind, jedoch im SAP-Portal ablaufen.<br />
10.3.3.1 <strong>Manufacturing</strong> Intelligence Dashboards<br />
Die SAP oder der SAP-Partner stellt speziell für Auswertungen in Fertigungsunternehmen<br />
ein sog. <strong>Manufacturing</strong> Intelligence Dashboard zur Verfügung. Basierend<br />
auf der Technologieplattform SAP NetWeaver erhalten Anwender über vorkonfigurierte<br />
Portale Informationen aus dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>. Die Dashboards<br />
unterstützen Mitarbeiter in der Fertigung, damit sie qualifizierte Entscheidungen<br />
schneller treffen können. Die SAP stellt vorkonfigurierte Rollen für Werksleiter,<br />
Fertigungsleiter, Wartungsleiter und Qualitätsbeauftragte zur Verfügung.<br />
In der schnelllebigen Arbeitswelt von heute ist die Bereitstellung relevanter und<br />
aktueller Informationen für Gruppen-, Team- und Abteilungsleiter von entscheidender<br />
Bedeutung.<br />
Es steht ein Spektrum an Funktionalitäten zur Verfügung. Dazu gehören die<br />
Anbindung an Fertigungsanwendungen und Datenquellen, die Visualisierung und<br />
Analyse von Fertigungs- und anderen Daten, das KPI- und Alert-Management,<br />
Qualitätsanalysen und eine ereignisbasierte Werk-SAP-Integration.<br />
Über die KPI (Key Performance Indicators) können für die Fertigung beispielsweise<br />
Daten über Fertigungsgrade, Anlagenauslastung und Ausschussraten<br />
bereitgestellt werden. Der sog. Alertmonitor verschickt Warnmeldungen (Alerts),<br />
wenn Sicherheitsbestände unterschritten werden, die Ausschussrate einen bestimmten<br />
Grenzwert überschreitet oder ein Indikator für die Produktqualität auf<br />
ein Problem hinweist. Das <strong>MES</strong> liefert Ereignisbenachrichtigungen, unter anderem<br />
bei einer Änderung des Auftragsstatus, beim Ausfall einer Anlage oder bei<br />
Qualitätsproblemen. Diese Informationen stehen dann im <strong>Manufacturing</strong> Dashboard.<br />
Die Hauptanwendung im Fertigungsumfeld liegt auf Managementebene, die aktuelle<br />
Informationen zur Verfügung stellen. Für die Mitarbeiter in der Fertigung,<br />
die im Detail aktuelle Informationen benötigen, ist der Zugriff auf detaillierte<br />
<strong>MES</strong>-Funktionen nötig.<br />
Hierfür bietet das Dashboard die wichtige Drill-Down-Funktion. So können<br />
Mitarbeiter in der Fertigung direkt in ihre gewohnte <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>umgebung „verzweigen“.<br />
Damit findet eine echte Integration in die SAP Bedienoberfläche statt<br />
ohne dass Funktionen, die im <strong>MES</strong> bereits vorhanden sind in mySAP ERP „nachprogrammiert“<br />
werden müssen.<br />
10.3.3.2 Business Packages<br />
Die SAP bietet verschiedene Anwendungen und Services in Form von benutzer-<br />
und aufgabenorientierten Business Packages. Darüber hinaus können auch SAP-<br />
Partner im SAP-Portal eigene Business Packages anbieten. Sie beruhen auf SAP-<br />
Produkten und Anwendungen von <strong>MES</strong>-Partnern. Im Wesentlichen beinhalten die<br />
Pakete im Fertigungsumfeld Informationen und Workflows für die Managementebene<br />
in der Fertigung.
10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 229<br />
Die Business Packages sind eine Sammlung von sog. iViews (Interactive<br />
Views). Interactive Views sind eigenständige Softwaremodule, die sich in das<br />
SAP Enterprise Portal einfügen und dem Anwender damit alle grundsätzlichen<br />
Features (wie die Rollenorientierung und das Berechtigungskonzept) zur Verfügung<br />
stellen. Der iView bietet somit die Möglichkeit, Informationen (Content) direkt<br />
aus dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> dem Portal-Anwender weiterzuleiten oder diese in einen<br />
vordefinierten Workflow aufzunehmen. Der iView selbst ist aber Bestandteil<br />
des <strong>MES</strong> <strong>System</strong>s.<br />
10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative<br />
der SAP<br />
Der Begriff Adaptive <strong>Manufacturing</strong> steht ab 2005 bei der SAP vor allem für Aktivitäten,<br />
die dem mySAP-ERP Anwender ermöglichen sollen, <strong>MES</strong>-Funktionen<br />
zu nutzen.<br />
Mit einer damit verbundenen Partner-Initiative kündigt die SAP ihren Kunden<br />
an, dass mySAP ERP für einen optimierten Einsatz in der Fertigung durch ein eigenständiges<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ergänzt werden kann bzw. für einige Branchen ergänzt<br />
werden muss. Damit verschafft sich die SAP einen klaren Marktvorteil, da dem<br />
SAP-Anwender Funktionen von lauffähigen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en zur Verfügung stehen<br />
und die SAP-Anwendung sich damit in das teilweise sehr heterogene Fertigungsumfeld<br />
unterschiedlicher Branchen einpassen kann.<br />
SAP forciert mit dieser Initiative darüber hinaus das Partnering und knüpft diese<br />
Initiative an die Verwendung des SAP NetWeaver. Es werden qualifizierte<br />
Partner gesucht, die den SAP-Kunden ein leistungsfähiges <strong>MES</strong> anbieten. Um die<br />
Qualifikation dieser Partner auch für die SAP Kunden transparent zu machen, bietet<br />
die SAP den Partnern den Erwerb des „powered by NetWeaver“-Zertifikat an.<br />
Für das Fertigungsunternehmen, das ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterhalb von SAP auswählt,<br />
sind folgende Kriterien relevant.<br />
10.4.1 Skalierbarkeit der <strong>MES</strong>-Lösung<br />
Um die notwendige Flexibilität für eine Anwendung zu erreichen, muss die Architektur<br />
des <strong>MES</strong> sicherstellen, dass unterhalb von mySAP ein <strong>MES</strong> skalierbar ist.<br />
Das gilt auch innerhalb einer Installation bei einem Fertigungsunternehmen. Denn<br />
je nach Fertigungsbereich sind die Anforderungen an ein <strong>MES</strong> ganz unterschiedlich.<br />
In weitgehend automatisiert laufenden Fertigungsbereichen wie dem Kunststoffspritzguss,<br />
steht die technische Anbindung von Maschinen, beginnend, bei<br />
der Datenerfassung von Mengen oder Störungen und Prozessparametern bis hin<br />
zur Übergabe von Maschineneinstelldaten, im Vordergrund. Im personalintensiven<br />
Produktionsbereich, wie der Montage, geht es um Erfassung von Zeiten und<br />
das Anzeigen von Bildinformationen wie Montageanweisungen. Für beide Anwendungen<br />
werden unterschiedliche Erfassungstechnologien benötigt.
230 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
Darüber hinaus muss der Fertigungsprozess sich selbst permanent anpassen.<br />
Zum einen hervorgerufen durch ablauftechnische Optimierungen, zum andern aber<br />
auch durch immer dynamischer ablaufende Produktänderungen, bei immer geringer<br />
werdenden Losgrößen.<br />
Die Dynamik des Fertigungsprozesses in einem Unternehmen erfordert ein anpassungsfähiges<br />
und damit technisch skalierbares <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>:<br />
− Dynamische Erweiterungsmöglichkeit der IT-Infrastruktur durch konsequenten<br />
Einsatz von Standards als Betriebssystem, Datenbank und Netzwerktechnik,<br />
− Unterstützung der gängigen Schnittstellen zu den SAP-Anwendungen (siehe<br />
10.3.2),<br />
− Einbinden in die SAP Integrationsszenarien, um eine bedarfsorientierte Informationsverteilung<br />
im Unternehmen zu ermöglichen (siehe 10.3.3),<br />
− Vom Anwender anpassbare <strong>MES</strong>-Bedienoberfläche, zur Generierung eigener<br />
Auswertungen in der Fertigung.<br />
10.4.2 <strong>MES</strong> für die horizontale Integration<br />
Um sicher zu sein, dass ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> innerhalb eines Fertigungsunternehmens<br />
einen zukunftssicheren Einsatz garantiert, müssen Funktionen vorhanden sein, die<br />
die horizontale Integration für die Anwendung sicherstellen. Grundsätzlich bedeutet<br />
dies, dass Komponenten für:<br />
− Auftragsdatenerfassung,<br />
− Maschinendatenerfassung,<br />
− Leitstand,<br />
− Material- und Produktionslogistik,<br />
− Personalzeiterfassung,<br />
− Leistungslohn,<br />
− Qualitätssicherung,<br />
− Zutrittskontrolle,<br />
− DNC,<br />
− Prozessdaten,<br />
− Werkzeug- und Ressourcenmanagement<br />
vorhanden sein müssen, um in der vollen Anwendungsbreite einem Fertigungsunternehmen<br />
eine durchgängige Lösung bieten zu können.<br />
10.4.3 Anbindung der Maschinen- und Steuerungsebene<br />
Eine weitere entscheidende Eigenschaft mit der das <strong>MES</strong> die Integrierbarkeit von<br />
mySAP ERP in verschiedene Fertigungsorganisationen und Branchen sicherstellt,<br />
ist die Unterstützung von allen gängigen Technologien auf der Automationsebene.<br />
Neben Verwendung von Standards muss hier das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> in der Lage sein,
10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 231<br />
auch sehr individuell programmierte Prozessleitsysteme, Erfassungssysteme oder<br />
gar Maschinen und Aggregate anzubinden, die nach wie vor bei vielen Fertigungsunternehmen<br />
im Einsatz sind. Denn nur so ist eine flächendeckende Lösung<br />
im Unternehmen und die Vermeidung von neuen Insellösungen zu erreichen.<br />
Ganz im Gegenteil soll das <strong>MES</strong> dafür sorgen, dass bestehende Insellösungen in<br />
der Fertigung in das <strong>MES</strong> integrierbar sind und damit eine homogene Schnittstelle<br />
zum SAP-<strong>System</strong> geschaffen wird.<br />
Folgende gängige Technologien und Erfassungsstandards muss ein <strong>MES</strong> dem<br />
SAP-Anwender zur Verfügung stellen:<br />
RFID – Radio Frequency Identification<br />
Während in den vergangenen Jahren die Identifikation von Material, Personal und<br />
Auftragspapieren via Barcodelabels die Erfassung im Produktionsablauf bestimmte,<br />
ist das RFID-Verfahren immer weiter auf dem Vormarsch. Aufgrund der mittlerweile<br />
sehr preiswerten Technologie bietet RFID durch die Möglichkeit, dass die<br />
Datenträger im Fertigungsablauf beschrieben werden können, eine breite Anwendungspalette,<br />
z. B.: bei der Materialverfolgung durch die Nutzung des Datenträgers<br />
als „elektronische“ Etiketten. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass das<br />
<strong>MES</strong> die hierfür notwendige Anwendung für diese Technik zur Verfügung stellt.<br />
OPC-Open-Link-Enabling (OLE) für Process Control<br />
Die Kommunikationstechnik OPC, die mittlerweile viele Hersteller von Fertigungsmaschinen<br />
und Anlagen unterschiedlichster Branchen unterstützen, ist im<br />
Moment auf dem Weg sich als flächendeckender Standard durchzusetzen. Deshalb<br />
ist es notwendig, dass ein <strong>MES</strong> über diesen Weg in der Lage ist, Maschinen-,<br />
Qualitäts- und Prozessdaten aus Maschinen und Aggregaten auszulesen. Darüber<br />
hinaus müssen Steuerinformation (sog. Einstelldaten) vom ERP über das <strong>MES</strong><br />
teilweise auftrags-/produktbezogen an das Fertigungsaggregat gebracht werden.<br />
Wie bereits erwähnt, muss diese Funktionalität vor allem auch im Bereich der<br />
Kunststofffertigung-Standards, wie Euromap, E63 oder herstellerspezifische Kommunikationsprotokolle,<br />
gleichermaßen unterstützt werden.<br />
GFDA und GAMP4 Konformität<br />
Neben den bereits erwähnten technischen Standards ist das <strong>MES</strong> auch für die Umsetzung<br />
von Qualitätsstandards der amerikanischen Food and Drug Administration<br />
(FDA) und daraus abgeleiteten Vorschriften GAMP4 (Good Automation <strong>Manufacturing</strong><br />
Process) und den entsprechenden europäischen Normen maßgeblich.<br />
Diese Qualitätsnorm fordert vor allem von Lebensmittel- und Pharmaherstellern<br />
eine Validierung von eingesetzten ERP- und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en, die für die Fertigungssteuerung<br />
und in der Produktion eingesetzt werden. Neben den Qualitätsanforderungen,<br />
die an Hersteller der ERP- und <strong>MES</strong>-Software gestellt wird, muss<br />
die Software Sicherheitsanforderungen sicherstellen, die in der Norm 21 CFR Part<br />
11 der FDA vorgeschrieben werden. Dies sind weitgehend funktionale Sicher-
232 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
heitsanforderungen, die die Software erfüllen muss. Heute ist der Einsatz einer<br />
<strong>MES</strong>-Software für ein Fertigungsunternehmen, das eine Validierung nach FDA<br />
erhalten will, Grundvoraussetzung, um die Kosten hierfür in vertretbarem Rahmen<br />
halten zu können.<br />
10.4.4 Beispiele für die Integration von <strong>MES</strong> und mySAP ERP<br />
Gerade im SAP-Umfeld ist es wichtig für den Anwendungsnutzen des Fertigungsunternehmens,<br />
die technologischen Erfordernisse von dem eigentlichen Anwendungsnutzen<br />
zu trennen. Um dies etwas transparenter zu machen, sind die wichtigsten<br />
vorgenannten Möglichkeiten im Folgenden in einem Anwendungsbeispiel<br />
zusammengefasst. Ziel dieser Darstellung ist es, die aufgezeigten technischen<br />
Möglichkeiten mit dem jeweiligen Anwendungsnutzen gegenüber zu stellen.<br />
In diesem einfachen Beispiel wird ein durchgängiges Integrationsszenario des<br />
<strong>MES</strong> HYDRA der Fa. MPDV und mySAP ERP dargestellt.<br />
Das <strong>MES</strong> verfügt über eine vollständige Auftragsdaten- und Maschinendatenerfassung.<br />
Zur Erledigung der Auftragsdatenerfassung und der Werkstattsteuerung<br />
ist das <strong>MES</strong> über die Anwendungsschnittstelle PP-PDC an mySAP ERP angebunden.<br />
Über diese Schnittstelle werden wie im Kapitel 10.3.2 dargestellt, die Auftragsvorgaben<br />
über den Download als Auftragsvorrat an das <strong>MES</strong> übertragen.<br />
Benutzerspezifische Informationen werden direkt am mySAP ERP gelesen. Der<br />
<strong>MES</strong>-Hersteller nutzt in diesem Beispiel ein eigen entwickeltes Modul, das von<br />
der SAP mit dem „powered by NetWeaver“-Logo zertifiziert wurde. Die Auftragsdaten<br />
werden erfasst, teilweise aggregiert, und an mySAP ERP über PP-PDC<br />
zurückgemeldet. Materialbewegungen werden ebenfalls im <strong>MES</strong> erfasst, dabei<br />
werden die Work in Process (WIP) Materialien im <strong>MES</strong> nicht nur erfasst, sondern<br />
Materialbewegungen visualisiert. Die Meldungen an die SAP- Materialwirtschaft<br />
(MM) erfolgen nur zu den vordefinierten Meilensteinen (Dispo Stufen). Somit ist<br />
die Abgrenzung zur SAP-Materialwirtschaft (MM) und dem sog. Transportmanagement<br />
gegeben und damit systemseitig eine optimale Ergänzung von SAP durch<br />
das unterlagerte <strong>MES</strong>. Sollte ein Maschinenstillstand oder ein Bedienereingriff eine<br />
Instandhaltungsmaßnahme notwendig machen, wird im Modul PM direkt über<br />
die Verwendung eines BAPI´s ein Instandhaltungsauftrag ausgelöst. Ob die Erfassung<br />
des PM-Auftrags, also die Aggregation der Zeiten über eine <strong>MES</strong>-Funktion<br />
erfolgt, weil z. B. an den Arbeitsplätzen oder Maschinen über das <strong>MES</strong> bereits eine<br />
Maschinendatenerfassung läuft oder ob diese Zeiten manuell über mySAP ERP<br />
Funktionen erfolgt, hängt allein von der vorhandenen IT-Infrastruktur oder der<br />
Organisation des Anwenders ab. Wichtig für die Flexibilität ist, dass die implementierte<br />
und hier dargestellte <strong>System</strong>konfiguration wahlfrei beide Alternativen<br />
unterstützt.<br />
Neben den klassischen Funktionen eines <strong>MES</strong> stehen in diesem Beispiel dem<br />
SAP-Anwender die folgenden zusätzlichen Funktionen zur Verfügung, deren Realisierung<br />
in diesem Beispiel auf Basis der NetWeaver-Technologie erfolgt ist.
<strong>Manufacturing</strong> Cockpit<br />
10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 233<br />
Da nun die Maschinendatenerfassung fast vollständig als Anwendung im <strong>MES</strong> abläuft,<br />
jedoch bestimmte Informationen im ganzen Unternehmen verfügbar sein<br />
sollen, werden diese Informationen in der SAP-Oberfläche den Anwendern angeboten.<br />
Dies soll je nach Ausprägung des SAP-<strong>System</strong>s im SAP GUI oder im SAP<br />
Portal erfolgen (siehe Abschn. 10.3.3). Im vorliegenden Beispiel wird eine Zustandsübersicht<br />
aller Maschinen, Aggregate und Arbeitsplätze als Statusmonitor<br />
dem Anwender im SAP-Portal angeboten.<br />
Abb. 10.6. Maschinenübersicht im Web<br />
<strong>Manufacturing</strong> Master Data Control (MMDC)<br />
MMDC steht für eine kontinuierliche Verbesserung von Stammdaten. Vor allem<br />
für flexible Fertigungsprozesse, die ständiger Änderung unterliegen, ist es wichtig,<br />
einen permanenten Abgleich zwischen den Planvorgaben und den Istwerten vorzunehmen.<br />
Klassisch wird dieser Soll-Ist-Vergleich auftragsbezogen entweder im<br />
<strong>MES</strong> oder im ERP durch entsprechende Auswertungen unterstützt. Diese Auswertungen<br />
dienen jedoch ausschließlich der klassischen Nachkalkulation. Was jedoch<br />
häufig vollständig fehlt, ist der Rückfluss dieser Informationen zur Verbesserung<br />
der Planvorgaben. Diese Planvorgaben sind Grundlage nicht nur für die Fertigungsplanung,<br />
sondern für die gesamte Unternehmensplanung. Die Aufgabe des<br />
MMDC ist es, diesen Regelkreis nicht nur zu unterstützen, sondern zum Zwangsablauf<br />
für die Anwender zu machen.
234 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
Planung<br />
Terminierung<br />
Vorkalkulation<br />
Planwerte Nachkalkulation<br />
Ausführung im <strong>MES</strong><br />
Abb. 10.7. Regelkreis zur Optimierung der Fertigungsstammdaten<br />
Abb. 10.8. Soll-Ist-Vergleich der Plandaten<br />
Rückmeldung
10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 235<br />
Mit MMDC wird ein Regelprozess aufgebaut, der auftragsübergreifend Planvorgaben<br />
aus dem Arbeitsplan und aus den Ist-Daten ermittelte verbesserte Sollvorgaben<br />
gegenüberstellt. Um den Regelkreis sicherzustellen, werden solche Abweichungen<br />
in einer Übersicht dem Anwender als eine Art To-Do-Liste dargestellt.<br />
Diese Liste muss von dem verantwortlichen Mitarbeiter abgearbeitet werden,<br />
indem jede Abweichung der Ursache zugeordnet werden muss.<br />
Zielverfolgung in der Fertigung: <strong>Manufacturing</strong> ScoreCard<br />
Die <strong>Manufacturing</strong> Scorecard ist eine von MPDV Mikrolab GmbH entwickelte<br />
Methode, um systemgestützt Ziele in der Fertigung zu definieren und deren Erreichungsgrad<br />
zu verfolgen. Im SAP-Umfeld ist dies ein typisches Beispiel zur Anwendung<br />
der Key Performance Indicators (KPI) in einem <strong>Manufacturing</strong> Intelligence<br />
Dashboard. Das jeweilige Ziel aus dem Modul <strong>Manufacturing</strong> Scorecard<br />
wird im Dashboard hinterlegt. In der sog. KPI-Watchlist des Dashboards werden<br />
die definierten Ziele und der jeweilige aktuelle Erfüllungsgrad im Überblick angezeigt.<br />
Für Detailinformationen ist es sinnvoll, in das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu verzweigen.<br />
Zielerreichung:<br />
z. B. Prozessgrad,<br />
Nutzgrad<br />
Abb. 10.9. Kontrolle der Zielerreichung über die <strong>Manufacturing</strong> Score Card
236 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />
Anbindung des Automations-Layers<br />
Für die Anbindung der Maschinen und Prozessanlagen unterstützt in diesem Beispiel<br />
das <strong>MES</strong> moderne Technologien wie den OPC (siehe Abschn. 10.4.3). Entscheidend<br />
ist, dass das <strong>MES</strong> für die Prozessebene eine Standardisierung zur Maschinenanbindung<br />
vornimmt, um das i. Allg. heterogene Steuerungsumfeld integrieren<br />
zu können, ohne viele proprietäre Anbindung an das SAP-<strong>System</strong> realisieren<br />
zu müssen.<br />
Im vorliegenden Beispiel hat der Hersteller mit dem Produkt hierzu den Process<br />
Communication Controller bereitgestellt, der quasi standardisierten Schnittstellen<br />
wie oben beschrieben zum SAP-<strong>System</strong> und zu den Maschinen und den Prozessanlagen<br />
Technologien zur Verfügung stellt wie:<br />
− OPC,<br />
− Direktanbindungen an Steuerungen wie Simens S7,<br />
− Potenzialfreie Kontakte zur Mengenzählung und Störsignalerfassung,<br />
− Treiber zu Feldbussystemen, wie dem Profibus,<br />
− Treiber zu Maschinensteuerungsnetzen,<br />
− Direktanbindung an Waagen oder gesamte Waagensysteme.<br />
OPC<br />
Euromap<br />
z. B.seriell,<br />
LAN,<br />
Profibus,<br />
SINEC H1<br />
Process Communication Controller<br />
Maschinen<br />
steuerung<br />
seriell,<br />
LAN,<br />
Profibus<br />
Waage<br />
LAN,<br />
seriell<br />
Abb. 10.10. Verbindung der Automatisierungsebene<br />
Barcode<br />
RFID<br />
Maschinenanbindung<br />
digital,<br />
analog
10.5 Zusammenfassung<br />
10.5 Zusammenfassung 237<br />
Der Begriff <strong>MES</strong> gewinnt im SAP-Umfeld immer mehr an Bedeutung, da die SAP<br />
gegenüber den Anwendern Ihrer Produkte deutlich kommuniziert, dass die optimale<br />
Einbindung von mySAP ERP in die immer flexibler werdende Fertigungswelt<br />
mit einem eigenständigen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu erreichen ist.<br />
Mit dem SAP NetWeaver will SAP hierzu die notwendige Technologieplattform<br />
zur Verfügung stellen. Einige dieser Technologien sind noch in der Entwicklung<br />
und die Marktdurchdringung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis<br />
dahin gilt es jedoch, die bereits bestehenden Forderungen der Anwender mit den<br />
bereits bestehenden Technologien zu erfüllen und ein <strong>MES</strong> einzusetzen, das zwar<br />
zum einen die zukunftsträchtigen NetWeaver unterstützen wird, jedoch bereits<br />
heute schon seine Leistungsfähigkeit in der Anwendung unter Nutzung der aktuellen,<br />
zur Verfügung stehenden Integrationstechnologien unter Beweis stellt.<br />
Für den SAP-Anwender ist vor allem wichtig, dass neben der technischen Implementierung<br />
des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> in die SAP-Welt, das <strong>MES</strong> die notwendige Flexibilität<br />
in Bezug auf die Anwendung aufweist und die zu mySAP ERP notwendigen<br />
komplementären Funktionen für die Fertigung liefert. Entscheidend ist dabei<br />
auch, dass der Beratungspartner bei der Einführung des <strong>MES</strong> oder des mySAP<br />
ERP über das notwendige Prozess-Know-how der Fertigungsabläufe des Unternehmens<br />
verfügt.
11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
11.1 Besonderheiten der Kunststoffindustrie<br />
10.5 Zusammenfassung 239<br />
Die Kunststoffindustrie, im Besonderen die diskrete Fertigung, war historisch bedingt<br />
ein Vorreiter in den Disziplinen Betriebsdatenerfassung, Feinplanung und<br />
Qualitätssicherung. Das vernetzte Denken eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s bringt wesentliche<br />
Vorteile. Maschinen und Werkzeuge in diesem wichtigen Industriezweig befinden<br />
sich auf einem hohen technischen Niveau und die Fabriken sind modern ausgestattet.<br />
Als Verfahren werden Spitzgießen, Blasformen, Extrusion sowie daraus abgeleitete<br />
Spezialfertigungsarten eingesetzt. Meist ist die Kunststofffertigung mit weiteren<br />
automatisierten Fertigungsbereichen verbunden. Die Endprodukte bestehen<br />
in vielen Fällen aus einer Kombination von Komponenten Kunststoff, Metall und<br />
Kautschuk. Dabei sind die Vorteile eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s auch in weiteren Sparten<br />
anwendbar. Stanzen und Pressen sowie sämtliche taktgebundene Automaten lassen<br />
sich problemlos in das <strong>System</strong> integrieren und es ergeben sich daraus weitere<br />
Vorteile für das gesamte Fertigungssegment.<br />
Bei der Frage der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit stehen in vielen Fällen Investitionen<br />
im Maschinenpark und Werkzeugbereich im Vordergrund einer Diskussion.<br />
Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass es wesentlich wirtschaftlicher<br />
ist, die Planung zu verbessern, sowie alle Stör- und Ausschussgründe<br />
exakt zu erfassen und auszuwerten, als zu versuchen, eine höhere Rentabilität über<br />
technische Maßnahmen zu erzielen. Die Zielsetzung lautet, den vorhandenen Maschinenpark<br />
besser auszulasten und die Qualität zu erhöhen und auf diesem Wege<br />
zu höherer Effizienz zu gelangen. Ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> mit den Funktionen elektronischer<br />
Leitstand, Betriebsdatenerfassung, Maschinendatenerfassung, Werkzeug-<br />
und Materialverwaltung bringt Transparenz in die Fertigung und erhöht die Wirtschaftlichkeit.<br />
In Abschn. 11.11 ist dazu eine detaillierte Berechnung unter Berücksichtigung<br />
der verschiedenen Einflussfaktoren aufgeführt.<br />
Der Einsatz von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en ist immer besonders wirksam, wenn folgende<br />
Voraussetzungen erfüllt sind:<br />
− Möglichkeit der automatischen Erfassung direkt an den Maschinen,<br />
− Automatikbetrieb,<br />
− Vorhandensein einer größeren Anzahl gleichartiger Maschinen,<br />
− Fertigung mit hochinvestiven Maschinen und Werkzeugen,<br />
− Betrieb über 7 Tage mit 24 Stunden,<br />
− Forderung nach hohem Nutzungs- und Auslastungsgrad,
240 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
− Produktion von großen Stückzahlen,<br />
− Forderung nach Lieferfähigkeit „Just In Time“.<br />
Bei der Fertigung von Kunststoffteilen im Spritzgießprozess sind all die genannten<br />
Voraussetzungen gegeben. Bedeutende Anwendungsbereiche im Bereich<br />
Kunststoff sind<br />
− Automobilindustrie,<br />
− Technische Teile,<br />
− Verpackung,<br />
− Medizintechnik,<br />
− Elektroindustrie.<br />
Die Produkte im Kunststoffbereich sind komplex, laufen in hohen Stückzahlen<br />
und haben erhebliche Anforderungen an Qualität, Preiswürdigkeit und Liefertreue.<br />
Da Technologien, Maschinen und Werkzeuge bereits auf einem hohen Standard<br />
angelangt sind, ergeben sich an dieser Stelle nur evolutionäre Verbesserungsmöglichkeiten.<br />
Es ist daher wesentlich effizienter mit Hilfe eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />
dafür zu sorgen, dass die Produktion mit hohem Nutzungsgrad, geringem Ausschuss<br />
und hoher Qualität arbeitet.<br />
11.2 Einsetzbare <strong>MES</strong>-Module<br />
Im Bereich der kunststoffverarbeitenden Industrie können alle <strong>MES</strong>-Module eingesetzt<br />
werden. Im Folgenden wird für die Bezeichnung der Module die Terminologie<br />
der VDI-Richtlinie VDI 5600 benutzt.<br />
Tabelle 11.1. VDI Richtlinie Kunststoffbereich<br />
VDI Richtlinie Kunststoffbereich<br />
Feinplanung und Steuerung Leitstand<br />
Materialmanagement Materialverwaltung<br />
Betriebsmittelmanagement Werkzeugverwaltung<br />
Personalmanagement Personalzeiterfassung<br />
Datenerfassung- und Verarbeitung Betriebsdatenerfassung<br />
Schnittstellenmanagement Schnittstellen zu ERP-/PPS/LuG<br />
Leistungsanalyse Auswertungen<br />
Qualitätsmanagement Qualitätssicherung<br />
Informationsmanagement Management Informationen<br />
Beim integralen Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s kommen vor allem die Interaktionen<br />
zwischen den verschiedenen Modulen zum Tragen, die es erlauben einmal erfasste<br />
Daten in verschiedenen Modulen zu bearbeiten und daraus die entsprechenden<br />
Maßnahmen zu ergreifen. Das soll hier am Beispiel einer der Reaktionen auf<br />
eine Ausschussbearbeitung gezeigt werden.
Leitstand<br />
Meister,<br />
Abb. 11.1. <strong>MES</strong> Module<br />
PL<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
Controlling<br />
Konstruktion<br />
11.3 Leitstand 241<br />
Der Ausschuss wird erkannt und im <strong>System</strong> quantitativ und mit Angabe des<br />
Ausschussgrundes registriert. Im QS-<strong>System</strong> geht der Ausschussgrund in die<br />
Auswertungen und Statistiken ein, und es werden daraus die notwendigen Maßnahmen<br />
eingeleitet. Dem Leitstand wird die Stückzahl gemeldet und von dort wird<br />
die entsprechende Nachfertigung veranlasst und es werden automatisch alle Konsequenzen<br />
durch die verlängerte Bearbeitungszeit auf die Folgeaufträge gezeigt.<br />
Das Materialmanagement prüft, ob die entsprechende Materialmenge für die<br />
Nachfertigung vorhanden ist. Im Bereich Werkzeugverwaltung werden die Fehlteile<br />
dem Werkzeug zugeordnet und es kann dadurch untersucht werden, inwieweit<br />
die Ausschussteile in der Verantwortung des Werkzeugs liegen. Besonders<br />
wichtig ist die wirtschaftliche Bewertung der Fehlteile, die über die Schnittstelle<br />
zum ERP-/PPS <strong>System</strong> gemeldet werden. Damit wird das ERP-/PPS <strong>System</strong> in die<br />
Lage versetzt, unter Echtzeitbedingungen sofort den finanziellen Aufwand zu ermitteln,<br />
der durch die Ausschussproblematik entstanden ist.<br />
11.3 Leitstand<br />
Der Einsatz eines Leitstandes ist bei der Kunststoffverarbeitung besonders effektiv.<br />
Aus den Vorgaben der Stammdaten kann die Auftragsdauer über Stückzahl,<br />
Rüstzeit, Zykluszeit und Werkzeugkavität exakt berechnet werden. Über den Fabrikkalender<br />
wird die zur Verfügung stehende Kapazität ermittelt, wobei je nach
242 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
Ersatzfall sogar teile- oder maschinenspezifische Schichtmodelle berücksichtigt<br />
werden können. Die Funktionen arbeiten auf Knopfdruck in Echtzeit und jede Änderung<br />
wird sofort mit einbezogen. Bei der im Betrieb vorhandenen Anzahl von<br />
Maschinen und Aufträgen ist es nicht möglich diese Aufgaben manuell durchzuführen.<br />
Man denke nur an eine Fertigung mit 30 Maschinen und einer Anzahl von<br />
5 geplanten Aufträgen pro Maschine. Das ergibt schon die Menge von über 150<br />
Aufträgen, die bei der Einplanung durchgerechnet und bei jeder Veränderung<br />
nachgerechnet werden müssten.<br />
Abb. 11.2. Leitstand mit Kapazitätsprofil<br />
Auf Basis seiner Daten kann ein Leitstand noch wesentliche komplexere Funktionen<br />
ausführen. Über Statusmeldungen berücksichtigt er, ob ein Werkzeug verfügbar<br />
ist. Er kann über die Materialbeziehung eine günstige Farbreihenfolge anzeigen<br />
und kann gleichzeitig prüfen, ob nicht vorgeschriebene Wartungsintervalle<br />
in einen Fertigungszyklus fallen.<br />
Die Vorteile der papierlosen Planung gegenüber dem konventionellen Vorgehen<br />
liegen auf der Hand. Der Leitstand verarbeitet alle Informationen in Echtzeit<br />
und deshalb ist der Planungshintergrund immer auf dem aktuellen Stand. Die Planung<br />
am Leitstand ist durch die grafische Unterstützung wesentlich einfacher als<br />
das Handling mit einer Vielzahl von Papierdokumenten, die bei jeder Umplanung<br />
mühsam zusammengesucht und völlig neu erstellt werden müssen. Da der Leit-
11.6 Visualisierung und Auswertungen 243<br />
stand in der Lage ist, Vorschläge zu machen und bei ungünstigen Konstellationen<br />
Warnungen ausgibt, ist die Einarbeitung in die Planung wesentlich erleichtert.<br />
Dieser Vorteil kommt bei Personalwechsel und kurzfristigem Ausfall eines Planers<br />
zum Tragen.<br />
Der Leitstand stellt die Auftragsreihenfolge in Balkenform dar. Die dazugehörige<br />
Auslastungsgrafik zeigt auf, zu welchem Zeitpunkt freie Fertigungskapazitäten<br />
verfügbar sind und wo Überbelegungen eine Umplanung der Arbeitsgänge erforderlich<br />
machen.<br />
11.4 Erfassung der Maschinen- und Betriebsdaten<br />
Eine besondere Bedeutung für die Planung kommt der Maschinendatenerfassung<br />
(MDE) zu. Da jede Planung nur so gut ist, wie der Istzustand auf dem sie basiert,<br />
ist die automatische Bereitstellung der Stückzahlen einer der wesentlichen Grundlagen<br />
für eine saubere Planung. Da die gefertigten Teilestückzahlen exakt und<br />
vollautomatisch vom BDE-Part des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s geliefert werden, ist die Planung<br />
von hoher Aktualität und Güte.<br />
Die Planung partizipiert weitgehend von der Maschinendatenerfassung (MDE).<br />
Zusätzlich werden über BDE (Betriebsdatenerfassung) weitere Informationen manuell<br />
erfasst und an Terminals in der Fabrik eingegeben. Dazu gehören Rüst- und<br />
Servicezeiten sowie Ausschussstückzahlen. Diese direkte Erfassung an den Terminals<br />
ist sicherer und aktueller und mit wesentlich geringeren Kosten verbunden<br />
als manuelle Aufschriebe, die dann weitergeleitet und später in EDV-<strong>System</strong>e<br />
eingegeben werden müssen. Durch die sofortige Eingabe wird ein Echtzeitbezug<br />
geschaffen und optional kann über die Bestätigung durch Kartenleser auch ein<br />
Personenbezug geschaffen werden. Die elektronische Form der Erfassung und<br />
Übermittlung ist der manuellen Handaufschreibung in punkto Genauigkeit und Effizienz<br />
weit überlegen. Dabei ist in den Firmen, die noch manuell arbeiten, meist<br />
bekannt, wie schwach das Datengerüst ist, auf dem man über Nutzungsgrade und<br />
Ausschusszahlen diskutiert.<br />
Als Erfassungsstationen werden spezielle Terminals an den Maschinen oder<br />
PC-Rechner mit Windows-Oberfläche eingesetzt. Diese Terminals können als<br />
Einzel- oder Gruppenterminal verwendet werden. Die Oberfläche ist grafisch gestaltet<br />
und die Funktionen werden durch Berührung von Symbolflächen (Touch-<br />
Screen) ausgelöst. Entsprechend dem Einsatzfall kann die Bedienung durch Konfiguration<br />
an verschiedene Anforderungen angepasst werden.<br />
Zur Identifikation von Bediener, Material oder Charge können Lesestationen<br />
angeschlossen werden. Dazu kann die gesamte Palette (Magnetkarte, Barcode,<br />
Chipkarte, RFID etc.) zum Einsatz kommen.
244 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
11.5 Anschluss der Spritzgießmaschinen<br />
Die Maschinen in der Kunststoffverarbeitung können sicherlich als der Idealpartner<br />
der Maschinendatenerfassung bezeichnet werden. Es gibt verschiedene Arten<br />
der Integration, wobei es von Vorteil ist, dass grundsätzlich jede Maschine unabhängig<br />
vom Typ, Hersteller, oder Alter auf einfache Weise angeschlossen werden<br />
kann. Wir unterscheiden folgende Möglichkeiten:<br />
− Zyklussignal,<br />
− Zyklus plus zusätzlich weitere Digitalsignale,<br />
− Leitrechnerprotokolle über Feldbussysteme,<br />
− Euro Map 63 als definierter Standard für Spritzgießmaschinen,<br />
− OPC als Standard der Maschinenintegration im Windows-Umfeld.<br />
Abb. 11.3. Anschluss von Spritzgießmaschinen über Zyklussignal<br />
Sehr einfach und mit hohem Nutzen/Aufwandsverhältnis verbunden ist der Anschluss<br />
des Zyklussignals, das an jeder Maschine standardmäßig zur Verfügung<br />
steht. Aus diesem Signal kann automatisch erkannt werden:<br />
� Maschine läuft/steht Signal kommt/kommt nicht<br />
� Maschine läuft zu schnell/zu langsam Vergleich mit Sollzykluszeit<br />
� produzierte Stückzahl Zyklus x Werkzeugkavität
11.6 Visualisierung und Auswertungen 245<br />
Parallel werden Stillstandsgründe und Ausschussstückzahlen an den Terminals<br />
erfasst und registriert. Damit ist der Status der Maschinen lückenlos dokumentiert<br />
und die Informationen stehen in Echtzeit für die entsprechenden Auswertungen<br />
zur Verfügung.<br />
Diese Art der Datenerfassung ist den konventionellen Hilfsmitteln wie Bleistift<br />
und Papier in allen Belangen überlegen. Manuell erstellte Aufschreibungen kommen<br />
nicht annähernd an die Qualität und Aktualität von Daten, die durch ein<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> automatisch und unbestechlich erfasst werden. Außerdem liegt der<br />
Aufwand für eine manuelle Erfassung wesentlich höher. Im heutigen Produktionsumfeld<br />
ist die Notwendigkeit, Daten aus dem Betriebsgeschehen zu erfassen, sicherlich<br />
unbestritten. Dazu sei ein Satz eines Vortrags einer Fachtagung erwähnt:<br />
„Fertigung ohne Betriebsdaten ist wie Autofahren mit zugeklebter Windschutzscheibe.“<br />
11.6 Visualisierung und Auswertungen<br />
Die Fülle der Informationen, die in ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> einfließen, verlangt nach einer<br />
Vorverarbeitung, damit der Bediener komfortabel mit dem <strong>System</strong> umgehen<br />
kann. Für viele Anwendungsfälle bieten sich Visualisierung und grafische Auswertungen<br />
an. Warnfunktionen und Statusveränderungen können sehr plakativ über<br />
Farbinformation angezeigt werden. So zeigt beispielsweise die Farbe „grün“,<br />
dass sich alles im zugelassenen Bereich bewegt. „Gelb“ deutet eine Warnfunktion<br />
an und „rot“ markiert, dass die zugelassenen Grenzen bereits überschritten wurden.<br />
Der Bediener kann seine Aktionen entsprechend planen und für die kritischen<br />
Fälle weitere Auswertungen in Anspruch nehmen. Dabei stehen ihm Grafiken in<br />
Torten- oder Balkenform, sowie Kurvendarstellungen zur Verfügung. Der Einsatz<br />
der numerischen Ausgaben, die über Datenbankauswahl gesteuert wird, erlaubt,<br />
die Störungen sukzessive bis an den Ursprung zu verfolgen. Für eigene Auswertungen<br />
und Berichte gibt es einen Reportgenerator. Ebenso ist die Exportfunktion<br />
in Excel standardmäßig vorhanden, so dass auf dieser Basis spezifische Berichte<br />
erstellt werden können. Abbildung 11.4 zeigt eine typische Darstellung.<br />
Die Auswertungen dienen zur Ursachenforschung und zur Dokumentation. Zusätzlich<br />
ist es aber notwendig, die Fertigung aktuell im Griff zu haben. Dazu dient<br />
der grafische Maschinenpark, der über den Bildschirm einen Blick in die Fertigung<br />
ermöglicht. In grafischer Form wird die Halle mit den Maschinen präsentiert<br />
und farbige Anzeigen geben Warnungen aus und zeigen den jeweiligen Status. Die<br />
Darstellung kann vom Anwender leicht erzeugt und bei Maschinenumstellungen<br />
geändert werden. Über das Netzwerk und über Internet ist von jedem Ort aus ein<br />
Blick auf die Fertigung möglich. Durch einen Klick auf eine Maschine kann man<br />
weitere Daten erhalten. Der Zugriff ist durch entsprechende Schutzmechanismen<br />
auf die berechtigten Nutzer begrenzt. Damit schafft ein <strong>MES</strong> erstmalig die Mög-
246 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
lichkeit, Wertschöpfungsprozesse messbar transparent zu machen: Nur was man<br />
messen kann, kann man auch verändern.<br />
Abb. 11.4. Störgrundverteilung<br />
Im Zuge der Ausrichtung der Mitarbeit am Prozessergebnis besteht zunehmend<br />
die Anforderung, die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen zu beurteilen. Das<br />
führt in der Praxis dazu, die in die Zielvereinbarungen einfließenden Messgrößen<br />
sowohl im aktuellen Erreichungsgrad, als auch den Entwicklungsverlauf im Reviewing<br />
darzustellen. Während Statistiken normalerweise keinen Adressaten haben,<br />
ist das Reviewing konkret auf die Mitarbeiter und ihre Leitung bezogen. Allgemein<br />
lässt sich daher sagen: Ein Unternehmen ist erst dann prozessfähig, wenn<br />
Statistiken flächendeckend durch Reviewing ersetzt worden sind.<br />
Der grafische Maschinenpark bietet einen schnellen Überblick zu den Maschinen<br />
und auf die Produktivität. Mit einfachen Hilfsmitteln kann jeder Bediener seine<br />
spezielle Maschinenhalle zusammenstellen.
Abb. 11.5. Grafischer Maschinenpark<br />
11.7 Verbindung Qualitätssicherung und Prozessdaten 247<br />
11.7 Verbindung Qualitätssicherung und Prozessdaten<br />
Eine besonders interessante Anwendung im <strong>MES</strong>-Bereich gewährleistet die Verbindung<br />
der Qualitätssicherung mit den Prozessdaten, die direkt aus der Maschinensteuerung<br />
entnommen werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass wichtige<br />
Materialeigenschaften während des Prozesses bei der Fertigung entstehen. Neben<br />
den Grundeigenschaften des Granulats spielen hier Einflüsse wie Temperatur,<br />
Druck, Luftfeuchtigkeit, Trocknungsgrad, etc. eine wichtige Rolle. Die nachfolgend<br />
aufgebaute Qualitätssicherung kann auf zwei Fundamenten aufgebaut werden,<br />
zum einen durch die objektiven Merkmale, die in einem der Produktion folgenden<br />
Schritt erfasst oder gemessen werden, zum anderen über die Einflussgrößen,<br />
die durch das Erfassen der Prozessparameter dokumentiert sind.<br />
Als Beispiel soll hier die Überwachung der Werkzeugtemperatur bei dickwandigen<br />
Teilen dienen. Die Gefahr der Lunkerbildung besteht dabei ab Unterschreitung<br />
eines kritischen Temperaturwertes. Durch die Prozessdatenerfassung<br />
werden die Temperaturwerte überwacht und bei einer Abweichung kann sofort<br />
eingegriffen werden. Ein Fehler dieser Art kann messtechnisch nur mit hohem<br />
Aufwand oder bei Zerstörung des Teils analysiert werden. Ähnliches gilt auch bei<br />
sicherheitsrelevanten Teilen für die Nachdruckzeit.
248 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
Die Erfassung der Prozessparameter ist bei allen Maschinen mit moderner<br />
Steuerung möglich. Eine solche Art der Überwachung ausgewählter Werte kann<br />
als wesentlicher Faktor benutzt werden, Informationen zu erhalten, die durch eine<br />
spätere Begutachtung nur aufwendig oder überhaupt nicht ermittelt werden können.<br />
In Bezug auf den Aufwand sind die Methoden der automatischen Parameterüberwachung<br />
besonders vorteilhaft. Da in vielen Fällen die Schnittstellen für BDE<br />
und DNC schon vorhanden sind, bietet sich an dieser Stelle ein hochinteressanter<br />
Aspekt in Richtung der Devise an:<br />
„Qualität fertigen – statt Qualität prüfen“<br />
Die Informationen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s garantieren eine Herstellumgebung, auf der<br />
die heute notwendige Qualität basiert.<br />
11.8 Werkzeugbau<br />
Für den Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Werkzeugbau ergeben sich zwei Ansatzpunkte.<br />
11.8.1 Überwachung der Wartungsintervalle durch ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />
Durch die Zuordnung der Fertigungsaufträge zu Werkzeug und Maschine, sowie<br />
die lückenlose Erfassung aller Informationen ist die komplette Produktionshistorie<br />
eines Werkzeugs von Anfang an im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> hinterlegt. Die vorgeschriebenen<br />
Wartungsintervalle werden zusätzlich eingegeben und es erfolgt eine automatische<br />
Überwachung mit Vorwarnung und grafischer Anzeige für die Notwendigkeit<br />
eines Wartungsvorgangs. Die Bedienmannschaft muss die durchgeführte<br />
Wartung im <strong>System</strong> quittieren und damit ist die Nachweispflicht erfüllt und der<br />
Vorgang vollständig dokumentiert. Reparaturen, Überholungen und Reinigungsprozesse<br />
werden ebenfalls im <strong>System</strong> dokumentiert und stehen im Netzwerk für<br />
alle am Fertigungsprozess beteiligten Personen online zur Verfügung.<br />
Die Investitionen in Werkzeug und Maschinen stellen in der Kunststoffverarbeitung<br />
einen mehrstelligen Millionenbetrag dar. Die Personalkosten, die für die<br />
Dokumentation, Wartung und Reparatur aufgebracht werden müssen, sind ebenfalls<br />
hoch anzusetzen. Regresskosten oder Teilerückgabe, die beispielsweise in der<br />
Automobilindustrie sofort anfallen, wenn zugesagte Servicevorgänge nicht eingehalten<br />
werden können oder nicht belegbar sind, gefährden die Rentabilität. Bei<br />
händischer Verwaltung ist der Aufwand noch immens und trotzdem ist nicht sichergestellt,<br />
dass alle Vorgaben eingehalten werden, da in einem solchen <strong>System</strong><br />
zu viele Fehlerquellen liegen.
Artikel<br />
Werkzeug<br />
Abb. 11.6. Überwachung der Wartungs- und Serviceintervalle<br />
11.8 Werkzeugbau 249<br />
Maschine<br />
Nur wenn alle Informationen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> hinterlegt sind und die Vorgänge<br />
automatisch über Warn- und Ausführungsaktionen angeregt werden, ist eine sichere<br />
Einhaltung der Vorgaben möglich.<br />
11.8.2 BDE und Leitstand im Werkzeugbau<br />
Ein Großteil der Kunststoffbetriebe hat einen eigenen Werkzeugbau, in dem die<br />
Werkzeuge erstellt und gewartet werden. Die Maschinen im Werkzeugbau müssen<br />
ebenfalls terminlich geplant und effizient eingesetzt werden. Auf Grund der engen<br />
Terminlagen ist hierbei besonders wichtig, die Engpassmaschinen optimal einzusetzen.<br />
In jedem Fall ist eine Überwachung der Vorgabezeiten für die Werkzeugerstellung<br />
notwendig, um auch hier die Kostensituation im Griff zu halten. Zusätzlich<br />
zu den Maschinenzeiten müssen die Personalzeiten erfasst und den<br />
Kostenträgern zugewiesen werden. Da ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die Module Maschinendatenerfassung<br />
und Personalzeiterfassung enthält, kann das <strong>System</strong> für den Einsatz<br />
im Werkzeugbau eingesetzt werden.<br />
Auf Basis der Installation in der Fertigung kann eine Erweiterung im Werkzeugbau<br />
erfolgen. Dabei wird das vorhandene Netzwerk benutzt und die bereits<br />
vorhandenen Stammdaten für Teile und Werkzeug können verwendet werden. Die<br />
Datenerfassung an den Werkzeugmaschinen kann automatisch erfolgen oder wer-
250 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
den manuelle Erfassungsterminals auf PC-Basis benutzt, an denen sich der Bediener<br />
an- und abmeldet.<br />
11.9 DNC, Chargenverfolgung und Nachweispflicht<br />
Im Rahmen der Dokumentationspflicht wird ein Nachweis aller Vorgänge über<br />
den gesamten Lebenszyklus eines Produkts gefordert. Durch die Fülle der geforderten<br />
Daten und die Anforderungen an sofortige Verfügbarkeit, ist nur eine Realisierung<br />
mit automatischen Mitteln möglich. Dabei kommt zum Tragen, dass<br />
durch die lückenlose BDE-Erfassung alle Informationen in Bezug auf Maschine,<br />
Werkzeug und Material bereits vorliegen. Durch Eingabe der Chargennummern<br />
wird materialseitig ein Bezug zur Charge hergestellt und die Nachweispflicht für<br />
diesen Part erfüllt.<br />
Die Kommunikation zwischen dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> und den Maschinen über<br />
Schnittstellen kann neben der Übermittlung für BDE- und Prozessdaten auch für<br />
die Übertragung der Einstelldaten an die Steuerung dienen. Somit ergeben sich<br />
Einsparungen beim Handling und darüber hinaus können auch die individuellen<br />
Fertigungsdaten eines Auftrags vollständig dokumentiert werden.<br />
Abb. 11.7. Chargendokumentation
11.10 Management Information <strong>System</strong> (MIS) 251<br />
Der immense Zeitaufwand, der ansonsten für die manuelle Dokumentation aufgewendet<br />
werden muss, entfällt komplett und gleichzeitig wird die Güte der registrierten<br />
Daten wesentlich erhöht. Der Nachweis, dass alle dokumentationspflichtigen<br />
Daten tatsächlich erfasst werden, ist gegenüber dem Kunden leicht zu<br />
erbringen. Kundenanfragen in dieser Richtung können über Datenbankauswertungen<br />
leicht mit minimalem Aufwand erfüllt werden. Bei Qualitätsproblemen können<br />
behaftete Teile über eine Chargenrückverfolgung leicht identifiziert und ausgesondert<br />
werden.<br />
Abbildung 11.7 zeigt, aus welchen Chargen und Losnummern ein Produkt besteht.<br />
Damit ist eine Rückverfolgung auf das eingesetzte Material und die dazugehörige<br />
Losnummer möglich. Weiterhin kann festgestellt werden, in welche Lose<br />
dieses Material ebenfalls eingeflossen ist.<br />
11.10 Management Information <strong>System</strong> (MIS)<br />
Eine aussagekräftige Informationsstruktur ist ohne ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> undenkbar.<br />
Nur wenn alle Daten über Fertigungszeiten, Störzeiten und Ausschussstückzahlen<br />
lückenlos in Echtzeit vorliegen, verfügt das Management über einen aussagekräftigen<br />
Informationshintergrund und kann auf dieser Basis Entscheidungen treffen.<br />
Dies erfordert eine leistungsfähige Schnittstelle zum ERP-/PPS-<strong>System</strong>. Die Daten<br />
werden dabei in beiden Richtungen ausgetauscht. Zwischen den beiden <strong>System</strong>en<br />
gibt es eine klare Aufgabenverteilung. Das ERP-/PPS-<strong>System</strong> führt die<br />
Stücklistenauflösung durch und generiert die Fertigungsaufträge für die einzelnen<br />
Arbeitsplätze bzw. Arbeitsplatzgruppen. Dabei werden Teilenummer, Stückzahl<br />
und Auftragsende im Rahmen einer Grobplanung vorgegeben und an den Leitstand<br />
übermittelt. Der Datentransfer findet im Normalfall täglich oder habtäglich<br />
statt. Die Feinplanung mit grafischen Mitteln erfolgt direkt im Leitstand. Dabei<br />
wird auf die Unterstützung der BDE- Daten zurückgegriffen. Im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist<br />
beispielsweise der Status eines Werkzeuges bekannt (frei, anderweitig eingeplant,<br />
in Reparatur) und auf diese Information wird bei der Feinplanung in Echtzeit zurückgegriffen.<br />
Für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Prozesse ist die Datenübertragung<br />
vom <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zum ERP-/PPS verantwortlich. Erst die Verbindung<br />
objektiver Daten in Echtzeit mit der finanziellen Bewertung aus dem<br />
ERP-/PPS-<strong>System</strong> ergibt ein echtes Management Information <strong>System</strong> (MIS). Der<br />
Übertragungszyklus kann vom ERP-/PPS-<strong>System</strong> bestimmt werden, da innerhalb<br />
des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s alle Informationen in Echtzeit vorliegen.<br />
Es soll an dieser Stelle konkret dargelegt werden, dass die Planung und Steuerung<br />
nicht allein vom ERP-/PPS-<strong>System</strong> ausgeführt werden kann. Hierzu sind<br />
zwei Argumente zu betrachten. Zum einen sind die ERP-/PPS-<strong>System</strong>e meist<br />
nicht in der Lage, in Echtzeit zu agieren. Bei den heutigen Maschinenstundensätzen<br />
sind Minuten bereits kostenrelevant und Entscheidungen müssen in kürzester<br />
Zeit fallen. Andererseits bezieht sich das Planungsszenario eines ERP-/PPS-<br />
<strong>System</strong>s stets auf einer theoretischen Basis, da der direkte Bezug zu den Fertigungsdaten<br />
fehlte. Damit ist eine aktive Steuerung des Betriebsgeschehens nur in
252 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
sehr eingeschränktem Maße möglich. Aus diesem Grund ist der Einsatz eines<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s für eine moderne und effektive Fabrik unabdingbar.<br />
11.11 Rentabilität (Return on Investment)<br />
Der Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s in der kunststoffverarbeitenden Industrie bringt<br />
folgende Vorteile:<br />
− besserer Informationsfluss,<br />
− Betriebsdaten mit hoher Güte und Aktualität,<br />
− Schaffung der notwendigen Transparenz in allen Bereichen,<br />
− Offenlegung der Schwachstellen,<br />
− Abkehr von der papierorientierten Fertigung,<br />
− Verkürzung der Durchlaufzeiten,<br />
− Verminderung der Ausschussstückzahlen,<br />
− Durchführung der Nachweispflicht,<br />
− Erhöhung der Produktivität.<br />
Im Folgenden wird die Wirtschaftlichkeit beim Einsatz in einem Spritzgussbetrieb<br />
mit 25 Maschinen dargestellt Die Berechnung basiert auf der Einsparung in<br />
vier Bereichen. Durch die automatische Datenerfassung von Stückzahlen und<br />
Störzeiten an den Maschinen wird der ansonsten manuell notwendige Aufwand<br />
drastisch reduziert. Dies kann mit einer Einsparung von 25.000,– € gleichgesetzt<br />
werden kann. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erhöht den Nutzungsgrad durch die Aktualität der<br />
Daten und die volle Transparenz in der Fertigung. Aus der Erfahrung von Firmen,<br />
die ein solches <strong>System</strong> einsetzen, sind Verbesserungen zwischen 1% – 4% bekannt.<br />
In der Betrachtung wird lediglich eine Erhöhung des Nutzungsgrades um<br />
1 % angenommen. Bezogen auf die Wertschöpfung von 25 Maschinen ergibt dies<br />
eine Einsparung von 30.000,– €. Die Planung wird wesentlich vereinfacht und<br />
daraus resultiert im betrachteten Fall eine Personaleinsparung von 16.000,– €.<br />
Die quantitative und qualitative Erfassung, Registrierung und Auswertung aller<br />
Ausschussteile führt zu einer deutlichen Reduzierung. Wenn nur eine Ausschussreduzierung<br />
um 0,4 % angenommen wird, so führt dies bezogen auf den Umsatz<br />
zu einer Einsparung von 15.000,– €. Wesentliche Einsparungen ergeben sich<br />
durch die Möglichkeit, die komplette Wartungs- und Serviceverwaltung dem<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu übergeben. Die Vorgaben sind im Stammdatenteil enthalten und<br />
vom <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> wird immer der aktuelle Status gemeldet. Alle notwendigen<br />
Aktionen werden somit automatisch überwacht und grafisch am Bildschirm angezeigt.<br />
Wenn zugrunde gelegt wird, dass man sich 15 Minuten im Monat pro Produktionsressource<br />
kümmern muss, ergeben sich jährliche Einsparpotenziale von<br />
mindestens 9.000,– €.<br />
Mit den hier im Beispiel aufgeführten Werten ergibt sich eine jährliche Einsparung<br />
von 95.000,– €. Eine detaillierte Aufstellung mit parametrierbaren Einflussfaktoren<br />
wird vom Verfasser auf Anfrage gerne zur Verfügung gestellt.
11.11 Rentabilität (Return on Investment) 253<br />
Wirtschaftlichkeit eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> © WN-Consult Dim Wert<br />
Arbeitswochen pro Jahr Wo 53<br />
Arbeitstage pro Woche Tg 7<br />
Arbeitsstunden pro Tag h 24<br />
Anzahl Maschinen St 25<br />
Anzahl Werkzeuge aktiv St 60<br />
Anzahl Peripherigeräte St 13<br />
1. Aufwand für Datenerfassung und Auswertung<br />
1.1 Zeit manuelle Erfassungen pro Maschine pro Tag Min 7<br />
Stückzahlen, Ausschuss, Stillstände, Störgründe<br />
1.2 Wegezeiten, schichtweise Erfassung alle Maschinen Min 91<br />
1.3 Zeit für Eingaben, Berichte, Analysen aller Maschinen Min 45<br />
Zeitbedarf pro Tag h 2,27<br />
Stundensatz Mitarbeiter €/h 30,00 €<br />
1.4 Erfassungs- und Auswertungsaufwand gesamt € 25.228 €<br />
2. Nutzungsausfall durch zu spät oder nicht erkannte Probleme<br />
2.1 durch zu spät erkannte Stillstände % 0,5<br />
2.2 durch unerkannte Schwachstellen % 0,5<br />
Wertschöpfung Spritzerei pro Jahr € 3.000.000 €<br />
2.3 Nutzungsausfall gesamt € 30.000 €<br />
3. Aufwand für manuelle Planung<br />
3.1 Rüstvorgänge pro Maschine pro Woche Anz. 3<br />
Planungsvorgänge für alle Maschinen pro Woche Anz. 75<br />
3.2 Laufzeitberechnung für einen Planungsvorgang Min 8<br />
Rüstzeit, Zyklus, Nesterzahl, Werkzeug, Farbe<br />
Gesamtzeit pro Jahr h 530<br />
Stundensatz Planer €/h 30,00 €<br />
3.3 Planungsaufwand gesamt € 15.900 €<br />
4. Ausschussreduzierung<br />
4.1 Prozessüberwachung Vermeidung Ausschuss Option % 0<br />
4.2 Ausschussanalyse Verringerung Ausschuss % 0,4<br />
4.3 Vermeidbare Ausschusskosten gesamt € 15.600 €<br />
5. Reduzierung des Verwaltungsaufwands für Service und Wartung<br />
5.1 Service für Maschinen, Werkzeuge, Peripherie St 98<br />
Zeitaufwand Überwachung pro Ressource pro Monat h 0,25<br />
Stundensatz €/h 30,00 €<br />
5.2 Verwaltungsreduzierung pro Jahr 8.820 €<br />
6. Zusammenfassung pro Jahr<br />
6.1 Erfassungs- und Auswertungsaufwand gesamt € 25.228 €<br />
6.2 Nutzungsausfall gesamt € 30.000 €<br />
6.3 Planungsaufwand gesamt € 15.900 €<br />
6.4 Vermeidbare Ausschusskosten gesamt € 15.600 €<br />
6.5 Reduzierung Verwaltung Service und Wartung € 8.820 €<br />
6.6 Summe pro Jahr € 95.548 €<br />
Abb. 11.8. Beispiel für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung
254 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />
11.12 Zusammenfassung<br />
Steigender Wettbewerbsdruck und die hohen Qualitätsanforderungen zwingen die<br />
Firmen der kunststoffverarbeitenden Industrie, alle Möglichkeiten zur Erhöhung<br />
der Wirtschaftlichkeit auszunutzen. Der Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s stellt dabei<br />
eine der wichtigsten Ressourcen zur Effizienzsteigerung dar. Zeitnahe Steuerung<br />
der Geschäftsprozesse und Controlling sind die wichtigsten Voraussetzungen, um<br />
Marktanteile zu halten oder auszubauen. Dazu sind exakte Informationen, die in<br />
Echtzeit vorliegen müssen, notwendig. Nur ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist in der Lage, diese<br />
Daten zu liefern.<br />
Dass die Vorteile des Einsatzes solcher <strong>System</strong>e in Zukunft genutzt werden,<br />
zeigen auch die Studien der führenden Marktforschungsinstitute, die den <strong>MES</strong><br />
Markt Zuwachsraten im zweistelligen Bereich für die nächsten Jahre prognostizieren.
Abkürzungsverzeichnis<br />
11.11 Rentabilität (Return on Investment) 255<br />
Abkürzung Bezeichnung<br />
APO Advanced Planner and Optimizer (SAP APO)<br />
BAPI Business Application Programming Interface<br />
BDE Betriebsdatenerfassung<br />
Bus elektrische Sammelleitung<br />
Business Service Art einer Software-Architektur, speziell geeignet für<br />
Architecture Geschäftsmodelle<br />
CAQ Computer aided Quality Assurance<br />
DNC Distributed Numerical Control<br />
DNC Dirct Numeric Control<br />
EDI Electronic Data Interchange; Standardisiertes Verfahren<br />
zum Datenaustausch zwischen Geschäftspartnern<br />
EDV Elektronische Datenverarbeitung<br />
ERP Enterprise Resource Planning<br />
ESA Enterprise Solution/<strong>System</strong> Architecture<br />
Enterprise Service Art einer Software-Architektur, speziell geeignet für<br />
Architecture Geschäftsmodelle<br />
FDA Food and Drug Administration<br />
(USA; Nahrungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde)<br />
GAMP Good Automation <strong>Manufacturing</strong> Process<br />
IDOC Intermediate Document; spezielles Datenformat im SAP-<br />
Umfeld<br />
JDBC Java Database Connectivity; Datenbankzugriffsverfahren<br />
für die Programmiersprache JAVA<br />
KPI Key Performance Indicators<br />
MDE Maschinendatenerfassung<br />
<strong>MES</strong> <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong><br />
MIS Management Information <strong>System</strong>
256 Abkürzungsverzeichnis<br />
MM Materialwirtschaft<br />
MMDC Open Link Enabling<br />
ODBC Open DataBase Connectivity; Standardisiertes Daten<br />
bankzugriffsverfahren unter Microsoft Windows<br />
OLE Object Linking and Embedding<br />
OLTP Online Transaction Processing: Verfahren für den<br />
zeitnahen Datenzugriff Gegenteil von Data Warehouse)<br />
OPC OLE for Process Control windowsbasierte Schnittstelle<br />
zum Datenaustausch zwischen zwei <strong>System</strong>en<br />
OPC OLE Process Communication<br />
PI-PCS Prozess Control <strong>System</strong><br />
PM SAP Instandhaltung<br />
PP SAP Produktionsplanung<br />
PP-PDC Plant Data Collection<br />
PP-POI Production Optimizing Interface<br />
PPS Produktion Planungs- und Steuerungssystem<br />
QM-IDI Inspection Data Interface<br />
QS Qualitätssicherung<br />
RFC Remote Function Call; Schnittstelle zum Datenaustausch<br />
zwischen zwei <strong>System</strong>en<br />
RFI Radio Frequency Identification<br />
RFID Radio Frequency Identification<br />
ROI Return Of Invest<br />
SAP GUI SAP Bedienoberfläche<br />
SAP-HR SAP Personalmanagement<br />
SAP-QM SAP-Qualitätsmanagement<br />
SQL Structured Query language, Abfragesprache für<br />
relationale Datenbanken<br />
TCP/IP Netzwerkprotokoll, tauglich für Intranet und Internet<br />
VDI Verein Deutscher Ingenieure<br />
WIP Work in Process<br />
WLAN Wireless LAN; Netzwerk auf Basis von Funkwellen<br />
XAPPS Cross Application<br />
XI Exchange Infrastructure
Checkliste<br />
Vorbemerkung für den Bearbeiter<br />
Checkliste 257<br />
Die Aufgabe, Kriterien für die Auswahl eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> und damit eines <strong>MES</strong>-<br />
Anbieters zu finden, ist in der Regel schwierig und kann den Bearbeiter schnell<br />
überfordern. Je mehr dieser von der Materie versteht, umso schwieriger wird es,<br />
den Überblick zu behalten. Wo anfangen und wo aufhören? Nachdem man verschiedene<br />
<strong>System</strong>vorführungen erlebt hat, ist es schwer, Unterschiede zu erkennen;<br />
dann sehen plötzlich alle Oberflächen gleich aus.<br />
<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e sind komplexe IT-Einrichtungen, die je nach Ausprägung viele<br />
Bereiche eines Fertigungsunternehmens berühren können. Von der einfachen BDE<br />
– Rückmeldung über Qualitätssicherung und Personalmanagement bis hin zum<br />
komplexen Feinsteuerungssystem reichen die Einsatzmöglichkeiten.<br />
Ausgehend von den Zielsetzungen lässt sich der Leistungsumfang unterschiedlicher<br />
<strong>System</strong>e und Anbieter sehr viel besser beurteilen: Will man z.B. mit der<br />
Maschinendatenerfassung beginnen, weiß aber heute schon, dass man in 1-2 Jahren<br />
das Thema Leistungslohn aufgreifen wird,, kann man sofort k.o. Kriterien finden,<br />
weil damit sofort alle Anbieter herausfallen, die eine PZE und Leistungsentlohnung<br />
nicht integrieren können.<br />
Absicht dieses Vorschlages ist es, zum einen die möglichen Zielsetzungen , die<br />
durch die Einführung von <strong>MES</strong> erreicht werden können, noch einmal herauszustellen.<br />
Dadurch lassen sich in der Regel auch quantifizierbare Ansätze finden, die<br />
dann die Grundlage zur Berechnung eines return on investment bilden.<br />
Dieses Vorgehen ist effizienter und macht weniger Arbeit Zusätzlich lässt sich<br />
damit auch der Zielerreichungsgrad für eine nachträgliche Investitionskontrolle<br />
besser überprüfen.<br />
Die folgende Checkliste soll einige Anhaltspunkte geben, die bei der Gestaltung<br />
und der Auswahl von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en Hilfestellung leisten können.<br />
Dies ist als Vorschlag zur systematischen Beurteilung unterschiedlicher <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong>e und zur daraus folgenden Erstellung von Auswahlkriterien zu verstehen.<br />
Allgemeine Kriterien<br />
Hat das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ein voll integriertes Fertigungs-, Personal- und Qualitätsmanagement?<br />
Unterstützt das <strong>MES</strong> eine papierlose (papierarme) Fertigung?
258 Checkliste<br />
Verfügt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> alle notwendigen Standardprodukte?<br />
Bietet Das <strong>MES</strong> ein Eskalationsmanagement und Workflow-Funktionen?<br />
Welche Referenzen und Branchenkenntnisse hat der Anbieter?<br />
Wie einfach können die Funktionalitäten an die Prozesse des Kunden angepasst<br />
werden?<br />
Verfügt der <strong>MES</strong>-Hersteller über eine klare Standardprodukt und Release-<br />
Strategie?<br />
<strong>System</strong>konzept<br />
Ist die komplette <strong>MES</strong> Funktionalität in einem <strong>System</strong> gegeben?<br />
Sind die einzelnen Komponenten modular einsetzbar?<br />
Sind die Funktionen konfigurierbar?<br />
Verfügt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> über eine ESA-orientierte Architektur?<br />
Orientiert sich das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> an gängigen Industrie-Standards?<br />
Unterstützt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die notwendigen Plattformen?<br />
Unterstützt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die notwendigen Schnittstellen?<br />
Wie leicht lassen sich Schnittstellen an die Bedürfnisse des Kunden anpassen?<br />
Wie leicht lassen sich die Clients an die Bedürfnisse des Kunden anpassen?<br />
Welche Möglichkeiten bietet das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> für kundeneigene Entwicklungen?<br />
Sind diese Anpassungen zu einem späteren Zeitpunkt genauso einfach?<br />
Welche Hilfsmittel gibt es zur Erstellung eigener Auswertungen?<br />
Sind die vorhandenen Auswertungen in verschiendenen Verdichtungsstufen für alle<br />
Unternehmensebenen einstellbar?<br />
Gibt es Schnittstelle zu den führenden ERP- und PPS-<strong>System</strong>en?<br />
Ermöglicht die modulare Architektur des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s die stufenweise Erweiterung<br />
auf andere Funktionen?<br />
Ist die <strong>System</strong>architektur offen?<br />
Fertigung<br />
Gibt es integrierte Funktionen, die einen Blick auf alle an der Fertigung beteiligten<br />
Ressourcen bieten?<br />
Gibt es Übersichten zur Beurteilung der aktuellen Situation?<br />
Setzen die Feinplanungsfunktionen auf die aktuellen BDE-Daten auf?<br />
Verwaltet die Feinplanung primären und sekundären Ressourcen?<br />
Gibt es eine Belegungsplanung für unterschiedliche Arten sekundärer Ressourcen?<br />
Können verschiedene Möglichkeiten technologischer Beziehungen modelliert<br />
werden?<br />
Ist eine auftragsübergreifende Vernetzung möglich?<br />
Sind die Kapazitätsarten variabel?<br />
Werden verschiedene Planungsstrategien unterstützt?<br />
Können die Feinplanungen durch flexible und kombinierbare Kennzahlen bewertet<br />
werden?
Checkliste 259<br />
Lassen sich alternative Planvarianten simulieren?<br />
Lassen sich verschiedene Optimierungsstrategien einstellen?<br />
Unterstützt das <strong>MES</strong> verschiedene Fertigungsstrukturen (Mehrmaschinenbedienung,<br />
Mehrbedienerbearbeitung….)?<br />
Ist eine Materialverfolgung (z. B. In Losen und Materialpuffern) möglich?<br />
Qualität<br />
Können Qualitätsprüfungen wie Arbeitsgänge in einer Gesamtauftragsstruktur<br />
hinterlegt werden?<br />
Gibt es eine dynamisierte Prüfmittelüberwachung?<br />
Ist das Reklamationsmanagement Workflowgestützt?<br />
Ist eine lückenlose Rückverfolgbarkeit des Produktionsprozesses möglich?<br />
Hat die Fertigungsplanung Zugriff auf die Qualitätsdaten?<br />
Lassen sich auch Prozess- (Mess-) daten als Qualitätsmerkmale verwenden?<br />
Wird die automatische Messdatenübernahme nach Standard-Schnittstellen unterstützt?<br />
Personal<br />
Ist eine Personalzeiterfassung mit Informations- und Nachrichtenfunktion am<br />
Terminal verfügbar?<br />
Gibt es eine einfache Konfiguration der Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle für<br />
die Personalzeitwirtschaft?<br />
Gibt es einen Workflow zur papierlosen Bearbeitung von Anträgen und Genehmigungen?<br />
Ist die Leitstungslohnermittlung an die Tarifvereinbarungen einfache anpassbar?<br />
Gibt es eine Personaleinsatzplanung mit direkter Kopplung zur Fertigungsbelastung?<br />
Gibt eine Personaleinsatzplanung mit automatischer Zuordnung der Mitarbeiter<br />
auf die Arbeitsplätze, an denen Aufträge eingeplant sind, anhand der Qualifikation?<br />
Datenerfassung<br />
Ermöglicht das <strong>MES</strong> eine lückenlose und automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung?<br />
Existieren Standardschnittstellen zu Maschinen und Automaten?<br />
Können alle aller Erfassungsfunktionen an einem Erfassungsterminal integratiert<br />
werden?<br />
Sind die Erfassungsfunktionen für mehr Ergonomie und damit Akzeptanz konfigurierbar?<br />
Werden Standarderfassungsschnittstellen, wie z.B. OPC oder E63 unterstützt?
260 Checkliste<br />
Sind die Erfassungsfunktionen auf unterschiedlichen Plattformen: Touch-<br />
Terminal, mobiles Terminal, PC, WEB verfügbar?<br />
Wird die Erfassung durch geeignete Peripheriegeräte, wie Identleser unterschiedlichster<br />
Ausführung, Labeldruckern, etc. unterstützt?<br />
<strong>MES</strong> im SAP-Umfeld<br />
Verfügt der Hersteller des <strong>MES</strong> über das entsprechende SAP-Know How?<br />
Wie hoch ist die Anzahl der Implementierungen im SAP-Fertigungsumfeld?<br />
Hat der <strong>MES</strong>-Hersteller Berater mit SAP-Anwendungs-Know-How?<br />
Ist der Hersteller für Anwendungsschnittstellen, wie PP-PDC zertifiziert?<br />
Ist das Zertifikat „powered by NetWeaver“ vorhanden?<br />
Werden folgende SAP-Schnittstellen systemtechnisch unterstützt?<br />
− Fertigungsteuerung PP-PDC, PP-POI<br />
− Materialwirtschaft MM-MOB<br />
− Qualitätsmanagement QM-IDI<br />
− Fertigung Prozessindustrie PI-PCS<br />
− Serienfertigung BAPI für Planaufträge<br />
Können BAPI´s genutzt werden?<br />
Verfügt Hersteller über ein eigenens SAP-Entwicklungs- und Testsystem für kundenspezifische<br />
Implementierungen und Support?<br />
Aktualisierungen<br />
In der Praxis ergeben sich fortlaufend Weiterentwicklungen in Bereichen wie<br />
Schnittstellen, gesetzliche Vorgaben, Softwaretools, Anforderungen aus dem Tagesgeschäft<br />
etc. Checklisten, die auf aktuellen Anforderungen oder Erkenntnissen<br />
basieren, werden permanent gepflegt und können unter der nachstehenden E-Mail<br />
Adresse unentgeltlich angefordert werden.<br />
j.kletti@mpdv.de
Autorenverzeichnis<br />
Berres, Bernd, Jahrgang 1971, Dipl.-Ing. (BA)<br />
Nach der Ausbildung an der Berufsakademie in<br />
Mosbach „Technische Informatik“ Produktmanager<br />
für die Personalzeiterfassung im <strong>MES</strong><br />
HYDRA bei der Firma MPDV Mikrolab<br />
GmbH. Weitere Zuständigkeiten für Zutrittskontrolle,<br />
Personaleinsatzplanung und Leistungslohnermittlung<br />
sowie deren Weiterentwicklung.<br />
B.Berres@mpdv.de<br />
Brauckmann, Otto, Jahrgang 1938, Dipl.-Kfm.<br />
Studium der BWL an der Ludwig-Maximilian-<br />
Universität in München mit dem Schwerpunkt<br />
Kostenrechnung.<br />
Seit 1984 selbstständig in Beratung und Vertrieb<br />
von <strong>System</strong>en zur Betriebsdatenerfassung<br />
und Qualitätssicherung.<br />
2002 Veröffentlichung des Buches Integriertes<br />
Betriebsdatenmanagement im Gabler Verlag.<br />
Mitautor des 2004 erschienenen Buch <strong>Manufacturing</strong><br />
Scorecard im Gabler Verlag<br />
Otto.Brauckmann@Sauerland-online.de<br />
Autorenverzeichnis 261
262 Autorenverzeichnis<br />
Cordt, Andreas, Jahrgang 1966, Dipl.-Stat. an<br />
der Universität Dortmund mit Schwerpunkt<br />
Qualitätsmanagement.<br />
Anschließend Tätigkeit in einem Softwareunternehmen;<br />
für den Vertrieb der CAQ-Software<br />
verantwortlich. Seit Januar 2004 bei der<br />
MPDV-Mikrolab GmbH mit dem Schwerpunkt<br />
Consulting tätig.<br />
a.cordt@mpdv.de<br />
Deisenroth, Rainer, Jahrgang 1953, Dipl.-Ing.<br />
Nach dem Abschluss des Studiums der Technischen<br />
Informatik in der Hard- und Software-<br />
Entwicklung von Messgeräten und Computersystemen<br />
tätig, unter anderem bei der Bopp &<br />
Reuther GmbH in Mannheim. Nach dem Wechsel<br />
in die Bereiche Produktmanagement und<br />
Vertrieb 1990 Eintritt in die MPDV Mikrolab<br />
GmbH. Dort für den Aufbau einer Vertriebsorganisation<br />
verantwortlich. Heute Prokurist und<br />
Leiter des MPDV-Vertriebs.<br />
r.deisenroth@mpdv.de<br />
Fleischer, Leonhard, Jahrgang 1964. Dipl.-Ing.<br />
(BA)<br />
Maschinenbaustudium an der Berufsakademie<br />
Mosbach mit dem Schwerpunkt Konstruktionstechnik.<br />
Spezialisierung im Bereich Kunststoffverarbeitung<br />
mit dem Schwerpunkt Spritzguss.<br />
Seit 1987 bei der Fa. MPDV Mikrolab GmbH in<br />
Mosbach.<br />
Seit 1991 Leiter der Softwareentwicklung<br />
L.Fleischer@mpdv.de
Geppert, Martin, Jahrgang 1964, Dipl.-<br />
Informatiker.<br />
Studium der Informatik mit dem Ergänzungsfach<br />
Betriebswirtschaftslehre an der Universität<br />
(TH) Karlsruhe.<br />
Diplomarbeit über wissensbasierte Planung von<br />
Fertigungssystemen.<br />
Seit 1991 bei der MPDV Mikrolab GmbH in<br />
Mosbach tätig im Bereich Supportorganisation<br />
Seit 2001 Leiter der Bereiche Consulting und<br />
Schulung der MPDV Mikrolab GmbH.<br />
M.Geppert@mpdv.de<br />
Glatz, Rainer, Diplominformatik an der Universität<br />
Karlsruhe. Ab 1981 wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Institut für Rechneranwendung<br />
in Planung und Konstruktion der Universität<br />
Karlsruhe<br />
Ab 1987 Referent in der Abteilung Informatik<br />
im VDMA Frankfurt.<br />
Seit 1990 Leiter der Abteilung Informatik im<br />
VDMA und seit 1999 Geschäftsführer Fachverband<br />
Software.<br />
Seit 2000 Geschäftsführer Fachverband Industrial<br />
Communication.<br />
rainer.glatz@vdma.org<br />
Keil, Torsten, Jahrgang 1971, Elektroniker.<br />
Seit 1993 Softwareentwickler bei der CS Informatik<br />
GmbH. Neben der Programmierung von<br />
Qualitätsmanagementlösungen Projektleiter bei<br />
<strong>System</strong>einführungen.<br />
Seit 2004 Leiter der Softwareentwicklung des<br />
Geschäftsbereichs Qualitätssicherung in der<br />
Niederlassung Stuttgart.<br />
t.keil@mpdv.de<br />
Autorenverzeichnis 263
264 Autorenverzeichnis<br />
<strong>Kletti</strong>, <strong>Jürgen</strong>, Dr., Jahrgang 1948,<br />
Studium der Elektrotechnik mit dem Spezialfach<br />
„Technische Datenverarbeitung“ an der<br />
Universität Karlsruhe. Nach der Promotion<br />
Gründung der Firma MPDV Mikrolab GmbH,<br />
deren Gesellschafter und Geschäftsführer er<br />
heute noch ist. MPDV beschäftigt sich seit 1990<br />
hauptsächlich mit Software-Produkten und<br />
Dienstleistungen für die Fertigungsindustrie.<br />
Das Hauptprodukt von MPDV ist das <strong>MES</strong>-<br />
<strong>System</strong> HYDRA.<br />
J.<strong>Kletti</strong>@mpdv.de<br />
<strong>Kletti</strong>, Wolfhardt, Jahrgang 1958, Dipl.-Informatiker<br />
Fachhochschule Mannheim<br />
Beschäftigung als freier Mitarbeiter bei der IBM<br />
und in Projekten an der ETH Zürich.<br />
Uni Karlsruhe mit dem Schwerpunkt Datenbanken<br />
für technische Anwendungen. Seit 1986<br />
für die MPDV Mikrolab GmbH tätig.<br />
Heute Mitglied der Geschäftsführung mit dem<br />
fachlichen Schwerpunkt Consulting.<br />
w.kletti@mpdv.de<br />
Nonnenmann, Wolfgang, Jahrgang 1945,<br />
Dipl.-Ing.<br />
Studium Maschinenbau mit den Schwerpunkten<br />
Regelungstechnik und EDV an der Universität<br />
Karlsruhe. Nach dem Studium im Entwicklungszentrum<br />
für Kraftfahrzeugausrüstung der<br />
Firma Bosch in Stuttgart.<br />
Gründung der Firma IBN-<strong>System</strong>e, die sich mit<br />
der Betriebsdatenerfassung in den Bereichen<br />
Kunststoff und Automobil befasste. Heute Tätigkeit<br />
als Berater auf dem Gebiet Fertigungsmanagement,<br />
BDE und PPS/ERP.<br />
w.nonnenmann@wn-consult.de
Strebel, Thorsten, Jahrgang 1972, Dipl.-Ing.<br />
(BA),<br />
Studium der Technischen Informatik mit<br />
Schwerpunkt Produktionsinformatik an der Berufsakademie<br />
Mosbach.<br />
Nach dem Studium Unternehmensberater für die<br />
Abwicklung von Entwicklungsprojekten mit<br />
dem Schwerpunkt der Objektorientierung.<br />
Seit 1997 Senior Consultant bei der MPDV<br />
Mikrolab GmbH mit dem Schwerpunkt Betriebsdatenerfassung,Materialflusserfassung<br />
und<br />
Feinplanung. Leiter des SAP Competence Center.<br />
t.strebel@mpdv.de<br />
Autorenverzeichnis 265
Sachverzeichnis<br />
3-Ebenen-Struktur 27<br />
6-R-Regel 24<br />
Agentensteuerung 15<br />
APS-Funktionen 20<br />
Auftragsfreigabe (BOA)<br />
belastungsorientiert 14<br />
Auftragszentrum 61<br />
Automationsebene 17<br />
BDE – Betriebsdatenerfassung 31<br />
CIM (Computer Integrated<br />
<strong>Manufacturing</strong>) 21<br />
C-<strong>MES</strong> (Collaborative <strong>MES</strong>) 26<br />
CONWIP 14<br />
Diskrete oder Werkstattfertigung 18<br />
Druckkosten 57<br />
Einbahnstraßenprinzip 20<br />
Einzelfertigung/Anlagenbau 18<br />
ESK Eslakationsmanagement 34<br />
Fortschrittszahlenkonzept 14<br />
Freiheitsgrade 37<br />
Funktionsgruppe Fertigung 31<br />
Funktionsgruppe Personal 34<br />
Funktionsgruppe Qualität 33<br />
Geschäftsprozesse 59<br />
Grobplanung 16<br />
Gruppenarbeit 44<br />
Informationsstrukturen statt<br />
Führungsstrukturen 59<br />
Sachverzeichnis 267<br />
ISA S 95 27<br />
KANBAN 14<br />
LAN 41<br />
layout by machine 12<br />
LEE Leistungslohn 34<br />
Leitstand, Plantafel 32<br />
Leitstände 20<br />
Linien- und Fließfertigung 13<br />
Linienstruktur 12<br />
<strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong><br />
(MOS) 28<br />
<strong>Manufacturing</strong> Scorecard 43<br />
MDE – Maschinendatenerfassung 32<br />
<strong>MES</strong> (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong><br />
<strong>System</strong>) 11, 21<br />
<strong>MES</strong>A (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong><br />
<strong>System</strong> Association) 25<br />
MOS – <strong>Manufacturing</strong> Operation<br />
<strong>System</strong> 27, 28<br />
MPL Material- und<br />
Produktionslogistik 33<br />
MRP II (<strong>Manufacturing</strong> Require-<br />
ment Planning) 13<br />
NAMUR 29<br />
Nutzenpotenziale 11<br />
OEE-Index 42<br />
PDC Prozessdatenverarbeitung 34<br />
PEP Personaleinsatzplanung 34<br />
PMC Prüfmittelverwaltung 33<br />
Prämienentlohnung 44
268 Sachverzeichnis<br />
Produktions- und Serviceökonomie 48<br />
Prozesslinien oder Massenfertigung 18<br />
Prozesspotenziale 42<br />
Prozessstreuung 50<br />
Prozesstransparenz 42<br />
Pull-Prinzip 13<br />
Push-Prinzip 13<br />
PZE Personalzeiterfassung 34<br />
REK Reklamationsmanagement 33<br />
Schnittstellenaufwand 58<br />
SPC (Statistische Prozessregelung) 33<br />
Supply-Chain-Management 9<br />
Synchrone Produktion 14<br />
Druck: Strauss GmbH, Mörlenbach<br />
Verarbeitung: Schäffer, Grünstadt<br />
Transparenz 21<br />
Unternehmensnetzwerk 41<br />
VDI (Verein Deutscher Ingenieure) 30<br />
VDI-Richtlinie 30<br />
Verbesserungsprozess 11<br />
Vernetzung 9<br />
WEK Wareneingang 33<br />
Werkstattfertigung 12<br />
Wertschöpfungskette 48<br />
WRM, DNC (Werkzeug- und<br />
Ressourcenmanagement) 32<br />
Zertifizierungsnormen 42<br />
ZKS Zutrittskontrolle 34