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Jürgen Kletti (Hrsg.) MES - Manufacturing Execution System

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<strong>Jürgen</strong> <strong>Kletti</strong> (<strong>Hrsg</strong>.)<br />

<strong>MES</strong> - <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>


<strong>Jürgen</strong> <strong>Kletti</strong> (<strong>Hrsg</strong>.)<br />

<strong>MES</strong><br />

<strong>Manufacturing</strong><br />

<strong>Execution</strong> <strong>System</strong><br />

Moderne Informationstechnologie<br />

zur Prozessfähigkeit der Wertschöpfung<br />

Mit 100 Abbildungen<br />

13


Dr.-Ing. <strong>Jürgen</strong> <strong>Kletti</strong> (<strong>Hrsg</strong>.)<br />

MPDV Mikrolab GmbH<br />

Römerring 1<br />

74821 Mosbach<br />

j.kletti@mpdv.de<br />

Bibliografi sche Information der Deutschen Bibliothek<br />

Die deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografi e;<br />

detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über abrufbar.<br />

ISBN 10 3-540-28010-3 Springer Berlin Heidelberg New York<br />

ISBN 13 978-3-540-28010-1 Springer Berlin Heidelberg New York<br />

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der<br />

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springer.de<br />

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006<br />

Printed in Germany<br />

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berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne<br />

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Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI,<br />

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die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfi ehlt sich, gegebenenfalls für<br />

die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung<br />

hinzuzuziehen.<br />

Umschlaggestaltung: medionet AG, Berlin<br />

Satz: Digitale Druckvorlage der Autoren<br />

Herstellung: medionet AG, Berlin<br />

Gedruckt auf säurefreiem Papier 68/3020 /M 5 4 3 2 1 0


Geleitwort<br />

Mit der Veränderung der klassischen Fabrik von einer Produktionsstätte zu einem<br />

modernen Dienstleistungszentrum ergeben sich Führungsprobleme, auf die viele<br />

Unternehmen noch nicht vorbereitet sind: Wirtschaftlichkeit der modernen Wertschöpfung<br />

ist keine Eigenschaft der Produkte, sondern des Prozesses. Das führt<br />

dazu, dass die entscheidenden Potenziale der Unternehmen weniger in ihrer Produktionsfähigkeit,<br />

als in ihrer Prozessfähigkeit liegen.<br />

Mit dem Anspruch der Prozessfähigkeit, der inzwischen auch die Grundlage<br />

der Zertifizierungsregelwerke ist, entsteht für die Fertigungsbetriebe die Forderung<br />

nach einer Ausrichtung aller wertschöpfenden Prozesse auf das Prozessergebnis<br />

und damit den Kunden. Voraussetzung einer Prozesstransparenz ist die Fähigkeit,<br />

den Wertstrom des Unternehmens zeitnah und ohne Erfassungsaufwand<br />

abzubilden – eine Aufgabe, welche die herrschenden ERP-<strong>System</strong>e kaum bieten<br />

können.<br />

Real-Time-Anwendungen bieten heute moderne <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e<br />

(<strong>MES</strong>). Sie erzeugen aktuelle und auch historische Abbilder von Fertigungseinrichtungen<br />

und können so als Basis für Optimierungen herangenommen werden.<br />

Mit solchen Techniken hatte man bereits unter dem Begriff Betriebsdatenerfassung<br />

oder Maschinendatenerfassung Anfang der 80er Jahre begonnen. Doch<br />

während in der Vergangenheit zunächst eine verbesserte Maschinenauslastung im<br />

Vordergrund stand, geht es heute überwiegend darum, den Wertstrom (Suppy-<br />

Chain) zeitnah abzubilden.<br />

Dabei erfordert die zunehmende Komplexität in der Fertigung eine gesamtheitliche<br />

Sicht auf die Produktions- und Dienstleistungseinrichtungen: Feinplanung,<br />

Zustandserfassung, Qualität, Performance-Analyse, Materialverfolgung usw. müssen<br />

integriert erfasst und dargestellt werden.<br />

Aus diesen Erfordernissen heraus hat sich Mitte der 90er Jahre in den USA der<br />

Begriff <strong>MES</strong> <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> entwickelt. Eine Non-Profit-<br />

Organisation namens <strong>MES</strong>A (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> Association) hat<br />

begonnen, diese Anwendungen zu normieren und damit drei Anwendungsschichten<br />

eines Fertigungsbetriebes zum Prinzip erhoben. <strong>MES</strong>A definiert die Ebene<br />

der eigentlichen Fertigung, die Ebene des Fertigungsmanagements, also<br />

<strong>MES</strong>, und die Ebene des Unternehmensmanagements.<br />

Weitere Normierungen zu diesem Thema sind bereits im Werden. So ist eine<br />

ISA S95 verabschiedet, ein Verband von Prozessfertigern namens NAMUR hat<br />

für ihre Fertigungswelt eine eigene Richtlinie verabschiedet. In jüngster Zeit hat<br />

der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) sich dieses Themas angenommen und ist<br />

bestrebt, eine auf europäische Belange zugeschnittene Richtlinie herauszubringen.


2 Geleitwort<br />

Die Erwartungen an ein <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> zur Steigerung der<br />

Performance sind entsprechend hoch. Für den Praktiker stehen insbesondere Themen<br />

wie TQM, SIX Sigma, Fertigungsplanung oder optimierte Materialbewegungen<br />

im Mittelpunkt.<br />

Schon heute zeigt die zunehmende Verwendung des Begriffs „<strong>MES</strong>“ in der<br />

Fachliteratur und Marktübersichten und nicht zuletzt auch die Normierungsbemühungen<br />

verschiedener Gremien ein wachsendes Interesse.<br />

Um Fertigungsbetrieben einen möglichst umfassenden Überblick über die Leistungsfähigkeit<br />

und die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten eines <strong>Manufacturing</strong><br />

<strong>Execution</strong> <strong>System</strong>s (<strong>MES</strong>) zu bieten und damit die Möglichkeit zu schaffen,<br />

sich mit dem gewonnenen Überblick in einem breiten Marktangebot zu<br />

orientieren, soll der Begriff <strong>MES</strong> methodisch systematisiert werden. Dazu beleuchten<br />

erfahrene Fachleute in dem vorliegenden Buch detailliert die verschiedenen<br />

Aspekte eines <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>s, ohne das ein modernes Unternehmen<br />

heute nicht wirtschaftlich zu führen ist.<br />

Die Beherrschung der Prozesse wird für die Unternehmen in zunehmendem<br />

Maße zur Voraussetzung, auch am Standort Deutschland gewinnbringend zu produzieren.<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Johann Löhn<br />

Präsident Steinbeis-Hochschule Berlin<br />

Regierungsbeauftragter für Technologietransfer<br />

Baden-Württemberg


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis 3<br />

1 Neue Wege für die effektive Fabrik...................................................................9<br />

1.1 Anforderungen an die Produktion von morgen ............................................9<br />

1.2 Fertigungsstrukturen ...................................................................................12<br />

1.2.1 Ausrichtung an Kennzahlen ................................................................12<br />

1.2.2 Steuerungsmethoden ...........................................................................13<br />

1.2.3 Kombinationen aus Fertigungsstruktur und Steuerungsmethode .......15<br />

1.2.4 Schwachstellen der traditionellen PPS-<strong>System</strong>e.................................15<br />

1.2.5 Funktionsebenen..................................................................................16<br />

1.2.6 Fertigungstypen...................................................................................17<br />

1.3 Klassische IT-Unterstützung in der Fertigung............................................19<br />

1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>).................................................21<br />

1.4.1 Entstehung der <strong>MES</strong>-Idee ...................................................................21<br />

1.4.2 Aktuelle Standards ..............................................................................25<br />

1.4.3 Das ideale <strong>MES</strong>...................................................................................30<br />

1.4.4 Technische Voraussetzungen ..............................................................35<br />

1.5 Vertikale und Horizontale Integration ........................................................36<br />

1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen ...........................................40<br />

1.6.1 Organisatorische Voraussetzungen .....................................................40<br />

1.6.2 Technische Voraussetzungen ..............................................................41<br />

1.6.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung............................................................41<br />

1.6.4 Unterstützung des KVP und aktueller Zertifizierungen......................42<br />

1.6.5 Zieldefinition und -verfolgung............................................................43<br />

1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale..........................................................44<br />

2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit...........................................................................47<br />

2.1 Die Wirtschaftlichkeit als Prozesseigenschaft............................................47<br />

2.1.1 Der prozessorientierte Ansatz der ISO 9001/TS 16949......................48<br />

2.1.2 Das Prozesspotenzial in Zahlen...........................................................48<br />

2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation .......................................................49<br />

2.2.1 Das Identifizieren systematischer Fehler ............................................50<br />

2.2.2 Die systematische Fehlerbearbeitung..................................................51<br />

2.2.3 Maßnahmeverfolgung .........................................................................52<br />

2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit....................................................................53<br />

2.3.1 Verschwendete Mitarbeit ....................................................................53<br />

2.3.2 Zielvereinbarungen..............................................................................55<br />

2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe ..................................................56<br />

2.4.1 Das Unternehmen als Papierfabrik......................................................56


4 Inhaltsverzeichnis<br />

2.4.2 Schnittstellen ohne Wertschöpfung.....................................................57<br />

2.4.3 Der Weg zur papierlosen Fertigung ....................................................58<br />

2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung ............................................60<br />

2.5.1 Deterministische Steuerung ................................................................60<br />

2.5.2 Rückgekoppelte Regelung ..................................................................60<br />

2.6 Zusammenfassung ......................................................................................64<br />

Literatur ............................................................................................................65<br />

3 Mehrwert durch Software ................................................................................67<br />

3.1 Das Unternehmen als Informationssystem .................................................67<br />

3.1.1 Produktionsfaktor Information............................................................67<br />

3.1.2 Reengineering und Integration............................................................68<br />

3.1.3 Informationsverarbeitung in der Fertigung .........................................69<br />

3.1.4 Maschinen als informationsverarbeitende <strong>System</strong>e............................69<br />

3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie........................................................70<br />

3.2.1 Kennzeichen der Investitionsgüterindustrie........................................71<br />

3.2.2 <strong>MES</strong> in der IT-Softwarelandschaft .....................................................72<br />

3.2.3 <strong>MES</strong> im Technology-Lebenszyklus....................................................73<br />

3.2.4 <strong>MES</strong> aus Anwendersicht.....................................................................74<br />

3.2.5 <strong>MES</strong> aus Marktsicht............................................................................75<br />

3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes ............................................................77<br />

3.3.1 Erarbeitung der Zielsetzung ................................................................77<br />

3.3.2 <strong>System</strong>atische Prozessentwicklung.....................................................78<br />

3.3.3 Abschätzung eines Return on Investment...........................................78<br />

3.3.4 Der <strong>System</strong>abgleich ............................................................................79<br />

3.3.5 Die <strong>MES</strong>-Einführung im Unternehmen ..............................................80<br />

3.3.6 Der Betrieb der <strong>MES</strong>-Lösung .............................................................80<br />

3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> .........................................81<br />

3.4.1 Die digitalisierte Fabrik.......................................................................81<br />

3.4.2 Die Digitale Fabrik..............................................................................82<br />

3.4.3 Die echtzeitfähige Fabrik ....................................................................83<br />

4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen................................................85<br />

4.1 Einleitung und Motivation..........................................................................85<br />

4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen ................................................86<br />

4.2.1 Hilfsmittel und <strong>System</strong>e für die operative Ebene ...............................86<br />

4.2.2 Manuelle Informationsbeschaffung und andere Hilfsmittel ...............88<br />

4.2.3 Probleme bei der Zusammenführung der Daten .................................90<br />

4.3 Der angestrebte Soll-Zustand .....................................................................90<br />

4.3.1 Lückenlose, automatisierte Datenerfassung........................................90<br />

4.3.2 Der I-Punkt für die Fertigung..............................................................92<br />

4.3.3 Die Idee des „<strong>Manufacturing</strong> Cockpits“ .............................................93<br />

4.3.4 Eskalationsmanagement und Workflow .............................................99<br />

4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en .........................101<br />

Literatur ..........................................................................................................102


Inhaltsverzeichnis 5<br />

5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s............................................................................103<br />

5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ...............................................104<br />

5.1.1 Basisfunktionen.................................................................................105<br />

5.1.2 Datenschicht ......................................................................................107<br />

5.1.3 Anwendungsschicht – Business-Objekte und Methoden..................108<br />

5.1.4 Prozessabbildung...............................................................................109<br />

5.1.5 Die Vorteile der ESA-Architektur für <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e.......................110<br />

5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s............................................................111<br />

5.2.1 Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en......................................112<br />

5.2.2 Schnittstellen für die horizontale Integration....................................115<br />

5.2.3 Schnittstellen zum Produktionsmittel................................................115<br />

5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s................................................117<br />

5.3.1 Technologien für Benutzeroberflächen.............................................117<br />

5.3.2 Benutzeroberflächen für Konfiguration, Monitoring und Reporting 119<br />

5.3.3 Benutzeroberflächen für die Erfassung.............................................119<br />

5.4 Ausblick ....................................................................................................120<br />

6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong>......................................123<br />

6.1 <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ermöglichen Fertigungsmanagement................................123<br />

6.2 Das <strong>MES</strong>-Modell ......................................................................................123<br />

6.3 Datenanalyse – Informationen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ..................................125<br />

6.4 Betriebsmittel Maschine oder Anlagenteil ...............................................126<br />

6.4.1 Auftrag/Arbeitsgang..........................................................................127<br />

6.4.2 Material .............................................................................................127<br />

6.4.3 Ressourcen und Fertigungshilfsmittel...............................................128<br />

6.4.4 Prozesswerte......................................................................................128<br />

6.4.5 Personal .............................................................................................129<br />

6.4.6 Prüfmerkmal......................................................................................129<br />

6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität..................................................................129<br />

6.5.1 Ausstattung des Erfassungsterminals................................................130<br />

6.5.2 Informationsbereitstellung für den Werker.......................................133<br />

6.5.3 Modularität unterstützt die Vielfalt der Erfassungsdialoge ..............134<br />

6.5.4 Plausibilität im Erfassungsprozess....................................................135<br />

6.5.5 Welche Schnittstellen zum Prozess lassen sich sinnvoll nutzen? .....136<br />

6.5.6 Datenkorrekturen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ...................................................137<br />

6.5.7 Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s...................138<br />

6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement ...............................138<br />

6.6.1 Transparenz durch <strong>MES</strong>-Aktualiät....................................................139<br />

6.6.2 Anwendergerechte Auswertungen ....................................................140<br />

6.6.3 Fertigungsnahe Zieldefinition ...........................................................142<br />

Literatur...........................................................................................................143<br />

7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong>...........................................................145<br />

7.1 Überblick und Zielsetzung........................................................................145<br />

7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung ...................................148<br />

7.2.1 Überblick...........................................................................................148


6 Inhaltsverzeichnis<br />

7.2.2 Umgang mit primären Kapazitäten in <strong>MES</strong>......................................150<br />

7.2.3 Modellierung der Prozesse im <strong>MES</strong> .................................................153<br />

7.2.4 Personal – die besonders wertvolle Ressource .................................155<br />

7.2.5 Modellierung der technischen Sicht..................................................156<br />

7.2.6 Strategien zur Ressourcenbelegung ..................................................158<br />

7.2.7 Konfliktauflösung durch Simulation & Optimierung .......................160<br />

7.2.8 Monitoring des Auftragsdurchlaufs ..................................................164<br />

7.2.9 Reaktive Planung mit <strong>MES</strong>...............................................................165<br />

7.3 Verwaltung von Produktionsmitteln (Ressourcen)...................................166<br />

7.3.1 Statusverwaltung...............................................................................167<br />

7.3.2 Anonyme und individualisierte Ressourcen .....................................168<br />

7.4 Zusammenfassung ....................................................................................169<br />

8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong> ..........................................................................171<br />

8.1 Gelebte Qualität........................................................................................171<br />

8.2 Geplante Qualität......................................................................................172<br />

8.2.1 Qualitätsstammdaten eines <strong>MES</strong> ......................................................172<br />

8.2.2 Präventive Fehlervermeidung mit FMEA.........................................174<br />

8.2.3 Prüfplanung – das Fundament der Produktqualität...........................174<br />

8.2.4 Prüfmittel – Reduktion von Messunsicherheiten..............................176<br />

8.2.5 Lieferantenbewertung – Optimierung des Beschaffungsprozesses .177<br />

8.2.6 Aufbau von Workflows mit Eskalationsszenarien............................178<br />

8.2.7 Qualitätsplanung innerhalb der Fertigungsvorbereitung...................179<br />

8.3 Integrierte Qualität....................................................................................181<br />

8.3.1 Qualität durch Informationsmanagement..........................................182<br />

8.3.2 Sicherstellung der Zulieferqualität....................................................182<br />

8.3.3 Fertigungsbegleitende Qualitätssicherung ........................................183<br />

8.3.4 Optimierung der Prüfmittelüberwachung .........................................184<br />

8.3.5 Transparentes Reklamationsmanagement.........................................185<br />

8.4 Dokumentierte Qualität ............................................................................186<br />

8.4.1 Vernetzung von Informationen .........................................................187<br />

8.4.2 Qualitätsdaten zielgerecht nutzen .....................................................187<br />

8.4.3 Traceability .......................................................................................190<br />

8.5 Analysierte und bewertete Qualität ..........................................................192<br />

8.5.1 Verbesserungspotenziale in der Fertigung........................................193<br />

8.5.2 Aus Reklamationen lernen ................................................................194<br />

8.5.3 Six Sigma – der Verschwendung Einhalt gebieten...........................194<br />

8.5.4 Qualitätsinformationen – Mehrwert im <strong>MES</strong> ...................................196<br />

9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong>......................................................................199<br />

9.1 Überblick ..................................................................................................199<br />

9.2 Personalzeiterfassung ...............................................................................200<br />

9.2.1 Aufgaben der Personalzeiterfassung.................................................200<br />

9.2.2 Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>- oder ERP-<strong>System</strong>.......................................201<br />

9.2.3 Flexibilisierung der Arbeitszeit.........................................................202<br />

9.3 Motivation und Mitarbeiterführung..........................................................204


Inhaltsverzeichnis 7<br />

9.3.1 Leistungs- und Prämienentlohnung...................................................204<br />

9.3.2 Qualifizierung der Mitarbeiter ..........................................................206<br />

9.4 Personaleinsatzplanung.............................................................................206<br />

9.4.1 Urlaubs- und Schichtplanung............................................................207<br />

9.4.2 Prüfung der Personalkapazitäten bei der Feinplanung......................208<br />

9.4.3 Einplanung der Mitarbeiter auf die Arbeitsplätze.............................209<br />

9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen......................................................210<br />

9.6 Ausblick ....................................................................................................212<br />

Literatur...........................................................................................................212<br />

10 <strong>MES</strong> unter SAP..............................................................................................213<br />

10.1 Motiva.....................................................................................................213<br />

10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld...................................................214<br />

10.2.1 Entwicklung des <strong>MES</strong> in der SAP-Historie ....................................214<br />

10.2.2 Anforderungen an ein <strong>MES</strong> im SAP-<strong>System</strong>-Umfeld ....................215<br />

10.2.3 Ebenendarstellung eines Fertigungsunternehmens .........................215<br />

10.2.4 Unternehmensprozesse in mySAP ERP und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ............217<br />

10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong>..........................................221<br />

10.3.1 Bedeutung des SAP NetWeaver für die Integration des <strong>MES</strong>........221<br />

10.3.2 Schnittstellen zu den mySAP- ERP-Anwendungen........................224<br />

10.3.3 Integration von <strong>MES</strong>-Funktionen über das SAP-Portal..................227<br />

10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP .............229<br />

10.4.1 Skalierbarkeit der <strong>MES</strong>-Lösung......................................................229<br />

10.4.2 <strong>MES</strong> für die horizontale Integration................................................230<br />

10.4.3 Anbindung der Maschinen- und Steuerungsebene..........................230<br />

10.4.4 Beispiele für die Integration von <strong>MES</strong> und mySAP ERP...............232<br />

10.5 Zusammenfassung ..................................................................................237<br />

11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung ............................................................239<br />

11.1 Besonderheiten der Kunststoffindustrie..................................................239<br />

11.2 Einsetzbare <strong>MES</strong>-Module.......................................................................240<br />

11.3 Leitstand..................................................................................................241<br />

11.4 Erfassung der Maschinen- und Betriebsdaten ........................................243<br />

11.5 Anschluss der Spritzgießmaschinen .......................................................244<br />

11.6 Visualisierung und Auswertungen..........................................................245<br />

11.7 Verbindung Qualitätssicherung und Prozessdaten .................................247<br />

11.8 Werkzeugbau ..........................................................................................248<br />

11.8.1 Überwachung der Wartungsintervalle durch ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ......248<br />

11.8.2 BDE und Leitstand im Werkzeugbau..............................................249<br />

11.9 DNC, Chargenverfolgung und Nachweispflicht.....................................250<br />

11.10 Management Information <strong>System</strong> (MIS)..............................................251<br />

11.11 Rentabilität (Return on Investment) .....................................................252<br />

11.12 Zusammenfassung ................................................................................254<br />

Abkürzungsverzeichnis......................................................................................255


8 Inhaltsverzeichnis<br />

Checkliste ............................................................................................................257<br />

Vorbemerkung für den Bearbeiter..................................................................257<br />

Allgemeine Kriterien ......................................................................................257<br />

<strong>System</strong>konzept ...........................................................................................258<br />

Fertigung ....................................................................................................258<br />

Qualität.......................................................................................................259<br />

Personal ......................................................................................................259<br />

Datenerfassung...........................................................................................259<br />

<strong>MES</strong> im SAP-Umfeld ................................................................................260<br />

Aktualisierungen ........................................................................................260<br />

Autorenverzeichnis.............................................................................................261<br />

Sachverzeichnis...................................................................................................267


1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

1 Neue Wege für die effektive Fabrik 9<br />

1.1 Anforderungen an die Produktion von morgen<br />

Die klassische Fabrik hat sich über die Herstellung von Produkten definiert. Die<br />

Produkte und deren Wert wurden hauptsächlich an ihren Materialanteilen gemessen.<br />

Das genügt heute nicht mehr. Die zunehmende Globalisierung führt zwangsläufig<br />

zu einer zunehmenden Anonymisierung der Produkte und ihrer Herkunft.<br />

Damit verschiebt sich der Focus von der Beherrschung der Produktentstehung<br />

(Fertigungstiefe) zur Beherrschung der Produktwahrnehmung durch den Kunden<br />

(OEM). Kunden betrachten heute Produkte in erstklassiger Qualität als Selbstverständlichkeit.<br />

Wer sich in der Zukunft vom Wettbewerb abheben will, benötigt eine<br />

Wettbewerbsstrategie, die dem Kunden einen zusätzlichen Mehrwert bietet,<br />

wie z. B. hohe Flexibilität, kurze Lieferzeiten, hohe Termintreue, hohe Variantenvielfalt,<br />

kürzere Produktlebenszyklen – Eigenschaften, die nicht durch Produktion,<br />

sondern durch die Prozesse erzeugt werden. Der heute zunehmend verwendete<br />

Begriff Adaptive <strong>Manufacturing</strong> beschreibt diesen Ansatz als „Maschinen mit<br />

Märkten verbinden.“<br />

Viele klassische Hersteller definieren daher heute ihre Produktionsstätten schon<br />

als Dienstleistungs- oder Servicezentrum und signalisieren dem Kunden damit,<br />

dass sie die Veredelung von Material zu einem fertigen Produkt auch als Dienstleistung<br />

für den Kunden verstehen. Aus diesem Mehr an Kundennähe resultieren<br />

zunächst einmal Kostensteigerungen. Moderne Produzenten versuchen, diese<br />

Mehrkosten auszugleichen, in dem sie ihre Fertigungstiefe überdenken, teilweise<br />

Standardkomponenten einsetzen oder sich geeignete Komponenten auf dem weltweiten<br />

Markt beschaffen. Der moderne Produzent sieht sich damit Kräften gegenüber,<br />

die man als Vernetzung, Dynamisierung und Individualisierung bezeichnen<br />

kann.<br />

Unter dem Begriff „Vernetzung“ wird die zunehmende überbetriebliche Kooperation<br />

verstanden, die globale Formen annehmen kann und die heute mit vielen<br />

Facetten als Globalisierung öffentlich diskutiert wird. Durch diese Vernetzung<br />

kann der Produzent benötigte Komponenten auf dem Markt beschaffen und kann<br />

sich selbst auf seine Kernkompetenzen konzentrieren, die er dann effektiv in einem<br />

Supply-Chain-Management in die Kette der gesamten Produktherstellung<br />

einbindet.<br />

Die Dynamisierung entsteht durch starke Marktschwankungen, welche, getrieben<br />

durch mehr Informationen und immer schneller verbreitete Informationen, die<br />

Kunden zu einem schnellen Wechsel ihrer Kaufgewohnheiten verleiten. Das sich<br />

immer schneller drehende Rad der Technologieentwicklung trägt ein Übriges zu


10 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

diesen Effekten bei. In komplexen, kooperativen Abläufen sind Störungen wahrscheinlicher<br />

als in einfachen eng gekoppelten Abläufen. Das daraus resultierende<br />

Störungsmanagement und häufige und schnellere Kundenauftragsänderungen heizen<br />

die Dynamik weiter an.<br />

Der Wandel zu Käufermärkten und eine zunehmende Kundenorientierung verlangt<br />

von den Produzenten ein Mehr an Individualisierung. Der Kunde möchte<br />

gerne ein Produkt auf seine Bedürfnisse zugeschnitten haben. Eine zunehmende<br />

Variantenvielfalt, die der Produzent dem Kunden anbieten muss, ist die logische<br />

Folge.<br />

Vernetzung, Dynamisierung und Individualisierung erzeugen Turbulenz in den<br />

Produktionsbetrieben und verlangen vom Produzenten Wandelbarkeit. Die Turbulenz<br />

wird geprägt durch neue Anforderungen an die interne Auftragsabwicklung<br />

und die externe Marktdynamik. Die Wandelbarkeit ist geprägt durch stärkere externe<br />

Vernetzung, Kooperation mit mehreren oder immer neuen Partnern und<br />

schnellere interne strukturelle und technologische Anpassungen. Diese Bewegung<br />

der Turbulenz bzw. Wandelbarkeit erschweren die Produktion nahe an einem<br />

wirtschaftlichen Optimum, fördern ein mangelhaftes Informationsmanagement<br />

sowie untaugliche bzw. veraltete Geschäftsprozesse. Für den Kunden resultieren<br />

daraus mangelhafte Liefertermintreue und Zeiten, sowie unbefriedigende Produktqualität.<br />

Beim Hersteller entstehen oft zu lange Durchlaufzeiten, welche überhöhte<br />

Bestände verursachen. Die Folge davon ist eine höhere (vermeidbare) Kapitalbindung.<br />

Die Liste der Effekte, die von Turbulenz und Wandelbarkeit erzeugt werden,<br />

ließe sich fortsetzen. Diese Effekte betreffen jede Ebene eines Fertigungsunternehmens,<br />

oft in unterschiedlicher Art und Weise mit unterschiedlichen Auswirkungen.<br />

Begegnen kann man den Folgen dieser Effekte, in dem man innerhalb<br />

der Ebenen und zwischen den Ebenen mehr Transparenz schafft, in dem man reaktionsfähiger<br />

wird und die Wirtschaftlichkeit sicherstellt.<br />

Um die Transparenz zu steigern, müssen die betroffenen Geschäftsprozesse<br />

stärker integriert werden. Hemmnisse, die heute immer noch in der Kommunikation<br />

zwischen den Unternehmensebenen Management, Fertigungsmanagement sowie<br />

der ausführenden Produktion bestehen, müssen abgebaut werden. Innerhalb<br />

der Ebenen müssen Informationen schneller und effektiver fließen. Die heute vielfach<br />

geforderte vertikale Integration oder Durchgängigkeit vom Management zur<br />

Fertigung ist durch eine horizontale Integration zu ergänzen. Auf dieser Basis gesteigerter<br />

Transparenz entwickelt sich eine bessere Reaktionsfähigkeit. Durch<br />

schnellere Information werden Störungen und ungeplante Abläufe schneller erkannt.<br />

Es kann schneller darauf reagiert und schneller Abhilfe geschaffen werden.<br />

Mit diesen Hilfsmitteln kann eine Fertigungsplanung errichtet werden, die sich<br />

durch kurze Reaktionszeiten auszeichnet und damit das Prädikat eines Feinplanungsregelkreises<br />

mit kurzen Regelzyklen verdient.<br />

Mit diesem Instrumentarium ist es möglich, kurzfristige Änderungen bei Lieferungen<br />

oder Dienstleistungen wirtschaftlich und kostenorientiert durchzuführen,<br />

so dass man damit einer wichtigen Forderung des heutigen Kunden nach Flexibilität<br />

nachkommen kann. Aber auch die effiziente Einführung von Veränderungen,<br />

eine gute Anpassbarkeit an sich verändernde Unternehmensbedürfnisse und die


1.1 Anforderungen an die Produktion von morgen 11<br />

gute Integrationsfähigkeit von vorhandenen Technologien und <strong>System</strong>en müssen<br />

in einem Fertigungsunternehmen entwickelt und kultiviert werden.<br />

Die Nutzenpotenziale, die aus diesen Elementen resultieren wie besserer Kundenservicegrad<br />

durch erhöhte Termintreue und Lieferfähigkeit sowie Produktqualität<br />

und Informationsfähigkeit, Kosteneinsparung durch Bestandssenkungen,<br />

verbesserte Mitarbeiterposition, Motivation durch Beherrschung der Produktion<br />

etc. liefern entscheidende Leistungskennzahlen für das heutige Wettbewerbsumfeld.<br />

Diese drei Elemente eines Verbesserungsprozesses, Transparenz, Reaktionsfähigkeit<br />

und Wirtschaftlichkeit, sind in Teilen in den letzten Jahren in der Industrie<br />

umgesetzt worden. Besonders in der Ebene des Unternehmensmanagements<br />

wurden hier einige Schritte getan. Im kaufmännischen Bereich des Unternehmensmanagements<br />

werden Veränderungen nicht in Sekunden, Minuten oder<br />

Stunden wirksam, sondern eher in Tagen, Wochen und Monaten. Völlig anders ist<br />

die Situation im Bereich des Fertigungsmanagements und im Bereich der Produktion<br />

(Automation). Hier sind wesentlich kurzfristigere Aktivitäten notwendig und<br />

bedingen Werkzeuge, die auch Ad-hoc-Entscheidungen unterstützen. Jede Minute,<br />

die eine Maschine oder ein Werksteil still steht, kostet Geld. Jede Minute, die eine<br />

solche Störung dauert, frisst Gewinn. In solchen Fällen kann leicht eine sehr deutliche<br />

Beziehung zwischen Nutzen und Kosten für Maßnahmen und Werkzeuge zur<br />

Störungsverhinderung oder Störungsminderung dargestellt werden.<br />

Das Ziel „Steigerung von Transparenz, Reaktionsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit“<br />

erfordert heute besonders im Fertigungsmanagement das Beschreiten neuer<br />

Wege bzw. vermehrte Anstrengungen bei bereits eingeleiteten Maßnahmen. Ein<br />

Werkzeug, das diese Ziele unterstützt, ist das sog. <strong>MES</strong> (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong><br />

<strong>System</strong>). Darunter wird eine Technologie verstanden, die sich in Europa aus eher<br />

klassischen Disziplinen wie Betriebsdatenerfassung, Personalzeiterfassung, Qualitätssicherung<br />

und Fertigungsfeinplanung entwickelt hat. Die homogenisierte und<br />

verdichtete Version dieser Technologien kann mit dem Begriff <strong>MES</strong> zusammengefasst<br />

werden. Ziel eines <strong>MES</strong> ist es, die wertschöpfenden Prozesse transparent<br />

zu machen und auf Basis dieser Transparenz sowohl horizontale, als auch vertikale<br />

Regelkreise zu bilden. Die Zykluszeit dieser Regelkreise orientiert sich an den<br />

jeweiligen Aufgaben und wird z. B. für die Fertigung nicht, wie in einem klassischen<br />

ERP-Umfeld üblich in Schichten und Tagen gemessen, sondern in Vielfachen<br />

von Minuten. Damit kann die Produktion neuen Anforderungen reaktionsschnell<br />

und wirtschaftlich begegnet werden.<br />

Das vorliegende Buch soll verschiedene Aspekte von <strong>MES</strong> und dem Einsatz<br />

von <strong>MES</strong> beleuchten und soll auch darstellen, wie auch in einer stark automatisierten<br />

Industrie, Verbesserungspotenziale zu lokalisieren und auszuschöpfen<br />

sind.


12 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

1.2 Fertigungsstrukturen<br />

Das Ziel einer Wirtschaftlichkeitssteigerung ist natürlich keine neue Forderung,<br />

sondern ist ein permanenter Prozess, der die produzierende Industrie in den letzten<br />

Jahrzehnten zunehmend herausfordert. In der öffentlichen Diskussion sind immer<br />

nur besonders große Schübe in diese Richtung wahrgenommen worden (z. B. Lopez<br />

oder der Export von Arbeitsplätzen aus Deutschland). Diesem Streben nach<br />

mehr Wirtschaftlichkeit ist man neben der Verbesserung der Bearbeitungstechnik<br />

und der Reduzierung der Material- und Lohnkosten zunächst mit einer Verbesserung<br />

der Fertigungsstrukturen und Steuerungsmethoden begegnet, mit dem Ziel<br />

eines verbesserten Auftragsdurchlaufs durch die Fertigung. In den letzten Jahren<br />

haben sich daher neue Ausprägungen entwickelt, die den Anforderungen nach<br />

kürzeren Durchlaufzeiten und einer höheren Flexibilität, insbesondere in Bezug<br />

auf die steigende Variantenanzahl entgegen kommen. Einige dieser Fertigungsstrukturen<br />

und Steuerungsmethoden sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.<br />

1.2.1 Ausrichtung an Kennzahlen<br />

Bei der Auswahl geeigneter Fertigungsstrukturen müssen verschiedene Faktoren<br />

berücksichtigt werden. Ein wichtiges Kriterium ist die geplante Produktionsmenge.<br />

Durch den hohen Automatisierungsgrad erreicht die Linienstruktur die höchste<br />

Produktivität, die hohen Investitionskosten können sich jedoch nur bei langfristig<br />

hohen Stückzahlen amortisieren. Weitere wichtige Kriterien sind die Flexibilität in<br />

Bezug auf Produktwechsel, Variantenfertigung, Mengenänderungen, Umlaufbestände,<br />

Arbeitsbedingungen, etc. Hier gilt es, durch eine Bewertung der verschiedenen<br />

Strukturen im Hinblick auf diese Kriterien den höchsten Nutzen zu ermitteln.<br />

Werkstattfertigung<br />

Bei der Werkstattfertigung werden alle Maschinen, die gleiche Verrichtungen<br />

ausüben, in Werkstätten zusammengefasst, z. B. alle Drehmaschinen in der Dreherei,<br />

alle Fräsmaschinen in der Fräserei (layout by machine). Der zeitliche Ablauf<br />

der Fertigung ist dabei an Lose gebunden. Erst wenn das letzte Werkstück eines<br />

Loses bearbeitet ist, werden alle Teile des Loses zur nächsten Verrichtung transportiert.<br />

Dadurch kommt es bei mehrstufigen Produkten zu einem unübersichtlichen<br />

Materialfluss mit langen Transportwegen, Warte- und Liegezeiten, hohen<br />

Umlaufbeständen und schlechter Termineinhaltung. Entstanden ist die Werkstattfertigung<br />

aus dem Streben nach hoher Flexibilität und einer vereinfachten Layoutplanung.


Fertigung in dezentralen Strukturen<br />

1.2 Fertigungsstrukturen 13<br />

In dezentralen Strukturen werden produkt- oder kundenorientierte Organisationseinheiten<br />

zusammengefasst, die mehrere Fertigungsstufen umfassen (Fabrik in der<br />

Fabrik). Ziel ist die Vereinigung der Kosten- und Produktivitätsvorteile der Linien-<br />

bzw. Fließfertigung mit der hohen Flexibilität der Werkstattfertigung. Dem<br />

Ansatz der dezentralen Strukturen liegt die Annahme zugrunde, dass sich kleine<br />

Einheiten leichter koordinieren lassen, da alle zur Leistungserstellung erforderlichen<br />

Einheiten in einem Bereich zusammengefasst sind. Dezentrale Strukturen<br />

sind damit in der Lage sich intensiv auf spezifische Wettbewerbsstrategien auszurichten.<br />

Linien- und Fließfertigung<br />

Hier werden Maschinen und Arbeitsgänge entsprechend der Bearbeitungsreihenfolge<br />

eines Produktes angeordnet (layout by product). Aufgrund der feinen zeitlichen<br />

Abstimmung und Verkettung der einzelnen Arbeitsgänge untereinander<br />

(Taktung) ist diese Struktur sehr anfällig bei Ausfällen und Störungen, sowie unflexibel<br />

in Bezug auf Produktvariationen. Hinzu kommen die hohen Investitionskosten<br />

solcher Anlagen weshalb sie sich nur in der Großserienproduktion wirtschaftlich<br />

einsetzen lassen. Hier bietet die Linien- und Fließfertigung jedoch die<br />

größten Produktivitätsvorteile gegenüber anderen Fertigungsstrukturen, da Warte-<br />

und Liegzeiten, Umlaufbestände sowie Transportwege minimiert sind.<br />

1.2.2 Steuerungsmethoden<br />

Die Auswahl geeigneter Steuerungsmethoden hängt stark von der Fertigungsstruktur<br />

(z. B. Werkstattfertigung oder Fließfertigung) ab. Aber auch die Art der zu bearbeitenden<br />

Aufträge (z. B. Kunden-/Lagerauftrag, Stückzahlen, Variantenanzahl,<br />

Streuung der Aufträge, etc.) spielt eine wichtige Rolle. Prinzipiell kann dabei zwischen<br />

dem Push-Prinzip und dem Pull-Prinzip unterschieden werden.<br />

Push-Prinzip<br />

Beim Push-Prinzip werden in einer zentralen Produktionsplanung und -steuerung<br />

Fertigungsaufträge erzeugt, die dann in der Fertigung umzusetzen sind. Beispiele<br />

solcher Push-Methoden sind:<br />

− MRP II (<strong>Manufacturing</strong> Requirement Planning)<br />

Die MRP II Methode entwickelte sich aus MRP I (Material Requirements<br />

Planning) durch die Einbeziehung von Personal- und Maschinenkapazitäten in<br />

die Berechnung. Sie wird hauptsächlich in der Serien- und Kleinserienfertigung<br />

nach dem Werkstattprinzip angewandt, da die mehrstufigen Fertigungsstrukturen<br />

einen höheren Planungsaufwand erfordern.


14 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

− Fortschrittszahlenkonzept<br />

Beim Fortschrittszahlenkonzept werden die Materialbewegungen mit Hilfe einer<br />

Fortschrittszahl (FZ) über der Zeit kumuliert erfasst (Ist-FZ) und dem<br />

Planwert (Soll-FZ) gegenüber gestellt. Voraussetzung für das Fortschrittszahlenkonzept<br />

sind große Produktionsmengen und eine lineare Fertigungsstruktur.<br />

Aus diesem Grund eignet sich diese Methode hauptsächlich in der Serien- und<br />

Massenfertigung mit Linien-/Fließfertigung.<br />

− Belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA)<br />

Die belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA) wurde insbesondere für die<br />

Einzel- und Serienfertigung variantenreicher Produkte nach dem Werkstattprinzip<br />

entwickelt. Sie betrachtet Maschinen als Trichter, deren Füllstand (Anzahl<br />

Aufträge) geregelt wird.<br />

Pull-Prinzip<br />

Beim Pull-Prinzip wird nur gefertigt, wenn ein Kundenbedarf vorliegt. Der Kundenauftrag<br />

erzeugt einen Bedarf in der Endmontage. Dieser Bedarf erzeugt wiederum<br />

einen Bedarf in der Vormontage, usw., d.h. der Kundenauftrag zieht sich<br />

rückwärts durch die Fertigung bis zur Materialbeschaffung. Ziel des Pull-Prinzips<br />

ist es, den Steuerungsaufwand zu reduzieren und die Produktion transparenter und<br />

bestandsärmer zu machen. Beispiele solcher Pull-Methoden sind:<br />

− KANBAN<br />

Die KANBAN Methode basiert auf sich selbst steuernden Regelkreisen zwischen<br />

einer verbrauchenden Stelle und einer produzierenden Stelle. Die produzierende<br />

Stelle erhält dabei ein Signal, welche Teile in welcher Menge zu welchem<br />

Zeitpunkt bei der verbrauchenden Stelle benötigt werden. Das Signal<br />

wird durch KANBAN-Karten ausgelöst. KANBAN wird überwiegend in der<br />

Massenfertigung mit Fließfertigung angewandt.<br />

− CONWIP<br />

Die CONWIP-Methode (CONstant Work-In-Process) basiert auf dem Kanban-<br />

<strong>System</strong>, umfasst jedoch die Regelkreise mehrerer Stationen der Fließfertigung.<br />

− Synchrone Produktion<br />

Bei der Synchronen Produktion fertigt die ideale Fertigungslinie im Takt des<br />

Kunden oder entsprechend der Kundenabrufe. Durch die Verkettung der Arbeitsschritte<br />

ist nur die Steuerung einer einzigen Prozessstufe in der gesamten<br />

Prozesskette erforderlich. Der Schrittmacherprozess ist der Prozess, der direkt<br />

vom Kunden gesteuert wird. Ziel der Methode ist ein kontinuierlicher Fluss (one-piece-flow).


1.2 Fertigungsstrukturen 15<br />

− Agentensteuerung<br />

Übergeordnete IT-<strong>System</strong>e ermitteln Ecktermine auf Basis der Kundentermine.<br />

Nach diesen Vorgaben handeln Werkstücke, Anlagen und Transportsysteme<br />

den Arbeitsablauf dezentral und selbständig aus. Dabei berücksichtigen sie stets<br />

den aktuellen Status der Produktion.<br />

1.2.3 Kombinationen aus Fertigungsstruktur und Steuerungsmethode<br />

Wie bereits oben erwähnt, eignet sich nicht jede Steuerungsmethode für jede Fertigungsstruktur.<br />

In der Praxis sind folgende Kombinationen anzutreffen:<br />

Welche Steuerungsmethode ist<br />

für welche Fertigungsstruktur<br />

geeignet und in der Praxis<br />

in Kombination anzutreffen?<br />

Werkstattfertigung<br />

Fertigung in dezentralen Strukturen<br />

Linien-/Fließfertigung<br />

Push-Steuerung:<br />

MRP, MRP II, BOA, etc.<br />

+ +<br />

-<br />

O<br />

Push-Steuerung:<br />

MRP, MRP II, BOA, etc.<br />

+<br />

+<br />

PULL-Steuerung:<br />

KANBAN, CONWIP<br />

PULL-Steuerung:<br />

KANBAN, CONWIP<br />

O<br />

+<br />

+<br />

PULL-Steuerung:<br />

PULL-Steuerung:<br />

Synchrone Synchrone Produktion Produktion<br />

+<br />

+<br />

O<br />

Agentensteuerung/<br />

Dezentrale Intelligenz<br />

Agentensteuerung/<br />

Dezentrale Intelligenz<br />

- ungeeignet<br />

O teilweise geeignet<br />

+ geeignet<br />

Abb. 1.1. Steuerungsmethoden in Abhängigkeit der Fertigungsstruktur (Fraunhofer IITB,<br />

2005)<br />

1.2.4 Schwachstellen der traditionellen PPS-<strong>System</strong>e<br />

Trotz ausgeklügelter Steuerungsmethoden weist die traditionelle Produktionsplanung<br />

und -steuerung erhebliche Schwachstellen bei der Planung und Terminierung<br />

von Fertigungsaufträgen auf, weshalb ein Trend zu Pull-Ansätzen zu beobachten<br />

ist. Solche Schwachstellen sind u.a.<br />

− Planung mit unsicheren Planvorgaben (Bearbeitungszeiten, Maschinennutzgrad,<br />

etc.),<br />

− zu grobes Planungsraster durch Planung auf Wochen- oder bestenfalls Tagessicht,<br />

− Planung ohne aktualisierten Belastungshorizont,


16 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

− fehlende oder zu späte Rückmeldungen über Auftragsfortschritt, Störungen etc.,<br />

dadurch nur verzögerte Regelungsmöglichkeit,<br />

− unflexibel bei Eilaufträgen und Bedarfs- bzw. Terminänderungen,<br />

− keine Berücksichtigung der tatsächlichen Kapazitätsauslastung.<br />

Aus diesen Strategien ist ein Hang zur Planung, also einem Einbahnstraßenprinzip<br />

ohne Rückkopplung ersichtlich. Transparenz und Reaktionsfähigkeit werden<br />

damit nicht erreicht. Ein Verbesserungsprozess durch bessere Planung muss<br />

an einem bestimmten Punkt prinzipiell enden. Ohne zeitnahe Rückmeldung wird<br />

der Regelkreis, der aus Fertigungsplan und Fertigung gebildet wird, im günstigsten<br />

Falle einmal am Tag durchlaufen, da Eingaben erst geprüft, korrigiert und in<br />

den neuen Plan eingearbeitet werden müssen.<br />

1.2.5 Funktionsebenen<br />

Die im vorigen Abschnitt betrachteten Fertigungsstrukturen und Steuerungsmethoden<br />

koordinieren und organisieren die gehobenen Ebenen eines Fertigungsunternehmens.<br />

Für die weitere Betrachtung ist es sinnvoll, ein solches Unternehmen<br />

in verschiedene Ebenen einzuteilen.<br />

Das Unternehmensmanagement<br />

Die Ebene des Unternehmensmanagements übernimmt natürlich primär kommerzielle<br />

Aufgaben. Aus den Aktivitäten des Vertriebs und der Produktgestaltung ergeben<br />

sich Produktprogrammplanung und die zugehörige Mengenplanung. Ist die<br />

Mengenplanung kunden-, auftrags- oder lagerorientiert abgeschlossen, so erfolgt<br />

die Auftragsfreigabe und darauf hin oder auf auch davon abhängig die Termin-<br />

und Kapazitätsplanung für die Fertigung. In nahezu allen Fällen ist dieser Planungsschritt<br />

eine Grobplanung, das heißt, man betrachtet in einem am Bearbeitungszeitraum<br />

gemessenen groben Raster die zur Verfügung stehenden Kapazitäten<br />

und die auf diesen Kapazitäten zu fertigenden Einheiten. Aus den aus der<br />

Fertigung zurückfließenden Informationen wie Zeiten und Mengen führt das Controlling<br />

Soll-/Ist-Vergleiche durch, woraufhin gegebenenfalls Vorgaben für die<br />

nächste Fertigungsperiode oder für den nächsten Planungsabschnitt geändert werden<br />

können.<br />

Das Fertigungsmanagement<br />

Das Fertigungsmanagement übernimmt die Auftragsbelastung und zugehörige<br />

Termine aus dem Unternehmensmanagement und macht eine Reihenfolge- und<br />

Belegungsplanung. Dieser Planschritt soll als sog. Feinplanung bezeichnet werden.<br />

Hier werden die Aufträge bzw. Arbeitsgänge auf die vorhandenen Kapazitäten<br />

eingelastet, wobei möglichst präzise Starttermine ermittelt und der eigentli-


1.2 Fertigungsstrukturen 17<br />

chen Fertigung vorgegeben werden. In diesem Fertigungsmanagement ist auch die<br />

Erfassung der Fertigungsdaten angesiedelt, mit deren Hilfe man einen zeitnahen<br />

Soll-/Ist-Vergleich zwischen Vorgaben und realen Informationen durchführen<br />

kann.<br />

Auf dieser Ebene werden üblicherweise alle Arten von Ressourcenverwaltungen<br />

durchgeführt. Die Erstellung von Personaleinsatzplänen ist üblicherweise<br />

eine Disziplin des Fertigungsmanagements. Auch die Qualitätssicherung<br />

mit ihren vielfältigen Funktionen, was Datenerfassung und Auswertung betrifft,<br />

sind üblicherweise eine Aufgabe des Fertigungsmanagements.<br />

Die Fertigungsebene (Automationsebene)<br />

Der eigentlichen Fertigung werden nun Maschinen- und Anlagensteuerung sowie<br />

Lagersteuerung zugeordnet. Ebenso sind Transportsteuerung, Instandhaltung und<br />

die eigentliche Herstellung von Waren die Aufgaben der Fertigung. Bei zukünftigen<br />

Betrachtungen wird diese Ebene auch häufig als Automationsebene bezeichnet.<br />

Besonders dann, wenn man sich darauf beschränkt, ein Unternehmen nach IT-<br />

Gesichtspunkten zu beschreiben.<br />

Im Rahmen dieses Buches spielt die Betrachtung des Fertigungsmanagements<br />

eine zentrale Rolle. Hier kreuzen sich in einem Fertigungsunternehmen in entscheidender<br />

Weise Material- und Informationsflüsse. Das Fertigungs-management<br />

trägt auch maßgeblich zur Wertschöpfung bei. An dieser Stelle kann durch ungeeignete<br />

Mechanismen nicht nur kein Geld verdient, sondern vorhandenes Geld<br />

auch leicht vernichtet werden.<br />

Das Fertigungsmanagement bestimmt die logistische Leistungsfähigkeit eines<br />

Unternehmens, besonders im Hinblick auf die Reaktionsfähigkeit auf Markteinflüsse.<br />

In neueren Steuerungsmethoden wird eher dezentralisiert und die Verantwortung<br />

an einzelne Abteilungen delegiert. Hierdurch gewinnt das Fertigungsmanagement<br />

immer mehr an Verantwortung und Bedeutung. Überbetriebliche<br />

Vernetzung im Umfeld von Supply Chain Management erfolgt heute immer mehr<br />

auf der Ebene der eigentlichen Fertigung bzw. des Fertigungsmanagements. Diese<br />

Ebenenbildung soll innerhalb dieses Buches für alle Arten von Fertigungen als<br />

Modell dienen.<br />

1.2.6 Fertigungstypen<br />

Bei den Fertigungsarten sollen drei verschiedene sog. Fertigungstypen unterschieden<br />

werden. Die sog. diskrete oder Werkstattfertigung, die Prozesslinienfertigung<br />

oder Massenfertigung und der Einzelfertiger oder Anlagenbauer. Die Unterscheidung<br />

ist an dieser Stelle wichtig, weil in der Folge dieses Buches gezeigt<br />

werden soll, inwieweit diese Fertigungstypen Bedarf an <strong>MES</strong>-Funktionalität haben.<br />

Die drei Typen sollen hier kurz in ihren Eigenschaften charakterisiert werden.


18 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Diskrete oder Werkstattfertigung<br />

Hier bestehen Fertigungsaufträge aus einer Reihe von Arbeitsgängen, die teilweise<br />

wieder zu Baugruppen zusammengefasst sein können. Der diskrete Fertiger möchte<br />

möglichst kurze und optimale Übergänge zwischen seinen Bearbeitungsstufen<br />

haben. Die Verfügbarkeit von Zwischenprodukten ist eine wichtige Größe, ebenso<br />

das Organisieren dieser Zwischenprodukte in Zwischenlägern. Eine bestimmte<br />

Größe sind hier Ressourcenverfügbarkeiten und vor allem die Flexibilität in der<br />

Abarbeitung von Aufträgen. Unter einem diskreten Fertiger wird hier auch ein Serienfertiger<br />

verstanden.<br />

Prozesslinien oder Massenfertigung<br />

Der Massen-, Prozess- oder Linienfertiger verkettet seine Aggregate und Maschinen<br />

zu Linien, die üblicherweise große Stückzahlen eines Produktes herstellen.<br />

Flexible Veränderungen in der Auftragsabarbeitung sind nur bedingt möglich.<br />

Von zentraler Bedeutung ist die Tatsache, dass eine Linie permanent läuft. Ein<br />

Umplanen von Aufträgen auf andere Ressourcen ist aufgrund der Komplexilität<br />

von Anlagen oft nicht oder nur bedingt möglich. Entsprechend diesen Gegebenheiten<br />

ist bei der Fertigungsplanung auch eine besondere Logik zu berücksichtigen.<br />

Einzelfertigung/Anlagenbau<br />

Der Einzelfertiger oder Anlagenbauer verfügt typischerweise über umfangreiche<br />

Stücklisten, die oft in Inseln oder in besonders gearteten Werkstätten abgearbeitet<br />

werden. Diese Inseln zeichnen eine gewisse Eigenständigkeit aus, so dass sich<br />

zwischen den Inseln teilweise zeitlich unkritische Übergänge ergeben. Abhängig<br />

von den gefertigten Produkten kann ein solcher Fertiger jedoch auch über Serien-<br />

oder Kleinserienfertigung verfügen.<br />

Die im Bild dargestellte Fristigkeit soll qualitativ die unterschiedlichen Zeithorizonte<br />

symbolisieren, in denen die 3 Ebenen ihre Aufgaben wahrnehmen. Die<br />

Spanne reicht dabei von langfristig in der ERP Produktionsprogrammplanung bis<br />

hin zu zeitnah oder online in der Ebene der Automation.


Fristigkeit<br />

ERP / PPS<br />

APS<br />

<strong>MES</strong><br />

Real-Time &<br />

Technologie<br />

Anlagensteuerung<br />

Automatisierung<br />

1.3 Klassische IT-Unterstützung in der Fertigung 19<br />

diskrete<br />

(Werkstatt)<br />

Fertigung<br />

Abb. 1.2. Die drei Haupttypen in der Fertigungsindustrie<br />

Prozess-<br />

Industrie<br />

Linien-,<br />

Massen-<br />

Fertigung<br />

Einzel-<br />

Fertiger,<br />

Anlagenbauer<br />

Jeder dieser Typen verfügt über eine ERP-, eine <strong>MES</strong>- und eine Automatisierungsebene.<br />

1.3 Klassische IT-Unterstützung in der Fertigung<br />

In der IT-Frühzeit wurden Fertigungsunternehmen hauptsächlich durch kommerziell<br />

orientierte <strong>System</strong>e „gesteuert“. Es war ein Riesenfortschritt, die klassischen,<br />

manuell orientierten kommerziellen Dienste zu automatisieren, Buchhaltungen,<br />

Bestände und Auftragseingänge elektronisch zu verwalten. In der nächsten Stufe<br />

dieser Automatisierung konnten einige der oben genannten Fertigungsstrukturen<br />

und Steuerungsmethoden auch mit Hilfe von sog. EDV-<strong>System</strong>en unterstützt werden.<br />

Eine detaillierter Planung von Aufträgen, eine Auflösung der Aufträge in einzelne<br />

Arbeitsgänge oder Arbeitsfolgen, Auflösung von Produkten in einzelne<br />

Baugruppen, waren hier die Meilensteine. Die Verantwortlichen in der Fertigung<br />

wurden mit Listen versorgt, die Absatzplanungen und zu fertigende Kundenaufträge<br />

enthielten. Die Verbräuche an Zeiten, Materialien und sonstigen Ressourcen<br />

wurden aus der Fertigung an das EDV-<strong>System</strong> zurückgemeldet und dort verbucht,<br />

eine aufwändige und fehlerträchtige Methode. Einfacher und besser wurde die


20 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Rückmeldung, als man begonnen hat, die einzelnen Abteilungen, mit dedizierten<br />

Erfassungssystemen auszurüsten. So wurde die PPS-Seite mit einer Betriebsdatenerfassung<br />

versehen, die Personalabteilung mit einer Personalzeiterfassung und die<br />

Qualitätssicherung mit einem sog. CAQ-<strong>System</strong>. Der Aufwand für die Datenerfassung<br />

konnte deutlich reduziert werden und die Aufwände konnten verursachungsgerechter<br />

als vorher einzelnen Produkten oder Fertigungsaufträgen zugeordnet<br />

werden.<br />

Mit diesen Mechanismen hat man jedoch nur den Aufgabenstellungen des Unternehmensmanagements<br />

Rechnung getragen. Das Fertigungsmanagement selbst<br />

wurde nach wie vor mit den entsprechenden Listen, Auftragsbegleitscheinen, Materialbegleitscheinen<br />

usw., versorgt. Die Rückmeldungen mussten zwar nicht<br />

mehr manuell erfasst, plausibilitätsgeprüft und korrigiert werden, standen jedoch<br />

für eine Onlineinformation des Fertigungspersonals nur in ganz geringem Maße<br />

zur Verfügung.<br />

Wie bereits im ersten Abschnitt beschrieben, haben sich die Anforderungen an<br />

die Fertigung in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Kräftige Turbulenz<br />

und der Zwang zur schnellen Wandlung wirken auf den Fertiger ein und erschweren<br />

bei ihm eine Produktion nahe an einem wirtschaftlichen Optimum. Sie verlangen<br />

von ihm ein leistungsfähiges Informationsmanagement. Kann der Fertiger diese<br />

Fähigkeiten nicht schnell genug bereitstellen, resultiert dies in untauglichen<br />

Geschäftsprozessen, die zu mangelhafter Liefertermintreue, zu mangelhaften Lieferzeiten,<br />

zu unbefriedigender Produktqualität, zu langen Durchlaufzeiten und zu<br />

überhöhten Beständen führen. Hierbei haben die ERP-/PPS-<strong>System</strong>e bis heute einen<br />

großen Teil ihrer damaligen Eigenschaften beibehalten. Sie unterstützen z. B.<br />

keine Hierarchisierung und Auftrennung in Ebenen, wie sie durch die unterschiedlichen<br />

Detaillierungsgrade und Fristigkeiten in einer Fertigung benötigt würden.<br />

Der Fokus aller Optimierungen bezieht sich auf die Planung, also das „Einbahnstraßenprinzip“<br />

und vernachlässigt die Steuerungsfähigkeit. Die Regelzyklen eines<br />

ERP-<strong>System</strong>s sind heute immer noch größer als eine Schicht. Der Fertigungssteuerer<br />

vor Ort benötigt jedoch Regelzyklen in der Größenordnung von mehreren<br />

Minuten. Derart schnelle Regelkreise sind in einer ERP-gestützten Fertigungsorganisation<br />

nicht vorhanden. Es herrschen daher offene Steuerketten vor. Die aus<br />

der Produktion zurückfließenden Informationen stehen verarbeitet teilweise erst in<br />

der nächsten Schicht zur Verfügung, so dass sie nicht als Online-Information<br />

durch die Verantwortlichen in der Fertigung verwendet werden können.<br />

In den APS-Funktionen (Advanced Planning and Scheduling) wird ein Teil dieser<br />

Problematik entschärft. Die Regelzyklen dauern hier nicht mehr eine Woche,<br />

sondern können auf ein oder zwei Tage verkürzt werden. Jedoch bleibt auch mit<br />

APS nach wie vor das Problem bestehen, dass Steuerungsmechaniken innerhalb<br />

einer Schicht oder eines Tages nur ganz bedingt möglich sind und dass der Fokus<br />

nach wie vor sehr auf die Belegungsplanung und weniger auf die Steuerung der<br />

Fertigung gerichtet ist.<br />

Vergleichbar mit den APS-Funktionen war die Möglichkeit, die man durch den<br />

Einsatz von Leitständen in der Fertigungssteuerung hatte. Hier konnten Planungen<br />

nicht nur sehr zeitnah, sondern auch in einem gewissen Rahmen technologieorientiert<br />

durchgeführt werden. Ein typischer Leitstand berücksichtigt branchenorien-


1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 21<br />

tierte Besonderheiten, wie zum Beispiel Farbreihenfolge im Spritzguss oder die<br />

Tauglichkeit von Werkzeugen und Maschinenkombinationen, bestimmte Artikel<br />

zu produzieren. Aber auch mit dieser Leitstandstechnik ist nur ein bestimmtes<br />

Maß an Verbesserung zu erreichen. Solange nicht die aktuelle Ist-Situation in die<br />

jeweilige Neuplanung mit einbezogen wird, kann man nicht von einer Steuerung,<br />

sondern nach wie vor nur von einer Planung sprechen. Bezeichnet man die ERPbasierende<br />

Planung als Grobplanung, so erreicht man mit APS bzw. leitstandsorientierten<br />

Planungen eine sog. Feinplanung.<br />

Dedizierte Funktionalitäten, wie sie in der Fertigungssteuerung und im Fertigungsmanagement<br />

gebraucht werden, wie z. B. Online-Darstellung von aktuellen<br />

Zuständen, Darstellung von Nutzungsgraden, Online-Interpretation von erfassten<br />

und unzureichenden Qualitäten, sowie die Darstellung kapitalfressender, fehlerhafter<br />

Zustände fehlen in diesen Konzepten nahezu völlig. Auswertungen, mit denen<br />

man morgen erfährt, was man heute hätte besser machen können, sind nur für<br />

die historische Betrachtung interessant.<br />

An dieser Stelle erhält auch der Begriff „Transparenz“ eine neue Bedeutung.<br />

Mit Transparenz in der modernen Fertigung ist nicht mehr nur gemeint, historisches<br />

lückenlos nachvollziehen zu können und daraus Handlungsempfehlungen<br />

für die Zukunft abzuleiten, Transparenz bedeutet heute auch, zeitnah Realitäten zu<br />

visualisieren, daraus Schlüsse zu ziehen und den Verantwortlichen Empfehlungen<br />

für eine sofortige Abstellung der fehlerhaften Zustände zu vermitteln.<br />

1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>)<br />

1.4.1 Entstehung der <strong>MES</strong>-Idee<br />

Die Anfänge der <strong>MES</strong>-Idee sind in den Datenerfassungsystemen der 80-er Jahre<br />

zu suchen. Die Disziplinen in der Unternehmensführung wie Fertigungsplanung,<br />

Personal und Qualitätssicherung waren mit dedizierten Erfassungssystemen ausgerüstet.<br />

Das folgende Bild zeigt diese Situation: Voneinander fast unabhängige<br />

Aufgabenbereiche sind mit speziellen Erfassungssystemen ausgerüstet.<br />

Mit dem Aufkommen der CIM-Idee (Computer Integrated <strong>Manufacturing</strong>) begann<br />

man die Abhängigkeiten der oben genannten Aufgabenbereiche auch in den<br />

IT-<strong>System</strong>en abzubilden. Man betrachtete Fertigung, Personal und Qualität nicht<br />

mehr als total unabhängig, sondern erlaubte Datenübergänge von der einen Aufgabe<br />

zur anderen. Leider war dieser prinzipiell richtigen Idee keine große Zukunft<br />

beschieden. Durch Bagatellisierung der Problemstellung wurde mit der Zeit jedes<br />

Erfassungsterminal zum CIM-<strong>System</strong> erklärt. CIM hatte damit als Problemlöser<br />

für die Fertigung verspielt.<br />

Die Hersteller von Erfassungssystemen haben Anfang und Mitte der 90-er Jahre<br />

begonnen ihre teilweise spezialisierten <strong>System</strong>e (Personalzeit, BDE, CAQ,<br />

DNC etc.) mit benachbarten Themen aufzurüsten (z. B.: PZE mit BDE, BDE zusammen<br />

mit MDE). Mit einer kleinen Anzahl solcher Kombinationssysteme war


22 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Unternehmensmanagement<br />

PPS TQM Personal<br />

Fertigungsmanagement<br />

Maschinen -und Anlagensteuerung<br />

Abb. 1.3. Jeder Bereich des Unternehmensmanagements hat eine ihm zugeordnete und von<br />

den anderen unabhängige Erfassungsmethodik<br />

ein Erfassungs- und teilweise Auswerte-<strong>System</strong> für viele Bereiche eines Fertigungsunternehmens<br />

schon zu realisieren. Die <strong>System</strong>teile waren jedoch voneinander<br />

unabhängig und nur mit großem Schnittstellenaufwand zu synchronisieren. Im<br />

Laufe der Zeit haben sich 3 Gruppen von Erfassungs-/Auswertesystemen gebildet.<br />

Aus den unabhängigen Erfassungssystemen haben sich Kombinationssysteme gebildet,<br />

die teilweise mehrere Aufgaben erfüllen. Die Funktionalität dieser Kombinationssysteme<br />

zusammengenommen beschreibt heute den Funktionsumfang von<br />

<strong>MES</strong>:<br />

− Für die Belange der Fertigung: BDE, MDE, DNC, Leitstand<br />

− Für die Belange des Personals: PZE, ZKS, PEP<br />

− Für die Belange der Qualitätssicherung: CAQ, Messdatenerfassung.<br />

In der Realität der Fertigung können die 3 genannten Aufgabenbereiche nicht<br />

voneinander unabhängig betrachtet werden. So braucht die Fertigung zum Produzieren<br />

das geeignete Personal und muss über die gefertigte Qualität schnellstmöglich<br />

Bescheid wissen. Tauschen voneinander unabhängige <strong>System</strong>e ihre Daten über<br />

Schnittstellen aus oder wird der Austausch gar über die <strong>System</strong>e der<br />

Unternehmensebene durchgeführt, so geht zuviel Zeit verloren, die eigentlich für<br />

eine effektive Reaktion verfügbar sein sollte. Aus dieser Erkenntnis heraus wurde<br />

die Forderung entwickelt solche <strong>System</strong>e stärker zu vernetzen oder auch horizontal<br />

zu integrieren. Um es vorweg zu nehmen; nur wenige heute am Markt befindliche<br />

<strong>System</strong>e unterstützen diese horizontale Integration.


Leitstand/BDE<br />

APS/Leitstand<br />

Persona/BDE<br />

1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 23<br />

...<br />

ERP<br />

<strong>MES</strong><br />

Automation<br />

Abb. 1.4. Integration der ursprünglich getrennten Erfassungssysteme<br />

...<br />

PPS TQM Personal<br />

BDE/MDE<br />

BDE/MDE/DNC<br />

Qualität<br />

Unternehmensmanagement<br />

Fertigungsmanagement<br />

Maschinen -und Anlagensteuerung<br />

Abb.1.5. Voneinander unabhängige Erfassungssysteme wurden vernetzt, teilweise über<br />

einheitliche Schnittstellen an Unternehmensmanagement und Automation angekoppelt


24 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Vernetzte Erfassungs- und Auswertesysteme bieten die Möglichkeit den Datenaustausch<br />

zum ERP-<strong>System</strong> oder zur Automationsebene zu homogenisieren. Dabei<br />

werden über einheitliche Schnittstellen-Mechanismen die Daten von externen<br />

<strong>System</strong>en übernommen oder übertragen. Innerhalb der Auswertesysteme werden<br />

die werden die Schnittstellendaten gemäß ihrer Bestimmung verteilt. Unter diesen<br />

Randbedingungen der Vernetzung und der einheitlichen Schnittstellentechnik sind<br />

Erfassungssysteme schon nahe an der <strong>MES</strong>-Idee. Solche <strong>System</strong>e unterstützen<br />

dann einen Fertigungsbetrieb bei der Befolgung der sog. 6R-Regel, die lautet:<br />

Ein Produkt wird nur dann wirtschaftlich optimal erstellt, wenn die richtigen<br />

Ressourcen, in der richtigen Menge, am richtigen Ort, zur richtigen<br />

Zeit, mit der richtigen Qualität und zu richtigen Kosten während des gesamten<br />

Geschäftprozesses vorliegen.<br />

Werden die vernetzten Erfassungssysteme durch Elemente der Qualitätssicherung,<br />

des Dokumentenmanagements und der Dokumentenerstellung, sowie der<br />

Performanceanalyse ergänzt, so kann man bereits von einem leistungsfähigen<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sprechen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, in der Fertigung entstehende<br />

Situationen zeitnah und technologieorientiert zu beurteilen. Erst dadurch<br />

wird auf der Basis eines aktuellen Abbildes der Fertigung eine fundierte Fertigungssteuerung<br />

möglich. Die Abbildung 1.6 zeigt den technologie- und situationsabhängigen<br />

Entscheidungsbedarf als Funktion der Bearbeitungszeit. Je näher<br />

der Liefertermin eines Auftrages heranrückt, umso höher ist der Bedarf richtigere<br />

Einscheidung schneller und von verfügbaren Ressourcen abhängig zu fällen. Damit<br />

ist dies dann weniger eine Aufgabe der Planung sondern der kurzfristigen<br />

hoch<br />

Technologieund<br />

Situations-<br />

Abhängigkeit<br />

von<br />

Entscheidungen<br />

niedrig<br />

Beginn der<br />

Berabeitung<br />

ERP <strong>MES</strong><br />

Liefertermin<br />

Abb. 1.6. Abhängigkeit des Steuerungsbedarfs vom der Planungszeit<br />

Zeitverlauf


1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 25<br />

Steuerung, wodurch sich die Verantwortung von der ERP- zur <strong>MES</strong>-Ebene verlagert.<br />

So plant das ERP-<strong>System</strong> am Beginn der Bearbeitung einer Auftragslast nach<br />

einer durchschnittlichen Kapazität. Die Situations- und Technologieabhängigkeit<br />

der Planentscheidungen sind relativ gering. Je näher die Liefertermine einer Auftragslast<br />

heranrücken, umso mehr werden durch unvorhergesehene Störungen Anpassungen<br />

notwendig. Diese Steuerungsfunktion wird, je näher der Liefertermin<br />

heranrückt, immer mehr von Technologie, Situation und Restkapazitäten abhängig.<br />

1.4.2 Aktuelle Standards<br />

Das Thema <strong>MES</strong> wurde von einer Reihe von Institutionen aufgegriffen, die versuchen,<br />

mit Hilfe von Definitionen und Normierungen den Begriff <strong>MES</strong> vor der Bagatellisierung<br />

zu bewahren. Es werden verschiedene Ausprägungen sichtbar, von<br />

denen nur die beiden wichtigsten hier genannt werden sollen: <strong>MES</strong> für die Prozessindustrie<br />

und <strong>MES</strong> für die diskrete Industrie. Im ersten Falle bezieht man Maschinen-<br />

und Anlagensteuerungen sehr stark in das Thema <strong>MES</strong> mit ein. Im zweiten<br />

Falle ist <strong>MES</strong> mehr ein Online-Informationssystem, Rückmelde- und Steuerungssystem<br />

für die Fertigung. Von den genannten Normierungsbemühungen<br />

sollen hier nur einige wenige angesprochen werden:<br />

<strong>MES</strong>A<br />

Die <strong>MES</strong>A (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> Association) trägt das Thema schon<br />

im Namen und ist als erste Organisation, die sich dieses Themas angenommen hat,<br />

wohl auch die Erfahrenste, darüber zu berichten. Die <strong>MES</strong>A geht hier den ganz<br />

pragmatischen Weg und beschreibt zwölf Funktionsgruppen, die für eine effektive<br />

Unterstützung des Fertigungsmanagements notwendig sind. Diese Funktionsgruppen<br />

lauten:<br />

− Feinplanung (Operation/Detail Scheduling)<br />

Reihenfolge und Zeitoptimierung der Aufträge fein abgestimmt auf das Leistungsvermögen<br />

der Maschinen (Performance) und deren Kapazität und der<br />

Ressourcen<br />

− Ressourcen-Management (Resource Allocation & Status)<br />

Verwaltung und Überwachung von Ressourcen, wie Maschinen, Werkzeuge<br />

− Erfassen und Darstellung des aktuellen Status von Ressourcen<br />

− Dokumenten- Management (Document Control)<br />

Verwaltung und Verteilung von Produkt-, Prozess-, Konstruktions-, oder Auftragsinformationen<br />

wie auch qualitätssichernde Arbeitsanweisungen<br />

− Materialmanagement (Dispatching Production Units)<br />

Verwalten der bei der Produktion verwendeten Einsatzstoffe und Zwischenprodukte<br />

teilweise für die Dokumentation von Materialverbräuchen


26 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

− Leistungs-Analyse (Performance Analysis)<br />

Vergleichen und Bewerten von gemessenen und aufgezeichneten Istwerten von<br />

Anlagen oder Bereichen mit Betriebsvorgaben, Kundenvorgaben etc.<br />

− Auftrags Management (Labor-Management)<br />

Steuern und definieren von Arbeitsvorgängen und Arbeitsverteilung auf Arbeitsplätze<br />

und Personal<br />

− Maintenance Management wie Wartung und Service<br />

Planung und Ausführung geeigneter Maßnahmen, damit Maschinen und Anlagen<br />

ihre Leistungsziele erfüllen können<br />

− Prozess-Management ( Process Management )<br />

Steuerung und Leitung des Arbeitsflusses in einer Fertigung gemäß den geplanten<br />

und aktuellen Belastungen und Spezifikationen<br />

− Qualitätsmanagement (Quality Management)<br />

Aufzeichnung, Verfolgung und Analyse des Produktes und des Prozesses und<br />

Verifizierung mit dem Ideal<br />

− Datenerfassung (Data Collection/Acquisition)<br />

Visualisieren, aufzeichnen, sammeln und organisieren von Prozessdaten, von<br />

Material und Rohstoffen, vom Personalhandling, der Maschinenfunktionen und<br />

deren Steuerung<br />

− Produkt-Entstehung und Verfolgung (Product Tracking and Genealogy)<br />

Dokumentierung aller Vorgänge um die Entstehung eines Produktes. Erfassen<br />

der Einsatzstoffe und der Umgebungsbedingungen.<br />

Alle diese Funktionsgruppen zusammen, oder sinnvolle Kombinationen hieraus,<br />

können eine <strong>MES</strong>-Gesamtlösung bilden. Auf der Jahrestagung der <strong>MES</strong>A<br />

2004 in Chicago wurde der Begriff C-<strong>MES</strong> (Collaborative <strong>MES</strong>) geprägt. Die oben<br />

beschriebenen <strong>MES</strong>A-eigenen <strong>MES</strong>-Funktionen wurden umgestaltet und<br />

teilweise zusammengefasst bzw. mit veränderten Bedeutungen versehen. Hier<br />

dient das <strong>MES</strong> nicht nur als Mittler zwischen Automation und Unternehmensmanagement,<br />

sondern es wird auch als Daten- und Informationsdrehscheibe gesehen.<br />

Die <strong>MES</strong>A geht hier soweit, C-<strong>MES</strong> als die Integrationsplattform in einem<br />

Unternehmen zu sehen. Hiernach sind auch betriebswirtschaftliche, technische<br />

und logistische Funktionalitäten nur noch Teilnehmer, die auf die Plattform <strong>MES</strong><br />

zugreifen. Dies ist sicherlich eine sehr weitgehende Interpretation. In einem Fertigungsbetrieb<br />

ist allerdings die Fertigung der zentrale Dreh- und Angelpunkt, so<br />

dass es nicht ganz unsinnig erscheint, alle Dienste um dieses wichtige Thema herum<br />

zu gruppieren. <strong>MES</strong> wird hier nicht nur als Sammlung von Funktionen im Fertigungsmanagement<br />

gesehen, sondern auch als Integrationsdrehscheibe für Informationen<br />

im gesamten Unternehmen. Bei der genannten <strong>MES</strong>A-Tagung wurde<br />

<strong>MES</strong> auch als wichtiges Instrument im Wettbewerb dargestellt. <strong>MES</strong> soll hiernach<br />

seinem Anwender die Vorteile verschaffen, die er benötigt, um im internationalen<br />

Wettbewerb bestehen zu können.


ISA S 95<br />

1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 27<br />

Ein Komitee aus ca. 200 Anwendern und Herstellern hat begonnen, aufbauend auf<br />

dem Stand ISA S 88 den Standard ISA S 95 zu definieren. Ziel ist dabei, zu definieren,<br />

was man unter einem <strong>MES</strong> zu verstehen hat. Hier wurde auch der Begriff<br />

MOS – <strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong> – geprägt. ISA S 95 setzt auf eine 3-<br />

Ebenen-Struktur: Unternehmensmanagement, MOS/<strong>MES</strong> und auf die eigentliche<br />

Automationsebene. Die Automationsebene selbst wird in drei verschiedene Typen<br />

aufgeteilt. Typ 1 ist die sog. „kontinuierliche oder Prozessfertigung“. Typ 2 ist die<br />

sog. „Batch-Fertigung“. Hierunter ist eine chargen- oder losorientierte kontinuierliche<br />

Fertigung zu verstehen. Typ 3 ist die „diskrete Fertigung“, also eine teileorientierte<br />

Fertigung. ISA S 95 beschäftigt sich ausgiebig mit dem Schnittstellenthema<br />

zwischen Ebene 1 und Ebene 2 und definiert diese in Teil 1 und Teil 2 des<br />

Standards. In Teil 3 beschäftigt man sich mit den Aktivitäten innerhalb der Ebene<br />

2, also innerhalb des MOS/<strong>MES</strong>.<br />

Compliance<br />

Focused:<br />

Doc Mgmt.<br />

ISO EH&S<br />

Supply<br />

Customer<br />

Focused:<br />

CRM, Service<br />

Mgmt.<br />

Financial &<br />

Focused:<br />

Performance<br />

Procurement<br />

SCP<br />

Product<br />

Tracking &<br />

Focused:<br />

ERP, BI<br />

Dispatching Genealogy Resource<br />

Production<br />

Allocation<br />

Units<br />

& Status<br />

Labor<br />

Management<br />

c-<strong>MES</strong><br />

Performance<br />

Analysis<br />

Quality<br />

Process<br />

Management<br />

Data<br />

Management<br />

Collection<br />

Controls<br />

PLC, DCS<br />

Acquisition<br />

Logistics<br />

Focused:<br />

TMS, WMS<br />

Abb. 1.7. Die Funktionsstruktur des <strong>MES</strong>A-Modells<br />

Product<br />

Focused:<br />

CAD/CAM<br />

PLM


28 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Hier sieht man als wesentliche Punkte das eigentliche Fertigungsmanagement,<br />

die Datenerfassung, die Schnittstellen zur Automationsebene, Störungsmangement<br />

und den produktionsnahen Statistiken. Die Vorgaben über die Datenstrukturen und<br />

die Datenmodelle sind in S 95 sehr ausgeprägt.<br />

Für die notwendigen Aktivitäten innerhalb des MOS/<strong>MES</strong>-Levels werden Aktivitätsmodelle<br />

definiert. Erste Modellierungen sind bereits verfügbar, z. B. für Instandhaltungsoperationen,<br />

Qualitätssicherungsoperationen oder die eigentlichen<br />

Produktionsvorgänge. Auch für diese Aktivitätenmodelle wird eine sehr klare<br />

Modellstruktur verwendet. Aufgrund dieser sehr prinzipiellen Herangehensweise<br />

an das Thema <strong>MES</strong> ist S 95 eher für große <strong>System</strong>e geeignet, die in mehrfachen<br />

Einsätzen, z. B.: innerhalb eines Konzerns, eine gewisse Standardisierung erfahren<br />

sollen. Für die tägliche Projektarbeit bedeutet die reine Lehre der ISA S 95 eher<br />

ein Ballast, dem schon ein sehr gut definierter Vorteil gegenüberstehen muss, um<br />

die Anwendung dieser reinen Norm zu rechtfertigen. Als Bauanleitung für einige<br />

prinzipielle Grundstrukturen ist die S 95-Denke jedoch geeignet. ISA beschreibt<br />

hier eine 3-Schicht-Architektur und führt neben dem Begriff <strong>MES</strong> auch den Begriff<br />

<strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong> (MOS) ein. Mit Fertigungsarten werden die<br />

diskrete Fertigung, die kontinuierliche Fertigung und die sog. Batch-Fertigung unterschieden.<br />

Unternehmensmanagement<br />

<strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong> (MOS)<br />

<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong> (<strong>MES</strong>)<br />

Batch<br />

Kontinuierlich<br />

Abb. 1.8. Die ISA-3-Schicht Architektur<br />

Diskret<br />

Interface in S95<br />

Part 1 and Part 2<br />

Activities defined in<br />

S95 Part 3


NAMUR<br />

1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 29<br />

NAMUR ist eine Vereinigung von Anwendern, die sich speziell mit den <strong>System</strong>en<br />

in der Prozessindustrie (chemische oder pharmazeutische Industrie) beschäftigt.<br />

Die Empfehlungen der NAMUR basieren auf der Definition ISA S 95. Hier geht<br />

man, über den Standard hinaus, zu konkreteren Definitionen. Es werden Funktionen<br />

und Informationsflüsse beschrieben, wie sie sich besonders in der Prozessindustrie<br />

darstellen. Auch die Trennlinie zwischen der eigentlichen Automationsebene<br />

und dem <strong>MES</strong> ist hier nicht so deutlich ausgeprägt. Dies ist wohl damit zu<br />

begründen, dass in der Prozessindustrie wichtige Teile des Fertigungsmanagements<br />

in der Maschinen- oder Anlagensteuerung selbst abgebildet werden müssen,<br />

um Qualitäts- und Effektivitätsziele zu erreichen.<br />

Bei wenigen großen Anlagen innerhalb eines Betriebes ist auch die Grenze<br />

zwischen Grob- und Feinplanung, oder Mittelfrist- und Kurzfristplanung, nicht so<br />

deutlich zu ziehen, wie in einem werkstattorientierten Produktionsumfeld, wo die<br />

Variationsmöglichkeiten in der Produktion unverhältnismäßig größer sind. Die<br />

NAMUR-Empfehlung ist damit eine gute Handlungsanweisung für den Aufbau<br />

von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en im prozessorientierten Umfeld.<br />

Qualitätsdaten<br />

Qualitätsdaten<br />

Produktionsplan<br />

Produktionsplan<br />

Produktionsdokumentation<br />

Auftrag/ Auftrag/ Ergebnis Ergebnis IPK IPK<br />

Qualitätsmanagement<br />

Produktionsdaten<br />

Produktionsdaten<br />

Produktionsfeinplanung<br />

Auftragsrückmeldungen<br />

Auftragsrückmeldungen<br />

Ressourcenverfügbarkeit<br />

Ressourcenverfügbarkeit<br />

kurzfr. kurzfr. Produktionsaufträge<br />

Produktionsaufträge<br />

Produktionssteuerung<br />

Materialflusssteuerung<br />

Prüfauftrag<br />

Produktionsplan<br />

Produktionsplan<br />

Produktionsbedarf<br />

Produktionsbedarf<br />

dispositive dispositive Bestände Bestände<br />

geplanter geplanter Produktionszugang<br />

Produktionszugang<br />

Einsatzstoffverfügbarkeit<br />

Einsatzstoffverfügbarkeit<br />

Materialbewegungen<br />

Materialbewegungen<br />

Primärbedarf<br />

Primärbedarf<br />

betriebsübergreifende<br />

Produktionsplanung<br />

Einsatzstoffbedarf<br />

Einsatzstoffbedarf<br />

Bestandsführung<br />

(Einsatzstoffe, Produkte)<br />

Abb. 1.9. Die NAMUR-Organisation gibt in ihrer Empfehlung einen sehr detaillierten<br />

Überblick über die Vernetzung von Funktionalitäten, wie sie sich in der Prozessindustrie<br />

darstellen<br />

externe externe Leferungen<br />

Leferungen


30 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

VDI<br />

Der VDI (Verein Deutsche Ingenieure) hat im Jahr 2004 begonnen aus den oben<br />

genannten Normen sowie aktuellen Erkenntnissen und Marktentwicklungen den<br />

Begriff <strong>MES</strong> in einer VDI-Richtlinie zu definieren. Ein besonderes Anliegen dieser<br />

Richtlinie ist es, dem Begriff <strong>MES</strong> eine Bedeutung zu geben, und so seine Erosion<br />

in der Wahrnehmung der Fertigungsindustrie zu verhindern. In dieser Richtlinie<br />

soll beim <strong>MES</strong>-Bedarf und bei den <strong>MES</strong>-Funktionen nach verschiedenen<br />

Fertigungstypen unterschieden werden. Der stark automatisierte Linienfertiger<br />

wird einen anderen Bedarf an Funktionen haben als der Kleinserienfertiger. Die<br />

Richtlinie fragt in ihrem Aufbau nicht primär nach Funktionen, die ein <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> bereitstellen soll, sondern definiert die Aufgaben, die ein <strong>MES</strong> <strong>System</strong> in<br />

einem Fertigungsbetrieb wahrnehmen soll. Bei der Ausgestaltung der Richtlinie<br />

wird besondere Sorgfalt auf die Anwendbarkeit dieser Empfehlung gelegt. Dazu<br />

wird ausdrücklich eine praxisnahe Terminologie verwendet.<br />

Die Aufgaben, die ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> gemäß VDI wahrnehmen kann sind folgende:<br />

− Feinplanung und Feinsteuerung,<br />

− Betriebsmittelmanagement,<br />

− Materialmanagement,<br />

− Personalmanagement,<br />

− Datenerfassung und -verarbeitung,<br />

− Schnittstellenmanagement,<br />

− Leistungsanalyse,<br />

− Qualitätsmanagement,<br />

− Informationsmanagement.<br />

1.4.3 Das ideale <strong>MES</strong><br />

Bei den bisher beschriebenen Aufgaben, die ein <strong>MES</strong> im Kontext von verschiedenen<br />

Steuerungsstrategien und verschiedenen Typen von Fertigern erfüllen sollte,<br />

stellt sich die Frage nach dem idealen <strong>MES</strong>. Gibt es überhaupt ein ideales <strong>MES</strong>?<br />

Über alle Fertigungsindustrien hinweg ist diese Frage sicherlich nicht mit „ja“<br />

zu beantworten. Es soll jedoch versucht werden, für das Umfeld einer diskreten<br />

Fertigung bzw. auch einer losorientierten Fertigung Funktionalitäten zu skizzieren,<br />

die ein <strong>MES</strong> idealerweise haben sollte. Der „Arbeitsbereich“ eines <strong>MES</strong> erstreckt<br />

sich naturgemäß vom Interfacing mit den Anwendungen des Unternehmens-<br />

Managements bis hin zu den tiefsten Tiefen der Datenerfassung, der Kommunikation<br />

mit industriellen <strong>System</strong>en und Bereitstellen von Daten für Maschinensteuerungen<br />

oder Beeinflussung der Maschinensteuerungen direkt. Dieses breite Arbeitsfeld,<br />

das nicht nur eine umfangreiche Thematik überstreicht, sondern das<br />

auch verschiedene Zeitebenen von Tagen und Wochen bis hin zu Sekunden abdecken<br />

muss, erfordert auch eine gestufte Betrachtung der einzelnen Funktionalitäten.<br />

Die Betrachtung lässt sich dabei in folgende Bereiche einteilen:


1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 31<br />

− die Funktionalitäten eines <strong>MES</strong> selbst,<br />

− Kommunikation mit den Anwendungen des Unternehmensmanagements,<br />

− Kommunikation mit dem Fertigungsumfeld.<br />

Ein PPS umfasst in der Regel drei Funktionsgruppen: Fertigung, Qualität und<br />

Personal. Innerhalb dieser Funktionsgruppen gibt es leistungsfähige Module, die<br />

je nach Bedarf eingeführt und benutzt werden können. Ein Basissystem stellt die<br />

zeitnahe Verknüpfung aller Module untereinander sicher und stellt weiterhin modulübergreifende<br />

Funktionalitäten zur Verfügung. Eine weitere wichtige Funktion<br />

ist die der Informationsdrehscheibe.<br />

Waagen<br />

ERP QM Personal<br />

Fertigung<br />

BDE, MDE,<br />

Leitstand, DNC,<br />

WRM, MPL<br />

......<br />

Maschinenkopplung<br />

Abb. 1.10. <strong>MES</strong> Funktionsgruppen<br />

Qualität<br />

REK, SPC,<br />

WE/WA,<br />

PMV, PDV<br />

.......<br />

ESK<br />

Meßmittel<br />

Personal<br />

PZE, PEP,<br />

LLE<br />

ZKS<br />

......<br />

Industrielle<br />

Bussysteme<br />

Terminals<br />

Analog zu diesen Funktionsgruppen im PPS/ERP-<strong>System</strong> gliedert sich ein <strong>MES</strong><br />

ebenfalls in drei Funktionsgruppen. Das sind erstens die Funktionalitäten für die<br />

Fertigung, die Funktionalitäten für die Qualität und die Funktionalitäten für die<br />

Personaldisposition. Um diese Funktionen nicht allzu abstrakt erscheinen zu lassen,<br />

werden hierfür die Beschreibung und teilweise die Bezeichnung der klassischen<br />

Definitionen der Module herangezogen, aus denen sich <strong>MES</strong> entwickelt hat.<br />

Funktionsgruppe Fertigung<br />

Die Funktionsgruppe „Fertigung“ kann die folgenden Module enthalten:<br />

− BDE – Betriebsdatenerfassung<br />

Hier werden auftrags- und personenbezogen Zeiten und Mengen erfasst. Bei<br />

den Mengen wird zwischen Gutstück und Ausschuss sowie Ausschussarten un-


32 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

terschieden. Ebenso ist es möglich, direkt Materialverbräuche und Abnutzungen<br />

von Betriebsmitteln oder Hilfsstoffen zu erfassen und den Aufträgen zuzuordnen.<br />

Die über Schichten, Tage oder Wochen kumulierten Daten werden entsprechend<br />

aufbereitet und den Anwendungen des Unternehmensmanagements<br />

zur Verfügung gestellt. Für die Organisation in der Fertigung können detailliertere<br />

und zeitnahe Darstellungen und Auswertungen parallel dazu erstellt werden.<br />

− MDE – Maschinendatenerfassung<br />

Hier werden Maschinen oder sonstige betriebliche Ressourcen verwaltet. Über<br />

eine umfangreiche <strong>System</strong>atik können Zustandsdaten manuell und automatisch<br />

erfasst werden und diese Ressourcen oder Ressourcengruppen zugeordnet werden.<br />

Die Daten können dann dabei nicht nur von typischen Terminals sondern<br />

auch von industriellen Bussystemen angeliefert werden. Auch automatisierte<br />

Mengenerfassung über Zähler, über Waagen und vergleichbare Einrichtungen<br />

sollen an dieser Stelle unterstützt werden. Die erfassten Daten können dann in<br />

verdichteter Form dem Unternehmensmanagement für Effektivitätsaussagen<br />

zur Verfügung gestellt werden, erlauben aber auch in detaillierter Form eine<br />

Schwachstellenanalyse innerhalb der Fertigung.<br />

− Leitstand, Plantafel<br />

Diese Funktionalitäten sind heftig diskutiert. Einerseits bieten ERP-<strong>System</strong>e<br />

über APS-Funktionen Planungsmöglichkeiten innerhalb einer Schicht an. Bei<br />

den Leitstands- und Plantafelmodulen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s liegt der Fokus noch<br />

mehr im Erstellen von technisch machbaren Plänen, wobei die Machbarkeit<br />

auch aus einer aktuellen Situation heraus beurteilt werden sollte. Pläne zu machen,<br />

deren Eintrittswahrscheinlichkeit relativ gering ist, ist Verschwendung.<br />

Daraus folgt, je detaillierter und genauer geplant werden muss, umso mehr<br />

muss der Plan auf aktuelle Situationen bezogen werden. Hier sollten die Feinplanungsmodule<br />

eines <strong>MES</strong> einfach zu bedienende manuelle Eingriffe und eine<br />

Unterstützung bei vollautomatischer Belegung wie auch bei Simulation und<br />

Optimierung bieten.<br />

− WRM, DNC – Werkzeug- und Ressourcenmanagement und Einstelldatenübertragung<br />

Ein <strong>MES</strong> sollte Werkzeuge und sonstige Fertigungshilfsmittel technisch orientiert<br />

verwalten können. Es geht dabei weniger um die Inventarisierung, wie sie<br />

im Bereich des Unternehmensmanagements notwendig und üblich ist, es geht<br />

hier vielmehr um den technischen Zustand der Betriebsmittel, um aktuelle Verfügbarkeiten,<br />

um das Verwalten von Kompatibilitäten zu Maschinen und die<br />

qualitative Beurteilung dieser Hilfsmittel. Aus der direkten Nähe zur Maschinendatenerfassung<br />

ergeben sich hier auch Möglichkeiten der präventiven Wartung<br />

und damit einem effektiven Mittel, um unvorhergesehene Stillstände reduzieren<br />

zu können.


1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 33<br />

− MPL – Material- und Produktionslogistik<br />

Ein besonders wichtiger Punkt in der Fertigung sind die im Umlauf befindlichen<br />

oder in Zwischenlagern gelagerten Materialien. Hier hilft ein Modul Material-<br />

und Produktionslogistik (MPL) den Überblick zu bewahren und fällige<br />

Transportvorgänge rechtzeitig anzustoßen. Eine solche Funktion sollte nicht<br />

mit einer Lagerverwaltung verwechselt werden. Hier geht es ausschließlich um<br />

WIP (Work in Progress), also die Materialien, die sich außerhalb der klassischen<br />

Lager in Umlauf befinden. MPL liefert aktuelle im Umlauf befindliche<br />

Mengen.<br />

Funktionsgruppe Qualität<br />

Die Funktionsgruppe Qualität im Sinne einer operativen Qualitätssicherung sollte<br />

nicht verwechselt werden mit einem Qualitätsmanagement, wie es beispielsweise<br />

die großen ERP-<strong>System</strong>e bieten und die darunter ein unternehmensweit planendes<br />

und verwaltendes Qualitätsmanagement verstehen.<br />

− SPC – (Statistische Prozessregelung)<br />

Hier geht es um das Ankoppeln von Messmitteln, um das konkrete Erfassen<br />

von Messwerten, der Online-Vergleich der gemessenen Werte mit einem Sollwert<br />

und der direkten Ausgabe von Warnungen, falls die beiden Werte über ein<br />

geeignetes Maß hinaus differieren. SPC speichert natürlich diese Stichproben<br />

und erlaubt es, gewisse Trends zu verfolgen und diese Trends auch direkt online<br />

in der Fertigung anzuzeigen und damit vielleicht fehlerhafte Produktionen<br />

zu vermeiden.<br />

− REK – Reklamationsmanagement<br />

Hier werden reklamierte Produkte nach technischen Gesichtspunkten, nach den<br />

Herstellbedingungen und nach den Einsatzstoffen zurückverfolgt. Über eine<br />

Maßnahmensystematik werden Gegenmaßnahmen eingeleitet und verfolgt.<br />

− WEK – Wareneingang<br />

Unter Wareneingang und Warenausgang (WE/WA) ist hier nun weniger das<br />

Rating von Lieferanten zu verstehen, wie dies im QM üblich ist, sondern hier<br />

geht es um die konkrete Erfassung von angelieferten Waren bzw. von ausgelieferten<br />

Waren, das Verifizieren von Chargennummerierungen und auch hier<br />

wieder eine Online-Alarmierung, falls die Vorgabewerte verletzt werden.<br />

− PMC – Prüfmittelverwaltung<br />

Die Prüfmittelverwaltung ist direkt vergleichbar mit dem WRM aus der Funktionsgruppe<br />

„Fertigung“. Hier werden Prüfmittel und Messmittel verwaltet.<br />

Hier wird sichergestellt, dass sie den geforderten Normen genügen und dass sie<br />

für die entsprechenden Prüfungen auch eingesetzt werden können. Diese Informationen<br />

müssen natürlich während des Prüfvorgangs auch direkt abrufbar<br />

zur Verfügung stehen.


34 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

− PDC – Prozessdatenverarbeitung<br />

Eine Besonderheit in diesem Kontext ist das Modul Prozessdatenverarbeitung.<br />

Hier trägt man der Überlegung Rechnung, dass Qualität nicht nur eine Eigenschaft<br />

des Produktes ist, sondern dass Qualität auch von den Produktionsumständen<br />

abhängt. Hier kann z. B. die bei der Produktion verwendeten Drücke<br />

und Temperaturen für die Qualität ausschlaggebend sein, deshalb sollte ein<br />

<strong>MES</strong> auch hier die Möglichkeit haben, Prozesswerte direkt zu erfassen und gegenüber<br />

Toleranz- bzw. Eingriffsgrenzen zu verifizieren und bei Fehlern auch<br />

konkrete Gegenmaßnahmen zu empfehlen.<br />

Funktionsgruppe Personal<br />

− PZE – Personalzeiterfassung<br />

Die Funktionsgruppe „Personal“ ist aus der Historie heraus immer sehr nahe<br />

am Unternehmensmanagement angehängt. Für die Personaldisposition und die<br />

Personalverwaltung in der Fertigung ergibt sich eine Reihe von eleganten Vereinfachungen,<br />

wenn das fertigungsnahe Personalhandling im <strong>MES</strong> abgebildet<br />

wird. Das Modul Personalzeiterfassung erfasst die Kommt- und Geht-Daten<br />

sowie die Abwesenheitszeiten und kann soweit sinnvoll auch monatsbezogene<br />

Zeitkonten führen. Diese Vorgehensweise ist besonders dann ideal, wenn in<br />

Fertigungen (was sehr häufig der Fall ist) Personalkapazitäten eine wichtige<br />

Rolle spielen und diese Personalkapazitäten zeitnah disponiert werden müssen.<br />

− LEE – Leistungslohnermittlung<br />

Die PZE im <strong>MES</strong> spielt dann ihre Stärken aus, wenn es um die Realisierung<br />

von Prämiensystemen geht. Hier kann das Modul Leistungslohnermittlung<br />

durch die direkte Nähe zur Betriebsdatenerfassung sehr effektiv die Verbindung<br />

von Anwesenheits- zu Auftragszeiten herstellen und damit eine Berechnung<br />

von Leistungsgraden sehr vereinfachen.<br />

− PEP – Personaleinsatzplanung<br />

Das Modul Personaleinsatzplanung bietet die Möglichkeit, ähnlich wie die<br />

Plantafel in der Funktionsgruppe Fertigung, eine Übersicht über das aktive Personal<br />

zu behalten und elegant oder auch mit Hilfe von Automatismen entsprechende<br />

Einsatzpläne zu erstellen, die sich an der Belastungssituation einer Abteilung<br />

oder des Unternehmens oder des Werkes orientieren. Auch hier gilt<br />

wieder: kurzfristig wirksame Pläne können nur effektiv auf Basis eines aktuellen<br />

Fertigungsabbildes erstellt werden.<br />

− ZKS – Zutrittskontrolle<br />

Hat man im <strong>MES</strong> eine PZE integriert, so kann man als einfachen Nebeneffekt<br />

auch die Zutrittskontrolle in der Fertigung über das Modul ZKS realisieren.<br />

− ESK – Eslakationsmanagement<br />

Im Gesamtkonzept eines <strong>MES</strong> lassen sich weitere Mechaniken verankern, um<br />

zeitnah agieren zu können und automatisch bei Verletzung von Grenzwerten


1.4 <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>e (<strong>MES</strong>) 35<br />

(hier im weitesten Sinne gemeint sind Qualitäten, Nutzungsgrade, Stillstände<br />

usw.) entsprechende Eskalationen oder Alarmierungen ermöglichen und damit<br />

das Andauern von fehlerhaften Zuständen deutlich verringern. Ein Eskalationsmanagement<br />

(ESK) unterstützt hier das Fertigungscontrolling und die operative<br />

Ebene.<br />

1.4.4 Technische Voraussetzungen<br />

Datenhaltung<br />

Die Datenhaltung eines <strong>MES</strong> sollte immer auf dem technisch neuesten Stand sein<br />

und in standardisierten Datenbanken erfolgen. Ein besonders wichtiger Punkt ist<br />

die Anpassbarkeit eines <strong>MES</strong>. Fertigungen sind vielfältig strukturiert. Die Abläufe<br />

in verschiedenen Fertigungen haben ein sehr breites Spektrum. Ein Standard kann<br />

kaum so mächtig sein, dass man über Parameter alle erdenklichen Veränderungen<br />

vornehmen kann. Auch muss die Komplexität einer Parametrierung überschaubar<br />

sein. Der goldene Mittelweg ist hier eine Parametrierung, die vom Anwender noch<br />

durchgeführt werden kann gepaart mit der Möglichkeit, mit geeigneten Hilfsmitteln<br />

Verarbeitungen zu steuern und eigene Applikationen zu entwickeln. Hier<br />

kann der heutige Anwender einen Solution Designer in einem <strong>MES</strong> erwarten, der<br />

ihm die Möglichkeit gibt, in verschiedenen Levels eigene Applikationen zu entwickeln<br />

und diese in das Menüsystem einzubinden. Über einfache Befehlszeilen<br />

sollte der Anwender auch die Möglichkeit haben, Verarbeitungen im <strong>MES</strong> zu beeinflussen,<br />

um seine Ergebnisse möglichst effektiv zu erhalten. Auf der Darstellungsseite<br />

sollten natürlich gut parametrierte Auswertungen performant zur Verfügung<br />

stehen. Diese Auswertungen sollten auch in einem vernünftigen Rahmen<br />

userspezifisch einstellbar sein.<br />

Kommunikation zum Unternehmensmanagement<br />

Ein <strong>MES</strong> muss über entsprechende Schnittstellen verfügen, die standardmäßig mit<br />

den gängigsten ERP-, Personal- und QM-<strong>System</strong>en am Markt kommunizieren<br />

können. Für alle die Fälle, bei denen es sich eher um untypische Produkte handelt,<br />

sollte ein <strong>MES</strong> leicht parametrierbare Schnittstellen zur Verfügung haben, die<br />

leicht einstellbar sind.<br />

Kommunikation zum Fertigungsmanagement<br />

Das heutige Fertigungsumfeld bietet natürlich eine breite Palette von Produktionseinrichtungen,<br />

von dem ein <strong>MES</strong> Daten abgreifen muss und umgekehrt auch Daten<br />

für die Beeinflussung dieses Umfeldes bereitstellen muss. Die Kopplung zu<br />

Maschinen und Waagen werden benutzt, um Mengen, Qualitäten und auch<br />

Schwachstellen zu erfassen. Hier werden entsprechende Bibliotheken vorgehalten,<br />

die den einfachen Anschluss auch an nicht standardisierte Produkte erlauben. Immer<br />

mehr Maschinen- und Bearbeitungszentren von Herstellern werden über eige-


36 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

ne industrielle Bussysteme gekoppelt. Ein <strong>MES</strong> verfügt über die entsprechenden<br />

Kommunikationsbausteine, um die gewünschten Daten aus diesen Bussystemen<br />

auszulesen. Wesentliche Schlagworte, die auch in den folgenden Kapiteln behandelt<br />

werden, sind hier OPC und beispielsweise EuroMap 63, sowie herstellerspezifische<br />

<strong>System</strong>e.<br />

Erfassungsterminals spielen in <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en eine sehr wichtige Rolle. Sie<br />

waren in der Vergangenheit reine Erfassungsgeräte, werden heute immer mehr<br />

auch zu Informationsmedien. Ein leistungsfähiges <strong>MES</strong> sollte daher sowohl einfache<br />

Eingabegeräte unterstützen wie auch PC-basierte Eingabe- und Informationsstationen.<br />

Bei komplexeren Terminals und PC-basierten <strong>System</strong>en kann der Anwender<br />

heute eine leicht zu bedienende Informations- und Erfassungsoberfläche<br />

erwarten und auch eine Plausibilitätsprüfung, die direkt bei der Eingabe fehlerhafte<br />

Zustände oder Eingaben signalisiert. Die PC-Funktionalität wird hier auch dazu<br />

benutzt, um alles das was heute noch in großem Maße in Papierform durch die<br />

Fertigung transportiert wird, direkt auf elektronischem Wege zu übermitteln.<br />

Die hier dargestellten Funktionsgruppen und einzelnen Module sind modellhaft<br />

zu verstehen, stellen aber heute einen Großteil dessen dar, was ein leistungsfähiges<br />

<strong>MES</strong> dem Anwender bieten sollte. An dieser Stelle kommt auch noch ein<br />

wichtiger Punkt zum Tragen: Ein <strong>MES</strong> sollte bausteinartig aufgebaut sein, so dass<br />

man mit der Einführung nach Bedarf beginnen und in den Funktionalitäten leicht<br />

voranschreiten kann.<br />

1.5 Vertikale und Horizontale Integration<br />

Aus der Ebene der Automation und dem ERP ergab sich in der Vergangenheit automatisch<br />

ein Zweischichtmodell. Der Austausch von Informationen zwischen den<br />

zwei Schichten erfolgte meist manuell.<br />

Die Verbindung zwischen den Ebenen des Unternehmensmanagements und der<br />

Fertigung war damit eine sehr indirekte und die Kommunikationszyklen auf ein<br />

Raster von mehreren Tagen ausgelegt. Mit der Entwicklung des <strong>MES</strong>-Gedankens<br />

wurde auch das Fertigungsmanagement, von der IT-Seite her betrachtet, eine ausgeprägte<br />

Disziplin. Den drei Ebenen Unternehmensmanagement, Fertigungsmanagement<br />

und Fertigung können nun recht konkrete zeitliche Aktionsradien zugewiesen<br />

werden. Das Unternehmensmanagement handelt mit ERP bzw. PPS eher<br />

langfristig in Rastern von Wochen und Monaten. Die Fertigungsgrobplanung ist<br />

im mittelfristigen Bereich von Wochen und Tagen anzusiedeln. Die Feinplanung,<br />

oder auch Belegungsplanung genannt, agiert kurzfristig in Tagen und Schichten.<br />

Entscheidungen innerhalb des Fertigungsmanagements müssen in Schichten bis<br />

Minuten gefällt werden und die Automation mit Maschinen- und Anlagensteuerung<br />

muss natürlich innerhalb von Minuten bis Sekunden reagieren.<br />

Das zugehörige Bild symbolisiert eine Regelcharakteristik innerhalb der verschiedenen<br />

Ebenen, wobei die Regelzyklen in den genannten zeitlichen Rastern<br />

ablaufen. Exakte Trennlinien sind zwischen den drei Ebenen eines Fertigungsunternehmens<br />

naturgemäß nicht zu ziehen. So befinden sich zwischen ERP und <strong>MES</strong>


1.5 Vertikale und Horizontale Integration 37<br />

die Funktionen des APS (Advanced Planning and Scheduling), die je nach Fertigungstyp<br />

mehr zu ERP oder mehr zu <strong>MES</strong> hin tendieren.<br />

Ebenso ungenau ist die Trennung zwischen <strong>MES</strong> und Automation. Allein durch<br />

Funktionen wie Datenerfassung und Einstelldatenübertragung ergibt sich eine enge<br />

Verknüpfung zwischen den beiden Ebenen, die dennoch als separate Ebene betrachtet<br />

werden sollten und eher eine dispositive und eine technische realisierende<br />

Charakteristik haben.<br />

In den ersten Abschnitten dieses Kapitels wurden drei verschiedene Fertigungstypen<br />

betrachtet. Abbildung 1.11 zeigt in qualitativer Weise die Frage beantworten<br />

„Wie viel <strong>MES</strong> braucht jeder Fertigungstyp?“.<br />

Wie bereits beschrieben, sind in den Überlappungsbereichen der drei Unternehmensebenen<br />

die Funktionalität des APS und der Anlagensteuerung angesiedelt.<br />

In der Abgrenzung zwischen ERP- und <strong>MES</strong>-Funktionalitäten kann hier zur<br />

Verdeutlichung noch dargestellt werden, dass <strong>MES</strong> eher technologieorientiert und<br />

zeitnah agiert, während die Aktivitäten im ERP eher kommerziell und mittelfristig<br />

angelegt sind.<br />

Die drei <strong>MES</strong> Ebenen eines Fertigungsunternehmens arbeiten zudem mit völlig<br />

unterschiedlichen Zeithorizonten. Sie sind innerhalb dieser Zeithorizonte eigenständige<br />

Regelsysteme, deren Regelzyklus an den Horizonten orientiert.<br />

Aus der Definition eines diskreten Fertigungstyps ergibt sich, dass in den Abläufen<br />

sehr viele Freiheitsgrade existieren, über die ein Fertigungsauftrag durch<br />

die Produktion geschleust werden kann. Freiheitsgrade bedeuten natürlich auch<br />

viele Möglichkeiten von langen Transferzeiten, Wartezeiten und uneffektiven<br />

Auftragsreihenfolgen. Hier sind situations- und technologieorientierte Planungs-<br />

ERP / PPS<br />

Fertigungsmanagement<br />

Automation<br />

Zeithorizonte<br />

Abb. 1.11. <strong>MES</strong> Durchdringungsbedarf im Unternehmen<br />

Langfristig z. B.Monate, Wochen<br />

mittelfristig z. B. Wochen, Tage<br />

kurzfristig Tage, Schichten<br />

zeitnah Schichten, Minuten<br />

online Minuten, Sekunden


38 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

hilfen notwendig, die dem Fertigungsmanagement kurzfristige und optimale Reaktionen<br />

auf Störungen ermöglichen. Ein <strong>MES</strong> deckt an dieser Stelle einen Teil der<br />

APS-Funktionalitäten mit ab. An der Grenzlinie zur Automation erlaubt das <strong>MES</strong><br />

den direkten Datenabgriff innerhalb der Fertigung.<br />

Etwas anders stellt sich die Situation bei Massen- und Linienfertigung dar. Hier<br />

wird der Unterschied zwischen Grob- und Feinplanung geringer ausfallen, als in<br />

der diskreten Fertigung. Relativ lang laufende Aufträge, große Umrüstzeiten verbieten<br />

kurzfristige Reaktionen und verlangen damit automatisch mittelfristige Fertigungspläne.<br />

Ein Großteil der kurzfristigen Aktivitäten wird innerhalb der Automationsebene,<br />

also in der Maschinen- und Anlagensteuerung, abgehandelt. Bei<br />

diesem Fertigungstyp wird der Bereich Automation sehr mächtig ausgebaut sein.<br />

Damit reduziert sich der dispositive Teil des <strong>MES</strong> auf einen relativ schmalen Bereich,<br />

der sich auf kurzfristige und technologieorientierte Situationsdarstellung<br />

und Auswertungen über Zeiten, Störungen und Qualitäten beschränkt.<br />

Für den Einzelfertiger ist die Auflösung von großen Stücklisten das bestimmte<br />

Thema. Lang laufende Aufträge bestimmen sein Geschäft. Hier wird eine kurzfristige,<br />

reaktive Feinplanung nur in den Serienbereichen von Nöten sein. Ein Großteil<br />

der Automation wird auch in diesen Bereichen stattfinden. Natürlich abgesehen<br />

von komplexen Bearbeitungszentren, an denen umfangreiche Bearbeitungen<br />

an einzelnen Teilen vorgenommen werden. Hier wird sich der <strong>MES</strong>-Part auf den<br />

Bereich der Kleinserienanteile beschränken und auf Zeiterfassung bzw. Projektzeiterfassung<br />

innerhalb des eigentlichen Anlagenbaus.<br />

Fristigkeit<br />

ERP/PPS<br />

APS<br />

<strong>MES</strong><br />

Real-Time &<br />

Technologie<br />

Anlagensteuerung<br />

Automatisierung<br />

Abb. 1.12. <strong>MES</strong>-Bedarf nach Fertigungstypen<br />

diskrete<br />

(Werkstatt)<br />

Fertigung<br />

Prozess-<br />

Industrie<br />

Linien-<br />

Fertigung<br />

Anlagenbauer


1.5 Vertikale und Horizontale Integration 39<br />

Verschiedene Fertigungstypen benötigen verschiedene <strong>MES</strong>-Funktionalitäten<br />

und benötigen auch verschieden mächtige <strong>MES</strong>-Ausprägungen. Abbildung 1.12<br />

zeigt, inwieweit <strong>MES</strong>-Funktionen von ERP bzw. Automation abgedeckt oder in<br />

diese Bereiche hineinragen können.<br />

Mit der beschriebenen 3-Ebenen-Struktur wurde es möglich, mit <strong>MES</strong> als Bindeglied<br />

zwischen Unternehmensmanagement und Fertigung eine durchgängige,<br />

vertikale Integration zu realisieren. In der IT-Welt sind nach einem solchen Modell<br />

nun keine Medienbrüche mehr notwendig, die durch langwierige und zeitversetzte<br />

manuelle Aufschreibungen und Datenerfassungen einen zeitnahen Informationsaustausch<br />

verhindern. Über das <strong>MES</strong> kann die ERP-Ebene nun die Fertigung<br />

zeitnah mit aktuellen Informationen versorgen. Das ERP erhält via <strong>MES</strong> korrekt<br />

aufbereitete Informationen zum richtigen Zeitpunkt zurück. Allerdings liefert das<br />

<strong>MES</strong> an dieser Stelle dem Fertigungsmanagement zeitnah technologie- und situationsorientiert<br />

die Informationen, die notwendig sind, um rechtzeitig auf fehlerhafte<br />

Zustände zu reagieren bzw. Fehlerzustände so kurz wie möglich zu halten.<br />

Trotz der engen Kopplung durch die vertikale Integration sind die drei Zeitebenen<br />

soweit entkoppelt, dass jede Ebene korrekt agieren kann und das Gesamtunternehmen<br />

dennoch die Zeitbereiche von langfristig bis online abbilden kann.<br />

Unternehmens-<br />

Management<br />

Fertigungs-<br />

Management<br />

Fertigung, Automation<br />

Abb. 1.13. Die vertikale Integration stellt sicher, dass die verschiedenen Unternehmensebenen<br />

zeitgerecht (so wie sie dies benötigen) über Informationen aus den jeweils anderen<br />

Ebenen versorgt werden<br />

Die Betrachtungen, die aktuell über die vertikale Integration angestellt werden,<br />

zeigen, wie wichtig die Rolle des <strong>MES</strong> in der Architektur eines Unternehmens ist.<br />

Innerhalb des Fertigungsmanagements, also im Bereich des <strong>MES</strong>, gibt es gemäß<br />

obiger Darstellung drei Funktionsgruppen: Fertigung, Personal und Qualität. Diese<br />

Funktionsgruppen sind in den wenigsten Fällen voneinander unabhängig. Zum<br />

Fertigen wird zum richtigen Zeitpunkt das geeignete Personal benötigt, die teure


40 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Ressource Mensch soll möglichst effektiv an der richtigen Stelle eingesetzt werden.<br />

In der Fertigung fallen Teile mit verschiedenen Qualitäten an, die geprüft<br />

werden müssen. Allein diese kurze Aufzählung zeigt, dass das Fertigungsmanagement,<br />

soll es effektiv funktionieren, alle drei Funktionsgruppen mehr oder<br />

minder simultan bedienen muss. Daraus entsteht die Forderung, dass diese drei<br />

Funktionsgruppen sehr eng gekoppelt werden müssen. Das IT-<strong>System</strong>, das diese<br />

Funktionalitäten abbildet, sollte demzufolge möglichst einheitlich agieren und auf<br />

einem einzigen Datenbestand aufsetzen. Damit werden Doppelerfassungen, redundante<br />

Stammdaten und Bewegungsdaten vermieden.<br />

Diese sog. horizontale Integration ist damit eine wesentliche Voraussetzung,<br />

dass ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> das Fertigungsmanagement effektiv unterstützt. Obige Betrachtungen<br />

zeigen, wie wichtig dieser Integrationsmechanismus <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> für<br />

die vertikale Integration in einem Fertigungsunternehmen ist. Vertikale Integration<br />

ist eine wesentliche Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige Zukunft in einem<br />

Fertigungsbetrieb.<br />

Unternehmens-<br />

Management<br />

Fertigungs-<br />

Management<br />

Fertigung, Automation<br />

Abb. 1.14. Die vertikale Integration ist wichtig für die effektive Funktion des Gesamtunternehmens.<br />

Die horizontale Integration im <strong>MES</strong>-Bereich ist eine besondere Ausprägung der<br />

Realisierung. Die horizontale Integration gestattet ein effektives Arbeiten mit den verschiedenen<br />

Funktionsgruppen eines <strong>MES</strong><br />

1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen<br />

1.6.1 Organisatorische Voraussetzungen<br />

Der Einsatz eines <strong>MES</strong> im Unternehmen hängt weniger von der Unternehmensgröße<br />

oder Branche ab, sondern vielmehr von der Fertigungsstruktur (Werkstattfertigung,<br />

Fertigungssegmente, Linien-/Fließfertigung, etc.) und der Fertigungsart


1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen 41<br />

(Einmalfertigung, Einzel- und Kleinserienfertigung, Serienfertigung, Massenfertigung).<br />

Während man mit einem <strong>MES</strong> im Fall einer mehrstufigen Werkstattfertigung<br />

(Dreherei, Fräserei, Galvanik, etc.) hauptsächlich das Zusammenspiel<br />

der einzelnen Bearbeitungsschritte untereinander und damit den Auftragsdurchlauf<br />

verbessern wird, liegt der Schwerpunkt im Fall einer Massenfertigung<br />

sicherlich bei der Erhöhung des Nutzgrads einzelner Fertigungslinien. Durch ihren<br />

modularen Aufbau lassen sich <strong>MES</strong> leicht an die jeweilige Fertigungsumgebung<br />

und Aufgabenstellungen anpassen. Im Rahmen eines geplanten <strong>MES</strong> Projekts gilt<br />

es daher, zunächst einmal zu überprüfen, welche Ausgangssituation (Fertigungsstruktur<br />

und -art) vorliegt. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, wie die momentane<br />

Produktionsplanung und -steuerung realisiert ist und wie diese durch <strong>MES</strong> Funktionalitäten<br />

erweitert werden kann.<br />

1.6.2 Technische Voraussetzungen<br />

Zur technischen Einbindung eines <strong>MES</strong> im Unternehmen bedarf es eines Unternehmensnetzwerks<br />

(LAN), über das die Managementebene, das Fertigungsmanagement<br />

und die eigentliche Fertigung kommunizieren. <strong>MES</strong> Server und –<br />

Clients können so in das Unternehmensnetzwerk integriert werden. Der Datenaustausch<br />

mit übergeordneten Planungssystemen (ERP, PPS, etc.) erfolgt über standardisierte<br />

Schnittstellen. Die Informationen auf der Fertigungsebene werden entweder<br />

manuell (Maschinenbediener an Terminals) oder automatisch durch Maschinenanbindung<br />

über Maschinenschnittstellen (z. B. OPC, Euromap, etc.) erfasst.<br />

1.6.3 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

Prozessfähigkeit<br />

Neben der Produktqualität haben viele Unternehmen die Prozessqualität als weiteres<br />

Potenzial für mehr Wirtschaftlichkeit in der Fertigung erkannt. Zur Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

empfiehlt es sich, zunächst zu definieren, welche prozessorientierten<br />

Ziele durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> erreicht werden sollen. Solche Ziele<br />

können beispielsweise eine Reduzierung der Durchlaufzeit sein, eine Erhöhung<br />

der Maschinenauslastung, eine Verbesserung der Termintreue, eine Verringerung<br />

der Umlaufbestände oder eine Senkung der Fehlerkosten. Anhand der definierten<br />

Ziele lässt sich dann das konkrete Wirtschaftlichkeitspotenzial untersuchen. Beispiele<br />

solcher Wirtschaftlichkeitspotenziale sind:<br />

Erhöhung der Maschinenauslastung<br />

Die durchschnittliche Maschinenauslastung liegt in der Metallverarbeitung oft<br />

niedriger als angenommen. Tatsächlich wird jedoch mit einer höheren angenommenen<br />

Auslastung geplant und kalkuliert. Durch systematische Erfassung und


42 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Auswertung aller ungeplanten Stillstände mit einem <strong>MES</strong> lassen sich die Stillstandsgründe<br />

erkennen, beseitigen und damit die Maschinenauslastung erheblich<br />

verbessern. Die Investitionskosten eines <strong>MES</strong> betragen dabei nur wenige Prozent<br />

der jährlichen Maschinenkosten. Das heißt, dass bereits eine Verbesserung der<br />

Maschinenauslastung um wenige Prozentpunkte den erwünschten Return-on-<br />

Investment (ROI) bringt.<br />

Reduzierung der Durchlaufzeit<br />

Die Reduzierung der Durchlaufzeit ist sicherlich der wichtigste Faktor für die<br />

Wirtschaftlichkeit der Fertigung. Am Auftragsdurchlauf hängen Lieferzeit (Wettbewerbsvorteil),<br />

Termintreue (Kundenzufriedenheit), Bestände (Liquidität) und<br />

Durchsatz (Gewinn). Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> lassen sich diese Potenziale<br />

erkennen und systematisch erschließen.<br />

Diese einfachen und eher banal wirkenden Beispiele zeigen, welche Prozesspotenziale<br />

in einem Unternehmen versteckt sein können und wie diese allein mit<br />

dem pragmatisch angewendeten Software-Tool <strong>MES</strong> aufgedeckt werden können.<br />

Generell lässt sich sagen, dass sich Verbesserungspotenziale im Unternehmen<br />

durch die <strong>MES</strong>-basierte Prozesstransparenz schneller erkennen lassen und durch<br />

die <strong>MES</strong>-basierten Regelkreise auch schneller erschließen lassen. Darüber hinaus<br />

lassen sich durch die systematische Erfassung aller Prozessdaten auch mehr Potenziale<br />

erkennen als ohne <strong>MES</strong>.<br />

1.6.4 Unterstützung des KVP und aktueller Zertifizierungen<br />

Obwohl in der Verbesserung der Prozessqualität noch riesige Potenziale stecken<br />

und obwohl die kontinuierliche Prozessverbesserung (KVP) in den aktuellen Zertifizierungsnormen,<br />

wie DIN EN ISO 9001:2000 oder ISO/TS 16949:2002 verankert<br />

ist, wird die Prozessorientierung in vielen Betrieben noch nicht in der Praxis<br />

gelebt. Häufige Ursache hierfür ist die mangelnde Prozesstransparenz, die jedoch<br />

durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> leicht behoben werden kann. Durch die Integration<br />

zwischen dem ERP-<strong>System</strong> einerseits und der Fertigungsebene andererseits erfasst<br />

ein <strong>MES</strong> kontinuierlich im Hintergrund die Daten aller Prozesseinflüsse (Aufträge,<br />

Maschinen, Werkzeuge, Personal, Material, Qualität, etc.) in der Fertigung.<br />

Damit lassen sich Hitlisten (Pareto-Diagramme) über die häufigsten Störgründe<br />

und Fehler erstellen, Prozesszeiten ermitteln (Rüst- und Bearbeitungszeiten, Warte-<br />

und Stillstandszeiten, Störunterbrechungen, etc.) sowie Kennzahlen über die<br />

Prozess- und Produktqualität zu berechnen (z. B. OEE-Index, Maschinennutzgrad,<br />

Prozessgrad, Ausschussquote, etc.) und darstellen. Damit unterstützt ein <strong>MES</strong><br />

Verbesserungsaktivitäten in allen Phasen: Define (Definition zu verbessernder<br />

Prozesse), Measure (Prozessdaten messen), Analyze (Messdaten analysieren) und<br />

Control (durchgeführte Maßnahmen überprüfen).


1.6 Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Unternehmen 43<br />

Verbesserungspotenziale erschließen mit <strong>MES</strong><br />

Verbesserungspotenzial<br />

mit <strong>MES</strong><br />

ohne <strong>MES</strong><br />

Abb. 1.15. Schnelleres Erkennen und Erschließen von Verbesserungspotenzialen mit Hilfe<br />

eines <strong>MES</strong><br />

1.6.5 Zieldefinition und -verfolgung<br />

<strong>Manufacturing</strong> Scorecard – prozessorientierte Kennzahlen<br />

Um im immer härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können, setzten viele<br />

Unternehmen auf eine ganz gezielte Wettbewerbsstrategie, wie z. B. Preisführerschaft,<br />

Technologieführerschaft, Lieferbereitschaft, Flexibilität, etc. Mit Hilfe der<br />

Methode <strong>Manufacturing</strong> Scorecard lassen sich von dieser Strategie ausgehend auf<br />

Basis der Messgrößen des <strong>MES</strong> prozessorientierte Kennzahlen für die Fertigung<br />

ableiten und dort den Mitarbeitern als Zielgrößen vorgeben. Damit wird bewirkt,<br />

dass die Mitarbeiter in der Fertigung im Sinne des Unternehmens handeln und sich<br />

Gedanken darüber machen, wie die eigenen Kennzahlen verbessert werden können.<br />

Auch KVP-Aktivitäten werden durch die Kennzahlen unterstützt, da mit<br />

Kennzahlen überwiegend Vorschläge gemacht werden, die sich direkt in der Zielgröße<br />

niederschlagen. Durch die Kenntnis des aktuellen Standes sowie der Zielgrößen<br />

wird eine ungeheure Motivation bei den Mitarbeitern bewirkt. Zwei Beispiele,<br />

die das Fertigungsumfeld schon lange beherrschen, seien hier angeführt,<br />

um zu zeigen das <strong>MES</strong> auch bei bekannten Motivationsmechaniken neue Möglichkeiten<br />

bieten können.<br />

t


44 1 Neue Wege für die effektive Fabrik<br />

Gruppenarbeit<br />

Da ein Prozess meist durch mehrere Personen beeinflusst wird (z. B. wird der Prozess<br />

Rüsten vom Maschinenbediener, vom Einrichter und vom Werkzeugbau beeinflusst)<br />

bietet es sich an, immer denjenigen Mitarbeitern die gleichen Kennzahlen<br />

zu geben, die das jeweilige Prozessergebnis gemeinsam beeinflussen können<br />

(Gruppe). Ein <strong>MES</strong> unterstützt die Gruppenarbeit durch papierlose Bereitstellung<br />

aller relevanten Informationen auf sog. Gruppen i-Punkt Terminals.<br />

Zielvereinbarungen und Prämienentlohnung<br />

Die Kennzahlen der <strong>Manufacturing</strong> Scorecard eignen sich neben den Zielvereinbarungen<br />

auch zur Prämienentlohnung, was einen weiteren Motivationsschub bei<br />

den Mitarbeitern bewirkt. Beispiele solcher Kennzahlen sind der Nutzgrad =<br />

Hauptnutzungszeit/Belegzeit, der Prozessgrad = Hauptnutzungszeit/Durchlaufzeit,<br />

der Beleggrad = Belegzeit/Durchlaufzeit, der Zeitgrad = Hauptnutzungszeit/ Anwesenheitszeit<br />

und der OEE-Index = Produktivität x Effektivität x Qualität.<br />

1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale<br />

Beim konsequenten Einsatz eines <strong>MES</strong> innerhalb einer Fertigungsorganisation ergeben<br />

sich durch Regelkreise mit kurzen Zykluszeiten und die intensive Kopplung<br />

mehrerer klassischer Disziplinen, wie z. B. Leitstand, BDE, Qualitätssicherung,<br />

Maschinendatenerfassung usw., eine Reihe von besonderen Nutzenpotenzialen,<br />

die hier stichwortartig aufgelistet werden sollen.<br />

− Eine kurzfristige Terminierung mit Betrachtung begrenzter Kapazitäten sichert<br />

einen geplanten Liefertermin, weil durch <strong>MES</strong> ein aktuelles Modell der Kapazitätssituation<br />

dieser Terminierung zugrunde liegt. Liefertermintreue, das heißt<br />

Kundenzufriedenheit und Mitarbeitermotivation können dadurch erheblich<br />

steigen. Mit einer Simulation auf Basis aktueller Fertigungszustände kann die<br />

Auswahl der bestmöglichen Alternative mit Hilfe von Szenarienbildung durchgeführt<br />

werden. Hier können als Vorteile entstehen: höhere Liefertermintreue,<br />

bessere Kapazitätsauslastung, Durchlaufzeiten und Bestände können dadurch<br />

deutlich sinken. Ähnliche Effekte erzeugt eine aktuelle Plantafel, die über ergonomische<br />

Auftragsinformationen den Handlungsspielraum des Planers bzw.<br />

des Arbeitsvorbereiter erhöht.<br />

− Durch die Kopplung von BDE, MDE und Plantafel werden sehr realistische,<br />

zeitnahe Abbilder, teilweise auch durch automatische Stückzahlerfassung, in<br />

eine Plantafel übernommen und führen ebenfalls zu den oben genannten Effekten.<br />

− Eine technologieorientierte Auftrags- und Artikelstatistik aus BDE, MDE und<br />

Qualitätssicherung kann technische Möglichkeiten aufdecken, die zu höheren<br />

Kosten durch ungeplante Verbräuche von Material und Zeit bei der Herstellung<br />

eines Produktes führen.


1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale 45<br />

− Zeitnahe Auftrags-, Maschinen- und Personalübersichten erhöhen die Aussagefähigkeit<br />

über Liefertermine gegenüber Kunden und können ungewünschte Materialbestände<br />

in der Fertigung reduzieren.<br />

− Über eine intensive Kopplung von CAQ und BDE wird eine erhöhte Datenkonsistenz<br />

und ein verminderter Erfassungsaufwand erreicht. Es sind vor allem<br />

direkte Aussagen möglich, wie viele Teile sind in welcher Qualität aktuell vorrätig<br />

und wo sind aufgrund von Nacharbeiten oder Qualitätsproblemen direkte<br />

Maßnahmen einzuleiten.<br />

− Über eine Kopplung von Werkzeug bzw. Ressourcenverwaltung und der Maschinendatenerfassung<br />

kann ein verringerter Werkzeug- bzw. Maschinenausfall<br />

erreicht werden. Abnutzungen von Betriebsmitteln stehen online zur Verfügung<br />

und Wartungsmaßnahmen können zu günstigen Zeitpunkten eingeplant werden.<br />

− Stillstandsauswertungen und Schwachstellenanalyse aus der Maschinendatenerfassung<br />

bewirken einen höheren Nutzungsgrad und damit mehr Kapazität bei<br />

gleichen Kosten.<br />

− Über die Verbindung von Personalzeiterfassung oder Zeitwirtschaft und Betriebsdatenerfassung<br />

kann eine einfache Berechnung von leistungsorientierten<br />

Mitarbeiterprämien erfolgen. Damit können direkt Unternehmensziele wie Maschinenauslastung,<br />

Liefertermintreue und Qualität unterstützt werden. Mit diesen<br />

Mechaniken ist auch eine verursachungsgerechte Verbuchung von Zeiten<br />

möglich, so dass damit unternehmensweit die Gemeinkostenanteile sinken können.<br />

− Durch Bestandsübersichten aus einer Verbindung von Materialwirtschaft und<br />

BDE lassen sich die Bestände an Fertigungsmaterialien in Materialpuffern und<br />

Zwischenlagern. deutlich reduzieren und damit auch die Kapitalbindung verringern.<br />

− Aus einer Kopplung von Prozessdatenverarbeitung, CAQ und MDE lässt sich<br />

ein lückenloser Prozess-Produktnachweis führen, wie dies von Automobilzulieferern<br />

und auch von der Nahrungsmittelindustrie immer mehr gefordert<br />

wird. Verletzungen von Toleranz- und Eingriffsgrenzen können so dokumentiert<br />

werden, aber auch schnelle Reaktionen auf Negativ-Trends sind damit<br />

möglich. Durch Visualisieren von fertigungsrelevanten Dokumenten an einem<br />

Erfassungsterminal, die aus allen möglichen Bereichen stammen können, lässt<br />

sich der Aufwand für fertigungsbegleitende Informationen deutlich reduzieren.<br />

Eine papierarme Fertigung ist mit dieser Mechanik nicht utopisch.<br />

− Mit einer Los- und Chargenverfolgung aus CAQ, BDE und Materialwirtschaft<br />

lässt sich, wie oben bereits beschrieben, ein lückenloser Produkt- und Produktionsnachweis<br />

führen. Es lassen sich aber auch sehr einfach Rückverfolgungen<br />

von Einsatzmaterialien und von defekten Teilen bewerkstelligen und damit<br />

Verbesserungspotenziale in der Produktion aufdecken.<br />

− Durch Verdichten der immensen Detailinformationen, die in einem <strong>MES</strong> enthalten<br />

sind, lassen sich Managementinformationen erzeugen, die technologische<br />

Verhältnisse widerspiegeln und die auch Aufschluss über Verbesserungspotenziale<br />

geben, wie z. B. der OEE-Index einzelner Betriebsmittel, ganzer<br />

Abteilungen oder auch ganzer Werke.


2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

1.7 Praxisbeispiele für Nutzenpotenziale 47<br />

2.1 Die Wirtschaftlichkeit als Prozesseigenschaft<br />

Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ist heute vor dem Hintergrund steigender<br />

Dienstleistungen kaum noch eine Eigenschaft der Produkte, als vielmehr der<br />

Prozesse. Damit stehen die Unternehmen heute vor der Aufgabe, ihre Prozessketten<br />

zu optimieren, was in der Praxis zu einer Wettbewerb entscheidenden Umorientierung<br />

in der Ressourcenlenkung führt: Während man in der Vergangenheit<br />

versucht hat, die Wirtschaftlichkeit der Fertigung über Zahlen aus dem betrieblichen<br />

Rechnungswesen zu beherrschen, versucht man heute, die hinter diesen Zahlen<br />

liegenden Prozesse zu identifizieren. Das ist in Kürze der Ansatz von Norton<br />

und Kaplan mit der Balanced Scorecard (Kaplan u. Norton 1997). Die bisher verbreitete<br />

Praxis, die Ressourcen über die Kosten am Ergebnis auszurichten, versagt<br />

mit zunehmendem Gemeinkostenanteil, weil es den Kostenrechner zwingt, einen<br />

erheblichen Kostenblock, der sich aus logischen Gründen nicht verursachungsgerecht<br />

auf den Kostenträger (Produkte) umlegen lässt, trotzdem nach künstlich geschaffenen<br />

Schlüsseln (Kostenstellenrechnung) verursachungsfremd zu verteilen.<br />

Die Kritik lässt sich auf die wichtigsten Punkte zusammenfassen:<br />

� Gemeinkosten sind proportional zur Zeit – damit werden die Zeitverbräuche<br />

(Durchlaufzeit) zur entscheidenden Kostenverursachung. Diese aber werden<br />

von der traditionellen Kostenrechnung nicht gesehen, sie hat keine Zeitdimension,<br />

was in der Praxis dazu führt, dass eine Fertigung mit langer Durchlaufzeit<br />

incl. anschließender Lagerung praktisch ebenso kalkuliert wird, wie eine Fertigung<br />

mit kurzer Durchlaufzeit.<br />

� Das wiederum führt dazu, dass erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung<br />

des Wirkungsgrades der Wertschöpfung (Nutzgrad) sich in den Kosten nicht<br />

ausdrücken lassen.<br />

Das Erschließen der in den Prozessen steckenden Potenziale wird zunehmend<br />

zu einer Überlebensfrage: Praktisch alle Unternehmen stehen heute vor dem Hintergrund<br />

des sich verschärfenden Wettbewerbs sowohl mit ihren Preisen, als auch<br />

mit ihrem Eigenkapital mit dem Rücken zu Wand. Demgegenüber sind die Prozesspotenziale<br />

vergleichsweise riesig. Das führt heute dazu, die Prozessketten in<br />

einem ersten Schritt zu identifizieren und sie dann dauerhaft zu verbessern.


48 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

2.1.1 Der prozessorientierte Ansatz der ISO 9001/TS 16949<br />

Der prozessorientierte Ansatz ist die Grundlage der Prozesslenkung. „Damit eine<br />

Organisation wirksam funktionieren kann, muss sie zahlreiche miteinander verknüpfte<br />

Tätigkeiten erkennen, leiten und lenken. Eine Tätigkeit, die Ressourcen<br />

verwendet und die ausgeführt wird, um die Umwandlung von Eingaben in Ergebnisse<br />

zu ermöglichen, kann als Prozess angesehen werden.“ (ISO/TS 16949 2002).<br />

Damit umfasst der prozessorientierte Ansatz nach der ISO/TS 16949:<br />

� Verstehen und Erfüllen von Anforderungen<br />

� Prozessbeurteilung aus der Sicht der Wertschöpfung<br />

� Erzielen von Ergebnissen bezüglich der Prozessleistung<br />

� Permanente Prozessverbesserung auf der Grundlage objektiver Messungen.<br />

Der Wettbewerb im globalen Marktumfeld verschiebt sich zunehmend von einem<br />

Wettbewerb der Produkte zu einem Wettbewerb der Prozesse. Unternehmen<br />

wie Dell, Amazon oder Würth liefern Beispiele dafür, wie sich Märkte nicht über<br />

Produkte, sondern über Geschäftsprozesse schaffen lassen.<br />

Die Ausrichtung der Wertschöpfung auf den Kunden hat Konsequenzen für die<br />

Lenkung der internen Prozesse: Der Kunde beurteilt nicht isolierte Verbesserungen<br />

einzelner Bearbeitungsschritte, sondern ausschließlich das Ergebnis der Wertschöpfungskette,<br />

also die Fähigkeit des gesamten Prozesses. Dieser Übergang von<br />

der Produktions- zur Serviceökonomie wird heute als zweites industrielles Paradigma<br />

bezeichnet.<br />

Die Prozessfähigkeit bringt eine neue Sichtweise: Die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens<br />

statt über seine technische Ausstattung, über seine internen Prozesse<br />

zu lenken. Während Verbesserungen auf der Grundlage einer verbesserten Fertigungstechnologie<br />

nur noch schwer zu erzielen sind – die meisten Unternehmen<br />

verfügen über modernste Maschinen und Werkzeuge und kaufen das Material<br />

möglicherweise bei den gleichen Lieferanten – ist das Prozesspotenzial vergleichsweise<br />

riesig. Obwohl die prozessbasierten Zertifizierungsnormen inzwischen<br />

sehr verbreitet sind, und obwohl inzwischen die meisten Unternehmen nach<br />

einem prozessorientierten Regelwerk (ISO 9001, TS 16949) zertifiziert sind, wird<br />

der prozessorientierte Ansatz in der Praxis kaum gelebt.<br />

Nachstehend wird daher gezeigt, mit welchen Maßnahmen und Tools sich die<br />

Prozessfähigkeit des Unternehmens in der Praxis erreichen lässt.<br />

2.1.2 Das Prozesspotenzial in Zahlen<br />

Prozessfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, fehlerfrei zu arbeiten. Prozessfähigkeit<br />

lässt sich messen als Streuung innerhalb vorgegebener Spezifikationsgrenzen. Die<br />

Prozessfähigkeit lässt sich statistisch durch das Streumaß Sigma in Zahlen ausdrücken.<br />

Den verschiedenen Sigma-Werten lassen sich Reinheitsgrade zuordnen.<br />

Reinheitsgrade werden heute ausgedrückt als ppm-Werte (parts per million Fehlteile<br />

einer Lieferung).


2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation 49<br />

Sigma Niveau CPK Werte Fehlleistung ppm<br />

2 0,67 22.750<br />

3 1.00 1.350<br />

4 1,33 32<br />

5 1.67 0,3<br />

6 2.00 0,001<br />

Abb. 2.1. Zuordnung von Sigma-Niveau und Fehlleistungen<br />

Faktor 100<br />

Abbildung 2.1 stellt die Abhängigkeit zwischen Prozessstreuungen – ausgedrückt<br />

als Streumaß Sigma – und Fehlleistungen – ausgedrückt als ppm-Wert gegenüber.<br />

Die entscheidende Erkenntnis besteht darin, dass über eine Verbesserung<br />

der Prozessfähigkeit um nur ein Sigma-Niveau eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit<br />

durch eine Reduzierung von Fehlleistungen in einer Größenordnung erreicht<br />

werden kann, die über eine Verbesserung der Bearbeitung (Maschinen,<br />

Werkzeuge, Verfahren etc.) bei weitem nicht möglich ist (Rehbehn u. Zafer 2003).<br />

2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation<br />

Eine Organisation ist dann prozessfähig, wenn sie dauerhaft lernfähig ist. Das<br />

Lernpotenzial von Organisationen (sozialen, technischen oder ökonomischen) ist<br />

prinzipiell unbegrenzt – es muss aber systematisch erschlossen werden. Das bedingt,<br />

dass das Lernverhalten in der Organisation verankert wird. Analog zur Luftfahrt,<br />

wo jeder Flugunfall das Fliegen sicherer macht, muss in der Fabrik jeder<br />

Fehler das Unternehmen besser machen.<br />

Abbildung 2.2 zeigt das Verbesserungspotenzial einer Organisation am Beispiel<br />

der Erfahrungskurve, wie sie von der Boston Consulting Group entwickelte wurde.<br />

Sie besagt, dass mit jeder Verdoppelung der kumulierten Produktionsmenge<br />

die Stückkosten um einen festen Prozentsatz (20 bis 30 Prozent) zu sinken.


50 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

Arithmetische Darstellung Logarithmische Darstellung<br />

Kumulierte Produktionsmenge in Stück<br />

Abb. 2.2. Die Erfahrungskurve<br />

Lohnkosten<br />

In €//Stck<br />

10 20 50 100 200 400 800 1600<br />

Kumulierte Produktionsmenge in Stück<br />

Der Zusammenhang zwischen den Kosten und der hergestellter Menge beruht<br />

auf der Annahme, dass ein Unternehmen mit zunehmender Produktion lernt, die<br />

Produkte günstiger herzustellen – ein Zusammengang, der jedem Praktiker zunächst<br />

einmal einleuchtet (Hendersen 1974). Die entscheidende Managementaufgabe<br />

heute ist die dauerhafte Einrichtung eines Verbesserungsverhaltens. Dieses<br />

kann in drei Schritten erfolgen:<br />

2.2.1 Das Identifizieren systematischer Fehler<br />

Voraussetzung für die Prozessbeherrschung ist das Eliminieren systematischer<br />

Fehler. Dazu müssen zunächst alle Prozesseinflüsse erfasst und analysiert werden.<br />

Abbildung 2.3 zeigt beispielhaft für eine Maschine, Maschinengruppe, Abteilung<br />

oder Auftrag aufgetretenen Störungen, die nun von den Mitarbeitern analysiert<br />

werden können. Jedes <strong>MES</strong> (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong>) erfasst zugleich<br />

mit der Auftragsanmeldung am Maschinenterminal praktisch fingerlos die zugehörigen<br />

Prozessparametern wie: Maschine, Maschinengruppe, Werkzeug, Artikel<br />

und Arbeitsgang, Auftrag, Kunde, Schicht, Mitarbeiter etc.<br />

Während sich zufällige Fehler zurückführen lassen auf normale Prozessstreuung<br />

und damit nur schwer zu beherrschen sind, ist es für die Analyse entscheidend,<br />

den hinter den Prozessstörungen liegenden systematischen Anteil zu identifizieren,<br />

denn die Herstellung eines Verursachungsbezuges ist die entscheidende<br />

Voraussetzung für das nachhaltige Eliminieren dieser Störung. Erst wenn es möglich<br />

ist, bezogen auf eine Verursachung, Fehlercluster zu finden, lassen sich Fehler


2.2 Die Prozessfähigkeit der Organisation 51<br />

beheben. Fehlercluster sind typischerweise erkennbar durch Aussagen wie: „Immer<br />

dann… oder immer wenn…“ (in der Nachtschicht, bei diesem Werkzeug, bei<br />

diesem Kunden, bei dieser Maschine etc.).<br />

Abb. 2.3. Darstellung systematischer Fehler im <strong>MES</strong><br />

2.2.2 Die systematische Fehlerbearbeitung<br />

Jede ungeplante Störung im Ablauf muss wie eine interne Reklamation behandelt<br />

werden. Dazu müssen alle erkannten Fehler dauerhaft beseitigt werden, was dazu<br />

führt, dass die Organisation mit jedem erkannten und abgestellten Fehler besser<br />

wird. Der langfristige Erfolg eines Unternehmens setzt damit ein Verbesserungsverhalten<br />

voraus, welches in der Organisation dauerhaft verankert werden<br />

muss.<br />

Während diese <strong>System</strong>atik einer permanenten und konsequenten Fehlerbearbeitung<br />

in den Unternehmen heute im Bereich der längst praktiziert wird, ist<br />

dieses <strong>System</strong>atik auf die Organisation als Ganzes bezogen bei weitem noch nicht<br />

Stand der Technik.


52 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

1. Fehler<br />

Beule in der Verpackung,<br />

dadurch Beschädigung der Lieferung<br />

«ANALKRBEZ»<br />

2. Ursache(n)<br />

Fehler im Versand.<br />

Der Spediteur hatte bei der Lagerung nicht auf die max. zulässige Tragkraft des Regals geachtet<br />

3. kurzfristige Maßnahme(n)<br />

wirksam (%)<br />

Ersatzlieferung 100<br />

4. m ittelfristige M aßnahm e(n)<br />

5. langfristige Maßnahme(n)<br />

6. Erfolgskontrolle<br />

Ständige Kontrolle der Spediteure (z.B. durch telefonische Nachfrage bei Kunden).<br />

wirksam (%)<br />

100<br />

wirksam (%)<br />

7. Vorhersage<br />

Laut Aussage des Spediteurs war die Deformation der Kartonage eine Ausnahme. Seine Mitarbeiter werden bezüglich des<br />

sachgemäßen Umgangs mit der W are erneut geschult.<br />

8. Bemerkung<br />

Dem Spediteur wurde im Falle erneuter Mängel mit der Kündigung aller bestehenden Verträge gedroht.<br />

Abb. 2.4. Der 8-D-Report zur systematischen Fehlerbearbeitung<br />

Die systematische Fehlerbehandlung erfordert das Zusammenspiel unterschiedlicher<br />

Stellen – es ist ein Mannschaftsspiel: Der Meister, der Einrichter, der Werkzeugbau,<br />

die Konstruktion oder das Controlling tragen zur Bearbeitung des Fehlerreports<br />

bei. Für die <strong>System</strong>atik hat sich der von Ford eingeführte 8-D-Report<br />

inzwischen als Quasistandard etabliert, der aber leicht für jedes Unternehmen angepasst<br />

oder variiert werden kann. Wichtig ist nur, dass jeder erkannte Fehler geführt<br />

zu korrigieren ist. Jede Statistik, die nicht automatisch in eine Fehlerbearbeitung<br />

mündet, ist unnötig und damit verschwendet.<br />

2.2.3 Maßnahmeverfolgung<br />

Jeder angelegte Fehler kann im <strong>MES</strong> sofort einen Workflow erzeugen, in welchem<br />

die Bearbeitungsschritte (wie z. B. im 8-D-Report) festgelegt und die bearbeitenden<br />

Stellen definiert werden. Alle in Zuge der Abarbeitung durchgeführten<br />

Maßnahmen werden abschließend in einer Maske Maßnahmeverfolgung eingetragen<br />

und können somit transparent überwacht werden. Erst wenn alle Bearbeitungsschritte<br />

abgehakt sind, kann der „Fall“ abgeschlossen werden. Dabei verlangt<br />

der 8-D-Report auch eine langfristige Vorhersage, die sich aus den ergriffenen<br />

langfristigen Maßnahmen (Schulung, Zeichnungsänderung, Dokumentenprüfung<br />

etc.) ergeben muss.


Abb. 2.5. Workflow zur systematischen Fehlerbearbeitung im <strong>MES</strong><br />

2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit 53<br />

Der in Abbildung 2.5 gezeigte Workflow kann für unterschiedliche Arten von<br />

Fehlerbehandlungen definiert werden. Ein <strong>MES</strong> kann darüber hinaus Workflows<br />

für beliebige Störungen automatisch generieren. Dazu werden im Vorfeld zu bestimmten<br />

Abläufen (Maschinen, Prozessen, Arbeit, Störungen etc.) Eingriffsgrenzen<br />

definiert – z. B. wenn eine Engpassmaschine länger als 10 Minuten steht – bei<br />

deren Überschreiten sofort automatisch ein Workflow mit laufender Störnummer,<br />

mit Datum und geforderten Maßnahmen generiert wird.<br />

2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit<br />

Mitarbeit ist dann prozessfähig, wenn jeder im Unternehmen weiß, wie er sich und<br />

das Unternehmen gegenüber den Kunden verbessern kann. Voraussetzung dazu<br />

ist, die wirklichen Werttreiber in objektiv messbare Zielgrößen umzusetzen, an<br />

denen entlang jeder im Unternehmen kontrollierbar arbeiten kann.<br />

2.3.1 Verschwendete Mitarbeit<br />

Im traditionellen Kostenumfeld stehen dem Mitarbeiter keine objektiv messbaren<br />

Zielgrößen zur Verfügung. Kostenaussagen sind abstrakt – also immer das Ergeb-


54 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

nis von Berechnungen, sie sind anonym – es gibt kein individuelles Herunterbrechen<br />

auf die einzelnen Funktionsträger und sie kommen immer zu spät – die Kostenrechnung<br />

ist eine nachlaufende Betrachtung.<br />

Mit den Mitteln der Kostenrechnung können z. B. wichtige tägliche Fragen<br />

wie:<br />

� Was ist eigentlich die „richtige“ Losgrösse?<br />

� Lässt man die Maschine stehen oder ist es besser, schon einmal vorzuarbeiten?<br />

� Was ist besser: Rüstvorgänge zu vermeiden und die Losgrösse erhöhen oder<br />

mehrmals zu rüsten?<br />

� Aufträge zusammenfassen – auch wenn einige erst in einigen Monaten fällig<br />

sind?<br />

� Kann man die alten Maschinen mit hohem Stundensatz einplanen?<br />

� Sollte man pünktlich gehen oder noch eine Stunde dranhängen, um die Maschine<br />

noch zu Ende zu rüsten?<br />

� Was ist besser: Niedrige Stückkosten oder kurze Durchlaufzeiten?<br />

nicht richtig beantwortet werden. Das führt in der Praxis dazu, dass die verschwendete<br />

Mitarbeit zur größten Einzelverursachung aller Verschwendungen im<br />

Unternehmen wird.<br />

Zielvorgaben: Das Management der messbaren Veränderung<br />

Die einzige Ursache für Veränderungen sind Denkprozesse. Für die Mitarbeiterführung<br />

geht es daher darum, den Anspruch des Unternehmens, sein Leistungsversprechen<br />

für den Markt und seine Einmaligkeit auf die Mitarbeiter messbar herunterzubrechen.<br />

Erst damit kann sichergestellt werden, dass sich die Anstrengungen<br />

der Mitarbeit tatsächlich auf das Prozessergebnis ausrichten lassen.<br />

Abbildung 2.6 zeigt beispielhaft, wie sich unterschiedliche Unternehmensstrategien<br />

(also die Antwort auf die Frage: bei welchen Kunden wollen wir uns<br />

mit welchen Leistungen vom Wettbewerb absetzten?) in interne Vorgaben an die<br />

Fertigung und anschließend in objektive Messgrößen für die Mitarbeiter fassen<br />

lassen.<br />

Nur dieses schrittweise Herunterbrechen der Unternehmensstrategie bis auf die<br />

eigentliche Prozessebene kann sicherstellen, dass der Anspruch des Unternehmens<br />

seinen Kunden gegenüber intern auch gelebt wird. Erst vor dem Hintergrund<br />

quantifizierbarer Zielgrößen wie z. B. Verringerung der Prozesszeiten, Abbau von<br />

Beständen oder Verbesserung der Prozesssicherheit, Reduzierung von Ausschuss<br />

oder Rüstzeiten wird es möglich, den Mitarbeitern messbare Vorgaben an die<br />

Hand zu geben, an Hand derer sie sich und das Unternehmen verbessern können.<br />

Diese bottom-up- Entscheidungsstrukturen erfordern eine neue Art der Mitarbeiterführung:<br />

Statt über Anweisungen – wie in der traditionellen Fabrik – werden sie<br />

in Zukunft vermehrt über Zielvereinbarungen geführt. Damit werden Entscheidungen<br />

verstärkt von denen gefällt, die der Arbeit am nächsten stehen.


Wirtschaftlichkeit<br />

Reinheitsgrad<br />

Pünktlichkeit<br />

Lieferfähigkeit<br />

Umsatzsteigerung<br />

Kundenakzeptanz<br />

Teilespektrum<br />

Liefergenauigkeit<br />

2.3 Prozessfähigkeit der Mitarbeit 55<br />

Strategie/ Ziele Kennzahlen Messgrößen Massnahmen<br />

Kostenführerschaft<br />

Qualität<br />

Termintreue<br />

Flexibilität<br />

Marktanteil<br />

Design/ Innovation<br />

Varianten<br />

Liefertreue<br />

Durchsatz / Zeiteinheit<br />

ppm Wert<br />

Abweichung i.Tagen<br />

Durchlaufzeit<br />

in Tagen<br />

Umsatzsteigerung<br />

- Menge / Stück<br />

-in %<br />

Rückweisungen<br />

Abweichungen<br />

.Reduzieren Stillstände<br />

u. Wartezeiten<br />

Werkerselbstprüfung<br />

Reduzieren ungeplante<br />

Störungen<br />

etc.<br />

(Maßnahmen müssen<br />

gemeinsam erarbeitet<br />

werden.)<br />

Abb. 2.6. Herunterbrechen von strategischen Vorgaben auf die Wertschöpfungsebene<br />

Die <strong>Manufacturing</strong> Scorecard als operativer Teil eines <strong>MES</strong> bietet dazu die<br />

Möglichkeit, den Mitarbeitern (oder der Gruppe) „ihren“ jeweiligen Spielstand aktuell<br />

mitzuteilen (<strong>Kletti</strong> u. Brauckmann 2004).<br />

2.3.2 Zielvereinbarungen<br />

Die für die Wertschöpfungsebene gefundenen und formulierten Zielvorgaben und<br />

Messgrößen werden anschließend in Zielvereinbarungen zusammengefasst. Diese<br />

bilden dann die logische Begründung eines entsprechenden leistungsbezogenen<br />

Entlohnungssystems.<br />

Abbildung 2.7. zeigt beispielhaft, wie sich verschiedene Ziel- und Messgrößen<br />

den Prozessverantwortlichen zuordnen lassen. Immer dort, wo mehrere Mitarbeiter<br />

gemeinsam das Prozessergebnis beeinflussen können, entsteht Gruppenarbeit.


56 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

Messgrößen Prozessverantwortliche<br />

Zielgrössen<br />

Lieferfähigkeit<br />

B-Unterbrechung<br />

Rüstreduzierung<br />

Bestände reduzieren<br />

Termintreue<br />

Prozessfähigkeit<br />

Messgrößen<br />

Lieferung in Tagen<br />

Nach Anzahl und Stunden<br />

Rüstgrad<br />

Lagerbestände in Tagen<br />

Terminüberschreitung<br />

OEE-Index<br />

Gruppe<br />

Meister<br />

X X<br />

X X<br />

Einrichter<br />

X X X<br />

Abb. 2.7. Zuordnen von Messgrößen zu Prozessverantwortlichen<br />

2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe<br />

Fertigungsplanung<br />

Disponent<br />

Werkzeugbau<br />

Reperaturabteilungtät<br />

X X X<br />

Maschinenbediener<br />

X X X<br />

Informations- und Kommunikationsabläufe sind dann prozessfähig, wenn sie am<br />

Wertstrom ausgerichtet werden. Je weiter sich der Informationsfluss vom Materialfluß<br />

entfernt, umso größer ist der Schlupf und die dadurch bewirkten Verluste.<br />

2.4.1 Das Unternehmen als Papierfabrik<br />

In der Fabrik ist jedes Stück Metall (Maschine, Werkzeug, Gitterbox, produzierte<br />

Teile etc.) ohne einen begleitenden Datensatz gemäß der Zertifizierungsregeln<br />

Schrott. Damit wird verständlich, welcher Belegaufwand allein nur für den Materialdurchlauf<br />

erforderlich ist: Lieferschein und Werkszeugnis vom Lieferanten<br />

(Wareneingang); Freigabeentscheid, Lieferantenbeurteilung durch die QS (Sperrlager),<br />

Lagerzugangsliste (Eingangslager), Arbeitspapiere, Materialentnahmescheine,<br />

Lohscheine, Gebindekennzeichnung, Laufkarten, Chargen, Losverfolgung,<br />

Schrottbericht (Produktion), Fremdauftrag, Gebindeverfolgung (Aussenliegende<br />

Nebenstellen), Lagerkarte, Etikett (Lager), Komissionsauftrag, Ausfassliste<br />

(Montage/Komissionieren), Lieferschein, Rechnung, Versandpapiere, QS-Dokumente(Versand),<br />

etc.


2.4.2 Schnittstellen ohne Wertschöpfung<br />

2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe 57<br />

Der Grund für die Papierfabrik liegt darin, dass die Informationsabläufe in den<br />

Unternehmen traditionell hierarchisch – also quasi senkrecht zum Materialfluss −<br />

organisiert sind. Das kommt im Organigramm zum Ausdruck, welches neben den<br />

Über- und Unterstellungsverhältnissen auch die Anweisungs- und Berichtswege<br />

beschreibt. Jedes Kästchen im Organigramm kann eine Person oder eine Funktion<br />

sein. Der Übergang von einem Kästchen zum anderen ist eine Schnittstelle und<br />

damit immer auch ein Medienbruch. Schnittstellen sind kostenintensiv, zeitfressend<br />

und ein Qualitätsrisiko mit hohen Sickerverlusten.<br />

Jede Schnittstelle produziert Papier. Die Unternehmen bezahlen Unsummen für<br />

ihre Papierproduktion. Allein die Druckkosten größerer Unternehmen werden heute<br />

bereits auf fünf Prozent vom Umsatz geschätzt. Bereits der „normale“ Auftragsdurchlauf<br />

in der Fertigung erfordert einen hohen Schreibaufwand: beginnend<br />

mit der Erstellung des Werksauftrags mit dem Ausdruck der Arbeitspapiere wie<br />

Lohnscheinen, Materialentnahmescheinen, Prüfaufträgen, Schrottberichten, Terminkarten<br />

oder Laufkarten.<br />

Jeder Beleg hat einen teueren Lebenslauf: Er wird irgendwo erstellt (meist dort,<br />

wo er nicht gebraucht wird), irgendwo hingebracht (z. B. Meister), von dort aus<br />

verteilt (zum Maschinenbediener), von diesem ausgefüllt, dann zurückgebracht,<br />

vom Meister nochmals überflogen oder geprüft und abgezeichnet, dann eingesammelt<br />

und zum Büro/EDV etc. zurückgebracht, irgendwann eingegeben (EDV<br />

oder Excel), und zum Schluss, wenn alle alles vergessen haben, ausgewertet. Von<br />

der Auswertung werden Kopien gemacht, die Kopien werden an die Verteiler gebracht,<br />

und zum Schluss wird alles abgelegt. Eine lange Kette von Tätigkeiten die<br />

Zeit und Personal bindet.<br />

Jeder Beleg erfordert zudem unterschiedliches Wissen und dadurch unterschiedliche<br />

Zuständigkeiten. Zuständigkeiten bedingen aufwendige Abstimmungen<br />

der beteiligten Stellen: informieren, rückfragen, anordnen, weitergeben etc.<br />

Kommunikation zwischen Ressorts erfordert immer auch das Bereitstellen von<br />

Papieren. Hinzu kommen noch in fast allen Unternehmen die unterschiedlichsten<br />

periodisch angefertigten Berichte, die aufwendig erstellt werden, deren ursprünglicher<br />

Zweck in Vergessenheit geraten ist und die daher nie gelesen und sofort abgelegt<br />

werden.<br />

Eine weitere und wenig gesehene Schwachstelle der dezentralen Informationsstrukturen<br />

liegt in der Transformation des vorhandenen Wissens, welches im Unternehmen<br />

grundsätzlich vorhanden, aber nicht aktuell verfügbar ist: Es befindet<br />

sich in den Schubladen, Ordnern, Akten oder Köpfen der Mitarbeiter.


58 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

Hierarchie<br />

Berichtswege<br />

VA<br />

Meister Meister<br />

Kontrollspanne<br />

Prod.L.<br />

Schnittstelle = Medienbruch<br />

VA VA<br />

Abteilung A Abteilung B Abteilung C<br />

Abb. 2.8. Das Organigramm als traditionelles Kommunikationsmodell<br />

2.4.3 Der Weg zur papierlosen Fertigung<br />

Anweisungen<br />

Die Alternative zum Medienbruch ist der dezentrale Zugriff im Dialog auf die<br />

zentrale Datenhaltung: die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen<br />

Ort. Damit lassen sich auf einen Schlag alle Datenhortungen wie Listen, Statistiken,<br />

Aktenordner, diverse Aufschreibungen etc. auflösen und die wirklich erforderlichen<br />

Informationen allen Nutzern in Echtzeit und papierlos zur Verfügung<br />

stellen.<br />

Durch die Zusammenfassung und Vernetzung aller verbundenen Geschäftsprozesse<br />

innerhalb einer Datenhaltung hat man automatisch auch den Schnittstellenaufwand<br />

der klassischen Organisation eliminiert, der durch das isolierte Neben-<br />

und Nacheinander von Geschäftsprozessen, die in ihren Ergebnissen miteinander<br />

verbunden sind, entsteht. Voraussetzung dazu ist, dass alle für die Wertschöpfung<br />

erforderlichen Abläufe in einem Datenmodell vernetzt werden. Modernes Betriebsdatenmanagement<br />

erfasst die wertschöpfenden Abläufe automatisch im Hintergrund<br />

und stellt die Daten – sozusagen als Abfallprodukt − auf einer zentralen<br />

Produktionsdatenbank allen Informationsendverbrauchern dezentral zur Verfügung.<br />

Diese gemeinsame Nutzung nur einmal vorhandener zentraler Daten ist eine<br />

Revolution im Vergleich zu den oben kurz beschriebenen herkömmlichen Organisationsformen.


Fertigungssteuerung<br />

/ AV<br />

Verkauf<br />

Kunde<br />

Vertreter<br />

Nächste<br />

Bearbeitungs-<br />

Stufe/<br />

Werkzeugbau<br />

Abb. 2.9. Prozessfähiges Kommunikationsmodell<br />

2.4 Prozessfähigkeit der Informationsabläufe 59<br />

Einkauf<br />

Lieferanten<br />

Controlling<br />

/Nachkalkultion<br />

Zentrale<br />

Produktions<br />

Datenbank<br />

Außenliegende<br />

Nebenstelle<br />

Die automatische Online-Erfassung ist damit eine entscheidende Voraussetzung<br />

für die Integration der Geschäftsprozesse, die sich innerhalb der arbeitsteiligen<br />

Organisation über Aufschreibungen nicht wirtschaftlich und effizient abwickeln<br />

lassen. So können zum Beispiel durch eine zentrale Erfassung der Auftragsbearbeitung<br />

automatisch gleichzeitig Informationen gewonnen werden: Auftragsfortschritt<br />

für die Fertigungssteuerung. Maschinenstörungen für die Terminplanung,<br />

Beginn des Rüstens für die nächste Bearbeitungsstufe, Bereitstellungstermine für<br />

den Lieferanten, Lieferbereitschaft für die Kunden, Bearbeitungszeiten für das<br />

Controlling.<br />

Der hinter jedem Geschäftsprozess verborgene Informationsaufwand ist über<br />

eine zentrale Datenhaltung bei dezentralem Zugriff online und zeitgleich möglich:<br />

Die richtige Information zur richtigen zeit am richtigen Ort. Maschinenzustände,<br />

Auftragsfortschritt, Terminplanung, Losverfolgung, vorbeugende Instandhaltung,<br />

Werkzeugverwaltung und Nachkalkulation werden in der neuen Fabrik als vernetzte<br />

Vorgänge gesehen und dargestellt. Statt arbeitsteiliger personaler Organisationen<br />

mit ihren traditionellen Ressorts und Hierarchien werden Abläufe durch die<br />

Vernetzung allen Informationsverbrauchern zeitgleich zur Verfügung gestellt. Die<br />

richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dadurch lassen sich<br />

auch die traditionellen Führungsstrukturen wie Hierarchien und Ressorts ersetzen<br />

durch Informationsstrukturen, in denen alle Mitarbeiter vernetzt sind und über die<br />

gleichen Informationen verfügen.


60 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

Das Konzept der Informationsvernetzung hat weitere entscheidende Auswirkungen:<br />

� der Vorgesetzte als Informationsquelle des Mitarbeiters wird überflüssig,<br />

� das Wissen des Unternehmens, welches normalerweise „irgendwo“ unkontrolliert<br />

vorhanden ist (Aktenordner, Schubladen, Personen) wird plötzlich<br />

verfügbar.<br />

2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung<br />

Die Durchlaufsteuerung ist dann prozessfähig, wenn sie auf Regelung basiert. Im<br />

Gegensatz zur Steuerung erhält man Regelung erst durch eine Rückkoppelung des<br />

<strong>System</strong>verhaltens.<br />

2.5.1 Deterministische Steuerung<br />

Die traditionelle Fertigungssteuerung regelt nicht – sie ist deterministisch: Die<br />

weiter oben in der Hierarchie angelegten Parameter wie Kundendaten (Mengen,<br />

Spezifikationen etc.) und Produktionsplanungsdaten (Schichten, Maschinen, Te<br />

und Tr etc.) werden nach unten – meist noch über Terminjäger – durchgereicht<br />

und bearbeitet. Der zugehörige Denkansatz ist tayloristisch: Das gesamte Wissen<br />

ist weiter oben grundsätzlich vorhanden und es muss weiter unter nur umgesetzt<br />

werden.<br />

Moderne Unternehmen aber sind komplexe, permanent gestörte chaotische <strong>System</strong>e,<br />

die zudem noch gekennzeichnet sind durch einen hohen Anteil nicht planbarer<br />

Zeiten. Sie lassen sich im Gegensatz zu einfachen (linearen) <strong>System</strong>en nicht<br />

steuern. Trotzdem ist eine lineare (deterministische) Fertigungssteuerung heute<br />

noch der vorherrschende <strong>System</strong>ansatz, was in der Praxis zu erheblichen Problemen<br />

mit den ungeplanten Liege- und Wartezeiten, ungeplanten Beständen, Terminüberschreitungen<br />

und dadurch bedingten Mehraufwand in der Fertigung (Hektik,<br />

Überstunden, Sonderschichten, Expresstransporte etc.) führt.<br />

2.5.2 Rückgekoppelte Regelung<br />

Erst, wenn man ein <strong>System</strong>verhalten rückkoppelt, erhält man Regelung. Rückkoppelung<br />

des <strong>System</strong>s ist damit die entscheidende Voraussetzung zur Prozessfähigkeit<br />

des Materialdurchlaufs. Das wiederum bedingt, die Elemente des Regelkreises<br />

(Sollgrößen, Stellgrößen und Messglieder) in die Organisation einzubetten.<br />

Eine effiziente Durchlaufsteuerung muss zeitnah und flexibel auf Störungen reagieren<br />

können. Durch die Organisation von Regelkreisen lässt sich erreichen,<br />

dass auf die Störungen schnell und kompetent reagiert werden kann.


Störungen<br />

Anweisung<br />

2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung 61<br />

Kunde<br />

Dispositionsdaten<br />

Artikel, Spezifikation, Menge<br />

Produktionsplanung<br />

Stammdaten<br />

Stücklisten, Arbeitspläne, Material<br />

Steuerungsparameter<br />

Schichten, Maschinen, Personen<br />

Werkzeuge<br />

Umsetzung<br />

Wertschöpfung<br />

Abb. 2.10. Die Fertigungssteuerung als Regelkreis<br />

Rückmeldung<br />

Regelung<br />

Ausweichkapazitäten<br />

Maschineneignung<br />

Sonderschichten<br />

Überstunden<br />

Werkzeugbereitstellung<br />

Personalfelxibilität<br />

Personal Qualifikation<br />

Terminprioritäten<br />

Kundeprioritäten<br />

Qualitätsprioritäten<br />

Über-, Unterfertigung<br />

Gebindevorschriften<br />

Teillieferungen<br />

Expresslieferung<br />

Externe Kapazitäten<br />

Ausweichkapazitäten<br />

Dieser Aufbau führt zu einem Organisationsmodell, in dem die Planungsebene<br />

(AV, Fertigungssteuerung) einerseits und die Dispositionsebene (Stellglied) andererseits<br />

über ein Messglied (<strong>MES</strong>/dezentrale Online-Plantafel) miteinander verknüpft<br />

sind. Im Gegensatz zum traditionellen deterministischen tayloristischen<br />

Durchsetzungsmodell mit zentraler Fertigungssteuerung und Terminjägern, ist ein<br />

modernes Auftragszentrum gekennzeichnet durch eine prozessorientierte Aufgabenverteilung.<br />

Zentrale Planung<br />

Das Auftragszentrum ist der zentrale Prozessowner. Analog zum Abteilungsleiter,<br />

der eine Verantwortung für die Abteilung hat, hat der Prozessowner die Verantwortung<br />

für das Prozessergebnis. Im Gegensatz zur traditionellen vertikalen Ausrichtung<br />

der Abteilungsgliederung ist der Prozessowner durch die Prozessorientierung<br />

horizontal ausgerichtet – er bildet damit einen Teil der Prozesskette (supply-<br />

chain).<br />

Das Auftragszentrum als Prozessowner hat damit die Verantwortung vom externen<br />

Lieferanten, über die außenliegenden Nebenstellen bis hin zum Kunden. Er<br />

ist mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet: Er kann ohne Einschaltung<br />

des Einkaufs mit den Lieferanten Termine ausmachen und ist ohne Einschaltung


62 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

des Verkaufs den Kunden gegenüber für die Liefertermine der verantwortliche<br />

Ansprechpartner.<br />

Aus den Informationen über Stücklisten, Arbeitsplänen, Auftragsmengen und<br />

Lagerbeständen ermittelt das ERP-<strong>System</strong> in der Durchlaufterminierung die Ecktermine<br />

(frühester-, spätester Starttermin als auch frühester-, spätester Endtermin)<br />

pro Arbeitsgang, die an die Dispositionsebene vorgegeben werden.<br />

Dezentrale Disposition<br />

Die Dispositionsebene vor Ort (Einrichter, Meister, Gruppe) spielen im Konzept<br />

Auftragszentrum eine zentrale Rolle: Hier liegt das fertigungsnahe Anwendungswissen<br />

zu Maschinen, Werkzeugen, Personen etc., also des Wissens, welches<br />

in der traditionellen Fertigungssteuerung erst mühsam erfragt werden musste<br />

und welches im Falle von Simulationssystemen komplett codiert werden muss.<br />

Danach hat die dezentrale Disposition (Feinsteuerung) unter Nutzung der vorhandenen<br />

Kenntnisse über Maschinen (Maschinenfähigkeit), Werkzeuge (Status,<br />

Verfügbarkeit) alle Freiheiten, innerhalb der vorgegebenen Zeitfenster die Bearbeitung<br />

zu optimieren (Rüstoptimierung).<br />

<strong>MES</strong> und Online-Plantafel als integriertes <strong>System</strong><br />

Voraussetzung für die Entscheidungsfähigkeit der Mitarbeiter vor Ort ist ihre Information<br />

über Vorgaben, Ziele und Ressourcen ihrer Entscheidungen. Wer entscheiden<br />

soll muss wissen. Diese Kommunikation ist ohne eine leistungsfähige<br />

<strong>MES</strong> und einer integrierten Online-Plantafel nicht wirtschaftlich zu übermitteln.<br />

Sie stellt die Informationen für Entscheidungen zu: Fertigungsfeinplanung, Steuerung<br />

der Abläufe, Materialtransport, Beseitigung von Störungen, Qalitätskontrolle,<br />

Instanthaltung, etc. zur Verfügung.<br />

In der traditionellen Fertigungssteuerung arbeitet die Planungsebene – heute<br />

meist innerhalb der PPS/ERP-<strong>System</strong>e − und die Ausführungsebene unkontrolliert<br />

nebeneinander. Darin bilden die Terminjäger, Werkstattschreiber oder Meister eine<br />

Parallelorganisation, die sich in Terminbesprechungen und diversen Abstimmungen<br />

zeigt, die außerhalb des Datenmodells getroffen werden und anschließend<br />

wieder eingebucht werden müssen. Ein Verfahren, welches man in der Praxis Zuruforganisation<br />

nennt.<br />

Durch modernes <strong>MES</strong> ist es heute möglich, die Planung und Ausführung<br />

schnittstellenfrei in einem <strong>System</strong> zu integrieren. Online werden die entsprechenden<br />

Informationen weitergegeben:<br />

� Arbeitsanweisungen gehen über das Netz an das maschinennahe Terminal.<br />

Damit werden automatisch alle weiteren zugehörigen Informationen, sei es<br />

aus der ERP Datenbank, der QS Datenbank, dem DNC Server etc. papierlos<br />

(aber dezentral ausdruckbar) verfügbar.<br />

� Rückmeldungen erfolgen ebenfalls online zu den Arbeitspätzen/Maschinen<br />

im Arbeitstakt. Damit entfallen alle Aufschreibungen mit den üblichen Risiken<br />

wie Unsicherheit, Willkür, Zeitverzug, Unvollständigkeit.


Abb. 2.11. Online-Leitstand als Werkzeug für die Disposition<br />

2.5 Die Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung 63<br />

Abbildung 2.11. zeigt beispielhaft einen Graphischer Fertigungsleitstand als einen<br />

integralen Bestandteil eines <strong>MES</strong>, welcher die Möglichkeit bietet, einerseits<br />

die Planungsvorgaben aus dem ERP <strong>System</strong> wie Artikel, Arbeitsgänge, Rüst- und<br />

Bearbeitungszeiten, Materialeinsatz, Fertigungsmenge und Kundentermine online<br />

von „oben“ zu übernehmen und andererseits die aktuelle Ist-Situation wie Maschinenzustände,<br />

dynamisch errechnete Restlaufzeiten, Auftragsfortschritt, Belegungshorizont,<br />

Kapazitätskonflikte online von „unten“ – also aus der operativen<br />

Ebene – dagegen zu setzen. Durch diesen geschlossenen Regelkreis besteht erst<br />

die Möglichkeit für den Disponenten, schlupffrei zu reagieren – also zu regeln.<br />

Besondere Bedeutung kommt der zeitnahen Aktualisierung der Datenbasis<br />

(Stammdaten im ERP-<strong>System</strong>) zu: Wie oben schon beschrieben, ist die Zuverlässigkeit<br />

der Datenbasis die entscheidende Voraussetzung für die Effizienz des Materialdurchlaufs.<br />

Eine manuelle Pflege der Vorgaben (Arbeitspläne, Bearbeitungszeiten,<br />

Rüstzeiten, Maschinen und Materialanforderungen) ist insbesondere vor<br />

dem Hintergrund schneller Veränderungen in der Praxis nicht möglich.


64 2 <strong>MES</strong> für die Prozessfähigkeit<br />

2.6 Zusammenfassung<br />

Der Wettbewerb verschiebt sich zunehmend vom Wettbewerb der Produkte zum<br />

Wettbewerb der Geschäftsprozesse. Damit steht die Forderung nach Prozessfähigkeit<br />

für die neue Fabrik an oberster Stelle. Prozessfähigkeit bedeutet die konsequente<br />

Ausrichtung des Unternehmens und seiner Ressourceneinsätze am Prozessergebnis<br />

und damit am Kunden.<br />

Die traditionelle Fertigung hat versucht, die Ressourcenverbräuche an der Bearbeitung<br />

über das Zahlenwerk des betrieblichen Rechnungswesens mit der Zielgröße<br />

Stückkosten auszurichten. Stückkosten im Sinne verursachungsgerecht zugeordneter<br />

Kosten gibt es heute kaum noch. Die moderne Serviceökonomie ist<br />

gekennzeichnet ist durch einen hohen und weiter zunehmenden Gemeinkostenanteil.<br />

Gemeinkosten aber lassen sich aber nach keinem logischen Verfahren dem<br />

einzelnen Kostenträger zuordnen, was dazu führt, dass in der Vergangenheit keine<br />

Möglichkeit bestand, die Wertschöpfung am Markt und damit beim Kunden mit<br />

den entstandenen Kosten verursachungsgerecht zu bewerten.<br />

Das dadurch bedingte Fehlen eines wirksamen Regelkreises zwischen dem<br />

Markt und dem Unternehmen (pretiale Lenkung) führt in der Praxis zu riesigen<br />

Verschwendungen. Das zeigt sich z. B. daran, dass in praktisch allen Unternehmen<br />

Kostensparmöglichkeiten ausgereizt sind, obwohl gleichzeitig diese Verschwendungen<br />

ein erhebliches Prozesspotenzial darstellen.<br />

Der in den Regelwerken zur Zertifizierung niedergelegte prozessorientierte Ansatz<br />

mit den Forderungen nach Kundenausrichtung, Prozesslenkung und der permanenten<br />

Verbesserung erzwingt eine konsequente Prozessidentifizierung. Es gehört<br />

gerade zu der zentralen Schwäche der traditionellen Kostenrechnung, dass sie<br />

diese Identifizierung methodisch bedingt nicht leisten kann: Sie besitzt keine Zeitdimension.<br />

Prozessidentifizierung bedeutet eine mitlaufende prozessbegleitende Erfassung<br />

aller wertschöpfenden Abläufe im Unternehmen, die nur über ein im Hintergrund<br />

mitlaufendes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> wirtschaftlich gelöst werden kann. Eine schlüssige<br />

Prozessidentifizierung ist daher ohne moderne Informationstechnologie in Form<br />

eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s nicht realisierbar.<br />

Obwohl inzwischen ein überwiegender Teil aller Unternehmen nach den prozessorientierten<br />

Regelwerken der ISO 9001 oder der TS 16949 zertifiziert ist, wird<br />

dieser Ansatz in der Praxis nicht gelebt. Die konsequente Prozessfähigkeit ist heute<br />

nicht Stand der Technik.


Wann ist ein Unternehmen prozessfähig?<br />

Prozessfähigkeit der Organisation<br />

2.6 Zusammenfassung 65<br />

Eine Organisation ist dann prozessfähig,<br />

wenn sie konsequent bis auf die operative<br />

Ebene herunter selbstlernend ist. So wie der<br />

Luftverkehr durch jeden Flugunfall sicherer<br />

wird, so muss das Unternehmen durch jeden<br />

Fehler besser werden.<br />

Prozessfähigkeit der Mitarbeit Wenn jeder Mitarbeiter der operativen Ebene<br />

an Hand quantifizierbarer Vorgaben und Ziele<br />

weiß, wie gut er ist und wie er sich und das<br />

Prozessfähigkeit der Ressourceneinsätze<br />

Prozessfähigkeit der IT-Abläufe<br />

Prozessfähigkeit des Controlling/<br />

Berichtswesen<br />

Prozessfähigkeit der Durchlaufsteuerung<br />

Literatur<br />

Unternehmen verbessern kann.<br />

Die Ressourcenlenkung ist dann prozessfähig,<br />

wenn sie an Prozessparametern (Durchlaufzeiten,<br />

Termine, Bestände, etc.) statt an falschen<br />

Kennzahlen wie Stückkosten, Losgrö-<br />

ßen und Stundensätzen ausgerichtet wird.<br />

Die IT Strukturen sind dann prozessfähig,<br />

wenn sie den Wertstrom schnittstellenfrei –<br />

also ohne Medienbrüche in Form von Papieren,<br />

Aufschreibungen, Belegen, Planungsaus-<br />

zügen etc. abbildet.<br />

Das Berichtswesen ist dann prozessfähig,<br />

wenn Statistiken flächendeckend durch Re-<br />

viewing ersetzt worden sind.<br />

Die Durchlaufsteuerung ist dann prozessfähig,<br />

wenn die traditionelle zentrale Steuerung<br />

durch dezentrale Regelung (operative Regelkreise)<br />

ersetzt wurde.<br />

ISO/TS 16949 Technische Spezifikation Zweite Ausgabe 2002-03.01<br />

Hendersen B (1974) Die Erfahrungskurve in der Unternehmensstrategie. Herder &<br />

Herder, Frankfurt/Main<br />

Kaplan R, Norton D (1997) Balanced Scorecard. Schäffer-Poeschel, Stuttgart<br />

<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard. Gabler, Wiesbaden<br />

Rehbehn R, Zafer B (2003) Mit Six Sigma zu Business Excellence. Siemens AG,<br />

Berlin und München


3 Mehrwert durch Software<br />

3.1 Das Unternehmen als Informationssystem<br />

3.1.1 Produktionsfaktor Information<br />

2.6 Zusammenfassung 67<br />

Moderne Unternehmen sind zum überwiegenden Teil informationsverarbeitende<br />

<strong>System</strong>e. Man kann heute davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der Wertschöpfungskosten<br />

in den Produktionsfaktor Information fließen. Die eigentliche<br />

Produktion verliert immer stärker an strategischer Bedeutung. Dies äußert sich<br />

beispielsweise darin, dass Unternehmen aus Kostengründen Teile ihrer Produktion<br />

ins Ausland verlagern oder die Fertigungstiefe reduzieren ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu verlieren oder diese sogar zu steigern. Dies bestätigt auch eine Umfrage<br />

des VDMA, wonach die Fertigungstiefe von knapp 50% in 1998 auf fast<br />

40% in 2004 verringert wurde bei gleichzeitiger Steigerung der internationalen<br />

Wettbewerbsposition.<br />

An Stelle der Produktion tritt zunehmend die Servicefähigkeit, dem Markt ein<br />

kundenwunschkonformes, breites Variantenspektrum bei gleichzeitiger Sicherstellung<br />

einer hohen Qualität der Produkte und Dienstleistungen sowie einen exzellenten<br />

Lieferservice anzubieten. Die hier aufgeführten Merkmale wie kundenwunschkonform,<br />

Dienstleistungen, Qualität, Variantenspektrum, Lieferservice<br />

sind alles keine Eigenschaften, die über Produktion im traditionellen Sinne erreicht<br />

werden und damit messbar am Produkt festzumachen sind. Sie basieren<br />

primär auf Informationsverarbeitung und der Fähigkeit, die benötigten Informationen<br />

zur „richtigen Zeit“, in der „richtigen Menge“ und am „richtigen Ort“ verfügbar<br />

zu haben. Die Beherrschung des Informationsmanagement entlang der<br />

Wertschöpfungskette ist für alle Unternehmen, ob sie nun physische Produkte herstellen<br />

wie die Investitionsgüterindustrie oder virtuelle Produkte wie beispielsweise<br />

die Softwareindustrie, immer wichtiger für die Wettbewerbsfähigkeit der<br />

Unternehmen.<br />

Je mehr die Wertschöpfung eines Unternehmens für die Kunden in Kombination<br />

aus Produkten und Dienstleistungen mit einem immer größeren Anteil an<br />

Dienstleistungen bestehen, umso mehr Produktivität muss ein Unternehmen in<br />

seine Informationsverarbeitung und damit in den Einsatz unterstützender Software<br />

investieren. Dies bedeutet jedoch nicht, dass mit der Investition in Software automatisch<br />

ein Mehrwert an Produktivität, Flexibilität oder Transparenz entsteht. Es<br />

gibt viele Beispiele, in denen der halbherzige und unsystematische Einsatz von<br />

Software eher Nachteile mit sich brachte. Software per se bringt noch keinen


68 3 Mehrwert durch Software<br />

Mehrwert – erst in der richtigen Umgebung und konsequenten Nutzung lassen<br />

sich mit Software Mehrwerte erzielen.<br />

3.1.2 Reengineering und Integration<br />

Sieht man sich die wertschöpfenden Prozesse eines Unternehmens an, so haben<br />

diese alle gemeinsam, dass sie von Informationen begleitet werden, welche einerseits<br />

den Status der Wertschöpfung dokumentieren und andererseits noch zu<br />

erbringende Leistungen beschreiben. Die Informationen sind damit die eigentlichen<br />

Prozesstreiber und steuern so die operativen Abläufe im Unternehmen. Ein<br />

Hindernis für flüssige Prozesse sind aber verrichtungsorientierte Organisationsformen,<br />

welche die Prozesse auf Grund von Abteilungsgrenzen behindern und abbremsen.<br />

Ein weiteres Hindernis für flüssige Prozesse sind die unzähligen Medienbrüche,<br />

welche die Informationen in viele einzelne Teile zerstückeln. Damit<br />

ist es sehr schwer diese Prozesse zu verfolgen, zu steuern und zu führen.<br />

Das Überwinden einer überkommenen, tayloristisch geprägten Organisationsstruktur<br />

ist gewiss eine Managementaufgabe, die mit deutlichen unternehmenskulturellen<br />

Veränderungen ein her geht. Wenn Informationsverarbeitung einen<br />

überwiegenden Anteil der an der Wertschöpfung darstellt, muss die<br />

Rationalisierung an den Informationsprozessen ansetzen. Das ist der Denkansatz<br />

des Reengineering. Reengineering richtet sich auf eine Neustrukturierung der Informationsprozesse<br />

mit dem Ziel, die zunehmend höheren Anforderungen hinsichtlich<br />

Qualität, Service, Flexibilität, Kosten Termine, Lieferzeiten zu beherrschen.<br />

Die entscheidenden Veränderungen finden in Zukunft nicht im Bereich der<br />

Technologie, sondern in der Definition und Beherrschung von Informationsprozessen<br />

statt. Das Vermeiden von Medienbrüchen dagegen ist eine Aufgabe, die<br />

mit technischen Hilfsmitteln gelöst werden kann. Die Steuerungs- und Verarbeitungslogik<br />

wird hierbei in Software abgebildet. Unter Nutzung interner und externer<br />

Datennetzwerke können die Informationen zeitnah über Abteilungs- und Unternehmensgrenzen<br />

hinweg weitergeleitet werden. Entscheidend ist hierbei, dass<br />

sich die beteiligten <strong>System</strong>e aber auch verstehen. Es darf nicht die Situation entstehen,<br />

dass zwar die Informationen digital ausgetauscht werden, aber aufgrund<br />

fehlender oder inkompatibler Datenschnittstellen der Mensch als Informationsvermittler<br />

aktiv werden muss.<br />

Beide Aspekte, die Modernisierung der Unternehmensorganisation durch das<br />

Reengineering und die Optimierung und softwaretechnische Unterstützung der Informationsflüsse<br />

müssen Hand in Hand gehen, um eine nachhaltige Verbesserung<br />

der Wertschöpfungsprozesse zu erzielen. In diesem Zusammenhang kann nicht<br />

häufig genug darauf hingewiesen werden, dass hier das Management gefordert ist,<br />

sich aktiv in die erfolgreiche Realisierung entsprechender <strong>System</strong>e einzubringen.<br />

Viele Projekte scheitern daran, dass sich das Management nur für die Mittelvergabe<br />

verantwortlich fühlt und die Projektverantwortlichen nicht an der technischen<br />

Realisierung, sondern an der erforderlichen organisatorischen oder personellen<br />

Gestaltung scheitern.


3.1.3 Informationsverarbeitung in der Fertigung<br />

3.1 Das Unternehmen als Informationssystem 69<br />

Vergleicht man den Fortschritt der Informationsverarbeitung in den verschiedenen<br />

Bereichen eines Unternehmens, so muss festgestellt werden, dass insbesondere die<br />

Fertigung häufig noch unter mangelnder Informationsverarbeitung und Vernetzung<br />

leidet. Die Fertigungsschritte sind durch eine wachsende Komplexität gekennzeichnet,<br />

die durch die hohe Produktvarianz und kundenspezifische Ausprägung<br />

der Produkte verursacht oder zumindest beeinflusst ist. In besonderem Maße<br />

trifft dies auf die Investitionsgüterindustrie zu, deren Herausforderung die wirtschaftliche<br />

Fertigung der Losgröße 1 ist. Die Beherrschung der Komplexität bei<br />

gleichzeitiger Sicherstellung der Produktivität bietet geradezu eine idealtypische<br />

Voraussetzung für den Einsatz moderner Informationsverarbeitung.<br />

Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass in der Fertigung vieler Unternehmen<br />

der papierbezogene Informationsaustausch vorherrscht. Die Erfassung<br />

von Maschinenlaufzeiten, Maschinenverfügbarkeiten und Gutteilen aus der laufenden<br />

Produktion auf Papierbelegen sind lebende Anachronismen im industriellen<br />

Alltag. Diese Tätigkeiten gehören zu den aufwendigsten, nicht wertschöpfenden<br />

Tätigkeiten im Produktionsumfeld, die sich die Industrieunternehmen heute<br />

immer noch leisten. Diese Art zu arbeiten ist aber nicht nur höchst ineffizient, sie<br />

fordert Fehler und Ungenauigkeiten geradezu heraus. Weiterhin ist zu beachten,<br />

dass die Mitarbeiter auch an den Daten und Informationen, die im Produktionsprozess<br />

entstehen, gemessen und beurteilt werden. Lohnsysteme, die auf die Bewertung<br />

gefertigter Stückzahlen basieren, bergen automatisch die Gefahr, manipuliert<br />

zu werden.<br />

Die Fehler, die bei der manuellen Erfassung entstehen können, bringen aber<br />

nicht nur die Fertigungsplanung durcheinander. Bis heute gelten Maschinenstundensätze<br />

als Grundlage der Kalkulation für die Verkaufspreise. Wenn trotz aller<br />

bekannten Unzulänglichkeiten dieser Methode der Maschinenstundensatz als Kalkulationsgrundlage<br />

genommen wird, sollte wenigstens alles dafür getan werden,<br />

dass die hierfür verwendeten Informationen nicht noch durch menschliche Fehler<br />

und Schwächen verfälscht werden.<br />

3.1.4 Maschinen als informationsverarbeitende <strong>System</strong>e<br />

Beim Thema Informationsverarbeitung denkt man vor allem an den Einsatz von<br />

Software auf klassischer IT-Hardware wie Mainframes, Server oder PCs. Parallel<br />

zu dieser Welt der Unternehmens-IT existiert aber auch eine Welt der Automatisierungstechnik<br />

und maschinennahen Software. Maschinen und Anlagen bzw. die<br />

darin eingesetzte Automatisierungstechnik stellen selbst zumeist komplexe informationsverarbeitende<br />

<strong>System</strong>e dar. Technische Funktionen in Maschinen und Anlagen,<br />

die früher über mechanische und spezialisierte elektrotechnische Komponenten<br />

realisiert wurden, werden heute zunehmend über Software und Standard-IT<br />

umgesetzt. So regelt und steuert Software über digitale Sensoren und Aktoren die<br />

Bewegungen und Abläufe der Maschine, industrietaugliche PC´s dienen dem Maschinenbediener<br />

als Kommunikationsschnittstelle zur Maschine, zu übergelagerten


70 3 Mehrwert durch Software<br />

Softwaresystemen oder zur Außenwelt über das Internet. Bei modernen informationsgesteuerten<br />

Komponenten oder Maschinen liegt der Stückkostenanteil der<br />

Software durchaus schon bei 25 Prozent bis 40 Prozent oder gelegentlich auch<br />

darüber. Entwicklungsaufwendungen für Software von 30 Prozent und mehr an<br />

den Gesamtentwicklungskosten sind keine Seltenheit, was sich auch in einer stetig<br />

wachsenden Zahl von Softwareentwicklern in den Unternehmen widerspiegelt.<br />

Der wachsende Anteil von Software in Investitionsgütern, aber auch in Konsumprodukten<br />

wie Autos, Unterhaltungselektronik, Telekommunikation liegt vor<br />

allem darin begründet, dass über Software die Produkte wesentlich einfacher und<br />

flexibler an die spezifischen Bedürfnisse der Kunden angepasst und zusätzliche<br />

neue Services und Dienstleitungen angeboten werden können. Der Einsatz von<br />

Software wird also auch in klassischen Produkten immer stärker zum Wettbewerbsfaktor,<br />

zur Basis für kundenorientierten Mehrwert.<br />

Aus Sicht von <strong>MES</strong> lag in der Vergangenheit ein wesentliches Problem darin,<br />

dass sich die Informationsverarbeitung in der Automation eingeständig entwickelt<br />

hat und die Anbindung von Maschinen aufwendig und produktspezifisch war. Die<br />

besonderen Anforderungen im Automationsumfeld wie Echtzeit, Sicherheit (Safety),<br />

Verfügbarkeit, aber auch Kosten haben zu speziellen, inkompatiblen Steuerungen,<br />

Bussystemen, Bedienterminals, Datenhaltungen und Programmiersprachen<br />

geführt. Mit der wachsenden Nutzung von Standard-IT und Software,<br />

auch in die Automation, reduzieren sich die Schnittstellenprobleme zwischen der<br />

Unternehmens- und Automationswelt und ermöglichen die Realisierung standardisierter<br />

und wesentlich effizienter Informations- und Kommunikationsprozesse.<br />

3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie<br />

Der Einsatz von Software zur Leistungssteigerung in der Informationsverarbeitung<br />

ist für die Unternehmen an und für sich nichts Neues und seit Jahren ein Dauerthema.<br />

Neu ist, dass sich die Frage des Softwareeinsatzes immer wieder unter<br />

neuen technologischen Gesichtspunkten und Einsatzmöglichkeiten stellt. Aufgrund<br />

der hohen Innovationsgeschwindigkeit der IT-Industrie verändern sich die<br />

Basistechnologien ständig und es werden immer neue Anwendungsfelder erschlossen.<br />

(Mit Marketingaussagen wie „Diese Software sichert Ihre Zukunft“ oder<br />

„Mit dieser Software lösen Sie ihre Probleme“ sollen die potentiellen Kunden<br />

für neue Softwareinvestitionen gewonnen werden.) Nach Jahren der Euphorie stellen<br />

wir aber insbesondere bei mittelständischen Unternehmen inzwischen eine zurückhaltende<br />

oder abwartende Haltung fest. Gerade bei neuen Technologien (wie<br />

z. B. <strong>MES</strong>) ist eine gewisse Skepsis und Betrachtung des Umfeldes durchaus ratsam,<br />

bevor in Software investiert wird – dann allerdings mit klarer Zielrichtung<br />

und Konsequenz in der Umsetzung.


3.2.1 Kennzeichen der Investitionsgüterindustrie<br />

3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie 71<br />

Die Investitionsgüterindustrie, dazu zählen wir insbesondere Maschinenbau, Anlagenbau<br />

und Elektroindustrie, gehört momentan wieder zu den Vorzeigebranchen.<br />

Nachdem die „New-Economy“ kläglich versagt hat, besinnt man sich wieder<br />

auf die traditionellen Stärken in Deutschland. Starkes Umsatzwachstum, hohe Exportquoten<br />

und technologische Führerschaft sind durchaus vorzeigbare Kenngrößen<br />

der Branche. Trotz eher ungünstiger Einflüsse im Umfeld, wie hoher Eurokurs<br />

so wie hohe Kosten für Energie und Rohstoffe, setzt sich die Problemlösungskompetenz<br />

der Branche international durch, die Produkte sind weltweit auf Rekordniveau<br />

nachgefragt.<br />

Forcierte Produktinnovation<br />

Mitarbeiterqualifikation<br />

Stärkere Erschließung ausländischer Märkte<br />

Mehr kundenspezifische Problemlösungen<br />

Kostenreduzierung durch organisatorische Maßnahmen<br />

Ausweitung des Dienstleistungsangebots<br />

Auf Kernkompetenzen fokussieren<br />

Verstärkte Standardisierung der Produktion<br />

Aggressives Marketing<br />

Mehr Standardprodukte<br />

Verstärkter Einkauf in Niedriglohnländern<br />

Abb. 3.1. Innovationserhebung<br />

Kooperation<br />

Verringerung der Fertigunstiefe<br />

In Maschinen und Anlagen investieren<br />

Produktionsverlagerung ins Ausland<br />

Punkte 1 2 3 4 5<br />

unwichtig sehr wichtig<br />

Quelle: VDMA Tendenzbefragung 2004<br />

Dabei ruht sich die Branche keineswegs auf ihren Lorbeeren aus. Wie die Tendenzbefragung<br />

2004 des VDMA ausweist, stehen zur Verbesserung der Wettbewerbssituation<br />

Maßnahmen in den Bereichen „Forcierte Produktinnovation“ und<br />

„Mitarbeiterqualifikation“ hoch im Kurs. Um als Standort mit hohem Lohnniveau<br />

die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten, muss einerseits die Produktführerschaft verteidigt<br />

werden und zum anderen ist es erforderlich, die Ressource Mensch immer<br />

effizienter zu nutzen. Um diesen Nutzen zu erschließen, sind IT-Lösungen ein entscheidender<br />

Hebel. Dies ist umso bedeutender, als sich bereits heute für die kommenden<br />

Jahre ein Mangel an qualifiziertem Personal für die Branche erkennen<br />

lässt. Es gilt also, Routineaufgaben weiter zu automatisieren und komplexe Abläufe<br />

wirkungsvoll durch geeignete Softwareinstrumente zu unterstützen. Dass die<br />

Unternehmen unserer Branche diesen Weg gehen wollen, lässt sich auch wieder<br />

2,8<br />

3,1<br />

3,1<br />

3,4<br />

3,4<br />

3,3<br />

3,9<br />

3,9<br />

3,8<br />

3,8<br />

4,2<br />

4,1<br />

4,4<br />

4,4<br />

4,3<br />

3,7: durchschnittliche<br />

Punktzahl


72 3 Mehrwert durch Software<br />

aus der o. g. Tendenzumfrage ableiten. Hier wird deutlich, dass als Strategie zur<br />

Verbesserung der Wettbewerbssituation die Option der Produktionsverlagerung<br />

ins Ausland weit unter Durchschnitt an letzter Stelle der Möglichkeiten rangiert!<br />

3.2.2 <strong>MES</strong> in der IT-Softwarelandschaft<br />

<strong>MES</strong> ist in den Unternehmen der Investitionsgüterindustrie in der Regel von einer<br />

Vielzahl von ergänzenden Softwarelösungen umgeben. Die Einordnung dieser<br />

Bausteine richtet sich einerseits nach der Funktionalität im Rahmen der Wert-<br />

Abb. 3.2. Integration der Softwarelandschaft in das Unternehmen<br />

schöpfungsprozesse. Nach außen sind dies die Lieferanten und die Kunden des<br />

Unternehmens, im Inneren die Funktionsbereiche mit ihren spezifischen Aufgaben<br />

im Prozess. Die Prozesse lassen sich grob in kaufmännische und technische Aufgabenstellungen<br />

unterteilen. Für die Integration vom <strong>MES</strong> in diese Softwareumgebung<br />

ergeben sich unterschiedliche Erfordernisse zur Integration. Insgesamt<br />

kann man feststellen, dass sich die Notwendigkeit zur Integration der Softwareprodukte<br />

zu <strong>MES</strong> in dem Maße erhöht, wie die Nähe zum Fertigungsprozess zunimmt.<br />

So ergeben sich vor allem zu den klassischen ERP-Komponenten Warenwirtschaft<br />

(DIS) und Produktion (PPS) deutliche Anforderungen an Schnittstellen.<br />

Darüber hinaus ist die enge Anbindung an die Ebene der Automatisierung hervorzuheben,<br />

wo die in der Vergangenheit unidirektionale Datenversorgung des ERP<br />

mit Maschinendaten aus der MDE (Maschinendatenerfassung) oder BDE (Betriebsdatenerfassung)<br />

nun zum Dialog zwischen <strong>MES</strong> auf der einen und diesen<br />

<strong>System</strong>en auf der anderen Seite geworden ist.


3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie 73<br />

Die enge Anbindung an die Warenwirtschaft hat vor allem zum Ziel, die Feinsteuerung<br />

der für die Fertigungsaufträge verfügbaren Fertigungsmaterialien und<br />

Komponenten zu unterstützen. Damit wird eine der unverzichtbaren Voraussetzungen<br />

für eine Produktion, nämlich die Materialverfügbarkeit, in den Planungsprozess<br />

eingebracht.<br />

PPS ist in der Vergangenheit häufig falsch mit „Produktionsplanung und Steuerung“<br />

übersetzt worden. Tatsächlich ist es gerade die Unfähigkeit von Standard<br />

PPS-<strong>System</strong>en, dem Fertigungssteuerer die Möglichkeit zur Steuerung zu geben.<br />

Klassisch wird hier gegen unbegrenzte Kapazitäten und möglicherweise auch mit<br />

Startterminen geplant, welche bereits in der Vergangenheit liegen. Hier kann <strong>MES</strong><br />

seine Stärken ausspielen, indem eine auf rückstandsfreie Planung gegen die vorhandenen<br />

Kapazitäten aufgesetzt und der erreichte Fertigungsfortschritt zeitnah<br />

zurückgemeldet wird. Auf dieser Grundlage kann PPS dann rollierend die vorhandenen<br />

Kundenaufträge für die Fertigung freigeben, die <strong>System</strong>e laufen synchron<br />

und ergänzen einander.<br />

3.2.3 <strong>MES</strong> im Technology-Lebenszyklus<br />

Trotz des durchaus ordentlichen Nutzens von <strong>MES</strong> hat sich dieses Konzept in der<br />

Investitionsgüterindusrie noch lange nicht durchgesetzt. Es herrscht teilweise noch<br />

erhebliche Skepsis, ob <strong>MES</strong> nur „Alter Wein in neuen Schläuchen ist“ oder ob es<br />

sich vielleicht noch besser ist abzuwarten, bis sich <strong>MES</strong> auf breiter Front etabliert<br />

hat.<br />

Die skeptische bzw. abwartende Haltung begründet sich vor allem auf teilweise<br />

negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit. Bereits vor rund 20 Jahren wurde<br />

unter dem Stichwort CIM der Integrationsgedanke und der verstärkte Computereinsatz<br />

aufgegriffen und theoretisch sehr fundiert dargelegt. Die begrenzte Leistungsfähigkeit<br />

der damaligen Hardware-Infrastruktur sowie mangelnde Möglichkeiten<br />

einer leistungsfähigen Umsetzung durch Softwarewerkzeuge ließen nur<br />

einen langsamen Fortschritt zu. Über Betriebsdatenerfassung (BDE) und Maschinendatenerfassung<br />

(MDE) auf speziell dafür entwickelten Erfassungsterminals<br />

wurde der existierende grafische Fertigungsleitstand auf Plantafeln im AV- oder<br />

Meisterbüro durch eine elektronische Darstellung der gleichen Sachverhalte ersetzt.<br />

Durch den „Advanced Planning and Scheduling“ (APS)-Ansatz Mitte der<br />

90er Jahre versuchte man, die Lücke zu schließen, welche PPS-<strong>System</strong>e mit den<br />

Planungsphilosophien MRP und MRPII gelassen hatten. Nun sollte damit Schluss<br />

sein, in der Vergangenheit liegende Perioden als planungsrelevant für noch nicht<br />

durchgeführte Fertigungsschritte zuzulassen. Dennoch kam auch der APS-Ansatz<br />

nicht darüber hinaus, nur ein verfeinerter Planungsansatz zu sein, den Regelkreis<br />

zwischen IST und SOLL zu schließen.<br />

Mit <strong>MES</strong> wird nun die Integration aller relevanten Informationen für die Fertigung,<br />

also die Bereiche Personal, Materialressourcen und Fertigungsmittel vollzogen.<br />

In das <strong>MES</strong> fließen die verfügbaren Personalressourcen mit Qualifikationsprofilen,<br />

die verfügbaren Rohstoffe und Komponenten sowie die freie Maschinenkapazität<br />

inklusive der benötigten Werkzeuge und Vorrichtungen zu-


74 3 Mehrwert durch Software<br />

sammen. Im gleichen Zuge wird der Fertigungsfortschritt laufend an das Planungssystem<br />

zurückgemeldet und damit der Regelkreis der Fertigungssteuerung<br />

derart geschlossen, dass auf dieser Grundlage eine iterative Neuplanung in der<br />

Fertigung möglich ist.<br />

Abb. 3.3. Gartner-Hypce-Cycle<br />

Rückblickend hat <strong>MES</strong> mit seinen Vorläufern eine für neue Technologien typische<br />

Entwicklungskurve entsprechend dem Gartner-Hypce-Cycle durchlaufen.<br />

Nimmt man die Idee des CIM als Startpunkt, so ist man mit <strong>MES</strong> inzwischen auf<br />

dem „Pfad der Erkenntnis“ angelangt. Es gibt am Markt eine wachsende Zahl angebotener<br />

<strong>System</strong>e, die technologisch reif für den praktischen Einsatz sind und deren<br />

Nutzwert anhand konkreter Realisierungen nachgewiesen ist. Demnach ist es<br />

recht wahrscheinlich, dass <strong>MES</strong> in absehbarer Zukunft eine wesentliche Rolle im<br />

Rahmen der Fertigungsorganisation und -steuerung spielen wird und das Plateau<br />

der Anwendungsebene und der breiten industriellen Nutzung erreichen wird.<br />

Letztendlich werden die potentiellen Anwender darüber entscheiden, ob <strong>MES</strong> sich<br />

durchsetzt oder seinen eigenen Hype durchleben wird.<br />

3.2.4 <strong>MES</strong> aus Anwendersicht<br />

Das Abbrechen eines Technologie-Hypes zeigt sich manchmal darin, dass Technologie-Begriffe<br />

verspottet oder verniedlicht werden. So wurde aus CIM das


3.2 <strong>MES</strong> in der Investitionsgüterindustrie 75<br />

„Simsalabim“, aus BtoB das „To Be or not to Be“. Bei neuen IT-Begriffen besteht<br />

immer die Gefahr, dass diese zur Ausschöpfung des Marktpotenzials von einer<br />

Vielzahl von Anbietern aufgegriffen und nach eigenem Gusto definiert werden.<br />

Dies führt zu einer erheblichen Intransparenz für die potentiellen Anwender. Es ist<br />

deshalb wichtig, dass Organisationen wie <strong>MES</strong>A, NAMUR oder VDI sich darum<br />

bemühen, Klarheit in die Definition des Begriffes <strong>MES</strong> zu bringen und den funktionalen<br />

Rahmen von <strong>MES</strong> zu definieren.<br />

<strong>MES</strong> ist als Begriff in Deutschland noch vergleichsweise neu. Nach einer Umfrage<br />

von Trovarit in 2004 bei 670 Unternehmen der Fertigungsindustrie ist der<br />

Begriff <strong>MES</strong> bei mehr als 50% der Unternehmen unbekannt, nur 7% weisen sich<br />

als Kenner der Materie aus. Vergleichbare Situationen sehen wir auch in anderen<br />

Software-Technologiefeldern wie PLM oder Digitale Fabrik. Insbesondere bei<br />

mittelständischen Unternehmen besteht zumeist große Unsicherheit hinsichtlich<br />

Anwendungsfelder, praktischer Umsetzung oder auch des wirtschaftlichen Nutzens.<br />

Der VDMA als Vertreter eines breiten Mittelstands setzt sich deshalb gerade<br />

bei neuen Technologien dafür ein, über die Vorstellung von Anwendungsbeispielen,<br />

Referenzlisten, Leitfäden oder der Durchführung spezieller Umfragen<br />

Klarheit über neue Technologien aus Anwendersicht zu schaffen.<br />

In der in regelmäßigen Abständen durchgeführten Umfrage zur Fertigung, in<br />

der auch nach eingesetzten technisch/organisatorischen Hilfsmitteln gefragt wird,<br />

wurde der Begriff <strong>MES</strong> bisher noch nicht verwendet. Betrachtet man die Ergebnisse<br />

im Zeitverlauf, so fällt auf, dass der Einsatz technisch/organisatorischer<br />

Hilfsmittel in der Fertigung in den letzten Jahren eher stagniert oder rückläufig ist.<br />

Andererseits lassen der hohe Anteil an eingesetzten Fertigungsinformationssystemen<br />

oder BDE-<strong>System</strong>en von über 60% auf das große Potenzial schließen, das<br />

sich für <strong>MES</strong> bietet.<br />

3.2.5 <strong>MES</strong> aus Marktsicht<br />

Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich nicht überraschend, dass der <strong>MES</strong>-Markt<br />

in den nächsten Jahren als einer der am stärksten wachsenden Softwarebereiche<br />

im industriellen Umfeld eingeschätzt wird. So prognostiziert die Unternehmensberatung<br />

ARC zum Beispiel ein jährliches Wachstum von 11% für <strong>MES</strong> in der<br />

Prozessindustrie.<br />

Schwierig bei derartigen Prognosen ist, dass weder die Anforderungen an die<br />

<strong>System</strong>e noch das Anbieterumfeld klar strukturiert sind. Der <strong>MES</strong>-Anbietermarkt<br />

ist noch von einer hohen Heterogenität geprägt und wird von mehreren Anbietergruppen<br />

angegangen, was sich aus der Positionierung von <strong>MES</strong> als Bindeglied<br />

zwischen ERP und Automation erklärt.


76 3 Mehrwert durch Software<br />

Abb. 3.4. Bild über Marktwachstum für Prozessindustrie (Quelle ARC)<br />

Aufgrund der wachsenden Nachfrage nach <strong>MES</strong> haben viele Automatisierungsanbieter<br />

durch Akquisition von <strong>MES</strong>-Anbietern ihr Produkt- und Dienstleistungsspektrum<br />

in diese Richtung erweitert. Das starke Engagement der Automatisierer<br />

wird sicherlich dazu führen, dass die Anbindung und Kommunikation von<br />

Automatisierungssystemen mit <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en weiter ausgebaut und verbessert<br />

wird. Das Interesse der ERP-Anbieter an <strong>MES</strong> liegt darin, die bisher in die Fertigung<br />

bestehende Informationslücke durch eigene Entwicklungen oder Kooperation<br />

mit <strong>MES</strong>-Anbietern weiter zu schließen. Bei einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist die funktionierende<br />

Verbindung mit dem übergelagerten ERP-<strong>System</strong> ein wesentlicher und<br />

kritischer Faktor. Die Definition praktikabler und standardisierter Integrationsschnittstellen<br />

zu ERP ist eine wichtige Aufgabenstellung für die Weiterentwicklung<br />

von <strong>MES</strong>. Das Engagement der in der Industrie bereits breit etablierten ERP-<br />

Anbieter könnte einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des <strong>MES</strong>-<br />

Marktes.<br />

Die dritte Gruppe sind die eigentlichen <strong>MES</strong>-Spezialisten, die bereits ausgereifte<br />

und in sich geschlossene Lösungen für den <strong>MES</strong>-Markt haben. Unterschiede<br />

liegen zumeist im Umfang der abgedeckten <strong>MES</strong>-Funktionen und der primären<br />

Ausrichtung auf spezifische Branchen und Unternehmenstypen. Aufgrund der<br />

langjährigen Erfahrung und der kundenorientierten Flexibilität werden diese Anbieter<br />

weiterhin eine entscheidende Rolle spielen. Unternehmen, die sich mit <strong>MES</strong><br />

befassen und die Einführung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s planen, sollten sich von der Vorstellung<br />

verabschieden, ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s „von der Stange“ kaufen zu können.<br />

<strong>MES</strong> muss auf die eigene Situation zugeschnitten werden und kann durchaus über<br />

unterschiedliche Softwaresysteme verteilt sein. Die Unternehmen sollten quasi eine<br />

Vogelperspektive einnehmen und beim Blick auf das eigene Unternehmen den<br />

Bebauungsplan für das eigene <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> aufstellen.


3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes<br />

3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes 77<br />

Voraussetzungen für kontinuierliche Veränderungen sind kontinuierliche Denkprozesse.<br />

Das systematische Herunterbrechen des Leistungsversprechens des Unternehmens<br />

über Zielvorgaben auf Kennzahlen und Messgrößen bis herunter auf<br />

die operative Ebene wird eine langfristige Dynamik auslösen, die sich im Voraus<br />

nicht festschreiben oder sogar in einen Maßnahmenkatalog gießen lässt. Daher ist<br />

es sinnvoll, die Strukturen, Ziele und Spielräume zusammen mit den Mitarbeitern<br />

zu erarbeiten. Erst durch dieses gemeinsame Vorgehen wird es möglich, dass sich<br />

das Unternehmen über die Prozessverantwortung jedes einzelnen darin identifiziert.<br />

3.3.1 Erarbeitung der Zielsetzung<br />

Ein konsequenter <strong>MES</strong>-Einsatz führt im Unternehmen zu erheblichen Konsequenzen,<br />

die in der Regel im Vorhinein für die Betroffenen nicht erkennbar sind:<br />

− Die Organisation wird selbstlernend, was durch ein <strong>MES</strong> über automatisierte<br />

Workflows und Eskalationsautomatismen ermöglicht wird.<br />

− Der Personalbereich wird dezentralisiert, viele Entscheidungen werden im bottom<br />

up Verfahren vor Ort getroffen und nach oben kommuniziert.<br />

− Die Mitarbeiterführung erfolgt über Leistungskennzahlen, an denen sich die<br />

Mitarbeiter permanent ausrichten.<br />

− Entlohnungsmodelle richten sich an Prozessen und nicht mehr an statischen<br />

Vorgaben aus.<br />

− Zentrale Datenhaltung bei dezentraler Verfügbarkeit revolutioniet die klassische<br />

Fabrikinformatik, indem sie die Medienbrüche eliminiert – die Wertschöpfung<br />

wird schnittstellenfrei.<br />

− Das Hierarchieverständnis wird durch prozessfähige Informationsstrukturen<br />

verändert: Die Hierarchie wird zum Dienstleister.<br />

− Aus der traditionell zentral angesiedelten Durchlaufsteuerung wird durch die<br />

Einführung von <strong>MES</strong> eine dezentrale Disposition mit prozessnahen Regelkreisen.<br />

Im Rahmen eines <strong>MES</strong>-Einführungsprojektes gilt es also, ein möglichst realistisches<br />

Modell für eine zukünftige Fertigungsorganisation zu entwerfen. Dazu ist<br />

die bestehende Situation sorgfältig zu analysieren, sind die Verbesserungspotenziale<br />

herauszuarbeiten und daraus die erforderlichen Maßnahmen für die Umsetzung<br />

abzuleiten. Erst wenn Klarheit über das Ziel besteht, kann der optimale Kurs bestimmt<br />

werden:<br />

− Welche strategische Ausrichtung soll umgesetzt werden?<br />

− Welche Zielvorgaben unterstützen diese Unternehmensstrategie?<br />

− Welche Kennzahlen und Messgrößen lassen sich für die Zielvorgaben entwickeln?


78 3 Mehrwert durch Software<br />

3.3.2 <strong>System</strong>atische Prozessentwicklung<br />

Die permanente Ausrichtung der Ressourceneinsätze am Prozessergebnis erfordert<br />

eine systematische Prozessentwicklung mit allen Prozessverantwortlichen. Während<br />

in der Vergangenheit Wirtschaftlichkeitsentscheidungen ausschließlich an<br />

den Zahlen des Rechnungswesens ausgerichtet wurden, wird die Fabrik von morgen<br />

ihre Leistungskennzahlen mit Hilfe eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s auf die hinter diesen<br />

Zahlen liegenden Abläufe – die Prozesse – beziehen. Diese durchgreifende Veränderung<br />

betrifft die gesamte Organisation, sie muss daher von allen Mitarbeitern<br />

getragen werden.<br />

Im Gegensatz zum traditionellen Vorgehen bei Veränderungen, welche im Topdown<br />

Verfahren durchgesetzt wurden, sind die unmittelbar betroffenen Prozessverantwortlichen<br />

anzusprechen. Workshops vor Ort haben immer wieder gezeigt,<br />

dass die Werker in der Regel diejenigen sind, die auf immer wieder auftretende<br />

Organisationsmängel hinweisen, ohne dass sie in der Vergangenheit die Mittel in<br />

der Hand hatten, diese Missstände in Zeit und Geld zu qualifizieren und zu quantifizieren<br />

oder gar zu beheben. Dabei ist das durch diese Ignoranz verloren gegangene<br />

Potenzial vergleichsweise riesig: Überschreitungen geplanter Fertigungsauftragszeiten<br />

und Liefertermine, „Feuerwehraktionen“ und immense Vertriebs- und<br />

Verwaltungskosten sind Beispiele für typische Verschwendungen.<br />

Diese Projektphase beginnt entsprechend damit, alle am Prozess beteiligten<br />

einzubeziehen. Jeder Wissensvorsprung im Unternehmen schafft Aggressionen,<br />

Misstrauen und Überheblichkeiten und führt zu unkontrollierbaren Nebenhierarchien.<br />

So tragen insbesondere das Controlling, die Organisationsabteilung,<br />

der Vertrieb, die Arbeitsvorbereitung, der Einkauf, die Technik, die Produktion,<br />

das Qualitätsmanagement und die IT gemeinsam die Prozessverantwortung. Bereits<br />

in dieser Phase sollte auch der Betriebsrat einbezogen werden, um möglichen<br />

Blockaden von Beginn an entgegen zu wirken. In diesem Zusammenhang muss<br />

klar gemacht werden, dass es bei <strong>MES</strong> nicht um die Überwachung der Mitarbeiter<br />

geht, sondern um eine Maßnahme zur Optimierung der Fertigungsprozesse. Günstig<br />

ist, wenn aufgezeigt werden kann, dass die Werker auch unmittelbar an der erfolgreichen<br />

Umsetzung des Projekts beteiligt werden können, indem sich etwa<br />

Termintreue und erreichte Qualität positiv auf die Löhne auswirken.<br />

Prozessbeschreibungen, wie sie bereits im Zuge der Zertifizierung angefertigt<br />

wurden, sind ein nützliches Hilfsmittel. Die Anforderungen der prozessbeteiligten<br />

Abteilungen oder Verantwortungsbereiche sind in dieser Phase zusammen mit den<br />

Mitarbeitern zu detaillieren.<br />

3.3.3 Abschätzung eines Return on Investment<br />

Ist das Ausmaß der Schwachstellen an Beispielen dokumentiert und für das Unternehmen<br />

quantifiziert, lässt sich über eine anschließende Potenzialanalyse eine<br />

überschlägige Kosten-Nutzenberechnung durchführen, aus der sich ein Return on<br />

Investment zumindestens näherungsweise berechnen lässt. Dazu zählt neben dem<br />

Aufzeigen der Potenziale auch die Erläuterung von Lösungs- und Handlungsalter-


3.3 Vorbereitung eines <strong>MES</strong>-Einsatzes 79<br />

nativen. Dabei sollten die Möglichkeiten von <strong>MES</strong> vorgestellt werden. Eine in<br />

dieser Phase noch grobe Kosten-Nutzen-Betrachtung, eine erste Machbarkeitsstudie<br />

und ein grober Projektplan sollten Bestandteil der Information an die verantwortlichen<br />

Entscheider sein. Ziel dieses ersten Projektschritts ist es, vom Management<br />

einen Projektauftrag und ein Budget zu erhalten und für dieses Projekt<br />

einen verantwortlichen Paten aus den Reihen der Geschäftsführung zu benennen.<br />

3.3.4 Der <strong>System</strong>abgleich<br />

Grundlage eines abschließenden <strong>System</strong>abgleichs sind die erarbeiteten Eckdaten<br />

der systematischen Prozessentwicklung. Anforderungen können beispielsweise<br />

sein:<br />

− Integration der operativen Ebene (Controls),<br />

− Entlohnungsformen,<br />

− Prozesszeitoptimierungen,<br />

− Durchführung der Qualitätssicherung,<br />

− Schnittstellenanforderungen,<br />

− Besonderheiten der Fertigungstechnologie,<br />

− Globalisierung (Browserfähigkeit).<br />

Vor dem Hintergrund der erarbeiteten Projektziele können diese nun mit dem<br />

Marktangebot abgeglichen werden. Dazu bietet der VDMA seinen Mitgliedern z.<br />

B. spezifische Referenzlisten an. Bei der Komplexität des Angebots an <strong>MES</strong>-<br />

Lösungen empfiehlt sich in diesem Zusammenhang möglicherweise die Unterstützung<br />

durch ein Beratungsunternehmen, welches sich nachweislich bei der Auswahl<br />

derartiger Unternehmenssoftware als erfolgreicher Partner bewährt hat. Hier<br />

sind entsprechende Referenzen hilfreich für die Beurteilung. Die möglichen Anbieter<br />

müssen jetzt auf Grundlage der Vorgaben bewertet werden.<br />

Die Angebote werden neben den üblichen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten<br />

auch beurteilt nach „weichen“ Faktoren wie:<br />

− Das finanzielle Standing. Das anbietende Unternehmen sollte ebenso Nachweis<br />

über seine wirtschaftliche Gesundheit wie über eine überzeugende Geschäftsstrategie<br />

liefern.<br />

− Die technische Zukunftsfähigkeit der Lösung und Entwicklungsstrategie für die<br />

nächsten Jahre müssen erkennbar und nachvollziehbar sein.<br />

− Die organisatorische Leistungsfähigkeit und die permanente Verfügbarkeit sind<br />

nicht zu vernachlässigende Leistungsmerkmale, die sich zeigen im Service,<br />

Softwarepflege (Update- und Releasepolitik) oder Projekt Know-how.<br />

− Schließlich ist auch darauf zu achten, dass Anwender und Anbieter von ihrer<br />

Unternehmensgröße zueinander passen. Beim mittelständischen Softwarehaus<br />

ist davon auszugehen, dass es die Alltagsprobleme des mittelständischen Fertigungsunternehmens<br />

verstehen und nachvollziehen kann. Die 2–3 <strong>System</strong>anbieter,<br />

welche den Anforderungen am besten genügen, werden nun zur Abgabe eines<br />

Pflichtenhefts und eines detaillierten Implementierungsplans aufgefordert.


80 3 Mehrwert durch Software<br />

Außerdem sollte in Workshops, in denen mit Echtdaten des Unternehmens Abläufe<br />

simuliert werden, die <strong>System</strong>e auf ihre Tauglichkeit überprüft werden.<br />

Am Ende dieses Prozesses steht die Auftragserteilung an einen der letzten Anbieter<br />

und mit der praktischen Umsetzung des Einführungsprojektes kann begonnen<br />

werden.<br />

3.3.5 Die <strong>MES</strong>-Einführung im Unternehmen<br />

Die Grundlage für die Einführung des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s bildet der Implementierungsplan.<br />

Darin sind die Einführungsschritte und die Abfolge der Organisationseinheiten<br />

niedergelegt, in denen das <strong>System</strong> sukzessive eingeführt wird. Es hat<br />

sich als nützlich erwiesen, solche <strong>System</strong>e schrittweise und nicht mit einem „Big<br />

Bang“ einzuführen. Dabei ist es entsprechend der 80:20-Regel günstig dort anzufangen,<br />

wo die größten RationalisierungsPotenziale liegen und die Möglichkeit<br />

der Einbeziehung hochwertiger Maschinen und Anlagen am größten ist. Schnelle,<br />

offensichtliche Erfolge sind gut für das Ansehen des Projekts und geben den nötigen<br />

Schwung für die flächendeckende Umsetzung. Um Rückschläge zu vermeiden,<br />

muss der Echtlauf des <strong>System</strong>s gründlich vorbereitet werden. Neben der erforderlichen<br />

Anwenderschulung steht hierbei vor allem die lückenlose und<br />

konsistente Verfügbarkeit der Daten im Vordergrund, die das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> für<br />

seinen Betrieb braucht. Auch hier gilt die alte Regel, dass der Output nur so gut<br />

sein kann, wie dies der Input zulässt. Fehler, die in der Einführungsphase auftreten,<br />

müssen dokumentiert und genau untersucht werden. Die Maßnahmen, die zur<br />

Korrektur von Fehlern führen, müssen derart im Einführungsprozess verankert<br />

werden, dass sie zur zukünftigen Fehlervermeidung dienen können. Während der<br />

gesamten Einführungsphase ist die Einhaltung des Implementierungsplans sowohl<br />

hinsichtlich der Meilensteintermine als auch hinsichtlich von Zielabweichungen<br />

zu überwachen und nötigenfalls zu korrigieren. Der Projektfortschritt wird bis<br />

zum Abschluss der Einführungsphase an den Verantwortlichen in der Geschäftsführung<br />

in festgelegten Perioden berichtet. Sind die Einführungsschritte gemäss<br />

Implementierungsplan abgeschlossen, so wird das Projekt formell abgeschlossen.<br />

Das heißt unter anderem, dass die entstandenen Kosten von nachfolgenden Perioden<br />

klar abgegrenzt werden und dass z. B. weitere Dienstleistungen des Anbieters<br />

entweder neue Projekte betreffen oder als laufende Kosten zu verbuchen sind.<br />

3.3.6 Der Betrieb der <strong>MES</strong>-Lösung<br />

Wertschöpfungsprozesse in Unternehmen sind stets auch durch Veränderung gekennzeichnet.<br />

Deshalb ist es nur natürlich, dass sich auch nach der Einführung eines<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s Zielabweichungen ergeben können. Einerseits können sich<br />

Verhaltensweisen oder Abläufe „einschleichen“, welche den ursprünglichen Zielen<br />

widersprechen oder sie nur suboptimal unterstützen. Andererseits verschieben<br />

sich jedoch auch taktische oder gar strategische Ziele der Unternehmensführung<br />

und die <strong>System</strong>e, welche die Zielerreichung unterstützen. In diesem Sinne bleibt


3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> 81<br />

das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> auch nach seiner erfolgreichen Einführung Gegenstand des Monitoring<br />

und Auditierung der Verantwortlichen von Controlling und Organisation.<br />

Die Phase des Betriebs der <strong>MES</strong>-Lösung ist aber auch die Zeit, in der nun die<br />

Kosten-Nutzen-Analyse abgeschlossen wird und eine Aussage über den wirtschaftlichen<br />

Erfolg des Projekts erfolgen muss. Hierbei werden die gleichen<br />

Kennzahlen und Messgrößen zu Grunde gelegt, die bei der Anforderungsanalyse<br />

als Grundlage gedient haben. Auf diese Weise erhält das Management nicht nur<br />

Informationen über den Erfolg des Projekts, sondern auch über die Projektfähigkeit<br />

des Unternehmens und Hinweise zu möglichen erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen.<br />

Potenziale aufdecken.<br />

3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong><br />

Die Planung und Einführung von <strong>MES</strong> zur Verbesserung der Informationsverarbeitung<br />

in der Fertigung ist kein einmaliger Prozess, sondern eine entscheidender<br />

Schritt in eine erfolgreiche Zukunft. Hierbei darf <strong>MES</strong> allerdings nicht isoliert betrachtet<br />

werden, sondern es müssen andere Softwaretechnologiefelder berücksichtigt<br />

werden, die die Fabrik als informationsverarbeitendes <strong>System</strong> ebenfalls direkt<br />

oder indirekt mit einbeziehen. Die aktuelle als auch zukünftige Rolle von <strong>MES</strong><br />

muss klar definiert werden, um die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.<br />

3.4.1 Die digitalisierte Fabrik<br />

In den letzten Jahren ist generell ein Trend zur Digitalisierung und „Informatisierung“<br />

klassischer Technologien festzustellen. Allgemein bekannte Beispiele sind<br />

das digitale Fernsehen, die digitalisierte Telekommunikation oder die digitale Fotografie.<br />

Der gemeinsame Ansatz all dieser Entwicklungen liegt darin, dass anstelle<br />

der analogen Signalverarbeitung und -übertragung heute digitale Technologien<br />

eingesetzt werden. Auf Basis moderner, standardisierter Informations- und Kommunikationstechnik<br />

lassen sich einerseits leistungsfähigere und flexiblere Produkte<br />

mit innovativen Services entwickeln, andererseits aber auch Medienbrüche und<br />

technologiebedingte Inkompatibilitäten abbauen.<br />

Der Trend der zunehmenden Digitalisierung von Produkten ist auch in der Automatisierungstechnik<br />

und den darauf aufbauenden Fertigungs- und Logistiksystemen<br />

seit längerem im Gange. Es findet eine zunehmende Substitution von<br />

Hardware durch Software statt. Entscheidend ist, dass auch in diesem Sektor zunehmend<br />

auf Standard-IT und -Software gesetzt wird. So werden beispielsweise<br />

proprietäre Feldbussysteme durch Industrial Ethernet, speicherprogrammierbare<br />

Steuerungen durch „Soft-SPSen“ oder spezielle Bedienpanels durch PC´s mit<br />

Windowsoberflächen ersetzt. Darüber hinaus sollen in Zukunft Barcodes durch intelligente<br />

Etiketten (RFID´s) oder kabelgebundene Kommunikationsnetze durch<br />

Wireless Technologien ersetzt werden.


82 3 Mehrwert durch Software<br />

Die Digitalisierung von Produkten und <strong>System</strong>en findet also nicht nur in den<br />

konsumnahen, sondern auch den produzierenden Bereichen statt. Damit werden<br />

die in der Fabrik zu verwaltenden oder zu steuernden Produkte und Produktionsmittel<br />

immer kommunikativer und kompatibler. Gleichzeitig steigt aber auch die<br />

Fülle an Informationen und Informationswegen, die über geeignete IT- und Softwaresysteme<br />

zu managen sind. Hier könnte <strong>MES</strong> durchaus die Rolle eines „Backbones“<br />

für die Fabrik einnehmen, der als Bindeglied zwischen der Fabrik und der<br />

restlichen IT-Welt fungiert.<br />

3.4.2 Die Digitale Fabrik<br />

Bei der Digitalen Fabrik steht nicht der operative Fabrikbetrieb, sondern die<br />

Wandlungsfähigkeit und Flexibilität der Produktion im Vordergrund. Nicht nur in<br />

der Serienproduktion stellt sich immer wieder die Aufgabe, Fabriken aufgrund<br />

neuer Produkte, Produktionsmittel oder Engpässe umzuplanen oder einzelne Fertigungsprozesse<br />

zu optimieren. Die Digitale Fabrik zielt nun darauf, einen durchgängigen<br />

digitalen Planungsprozess für Produktion und Fabrik einschließlich der<br />

methodischen und rechnerbasierten Unterstützung sicherzustellen. Hierzu gibt es<br />

inzwischen eine Vielzahl von Software-Werkzeugen, die vor allem in der Produktionsplanung<br />

und Fabrikgestaltung eingesetzt werden. Die Software-Werkzeuge<br />

bilden die Maschinen und Produkte mit ihren kompletten Strukturen, logistischen<br />

Abläufen und technologischen Prozessen bis ins kleinste Detail ab, die dann virtuell<br />

erprobt und verbessert werden. Ergebnis ist ein abgesichertes, digitales Modell<br />

der Fabrik, bevor diese überhaupt gebaut oder umgebaut wird.<br />

Das größte Potenzial bietet die Digitale Fabrik heutzutage für Unternehmen mit<br />

langen Planungszyklen oder komplexen Fertigungsprozessen. Es ist daher nicht<br />

verwunderlich, dass insbesondere die Automobilproduzenten den Einsatz dieser<br />

Technologien massiv vorantreiben und sich quasi in einem Realisierungswettbewerb<br />

befinden. Denn die Vorteile der Digitalen Fabrik für den Planungsprozess<br />

hinsichtlich Verkürzung der Anlaufzeiten, Reduzierung von Planungsfehlern<br />

und Senkung der Planungskosten sind unbestritten. Inzwischen setzt sich aber<br />

immer mehr die Erkenntnis durch, dass noch ein erhebliches Rationalisierungs-<br />

und Optimierungspotenzial in der Verknüpfung der Digitalen Fabrik mit der Realen<br />

Fabrik besteht. Über die Rückkopplung realer Daten aus der Fabrik in die digitale<br />

Fabrik könnten die zugrunde liegenden Planungsmodelle sukzessive verbessert<br />

und der Realität angepasst werden. Es ist durchaus vorstellbar, dass die<br />

Digitale Fabrik zukünftig nicht nur sporadische Planungsprozesse unterstützt,<br />

sondern auch als Hilfsmittel für eine permanente Überprüfung und Optimierung<br />

operativer Prozesse in der Fabrik genutzt wird.


3.4.3 Die echtzeitfähige Fabrik<br />

3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> 83<br />

Betrachtet man die Situation der Informationsverarbeitung in der Fabrik aus ganzheitlicher<br />

Sicht, so trifft man heutzutage auf unterschiedliche <strong>System</strong>e und Informationsströme:<br />

− Herzustellenden Produkte werden über CAD entwickelt und dann auf Basis abgeleiteter<br />

NC-Programme und Zeichnungen hergestellt und montiert.<br />

− Aufträge und Arbeitspläne werden über ERP geplant und operativ über <strong>MES</strong><br />

feingesteuert.<br />

− Fabriken oder Fertigungsprozesse werden über die Werkzeuge der Digitalen<br />

Fabrik simuliert und in den operativen Betrieb überführt.<br />

− Maschinendaten werden in den Maschinen und Anlagen gesammelt und über<br />

Bildschirm oder Netzwerke rückgemeldet.<br />

Ein generelles Problem besteht darin, dass diese Informationsprozesse noch eine<br />

Vielzahl von Medienbrüchen und Schnittstellen aufweisen. Es erweist sich damit<br />

als außerordentlich schwierig, schnell auf sich verändernde Rahmenbedingungen<br />

und Aufgabenstellungen in der Fabrik zu reagieren. Vor diesem Hintergrund<br />

befasst sich die Forschung bereits mit dem weiterführenden Konzept der „echtzeitfähigen<br />

Fabrik“, in der die physische Fabrik und deren Informations- und Kommunikationsprozesse<br />

eine Reaktion auf veränderte Rahmenbedingungen, Störungen<br />

und ähnliches in Echtzeit ermöglichen beziehungsweise zulassen. Ansätze zur<br />

Realisierung der echtzeitfähigen Fabrik im Hinblick auf die Informations- und<br />

Kommunikationsprozesse sind beispielsweise<br />

− die Echtzeiterhebung von Produktions- oder Logistikdaten über passive oder<br />

aktive RFID-<strong>System</strong>e,<br />

− Echtzeitprozessregelung von Maschinen und Anlagen über Industrial Ethernet,<br />

− zeitnahe Rückmeldung von Echtzeit-Daten für die Aktualisierung von ERP-<br />

Planungen,<br />

− Online-Übermittlung erhobener Echtzeit-Daten für Simulationszwecke in der<br />

Digitalen Fabrik,<br />

− direkte Verarbeitung von 3D-Produktdaten in Fertigungseinrichtungen wie<br />

Steuerung (technologieabhängig).<br />

Auch wenn diese Ansätze noch weit von der Realität entfernt sind und eventuell<br />

als „Wunschdenken“ auf die Seite gelegt werden, zeigen sie doch anstehende<br />

Aufgabenstellungen und Zielsetzungen auf. Die Basistechnologien zur Realisierung<br />

dieser Ansätze sind heute vielfach schon vorhanden. Des weiteren wird intensiv<br />

daran gearbeitet, diese Technologien noch besser aufeinander abzustimmen<br />

und die bestehenden Medienbrüche und Inkompatibilitäten abzubauen. Die Weiterentwicklung<br />

der <strong>System</strong>landschaft und die Nutzung in der Praxis wird jedoch in<br />

erheblichem Maße davon abhängen, inwieweit die Unternehmen bereit sind, noch<br />

stärker als in der Vergangenheit in eine effiziente und flexible Informationsverarbeitung<br />

in der Fertigung zu investieren.


84 3 Mehrwert durch Software<br />

Wir sind der festen Überzeugung, dass durch einen konsequenten Softwareeinsatz<br />

in der Fertigung bereits heute erhebliche Mehrwerte hinsichtlich Transparenz,<br />

Flexibilität und Produktivität erschlossen werden können. Von der Erschließung<br />

dieses Potenzials würden aber nicht nur die produzierenden Unternehmen, sondern<br />

auch der Produktionsstandort Deutschland in hohem Maße profitieren.


3.4 Innovative Technologien im Umfeld von <strong>MES</strong> 85<br />

4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

4.1 Einleitung und Motivation<br />

In Kap. 2 wurde erläutert, warum zeitnahe Informationen für die operativen, nahe<br />

am Fertigungsgeschehen agierenden Abteilungen wie die Arbeitsvorbereitung, die<br />

Fertigungssteuerung, die Instandhaltung, die Qualitätssicherung und insbesondere<br />

die Meister wichtig sind. Betrachtet man aber den Ist-Zustand in den Unternehmen,<br />

stellt man in vielen Fällen fest, dass die Informationsbeschaffung auch heute<br />

im Zeitalter moderner, IT-gestützter <strong>System</strong>e noch immer ein Schattendasein fristet.<br />

Wenn überhaupt, erhalten Mitarbeiter, die in den oben genannten Abteilungen<br />

tätig sind, allenfalls Informationen aus isolierten Insellösungen. Um den notwendigen<br />

„Rundumblick“ über alle an der Fertigung beteiligten Ressourcen zu bekommen,<br />

müssen die Informationen zusammengeführt und durch manuell erfasste<br />

Daten ergänzt werden. Die Folgen sind für die heutigen, durch kurze Regelzyklen<br />

gekennzeichneten Fertigungsprozesse fatal: die Informationen sind oft unvollständig<br />

oder gar fehlerhaft, sie liegen zu spät vor und die eingeleiteten Maßnahmen<br />

basieren oft auf Verdacht oder Schätzung, dass heißt auf nicht eindeutig abgesicherten<br />

Erkenntnissen. Diese Lücke zu schließen, ist eine der wesentlichen Aufgaben<br />

von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en.<br />

Mit der Erfassung und Auswertung von Daten ist jedoch nur eine Wirkungsrichtung<br />

abgedeckt. Moderne Management-Ansätze gehen heute davon aus, dass<br />

die relevanten Informationen auch an den Maschinen, Anlagen und Arbeitsplätzen,<br />

also direkt bei den Werkern verfügbar sein müssen. Nur der umfassend informierte<br />

Mitarbeiter kann seine Tätigkeiten in der Produktion im Sinne des Unternehmens<br />

verrichten. Und dazu gehört heute nicht nur die richtige Arbeits- oder<br />

Prüfanweisung bzw. die Zeichnung auf dem aktuellen Stand, sondern auch weiterführende<br />

Informationen zum Beispiel zu Problemen, die bei der Herstellung des<br />

gleichen Teiles zu einem früheren Zeitpunkt auftraten. Im Sinne des Gruppengedankens<br />

ist es außerdem unerlässlich, dass sich auch die Werker die relevanten<br />

Kennzahlen (Nutzungsgrade, Ausschussquoten, Prämienkennwerte etc.) zu den<br />

Produktionsergebnissen der Arbeitsgruppe, des Meisterbereichs oder der Abteilung<br />

ansehen und auf deren Basis an der Verbesserung der Produktionsergebnisse<br />

mitarbeiten können.<br />

Nach wie vor wird heute der Transport der Daten in Richtung Fertigung in vielen<br />

Produktionsbetrieben auf dem herkömmlichen, „papierbehafteten“ Weg<br />

durchgeführt. Lohnscheine und Fertigungspapiere werden direkt aus dem ERP-/<br />

PPS-<strong>System</strong> heraus gedruckt, manuell sortiert und den betreffenden Meisterbereichen<br />

zugeteilt. In Zeiten, wo die Produktionsplanung von eher langfristigen Ände-


86 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

rungszyklen geprägt war, wirkte sich dies nicht besonders nachteilig aus. Heute<br />

wird der in vielen Fällen mehrere Tage betragende Zeitversatz zwischen dem<br />

Ausdruck der Papiere für einen Auftrag und dem tatsächlichen Arbeitsbeginn<br />

mehr und mehr zum Problem: kurzfristige Reaktionen auf die Änderungen (Termine,<br />

Liefermenge, Qualität etc.), die Kunden heute als Selbstverständlichkeit bei<br />

Ihren Lieferanten einfordern, müssen per Hand auf den bereits gedruckten Papieren<br />

nachgeführt oder die Dokumente neu erstellt werden. Die zwangsläufig entstehenden<br />

Folgeprobleme dürften hinlänglich bekannt sein, vom enormen organisatorischen<br />

Aufwand gar nicht zu reden.<br />

Mit der konsequenten Ausrichtung auf die Belange der fertigungsnah agierenden<br />

Mitarbeiter entsteht mit <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en eine neue Klasse von IT-gestützten<br />

Anwendungen, die über die klassischen Ansätze der ERP oder PPS-<strong>System</strong>e bzw.<br />

der Automatisierungstechnik hinausgehen, die neue Sichtweisen zulassen und die<br />

ein praxisgerechtes Werkzeug für Werker, Meister, Instandhalter, Fertigungssteuerer<br />

und QS-Verantwortliche bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben darstellen.<br />

4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen<br />

In den nachfolgenden Kapiteln werden die klassischen Wege der, Informationsbeschaffung<br />

bzw. Fertigungssteuerung aufgezeigt und welche Probleme sich dadurch<br />

für den oben genannten Personenkreis ergeben.<br />

4.2.1 Hilfsmittel und <strong>System</strong>e für die operative Ebene<br />

ERP-/PPS-<strong>System</strong>e<br />

Als Konsequenz daraus, dass manuelle Aufzeichnungen auf Lohnscheinen und<br />

Laufkarten erst mit einem Zeitversatz von oftmals mehreren Tagen im ERP-/PPS-<br />

<strong>System</strong> zur Verfügung stehen, ergibt sich zwangsläufig folgende Regel: je zeitnaher<br />

die Informationen sein müssen, umso weniger stellt das ERP-/PPS-<strong>System</strong> ein<br />

echtes Hilfsmittel zur Steuerung der Fertigung dar. Oft sehr kurzfristig benötigte<br />

Informationen zum Auftragsfortschritt und damit auch zum Liefertermin liegen so<br />

zum Beispiel in der Regel erst nach Abschluss des gesamten Auftrags vor. Bedingt<br />

durch retrograde Buchungen sind Auskünfte zu Material- und Lagerbeständen<br />

(Rohmaterial, Halbzeuge, Fertigwaren) nicht auf dem aktuellen Stand und die<br />

Mitarbeiter gehen in vielen Fällen von falschen Annahmen aus. Probleme mit den<br />

Lieferterminen, zu hohe oder zu niedrige Bestände sind die zwangsläufige Folge.<br />

Außerdem werden Auswertungen zu Aufträgen und Artikeln (u. a. die Nachkalkulation)<br />

oft nur unter kaufmännischen Gesichtspunkten durchgeführt und sind wegen<br />

der fehlerträchtigen, manuellen Aufschreibung nur mit entsprechender Unschärfe<br />

verfügbar.<br />

Muss das ERP-/PPS-<strong>System</strong> neben der eigentlichen Aufgabe als Grobplanungsinstrument<br />

auch als Werkzeug zur Fertigungssteuerung genutzt werden, entstehen


4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen 87<br />

Probleme bei der Feinplanung. Viele ERP-/PPS-<strong>System</strong>e planen auch heute noch<br />

gegen unendlich verfügbare Kapazität der Produktionseinrichtungen. In der Praxis<br />

gibt es jedoch Einschränkungen bzgl. Verfügbarkeit durch nicht besetzte Schichten<br />

und nicht planbare Gegebenheiten wie Maschinenstörungen, nicht genügend<br />

Personal mit ausreichender Qualifikation, qualitativ minderwertiges Rohmaterial,<br />

kein Werkzeug usw. Durch die fehlenden zeitnahen Rückmeldungen zu diesen Ereignissen<br />

über eine geeignete <strong>System</strong>atik und durch die im ERP-/PPS-<strong>System</strong><br />

nicht vorhandenen Regelmechanismen ist der Regelkreis der Fertigungssteuerung<br />

zu träge. Dadurch kann nicht zeitgerecht gegengesteuert werden, wenn Engpass-<br />

und Konfliktsituationen eintreten. Der Fertigungsfortschritt verläuft nicht wie geplant<br />

und früher gemachte Terminaussagen entbehren jeglicher Realität.<br />

Automatisierungstechnik<br />

Einrichtungen der Automatisierungstechnik haben in erster Linie die Aufgabe,<br />

Anlagen, Prozesse und Maschinen aus technischer Sicht zu steuern oder zu regeln.<br />

Im Laufe der letzten Jahre haben sich derartige <strong>System</strong>e jedoch immer mehr auch<br />

zum Informationsmedium entwickelt. Es stellt in der Regel kein Problem für sie<br />

dar, Prozesswerte oder andere technische Daten wie zum Beispiel Maschinenstörungen<br />

zu erfassen, abzuspeichern und auszuwerten. Die Defizite im Sinne einer<br />

Gesamtbetrachtung der Fertigungsprozesse ergeben sich jedoch dadurch, dass sie<br />

keinen Bezug zu dispositiven und logistischen Daten haben. Der Meister oder Fertigungssteuerer<br />

kann zwar den technischen Zustand der Maschine direkt ablesen,<br />

die Beziehung zum betroffenen Auftrag, dessen Fertigungsfortschritt von der Störung<br />

betroffen ist, muss über Umwege manuell hergestellt werden. Auch andere,<br />

an der Produktion beteiligte Ressourcen wie Werkzeuge, das Material oder auch<br />

das Personal sind der Maschinensteuerung meist nicht bekannt.<br />

QS-<strong>System</strong>e<br />

Der Fokus von <strong>System</strong>en zur Qualitätssicherung liegt logischerweise auf allen Ereignissen,<br />

die mit dem Thema Qualität zu tun haben. Obwohl jedoch ein direkter<br />

Zusammenhang zwischen dem Produktionsprozess und der erzeugten Qualität besteht,<br />

arbeiten die QS-<strong>System</strong>e oft autark und ohne Integration in die Fertigung. Es<br />

besteht keine systemtechnische Kopplung zwischen dem Fertigungs- und dem<br />

Prüfauftrag, was zur Folge hat, dass eine direkte Planung der Prüfaufträge und<br />

Prüfmittel nicht erfolgt. Außerdem entstehen isoliert betrachtete Q-Daten, deren<br />

notwendige Zusammenführung mit den Verursachern von Qualitätsproblemen<br />

(Fehler durch Personal, schlechtes Material, Werkzeuge etc.) wieder nur manuell<br />

oder über separat einzurichtende Schnittstellen erfolgt.<br />

Nutzungsschreiber zur Aufzeichnung von Maschinendaten<br />

Bei diesen Geräten ist es ähnlich wie bei automatisierungstechnischen Einrichtungen.<br />

Sie haben eine einseitig technische „Sichtweise“ und der Bezug zu Aufträgen,<br />

zum Bedienpersonal oder zu den Werkzeugen kann gar nicht oder nur indi-


88 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

rekt hergestellt werden. Um elektronische Auswertungen zu bekommen, müssen<br />

die Daten abgelesen und manuell in ein separates <strong>System</strong> eingegeben werden. Ein<br />

weiterer Nachteil ist das aufwendige, wartungsintensive und teure Aufzeichnungsverfahren<br />

(Verbrauch an speziellen Formblättern, Tintenpatronen etc.) sowie<br />

die gesamte Organisation, die für den Nachschub der Verbrauchsmaterialien erforderlich<br />

ist. Auch die elektronischen Pendants der Nutzungsschreiber (z. B.<br />

MDE-<strong>System</strong>e) verbessern die Situation nur dann, wenn eine automatische Beziehung<br />

zur Welt der Aufträge hergestellt wird.<br />

Veraltete BDE-<strong>System</strong>e<br />

Mit BDE-<strong>System</strong>en, die vor einigen Jahren eingeführt wurden und die ITtechnischen<br />

Grenzen unterlagen, verfolgten die Nutzer meist einen speziellen Ansatz.<br />

Sie wurden zum Beispiel als Informationsquelle für Daten verwendet, die an<br />

Schwerpunktmaschinen und -arbeitsgängen entstehen oder zur Fertigmeldung von<br />

Aufträgen. Sie beherrschen meist nur die Auswertung zu einstufigen Fertigungsprozessen<br />

(z. B. Schwerpunkt-Arbeitsgang Spritzgießen), sind oft nur Insellösungen,<br />

die keine Schnittstellen zum ERP-/PPS-<strong>System</strong> besitzen. Außerdem fehlt<br />

auch hier die Ressourcen-übergreifende Betrachtung z. B. zum Werkzeug, zum<br />

Personal oder zum Material.<br />

4.2.2 Manuelle Informationsbeschaffung und andere Hilfsmittel<br />

Um einen Ausweg aus den oben dargestellten Defiziten zu finden, werden in vielen<br />

Unternehmen zusätzlich zu den genannten <strong>System</strong>en Einrichtungen geschaffen,<br />

mit deren Hilfe dringend benötigte Informationen zum aktuellen Geschehen<br />

beschafft oder planerische Tätigkeiten unterstützt werden.<br />

Plan- oder Stecktafeln<br />

Die oft genutzte Plan- oder Stecktafel hat gegenüber PC-Monitoren den Vorteil,<br />

dass sie eine übersichtliche, großflächige Darstellung des Planungsszenarios liefert.<br />

Ihre Funktion basiert allerdings auf dem Ausdruck von Auftragsbelegen aus<br />

dem ERP-/PPS-<strong>System</strong> und deren aufwendiger, manueller Verplanung an der<br />

Stecktafel. Dadurch ergibt sich ein hoher Aufwand beim Stecken neuer Aufträge<br />

und ganz besonders beim Umplanen (Eilaufträge mit hoher Priorität, Änderung<br />

der Prioritäten, ungeplante Verzögerungen) bereits gesteckter Auftragskarten. Außer<br />

der Visualisierung bietet die Stecktafel keinerlei Unterstützung bei Verfügbarkeits-Checks,<br />

bei der Betrachtung von verketteten Vorgängen oder gar bei der Berücksichtigung<br />

des realen Kapazitätsangebots, das durch Maschinenstörungen<br />

oder fehlendes Personal eingeschränkt wird.


Terminjäger<br />

4.2 Ist-Zustand in den Fertigungsunternehmen 89<br />

Wie in den vorherigen Kapiteln dargestellt, liegen ohne BDE- oder <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

keine aktuellen Informationen zum Auftragsfortschritt vor und es können daher<br />

„auf Knopfdruck“ keine präzisen Aussagen zu Lieferterminen und -mengen gemacht<br />

werden. Da Kunden aber konkrete Auskünfte fordern, wurde in vielen Unternehmen<br />

die Stelle eines „Terminjägers“ geschaffen. Er hat die Aufgabe, bei<br />

Nachfrage alle notwendigen Informationen zu Kundenaufträgen zu beschaffen,<br />

was mit einem hohen personellen Aufwand und Zeitverzögerungen zum Beispiel<br />

durch das Suchen von Teilen verbunden ist.<br />

Lohnscheine und Laufkarten<br />

Sie dienen dazu, den Arbeitsvorrat in die Fertigungsbereiche zu „transportieren“<br />

und Informationen zu den Aufträgen oder Arbeitsgängen zur Verfügung zu stellen.<br />

Sie enthalten jedoch nicht immer den aktuellen Stand, da deren Ausdruck aus<br />

dem ERP-/PPS-<strong>System</strong> erfolgt und kurzfristig geänderte Stückzahlen, eine neue<br />

Maschinenzuordnung oder Änderungen an Arbeits- und Prüfplänen nicht automatisch<br />

nachgeführt werden. Es entsteht ein hoher personeller Aufwand beim Ausfüllen<br />

der Lohnscheine durch die Werker und es erfolgt keine Plausibilitätsprüfung<br />

auf die Richtigkeit der Daten. Weiterer Aufwand, Zeitversatz und oftmals<br />

auch Fehler entstehen dadurch, dass andere Mitarbeiter die Daten in das ERP-<br />

/PPS-<strong>System</strong> per Hand eingeben müssen.<br />

Stempelkarten<br />

Stempelkarten werden auch heute noch in vielen Unternehmen dazu genutzt, die<br />

Kommt-Geht-Zeiten der Mitarbeiter zu dokumentieren und daraus manuell deren<br />

Anwesenheitszeiten als Grundlage für die Lohnberechnung zu ermitteln. Es entsteht<br />

ein hoher Verwaltungs- und Materialaufwand. Auch hier werden zusätzliche<br />

Personalkapazitäten benötigt, die Zeiten zu errechnen und in das Lohn- und Gehaltssystem<br />

einzugeben. Außerdem ist eine Übersicht zu an- und abwesenden<br />

Mitarbeitern nur lokal an der Stempeluhr verfügbar.<br />

Arbeitsanweisungen, Zeichnungen und Prüfpläne<br />

Gedruckte Informationen sind ebenfalls ein gewohntes Medium für Werker, Einrichter,<br />

Prüfer und Meister. Auch sie enthalten jedoch nicht immer den aktuellen<br />

Stand, da der Ausdruck nicht zeitnah zum Fertigungsbeginn aus dem ERP-/PPS-,<br />

CAD- oder QS-<strong>System</strong> erfolgt. Es entsteht ein hoher Material-, Organisations- und<br />

Verwaltungsaufwand beim Erstellen, Aktualisieren und Verteilen der Dokumente.


90 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

4.2.3 Probleme bei der Zusammenführung der Daten<br />

Oben beschriebene <strong>System</strong>e und Hilfsmittel sind meist Insellösungen und haben<br />

entweder keine oder nur beschränkte Möglichkeiten, Daten mit anderen <strong>System</strong>en<br />

auszutauschen. Ein Datenaustausch ist jedoch notwendig, um den erforderlichen<br />

„Rundumblick“ zu erhalten oder die Daten gegeneinander abzugleichen. Nachfolgend<br />

einige Beispiele:<br />

− Um sicher zu stellen, dass eine lückenlose Erfassung der Produktivzeiten erfolgt,<br />

sollte ein Abgleich von Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter mit den Produktivzeiten<br />

aus der BDE erfolgen. Werden leistungsbezogene oder Prämienlöhne<br />

gezahlt, ist dieser Abgleich zwingend notwendig.<br />

− Bei der Personleinsatzplanung (PEP) benötigt der Meister einerseits die Informationen<br />

aus der Fehlzeitenplanung und Personalzeiterfassung (wer ist tatsächlich<br />

anwesend?). Andererseits muss natürlich die zu bewältigende Auftragslast<br />

als Ergebnis der Feinplanung für die Ermittlung des Personalbedarfs bekannt<br />

sein.<br />

− Daten müssen aus unterschiedlichen Bereichen und <strong>System</strong>en zusammengeführt<br />

werden, wenn ein eindeutiger Produktnachweis gefordert wird und dokumentiert<br />

werden muss, welcher Mitarbeiter welches Teil mit welchem Werkzeug<br />

auf welcher Maschine unter welchen Prozessbedingungen gefertigt hat<br />

und welche Rohmaterial-Charge verwendet wurde.<br />

4.3 Der angestrebte Soll-Zustand<br />

Ausgehend von der beschriebenen Istsituation wird sehr schnell deutlich, dass die<br />

Informationsbeschaffung, der Informationsfluss und die Feinplanung in den Fertigungsunternehmen<br />

signifikant zu verbessern sind. Welche Randbedingungen zu<br />

beachten sind und welche Nutzenpotenziale ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> bietet, soll in den<br />

nachfolgenden Kapiteln anhand einiger repräsentativer Beispiele aufgezeigt werden.<br />

4.3.1 Lückenlose, automatisierte Datenerfassung<br />

Der Weg zur vernetzten Information in der Fertigung beginnt damit, dass die Daten<br />

von allen relevanten Ressourcen und Prozessen möglichst lückenlos erfasst<br />

und in einer übergreifenden Datenbasis gespeichert werden. Im Gegensatz zur traditionellen<br />

Aufschreibung werden durch ein <strong>MES</strong> die wertschöpfenden Prozesse<br />

sozusagen „fingerlos“ online erfasst und als Buchungen in die zentrale Datenbasis<br />

eingetragen.


4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 91<br />

Abb. 4.1. Die integrierte Produktionsdatenbank als Voraussetzung für den „Rundumblick“<br />

in der Fertigung<br />

Einen weiteren Qualitätssprung bringen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e mit einem gesamthaften<br />

Ansatz, wenn nicht nur die Produktivzeiten, sondern auch die typischerweise heute<br />

nicht beachteten Nebenzeiten (Gemeinkosten-, Warte-, Transport- oder Liegezeiten)<br />

sowie Stillstands- und Störzeiten erfasst werden. Damit ist automatisch eine<br />

bessere Datenbasis für die Nachkalkulation und das Aufspüren der echten<br />

Kostenverursacher gegeben.<br />

Zu beachten ist jedoch, dass die Vollständigkeit der Daten in direktem Zusammenhang<br />

mit dem Aufwand für deren Erfassung steht. <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e werden Akzeptanzprobleme<br />

erzeugen, wenn die zusätzliche Belastung der Mitarbeiter in keinem<br />

vernünftigen Verhältnis mehr zu den erzielbaren Nutzeffekten steht. Daher<br />

gilt es an dieser Stelle, Vereinfachungen in der Form zu schaffen, dass die Daten<br />

zum Beispiel über den direkten Anschluss von Maschinen, Waagen und anderen<br />

Einrichtungen automatisch übernommen werden und manuelle Dateneingaben<br />

weitestgehend entfallen. Der Einsatz maschinell lesbarer Identträger (Barcodes,<br />

Transponder, RFID-Tags etc.) zur Übernahme der gespeicherten Daten macht das<br />

aufwändige, fehlerbehaftete Eintippen überflüssig. Weitere Erleichterungen bieten<br />

ausgereifte <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e unter anderem dadurch, dass Erfassungslogiken hinterlegt<br />

sind, die den Eingabeaufwand deutlich reduzieren. Hierzu einige Beispiele:<br />

− Bei Aufträgen mit Bearbeitungszeiten über mehrere Tage unterbricht der Mitarbeiter<br />

mit seiner Geht-Stempelung seinen aktuellen Auftrag zum Schichtende<br />

und meldet ihn automatisch mit der Kommt-Stempelung am nächsten Morgen<br />

an. Die mehrfache Unterbrechung und erneute Anmeldung des Auftrags entfällt<br />

dadurch.


92 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

− Die Zeitdifferenz zwischen der Fertigmeldung eines Arbeitsvorgangs innerhalb<br />

eines mehrstufigen Auftrags und der Anmeldung des Nachfolgers wird vom<br />

<strong>MES</strong> automatisch als Übergangs- oder Gemeinkostenzeit interpretiert. Separate<br />

Buchungen sind hierbei nicht erforderlich.<br />

− Mehrere Vorgänge mit kurzer Bearbeitungsdauer werden als sog. Sammelarbeitsgänge<br />

zeitgleich an einem BDE-Terminal an- und abgemeldet. Damit entfallen<br />

störende Eingabe- und Wegezeiten. Das <strong>MES</strong> nimmt automatisch eine<br />

anteilige Zeitverbuchung auf die Einzelvorgänge nach einstellbaren Regeln vor.<br />

4.3.2 Der I-Punkt für die Fertigung<br />

Mit der Einführung von fertigungsnahen <strong>System</strong>en ist in der Regel auch der Aufbau<br />

einer IT-Infrastruktur verbunden, die bis zu den Arbeitsplätzen und Maschinen<br />

reicht. Leistungsfähige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e sind in der Lage, die vorhandenen<br />

Netzwerke, Industrie-PC´s und Datenerfassungseinrichtungen zusätzlich zu nutzen,<br />

um Daten und Informationen auf elektronischem Weg – also „papierlos“ – an<br />

den richtigen Ort in der Fertigung zu transportieren. Neben den bekannten Einsparungseffekten<br />

schaffen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e damit eine neue Qualität für die Einrichter<br />

und Maschinenbediener: sie erhalten umfassende Informationen auf dem aktuellen<br />

Stand und werden damit in die Lage versetzt, aktiv an der Gestaltung der Fertigungsprozesse<br />

mitzuwirken. Auch hierzu einige Beispiele:<br />

− Planungsdaten wie Auftragsbestand, Kundentermine, Maschinenwartungen,<br />

Personalverfügbarkeit etc.<br />

− Anzeige von Infos zum laufenden Auftrag (bereits produzierte Menge, errechnete<br />

Restlaufzeit, bisher erreichter Leistungsgrad etc.)<br />

− Darstellung von Fotos, Zeichnungen, Videos, Stücklisten, Arbeits- und Prüfanweisungen<br />

am Bildschirm mit der Option, bei Bedarf einen Ausdruck auf einem<br />

Drucker anzustoßen<br />

− Leistungsvergleiche und Statistiken zu Ausschussquoten, Terminverspätungen,<br />

Kennzahlen, Stillstands- und Störgründen etc., um den persönlichen Stand, den<br />

der Abteilung oder des gesamten Werkes einschätzen zu können<br />

− aktueller Soll-Istvergleich zu Kennzahlen wie Nutzungs- oder Auftragserfüllungsgrad<br />

und Maschinenleistung oder -takt<br />

Persönliche Informationen zum Resturlaub, zum Überstunden- bzw. Flexzeitkonto<br />

oder zum erreichten Zeitgrad bei Prämien- oder Leistungslohn. Abbildung<br />

4.2 zeigt beispielhaft, wie Mitarbeiter umfassend informiert und damit in Entscheidungsprozesse<br />

eingebunden werden können: am I-Punkt sind Auswertungen<br />

zu Maschinenstillständen im frei wählbaren Zeitraum verfügbar. Natürlich besteht<br />

außerdem die Möglichkeit, Übersichten zu den im <strong>MES</strong> ermittelten Kennzahlen<br />

und Statistiken auszudrucken und in Papierform im jeweiligen Produktionsbereich<br />

zu veröffentlichen.


Abb. 4.2. Auswertungen zu Maschinenstillständen<br />

4.3.3 Die Idee des „<strong>Manufacturing</strong> Cockpits“<br />

4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 93<br />

Die Aufgaben eines Fertigungssteuerers, Instandhalters, eines Qualitätsbeauftragten<br />

oder Meisters, in vielen Unternehmen auch die des Managements, sind<br />

vergleichbar mit denen eines Piloten. Problemsituationen müssen schnell erkannt<br />

und geeignete Maßnahmen mit möglichst kurzem Zeitversatz eingeleitet werden,<br />

um eine Eskalation zu verhindern. Warum sollte daher der Cockpit-Gedanke nicht<br />

auch auf die Produktion übertragen werden? Dazu muss der heute noch bestehende<br />

Unterschied, dass an den Schaltstellen der Fertigung im Gegensatz zum Cockpit<br />

eines Flugzeugs die notwendigen Informationen nur unzureichend oder zu spät<br />

zur Verfügung stehen, durch integrierte <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ausgeglichen werden.<br />

Da naturgemäß jede Ebene im Unternehmen eine andere Sichtweise auf die Daten<br />

haben möchte, besteht eine wesentliche Aufgabe von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en darin,<br />

die Daten zu verknüpfen, auszuwerten, zu verdichten und in geeigneter Form zum<br />

Beispiel als Übersichten, Listen oder Grafiken verfügbar zu machen. Entscheidend<br />

dabei ist, dass alle Auswertungen und Statistiken auf den gleichen Datenbestand<br />

aufsetzen und daher Wahrheitsgehalt und Aktualität so gegeben sind, dass die Daten<br />

als Entscheidungsgrundlage genutzt werden können.


94 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

Die folgende Aufzählung soll beispielhaft verdeutlichen, welche typischen<br />

Funktionen im Sinne des <strong>Manufacturing</strong> Cockpits ein richtig konzipiertes <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> den jeweiligen Bereichen eines Fertigungsbetriebes bieten kann. Der Fokus<br />

liegt dabei auf den übergreifenden Funktionen, also denen, die gleichzeitig<br />

den Blick auf unterschiedliche Ressourcen zulassen.<br />

<strong>MES</strong>-Funktionen im Meisterbüro<br />

− aktuelle Übersichten zu Aufträgen und Maschinen zum schnellen Erkennen von<br />

Problemsituationen,<br />

− einfache Planungstools zum Festlegen der Bearbeitungsreihenfolge von Aufträgen<br />

und zum Umplanen von Aufträgen,<br />

− Urlaubs- und Fehlzeitenplanung für die zugeordneten Mitarbeiter als Teil der<br />

Personaleinsatzplanung,<br />

− aktuelle Übersichten zu den an- und abwesenden Mitarbeitern,<br />

− auftrags- und personalbezogene Schichtprotokolle,<br />

− Stillstandsauswertungen zu Maschinen und Anlagen,<br />

− Übersichten zu den aktuell gefertigten Qualitäten.<br />

Abb. 4.3. Der graphische Maschinenpark<br />

Mit dem in der Abbildung 4.3 dargestellten grafischen Maschinenpark hat der<br />

Meister zu jeder Zeit einen Überblick über den aktuellen Status der Maschinen<br />

und Aufträge Der entscheidende Vorteil besteht darin, dass alle Informationen


4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 95<br />

zeitgleich zur Verfügung stehen und damit den Verantwortlichen die Möglichkeit<br />

geben, sofort zu reagieren. Damit wird aus einer nachlaufenden Statistik eine aktive<br />

Regelung.<br />

Arbeitsvorbereitung und Fertigungssteuerung<br />

− Auftragsübergreifende Betrachtungen zum Fertigungsfortschritt inkl. Hochrechnungsfunktionen<br />

und automatischer Planungshilfen,<br />

− Materialbereitstellungs- und Umrüstlisten,<br />

− Komplexe Feinplanungswerkzeuge auf Basis grafischer Plantafeln,<br />

− Auftrags- und Artikelstatistiken, die Rückschlüsse darauf zulassen, wie ein<br />

identisches Teil in früheren Aufträgen „gelaufen“ ist,<br />

− Verfügbarkeitsbetrachtungen und -checks zu Maschinen, Werkzeugen, Personal<br />

und Material.<br />

Abb. 4.4. Graphische Plantafel<br />

Die grafische Plantafel ist das zentrale Informations- und Feinplanungsinstrument<br />

der Fertigungssteuerung. Hier werden die Kapazitäten buchungsfrei sowohl<br />

mit ihren aktuellen als auch zukünftigen Zuständen abgebildet. Damit lassen sich<br />

drohende Konflikte bereits im Voraus erkennen und beheben.


96 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

Instandhaltung<br />

− Grafischer Maschinenpark mit aktueller Anzeige der Maschinenzustände (zum<br />

Beispiel auch inkl. Projektion mit Beamer in der Werkhalle),<br />

− Wartungskalender für Maschinen und Werkzeuge,<br />

− Störgrundstatistiken mit einstellbaren Detaillierungsgraden,<br />

− Störklassenauswertungen,<br />

− Verlaufsdarstellungen (Profile) zu Kennzahlen, die für die Instandhaltung wichtig<br />

sind (Entwicklung des Nutzgrads, Maschinenzyklus etc.).<br />

Abb. 4.5. Störgrundstatistiken<br />

Störgrund- und Stillstandsstatistiken wie in der Abbildung 4.5 dargestellt, ermöglichen<br />

den Verantwortlichen (Gruppe, Meister, Instandhaltung etc.) ein gezieltes<br />

Aufspüren von Problemverursachern bei Maschinen und Anlagen.<br />

QS-Abteilung<br />

− automatisches Generieren von Prüfaufträgen auf der Basis von hinterlegten<br />

Prüfplänen<br />

− Online-Zählung von produzierten Teilen und automatische Überwachung von<br />

Stichprobenintervallen auf Basis eines integrierten Terminals mit BDE- und<br />

SPC-Funktionen<br />

− Fertigungsleitstand mit Überprüfung der Verfügbarkeit von Prüfplänen


4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 97<br />

− Erfassen von Chargen- und Los-Informationen innerhalb der normalen BDE-<br />

Buchungen<br />

− Generieren eines Enstehungsnachweises für Zwischen- und Fertigprodukte<br />

bzw. eines Verwendungsnachweises für Rohmaterial und Halbzeuge.<br />

Abb. 4.6. Chargen- und Losverfolgung<br />

Werden parallel zu den BDE-Meldungen auch Chargen- oder Losinformationen<br />

mit erfasst, entsteht automatisch ein Entstehungsnachweis (Chargenbaum) für die<br />

produzierten Erzeugnisse. Insbesondere vor dem Hintergrund der Anforderungen<br />

der modernen Zertifizierungsregelwerke (ISO 9001/TS 16949) kommt der Chargen-<br />

und Losdokumentation eine wachsende Bedeutung zu. Allgemein lässt sich<br />

sagen, dass eine Fülle von Anforderungen der Auditierung ohne ein integriertes<br />

<strong>MES</strong> heute nicht wirtschaftlich gelöst werden kann.<br />

Controlling und Management<br />

− Auswertungen zum Auslastungsgrad von Maschinen und den freien Produktionskapazitäten<br />

in kurz- und mittelfristigen Planungszeiträumen<br />

− Unterstützung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses durch langfristige<br />

Beobachtung der Entwicklung von Nutzgraden und anderen Kennzahlen<br />

− Nutzung von Methoden der <strong>Manufacturing</strong> Scorecard (MSC) (<strong>Kletti</strong> u.<br />

Brauckmann 2004) zur kontinuierlichen Überwachung von definierten Zielen<br />

− verdichtete Auswertungen und Statistiken zu „Problempunkten“ im Unternehmen<br />

wie Krankheitsstand, Lieferproblemen, Terminverletzungen, Ausschussentwicklung,<br />

Problemverursacher (Maschinen, Werkzeuge, produzierte Teile),<br />

Entwicklung der Liegezeiten etc.


98 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

Abb. 4.7. OEE Index zur Berechnung der Gruppenfähigkeit<br />

Das Management nutzt verdichtete Auswertungen und individuell ermittelte<br />

Kennzahlen wie den OEE-Index (Overall Equipment Efficiency), um die Effizienz<br />

von Maschinen und Anlagen exakt beurteilen zu können. Damit stehen erstmals<br />

objektiv messbare Kennzahlen für die operative Ebene zur Verfügung, die damit<br />

zur Grundlage permanenter Verbesserungen werden. Besonders das Problem prozessrelevanter<br />

objektiver Kennzahlen konnte in der Vergangenheit auf der Basis<br />

des betrieblichen Rechnungswesens nicht gelöst werden.<br />

Personalabteilung<br />

− aktuelle An- und Abwesenheitslisten<br />

− Delegation von zeitaufwendigen Routine-Tätigkeiten (Genehmigen von Urlaubsanträgen,<br />

Aufnehmen von Krankmeldungen, Fehlzeitenplanung) zum<br />

Meister und damit an den Ort, wo die Informationen in der Regel auch direkt<br />

eintreffen bzw. ohnehin verarbeitet werden müssen<br />

− Abgleichlisten, die einen automatischen Vergleich von Anwesenheits- und Produktivzeiten<br />

liefern<br />

− automatisierte Berechnung von Leistungs- und Prämienlöhnen und die erforderliche<br />

automatisierte Integration zu den Lohn- und Gehaltssystemen.<br />

− Aufbau eines Personalinformationssystems mit Daten, die zum Beispiel bei der<br />

Personaleinsatzplanung hilfreich sind.


Abb. 4.8. Personalverfügbarkeit<br />

4.3 Der angestrebte Soll-Zustand 99<br />

Der in Abbildung 4.8 dargestellte Schichtplan zeigt auf Knopfdruck, wie viele<br />

und welche Mitarbeiter an welchem Tag für welche Schicht verfügbar sind und<br />

welche Fehlzeiten (z. B. Urlaub oder Weiterbildung) geplant sind.<br />

4.3.4 Eskalationsmanagement und Workflow<br />

Nahezu alle oben genannten Beispiele sind dadurch gekennzeichnet, dass die Daten<br />

bei Bedarf von den entsprechenden Stellen angefordert werden. Eine vollkommen<br />

neue Qualität der Informationsbereitstellung bieten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e, die<br />

über ein integriertes Eskalationsmanagement und einen darauf aufsetzenden, individuell<br />

definierbaren Workflow-Prozess verfügen. Der entscheidende Vorteil besteht<br />

darin, dass die notwendigen Informationen automatisch an den richtigen Ort<br />

transportiert werden und sich der Verantwortliche nicht mehr aktiv darum bemühen<br />

muss. Damit ist eine zeitnahe Benachrichtigung gegeben, wenn eine kritische<br />

Situation eingetreten und ein Eingriff in laufende Prozesse erforderlich ist.<br />

Für jede Eskalation bzw. jedes Ereignis kann zusätzlich ein Workflow hinterlegt<br />

werden. Innerhalb dessen wird geregelt, auf welche Art (z. B. SMS auf Mobiltelefone,<br />

per E-Mail, als Nachricht auf einen Pager oder als Popup-Fenster am<br />

Arbeitsplatz-PC) die Benachrichtigung erfolgt. Wird die Nachricht nicht innerhalb<br />

einer festgelegten Zeit vom Empfänger quittiert, sorgt die nächste Eskalationsstufe<br />

dafür, dass die Meldung auch an den Vertreter oder Vorgesetzten versandt wird.


100 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

Nachfolgend werden einige Beispiele aufgeführt, die die praktische Anwendbarkeit<br />

im Fertigungsumfeld illustrieren sollen:<br />

− Der Instandhalter bekommt eine Meldung auf seinem Pager, dass an einer Maschine<br />

ein bestimmter Störgrund eingetreten ist.<br />

− Das Wartungsintervall für ein Werkzeug ist erreicht. Der Verantwortliche im<br />

Werkzeugbau erhält eine E-Mail, aus der er die Werkzeugnummer und die<br />

durchzuführende Wartungsaktivität direkt ablesen kann.<br />

− Das <strong>MES</strong> hat an einer Maschine die Verletzung einer Eingriffs- oder Toleranzgrenze<br />

für einen Prozesswert (z. B. Temperatur oder Druck) erkannt. Der Einrichter<br />

wird darüber automatisch per SMS informiert.<br />

− Das lt. Prüfplan vorgegebene Prüfintervall bei der Abarbeitung eines Auftrags<br />

wurde erreicht. Der Qualitätsbeauftragte wird darüber informiert und kann sofort<br />

die notwendige Prüfung einleiten.<br />

− Die Kommunikation zwischen dem ERP-/PPS-<strong>System</strong> und dem <strong>MES</strong> ist bei<br />

der Übernahme der freigegebenen Fertigungsaufträge aus technischen Gründen<br />

unterbrochen worden. Der <strong>System</strong>administrator erhält eine E-Mail und kann sofort<br />

Maßnahmen zur Fehlerbeseitigung einleiten.<br />

Abb. 4.9. Automatisch generierter Workflow zur Fehlerbearbeitung<br />

Ein Beispiel für einen Workflow. Sofort mit der Verletzung einer vordefinierten<br />

Eingriffsgrenze kann vom <strong>MES</strong> ein ebenfalls vordefinierter Workflow erzeugt<br />

werden, in dem festgelegt wird, welche Mitarbeiter mit welchen Aufgaben an der<br />

Abarbeitung beteiligt sind. Alle Bearbeitungsschritte werden in einer Maßnahmeverfolgung<br />

mit Datum und verantwortlichem Mitarbeiter erfasst.


Abb. 4.10. Maßnahmeverfolgung<br />

4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en 101<br />

Abbildung 4.10 zeigt eine Übersicht über alle aufgetretenen Eskalationen innerhalb<br />

eines ausgewählten Zeitraums. Die ausgewerteten Daten lassen Rückschlüsse<br />

auf die Reaktionszeit, die Bearbeiter und den Abschluss der Eskalation<br />

zu.<br />

Weitere typische Anwendungsfälle findet man darüber hinaus auch im Personal-<br />

und Sicherheitsbereich. So kann man zum Beispiel einen Workflow dafür einrichten,<br />

dass ein Mitarbeiter seinen Urlaubsantrag an einem I-Punkt (PC oder<br />

Terminal mit Webbrowser) stellt und der Vorgesetzte automatisch darüber informiert<br />

wird. Nach dem Genehmigen oder Ablehnen des Urlaubsgesuchs erhält der<br />

Mitarbeiter wiederum die entsprechende Nachricht am Zeiterfassungsterminal,<br />

wenn er am Abend seine Geht-Stempelung vornimmt.<br />

4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en<br />

Im gleichen Maß, wie sich Fertigungsunternehmen in den nächsten Jahren den<br />

veränderten Anforderungen des Marktes stellen müssen, werden <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e<br />

eine immer stärkere Bedeutung erlangen. Kürze Lieferzeiten, Kostendruck, geringere<br />

Losgrößen und erhöhte Qualitätsbedürfnisse erfordern eine leistungsfähige<br />

Fertigungsorganisation und -steuerung, die in der Lage ist, flexibel auf die Bedürfnisse<br />

der Kunden und die internen Randbedingungen zu reagieren. Und dies<br />

alles, ohne Qualitätsverluste und erhöhte Kosten in Kauf zu nehmen. Nur durch<br />

den Einsatz von integrierten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en wird es daher möglich sein, die internen<br />

Reibungsverluste zu reduzieren, kostengünstiger zu produzieren und die Fertigungsprozesse<br />

immer besser zu beherrschen. In diesem Sinne werden die darge-


102 4 <strong>MES</strong> – die neue Klasse von IT-Anwendungen<br />

stellten <strong>MES</strong>-Funktionen für alle Unternehmensbereiche in Zukunft ein unverzichtbares<br />

Werkzeug zur Bewältigung der täglichen Aufgaben sein.<br />

Literatur<br />

<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard – Prozesse effizienter<br />

gestalten, mehr Kundennähe erreichen – mit vielen Praxisbeispielen. Gabler,<br />

Wiesbaden


4.5 Ausblick und weitere Entwicklung von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en 103<br />

5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Aus den Anforderungen an ein modernes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ergibt sich die Notwendigkeit,<br />

solche <strong>System</strong>e in einer geeigneten Form zu strukturieren. Insellösungen oder<br />

auch klassische BDE-<strong>System</strong>e sind darauf ausgerichtet, mehrere monolithische<br />

Softwaremodule parallel auf einer Integrationsplattform betreiben zu können. Der<br />

Wunsch der Anwender, dass diese monolithischen Module miteinander kommunizieren<br />

bestand schon immer. Die Realität sah leider oftmals anders aus, wie beispielsweise<br />

die Notwendigkeit in einem früheren BDE-<strong>System</strong>, die Schichtleistung<br />

der Maschine und die gefertigten Teile für den Arbeitsgang zum Schichtende<br />

in zwei separaten Dialogen einzugeben.<br />

Einer der wichtigsten Gründe für diese Probleme war das Verlangen des Marktes<br />

nach Standardsoftware: Statt eine individuelle Programmierung zu beauftragen<br />

und die dazu notwendige Analyse der Anforderungen zu betreiben, versprachen<br />

diese Standardprodukte dem Anwender den schnellen und kostengünstigen Weg<br />

zum Ziel. Die Grenzen dieser Lösungen sind entsprechend dem genannten Beispiel<br />

klar zu erkennen: Die Integration dieser Produkte untereinander fand nur genau<br />

an der Stelle statt, wo diese explizit geplant wurde. Wurde diese Integration<br />

nicht für notwendig erachtet, dann stand diese auch nicht zur Verfügung und<br />

musste teilweise mit erheblichen Kosten nachträglich erkauft werden.<br />

In den letzten Jahren beschäftigen sich die Hersteller von <strong>MES</strong>-Lösungen sehr<br />

intensiv damit, die Grenzen der bisherigen Softwarearchitekturen zu durchbrechen.<br />

Die Stichworte „Prozessabbildung“, „Business Logik“ und „Prozess-<br />

Workflow“ sind mittlerweile jedem Entscheider und jedem Berater im <strong>MES</strong>-<br />

Umfeld vertraut, wobei ein Hinterfragen der Begrifflichkeiten sehr schnell zeigt,<br />

dass oft ein unterschiedliches Verständnis vorhanden ist. Tatsächlich steckt hinter<br />

dem Begriff <strong>MES</strong> und der zugehörigen Denkweise auch eine moderne Software-<br />

Architektur, welche im Wesentlichen folgende Anforderungen abdecken soll:<br />

− vollständige Abbildung aller Anforderungen unterhalb eines ERP-/PPS-<br />

<strong>System</strong>s (sog. horizontale Integration),<br />

− Verfügbarkeit als Standardsoftware mit folgenden Eigenschaften:<br />

- modulare Softwarestruktur,<br />

- Ausbaufähigkeit entsprechend den Anforderungen des Anwenders,<br />

- basierend auf gängigen Standards,<br />

− einfache Anpassbarkeit der Standardmodule sowohl auf die Prozesse als auch<br />

die funktionalen Anforderungen des Anwenders,<br />

− Verfügbarkeit von standardisierten Schnittstellen auf allen Ebenen.


104 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Die ersten beiden Punkte sind eine Grundvoraussetzung für ein ernstzunehmendes<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>. Ohne eine vollständige Abdeckung aller Anforderungen<br />

des Anwenders unterhalb eines ERP-/PPS-<strong>System</strong>s kauft sich der Anwender<br />

genau die Probleme ein, welche er eigentlich vermeiden will. Die im zweiten<br />

Punkt genannte Standardsoftware muss, wie noch ersichtlich wird, konform zu<br />

den Anforderungen der <strong>MES</strong>-Architektur zur Verfügung stehen und unterscheidet<br />

sich daher von den eingangs erwähnten ehemaligen monolithischen Standardprodukten.<br />

Nur dann können die Vorteile bezüglich der Anpassbarkeit auf die Prozesse<br />

des Anwenders vollständig genutzt werden. Über den vierten Punkt wird eine<br />

Flexibilität bereitgestellt, welche ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> als ein offenes und erweiterbares<br />

<strong>System</strong> auszeichnet. Die letzten beiden Punkte zusammen- stellen die Basis<br />

dar, mit welcher zukünftig ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> einfach und flexibel auf die Anforderungen<br />

des Anwenders an die Abbildung seiner sich ändernden Prozesse angepasst<br />

werden kann.<br />

Dieses Kapitel beschreibt die Architektur und den Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

mit seinen notwendigen Komponenten. Der Leser erhält sowohl eine Übersicht<br />

über die einzelnen Bestandteile eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s. Auf Basis dieser Informationen<br />

sollte es möglich sein, <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e nach ihrer Leistungsfähigkeit und Flexibilität<br />

auszuwählen und zu bewerten. Des Weiteren macht es sich dieses Kapitel<br />

zur Aufgabe, Informationen bereitzustellen, wie die für heutige Unternehmen so<br />

wichtige variable Abbildung der Prozesse durch ein modernes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> gelöst<br />

wird.<br />

5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Die Architektur von modernen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en orientiert sich wie andere Business-Lösungen<br />

auch an der sog. „Business Service Architecture” bzw. “Enterprise<br />

Service Architecture”, kurz ESA. Ein wichtiger Grund für die Wahl dieser Architektur<br />

liegt darin, dass im Lebenszyklus eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s wie auch in anderen<br />

Business-Lösungen immer wieder neue Anforderungen an das <strong>System</strong> gestellt<br />

werden, welche eine Anpassung der bisherigen Lösung an neue oder sich ändernde<br />

Prozesse des Anwenders erfordern.<br />

Die einzelnen Schichten der Architektur eines modernen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und deren<br />

Besonderheiten werden in den nachfolgenden Kapiteln erläutert.<br />

Neben der Gewährleistung von vorwiegend technischen Eigenschaften kommt<br />

sowohl der Architektur als auch den Basisfunktionen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ein besonderer<br />

Stellenwert zu. Unter der Voraussetzung, dass sowohl Architektur als<br />

auch die Basisfunktionen sauber definiert und implementiert sind und sich die Basisfunktionen<br />

an marktüblichen Standards orientieren, dann sind dies die besten<br />

Voraussetzungen für ein offenes, erweiterbares und zukunftssicheres <strong>System</strong> sowie<br />

zur Vermeidung von IT-Risiken.


Schnittstelle 3<br />

Schnittstelle 2<br />

Schnittstelle 1<br />

5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 105<br />

Prozessabbildung<br />

Business-Objekte und Methoden<br />

Datenschicht<br />

Basisfunktionen<br />

Abb. 5.1. Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Benutzeroberfläche 1<br />

Benutzeroberfläche 2<br />

Benutzeroberfläche 3<br />

Aus diesen Gründen leiden viele proprietäre <strong>System</strong>e am Mangel einer durchgängigen<br />

Architektur oder den fehlenden Möglichkeiten, innerhalb der Basisfunktionen<br />

neue Technologien schnell und problemlos ohne Auswirkungen auf die eigentlichen<br />

Anwendungen einfließen zu lassen und stellen somit ein IT-Risiko dar.<br />

5.1.1 Basisfunktionen<br />

Unter den Basisfunktionen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s versteht man eine Sammlung von<br />

softwaretechnischen Funktionen, welche produktübergreifend zur Verfügung stehen,<br />

damit die darauf aufbauenden Produkte möglichst mit den gleichen Bausteinen<br />

und nach einem einheitlichen Aufbau entwickelt werden. Wie bereits im vorigen<br />

Kapitel dargestellt, ermöglicht eine gute Basisfunktionalität das Einbinden<br />

oder Ersetzen von Technologien, ohne dass dies Einflüsse auf die einzelnen Produkte<br />

hat.<br />

Somit sorgen die Basisfunktionen für die Trennung der <strong>MES</strong>-Anwendungen<br />

von den technischen Komponenten, welche die Grundlage für jedes IT-<strong>System</strong><br />

darstellen. In der Praxis fordern die Anwender, oftmals aus konzerninternen<br />

Zwängen, den Wechsel des Betriebssystems, den Wechsel des Datenbanksystems<br />

oder den Wechsel von Kommunikationsprotokollen für ihre <strong>MES</strong>-Anwendung.<br />

Schon allein diese Änderungsforderungen zeigen die Schnelllebigkeit in der IT-<br />

Branche auf und zeigen, wie wichtig es ist, dass sich solche Änderungen möglichst<br />

nicht auf die eigentlichen Anwendungen auswirken.


106 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Die wichtigsten Funktionen und Ziele der Basisfunktionen im Einzelnen sind:<br />

− Bereitstellung einer einheitlichen Schnittstelle auf die zugrundeliegende Datenbank<br />

mit dem Ziel der Datenbankunabhängigkeit. Ein modernes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

unterstützt mehrere SQL-Datenbanksysteme. Die wichtigsten Datenbanksysteme<br />

sind Oracle, Microsoft SQL Server sowie die IBM-Datenbanken<br />

Informix bzw. DB2. Die Datenbankunabhängigkeit ist für ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> besonders<br />

wichtig, da aufgrund von Kosten für Lizenzen und Administrationsaufwendungen<br />

das Datenbanksystem vom Anwender einfach ausgetauscht<br />

werden kann.<br />

− Bereitstellung einer einheitlichen Schnittstelle auf das zugrundeliegende Betriebssystem<br />

mit dem Ziel der Unabhängigkeit vom Betriebssystem. Die wichtigsten<br />

Betriebssysteme für den Einsatz von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en sind Microsoft<br />

Windows, Linux sowie die Unix-Derivate IBM AIX, HP UX und SUN Solaris.<br />

Die Gründe für die Betriebssystemunabhängigkeit sind oftmals die gleichen<br />

wie für die Datenbankunabhängigkeit.<br />

− Bereitstellung von Kommunikationstechniken<br />

Beispiele:<br />

- gesichertere Netzwerkkommunikation auf Basis TCP/IP<br />

- Bussysteme in der Fertigung<br />

− Bereitstellung von Komponenten für <strong>MES</strong>-typische Aufgaben<br />

Beispiele:<br />

- Komponente für die Darstellung von Business-Diagrammen<br />

- Komponente für das Zwischenspeichern von Daten<br />

− - Komponenten für das sichere Erfassen und Prüfen von Daten<br />

− Bereitstellung von Schnittstellen und Funktionen zum Einbinden von Produkten<br />

mit den Bestandteilen Datenschicht, Anwendungsschicht und Prozessabbildung.<br />

− Bereitstellung von getrennten Datenbankbereichen für OLTP 1 und Langzeit zur<br />

Sicherstellung von Antwortzeiten einerseits sowie mittel- und langfristiger Verfügbarkeit<br />

von Daten andererseits<br />

− Bereitstellung von Technologien für Schnittstellen<br />

Beispiele:<br />

- WebServices<br />

- OPC<br />

- Excel-Export oder XML-Export<br />

− - verschiedene Dateiformate<br />

− Produktübergreifendes Alarmierungssystem mit den Kommunikationsendpunkten,<br />

Email, Handy, Pager usw. (sog. Eskalations-Management)<br />

− Funktionen für Protokollierung, Monitoring und Tracing (z. B. für das schnelle<br />

Erkennen und Auffinden von Fehlerzuständen)<br />

1 OLTP ist die Abkürzung für Online Transaction Protocol und steht an dieser<br />

Stelle als Synonym für den zeitnahen Datenbankbereich eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s


5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 107<br />

Für ein offenes <strong>System</strong> ist es zusätzlich wichtig, dass der <strong>MES</strong>-Hersteller einen<br />

Teil seiner Schnittstellen offen legt, insbesondere für die Schnittstellen und Funktionen<br />

zum Einbinden von Produkten. Ist dies der Fall, dann besteht für Partner<br />

oder sogar für IT-versierte Anwender potenziell die Möglichkeit, eigene Anwendungen<br />

in das bestehende <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu integrieren.<br />

Speziell beim Einsatz in der Lebensmittelindustrie und im Pharmabereich werden<br />

zusätzliche technische Anforderungen bezüglich der sog. „FDA-Konformität“<br />

an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> gestellt, welche idealerweise bereits durch die Basisfunktionen<br />

eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s abgebildet oder zumindest unterstützt werden. Zusätzlich<br />

verfügt ein Lieferant geeigneter <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e für den Bereich Lebensmittel und<br />

Pharma über Kenntnisse und Erfahrungen in der FDA-konformen Projektierung<br />

und Entwicklung von Software.<br />

5.1.2 Datenschicht<br />

Die Datenschicht ist der Teil der <strong>MES</strong>-Anwendung, welcher für die Definition der<br />

Datenbankstrukturen sowie für die darin abgelegten Daten zuständig ist und damit<br />

für die sog. Persistenz der Daten sorgt. Jedes <strong>MES</strong>-Produkt besitzt zu einer Version<br />

eines Produkts das zugehörige Datenmodell. Dieses Datenmodell wird heute<br />

üblicherweise in relationalen Datenbanksystemen abgelegt und die zugehörigen<br />

Daten werden mittels SQL (Structured Query Language) bearbeitet.<br />

Die Notwendigkeit der Definition einer Datenschicht zeigt sich bei der Gesamtbetrachtung<br />

wie Produkte in der Architektur eines modernen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

abgebildet werden.<br />

Aus der obigen Abbildung lässt sich erkennen, dass sich die Produkte eines<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s über drei Schichten der <strong>System</strong>architektur verteilen. Von diesem<br />

Modell lässt sich eine Regel in der Form ableiten, dass Veränderungen bzw. Erweiterungen<br />

an einem Produkt möglichst nur in einer Schicht stattfinden. Diese<br />

Regel gewährleistet Stabilität und reduziert den Änderungsaufwand. Die Änderung<br />

selbst findet genau in der Schicht statt, welche für die Änderung zuständig<br />

ist.<br />

Die Datenschicht übernimmt hierbei die Aufgabe, dass die Daten eines <strong>MES</strong>-<br />

Produkts auf Basis des zugrunde liegenden Datenbanksystems zuverlässig und<br />

dauerhaft geschrieben und auch wieder gelesen werden können. Die Datenschicht<br />

definiert hierzu die notwendigen Tabellen und Felder innerhalb des Datenbanksystems.<br />

Alle Änderungen, Modifikationen und Produkterweiterungen, die sich auf<br />

die Persistenz der Daten beziehen, finden demnach in dieser Schicht statt. Weitere<br />

Beispiele für den Eingriff in das Datenmodell sind die Umstellungen von Datenbankstrukturen,<br />

z. B. aufgrund neuer Funktionalitäten oder eines weiteren <strong>System</strong>ausbaus<br />

in weitere Produktionsbereiche oder zur Abdeckung weiterer Anwendungen.<br />

Damit wird deutlich, dass das Datenmodell oftmals technischen Änderungen<br />

unterliegt, die nur bedingt mit den Anforderungen an die Anwendung konform<br />

gehen.


108 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Prozessabbildung<br />

Business-Objekte<br />

und Methoden<br />

MM HR QM<br />

Datenschicht MM HR QM<br />

Basisfunktionen<br />

MM HR QM<br />

MM, HR und QM sind beispielhafte Produkte eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Abb. 5.2. Produktabbildung in der Enterprise-Service-Architektur<br />

Für den Anwender ergibt sich die Möglichkeit, über Reporting-Tools direkt auf<br />

die Datenschicht zuzugreifen, um damit elegant und einfach eigene Auswertungen<br />

zu erstellen. Aufgrund der beschriebenen produktinternen Veränderungen bei Produktupgrades<br />

oder neuen Versionen eines <strong>MES</strong>-Produkts wird es häufig der Fall<br />

sein, dass die auf der Datenschicht aufgesetzte Auswertung an die veränderte Datenschicht<br />

anzupassen ist. Daraus lässt sich ableiten, dass direkte Zugriffe auf die<br />

Datenschicht nicht als „releasesicher“ eingestuft werden können. Releasesicherheit<br />

existiert erst dann, wenn über die Anwendungsschicht auf die Daten zugegriffen<br />

wird.<br />

5.1.3 Anwendungsschicht – Business-Objekte und Methoden<br />

Die Anwendungsschicht setzt auf der Datenschicht auf und stellt der Prozessabbildung<br />

Funktionalität zur Verfügung. Die Anwendungsschicht deckt folgende<br />

wichtige Anforderungen ab:<br />

− Die Anwendungsschicht stellt die Objekte und zugehörigen Methoden zur Erstellung<br />

der Geschäfts- bzw. Businesslogik in der Schicht Prozessabbildung zur<br />

Verfügung.<br />

Unter einem Objekt versteht man an dieser Stelle z. B. „Maschine 3523 mit<br />

zughörigen Daten“ oder „Arbeitsgang 7330022 010 mit zugehörigen Daten“.


5.1 Software-Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 109<br />

Unter einer Methode versteht man Funktionen, mit welchen die Daten des Objektes<br />

bearbeitet werden können oder Funktionen, die Aktionen für das Objekt<br />

auslösen, wie z. B. das Anmelden einer Person an einer Maschine.<br />

− Die Anwendungsschicht stellt ihre Objekte und Methoden unabhängig vom Datenmodell<br />

bereit. Durch diese Vorgehensweise wird erreicht, dass bei Änderungen<br />

der zugrunde liegenden Datenstrukturen die Anwendungsschicht für die<br />

notwendige Kompatibilität sorgt und sich somit die Objekte und Methoden wie<br />

gewohnt verhalten. Bei neuen Funktionen stellt die Anwendungsschicht neue<br />

Objekte und neue Methoden hierfür explizit zur Verfügung.<br />

Die Anforderungen an die Anwendungsschicht machen deutlich, dass diese<br />

Schicht die wichtige Aufgabe hat, notwendige technische Veränderungen aufzufangen,<br />

sodass die Prozessabbildung wie gewohnt funktioniert. Die Architektur<br />

eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sorgt somit bei richtiger Umsetzung dafür, dass bereits definierte<br />

Prozesse durch Veränderungen nicht beeinträchtigt werden.<br />

5.1.4 Prozessabbildung<br />

Die Prozessabbildung hat die Aufgabe, auf Basis der Methoden und Objekte der<br />

Anwendungsschicht die eigentliche Geschäftslogik abzubilden. Synonym für die<br />

Begriffe Geschäftslogik stehen auch die Begriffe Business-Logik oder Enterprise-<br />

Logik.<br />

Die Prozessabbildung empfängt über Schnittstellen oder grafische Oberflächen<br />

Botschaften inklusive zugehöriger Daten, welche im Wesentlichen über „Wenndann“–Bedingungen<br />

und Nutzung der Objekte und Methoden der Anwendungsschicht<br />

abgearbeitet werden. Die Prozessabbildung beinhaltet somit die eigentliche<br />

Logik einer Anwendung bzw. eines Produktes und nutzt dazu die darunterliegenden<br />

Schichten. Ein wesentliches Merkmal der Prozessabbildung ist, dass ihr<br />

die Objekte und Methoden sämtlicher Produkte zur Verfügung stehen. Somit ist es<br />

gegenüber monolithischen Produkten problemlos möglich, in der Prozessabbildung<br />

mehrere Produkte miteinander zu verweben.<br />

Dieser Vorteil vergrößert sich noch deutlich, wenn zu einem späteren Zeitpunkt<br />

weitere Produkte zum Einsatz kommen sollen. Falls notwendig, dann werden einfach<br />

die Methoden der neuen Produkte in die bestehenden Prozessabbildungen<br />

einbezogen. Somit wird deutlich, dass sich mit den genannten Möglichkeiten eine<br />

vollständige horizontale Integration und Verwebung der Anwendungen schaffen<br />

lässt, welche auch stufenweise erfolgen kann.<br />

Ein weiterer Vorteil der Prozessabbildung ist die große Releasesicherheit, welche<br />

diese Schicht bereitstellt. Die darunter liegenden Schichten gewährleisten eine<br />

Kompatibilität bei Änderungen und Modifikationen wie z. B. bei Produktupgrades,<br />

sodass die erstellte Prozessabbildung nicht beeinflusst wird.<br />

Für die Wenn-dann-Beziehungen können nach wie vor die klassischen Konfigurationseinstellungen<br />

genutzt werden. Diese werden der Prozessabbildung über<br />

entsprechende Methoden aus der Anwendungsschicht zur Verfügung gestellt. Die<br />

genannten „Wenn-dann-Bedingungen“ lassen sich aber auch grafisch darstellen,


110 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

es entstehen dann sog. Workflows. Der Vorteil einer grafischen Darstellung ist es,<br />

dass solche Workflows einerseits klar und übersichtlich die Abläufe beschreiben,<br />

andererseits gibt es die Möglichkeit, solche Workflows in elektronischer Form zu<br />

erstellen und daraus dann die Prozessabbildung zu generieren.<br />

5.1.5 Die Vorteile der ESA-Architektur für <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e<br />

In <strong>System</strong>en ohne eine solche Architektur bedeuten Änderungen der Abläufe und<br />

Prozesse des Anwenders oftmals immense Aufwendungen und Kosten innerhalb<br />

der eingesetzten Software, da insbesondere bei produktübergreifenden Änderungen<br />

zum Teil erheblich in die Standardverarbeitung eingegriffen werden musste.<br />

Die vorgestellte Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s kann bei richtiger und konsequenter<br />

Anwendung die Kosten deutlich reduzieren und eine schnellere Umsetzung<br />

gewährleisten. Im günstigsten Fall muss nur in die „Prozessabbildung“ eingegriffen<br />

werden, d. h. die eingesetzten Standardprodukte müssen nicht geändert<br />

werden.<br />

Weitere Vorteile einer ESA-Architektur für <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e:<br />

− Die Grenzen der klassischen Konfigurationsmöglichkeiten können mit der<br />

ESA-Architektur fallen, neue Möglichkeiten wie grafische Workflows schaffen<br />

Übersichtlichkeit, Transparenz und Sicherheit.<br />

− Eine vollständige horizontale Integration ist realistisch, die Aufwendungen liegen<br />

deutlich geringer als bisher.<br />

− Eine stufenweise Einführung der Lösung ist wesentlich einfacher als bisher.<br />

− Prozesse können in Form von grafischen Workflows abgebildet werden.<br />

− Die Abläufe der Prozesse lassen sich gegenüber monolithischen Produkten wesentlich<br />

leichter modifizieren, auch nach der Einführungsphase.<br />

− Das Risiko, dass sich neue Fehler in bestehende Abläufe einschleichen, reduziert<br />

sich.<br />

− Die Aufwendungen bei Produktwechsel reduzieren sich.<br />

− Die Testphasen und Testaufwendungen reduzieren sich.<br />

− Für Partner oder IT-versierte Kunden besteht die potenzielle Möglichkeit, zum<br />

<strong>MES</strong>-Lieferanten gleichwertige Produkte oder Module zu erstellen.<br />

Abbildung 5.3 stellt den Unterschied einer produktübergreifenden Änderung zwischen<br />

der klassischen Architektur und der ESA-Architektur dar.


Monolithische Architektur:<br />

5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 111<br />

Monolithische<br />

Produkte Material Arbeitsgänge Qualität<br />

Enterprise Service Architecture:<br />

Prozessabbildung<br />

Neuer<br />

Material Arbeitsgänge Qualität<br />

Prozess<br />

Business-Objekte<br />

und Methoden Material Arbeitsgänge Qualität<br />

Legende:<br />

Standardprodukt<br />

Anpassung<br />

Abb. 5.3. Änderungstiefe bei monolithischer Enterprise-Service-Architektur<br />

Methode Standardprodukt<br />

Methode Anpassung<br />

Es ist ersichtlich, dass in monolithischen Architekturen Eingriffe in mehrere<br />

Standardprodukte notwendig sind und diese Änderungen müssen auch gegenseitig<br />

korrekt miteinander kommunizieren. Innerhalb einer ESA-Architektur kann die<br />

Änderung im günstigen Fall durch das Einrichten eines neuen Prozesses erfolgen,<br />

welcher vorhandene Aufrufe der Standardprodukte nutzt.<br />

Diese Vorgehensweise ist dann möglich, wenn die Produkte des <strong>MES</strong>-<br />

Anbieters entsprechend der ESA-Architektur aufgebaut sind, d. h. neben der Bedienoberfläche<br />

und den zugehörigen Schnittstellen besitzen diese Produkte ihre<br />

eigene Datenschicht, ihre Anwendungsschicht sowie ihre eigene Prozessabbildung.<br />

5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Mit Schnittstellen werden die Kommunikationseinrichtungen bezeichnet, mit welchen<br />

unterschiedliche <strong>System</strong>e ihre Daten austauschen. Für ein modernes <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> sind Bereitstellung und Unterstützung von standardisierten Schnittstellen<br />

unerlässlich, und zwar aus folgenden Gründen:


112 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

− <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e differenzieren und automatisieren die Prozesse von ERP-/PPS-<br />

<strong>System</strong>en und komprimieren die technischen Daten im <strong>MES</strong>-Umfeld zu ERP-/<br />

PPS-tauglichen Informationen. Schnittstellen fungieren als Bindeglied zwischen<br />

diesen beiden <strong>System</strong>en und übernehmen den Datenaustausch bei der<br />

Übernahme von Stammdaten und Bewegungsdaten sowie bei Rückmelden von<br />

Istdaten, Änderungen und Korrekturen<br />

− <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e koppeln direkt an den Fertigungsprozess an (z. B. an Maschinensteuerung,<br />

BUS-<strong>System</strong>e oder RFID-Lesesysteme) und schaffen damit die<br />

Voraussetzung für eine möglichst gute Automatisierung von Abläufen<br />

− <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e entwickeln sich zunehmend als Integrationsplattform für vorhandene<br />

Insellösungen. Daten werden an bestehende <strong>System</strong>e des Kunden weitergereicht<br />

bzw. von dort eingesammelt, im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> mit den dort verfügbaren<br />

Informationen abgeglichen und an das ERP-/PPS-<strong>System</strong> weitergeleitet.<br />

Beispiele hierfür sind bestehende CAQ-Lösungen, bestehende CAD und DNC-<br />

Lösungen sowie <strong>System</strong>e für die Rückverfolgbarkeit des Materialflusses.<br />

Schnittstellen zwischen zwei <strong>System</strong>en verfügen prinzipiell über zwei Bestandteile.<br />

Einerseits dem technischen Teil, welcher sich um die Kommunikation und<br />

den Transport der Daten kümmert, andererseits um die eigentliche Definition der<br />

Daten. Die nachfolgenden Kapitel werden sich im Wesentlichen mit dem technischen<br />

Teil „Kommunikation und Transport“ beschäftigen, da die Dateninhalte von<br />

Anwendung zu Anwendung variieren.<br />

Für die Auswahl eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sollte auf jeden Fall beachtet werden,<br />

dass das <strong>System</strong> neue Kommunikationswege unterstützt und die Dateninhalte für<br />

die Schnittstellen flexibel zu definieren sind. Welchen Nutzen hat der Anwender<br />

von einer hochmodernen Technologie, wenn jede kleine Anpassung aufwändig<br />

und langwierig programmiert werden muss? Ein gutes <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zeichnet sich<br />

an dieser Stelle dadurch aus, dass die Dateninhalte von Schnittstellen möglichst<br />

einfach, z. B. im Rahmen des Customizing, an die Anforderungen des Kunden angepasst<br />

werden können.<br />

5.2.1 Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en<br />

Die nachfolgenden Kapitel geben eine Übersicht zur Umsetzung der Aufgabe<br />

„Kommunikation und Transport“ von Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en<br />

wie ERP-/PPS-<strong>System</strong>e, Lohn und Gehaltssysteme. Zusätzlich werden die einzelnen<br />

Möglichkeiten kurz bewertet.<br />

5.2.1.1 Schnittstelle Datenbank zu Datenbank<br />

Immer wieder tauchen Anfragen auf, warum kann man nicht einfach Datenbank<br />

mit Datenbank koppeln kann. Mögliche technische Schnittstellen hierzu sind die<br />

sog. nativen Treiber der Datenbankhersteller, aber auch ODBC oder JDBC. Die


ASCI XML<br />

Dateischnittstelle<br />

Internet oder<br />

Intranet<br />

WebService<br />

Prozessabbildung<br />

Business-Objekte und Methoden<br />

Datenschicht<br />

Basisfunktionen<br />

Abb. 5.4. Schnittstellen zu übergeordneten <strong>System</strong>en<br />

5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 113<br />

IDOC<br />

RFC-Client<br />

Gründe für solche Überlegungen sind naheliegend, da die Definitionen der Datenbankstrukturen<br />

vorliegen und vermeintlich eine schnelle Implementierung möglich<br />

ist. Wie im obigen Kapitel Datenschicht beschrieben, gehört die Datenschicht<br />

zum innersten Teil eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und ist damit eine denkbar schlechte Basis<br />

für das Aufsetzen von Schnittstellen. Datenbank-Änderungen, ggf. die Umstellung<br />

des Datenbanksystems und das völlige Umgehen der Anwendungsschicht und der<br />

Prozessabbildung sind die eindeutigen Argumente gegen eine solche Schnittstelle.<br />

5.2.1.2 Dateibasierte Schnittstellen<br />

Aus technischer Sicht angestaubt und in die Jahre gekommen, erfüllen dateibasierte<br />

Schnittstellen aus Sicht der Anwendung nach wie vor ihre Aufgabe. Dateibasierte<br />

Schnittstellen können auf der Prozessabbildung aufsetzen und sind damit<br />

prinzipiell releasesicher. Weitere Vorteile sind der einfache Datenaustausch sowohl<br />

in der Entwicklungsphase als auch in der späteren Anwendung, die gute<br />

Kontrollierbarkeit der Inhalte und auch die einfache Möglichkeit, verarbeitete Dateien<br />

für Kontrollzwecke wegzuspeichern. Die Nachteile liegen an der fehlenden<br />

Onlinefähigkeit von dateibasierten Schnittstellen, da Dateien zyklisch abgefragt<br />

werden müssen. Ein bevorzugter Einsatz von dateibasierten Schnittstellen findet<br />

sich daher bei mittlere bis größere Datenmengen, bei denen ein bestimmter Zeitverzug<br />

in Kauf genommen werden kann.


114 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Neben proprietären Dateiformaten (ASCI, CSV usw.) kommen immer häufiger<br />

XML-Dateien für den Datenaustausch zum Einsatz. Die Vorteile von XML-<br />

Dateien sind die plattformunabhängige Speicherung von Daten und die Möglichkeit,<br />

diese Dateien innerhalb von WebServices auszutauschen.<br />

5.2.1.3 WebServices<br />

WebServices sind aktuell im IT-Umfeld als ein mögliches Heilmittel für viele bestehende<br />

Unzulänglichkeiten von Software-<strong>System</strong>en in aller Munde. Die wesentlichen<br />

Eigenschaften von WebServices sind:<br />

− normierter Standard,<br />

− Netzwerk- bzw. Internet-basierter Datenaustausch,<br />

− plattformunabhängiger Aufbau,<br />

− Online-Fähigkeit,<br />

− leichte Erweiterbarkeit.<br />

Die genannten Eigenschaften zeigen, dass WebServices alle Voraussetzungen<br />

mitbringen, um die Aufgaben einer systemübergreifenden Kommunikation zu lösen.<br />

Aufgrund der normierten Standardisierung durch das World Wide Web Konsortium<br />

W3C bieten WebServices die notwendige langfristige Stabilität und zielorientierte<br />

Weiterentwicklung, welche für einen Industriestandard notwendig ist.<br />

WebServices ermöglichen prinzipiell Online-Anfragen, sodass Ad-hoc-Anfragen<br />

in anderen <strong>System</strong>en technisch machbar sind. Aus aktueller Sicht scheinen daher<br />

WebServices mittelfristig die Standardtechnologie für den Datenaustausch zwischen<br />

ERP-/PPS- und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e zu werden.<br />

5.2.1.4 RFC und IDOC<br />

Diese Technologie stammt aus dem Umfeld von SAP und stellt die Basis für alle<br />

Online-tauglichen Kommunikationsschnittstellen zwischen SAP R/3 und <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong>en unter SAP dar. Unter RFC versteht man sog. Remote Function Calls, in<br />

diesem Fall das Transportmittel für die Daten. Hierzu stellt SAP dem <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> eine Programmbibliothek sowie eine Entwicklungsumgebung zur Verfügung,<br />

mit welcher <strong>MES</strong>-seitig die Schnittstelle realisiert werden kann. Die Daten<br />

werden im IDOC-Format (Intermediate Document) übertragen, wobei aus dem<br />

Aufbau dieses IDOCs die Datenstruktur und damit die Dateninhalte bestimmt<br />

werden können. Der Nachteil dieser Lösung ist, dass SAP-seitig nur für die wichtigsten<br />

Betriebssysteme die Programmbibliothek zur Verfügung gestellt wird und<br />

dass diese Technologie ausnahmslos im SAP-Umfeld zum Einsatz kommt.<br />

5.2.1.5 EDI<br />

Diese Schnittstelle zum Austausch von strukturierten Geschäftsdaten wird nur zur<br />

Vollständigkeit erwähnt. Innerhalb der Kommunikation ERP-/PPS und <strong>MES</strong> hat<br />

EDI (Electronic Data Interchange) bisher keine tragende Rolle eingenommen.


5.2.2 Schnittstellen für die horizontale Integration<br />

5.2 Schnittstellen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 115<br />

Ausgehend von der Architektur eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s nutzen alle Schnittstellen die<br />

Prozessabbildung, um über die verfügbaren Botschaften die definierten<br />

Workflows mit entsprechenden Daten aufzurufen (Abb. 5.5). Aus der Definition<br />

heraus bietet eine auf diese Art realisierte Schnittstelle folgende Vorteile:<br />

− Schnittstellen nutzen somit die definierte Businesslogik.<br />

− Es existieren auch für Schnittstellen Eingriffsmöglichkeiten in die Abläufe der<br />

Workflows auf Ebene der Prozessabbildung.<br />

− Schnittstellen bieten in diesem Fall Releasesicherheit.<br />

Auf der Prozessabbildung setzen bei <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en üblicherweise die Benutzeroberflächen<br />

und Erfassungssysteme auf. Somit es ist für das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

möglich, z. B. einen Arbeitsgang an einem Erfassungsgerät zu starten und an einem<br />

Info-Arbeitsplatz zu beenden. Legt der Hersteller des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s die Botschaften<br />

in Richtung Prozessabbildung offen und macht diese Informationen seinen<br />

Kunden oder Partnern zugänglich, dann stehen auf dieser Ebene neue<br />

Möglichkeiten zur Verfügung, wie das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eingesetzt werden kann. Die<br />

Verwendung dieser Botschaften eignet sich besonders gut, bestehende <strong>System</strong>e<br />

mit einer gewissen Intelligenz oder eigener Verarbeitung an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> anzukoppeln,<br />

wodurch eine horizontale Integration möglich wird. Wird dieser Gedanke<br />

konsequent weitergedacht, dann entwickelt sich das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zur Integrationsplattform<br />

und bisherige Insellösungen müssen nicht abgelöst werden,<br />

sondern bleiben als spezialisierter Datensammler erhalten und liefern ihre Daten<br />

an das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ab.<br />

5.2.3 Schnittstellen zum Produktionsmittel<br />

Für ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sind Schnittstellen zum eigentlichen Produktionsmittel, wie<br />

Maschine, Aggregat, oder Linie, aber auch zu Anlagensteuerungen, unverzichtbar.<br />

Die wichtigsten Daten, welche ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> an die Produktionsmittel weitergibt,<br />

sind Sollwertvorgaben, Prozesswertvorgaben, Rezepturen und Mischungen<br />

sowie DNC-Programme. Die wichtigsten Daten, welche ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> von den<br />

Produktionsmitteln aufnimmt sind im Wesentlichen Maschinentakt, Zählimpulse,<br />

Betriebssignale, Maschinenstatus, Messwerte und Prozessdaten.<br />

Ziel dieser Anbindungen sind zum einen ein hoher Automatisierungsgrad und<br />

damit die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit sowie die Reduzierung von Fehlbedienungen.<br />

Andererseits richten sich die Anforderungen an die Erreichung und Kontrolle<br />

einer spezifizierten Qualität des gefertigten Produktes sowie der Qualität<br />

und Kontrolle des eigentlichen Fertigungsprozesses.


116 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Insellösung 2<br />

Insellösung 1<br />

Abb. 5.5. <strong>MES</strong> als Integrationsplattform<br />

5.2.3.1 Proprietäre Schnittstellen<br />

Prozessabbildung<br />

Business-Objekte und Methoden<br />

Datenschicht<br />

Basisfunktionen<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

Es gibt eine Vielzahl an Schnittstellen zu Produktionsmitteln, deren Aufzählung<br />

den Rahmen an dieser Stelle sprengen würde. Diese Vielfältigkeit stellt jedoch<br />

durchaus ein Problem für <strong>MES</strong>-Hersteller und Kunden dar, da aufgrund fehlender<br />

Standards jeder Maschinenhersteller bis vor wenigen Jahren und teilweise noch<br />

heute eigene, proprietäre Steuerungen und Protokolle entwickelt, sodass sich die<br />

Anbindung eines heterogenen Maschinenparks für den Anwender oftmals teuer<br />

und aufwändig gestaltet hat. Einige <strong>MES</strong>-Hersteller haben sich mittlerweile im<br />

Rahmen von jahrelanger Projektarbeit das Know-how zur Anbindung der unterschiedlichsten<br />

Maschinen und Steuerungen erarbeitet, sodass auch heterogene<br />

Maschinenparks wirtschaftlich an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> angekoppelt werden können.<br />

Da es aber auch an dieser Stelle eine Weiterentwicklung geben wird, müssen<br />

sich zukünftig die Maschinenhersteller dem Druck bezüglich standardisierter und<br />

offener Schnittstellen beugen. Nur dann hat der Anwender die Sicherheit, dass<br />

seine Investitionen auf längere Zeit gesichert sind und dass die Kosten für die Anbindung<br />

einer Maschine an ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> möglichst niedrig ausfallen.<br />

5.2.3.2 OPC<br />

Unter OPC (OPE für Process-Control) versteht man eine windowsbasierte Schnittstelle<br />

zum Datenaustausch zwischen zwei <strong>System</strong>en. Diese Schnittstelle wurde


5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 117<br />

speziell für die Maschinenanbindung entwickelt und hat den Vorteil, dass sich<br />

ähnlich wie bei WebServices ein Konsortium (die OPC Foundation) um die Definition<br />

und Einhaltung der Schnittstelle kümmert. Die weiteren Vorteile der OPC-<br />

Schnittstellentechnologie sind:<br />

− Auflösung der Herstellerabhängigkeit bei Hard- und Software<br />

− Einfache Konfiguration der auszutauschenden Informationen<br />

− Netzwerkfähigkeit<br />

− OPC erlaubt einen parallelen Zugriff auf die Daten, welche der OPC-Server bereit<br />

stellt.<br />

5.2.3.3 Euromap 63<br />

Euromap 63 ist eine standardisierte Schnittstelle für den Datenaustausch mit<br />

Spritzguss-Maschinen, welche vom Europäischen Komitee der Maschinenhersteller<br />

festgelegt wurde. Die Euromap-Schnittstelle weist folgende Eigenschaften aus:<br />

− Euromap 63 ist spezialisiert auf den Datenaustausch mit Spritzguss-Maschinen<br />

− Euromap 63 ist nicht an eine Plattform gebunden. Die Euromap-Fähigkeit ist<br />

vielmehr eine Eigenschaft der Steuerung der Spritzguss-Maschine.<br />

Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Steuerungen der Maschinenhersteller<br />

sowie der freien Definierbarkeit der Inhalte der Schnittstelle durch den Maschinenhersteller<br />

fallen die Implementierungen von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich<br />

aus. Der Abstraktionsgrad ist daher nicht so gut wie bei OPC, dennoch<br />

zeigt sich, dass der Bereich Spritzguss durch die Verbreitung von Euromap 63 mit<br />

zu den Maschinen gehört, die am häufigsten an <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e angebunden sind.<br />

5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Eine wesentliche Eigenschaft von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en sind deren Benutzeroberflächen.<br />

Die wichtigsten Einsatzgebiete sind einerseits spezialisierte Oberflächen für<br />

die Verwendung in der Fertigung. Auf der anderen Seite sollen eine effektive<br />

Konfiguration des <strong>System</strong>s sowie die übersichtliche Präsentation der erfassten Daten<br />

möglich sein. Das nachfolgende Kapitel gibt hierzu Auskunft über die technischen<br />

Möglichkeiten, vor allem aber auch bezüglich des Nutzens, welchen <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong>e an dieser Stelle den Anwendern zu bieten haben.<br />

5.3.1 Technologien für Benutzeroberflächen<br />

5.3.1.1 Lokaler Client<br />

Diese Technologie existiert in mehreren Ausprägungen, vom einfachen<br />

Client/Server-<strong>System</strong> bis hin zu verteilten Anwendungen, in welchen ein Teil der<br />

Anwendung nicht mehr im Client ausgeführt wird.


118 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Die Vorteile dieser Lösung:<br />

− Die lokalen Ressourcen werden gut ausgenutzt<br />

− Kommunikation findet nur für den Datenaustausch statt<br />

− Komplexe Anwendungen sind problemlos realisierbar.<br />

Die Nachteile dieser Lösung:<br />

− Hoher administrativer Aufwand<br />

− Hohe Kosten pro Client.<br />

5.3.1.2 Thin Client<br />

Im Gegensatz zum lokalen Client kommt bei einer Thin-Client-Lösung nur noch<br />

eine Art Interpreter auf dem lokalen Arbeitsplatzrechner zum Einsatz. Sowohl die<br />

Oberfläche als auch die Daten werden zunächst an den Client übertragen und definieren<br />

dann zusammen die Anwendung. Über lokale Speicherstrategien am Client<br />

werden längere Wartezeiten beim Laden der Daten reduziert.<br />

Die Vorteile dieser Lösung:<br />

− Niedriger administrativer Aufwand<br />

− Geringe Kosten pro Client<br />

− Die Nachteile dieser Lösung:<br />

− Komplexe Anwendungen sind sehr aufwändig zu erstellen<br />

− Hohe Anforderungen bezüglich der LAN-Infrastrukrur<br />

− Eingeschränkte Möglichkeiten bei der grafischen Darstellung von technischen<br />

Sachverhalten.<br />

5.3.1.3 Windows Terminal Server und Citrix-Lösungen<br />

Diese Lösungen basieren auf der Strategie, die Vorteile der beiden zuvor genannten<br />

Lösungen zu verbinden. Es kommen normale Anwendungen zum Einsatz (lokale<br />

Clients), welche allerdings auf speziellen Servern ausgeführt werden. Auf<br />

dem lokalen Arbeitsplatzrechner wird nur noch ein spezieller Client ausgeführt,<br />

welcher nicht mehr die Daten und die Anwendung interpretiert, sondern nur noch<br />

die Bildschirmausgaben vom Server empfängt und anzeigt und umgekehrt die Benutzeraktionen<br />

wie Tastatur und Maus an den Server leitet. Diese Kombination erlaubt<br />

es, auch auf schwächeren Arbeitsplatzrechnern komplexe Anwendungen<br />

auszuführen. Außerdem reduzieren sich die administrativen Aufwände, da eine Installation<br />

der Anwendung nur noch auf dem Server notwendig ist.<br />

5.3.1.4 Smart Clients<br />

Microsoft propagiert aktuell sein neues Entwicklungsframework .NET. Dieses<br />

Entwicklungsframework erlaubt die Erstellung von sog. Smart Clients. Der Entwickler<br />

legt beim Entwicklungsprozess fest, welche Teile lokal und welche Teile<br />

auf dem Server laufen, sodass sich die Anwendungen wie eine Mixtur aus lokalem


5.3 Benutzeroberflächen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s 119<br />

Client und Thin Client darstellen. Smart Clients zeichnen sich außerdem noch dadurch<br />

aus, dass keine separate Installationsroutinen mehr durchlaufen werden<br />

müssen, stattdessen soll eine Software-Verteilung via Kopierbefehl die Administration<br />

dieser <strong>System</strong>e erleichtern.<br />

5.3.2 Benutzeroberflächen für Konfiguration, Monitoring und<br />

Reporting<br />

Als Plattform für den Bereich Konfiguration, Monitoring und Reporting kommt in<br />

vielen Fällen das Betriebssystem Microsoft Windows mit den aktuellen Versionen<br />

Windows XP und Windows 2000 zum Einsatz, diese gelten als Industriestandard.<br />

Als Technologien für die Benutzeroberfläche kommen alle genannten Möglichkeiten<br />

in Frage. Zur richtigen Auswahl der Technologie sollte der Nutzen der Anwendung<br />

im Vordergrund stehen. Für Infoarbeitsplätze und einfaches Controlling<br />

reichen Weblösungen sicher aus, dagegen werden auch in nächster Zukunft komplexe<br />

Anwendungen wie Leitstände, Planungsmodule oder Anwendungen mit<br />

speziellen Anforderungen an effektives Arbeiten einen lokalen Client benötigen.<br />

Die Benutzeroberfläche eines <strong>MES</strong> sollte folgende wichtige Eigenschaften haben:<br />

− Leichte Anpassbarkeit der Oberfläche für kundenspezifische Wünsche z. B.<br />

durch Benutzerfelder<br />

− Leistungsfähige Werkzeuge zum Erstellen von kundenspezifischen Reports<br />

− Leistungsfähige Werkzeuge zum Erstellen von kompletten kundenspezifischen<br />

Anwendungen (Application Designer)<br />

− Wie bereits in den vorigen Kapiteln erläutert, ergeben auch hier die richtige<br />

Kombination aus Technik und Anwendung den bestmöglichen Nutzen für den<br />

Anwender.<br />

5.3.3 Benutzeroberflächen für die Erfassung<br />

5.3.3.1 Besondere Anforderungen an die Benutzeroberfläche<br />

Im Bereich der Erfassung steht neben dem schnellen und effektiven Erfassen von<br />

Daten die Anzeige der Istsituation im Vordergrund. Im Rahmen der Verlagerung<br />

der Verantwortung in der Produktion hin zu den Werkern (z. B. Gruppenarbeit)<br />

oder aufgrund von Einsparungen wird aber auch das Reporting im Bereich der Erfassung<br />

zunehmend wichtiger, sodass schon auf der operativen Ebene Vergleiche<br />

zum Vortag oder zur letzten Woche möglich werden. Aus den genannten Gründen<br />

kommen auch im Bereich der Erfassung vermehrt Windows oder Windows CE-<br />

<strong>System</strong>e (CE für consumer electronisc, <strong>System</strong>e für kleinere Anwendungen) zum<br />

Einsatz, da aufgrund der grafischen Oberfläche mehr Informationen angezeigt<br />

werden können.<br />

Außerdem bieten diese Betriebssysteme gute Voraussetzungen für die Vernetzung<br />

im lokalen Netzwerk sowie eine einfache Einbindung von Druckern. Die gu-


120 5 Aufbau eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

te Vernetzbarkeit bringt den windowsbasierten <strong>System</strong>en entscheidende Vorteile<br />

im zunehmenden Segment der WLAN-Kopplungen, wobei in diesem Fall die Vorteile<br />

„mobile Erfassung“ und „Online-Datenzugriff“ miteinander kombiniert werden.<br />

Die Bedienung der Erfassungsgeräte erfolgt manuell über spezielle in das Gehäuse<br />

integrierte Tastaturen oder Touchscreen-Technologie. Außerdem kommen<br />

die unterschiedlichsten Lesesysteme für Barcodes, RFIDs oder sonstige Identträger<br />

wie auch die biometrische Erkennung zum Einsatz.<br />

Ein Argument für Windows-basierte Erfassungssysteme ist der Schutz der Investition,<br />

da solche Geräte von nahezu allen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en unterstützt werden.<br />

Andererseits gibt es einen großen Markt an speziellen Terminallösungen, welche<br />

auf anderen Betriebssystemen basieren, die vornehmlich dann zum Einsatz kommen,<br />

wenn die Anforderungen einfacher sind oder die Kosten pro Erfassungsgerät<br />

niedrig gehalten werden müssen.<br />

5.3.3.2 Einsatzmöglichkeiten der unterschiedlichen Technologien für<br />

Benutzeroberflächen<br />

Auch im Bereich der Erfassung finden die weiter oben erläuterten Technologien<br />

für Benutzeroberflächen Verwendung. Eine der wichtigsten Anforderung im Bereich<br />

der Erfassung ist die Offline-Fähigkeit: Fällt der Server oder das Netzwerk<br />

aus, so sollen je nach Anwendung die Erfassungsgeräte möglichst autark weiterarbeiten.<br />

Aus diesem Grund kommen in den meisten Fällen lokale Clients zum Einsatz<br />

(sog. Intelligente Clients), welche den Programmablauf steuern, einen Kommunikationsausfall<br />

erkennen und die Daten lokal puffern.<br />

Thin Clients wie webbasierte Lösungen gewinnen zunehmend an Bedeutung im<br />

Bereich der Erfassung. Bisher hat die fehlende Offline-Fähigkeit von Thin Clients<br />

deren Einsatz im Bereich der Erfassung stark eingeschränkt. Mit der zunehmenden<br />

Verwendung von WLAN-Lösungen erreicht man eine höhere Ausfallsicherheit<br />

und gewinnt an Mobilität, sodass sich auch Thin Clients im Bereich der Erfassung<br />

einsetzen lassen, wodurch sich eine Reduzierung des administrativen Aufwands<br />

erreichen lässt.<br />

Ein aktueller Trend ist die Verwendung von Windows Terminal Server und<br />

Citrix-Lösungen auch im Bereich der Erfassung. Verfügt man über eine hohe Ausfallsicherheit<br />

des Netzwerks, so lassen sich auch hier die kombinierten Vorteile<br />

dieser Technologie in der Fertigung nutzen.<br />

5.4 Ausblick<br />

„Nichts ist so stetig wie der Wandel“. Diese Aussage ist auch im Bereich <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong>e mehr als zutreffend. Auf der einen Seite verändern sich die Technologien.<br />

Der Trend geht, wie aus den obigen Ausführungen abgeleitet werden kann,<br />

klar in Richtung Kostenreduzierung, Wirtschaftlichkeit und Ersparnis von administrativen<br />

Aufwendungen. Die Bereitschaft der Anwender, in neue Technologien


5.4 Ausblick 121<br />

zu investieren, orientiert sich nicht mehr an „Featuritis“, sondern klar am Ziel,<br />

dass die Kosten für die IT reduziert werden müssen.<br />

Auf der anderen Seite werden ähnliche Forderungen an die Fertigung eines<br />

modernen Unternehmens gestellt. Abläufe müssen schnell geändert werden, Prozesse<br />

müssen schnell und flexibel neu abgebildet werden, Wartungs-, Ausfall- und<br />

Lagerzeiten müssen reduziert werden.<br />

Ein wichtiges Hilfsmittel zur Erreichung dieser Ziele ist die Auswahl des richtigen<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s. Orientiert sich das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> an den technischen Anforderungen<br />

der Anwender, dann ermöglicht das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die Reduzierung der laufenden<br />

Kosten für die eigene Verwendung.<br />

Aber noch viel wichtiger ist, dass das richtige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die notwendige<br />

Flexibilität mitbringt, damit die Forderungen des Anwenders in einem überschaubaren<br />

kostenseitigen und terminlichen Rahmen erfüllt werden können. Hierzu<br />

stellt der <strong>MES</strong>-Lieferant ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sowie geschultes Personal zur Verfügung,<br />

so dass über<br />

− Parametrisierung<br />

− Customizing<br />

− Klassische Anpassung<br />

− Eigenentwicklung durch den Anwender<br />

− die Funktionen<br />

− Prozessabbildung<br />

− Schnittstellen<br />

− Benutzeroberflächen<br />

− möglichst optimal an die Bedürfnisse des Anwenders angepasst werden können.<br />

Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der einfachen Anpassbarkeit der Prozessabbildung,<br />

da Änderungen im Lebenszyklus eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s an dieser Stelle<br />

die meisten Kosten verursachen. Des Weiteren sollte der <strong>MES</strong>-Anbieter sowohl<br />

technologisch als auch anwendungsseitig möglichst viele der real existierenden<br />

Anforderungen des Anwenders abdecken. Sind diese Voraussetzungen gegeben,<br />

dann sollte einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen dem richtigen <strong>MES</strong>-<br />

Lieferanten und Anwender nichts mehr im Wege stehen, zumal solche Beziehungen<br />

mittel- bis langfristig bestehen werden.


5.4 Ausblick 123<br />

6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

6.1 <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ermöglichen Fertigungsmanagement<br />

Während Büroarbeitsplätze im Laufe der letzten 20 Jahre mit PCs ausgestattet<br />

wurden, erleben wir aktuell die konsequente Fortsetzung dieses Trends im Bereich<br />

der Fertigung. Am Info-Punkt in der Fertigung entsteht der Büroarbeitsplatz des<br />

Werkers.<br />

Im Gegensatz zum Computereinsatz in der Verwaltung, bei der die Textverarbeitung,<br />

Tabellenkalkulationsprogramme und ERP-<strong>System</strong>e im Vordergrund<br />

stehen, nutzt der Werker Programme, die auf das fertigungsnahe Datenhandling<br />

zugeschnitten sind.<br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist das Informations- und Erfassungssystem für Fertigung<br />

und Produktion. Hier werden die aktuellsten Statusinformationen zu Auftrag, Maschine,<br />

Werkzeug, Material und Personal zusammengeführt und anwendungsgerecht<br />

aufbereitet. Disponenten, Fertigungssteuerer, Logistiker, Fertigungsmeister<br />

und der Werker selbst nutzen die Online-Informationen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und<br />

können situativ die richtigen Entscheidungen treffen, wenn Produktionsprozesse<br />

nicht planmäßig ablaufen. Ein optimales Fertigungsmanagement wird durch ein<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erst ermöglicht.<br />

Das ERP-<strong>System</strong> schaut durch ein Fernglas auf die Fertigung. Dort werden die<br />

Produktionsabläufe geplant und nachkalkuliert auf der Basis von Fertigungsrückmeldungen<br />

aus dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>.<br />

Prozessrechner mit Visualisierungen stellen Insellösungen dar, die auf den jeweiligen<br />

Prozess optimal ausgelegt sind. Aus der Sicht des Fertigungsmanagements<br />

ist dies der Blick durch ein Mikroskop. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist das Bindeglied<br />

zwischen der ERP-Ebene und dem Fertigungsprozess. Hier sind alle Daten zusammengeführt,<br />

die optimale Entscheidungen durch das Fertigungsmanagement<br />

ermöglichen.<br />

6.2 Das <strong>MES</strong>-Modell<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e stellen erfasste Daten den Sollvorgaben gegenüber. Die <strong>MES</strong>-<br />

Funktionalität ist somit aufgeteilt in eine Erfassungsfunktionalität und in eine Überwachungsfunktionalität<br />

auf diesen erfassten Daten. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> wird<br />

zielgerichtet eingesetzt und auf die Daten fokussiert, die für das jeweilige Unter-


124 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

nehmen wichtig sind. Der vorliegende Aufsatz gliedert sich in die drei Schwerpunktthemen:<br />

<strong>MES</strong>-Datenanalyse<br />

Die Aufgabe der Datenanalyse steht am Anfang eines <strong>MES</strong>-Projektes. Häufig<br />

lassen sich aus dem Produktionsprozess oder der Branche des Anwenders die<br />

typischen <strong>MES</strong>-Erfassungsobjekte ableiten. Das Ergebnis ist eine Aufstellung<br />

der Erfassungsobjekte als Grundlage der Datenbasis des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s.<br />

Erfassungsfunktionalität<br />

Anforderungen an eine optimal abgestimmte Erfassungsfunktionalität bilden<br />

den zweiten Schwerpunkt der <strong>MES</strong>-Anforderungen. Welcher Automatisierungsgrad<br />

lässt sich bei der Erfassung umsetzen? Welche Daten müssen manuell<br />

erfasst werden? Die Festlegungen, welche Erfassungsfunktionen sich optimal<br />

in die bestehenden Fertigungsabläufe integrieren lassen, werden hierbei<br />

getroffen.<br />

Informationsdarstellung und Aufbereitung von Auswertungen <strong>MES</strong>-<br />

Anwender interessieren sich für unterschiedliche <strong>MES</strong>-Erfassungsobjekte zu<br />

unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Kumulationen und unterschiedlich<br />

aggregierten Darstellungen. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> muss für jeden Anwender<br />

Informationsaufbereitungen bieten und erfasste Informationen über<br />

Schnittstellen weiterleiten.<br />

Die Zusammenhänge zwischen der Erfassungsfunktionalität und den Auswertungen<br />

werden im <strong>MES</strong>-Modell dargestellt. Die Aufnahme der Daten erfolgt am<br />

Erfassungsterminal mit den relevanten Erfassungsfunktionen auf den jeweiligen<br />

Erfassungsobjekten, unter Berücksichtigung der Plausibilisierungen.<br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> verwaltet die Daten in einer Datenbank, die als Datenarchiv<br />

für die Übersichten und Auswertungen verwendet wird.<br />

Die Erfassungsfunktionalität setzt auf Planungsvorgaben zu den jeweiligen Bezugsgrößen<br />

auf, z. B. Vorgaben zum Auftrag und Artikel. Das Personal steuert die<br />

Erfassungsdialoge und betätigt Auswahllisten oder es nimmt manuelle Eingaben<br />

vor. Hierbei finden kontextsensitive Plausibilisierungen gegen die <strong>MES</strong>-<br />

Datenbank statt.<br />

Die Prozessschnittstellen zu Maschinen- oder Waagensteuerungen werden teilweise<br />

durch manuelle Eingaben getriggert. Aktuelle und objektive Daten werden<br />

direkt aus dem Prozess aufgenommen und zur Beschreibung des Fertigungsfortschritts<br />

ausgewertet.<br />

Der entscheidende Vorteil des <strong>MES</strong> besteht gegenüber traditionellen Erfassungssystemen<br />

wie die immer noch vorhandenen Aufschreibungen darin, dass<br />

erstmalig die Zeitdimension der Wertschöpfung mit betrachtet und erfasst wird.<br />

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein überwiegender Anteil der Ressourcen<br />

Potenziale sind, die proportional zur Zeit genutzt werden, wird eine Abbildung<br />

dieser Abhängigkeiten zur einer wichtigen Entscheidungsgrundlage.


Planungsvorgaben<br />

Abb. 6.1. Das <strong>MES</strong>-Modell<br />

6.3 Datenanalyse – Informationen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> 125<br />

<strong>MES</strong>-<br />

Fertigungsmanagement<br />

Maschinen- und Prozessschnittstellen<br />

Übersichten,<br />

Auswertungen<br />

Manuelle<br />

Meldungen<br />

6.3 Datenanalyse – Informationen eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

Das moderne Erfassungsterminal ist in das Firmennetzwerk integriert und hat vollen<br />

Zugriff auf die für die Fertigung relevanten Datenbestände des Unternehmens.<br />

Der Erfassungsclient ist somit ein mächtiges Werkzeug und durch die Kommunikation<br />

mit der Peripherie, die auf die Umgebung abgestimmt ist, ein regelrechter<br />

„Alleskönner“. Zentrale Aufgabe des <strong>MES</strong> ist die ergonomische Fokussierung auf<br />

die wesentlichen Datenobjekte und ein ergonomisches Datenhandling.<br />

Wer die Einführung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s plant, muss sich zunächst Klarheit<br />

darüber verschaffen, auf welchen Datenobjekten er seine Erfassung aufsetzen<br />

möchte.<br />

Die Frage nach dem Datenmodell des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s orientiert sich an der<br />

Branche und den Produktionsprozessen. Je nach Einsatz sind andere Erfassungsobjekte<br />

von Interesse: der Anlagenbauer interessiert sich für erfasste Zeiten und<br />

kaum für Mengen, für den Serienfertiger dagegen ist die Prozessgeschwindigkeit<br />

an der Maschine der wesentliche Faktor. Qualitätsprüfungen wiederum sind für<br />

die beiden genannten Zielgruppen von gleicher Bedeutung.


126 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> übernimmt Vorgaben zum Auftrag und den geplanten Ressourcen<br />

des Fertigungsprozesses aus dem ERP-<strong>System</strong>. Diese Daten werden in<br />

entsprechenden Bestandstabellen verwaltet. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> verfügt aber auch<br />

über <strong>MES</strong>-eigene Konfigurationsdaten, die <strong>MES</strong>-lokal gepflegt werden. Aus Auftragsvorgaben<br />

und den Konfigurationen leitet das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> Vorgaben für die<br />

Produktionsprozesse ab.<br />

Rückmeldungen aus dem Produktionsprozess werden den <strong>MES</strong>-Erfassungsobjekten<br />

zugeordnet. Die Daten werden den Vorgaben gegenübergestellt und<br />

unterstützen das Fertigungsmanagement. Kumulierte Ergebnisse übergibt das<br />

<strong>MES</strong>- an das ERP-<strong>System</strong>.<br />

Festlegungen darüber, wie lange Daten im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> verbleiben, werden pro<br />

Erfassungsobjekt ebenso getroffen, wie die Einordnung in das <strong>MES</strong>-Datenmodell,<br />

die Stammdatenherkunft, die Verwendung und die Eigenschaften innerhalb des<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s und die Rückmeldungen in die ERP-Welt.<br />

Material- und<br />

Lagerdaten<br />

Chargen<br />

Lose<br />

Qualitätsdaten<br />

SPC<br />

Prozessdaten<br />

HYDRA- HYDRA<br />

Produktions -<br />

Datenbank<br />

NC-Daten<br />

Abb. 6.2. Auswahl der Erfassungsobjekte<br />

Werkzeugdaten<br />

6.4 Betriebsmittel Maschine oder Anlagenteil<br />

Personalzeiten<br />

Zutrittsdaten<br />

Lohndaten<br />

Maschinendaten<br />

BDE<br />

Auftragsdaten<br />

Zentraler Bezugspunkt der klassischen Betriebsdatenerfassung ist die Maschine,<br />

das Aggregat oder Anlagenteil. Die Festlegung der einzelnen Arbeitsplätze ist im<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> prozessabhängig und orientiert sich deshalb nur bedingt an den Vorgaben<br />

des ERP-<strong>System</strong>s. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> setzt auf einer feineren Maschinende-


6.4 Betriebsmittel Maschine oder Anlagenteil 127<br />

finition auf, so wird eine Produktionslinie im <strong>MES</strong> meist auf einzelne Aggregate<br />

herunter gebrochen, da die dort aktiven Prozessschritte die Basis für die Erfassung<br />

darstellen.<br />

Die Produktionsgeschwindigkeit, produzierte Mengen guter oder schlechter<br />

Qualität, sowie Stillstandsgründe und Stillstandsdauern sind die wesentlichen Daten,<br />

die zur Maschine erfasst werden.<br />

6.4.1 Auftrag/Arbeitsgang<br />

Ein Auftrag entsteht in der ERP-Welt und beschreibt mit seinen Planvorgaben das<br />

Soll für den Produktionsprozess. Gleichzeitig dient er als Kostensammler für die<br />

Aufnahme von erbrachten Leistungen (Zeiten) und produzierten Mengen. Der<br />

Auftrag stellt deshalb das Rückgrat der Erfassung dar und ist somit das klassische<br />

Erfassungs-Objekt.<br />

Wer im Umfeld der Datenerfassung vom Auftrag spricht, meint meist den Arbeitsgang,<br />

die Arbeitsfolge oder den Vorgang. Der Arbeitsgang beinhaltet alle Informationen,<br />

die sich gemäß Arbeitsplan auf den jeweiligen Arbeitsplatz und die<br />

Prozessstufe innerhalb des Auftrags beziehen.<br />

Der Arbeitsgang transportiert Fertigungsinformationen an den Erfassungsplatz.<br />

Dazu gehören Stammdaten aus dem Arbeitsplan (Vorgabegeschwindigkeit, Planarbeitsplatz,<br />

Te, Tr, Arbeitsanweisungen) und dem Materialstamm (Stücklisteninformation,<br />

Einsatzmengen, Zeichnungen) sowie die beschreibenden Daten des<br />

Auftrags, wie Termin und Sollmenge, eventuell Kundeninformationen, Drucktexte<br />

für Etikettenlayouts etc. Der Arbeitsgang bestimmt auch Ressourcenbedarfe, die<br />

bei der Fertigung implizit oder durch manuelle Eingaben als <strong>MES</strong>-Meldeobjekt<br />

zugeordnet und plausibilisiert werden.<br />

Der Arbeitsgang nimmt gleichzeitig Informationen zum Fertigungsfortschritt<br />

aus dem Produktionsprozess auf und stellt diese am Erfassungsplatz dar, übergibt<br />

Informationen in die Datenbank des <strong>MES</strong> und sammelt Rückmeldedaten für das<br />

ERP-<strong>System</strong>.<br />

Neben den reinen Fertigungsaufträgen verarbeitet ein <strong>MES</strong> auch Nacharbeitsaufträge,<br />

Projektaufträge, Gemeinkostenaufträge, Prüfaufträge, deren Handling<br />

sich im Erfassungsprozess durchaus unterscheiden kann.<br />

6.4.2 Material<br />

Erfassungen können sich sowohl auf diejenigen Materialien beziehen, welche in<br />

den Produktionsprozess einfließen, als auch auf das produzierte Material. Bezüglich<br />

der einfließenden Materialien finden meist Plausibilisierungen gegen die<br />

Stückliste statt. Ist ein Hersteller dazu verpflichtet, Einsatzmaterialien Chargenbezogen<br />

zu erfassen, so muss er die Materialchargen im Produktionsprozess am<br />

Erfassungsclient identifizieren. Der diskrete Mengenverbrauch, der am Arbeitsplatz<br />

gemessen wird, stellt ebenfalls eine materialbezogene Meldung dar, die an<br />

die Materialwirtschaft überführt werden kann.


128 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

Gefertigte Materialien werden als Gut-, Ausschuss- oder Nacharbeitsmengen<br />

erfasst. Für verkettete Prozesse mit chargenbezogener Erfassung erzeugt das<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eindeutige Chargen- oder Losnummern zur weiteren Verfolgung.<br />

Materialien lassen sicht direkt in der Produktion sperren und können in diesem<br />

Fall bis zum Verwendungsentscheid nicht mehr eingesetzt werden.<br />

6.4.3 Ressourcen und Fertigungshilfsmittel<br />

Ressourcen, die zur Durchführung des Fertigungsprozesses benötigt werden und<br />

gleichzeitig nur in begrenzter Kapazität zur Verfügung stehen, werden planerisch<br />

berücksichtigt, zugeordnet und durch den Fertigungsprozess belegt. Dazu gehört<br />

das Werkzeug, speziell ausgebildetes Personal, wie der Einrichter oder der Qualitätsverantwortliche<br />

in gleicher Weise, wie besondere Handlinggeräte oder benötigte<br />

Vorrichtungen.<br />

In vielen Produktionsumgebungen spielt die Ressource Werkzeug im Vergleich<br />

zur Maschine die bedeutendere Rolle. Werkzeugbezogene Wartung basiert auf der<br />

Erfassung der geleisteten Zeiten und Mengen (Takte oder Zyklen). Die Erfassung<br />

der Werkzeugnummer ist dann unumgänglich, wenn mehrere Werkzeuge des gleichen<br />

Werkzeugtyps vorhanden sind, wie dies beispielsweise in der Serienfertigung<br />

üblich ist. Auf die Eingabe der Werkzeugnummer kann hingegen verzichtet werden,<br />

wenn grundsätzlich das geplante Werkzeug zum Einsatz kommt.<br />

Aktive Ressourcen sind gesperrt bezüglich der parallelen Verplanung und der<br />

Verwendung an anderen Maschinen.<br />

Maschinenprogramme oder Einstelldatensätze sind spezielle Ressourcen, die<br />

das Terminal vor Beginn des Produktionsprozesses an die Maschinensteuerung<br />

überträgt. Die Überwachung von Freigabekriterien und die Verwaltung von Versionen<br />

sind bezüglich dieser Ressourcen ebenfalls Aufgaben des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s.<br />

6.4.4 Prozesswerte<br />

Bei hoch automatisierten Prozessen und in Fertigungsumgebungen, in denen die<br />

Produktqualität in erheblichem Maße von einzelnen Prozesswerten abhängt, spielt<br />

die Aufnahme und die permanente Kontrolle charakteristischer Prozesswerte eine<br />

zentrale Rolle. Die <strong>MES</strong>-Erfassung nimmt hierbei direkt aus dem Prozess die relevanten<br />

Signale (analog oder digital) auf, stellt diese dar und speichert sie nach<br />

vorgegebenen Stichprobenmustern oder in festgelegten Intervallen in der Datenbank.<br />

Bei chargenbezogener Fertigung besteht häufig die Anforderung, aufgenommene<br />

Prozesswerte mit Bezug zu den produzierten Materialchargen zu speichern.


6.4.5 Personal<br />

6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 129<br />

Zielsetzung der Erfassung des Bedienpersonals ist die Zuordnung der Leistung zu<br />

einem Kostenträger, beispielsweise dem Fertigungsauftrag, dem Instandhaltungs-<br />

oder Gemeinkostenauftrag. Die Personalmeldungen in der Fertigung werden in einem<br />

integrierten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> kombiniert mit den Kommt/Geht-Stempelungen erfasst,<br />

so dass eine Gegenüberstellung der Anwesenheitszeiten zu den produktiven<br />

Einsatzzeiten am Arbeitsplatz ermöglicht wird. Arbeitet das Personal in Leistungsentlohnungsmodellen,<br />

so bilden kostenstellen- oder auftragsbezogene Meldungen<br />

der Werker die Basis zur Errechnung entsprechender Zeitsalden für die<br />

hinterlegten Prämien- oder Akkordmodelle.<br />

Soll-Ist-Vergleiche, wie beispielsweise aktuelle Personalübersichten basieren<br />

auf den Personalmeldungen der Werker.<br />

Die Identifikation der Person spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von<br />

Zutrittskontrollanforderungen. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterstützt diesbezüglich neben<br />

den herkömmlichen Kartenlesern spezielle Erfassungstechniken zur Prüfung biometrischer<br />

Daten, wie Fingerprint-Lesern oder auch Netzhautscannern. Aufgabe<br />

des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ist die Verwaltung der Referenzbitmuster pro Person für den<br />

Vergleich bei der Identifikation.<br />

6.4.6 Prüfmerkmal<br />

Der Prüfauftrag gibt einem Fertigungsprozess vor, in welchen zeitlichen oder<br />

mengenbezogenen Intervallen einzelne Merkmale des eingesetzten oder gefertigten<br />

Materials Prüfungen zu unterziehen sind. Aufgabe der <strong>MES</strong>-Erfassung ist die<br />

Aufnahme der Prüfresultate, die Gegenüberstellung der Sollwerte und Toleranzen,<br />

sowie die Anzeige der charakteristischen Verläufe, z. B. in Form von Regelkarten,<br />

Paretoanalysen oder Auswertungen der statistischen Prozesskontrolle. Besonders<br />

wichtig ist hier eine Funktion einiger <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e, direkt bei der Dateneingabe<br />

oder Messung Unregelmässigkeiten oder Abweichungen von Sollvorgaben anzuzeigen.<br />

6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität<br />

Aus DV-technischer Sicht stellt die Erfassungsfunktionalität eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

eine in die Fertigungsumgebung verlagerte Schnittstelle dar. Der Bedeutung dieser<br />

Schnittstelle wird meist wenig Beachtung beigemessen, obwohl eine gut funktionierende<br />

Erfassungsschnittstelle für die Akzeptanz des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s entscheidend<br />

ist.<br />

Die Vielfalt der Erfassungsobjekte und deren automatisierte Identifikation, die<br />

Ergonomie der Dialogführung, die Plausibilisierung erfasster Daten, die Techniken<br />

der Erfassung sind vielfältige Aspekte, die bei der Planung und Umsetzung


130 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s zu beachten sind, damit eine zuverlässige Schnittstelle entsteht<br />

und das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> seine Zielsetzung optimal erfüllt.<br />

Eine Forderung, die jedes Unternehmen an die Erfassung stellt ist die, dass die<br />

Erfassung von Daten in der Produktion praktisch ohne Zusatzaufwand für den<br />

Werker durchgeführt werden soll. So utopisch die Forderung grundsätzlich ist, so<br />

nachhaltig muss sie bei der Ausstattung der Erfassungsplätze und bei der Gestaltung<br />

der Erfassungsfunktionen betrachtet werden.<br />

Geprägt wird die Erfassung durch systemtechnische Forderungen, die eine gute<br />

Datenqualität sicherstellen:<br />

− Ergonomie Die effiziente Bedienbarkeit durch den Werker ist die Voraussetzung<br />

für den Erfolg bei der Implementierung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s.<br />

− Plausibilität und Vollständigkeit der Daten. Die ständige Überprüfung der<br />

Konsistenz führt zu einer hohen<br />

− Prozesssicherheit. Plausibilität und Vollständigkeit garantieren eine hohe<br />

− Datenqualität und sind somit ausschlaggebend für den Nutzen der Erfassung.<br />

− Außerdem wird hier geringst mögliche Nacharbeit durch Korrigieren oder<br />

− Stornieren der erfassten Daten sichergestellt.<br />

− Betriebssicherheit Die Offline-Fähigkeit des Erfassungsprogramms und die<br />

Pufferung-smöglichkeiten erfasster Daten stellen die hohe Verfügbarkeit eines<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sicher.<br />

Aufgabe des Erfassungsterminals ist die Bereitstellung von Erfassungsdialogen<br />

für den Werker zur Steuerung der Fertigungsabläufe, der Datentransport der Planungsvorgaben<br />

für das jeweilige Erfassungsobjekt (Auftrag, Werkzeug, Material,<br />

Personal etc.) in die Fertigung und die Aufnahme von Prozessparametern durch<br />

entsprechende Schnittstellen zum Prozess. Dazu gehören außerdem die ergonomische<br />

Informationsdarstellung am Terminal und die Bedienung der <strong>System</strong>peripherie,<br />

wie zum Beispiel das Drucken von Begleitpapieren oder Etiketten. Weitere<br />

<strong>System</strong>funktionen unterstützen die Vergabe eindeutiger Identifikationen, z. B. zur<br />

Kennzeichnung von Materialchargen.<br />

6.5.1 Ausstattung des Erfassungsterminals<br />

Die Ergonomie und Sicherheit wird durch den Einsatz von Identlesern und durch<br />

eine möglichst papierarme und automatisierte Erfassung erzielt. Die örtlichen Gegebenheiten<br />

in der Fertigung, die Entfernungen zum Meldeplatz, Temperaturschwankungen<br />

oder eine schmutzige Umgebung, stellen bestimmende Faktoren<br />

für die optimale Ausstattung der Erfassungsplätze dar.<br />

Eine Vielfalt technischer Möglichkeiten bedient das Spektrum der Anforderungen<br />

unterschiedlichster Branchen und unterschiedlichster Fertigungsverfahren.<br />

Terminals mit Touchbedienung, mobile Erfassungsgeräte mit Wireless-LAN-<br />

Anbindung, elektronische Leser und Scanner, Waagen und Maschinen- oder Anlagensteuerungen,<br />

die Daten verdichten und entsprechende Schnittstellen zur Verfügung<br />

stellen, unterstützen die ergonomische Erfassung durch das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>.


6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 131<br />

Für jedes Erfassungsobjekt ist die Art der Erfassung festzulegen. Ein Auftrag<br />

lässt sich beispielsweise aus der arbeitsplatzbezogenen Planungsliste auswählen,<br />

per Barcode auf dem Fertigungspapier melden oder manuell zuordnen. Das <strong>MES</strong><br />

muss alle Möglichkeiten zur Verfügung stellen und pro Arbeitsplatz eine individuelle<br />

Konfiguration unterstützen<br />

Waagenschnittstellen<br />

Datenschnittstellen<br />

Bussysteme<br />

Zählimpulse<br />

Betriebssignal<br />

Abb. 6.3. Festlegung der Erfassungsinfrastruktur<br />

Identleser<br />

Begleitpapiere<br />

Etiketten<br />

Prozeßwerte<br />

Die Ausstattung der Erfassungsterminals und die Wahl der Peripheriegeräte<br />

müssen sich an den verwendeten Identifikationsmedien für die einzelnen Erfassungsobjekte<br />

orientieren.<br />

Stationäre PC-basierte Terminals mit Touchbedienung. PC-basierte Terminals<br />

erschließen der Erfassungsanwendung alle Möglichkeiten. Grosse Displays<br />

und Touchbedienung ermöglichen eine ergonomische Bedienerführung und<br />

eignen sich ideal für die Informationsdarstellung in schriftlicher oder grafischer<br />

Form. In den Erfassungsdialogen lassen sich Auswahllisten übersichtlich<br />

bereitstellen. Peripheriegeräte mit entsprechenden Treiberprogrammen<br />

stehen universell zur Verfügung. Wireless-LAN-Anbindungen<br />

ermöglichen den flexiblen Einsatz PC-basierter Terminals.<br />

Mobile Terminals. Wireless-LAN-Ausstattungen ermöglichen den Einsatz mobiler<br />

Terminals, die eine örtliche Flexibilität mit der Online-Plausibilisierung<br />

gegen die aktuelle Datenbasis verbinden. Die Auswahl der Terminalhardware


132 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

und des entsprechenden Betriebssystems müssen mit der Anwendung abgestimmt<br />

werden. Neben PC-basierten Terminalarchitekturen spielen zunehmend<br />

PDA’s oder auch Handys eine Rolle bei der mobilen Datenerfassung. Meist<br />

sind mobile Terminals mit entsprechenden Leseeinrichtungen kombiniert.<br />

Berührungslose Identifikation. Kontaktlose Karten für Personen, Transponder<br />

zur Identifikation von Materialien in unterschiedlichster Geometrie und Ausführung,<br />

geeignet selbst für widrigste Produktionsumgebungen, sorgen unter<br />

dem Schlagwort der RFID-Techniken (radio-frequency-identification) für eine<br />

neue Flexibilisierung bei der Identifikation der Erfassungsobjekte. Das flexible<br />

Beschreiben verschiedener Segmente mit unterschiedlichen Attributen erschließt<br />

neue Möglichkeiten, wie z. B. das Beschreiben des gleichen RFID mit<br />

den unterschiedlichen Artikelnummern des Kunden und des Lieferanten in<br />

verschiedenen Segmenten.<br />

Kombinierte Identifikation. Kombinationen, wie z. B. berührungslose Personalkarten<br />

für die Zutrittsberechtigung, der Barcode auf derselben Karte zur Anmeldung<br />

am Erfassungsterminal des Arbeitsplatzes, und der Chip auf der Karte<br />

für das Kantinenbuchungssystem ermöglichen den Einsatz eines zentralen<br />

Ausweises für die Kommunikation mit unterschiedlichen Anwendungen. Mittlerweile<br />

sind auch Klebeetiketten auf dem Markt, die auf der Klebeseite mit<br />

einem RFID-Transponder ausgestattet sind und gleichzeitig auf der Oberfläche<br />

mit Barcodes bedruckt werden.<br />

Zur reinen Identerfassung sind mobile Lesegeräte geeignet, die eine Informationsaufnahme<br />

am Ort ihres Entstehens ermöglichen. Das Chargenlabel eines<br />

sperrigen Materials kann am Lagerort erfasst werden. Der Leser selbst kann<br />

über eine Funkstrecke oder über eine Dockingstation mit einem stationären<br />

Terminal verbunden sein.<br />

Biometrische Daten. Die Personenidentifikation in sensiblen Umgebungen oder<br />

bei der Zutrittskontrolle kann durch die Aufnahme und den Vergleich biometrischer<br />

Daten erfolgen. Mittlerweile stehen Fingerprint-Leser oder auch Netzhautscanner<br />

in einem vernünftigen Preis-Leistungsverhältnis zur Verfügung,<br />

so dass ein breiter Einsatz dieser Identifikationsmöglichkeiten nicht mehr utopisch<br />

ist, speziell für den Bereich der Zutrittskontrolle besteht die Anforderung,<br />

Türöffner anzusteuern. Das Terminal unterstützt in diesem Fall entsprechende<br />

Schnittstellen.<br />

Drucker und gedruckte Codes. Barcodes oder auch Matrixcodes sind leicht und<br />

flexibel herstellbar. Der Etikettendruck am Erfassungsplatz der Maschine hat<br />

aus diesem Grund weiter an Bedeutung gewonnen. Der Einsatz in der Produktionslogistik,<br />

zur Identifikation von Materiallosen oder Transportbehältern bei<br />

Umbuchungs- oder Umlagerungsvorgängen, wurde in vielen Branchen durch<br />

gesetzliche Bestimmungen notwendig und befindet sich weiter auf dem Vormarsch.


6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 133<br />

Alarmgeber. Die Anforderung der Alarmierung besteht direkt im Fertigungsprozess<br />

am Erfassungsterminal. Die auslösenden Ereignisse werden durch das<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> dargestellt, aber auch in akustische oder optische Alarmierungen<br />

umgesetzt. Durch einstellbare Eskalationsstufen werden durch das <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> per E-Mail, Pager oder Handy konfigurierbare Alarmsituationen direkt<br />

an das verantwortliche Personal weitergeleitet.<br />

Web-Clients zur Erfassung an entfernten Standorten<br />

Unter dem Schlagwort der „verlängerten Werkbank“ arbeiten immer mehr Fertigungsumgebungen<br />

mit dezentralen Produktionsstätten oder externen<br />

Dienstleistern. Transparenz für die Fertigungssteuerung über den gesamten<br />

Fertigungsprozess ist nur dann gegeben, wenn die externen Produktionsprozesse<br />

ebenfalls in die Datenerfassung zum Fertigungsfortschritt einbezogen werden.<br />

Neben der Ausstattung mit identischem Erfassungs-Equipment stellen<br />

moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e die Möglichkeit der Datenerfassung durch einen Web-<br />

Client zur Verfügung. Konfigurierbare Erfassungsdialoge, die sich praktisch<br />

auf jedem PC mit Internetanschluss aufrufen lassen, ermöglichen eine firmenübergreifende<br />

Datenerfassung.<br />

6.5.2 Informationsbereitstellung für den Werker<br />

Der Informationsbedarf des Werkers nimmt aufgrund wachsender Bedeutung automatisierter<br />

Abläufe in der Fertigung immer weiter zu. Die richtige Information<br />

an der richtigen Stelle, umfassend, schnell und in ergonomischer Darstellung, dies<br />

sind die Anforderungen an die Informationsbereitstellung durch das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

in der Fertigung.<br />

Das Erfassungsterminal zeigt die aktuellen Informationen zum Status aller Erfassungsobjekte<br />

an, schafft dadurch Transparenz am Arbeitsplatz und gewährt die<br />

Prozesssicherheit. Aktuelle Statusmonitore zum Zustand der Maschine und dem<br />

Fertigungsprozess, zum Auftrag, Arbeitsgang und eingesetzten Materialchargen,<br />

zum Maschinenbediener oder der Mannschaft, zu anstehenden Prüfungen und den<br />

letzten Prüfergebnissen, zum aktuell geladenen Maschinenprogramm, zur Werkzeugnutzung<br />

und den anstehenden Wartungsintervallen für Maschine oder Fertigungshilfsmittel<br />

sind Beispiele für diesen Informationsbedarf.<br />

Die Möglichkeiten zur Darstellung von Stamminformationen sind durch die<br />

Vernetzung der Erfassungsterminals praktisch unbegrenzt: Bilder von Montagezeichnungen<br />

oder Endartikeln, Arbeitsanweisungen in Form von Filmsequenzen<br />

als Montageunterstützung, die Darstellung von Einstellparametern der DNC-<br />

Programme durch geeignete Viewer, sind nur Beispiele der Informationsfülle,<br />

welche dem Werker zur Verfügung gestellt wird. Entscheidend ist die Aktualität<br />

der dargestellten Information, die im Vergleich zu gedruckten Vorschriften jederzeit<br />

gewährleistet ist. Auswertefunktionen zur letzten Schicht, dem Nutzungsgrad<br />

der Vorwoche, dem Materialverbrauch im laufenden Monat etc. runden den Funktionsumfang<br />

des Erfassungsterminals ab.


134 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

Abb. 6.4. Darstellung aktueller Informationen am Erfassungsterminal<br />

Die persönliche Motivation des Werkers spielt eine entscheidende Rolle bei der<br />

Optimierung von Produktionsprozessen. Informationen zu den persönlichen Bedürfnissen<br />

und der persönlichen Zielsetzung sind wesentliche Faktoren. Dazu gehören<br />

der aktuelle Zeitsaldo des Mitarbeiters, der letzte Stand seines Leistungslohnes<br />

sowie der Zielerreichungsgrad bezogen auf die individuelle Mitarbeiterzieldefinition.<br />

Speziell mit dem Einzug der Methoden der <strong>Manufacturing</strong><br />

Scorecard (<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O,(2004)) gewinnen diese personenindividuellen<br />

Informationsanzeigen weiter an Bedeutung.<br />

Die <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>architektur stellt Tools bereit, die zur Informationsaufbereitung<br />

und zur Layoutgestaltung verwendet werden. Alle Informationsfunktionen<br />

sind dadurch individuell gestaltbar und können durch ein Login in einen<br />

individuellen Informationspool des Mitarbeiters verzweigen.<br />

6.5.3 Modularität unterstützt die Vielfalt der Erfassungsdialoge<br />

Die Akzeptanz der Mitarbeiter ist entscheidend für den Erfolg einer <strong>MES</strong>-<br />

Einführung. Die meisten Mitarbeiter eines Unternehmens arbeiten mit dem Erfassungsterminal.<br />

In der Gestaltung und Dialogführung stecken deshalb die entscheidenden<br />

Potenziale bezüglich der <strong>System</strong>ergonomie.<br />

Moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>architekturen unterstützen eine flexible Anpassbarkeit<br />

der Erfassungsfunktionen auf den Erfassungsprozess. Um das Customizing des


6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 135<br />

Standardsystems auf den individuellen Prozess zu ermöglichen, müssen die Voraussetzungen<br />

dafür durch die <strong>System</strong>architektur geschaffen sein.<br />

Die Modularität und Anpassbarkeit der Erfassungsdialoge auf den einzelnen<br />

Arbeitsplatz muss gegeben sein. Bei den wenigsten Unternehmen findet sich eine<br />

homogene Produktions- und damit Erfassungsstruktur. So bringt der Kunststoffspritzgießer<br />

mit angeschlossenem Werkzeugbau sowohl die Anforderungen eines<br />

Serienfertigers, wie auch die Anforderungen des Anlagenbauers in ein <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> ein. Die Erfassungsdialoge müssen sich in einem solchen Umfeld pro Arbeitsplatz<br />

individuell gestalten lassen.<br />

Die Einstellbarkeit bezogen auf den Bediener, z. B. durch Sprachwahl für ausländische<br />

Mitarbeiter, stellt eine weitere Anforderung an die Flexibilität der Dialoggestaltung<br />

dar.<br />

Voraussetzung für die vielfältigen Konfigurationseinstellungen eines <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong>s, die Möglichkeiten des Customizings der Erfassungsfunktionen und die<br />

individuelle Dialoggestaltung pro Arbeitsplatz ist eine modulare <strong>System</strong>architektur.<br />

Die Integration der Erfassungsschnittstellen in die Dialoge muss einstellbar<br />

sein, z. B. durch die Festlegung, dass das Feld Personalnummer ausschließlich per<br />

Legic-Ident belegt wird oder dass ein Mengenrückmeldefeld aus der Waagensteuerung<br />

ausgelesen wird.<br />

6.5.4 Plausibilität im Erfassungsprozess<br />

Eine gute Datenqualität erzielt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> dann, wenn die Daten direkt im<br />

Erfassungsvorgang plausibilisierbar sind. Abhängig vom jeweiligen Erfassungsobjekt<br />

können im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterschiedlichste Prüfungen definiert werden. Statische<br />

Prüfungen sind hierbei auf die Stamm- oder Vorgabedaten ausgerichtet, z. B.<br />

„die Istmenge darf die Sollmenge nicht überschreiten“. Dynamische Prüfungen orientieren<br />

sich dagegen am Verlauf des Produktionsprozesses, z. B. „kann bei überlappender<br />

Produktion die gefertigte Menge eines Arbeitsgangs nicht höher<br />

sein, als die des Vorgängerarbeitsgangs“.<br />

Bei manueller Dialogführung können Plausibilitätsverletzungen, z. B. Mengenüberschreitungen,<br />

dem Fertigungspersonal direkt angezeigt werden. Der Werker<br />

kann durch geänderte Eingaben auf die Verletzung reagieren, indem er seinen<br />

Fehler korrigiert und die richtige Menge eingibt. Offline Nachberabeitungen werden<br />

dadurch weitgegehend vermieden.<br />

Plausibilisierungen in der Kommunikation mit Maschinensteuerungen sind dagegen<br />

im Dialog kaum lösbar. Die Schnittstelle zwischen Prozess und Erfassungs-<br />

Client muss diese Verletzung durch eine geordnete Ausnahmebehandlung verarbeiten,<br />

ohne die Datenqualität und -integrität zu verletzten.<br />

Häufig sind Prüfungen nur in Teilbereichen eines Unternehmens sinnvoll, in<br />

anderen hingegen völlig unbrauchbar. Moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e unterstützen deshalb<br />

dialogorientierte Plausibilisierungen, die durch Customizing-Einstellungen<br />

für unterschiedliche Fertigungsbereiche (Kostenstellen, Arbeitsplätze, Maschinen-


136 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

aggregate) oder unterschiedliche Auftragsarten aktiviert und deaktiviert werden<br />

können.<br />

Eine wichtige Forderung ist die Statusprüfung auf allen Erfassungsobjekten,<br />

durch die Plausibilisierungen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s, wodurch eine integrale Prozesssicherheit<br />

gewährt wird. Beispielsweise bewirkt eine materialbezogene Laborprüfung<br />

mit negativem Ergebnis eine sofortige Sperre des betroffenen Materials.<br />

Durch die Online-Statusprüfung vor jeglicher Verwendung von Materialien im Erfassungsdialog<br />

wird sichergestellt, dass soeben gesperrtes Material im <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> nicht mehr für die Produktion angemeldet werden kann.<br />

6.5.5 Welche Schnittstellen zum Prozess lassen sich sinnvoll nutzen?<br />

Moderne <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e unterstützen auf der Erfassungsebene universell einsetzbare<br />

Kopplungsmöglichkeiten. Oft besteht der anzubindende Maschinenpark aus<br />

alten und neuen Maschinen, deren Steuerungen unterschiedliche Möglichkeiten<br />

der Kommunikation zur Verfügung stellen. Die Modularität und die Konfigurationsmöglichkeiten<br />

des <strong>MES</strong> spielen insbesondere bei der Prozessanbindung eine<br />

große Rolle.<br />

Takt- und Betriebssignalerfassung<br />

Die einfache Takt- oder Betriebssignalerfassung über digitale I/O- oder Zähleingänge<br />

stellt immer noch eine bedeutende Grundlage der MDE-Erfassung<br />

automatisierter Fertigungsprozesse dar. Insbesondere die Lebensdauer älterer<br />

Maschinen bestimmt auch zukünftig den Einsatz dieser universell verwendbaren<br />

und effektiv arbeitenden Art der Maschinenkopplung.<br />

Maschinensteuerungsprotokolle<br />

Ein aufwändigeres Verfahren ist die direkte Kommunikation mit der Maschinensteuerung.<br />

Diese ermöglicht dem Erfassungsterminal einerseits Daten direkt<br />

in die Steuerung zu übertragen (z. B. ein Maschinenprogramm zur Bearbeitung<br />

eines bestimmten Artikels) und andererseits Daten zum Produktionsfortschritt<br />

oder zu auftretenden Maschinenstillständen oder beliebige Prozesswerte<br />

aus der Steuerung aufzunehmen. Bei der Kommunikation muss sich das<br />

Terminal an der Steuerungsversion und dem verwendeten Protokoll orientieren.<br />

Waagen<br />

Waagenschnittstellen sind wichtige Stützen einer automatisierten Datenerfassung.<br />

Meist kommt der Anstoß zur Aufnahme eines Wiegeergebnisses aus<br />

einem Benutzerdialog. Der Datentransfer von der Waagensteuerung zum Erfassungsterminal,<br />

die potentielle Fehlerquelle des menschlichen Eingriffs, wird<br />

automatisiert und abgesichert. Für die Kommunikation zur Waagensteuerung<br />

gelten die gleichen Randbedingungen, wie für die Maschinensteuerungsanbindung.


6.5 <strong>MES</strong>-Erfassungsfunktionalität 137<br />

Prozesskommunikation per OPC<br />

Der Datentransfer per OPC (Object-Linking- and Embedding for Process-<br />

Control) wird zur direkten Kommunikation mit der Maschinen- oder Anlagensteuerung<br />

verwendet. Durch die OPC-Technologie steht ein Standardprotokoll<br />

zur Verfügung, das den Datentransfer zwischen der Steuerung und externen<br />

Kommunikationspartnern herstellerunabhängig unterstützt. MDE-Signale aus<br />

der Maschine, wie Zähler, Taktzyklen, Status oder Prozesswerte, sind genauso<br />

möglich, wie der Datentransfer in die Steuerung hinein. Voraussetzung für die<br />

Nutzung dieser Art der Kommunikation ist die Unterstützung eines OPC-<br />

Servers durch die Maschinen- oder Anlagensteuerung. Das Erfassungsprogramm<br />

kommuniziert bei dieser Technik über einen OPC-Client mit einem<br />

festgelegten Adressraum der Maschinensteuerung. Das Erfassungsprogramm<br />

kann somit einerseits über definierte OPC-Variablen auf alle Informationen<br />

zugreifen, die in diesem Adressraum hinterlegt sind, andererseits kann das Erfassungsprogramm<br />

Datenfelder dieses Adressraumes beschreiben. Aufgabe des<br />

OPC-Clients ist die logische Verbindung der Anwendungsprogramme mit den<br />

OPC-Variablen.<br />

Ein Vorteil der OPC-Kommunikation ist die Protokoll- und Steuerungsversionsunabhängigkeit.<br />

Ein Nachteil ist dagegen die häufig verwendete Kommunikation<br />

über das LAN, die eine hohe Netzwerkverfügbarkeit voraussetzt.<br />

Spezielle Protokolle<br />

In einigen Branchen haben sich spezielle Protokolle durchgesetzt, deren Anbindung<br />

das <strong>MES</strong> unterstützen muss, wenn die Voraussetzungen maschinenseitig<br />

bereits geschaffen sind. Das Euromap-Protokoll E63 für Spritzguss-<br />

Maschinen aller bedeutender Maschinenhersteller ist ein Beispiel für eine solche<br />

Normierung.<br />

6.5.6 Datenkorrekturen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

Alle Daten, die durch das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erfasst wurden, müssen dort auch änderbar<br />

sein. Diese Forderung bezieht sich nicht nur auf manuell eingegebene Daten sondern<br />

auch auf Daten, die durch Prozessschnittstellen aufgenommen wurden.<br />

Die Änderungsfunktionalität muss durch entsprechende Berechtigungsprüfungen<br />

abgesichert sein und die Durchführung muss im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> lückenlos<br />

protokolliert werden.<br />

Im Fall einer Korrektur muss das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> alle Abhängigkeiten zwischen<br />

den Erfassungsobjekten berücksichtigen. Beispielsweise muss die Korrektur einer<br />

Mengeneingabe sich auf alle betroffenen Erfassungsobjekte auswirken, z. B. auf<br />

Maschine, Auftrag und Personal. Sämtliche Schnittstellen zu den übergeordneten<br />

<strong>System</strong>en müssen im Falle von Korrekturen über entsprechende Stornosätze versorgt<br />

werden.


138 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

6.5.7 Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

Ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> stellt die <strong>System</strong>verfügbarkeit des Informationssystems für die<br />

Fertigung sicher und bietet dadurch ein zusätzliches Sicherheitspotenzial gegen<br />

den Ausfall des ERP-<strong>System</strong>s. Praktische Erfahrungen belegen, dass während<br />

mehrtägiger Ausfälle auf der ERP-Ebene der Auftragsvorrat im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die<br />

Fertigung am Leben erhalten hat, wodurch ein größerer wirtschaftlicher Schaden<br />

vermieden werden konnte.<br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> selbst verfügt über Sicherheitsmechanismen, die den Ausfall<br />

des Unternehmensnetzwerks überbrücken können. Das Erfassungsterminal puffert<br />

Daten, wenn keine Verbindung zum <strong>MES</strong>-Server besteht. Plausibilisierungen zum<br />

Erfassungsobjekt sind bei LAN-Ausfall gegen die lokal verfügbaren Datenbestände<br />

möglich.<br />

Stromausfall, Datenbankausfall oder Hardware-Fehler der <strong>System</strong>hardware<br />

können selbst bei redundanter <strong>System</strong>auslegung zum Totalausfall der <strong>MES</strong>-<br />

Erfassung führen. In diesem Fall greift die Organisation des Notbetriebs. Das<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> stellt für diesen Fall eine Funktionalität zur effektiven Nacherfassung<br />

der Daten bereit.<br />

6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement<br />

Gute und objektive Entscheidungen können nur dann getroffen werden, wenn zuverlässige<br />

Informationen zur Verfügung stehen. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> garantiert jederzeit<br />

aktuellste Informationen zum Fertigungsumfeld an den Arbeitsplätzen der<br />

<strong>MES</strong>-Anwender. Dazu gehören Darstellungen des Online-Status zum Auftrag, der<br />

Maschine, dem Prozess, dem Werkzeug, dem aktuell eingesetzten und produzierten<br />

Material, sowie der Qualität und dem Personal.<br />

Für jede Zielgruppe stellt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> objektive Informationen mit unterschiedlichem<br />

zeitlichen Bezug dar, so enthält das <strong>MES</strong> beispielsweise zu einem<br />

Auftrag oder Artikel unterschiedliche Informationen unter verschiedenen Zeitaspekten:<br />

Planungslisten für die nächste Schicht, die aktuell laufenden Arbeitsgänge<br />

an den Arbeitsplätzen des Maschinenparks, die erledigten Aufträge vom Vortag,<br />

oder die Darstellung benötigter Istzeiten im Vergleich zu den Vorgabezeiten aller<br />

Aufträge zu einem speziellen Artikel im letzten Vierteljahr.<br />

Der Werker an der Maschine interessiert sich für eine andere Informationsdarstellung<br />

als der Fertigungsleiter. Alle erfassten Daten lassen sich deshalb durch<br />

unterschiedlichen Zeit- oder Bereichsbezug kumulieren und grafisch aufbereiten:<br />

Für den Maschinenführer ist es wichtig, dass alle Maschinenzustände, die aufgenommen<br />

wurden, zur Einzelanalyse für die Gruppenbesprechung ebenso zur Verfügung<br />

stehen, wie die Nutzungsauswertungen als Grundlage für das Reporting<br />

des Bereichsvorgesetzten beim Fertigungsleiter, und die Werks-OEE-Kennzahlen<br />

(OEE = Overall Equipment Efficiency) zum objektiven Vergleich verschiedener<br />

Werke durch das Management in der Unternehmenszentrale.


Leitstand<br />

Schnittstellen<br />

zu ERP, TQM,<br />

Lager<br />

Meister,<br />

AV<br />

6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 139<br />

GF<br />

HYDRA- HYDRA<br />

Produktions -<br />

Datenbank<br />

Controlling<br />

Abb. 6.5. Informationsdarstellungen für <strong>MES</strong>-Anwender<br />

6.6.1 Transparenz durch <strong>MES</strong>-Aktualiät<br />

QS<br />

Personalbüro<br />

Schnittstellen<br />

zu Lohn- und<br />

Gehalt<br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> schafft Transparenz durch die Darstellung von Online-<br />

Informationen zur aktuellen Situation in der Fertigung. Permanente Statusinformationen<br />

und darauf aufsetzende Soll-Ist-Vergleiche zu allen Erfassungsobjekten:<br />

Aktuelle Statusübersichten zu Auftrag, Arbeitsgang, Maschine und Aggregat,<br />

Werkzeug und Werkzeugteil, Fertigungspersonal, Verbrauchsmaterialien und<br />

Einsatzchargen, verwendete Maschinenprogramme, Prozessverläufen und aktuellen<br />

Prüfergebnissen.<br />

Potenziale aus der Nutzung dieser Online-Informationen ergeben sich in der<br />

Fertigungsplanung und -steuerung. Durch die Bereitstellung einer umfassenden<br />

Informationsbasis unterstützt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> den Fertigungssteuerer im Falle<br />

von Umplanungen bei der Auswahl der richtigen Entscheidung, indem die Auswirkungen<br />

auf die konkurrierenden Bedarfe direkt dargestellt werden.<br />

Permanente Statusabgleiche im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> führen zu aktualisierten Darstellungen<br />

auf allen Erfassungsobjekten:<br />

− Auftragsübersichten mit aktuellen Soll-Ist-Vergleichen<br />

− Maschinenstatusübersichten mit Darstellung des aktuellen Status<br />

− Materialbestandsentwicklungen


140 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

− Personalstatusübersichten und aktualisierte Personaleinsatzplanungen<br />

− Aktualisierte Rüstlisten<br />

− Werkzeugbedarfslisten<br />

− Aktualisierte Listen anstehender Wartungen pro Ressource.<br />

Abb. 6.6. Darstellung aktueller Maschinenstatus und der geplanten Arbeitsgänge<br />

Alarmsituationen, die aus kritischen Veränderungen in der Fertigung resultieren,<br />

lassen sich durch das Alarmmanagement des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s darstellen, und<br />

per Mail oder Handy direkt an den Verantwortlichen adressieren. Durch Eskalationsstufen<br />

wird ein Workflow im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> generiert, der zu einem geordneten<br />

Umgang mit kritischen Situationen führt.<br />

6.6.2 Anwendergerechte Auswertungen<br />

Auswertungen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sind über alle Erfassungsobjekte und über beliebige<br />

Zeiträume möglich. Auf allen Erfassungsobjekten des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s werden<br />

Auswertungen zur Verfügung gestellt. Die folgenden Beispiele geben nur einen<br />

kleinen Querschnitt wieder:<br />

− Artikel-, Auftrags- und Arbeitsgangprofile<br />

− Analysen zu Transport, Liege-, und Lagerzeiten innerhalb der Produktion


6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 141<br />

− Darstellung von Gemeinkostensalden aus der Erfassung aller Nebenzeiten<br />

− Stillstandsanalysen zu Maschinen- und Anlagen über beliebige Zeiträume<br />

− Gegenüberstellungen von Produktivitätskennzahlen<br />

− Personalinformationen zu durchgeführten Tätigkeiten<br />

− Leistungslohnentwicklungen für Einzelpersonen oder Prämiengruppen<br />

− Istwertverläufe zu Prozesswerten<br />

− Traceability-Auswertungen zur Material- und Chargenverfolgung in der Produktion<br />

− SPC-Analysen über definierte Qualitätsmerkmale und Ausschussanalysen<br />

− Werkzeughistorien mit Darstellung der Standzeiten.<br />

Abb. 6.7. Maschinenstillstandsanalyse<br />

Mächtige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e stellen die verfügbaren Auswertungen auch auf einem<br />

Web-Client zur Verfügung. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist somit global als Werkzeug nutzbar:<br />

Der Produktionsleiter kann auch an einem fremden Standort alle relevanten<br />

Informationen zu seinem Verantwortungsbereich einsehen und er kann Kennzahlen<br />

der einzelnen Unternehmen übergreifend direkt vergleichen. Fertigungsunternehmen,<br />

deren Struktur sich durch die Globalisierung und durch Produktionsverlagerungen<br />

verändern, profitieren von den werksübergreifenden objektiven<br />

Vergleichsmöglichkeiten der Trends aus den <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en der einzelnen Standorte.


142 6 Integriertes Fertigungsmanagement mit <strong>MES</strong><br />

Aus den aktiven Datenbeständen löscht das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> üblicherweise alle<br />

Bewegungsdaten nach einem definierbaren Zeitintervall von einigen Monaten. Erfasste<br />

Informationen, deren Langzeitdatenhaltung im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erfolgt, werden<br />

zusammengefasst und in Archivtabellen überführt. Auswertungen auf diesen Archivdaten<br />

können durch entsprechende Schalter in die aktuelle Auswertungen mit<br />

einbezogen werden.<br />

6.6.3 Fertigungsnahe Zieldefinition<br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> stellt mit seinen Auswertungen keine statischen Daten dar.<br />

Vielmehr zeigt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die zeitlichen Verläufe und die aktuellen Werte<br />

in einer Trendkurve. Für vorgegebene Zielvereinbarungen gibt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

die Zwischenergebnisse auf dem Weg zum Ziel und damit den Grad der Zielerreichung<br />

an.<br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> kann zur Formulierung von Zielvereinbarungen eingesetzt<br />

werden. Die Basis hierfür sind die Erfassungsobjekte und deren Verknüpfung.<br />

Beispiele sind die Vorgaben von Zielwerten für die Maschinenstillstandsminimierung,<br />

für die Ausschussquote oder die Formulierung von Nutzungskennzahlen,<br />

deren Erreichen binnen einer festgelegten Frist angestrebt wird.<br />

Abb. 6.8. Darstellung der <strong>Manufacturing</strong> Scorecard des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s HYDRA


6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 143<br />

Die Zielvereinbarungen können auf beliebige Organisationseinheiten herunter<br />

gebrochen werden. Es lassen sich für das Werk, die Kostenstelle oder den Arbeitsplatz,<br />

die Prämiengruppe oder den einzelnen Mitarbeiter Vorgaben festlegen.<br />

Das Ziel wird bekannt gegeben und die Istwerte auf dem Weg zur Zielereichung<br />

werden konsequent verfolgt. Jeder Beteiligte dieses Innovationsprozesses<br />

kann in Informationsdarstellungen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ablesen, welcher Grad der<br />

Zielerreichung aktuell vorliegt. Persönliche Zieldarstellungen und deren Erreichungsquotient<br />

werden in die mitarbeiterbezogene Informationsdarstellung integriert.<br />

Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterstützt die Organisation nachhaltig, da die Mitarbeitermotivation<br />

durch die Zielwertvorgaben auf Dauer garantiert ist.<br />

Literatur<br />

<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard. Gabler, Wiesbaden


6.6 <strong>MES</strong>-Informationen für das Fertigungsmanagement 145<br />

7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

7.1 Überblick und Zielsetzung<br />

7.1.1 Einordnung der Feinplanung und Steuerung<br />

In einem Fertigungsunternehmen ist die eigentliche Produktionsplanung eingebettet<br />

in die Rahmenbedingungen, die durch die Branche und die Unternehmenspolitik<br />

vorgegeben sind. Beginnend mit der strategischen Ausrichtung eines Unternehmens<br />

und der daraus abgeleiteten Absatzplanung ergeben sich die Rahmenbedingungen<br />

für die Produktionsplanung. Teil dieser strategischen Planung ist<br />

auch die Investitions- und Wachstumsplanung, um die nötigen Produktionskapazitäten<br />

für die Fertigungsprozesse bereitzustellen.<br />

Aus dieser kurzen Einleitung wird deutlich, dass die Ansprüche bezüglich zeitlicher<br />

Gültigkeit und Genauigkeit eines Plans und die damit einhergehenden Planungsprobleme<br />

abhängig von der Ebene (Grob-/Feinplanung) und der Sichtweise<br />

(AV/Fertigungssteuerung) der jeweiligen Zielgruppe stark differieren.<br />

Angewandt auf die Fertigungsplanung hat sich auch hier der ziel- und bedarfsorientierte<br />

Ansatz einer mehrstufigen Fertigungsplanung als Basis eines integrierten<br />

Fertigungsmanagements bewährt.<br />

Zur Einordnung der Begrifflichkeiten und der im Folgenden näher betrachteten<br />

Feinplanung in <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en hier eine Übersicht der verschiedenen Planungsebenen:<br />

1. Taktische Planung (Absatzplanung)<br />

Festlegung von Rahmenbedingungen wie geplante Investitionen oder auch Wachstumsziele.<br />

Vorgabe von Basisdaten wie dem Betriebskalender und von abgeleiteten Zielen<br />

für die Produktion wie zum Beispiel die Minimierung von Lagerbeständen.<br />

Fristigkeit � langfristige, strategische Planung<br />

Gültigkeit � jährlich; gegebenenfalls vierteljährliche Revision<br />

WER � Management/GF<br />

2. Produktionsgrobplanung<br />

� lang-/mittelfristig<br />

Umsetzung der strategischen Planung in Primärbedarfe unter Berücksichtigung<br />

von konkreten Bedarfen (Bestellungen /Abrufe). Im Rahmen der Materialbedarfs-


146 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

planung werden Möglichkeiten zur Deckung der eingehenden Primärbedarfe und<br />

der sich durch die Stücklistenauflösung ergebenden Sekundärbedarfe ermittelt.<br />

Als Ergebnis entstehen bei Eigenfertigung konkrete Fertigungsaufträge und<br />

damit die in der Fertigungsplanung zu verplanenden Bedarfe. Abhängig von der<br />

Fertigungstiefe beziehungsweise der Komplexität der Arbeitspläne sind die einzelnen<br />

Fertigungsaufträge zur Abbildung der fertigungsrelevanten Abhängigkeiten<br />

teilweise zu Auftragsnetzen verknüpft.<br />

Unter Berücksichtigung des frühesten Start und des spätestens Endtermins (Liefertermin<br />

abzüglich Sicherheitszeit) erfolgt im ERP-/PPS-<strong>System</strong> eine Grobterminierung.<br />

Bei dieser Grobterminierung erfolgt teilweise ein sog. Kapazitätsabgleich, wobei<br />

die Machbarkeit der entstandenen Fertigungsaufträge grob abgeglichen wird.<br />

Für diesen Abgleich wird zum Beispiel die Leistungsfähigkeit der Produktion in<br />

Materialmengen pro Zeiteinheit ausgedrückt und häufig werden dabei nur die<br />

Endfabrikatsstufen betrachtet.<br />

An dieser Stelle muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass dieser Abgleich<br />

nur gegen eine angenommene, abstrakte Kapazität und ohne Berücksichtigung<br />

von technologischen Gegebenheiten erfolgen kann und damit die Aussagekraft<br />

entsprechend zu werten ist.<br />

Durch diese viel zu grobe Einschätzung besteht das Risiko, unrealistische Terminvorgaben<br />

oder sogar Zusagen gegenüber dem Kunden zu machen und zusätzlich<br />

den entstehenden Auftragsvorrat für die Fertigung unrealistisch zu planen.<br />

Durch entsprechend durchdachte Konzepte für die Optimierung der Grobplanung<br />

in einem Unternehmen kann der entstehende Auftragsvorrat für die Fertigung realistischer<br />

gestaltet werden.<br />

Leider zeigt die Praxis bis heute, dass in vielen ERP-/PPS-Implementierungen<br />

an dieser Stelle nur eine Durchlaufterminierung gegen unendliche Kapazität stattfindet<br />

und damit die Machbarkeitsentscheidung in den Köpfen der Prozesskenner<br />

oder gar erst im Rahmen der Fertigung fällt.<br />

3. Feinplanung<br />

Durch die grobterminierten Fertigungsaufträge ergeben sich die entsprechenden<br />

Kapazitätsbedarfe für die notwendigen Ressourcen. Dabei wird zwischen den primären<br />

Ressourcen (Maschinen/Anlagen) und den sekundären Ressourcen (Personal,<br />

Werkzeuge etc.) unterschieden.<br />

Im Rahmen der Feinplanung werden die grobterminierten Fertigungsaufträge in<br />

Konkurrenz zueinander auf die zur Verfügung stehenden Kapazitäten belegt.<br />

Durch diese Art der Belegung lassen sich realistische Aussagen bezüglich Terminen<br />

und der Auslastungssituation treffen.<br />

Die im Rahmen der Feinplanung fixierten Aufträge werden zur Ausführung in<br />

die Produktion übergeben. Die Rückmeldungen der Fertigung werden in die Feinplanung<br />

rückgekoppelt und somit ist ein permanenter Abgleich des Plans mit den<br />

realen Gegebenheiten möglich. Da die Realität mit an Sicherheit grenzender<br />

Wahrscheinlichkeit vom Plan abweicht, muss in der Feinplanung auf solche Abweichungen<br />

reagiert werden.


7.1.2 Aufgaben der Feinplanung und Steuerung<br />

7.1 Überblick und Zielsetzung 147<br />

Im Rahmen der Feinplanung erfolgt – je nach Organisation – auf Abteilungs-,<br />

bzw. Gruppenebene die Zuteilung der grobterminierten Aufträge/Arbeitsgänge auf<br />

die aktuell zur Verfügung stehenden Ressourcen.<br />

Im Gegensatz zur Grobplanung auf Ebene ERP-/PPS sieht sich die umsetzende<br />

Fertigung mit der aktuellen Realität konfrontiert. Diese Realität zeigt sich beispielsweise<br />

durch<br />

− technische Störungen der Produktionsmittel (Maschinenstillstand, Werkzeugbruch,<br />

etc.),<br />

− Verarbeitungsprobleme mit dem eingesetzten Material,<br />

− neue Prioritäten im Produktionsprogramm oder durch Kundeneinflüsse,<br />

− Ausfälle von Mitarbeitern durch Krankheit oder,<br />

− auch sehr indirekte Faktoren wie z. B. Umwelteinflüsse.<br />

Es steht fest – wie die Auflistung verdeutlichen soll –, dass in der Fertigungsrealität<br />

zahlreiche Ereignisse auftreten, die zu Abweichungen der „Planung“ führen.<br />

Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit, nahezu permanent über geeignete<br />

Maßnahmen zu entscheiden.<br />

Die Aufgabenstellung an den Fertigungsteuerer ergibt sich im Wesentlichen in<br />

Abhängigkeit von der jeweils betrachteten Fertigungsbranche, der logistischen<br />

Gegebenheiten wie auch der Fertigungstiefe. Die beiden folgenden Fallbeispiele<br />

sollen dies verständlich machen.<br />

Bei einer hohen Fertigungstiefe bietet sich eine zweitstufige Vorgehensweise<br />

an, bei der auf einer zentralen Ebene die Zuteilung der Arbeitsgänge auf Fertigungsinseln/Gruppen<br />

erfolgt und die finale Entscheidung bezüglich der zu wählenden<br />

Ressourcen und der konkreten Fertigungsreihenfolge an die Gruppe delegiert<br />

wird.<br />

In Bereichen mit hohem Termindruck und kurzen Auftragsvorläufen, wie zum<br />

Beispiel bei Automobilzulieferern ist eine Planung, die auf strategischen Abwägungen<br />

beruht kaum möglich, da die Zeit zwischen Auftragseingang und Durchführung<br />

nur minimalen Spielraum bietet. Ein zeitaufwändiger und strategischer<br />

Planungsansatz steht hier in keinem sinnvollen Verhältnis zum erzielbaren Ergebnis,<br />

das meist ohnehin nur von kurzer Gültigkeitsdauer ist. Zusammenfassend lassen<br />

sich die Kernaufgaben der Feinplanung und Steuerung in einem integrierten<br />

Produktionsumfeld wie folgt benennen:<br />

− Ressourcenbelegung,<br />

− Überwachung des Auftragsdurchlaufs,<br />

− Auflösung von Konflikten,<br />

− Abgleich mit der Grobplanung.


148 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung<br />

7.2.1 Überblick<br />

Aus Sicht eines <strong>MES</strong> ist die Feinplanung oder genauer die technologische Ressourcenbelegung<br />

und die Rückkopplung der fortschreitenden Realität nur als Einheit<br />

zu betrachten. Während in herkömmlichen Planungssystemen wie zum Beispiel<br />

ERP-/PPS-<strong>System</strong>en dieser Regelkreis meist durch eine Neuplanung<br />

Anwendung findet, verschmelzen in aktuellen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en die Planwelt mit<br />

der Realität in der Ist-Situation.<br />

Die Kernaufgabe der Feinplanung ist es, den kapazitätsorientierten Auftragsvorrat<br />

aus der Grobplanung in eine technologieorientierte Belegung von verfügbaren<br />

Ressourcen zu überführen. Die Unterscheidung der Kapazitätsorientierung eines<br />

ERP-/PPS und der Technologieorientierung eines <strong>MES</strong> lässt sich recht<br />

anschaulich am Beispiel einer Spritzgussfertigung mit häufig vielen gleichartigen<br />

oder zumindest vergleichbaren Maschinen verdeutlichen.<br />

Angenommen, in der zu planenden Abteilung stehen zehn technisch gleichwertige<br />

Spritzguss-Maschinen zur Verfügung und es wird in zwei Schichten zu je 8<br />

Stunden gearbeitet. Für die Grobplanung steht damit pro Tag eine Kapazität von<br />

320 Stunden zur Verfügung. Eine Unterscheidung der einzelnen Maschinen ist an<br />

dieser Stelle, das heißt für die Grobplanung im ERP-/PPS-<strong>System</strong>, irrelevant.<br />

Für die Fertigung und damit zum Beispiel den Schichtführer und schlussendlich<br />

den Maschinenbediener ist es jedoch absolut von Interesse, auf welcher der Maschinen<br />

ein Auftrag nun tatsächlich gefertigt wird. Erschwerend kommt hinzu,<br />

dass bei genauer Betrachtung sich die zehn Maschinen eben doch im Detail unterscheiden<br />

und sei es nur durch den aktuellen Rüstzustand. So verfügen beispielsweise<br />

nur zwei Maschinen über ein bestimmtes Zusatzaggregat, das für die Fertigung<br />

einiger weniger Produkte benötigt wird. Möglicherweise haben auch nur<br />

bestimmte Maschinen und im Weiteren in Kombination mit bestimmten Werkzeugen<br />

die Freigabe aus Qualitäts- oder Kundensicht.<br />

Bei investitionsintensiven Anlagen und häufig im Bereich prozesstechnisch<br />

komplexer Abläufe erfolgt die Grobplanung meist bereits auf physikalischen Einzelkapazitäten,<br />

eine Kapazitätsauswahl im <strong>MES</strong> entfällt damit. In solchen Fällen<br />

liegt der Schwerpunkt häufig auf der Reihenfolgenplanung unter Berücksichtigung<br />

der Kapazität von sekundären Ressourcen.<br />

Aus der Grobplanung werden die dort gesetzten Eckpunkte als Restriktionen<br />

für die Feinplanung mit dem Auftragsvorrat übergeben. Im Wesentlichen handelt<br />

es sich hierbei um die folgenden:<br />

− frühestmöglicher Auftragsbeginn,<br />

− spätestmögliches Auftragsende,<br />

− Auftragsmenge.


Arbeitsgang<br />

9820 010<br />

Arbeitsgang<br />

0282 010<br />

7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 149<br />

Arbeitsgang<br />

9217 020<br />

?<br />

Abb. 7.1. Kapazitätspool vs. Einzelkapazität<br />

Arbeitsgang<br />

2963 010<br />

Arbeitsgang<br />

4927 020<br />

Arbeitsgang<br />

6238 020<br />

Wie der Auftrag nun innerhalb der vorgegebenen Grenzen ausgeführt wird, ist<br />

für die ERP-/PPS-Ebene nicht von Interesse und obliegt der Produktion selbst. Der<br />

Puffer beziehungsweise die sich aus dem Puffer ergebenden Freiheitsgrade können<br />

im Rahmen der Feinplanung genutzt werden. Damit wird deutlich, dass die<br />

Handlungsfähigkeit der Feinplanung im Wesentlichen durch die vorgegebenen<br />

Randbedingungen bestimmt wird. Jedoch gerade im Extremfall von engen Randbedingungen<br />

(zum Beispiel sehr engen Terminen) macht sich die Feinplanung im<br />

<strong>MES</strong> durch ihre Technologienähe und die zeitnahe Rückführung der Ist-Situation<br />

bemerkbar.<br />

So lassen sich durch geschickte Reihenfolgenbildung Rüstzeiten massiv verringern<br />

beziehungsweise verhindern und somit Engpässe an anderen Stellen ausgleichen.<br />

Andererseits können Transport- und Umbauzeiten von Zusatzaggregaten<br />

oder Werkzeugen optimiert werden, wenn deren Belegung unter Berücksichtigung<br />

der realen Kapazität, des aktuellen Lager- oder Einbauorts und ggf. geplanten<br />

Maßnahmen wie zum Beispiel Wartung im Rahmen der Feinplanung abgebildet<br />

wird.<br />

Neben den aus der Grobplanung vorgegebenen Rahmenbedingungen sind für<br />

eine sinnvolle Feinplanung im <strong>MES</strong> und Wahrnehmung der entsprechenden, hier<br />

zu erfüllenden Aufgaben weitere Strukturen mit meist technologischem Hintergrund<br />

notwendig, die in den folgenden Absätzen behandelt und die jeweilige<br />

Notwendigkeit verdeutlicht werden.


150 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

7.2.2 Umgang mit primären Kapazitäten in <strong>MES</strong><br />

Eine wesentliche Basisinformation ist die Definition der primären Kapazitäten im<br />

<strong>MES</strong>. Sie ergeben sich aus den Maschinen oder allgemeiner Arbeitsplätze, die den<br />

primären Bedarf der Arbeitsgänge decken. Dieser Bedarf wird als solcher mit dem<br />

Fertigungsauftrag beziehungsweise den enthaltenen Arbeitsgängen übergeben.<br />

Das Kapazitätsangebot im <strong>MES</strong> spiegelt die realistische Kapazität der Produktion<br />

wider, die sie zur Erledigung ihrer Aufgaben zur Verfügung hat. Das Kapazitätsangebot<br />

im ERP-/PPS hingegen dient primär zur Grobplanung und ersten<br />

Machbarkeitsprüfung und ist damit in der Regel nur eine Untermenge der praktisch<br />

möglichen Leistungsfähigkeit. Dies ist aus mehreren Gründen notwendig.<br />

Zum einen muss ein gewisser Sicherheitsfaktor für unvorhergesehene Ausfälle<br />

enthalten sein. Weiterhin wird für die Grobplanung nicht zwischen einzelnen Aggregaten<br />

oder gar Produktausprägungen unterschieden, es wird vielmehr von einem<br />

durchschnittlichen Bedarf (Produkt-Mix) ausgegangen. Auch diesem Fakt<br />

muss bei der Festlegung der Plankapazität für die Grobplanung Rechnung getragen<br />

werden.<br />

Bei <strong>System</strong>einführungen wird häufig im Enthusiasmus der zentralen Stammdatenverwaltung<br />

auch davon gesprochen, die primären Kapazitäten (Arbeitplätze)<br />

und das zeitliche Kapazitätsangebot aus dem ERP-/PPS ins <strong>MES</strong> automatisiert zu<br />

übernehmen. Doch wie bereits weiter oben im entsprechenden Kapitel näher erläutert,<br />

differieren die Ausprägungen häufig aufgrund des jeweiligen Kontextes<br />

der <strong>System</strong>e beziehungsweise der Anwendungsfälle. So führt zum Beispiel das<br />

einmalige, kurzfristige Einführen einer Zusatzschicht im <strong>MES</strong> nicht zur Anpassung<br />

der Plankapazität oder gar des Werkskalenders im ERP-/PPS. Die Differenzierung<br />

wird auch sehr deutlich am Beispiel der Spezifikation der primären Kapazitäten.<br />

So werden ERP-/PPS-seitig häufig mehrere physikalische Einzelkapazitäten<br />

oder Maschinen zu einer Pool- oder Kapazitätsgruppe zusammengefasst.<br />

Teilweise erfolgt die Definition der Kapazitäten auch einfach durch Abbildung der<br />

Kostenstellen.<br />

Für alle Arten von Arbeitsplätzen wird die zeitliche Verfügbarkeit in Form eines<br />

Zeitmodells oder auch Schichtkalenders hinterlegt. Aufgrund der Notwendigkeit,<br />

im <strong>MES</strong> auch sehr kurzfristig Änderungen an diesem Modell (zum Beispiel<br />

eine Sonderschicht) durchzuführen, muss die Gestaltung dieser Modelle im <strong>MES</strong><br />

möglichst flexibel gestaltet werden. Da die Durchführung solcher Änderungen<br />

durchaus üblich ist und im Gegensatz zu den Arbeitszeitkalendern im ERP-/PPS<br />

nicht im Rahmen des Stammdaten-Änderungsdienstes erfolgt, müssen sie an sich<br />

einfach und intuitiv durchführbar sein, wie das folgende Beispiel zeigt.<br />

Zur Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten werden im <strong>MES</strong> verschiedene<br />

Arten von Arbeitsplätzen unterschieden:<br />

1 Einzel-/Maschinenkapazität<br />

Dies ist die typische Art einer Maschinenkapazität, die exklusiv zu belegen ist und<br />

sich im Wesentlichen durch die hinterlegte, zeitliche Verfügbarkeit definiert. Die<br />

Verfügbarkeit kann außerdem durch einen generellen Nutz- oder Leistungsgrad


7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 151<br />

beeinflusst werden, um zum Beispiel weniger leistungsfähige, aber technologisch<br />

gleichwertig einsetzbare Maschinen einer Gruppe zu klassifizieren.<br />

Abb. 7.2. Schichtmodell am Beispiel des <strong>MES</strong> HYDRA<br />

Die Laufzeitberechnung erfolgt ausschließlich durch Parameter, die sich aus<br />

dem Paar Arbeitplatz und Arbeitsgang ergeben.<br />

Beispiele:<br />

- Spritzguss-Maschine<br />

- Spindelpresse<br />

- Stanzmaschine<br />

- Schweißroboter<br />

2 Gruppenkapazität<br />

In Abgrenzung zu den vorgenannten Einzelarbeitsplätzen stehen bei dieser Art neben<br />

der primären Kapazität, die sich durch die hinterlegte Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes<br />

selbst ergibt, die spezifische Verfügbarkeiten weiterer, benötigter<br />

Ressourcen im Vordergrund.<br />

Die letztendlichen Restriktionen beziehungsweise Belegungsengpässe ergeben<br />

sich meist durch die verfügbare Personalkapazität oder ganz allgemein durch die<br />

benötigten sekundäre Ressourcen und Fertigungshilfsmittel. An solchen Arbeits-


152 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

plätzen richtet sich die Laufzeit von Arbeitsgängen häufig an der Art oder Anzahl<br />

eingesetzter Ressourcen aus, der Arbeitsplatz selbst steht im Hintergrund. Dies<br />

wird bei Betrachtung personalintensiver Bearbeitungsschritte deutlich.<br />

Beispiele:<br />

- Montagebereiche<br />

- Handarbeitsplätze<br />

3 Maschinenkapazität mit 2. Dimension (Öfen, Galvanikbäder, ...)<br />

Als besondere Variante von Maschinenkapazitäten versteht sich diese Gruppe von<br />

Kapazitäten, die neben der zeitlichen Verfügbarkeit durch eine weitere Dimension<br />

bestimmt wird. Diese Dimension ist zum Beispiel das räumliche Fassungsvermögen<br />

eines Galvanikbades oder eines Glühofens.<br />

Durch geeignete Kombinatorik verschiedener Aufträge ergeben sich somit Bestückungspläne<br />

und daraus abgeleitet die Laufzeit der einzelnen Arbeitsgänge.<br />

Selbstverständlich folgt die Findung der Kombinationen klar hinterlegten Regeln,<br />

die sich durch technologische Parameter ergeben. So sind zum Beispiel Glühprogramme<br />

oder Temperaturverläufe ganz allgemein zu beachten. Häufig stellen jedoch<br />

auch die Werkstückträger (die zum Beispiel säurebeständig sein müssen) an<br />

sich einen Engpass dar, was sich wiederum durch geeignete Abbildung als sekundäre<br />

Ressourcen beziehungsweise Fertigungshilfsmittel abbilden lässt.<br />

Beispiele:<br />

- Galvanikbäder<br />

- Glühöfen<br />

- Lackierstraße<br />

4 Bearbeitungszentrum<br />

Eine besondere Herausforderung für eine systemgestützte Belegungsplanung stellen<br />

die Bearbeitungszentren dar. Dabei wird davon ausgegangen, dass zu einem<br />

Zeitpunkt genau 1 Werkstück und damit ein Arbeitsgang bearbeitet wird, die<br />

Werkstückzufuhr jedoch parallel erfolgen kann. Durch geeignete Kombination<br />

mehrerer Arbeitsgänge unter Verwendung der entsprechenden Werkzeuge wird<br />

nun das Ziel verfolgt, die Spindel möglichst durchgängig laufen zu lassen. Bei näherer<br />

Betrachtung der Freiheitsgrade und Randbedingungen wird der Umfang der<br />

Aufgabe deutlich. So ist über geeignete technologische Parameter wie zum Beispiel<br />

das NC-Programm und Größenverhältnisse die Kombinatorik von Arbeitsgängen<br />

zu prüfen und die einzelnen Bearbeitungszeiten eines Werkstücks mit den<br />

Bestückungszeiten abzugleichen. Weiterhin werden in der Regel mehrere solcher<br />

Bearbeitungszentren von einem Mitarbeiter betreut, so dass eine Bestückung für<br />

eine bestimmte Zeit ohne weiteren Personaleinsatz ausreichen muss. Neben den<br />

eigentlichen Bearbeitungszentren sind die verschiedenen Werkzeuge zu berücksichtigen,<br />

die häufig aus automatisierten Werkzeugmagazinen zugeführt werden,<br />

die teilweise auch mehrere Anlagen versorgen, wodurch sich eine zusätzliche Restriktion<br />

ergibt.


7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 153<br />

Neben der eigentlichen Belegungsplanung muss eine geeignete Laufzeitberechnung<br />

der verschiedenen Arbeitsgänge auf diesen Bearbeitungszentren erfolgen.<br />

Für diese Berechnung ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitsgänge zwar parallel<br />

auf der Anlage aktiv sind, jedoch sequentiell bearbeitet werden. So wirkt sich die<br />

Maschinenkombination, die Werkstückwechselzeit, die Palettenkapazität und die<br />

Häufigkeit der Wiederholung auf die Laufzeit der einzelnen Arbeitsgänge aus.<br />

Beispiel:<br />

- CNC-Palettenmaschinen<br />

7.2.3 Modellierung der Prozesse im <strong>MES</strong><br />

Die prozessfähige und durchgängige Abbildung von Fertigungsabläufen beginnt<br />

unbestreitbar mit der Qualität und Prozessnähe der Stammdaten. Denn auf dieser<br />

Basis werden Kalkulationen durchgeführt, entstehen Preise und letztendlich die<br />

Vorgaben für die Umsetzung einer Fertigung.<br />

Durch die zunehmende Leistungsfähigkeit der PPS-<strong>System</strong>e und vor allem den<br />

steigenden Möglichkeiten zur Abbildung der Prozesse in den dort gepflegten<br />

Stammdaten wie Arbeitsplänen und Stücklisten lässt sich der oben genannte Ansatz<br />

in einer Vielzahl von Fertigungsbereichen tatsächlich umsetzen.<br />

Gehen wir im Weiteren davon aus, dass dieser Ansatz als zielführend erkannt<br />

und damit das Bestreben zur Generierung von guten Stammdaten vorhanden ist.<br />

Weiterhin wächst aus diesem Bewusstsein die Erkenntnis, dass die Erfahrungen<br />

aus den Prozessen permanent reflektiert und fast zwangsläufig zur permanenten<br />

Optimierung der Vorgaben und damit auch der Stammdaten zu nutzen sind.<br />

Damit spiegeln die, aus der Grobplanung an die Feinplanung zur Umsetzung<br />

übergebenen, Fertigungsaufträge die Überlegungen und das Know-how der Vorgaben<br />

und Stammdaten wider, auf deren Basis diese generiert wurden. Daraus entsteht<br />

der Wunsch oder vielmehr die Notwendigkeit, diese Informationen im Rahmen<br />

der Umsetzung in der Fertigung und damit im <strong>MES</strong> zu berücksichtigen oder<br />

gar durchzusetzen.<br />

Zur Verdeutlichung dieser Notwendigkeit, hier die Abläufe einer Großmaschinenmontage<br />

wie zum Beispiel Baumaschinen. Die Auftragsgröße ist recht gering,<br />

da es sich um aufwändige und kundenbezogen gefertigte Großmaschinen handelt.<br />

Die einzelnen Baumaschinen werden in verschiedenen, sequentiellen Montageschritten<br />

auf den Einzelkomponenten aufgebaut und ab einem bestimmten Montageschritt<br />

individualisiert betrachtet.<br />

Damit die einzelnen Komponenten abgestimmt aufeinander gefertigt werden<br />

und die Auswirkungen der einzelnen Schritte bereits planerisch berücksichtigt<br />

werden, müssen die vorgelagerten Fertigungsaufträge (Komponenten) im Sinne<br />

einer Baugruppe zusammengefasst und entsprechend im <strong>MES</strong> berücksichtigt werden.


154 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

Material 1<br />

Material 2<br />

Material 3<br />

Material 4<br />

Teil 1<br />

Lager<br />

Fertigungsauftrag Baugruppe A<br />

10 20 30 40 50<br />

Fertigungsauftrag Baugruppe B<br />

10 20 30 40 50<br />

Fertigungsauftrag Baugruppe C<br />

10 20 30 40<br />

10 20 30 40 50<br />

Fertigungsauftrag Erzeugnis 1<br />

Abb. 7.3. Baugruppenorientierte Fertigung/Montage<br />

Fertigung<br />

Montage<br />

Ablieferung<br />

Erzeugnis 1<br />

Zurück zum Beispiel der Montage, die sich bei genauer Betrachtung im Auftragsnetz<br />

„nur“ als einzelne Komponente darstellt. Innerhalb dieses einzelnen<br />

Montageauftrags ist die Sequenz im Sinne einer Vorgänger-/Nachfolgerbeziehung<br />

einzuhalten. Um die Flexibilität der einzelnen Arbeitsschritte zu gewährleisten,<br />

gilt es hier jedoch, diese Sequenz für jede individualisierte Einzelmaschine zu berücksichtigen.<br />

Häufig ist dies bei der Montage von Großmaschinen alleine aufgrund<br />

des Platzbedarfs und der verfügbaren Zwischenlagerkapazität zwingend erforderlich.<br />

Nachdem eine einzelne Maschine an sich fertig ist, schließen sich noch diverse<br />

nachgelagerte Arbeitsschritte an, wie zum Beispiel verschiedene Kontroll- und<br />

Prüfvorgänge, Testläufe oder banale Dinge wie die Ausstattung mit Dokumentationen<br />

und sonstigen ergänzenden Ausstattungsmerkmalen.<br />

Diese Arbeitsschritte unterliegen dann keiner strikten Sequenz mehr, sondern<br />

können – wieder bezogen auf Einzelmaschinen – in beliebiger Reihenfolge durchgeführt<br />

werden. Da es sich aber durchaus um zeitintensive Tätigkeiten handelt, die<br />

auch entsprechend restriktive Kapazitäten wie zum Beispiel einen Prüfstand benötigen,<br />

ist eine detaillierte Feinplanung durchaus nötig und damit eine entsprechend<br />

feine Aufteilung des Arbeitsplans.<br />

Sicher sind die durchaus komplexen Abläufe der Realität für dieses Beispiel<br />

stark vereinfacht, es zeigt aber sehr schön viele unterschiedliche Beziehungen auf,<br />

die für die Feinplanung und Umsetzung einer Fertigung unbedingt berücksichtigt<br />

werden müssen, um eben den Abläufen in der Realität nahe zu kommen. Ähnliche<br />

Szenarien lassen sich für beliebige Prozesse und Abläufe aufbauen und dadurch


7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 155<br />

auf zahlreiche Beziehungen stoßen, die für eine hinreichende Abbildung im Rahmen<br />

der Stammdatenmodellierung beziehungsweise der <strong>MES</strong> Feinplanung unverzichtbar<br />

sind.<br />

Um eine ausreichend exakte und realitätsnahe Modellierung der Prozesse erreichen<br />

zu können, bilden moderne ERP-/PPS-<strong>System</strong>e und damit auch <strong>MES</strong> <strong>System</strong>e<br />

im wesentlichen folgende Arbeitsplanstrukturen ab:<br />

− Aufträge unterschiedlicher Auftragsarten<br />

− Arbeitsgänge zur Abbildung der technologieorientierten Arbeits- oder Prozessschritte<br />

− Arbeitsgangsplitts zur Nutzung paralleler Produktionsmöglichkeiten wie<br />

gleichartiger Anlagen mit dem Ziel der Durchlaufzeitreduzierung<br />

− Einzelteilbetrachtung (Serialisierung oder Individualisierung) zur Betrachtung<br />

der einzelnen Prozessschritte bezogen auf jedes Einzelteil<br />

− Auftragsnetze zur Vernetzung mehrerer Aufträge untereinander und damit zum<br />

Beispiel der Abbildung von Projekten oder einer typischen Baugruppenmontage<br />

− Variable Beziehungen zwischen einzelnen oder auch mehreren Arbeitsschritten<br />

(Arbeitsgängen) eines Auftrags zur Abbildung von beispielsweise<br />

- strikter Vorgänger-/Nachfolgerbeziehung<br />

- exakte Synchronierung einer Parallelität um zum Beispiel eine Erstteilprüfung<br />

exakt bezogen auf den herstellenden Produktionsschritt zu terminieren.<br />

− Abbildung von Teilnetzen innerhalb von Aufträgen um dieses untereinander<br />

parallelisieren und gegebenenfalls wieder zusammenführen zu können.<br />

− Unterstützung von Überlappung mit unterschiedlichen Ausprägungen:<br />

KANN-Überlappung<br />

Solche Überlappungen sind initial nicht vorgesehen, können jedoch bei Be-<br />

darf zur Durchlaufzeitreduzierung genutzt werden.<br />

SOLL-Überlappung<br />

Hierbei wird bereits bei der Terminierung und auch der Feinplanung von Überlappungen<br />

ausgegangen, das heißt sie dient der Reduzierung der Prozessdauer.<br />

Kann aus bestimmten Gründen nicht überlappend gefertigt werden, ist dies<br />

auch zulässig.<br />

− MUSS-Überlappung<br />

Im Falle einer definierten MUSS-Überlappung muss diese aus Prozessgründen<br />

eingehalten werden und ist entsprechend bei der Feinplanung einzuhalten und<br />

im Rahmen der anschließenden Umsetzung zu plausibilisieren.<br />

7.2.4 Personal – die besonders wertvolle Ressource<br />

Mit zunehmender Komplexität der Fertigungsprozesse und der Bedeutung des<br />

Mitarbeiters in produzierenden Unternehmen nimmt auch der Einfluss der Personalverfügbarkeit<br />

auf die Fertigungsplanung und umgekehrt die Fertigungsplanung<br />

auf die Personaleinteilung zu.


156 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

So ist in vielen Unternehmen eine Fertigungsplanung ohne Berücksichtigung<br />

des Schichtplans undenkbar geworden. Dies erfolgt heutzutage in den meisten Fällen<br />

immer noch unter Zuhilfenahme von manuell erstellten Listen oder den unsäglichen,<br />

in vielen Unternehmen kaum noch weg zu denkenden Excellisten. Bei Betrachtung<br />

der Funktionalitäten aktueller und integrierter <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e ist dieser<br />

Zustand kaum nachvollziehbar, gehört doch die An-/Abwesenheitsplanung der<br />

Mitarbeiter wie auch die aktuelle Anwesenheitszeiterfassung zu den Grunddisziplinen,<br />

auf die im Kapitel detailliert eingegangen wird.<br />

7.2.5 Modellierung der technischen Sicht<br />

Neben den Beziehungen, die sich aus den Stücklisten und Arbeitsplänen ergeben,<br />

bestimmen zahlreiche, vor allem prozessnahe, technologische Parameter den Prozess.<br />

Je detaillierter die Einflüsse der Prozesse Berücksichtigung finden, desto realistischer<br />

wird ein Plan und seine Eintrittswahrscheinlichkeit nimmt zu.<br />

Bei solchen technologischen Parametern handelt es sich zum Beispiel um die<br />

mögliche Kombinatorik von unterschiedlichen Ressourcen zur Herstellung eines<br />

bestimmten Artikels zum Beispiel die Kombinatorik von Maschine und Werkzeug.<br />

Derartige Einschränkungen entstehen aus technischen oder auch aus qualitätsorientierten<br />

Gründen. Dies bedeutet, dass im ersten Fall eben ein bestimmtes<br />

Werkzeug zur Herstellung eines Produkts nur auf bestimmten Anlagen eingesetzt<br />

werden kann. Im anderen Fall entsteht – unabhängig von der rein technischen<br />

Möglichkeit – in einer bestimmten Kombination keine ausreichende Qualität oder<br />

es wurde ganz einfach noch keine entsprechende Freigabe durch die QS oder den<br />

Kunden erteilt. Dieses einfache Beispiel lässt sich beliebig auf andere Ressourcen<br />

wie Prüfmittel, NC-Programme aber auch Personen übertragen und damit entsprechend<br />

zahlreiche Anwendungsfälle in der Praxis finden.<br />

Durch die Abbildung dieser Gegebenheiten werden im Rahmen der Feinplanung<br />

die Möglichkeiten zur Deckung der Bedarfe, die sich aus den Aufträgen beziehungsweise<br />

den Arbeitsgängen ergeben genauer spezifiziert. Durch die weiter<br />

oben beschriebenen Beziehungen innerhalb der Aufträge beziehungsweise zwischen<br />

Aufträgen ergeben sich die Möglichkeiten zur zeitlichen Variation auf den<br />

möglichen Kapazitäten.<br />

Weiterhin ergeben sich durch die Reihenfolge auf einer Kapazität weitere Indizien,<br />

die im Rahmen der Feinplanung für eine letztendliche Belegungsentscheidung<br />

von Interesse sind. Nehmen wir der Einfachheit wegen eine Maschine, die<br />

mit gleichartigen Arbeitsgängen unterschiedlicher Aufträge belegt werden soll, ist<br />

neben den terminlichen Restriktionen aus den Aufträgen auch die Reihenfolge an<br />

sich von Bedeutung, da sich dadurch möglicherweise enorme Rüstzeiten sparen<br />

lassen. Anders betrachtet kann eine Reihenfolge, die aus terminlichen Gründen<br />

eingehalten werden muss, zu unnötigen Umbau-/Rüstaufwänden führen, die als<br />

solche in den rein produktorientierten Arbeitsplänen und damit der Kalkulation<br />

nicht berücksichtigt wurde.<br />

Um solche Zeiten in der Feinplanung berücksichtigen zu können, bieten <strong>MES</strong><br />

<strong>System</strong>e entsprechende Strukturen wie zum Beispiel die sog. Rüstwechselmatrix


Modellierung technologischer Beziehungen:<br />

7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 157<br />

Artikel Werkzeug Maschine<br />

• Passt das Werkzeug rein technisch auf die Maschine?<br />

• Ist das Werkzeug aktuell verfügbar (oder zum Beispiel in<br />

Wartung)?<br />

• Ist die Kombination von der QS / dem Kunden freigegeben?<br />

Feinplanung gültiger Kombinationen<br />

Abb. 7.4. Modellierung technologischer Beziehungen<br />

an. Über die erwähnten und recht diskreten Parameter hinaus, verbergen sich leider<br />

noch viele technologische Parameter nur in den Köpfen der Prozesskenner wie<br />

zum Beispiel der Arbeitsvorbereiter oder Maschinenführer. Um die darin verborgenen<br />

immensen Potenziale systematisch, objektiv und personenunabhängig nutzen<br />

zu können, bieten einige wenige <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e bereits weitergehende Möglichkeiten<br />

zur Modellierung von Expertenwissen oder auch Erfahrungen und<br />

Nutzung im Rahmen der <strong>MES</strong> Feinplanung.<br />

Warten<br />

Dynamische<br />

Rüstzeit<br />

Die dynamische Rüstzeit...<br />

• ergibt sich aus der<br />

Rüstwechselmatrix<br />

• wird aufgrund der<br />

Belegungsreihenfolge<br />

eines Arbeitsplatzes ermittelt<br />

Abb. 7.5. Statische vs. Dynamische Rüstzeit<br />

Rüsten Bearbeiten Abrüsten<br />

Statische<br />

Rüstzeit<br />

Liegen Transport<br />

Die Statische Rüstzeit...<br />

• ist im Arbeitsplan hinterlegt<br />

• ist unabhängig von der<br />

Belegungsreihenfolge


158 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

7.2.6 Strategien zur Ressourcenbelegung<br />

Die wesentliche Aufgabe der Feinplanung ist die Erstellung eines Plans zur<br />

Durchführung der, aus der Grobplanung vorgegebenen Aufträge auf den zur Verfügung<br />

stehenden Kapazitäten unter Berücksichtigung der technologischen Randbedingungen.<br />

Ein solcher Plan wird durch Belegung der verschiedenen Ressourcen<br />

erzeugt, weshalb die entsprechende planerische Aktivität auch als Ressourcenbelegung<br />

bezeichnet wird.<br />

Je nach Branche, dem Fertigungsumfeld, der Terminsituation und der gewünschten<br />

Flexibilität im Rahmen der Feinplanung ergibt sich der zeitliche Vorlauf,<br />

mit der die Ressourcenbelegung vor der Umsetzung in der Fertigung selbst<br />

erfolgt. Zur Abbildung der zeitlichen Gegebenheiten stehen im <strong>MES</strong> <strong>System</strong> entsprechende<br />

Möglichkeiten zur Verfügung. So werden verschiedene Zeitbereiche<br />

oder auch Zeithorizonte angeboten, die sich flexibel einstellen und damit die Feinplanung<br />

auf die spezifischen Belange eines Unternehmens anpassen.<br />

Zur Unterstützung der Anwender bei der Erledigung Ihrer Aufgaben stellen<br />

<strong>MES</strong> <strong>System</strong>e im Rahmen der Feinplanung die Möglichkeit zur automatischen Erstellung<br />

einer Ressourcenbelegung zur Verfügung. Dabei wird unter Berücksichtigung<br />

der definierten Horizonte und der weiter oben beschriebenen, zahlreichen<br />

Beziehungen und Restriktionen ein anstehender Auftragsvorrats gegen das verfügbare<br />

Kapazitätsangebot verplant.<br />

• Planungsvorlauf<br />

• Planungshorizont<br />

•<br />

•<br />

Fixierungshorizont<br />

Simulationshorizont<br />

Abb. 7.6. Feinplanungshorizonte eines <strong>MES</strong>


7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 159<br />

Dabei wird in der Regel zwischen einer Neuplanung und einer Deltaplanung<br />

unterschieden. Bei einer Neuplanung werden zuerst alle bereits vorhandenen Belegungen<br />

ausgeplant und anschließend der gesamte verplanende Auftragsvorrat<br />

neu verplant. Bei einer Deltaplanung wird versucht, Änderungen des Auftragsvorrats<br />

in eine existierende Belegung einzuarbeiten.<br />

Um für einen bestimmten zeitlichen Bereich, den sog. Fixierungshorizont, die<br />

Belegung festzuschreiben und damit für die Fertigung verbindlich zu halten, besteht<br />

die Möglichkeit der Fixierung Belegungen, die wiederum automatisiert oder<br />

durch manuelle Interaktion erfolgen kann.<br />

Zur Unterstützung der unterschiedlichen teilweise auch branchentypischen Zielen<br />

stehen im Rahmen der <strong>MES</strong> Feinplanung verschiedene Planungsstrategien zur<br />

Verfügung. Bei den erwähnten Zielen handelt es sich beispielsweise um die Optimierung<br />

der Rüstzeit, Verkürzung der Durchlaufzeit, die Minimierung von Umlaufbeständen<br />

oder die Termintreue.<br />

Im folgenden eine Übersicht typischer Heuristiken und deren Einsatzgebiet beziehungsweise<br />

Zielrichtung:<br />

Regel/Strategie�<br />

�Kriterium<br />

max.<br />

Kapazitätsauslastung<br />

minimale<br />

Durchlaufzeit<br />

minimale<br />

Zwischenlagerkosten<br />

minimale<br />

Terminabweichung<br />

Abb. 7.7. Einordnung einiger Standardheuristiken<br />

KOZ LOZ KRB GRB SZ<br />

sehr gut schlecht gut gut gut<br />

sehr gut sehr gut gut schlecht mäßig<br />

gut mäßig mäßig mäßig mäßig<br />

schlecht schlecht mäßig sehr gut sehr gut<br />

KOZ Kürzeste Operationszeit<br />

LOZ Längste Operationszeit<br />

KRB Kleinste Restbearbeitungszeit<br />

GRB Größte Restbearbeitungszeit<br />

SZ geringste Schlupfzeitregel<br />

Durch die Berücksichtigung der verschiedenen technologischen Gegebenheiten<br />

in der <strong>MES</strong> Feinplanung liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit einer so entstandenen<br />

Ressourcenbelegung recht hoch und kann durch Optimierung und Detaillierung<br />

der Parameter permanent verbessert werden.<br />

So werden Restriktion durch fehlende Maschinenfreigaben, aktuell gesperrte<br />

Werkzeuge oder Urlaubssituationen berücksichtigt. Dies gilt selbstverständlich für<br />

die automatische Planung beziehungsweise Erstellung von Planvorschlägen als<br />

auch die manuelle Interaktion.


160 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

Für die Planung von Personen im Sinne von Fertigungspersonal lassen sich in den<br />

Unternehmen zwei grundlegende Vorgehensweisen unterscheiden, die im wesentlichen<br />

vom Umfeld, der Flexibilität und der Einsetzbarkeit der Mitarbeiter bestimmt<br />

werden. Der große Unterschied beschreibt sehr schön die Varianz, der sich<br />

<strong>MES</strong> <strong>System</strong>e im Bereich der Feinplanung stellen müssen.<br />

− Im einen Fall ergibt sich die verfügbare und planbare Personalstärke sich aus<br />

der An-/Abwesenheitsplanung und gilt als Restriktion für die Fertigungsplanung.<br />

− Im anderen Extremfall ergibt sich aus der Fertigungsplanung heraus der Bedarf<br />

an entsprechend qualifiziertem Personal, der als Vorgabe für die Personaleinsatzplanung<br />

herangezogen und befriedigt werden muss.<br />

7.2.7 Konfliktauflösung durch Simulation & Optimierung<br />

Wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben, bestehen zahlreiche Alternativen zur<br />

Verplanung eines Auftragsvorrats nach vorgegebenen Strategien. Die Anzahl der<br />

Variationen wird noch drastisch erhöht, wenn man die manuellen Eingriffe mit berücksichtigt.<br />

Durch Anwenden verschiedener Strategien und objektive Bewertung der Ergebnisse<br />

lassen sich verschiedene Simulationen durchführen.<br />

Ausgangsplan<br />

Belegungsplan<br />

Abb. 7.8. Bestandteile eines gespeicherten Plans<br />

Planungsprofil (der Planerstellung)<br />

Planungsvariante (der Planerstellung)<br />

Basierende Schichtmodelle<br />

Planbewertung (Kennzahlen)


7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 161<br />

Die dabei entstandenen Plansituationen lassen sich aufgrund der objektiven<br />

Bewertung miteinander vergleichen und somit bessere Pläne finden.<br />

Die wesentlichen Funktionalitäten zur zielführenden Durchführung von Simulationen<br />

sind im Folgenden beschrieben, wodurch auch die generelle Arbeitsweise<br />

deutlich wird.<br />

− Es besteht die Möglichkeit, einen Belegungsplan als Simulation zu speichern.<br />

Bei einer solchen Simulation sind neben dem Plan selbst die zugrunde liegenden<br />

Basisdaten, wie die Planungsstrategie, das Kapazitätsangebot und die Ausgangssituation<br />

abgelegt.<br />

− Die Erstellung von mehreren Simulationen erfolgt auf einer auswählbaren Ausgangssituation,<br />

da sonst keine Vergleichbarkeit gewährleistet werden kann.<br />

− Eine Simulation selbst kann wiederum als Ausgangssituation für weitere Simulationen<br />

verwendet werden.<br />

− Es besteht die Möglichkeit, ausgehend von einer Ausgangssituation mehrere<br />

Planungsläufe mit unterschiedlichen Parametern/Strategien automatisiert starten<br />

zu können.<br />

− Um eine objektive Vergleichsmöglichkeit bieten zu können, werden die verschiedenen<br />

Pläne/Simulationen objektiv durch Kennzahlen bewertet und wiederum<br />

mit einem Plan sprich einer Simulation zusammen abgespeichert.<br />

− Nach Vergleich mehrerer Simulationen und der Auswahl einer entsprechenden<br />

Variante kann diese Plansituation als verbindlicher Belegungsplan übernommen<br />

und gespeichert werden. Da sich in diesem Fall in der Regel die Ausgangssituation<br />

inzwischen geändert hat, erfolgt eine solche Übernahme unter<br />

Berücksichtigung des aktuellen Zustands. Eventuell auftretende Konflikte oder<br />

Abweichungen werden entweder direkt beseitigt, oder falls dies nicht eindeutig<br />

möglich ist, zur Bearbeitung ausgewiesen.<br />

− Für Simulationen in der Zukunft, sprich über den üblichen Feinplanungshorizont<br />

hinaus werden sog. Plan- oder Kapazitätsaufträge unterstützt, um realistische<br />

Auslastungen auch dann zu simulieren, wenn noch nicht alle konkreten<br />

Bedarfe vorhanden sind.<br />

Wie in der Übersicht bereits erwähnt wurde, besteht die Notwendigkeit, verschiedene<br />

Simulationen durch objektive Kennzahlen zu bewerten, um eine Vergleichbarkeit<br />

mehrerer Situationen erreichen zu können. Hier einige Beispiele für<br />

typische Kennzahlen zur Bewertung eines Planes:<br />

− Verspätungssumme,<br />

− Leerzeiten,<br />

− Termintreue,<br />

− Rüstaufwand.


162 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

Plan A Plan B<br />

Abb. 7.9. Planbewertung<br />

Welcher Plan ist der bessere ?<br />

Neben den üblichen Kriterien existieren in den Unternehmen spezifische Kenngrößen,<br />

die besondere Gegebenheiten berücksichtigen und damit häufig sehr deutlich<br />

die Qualität einer Belegung beurteilen lassen.<br />

Zur Abbildung solcher Spezifika lassen sich anwenderspezifische Bewertungskriterien<br />

flexibel, auf die jeweiligen Gegebenheiten abgestimmt, einstellen. Bekanntermaßen<br />

besteht ein Dilemma der Fertigungsplanung darin, dass die verschiedenen<br />

Ziele untereinander konkurrieren. So ist bei einer optimalen Rüstsituation<br />

möglicherweise die Auslastung oder die Termintreue vernachlässigt oder<br />

im umgekehrten Fall geht die Berücksichtigung aller Wunschtermine oder sogar<br />

Terminzusagen zu Lasten des Rüstaufwands oder der Umlaufbestände.<br />

Dieser permanente Zielkonflikt lässt sich recht anschaulich durch das folgende<br />

Schema darstellen, bei dem die Eckpunkte der Pyramide die konkurrierenden Ziele<br />

und die Kugel in der Mitte das individuelle Ziel beziehungsweise den Kompromiss<br />

darstellt.<br />

Durch geeignete Gewichtung von Einzelzielen lassen sich diese zusammenführen<br />

und zu einem kombinierten Ziel – unter Akzeptanz gewisser Kompromisse –<br />

zusammenfassen. Nun lassen sich verschiedene Pläne erzeugen und bezüglich dieses<br />

kombinierten Zieles beurteilen und somit gegeneinander bewerten.<br />

Die unterschiedlichen Simulationen lassen sich durch Auswahl und Anwendung<br />

unterschiedlicher Planungsstrategien erzeugen. Muss beispielsweise eine<br />

Überlast ausgeglichen werden, kann durchaus das Kapazitätsangebot durch eine<br />

zusätzliche Schicht oder auch der Simulation neuer Anlagen variiert werden.


Individuelles Ziel<br />

Hohe<br />

Termintreue<br />

7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 163<br />

Geringe<br />

Rüstkosten stkosten<br />

Geringe<br />

Umlaufbestände<br />

Umlaufbest nde<br />

Abb. 7.10. Zielkonflikt bei der Fertigungsplanung<br />

Gleichmäß<br />

Gleichmäßige<br />

ige<br />

Kapazitäts Kapazit ts-<br />

auslastung<br />

Lässt sich so durch Variation eines Kriteriums die Situation bezogen auf das<br />

individuelle Ziel verbessern, kann ausgehend von der „besten“ Situation wiederholt<br />

und durch die Variation anderer Parameter das Ergebnis weiter optimiert<br />

werden.<br />

Zusammengefasst lässt sich hiermit durch das Finden „besserer“ Pläne die Gesamtsituation<br />

immer weiter optimieren. Entscheidend für die Qualität und den Erfolg<br />

dieser Vorgehensweise ist die Stimmigkeit des individuellen Ziels an sich.<br />

Die Hersteller von <strong>MES</strong> <strong>System</strong>en bieten unterschiedliche Strategien zur systemgestützten<br />

Optimierung an. Die Optimierung von Planungsproblemen im allgemeinen<br />

und die Anwendung in der Fertigungsplanung im speziellen beschäftigt<br />

schon seit Jahren die Forschung. So waren vor vielen Jahren die sog. Optimalplanungsstrategien<br />

modern, konnten sich jedoch aufgrund der langen Laufzeiten und<br />

der extremen Auswirkungen kleiner Unstimmigkeiten bei der Modellierung auf<br />

das Ergebnis nicht durchsetzen. Aktuelle Forschungsarbeiten beschäftigen sich<br />

mit den Algorithmen, die sich an der Natur orientieren und die Prozesse der Evolution<br />

nachempfinden. Nachteil dieser Ansätze ist, dass sie sehr stark lösungsspezifisch<br />

sind und sich damit in Reinkultur nur bedingt für Standardsysteme eignen.<br />

Einige <strong>MES</strong>-Anbieter haben den Trend erkannt und konnten durch frühzeitige<br />

Kooperationen und Zusammenarbeit mit Instituten, Hochschulen und Kunden die<br />

Erkenntnisse nutzen und als konkrete Funktionalitäten ins eigene Produkt einbringen.


164 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

7.2.8 Monitoring des Auftragsdurchlaufs<br />

Neben der Planung der Zukunft besteht eine wesentliche Aufgabe darin, den Auftragsdurchlauf<br />

zu überwachen. Dies erfolgt in <strong>MES</strong> <strong>System</strong>en durch die permanente<br />

Rückkopplung der Ist-Situation in Abgleich mit der Feinplanung.<br />

Durch die fortschreitende Zeit werden die Rückmeldungen von der Planung<br />

abgetragen und damit ein permanenter Soll-/Ist-Vergleich durchgeführt. So wird<br />

zum Beispiel durch Hochrechnung der Restlaufzeit eines Arbeitsgangs aufgrund<br />

der aktuellen Rückmeldungen direkt erkennbar, ob die Planung eingehalten werden<br />

kann oder zum Beispiel aufgrund von technischen Problemen die Vorgabezeit<br />

nicht erreicht wird. Aufgrund dieser frühzeitigen Information lassen sich Maßnahmen<br />

einleiten oder gar die Probleme noch hinreichend beseitigen, um das Ziel<br />

doch noch zu erreichen.<br />

Ein weiteres Beispiel ist ein erkannter Stillstand einer Maschine, der direkt auf<br />

die Feinplanung rückgekoppelt und beispielsweise in der grafischen Plantafel visualisiert<br />

wird. So wird dem Anwender direkt dargestellt, welche Störung vorliegt<br />

und die Auswirkungen auf die Fertigungssituation aufgezeigt.<br />

Wie in diesem Beispiel schon angesprochen bietet die grafische Plantafel einen<br />

Gesamtüberblick der Fertigung und stellt damit ein wesentliches Werkzeug eines<br />

integrierten <strong>MES</strong> <strong>System</strong>s dar.<br />

Im Gegensatz dazu gilt im herkömmlichen PPS Umfeld heute noch das überwiegend<br />

angewandt Vorgehen, welches darin besteht, dass die Planungen unabhängig<br />

und ohne Bezug zur Realität durchgeführt werden und damit ins Leere laufen.<br />

Die Rückmeldungen aus der Fertigung werden lediglich in zeitlichen viel zu<br />

Abb. 7.11. Grafische Plantafel am Beispiel des <strong>MES</strong> HYDRA


7.2 Einsatz von <strong>MES</strong> zur Feinplanung und Steuerung 165<br />

großen Intervallen, zum Beispiel einmal pro Schicht – was in der Realität häufig<br />

nicht einmal erreicht wird – durchgeführt. Diese Rückmeldungen werden dann im<br />

Rahmen der nächsten Planung berücksichtigt und dabei Rückstände oder Abweichungen<br />

ausgeglichen. Im Gegensatz dazu scheinen die Vorteile bei Einsatz eines<br />

<strong>MES</strong> unglaublich.<br />

7.2.9 Reaktive Planung mit <strong>MES</strong><br />

Wie bereits zu Anfang erwähnt, besteht aufgrund der zeitnahen Rückmeldung aus<br />

der Fertigung durch entsprechende Erfassungsinfrastruktur im <strong>MES</strong> die Möglichkeit,<br />

Abweichungen sofort zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Aus<br />

diesem Grund spricht man bei der Feinplanung im <strong>MES</strong> auch von der reaktiven<br />

Planung.<br />

Neben den bereits hinreichend beschriebenen planerischen Aktivitäten lassen<br />

sich die reaktiven Eingriffe dadurch kennzeichnen, dass sie sehr kurzfristig und<br />

eben aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses notwendig werden.<br />

Hier einige Beispiele für derartige, unvorhergesehene Ereignisse, mit denen die<br />

verantwortlichen Anwender tagtäglich konfrontiert werden.<br />

− technische Störungen an Maschinen,<br />

− Krankheit von Mitarbeitern,<br />

− Schwierigkeiten mit Einsatzmaterial,<br />

− kurzfristige Änderungen von Terminen oder Auftragsmengen,<br />

− Werkzeugdefekt.<br />

Die verschiedenen Störungen haben mehr oder weniger drastische Auswirkungen<br />

auf das Umfeld und die notwendige Reaktion hängt jeweils von der Störung, den<br />

Auswirkungen und vor allem den Möglichkeiten an sich ab. Von entscheidender<br />

Bedeutung ist jedoch, dass die Störung an sich und die systematisch erkennbaren<br />

Auswirkungen zeitnah und objektiv aufgezeigt werden. Die notwendigen Maßnahmen<br />

können dann unterschiedliche Ausprägungen haben. Hierzu wiederum einige<br />

Beispiele:<br />

Aufgrund eines Maschinenausfalls müssen die geplanten Aufträge auf andere<br />

Maschinen gelegt werden, hierzu ist eine Neuplanung nötig. Da bei entsprechender<br />

Auslastung nicht alle Aufträge in der ursprüngliche geplanten Zeit umsetzbar<br />

sind, kann dies eventuell mit einer zusätzlichen Schicht der Ausfall kompensiert<br />

werden oder mit dem Kunden eine Teillieferung und die Restlieferung zu einem<br />

späteren Zeitpunkt verabredet werden.<br />

Bei einem Automobilzulieferer kann aufgrund von Qualitätsproblemen ein<br />

wichtiger und dringender Auftrag nicht mit der geplanten Leistung produziert<br />

werden. Durch Split des Arbeitsgangs und Belegung einer parallelen Anlage kann<br />

der Termin gehalten und damit neben dem Imageverlust auch sensible Vertragsstrafen<br />

vermieden werden.<br />

Ein bedeutender Kunde benötigt kurzfristig eine Mehrmenge und das Unternehmen<br />

möchte diesem Kunden aushelfen. Durch Einplanung des entsprechenden<br />

Auftrags und vor allem der Berücksichtigung aller technologischen Gegebenheiten


166 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

werden die Auswirkungen transparent. Die unterschiedlichen Störungen und<br />

Auswirkungen werden in geeigneter Art und Weise vom <strong>MES</strong> an den Anwender<br />

eskaliert. Dabei kann es sich um eine direkte Visualisierung, zum Beispiel in der<br />

grafischen Plantafel handeln. Um zum Beispiel in der Nachtschicht einen Maschinenstillstand<br />

oder eine andere schwerwiegende Abweichung an eine Bereitschaft<br />

weiterzuleiten, werden auch entsprechende Medien wie zum Beispiel SMS auf ein<br />

Mobiltelefon oder aber auch eine Email eingesetzt.<br />

Neben dem kurzfristigen Aufzeigen von Störungen und Konflikten kann das<br />

<strong>MES</strong> dem Anwender durch Aufzeigen und Bewerten von Ausweichmöglichkeiten<br />

unterstützen. So lassen sich auch in einem solchen Fall verschiedene Szenarien<br />

simulieren und die damit erreichten Ergebnisse bewerten. Damit stehen zum Beispiel<br />

für die Anordnung einer Sonder- oder einer Wochenendschicht objektive<br />

Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung. Es wäre jedoch auch denkbar, dass<br />

durch teure Überstunden die Auswirkungen nur geringfügig besser würden und<br />

dies aus betriebswirtschaftlicher Sicht unsinnig wäre. Um den Faden an dieser<br />

Stelle noch etwas weiter zu verfolgen, ließen sich in der – wenn auch monetär gesehen<br />

– unwirtschaftlichen Sonderschicht besondere Aufträge legen, um den<br />

Imageverlust zu mindern.<br />

7.3 Verwaltung von Produktionsmitteln (Ressourcen)<br />

Wie aus den vorhergehenden Darlegungen deutlich wird, gehört die Verplanung<br />

von sog. sekundären Kapazitäten oder auch Fertigungshilfsmittel zu einer wesentlichen<br />

Aufgabe der Feinplanung eines <strong>MES</strong>. Im Folgenden zur Verdeutlichung<br />

dieser Notwendigkeit einige weitere Beispiele:<br />

Durch die zunehmende Komplexität der Fertigungsprozesse und der technologischen<br />

Prozesstiefe nimmt auch die Notwendigkeit hochwertiger und damit nur<br />

begrenzt verfügbarer Zusatzaggregate oder Werkzeuge zu. So stellen in vielen<br />

Fertigungsbereichen diese Aggregate eigentlich den Engpass für die Fertigungsdurchführung<br />

dar.<br />

Die Arbeitsplan- und Arbeitsplatzgestaltung in ERP-/PPS-<strong>System</strong>en orientiert<br />

sich meist an kostenrechnerischen beziehungsweise kalkulatorischen Einheiten,<br />

während die Fertigungsrealität sich mit technologieorientierten Einheiten beschäftigt.<br />

Daraus resultiert teilweise, dass die Grobplanung Kapazitäten betrachtet, die<br />

für die Umsetzung in der Fertigung als unkritisch gelten, während die eigentlichen<br />

Engpässe nicht berücksichtigt werden.<br />

Bei eng verzahnten Lieferketten stellen häufig auch die Transporteinheiten eine<br />

beschränkte Kapazität dar, die für die Erstellung eines realistisch machbaren Plans<br />

ebenso von Bedeutung sind, wie die Produktionsmittel an sich. So ist eine Produktion<br />

nicht ausführbar, wenn die besonders für dieses Material nötigen Behälter<br />

nicht verfügbar sind, weil sie beispielsweise noch nicht gereinigt sind oder auch<br />

noch beim Spediteur im Lager stehen.<br />

In sensiblen Bereichen wie beispielsweise der Lebensmittel- oder Medizinbranche<br />

müssen für die Produktionsanlagen, aber auch alle beteiligten Ressourcen wie


7.3 Verwaltung von Produktionsmitteln (Ressourcen) 167<br />

Mischtanks, Transportbehälter oder Pumpen, sog. Logbücher geführt und entsprechende<br />

Reinigungszyklen eingehalten werden. Um dem enormen internationalen<br />

Konkurrenzdruck in diesen Bereichen stand zu halten und trotzdem den hohen<br />

Anforderungen entsprechen zu können, sind die Hersteller gezwungen, derartige<br />

Gegebenheiten durch Einführung von <strong>MES</strong> <strong>System</strong>en abzubilden.<br />

Zur realistischen Verplanung von Fertigungshilfsmitteln ist eine geeignete<br />

Verwaltung eben solcher Ressourcen Voraussetzung. Diese Aufgabe übernimmt<br />

in einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> das Ressourcenmanagement, das sich neben den Fertigungshilfsmitteln<br />

selbstverständlich ebenso mit den primären Kapazitäten, also<br />

den Maschinen, beschäftigt.<br />

Durch die Berücksichtigung der Ressourcen bei der Feinplanung lässt sich klar<br />

ableiten, zu welchem Zeitpunkt an welchen Arbeitsplätzen oder Maschinen welche<br />

Ressourcen benötigt werden. Daraus wiederum können durch das <strong>MES</strong> Ressourcenmanagement<br />

entsprechende Transport- oder Bereitstellungsaufträge generiert<br />

werden und die Bereitstellung zum Bedarfstermin sicherstellen.<br />

Unter Berücksichtigung von Transportkapazitäten lassen sich diese Transportaufträge<br />

im Rahmen der Feinplanung analog zu Fertigungsaufträgen auch betrachten<br />

und damit eine Belegungsplanung durchführen.<br />

7.3.1 Statusverwaltung<br />

Für jede einzelne Ressource wird, wie bei Maschinen üblich, der Status erfasst.<br />

Zum besseren Verständnis hier ein beispielhaftes Statusmodell für eine bestimmte<br />

Art von Ressource:<br />

Ressourcen Status<br />

• Gesperrt<br />

• Warten auf QS-Freigabe<br />

• Freigegeben<br />

• Aktiv/in Einsatz<br />

• Sonst (z.B. Wartung)<br />

• Neu/außer Einsatz<br />

Abb. 7.12. Beispielhaftes Statusmodell


168 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

Aufgrund der unterschiedlichen Ressourcenarten wird im Ressourcenmanagement<br />

auch die Gestaltung der Statusmodelle flexibel gehalten, um den verschiedenen<br />

Besonderheiten gerecht zu werden. Neben dem diskreten Status lässt<br />

sich weiterhin der Lagerort der Ressourcen verwalten.<br />

Durch den integrierten Ansatz eines <strong>MES</strong> lassen sich die Mengen und Zeiten,<br />

der Bearbeitung, direkt auf die Ressource verbuchen. Damit werden neben der Erfassung<br />

dieser Informationen auch die Basisdaten für die Überwachung von takt-<br />

oder einsatzzeitgesteuerte Wartungsintervallen bereitgestellt. Diese Wartungsintervalle<br />

werden im <strong>MES</strong>-eigenen Wartungskalender geplant, der den Funktionsumfang<br />

eines integrierten <strong>MES</strong> abrundet.<br />

Durch die Erfassung und Aufzeichnung aller Aktivitäten, bezogen auf jede einzelne<br />

Ressource, baut sich im <strong>MES</strong> eine Historie in Form eines Logbuches auf,<br />

die anschließend nach Ressourcen und damit nach Maschinen ausgewertet werden<br />

kann. Ein solches Logbuch wird zum Beispiel in der Lebensmittelindustrie und<br />

vor allem auch im Pharmabereich zwingend gefordert.<br />

7.3.2 Anonyme und individualisierte Ressourcen<br />

Im Sinne eines <strong>MES</strong> verstehen sich Ressourcen als nicht verbrauchende Betriebsmittel<br />

in einer konkret verfügbaren Anzahl, die zur Fertigung benötigt werden und<br />

nicht direkt in das Produkt eingehen. Sie unterscheiden sich in ihrer Funktion und<br />

Verwendung durch die Klassifizierung in Ressourcentypen.<br />

Eine Maschine ist eine einem Arbeitsplatz 1:1 zugeordnete Ressource und damit<br />

mit einem Arbeitsplatz identisch bzw. eine spezielle Ausprägung eines Arbeitsplatzes.<br />

Damit stellt die Maschine als Arbeitsplatz die primäre Kapazität dar,<br />

die verplant wird, ist aber gleichzeitig eine Ressource mit den damit verbundenen<br />

Aufgaben. Eine Maschine bzw. ein Arbeitsplatz besitzt im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eine eindeutige<br />

Identität.<br />

Werkzeuge, Transportbehälter, Hilfsstoffe und Anlagen sind Ressourcen,<br />

die Arbeitsplätzen vom Prinzip her temporär oder fix zugeordnet werden können.<br />

Diese können mehrfach vorkommen und anonym geführt sein oder eine eindeutige<br />

Identität haben. Die Verplanung der Kapazitäten erfolgt sekundär. Die Zuordnung<br />

von Ressourcen erfolgt entweder als Fertigungshilfsmittel im Arbeitsplan oder fix<br />

zu Arbeitsplätzen direkt im <strong>MES</strong>.<br />

Abbildung 7.13 zeigt beispielhaft verschiedene Ressourcen, die in einer Fertigung<br />

zum Einsatz kommen können:


Maschinen<br />

Peripheriegeräte<br />

Abb. 7.13. Beispiele für Ressourcentypen<br />

Ressourcen<br />

7.4 Zusammenfassung 169<br />

Personen<br />

Werkzeuge<br />

Ressourcen unterscheiden sich in ihrer Eigenschaft durch die Klassifizierung in<br />

Ressourcentypen. So werden beispielsweise Werkzeuge zusammengefasst. Neben<br />

der reinen Klassifizierung werden über diese Zusammenfassung auch bestimmte<br />

Funktionalitäten im <strong>MES</strong> gesteuert. So ist beispielsweise für einen Typ von Ressourcen<br />

ein Belegungsplanung sinnvoll, bei einem anderen die Erfassung von<br />

Einsatzzeiten.<br />

7.4 Zusammenfassung<br />

Einleitend in das Thema wurde erläutert, wie sich das Fertigungsmanagement und<br />

die Feinplanung eines <strong>MES</strong> in die gesamten Planungsabläufe eines Fertigungsunternehmens<br />

integriert. Dazu wurden die verschiedenen Planungsebenen vorgestellt<br />

und auf deren Schwerpunkte bezüglich Detaillierung und zeitlichem Bezug eingegangen.<br />

Ausgehend von dieser Einführung wurde im weiteren der Schwerpunkt, nämlich<br />

der Ebene Feinplanung, und der Anforderungen betrachtet, die sich aus der<br />

speziellen Aufgabenstellung in diesem Bereich ergibt. Hieraus entsteht als logische<br />

Konsequenz eines integrierten Fertigungsmanagements die Verwaltung von<br />

Ressourcen auf individualisierter und technologischer Ebene.


170 7 Feinplanung und Steuerung mit <strong>MES</strong><br />

Als Essenz ergibt sich, dass in der Fertigungsrealität permanent Ereignisse<br />

auftreten, die zu Abweichungen des Plans führen und deren Beseitigung<br />

beziehungsweise Behandlung den Alltag beherrscht. Die Unterstützung der<br />

Anwender zur Bewältigung dieser Problemstellung versteht ein <strong>MES</strong> als<br />

elementare Aufgabe im Bereich der Feinplanung & Steuerung. Die ursprünglichen<br />

und der Grobplanung ausschließlich zugrunde liegenden Ziele<br />

und Optimierungsstrategien treten bei diesen kurzfristigen Entscheidungen<br />

in den Hintergrund.<br />

Durch die folgenden Kapitel wurde anschließend beschrieben, wie ein integriertes<br />

<strong>MES</strong> in einem Fertigungsunternehmen zielführend und effektiv zur Unterstützung<br />

eben im Bereich des Fertigungsmanagements eingesetzt werden sollte.<br />

Dabei wurde wiederum der Fokus im Besonderen auf die Feinplanung und das<br />

Ressourcenmanagement gelegt.<br />

Die Ansätze wurden jeweils durch praxisorientierte Beispiele verdeutlicht, die<br />

sich durch entsprechende Abstraktion leicht auf beliebige, andere Branchen oder<br />

Fertigungstypen übertragen lassen und somit der spezifische Nutzen eines <strong>MES</strong> an<br />

dieser Stelle völlig transparent auf der Hand liegt.<br />

Zum Abschluss dieses Kapitels lässt sich noch folgender Leitsatz erwähnen,<br />

den jedes Unternehmen, unabhängig von der Branche oder auch der Organisation,<br />

berücksichtigen sollte.<br />

Die Präzision/Detaillierung eines Plans und damit der Aufwand zur Planerstellung<br />

muss in einem gesunden Verhältnis zur Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

des Plans stehen!


8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

8.1 Gelebte Qualität<br />

7.4 Zusammenfassung 171<br />

Die Qualitätssicherung war und ist heute immer noch ein selbständiger Zweig in<br />

vielen Fertigungsunternehmen. Die historisch bedingte Trennung zwischen der<br />

Qualitätssicherung und dem Fertigungsmanagement hat oft zu einer inhomogenen<br />

<strong>System</strong>landschaft geführt. Getrennte Meldedialoge, z. B. in der Betriebsdatenerfassung<br />

und der Fertigungsprüfung sind die Folge. Fertigungs- und Prüfaufträge<br />

werden separat angemeldet und die Fehler- und Ausschusserfassung erfolgt nicht<br />

selten in beiden <strong>System</strong>en. Zu vermeiden ist auch die unnötige Konfrontation der<br />

Anwender mit zwei <strong>System</strong>en, zumal Betriebsdaten auch Qualitätsdaten sind.<br />

Hinzu kommt, dass sich zwei verschiedene <strong>System</strong>e nur mit hohem Aufwand integrieren<br />

lassen. Monolithische Standardprodukte sind zwar kostengünstig, haben<br />

aber klar erkennbare Grenzen. Eine Integration zweier <strong>System</strong>e gibt es nur an definierten<br />

Stellen und spätere Erweiterungen sind mit erheblichen Kosten verbunden.<br />

Ein <strong>MES</strong> sieht die Qualitätssicherung in das Fertigungsmanagement integriert.<br />

Dadurch werden Meldedialoge reduziert, Schnittstellen vermieden und die Akzeptanz<br />

bei den Anwendern gesteigert. Ein weiterer Vorteil der Integration innerhalb<br />

eines <strong>MES</strong> zeigt sich bei Auditierungen und Zertifizierungen. Speziell im Lebensmittel-<br />

und Pharmabereich kommt die Forderung nach der FDA-Konformität<br />

hinzu. Bei der Erfüllung der FDA-Auflagen können die Synergien der Integration<br />

in einem <strong>MES</strong> optimal genutzt werden. Idealerweise sind diese durch die Basisfunktionen<br />

führender <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e erfüllt. Nachfolgend werden Funktionalitäten<br />

und Nutzen einer integrierten Qualitätssicherung aufgezeigt. Dabei wird bewusst<br />

auf die Beschreibung der verschiedenen Normenwerke (QS9000, TS16949, VDA,<br />

etc.) verzichtet.<br />

Neben der Qualitätsplanung werden auch Methoden zur Fehlervermeidung und<br />

Sicherstellung der Produktqualität betrachtet. Bereits in der Fertigungsprüfung<br />

kann so die Vollständigkeit der zugehörigen Qualitätsdatenbasis überprüft werden.<br />

Durch die Einleitung von Maßnahmen lassen sich eventuelle Defizite rechtzeitig<br />

beseitigen. Weitere Aspekte der integrierten Qualitätssicherung sind die Teilbereiche<br />

Dokumentation, Bewertung und Analyse. Mit der Dokumentation ist dabei<br />

keinesfalls die Verwaltung von Formularen gemeint. Vielmehr geht es um die lückenlose<br />

und effiziente Darstellung aller qualitätsrelevanter Daten. Hervorzuheben<br />

ist die Traceability (Rückverfolgung und Verfolgung von Losen, Chargen und<br />

Produkten). Vom Wareneingang, über die entstehenden Zwischenprodukte/Halb-


172 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

fabrikate bis hin zur Auslieferung der Endprodukte kann die gesamte Entstehung<br />

vollständig ermittelt werden.<br />

Erst durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> werden übergreifende Auswertungen und<br />

Analysen mit einem wesentlich höheren Informationsgehalt ermöglicht. Unter<br />

Einbeziehung aller fertigungsbezogener Informationen, dazu gehören insbesondere<br />

Maschinen- und Prozessdaten, ist die Einleitung effizienter Maßnahmen zur<br />

Fehlervermeidung und Prozessoptimierung möglich.<br />

8.2 Geplante Qualität<br />

Ein Qualitätsplan ist eine Form von Projektplanung, um Abläufe, welche sich an<br />

Unternehmenszielen und Kundenwünschen orientieren, zu definieren und deren<br />

Einhaltung zu überwachen. Die DIN ISO/CD2 9001:2000 sagt zur Qualitätsplanung<br />

unter 5.5.2: „Die Organisation muss die Tätigkeiten und Mittel zur Erreichung<br />

von Qualitätszielen bestimmen und planen. Die Planung muss mit anderen<br />

Forderungen des QM-<strong>System</strong>s vereinbar sein. Die Planung muss sich auf folgende<br />

Bereiche erstrecken:<br />

− im QM-<strong>System</strong> geforderte Prozesse,<br />

− benötigte (Produkt-) Realisierungsprozesse und -mittel,<br />

− Festlegung der Qualitätsmerkmale auf unterschiedlichen Stufen zur Erzielung<br />

der gewünschten Ergebnisse,<br />

− Verifizierungstätigkeiten.<br />

Annahmekriterien und benötigte Qualitätsaufzeichnungen. Die Planung muss<br />

sicherstellen, dass organisatorische Änderungen gelenkt durchgeführt werden und<br />

dass das QM-<strong>System</strong> während der Änderungen aufrechterhalten bleibt.“ Mit einer<br />

inhaltlich vollständigen und transparenten Qualitätsplanung wird der Grundstein<br />

gelegt, um seinen Kunden nachzuweisen, dass die Lieferanten die Anforderungen<br />

zu Funktion und Qualität erfüllen. Ein <strong>MES</strong> unterstützt den Anwender bei der systematischen<br />

und frühzeitigen Vorbereitung und Planung aller Maßnahmen, welche<br />

zum Erreichen einer, den Kunden zufriedenstellenden, Leistung erforderlich sind.<br />

8.2.1 Qualitätsstammdaten eines <strong>MES</strong><br />

Für die Planung und Durchführung qualitätssichernder Maßnahmen stellt ein <strong>MES</strong><br />

Funktionen zur Verwaltung von Basisdaten zur Verfügung. Zur Fehleranalyse<br />

werden meist folgende Stammdaten herangezogen:<br />

− Fehlerarten<br />

− Fehlerorte<br />

− Fehlerursachen<br />

− Verursacher<br />

− Maßnahmen<br />

− Kostenarten.


8.2 Geplante Qualität 173<br />

Diese Daten sollten in einer hierarchischen Struktur abgelegt werden. Damit<br />

können beispielsweise Auswertungen auf der obersten Gruppenebene beginnend<br />

nach Fehlerschwerpunkten detailliert werden.<br />

Abb. 8.1. Gruppierung von Fehlerarten<br />

Sollten die Fehleranalysekriterien detailliert und damit in einer entsprechend<br />

großen Anzahl vorliegen, unterstützt das <strong>MES</strong> den Anwender, um nur die relevanten<br />

Teilmengen dieser Basisdaten mit Artikeln, Artikelgruppen, Merkmalen oder<br />

Prüfplänen zu verknüpfen. Diese Maßnahme trägt zur Vermeidung von Fehleingaben<br />

und zur Steigerung der Akzeptanz an den Erfassungsplätzen bei.<br />

Mit dem Einsatz eines <strong>MES</strong> ergeben sich bereits auf Ebene der Basisdaten<br />

Synergien. Es entfällt die doppelte Pflege gleichartiger Daten, wie dies bei monolithischen<br />

Standardprodukten der Fall ist. Entsprechende Stammdatenschnittstellen<br />

sind meist mit hohen Kosten und administrativen Aufwänden verbunden.<br />

Unter anderem können folgende qualitätsrelevante Basisdaten im <strong>MES</strong> zentral<br />

(d.h. für alle <strong>MES</strong>-Funktionen gemeinsam) verwaltet werden:<br />

− Einheiten<br />

− Arbeits-/Prüfplätze<br />

− Fehlerarten/Ausschussgründe<br />

− Kostenarten<br />

− Personen.


174 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

8.2.2 Präventive Fehlervermeidung mit FMEA<br />

Mit Hilfe der FMEA werden bereits während der Konstruktion des Produkts beziehungsweise<br />

Fertigungsprozesses potentielle Mängel erforscht. Diese gilt es im<br />

Anschluss durch geeignete Maßnahmen zu eliminieren oder, wenn dies nicht möglich<br />

ist, zu minimieren. Diese Art der präventiven Fehlervermeidung gilt als die<br />

kostenoptimierte Art der Schwachstellenbeseitigung. Die FMEA kann als Konstruktions-,<br />

Design- oder Prozess-FMEA erfolgen. Meist sind die Übergänge zwischen<br />

diesen Formen fließend. Entsprechend flexibel sollte das <strong>MES</strong> mit diesen<br />

Arten umgehen.<br />

Durch die Beurteilung der Fehlerursachen hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit<br />

des Auftretens, der Bedeutung und der Entdeckung ergeben sich entsprechende<br />

Risikoprioritätszahlen, welche zur Bewertung herangezogen werden. Diese bildet<br />

eine wichtige Grundlage für die Prüfplanung. Durch die Risikobewertung wird bereits<br />

im Vorfeld ersichtlich, welche Merkmale während der Produktion in welcher<br />

Intensität geprüft werden müssen.<br />

Durch den Einsatz einer FMEA im Rahmen eines <strong>MES</strong> können die hier erfassten<br />

Daten effektiv und dauerhaft zur weiteren Verarbeitung in der Prüfplanung<br />

genutzt werden.<br />

8.2.3 Prüfplanung – das Fundament der Produktqualität<br />

Für jede Prüfung, egal ob im Wareneingang, in der Fertigung oder für Maschinenfähigkeitsuntersuchungen,<br />

müssen Merkmale definiert werden, mit deren Hilfe die<br />

Qualitätsanforderungen kontrolliert werden. Für jedes Merkmal müssen Mittel,<br />

Tätigkeiten und Überprüfungen anhand von Spezifikationen festgelegt werden.<br />

Diese Merkmale werden in der Prüfplanung definiert und zusammenfasst.<br />

Durch die Möglichkeit, Prozess- und Produktmerkmale gleichzeitig zu verwenden,<br />

stehen dem <strong>MES</strong> für Auswertungen, Zertifikate und Regelkreise alle qualitätsrelevanten<br />

Daten zur Verfügung. Das <strong>MES</strong> ermöglicht es, Prüfpläne zu erstellen, welche,<br />

je nach Bedarf, für Artikel, Artikelgruppen, Arbeitsgänge, Kunden, Lieferanten,<br />

Normen und/oder Prozesse gilt.<br />

Bereits während der Konstruktion wird klar, welche Merkmale eines Produkts<br />

qualitätsrelevant sind. Bei Verwendung einer FMEA ergibt sich aus den Risikoprioritätszahlen<br />

eine entsprechende Gewichtung. Durch die Integration der FMEA<br />

in das <strong>MES</strong> können hier definierte Merkmale direkt übernommen werden. Alternativ<br />

kann die Übernahme von Merkmalen auch über das Auslesen von CAD-<br />

Zeichnungen erfolgen. Damit wird eine doppelte und fehleranfällige Dateneingabe<br />

vermieden.<br />

Durch die Zuweisung zu verwendender Prüfmittel bzw. Prüfmittelgruppen kann<br />

gesteuert werden, welche Messmittel zur Qualitätsdatenerfassung verwendet werden<br />

sollen. Dabei wird der Prüfer durch direkte Anbindung von Messmaschinen<br />

und Messmitteln unterstützt. Das spart Zeit, vermeidet Fehleingaben und erhöht<br />

die Akzeptanz an den Erfassungsplätzen.


8.2 Geplante Qualität 175<br />

Durch den Einsatz des <strong>MES</strong> stehen in der Fertigungsprüfplanung bereits alle<br />

produktionsspezifischen Daten (Arbeitspläne etc.) zur Verfügung. Darauf kann<br />

zugegriffen werden, um beispielsweise für jeden qualitätsrelevanten Arbeitsgang<br />

entsprechende Merkmale anzulegen. Durch einen Vergleich der Arbeitspläne mit<br />

dem Prüfplanbestand kann das <strong>MES</strong> bereits im Vorfeld Defizite in der Prüfplanung<br />

aufdecken. Durch die direkte Verknüpfung der Qualitätssicherung mit der<br />

Fertigungsplanung stehen ohne gesonderten Eingabe- oder Schnittstellenaufwand<br />

alle Informationen über produzierende Maschinen, verwendete Werkzeuge und<br />

Nester und an Maschinen angemeldete Personen zur Verfügung. Diese Daten<br />

müssen mit monolithischen Standardsystemen unter Umständen doppelt gepflegt<br />

werden.<br />

Besondere Anforderungen an die Prüfplanung stellt die Variantenfertigung.<br />

Hierbei werden gleichartige Produkte hergestellt, welche sich nur in Details unterscheiden.<br />

Sollten für jedes Produkt separate Prüfpläne gepflegt werden, würde<br />

dies zu einem enormen planerischen Aufwand führen. Abhilfe schaffen hier sog.<br />

Spezifikationslisten. Der Inhalt eines Prüfplans kann sich dadurch auf die Auflistung<br />

der zu prüfenden Merkmale, ohne die Angabe von Spezifikationen, beschränken.<br />

In einer separaten Liste werden für alle zu produzierenden Produktvarianten<br />

dann lediglich die spezifischen Ausprägungen festgelegt. Alternativ kann<br />

die Verwendung von Konfigurationsmerkmalen zum Einsatz kommen. Dabei wird<br />

in der Prüfplanung zu jedem Merkmal festgelegt, wie sich die Spezifikationen aus<br />

den Konstruktionsmaßen ergeben. Die Toleranz- und Plausibilitätsgrenzen des<br />

Merkmals werden relativ vorgegeben. Im Auftrag selber stehen dann die zu verwendenden<br />

Sollwerte, aus denen die restlichen Spezifikationen berechnet werden.<br />

Diese Funktionalitäten zeigen, wie ein <strong>MES</strong> den Prüfplaner unterstützt. Durch den<br />

Einsatz dieser Planungsvariante verringert sich der Pflegeaufwand auf ein Minimum.<br />

Gleichzeitig werden potenzielle Fehler durch Datenredundanz vermieden.<br />

Mit der Verwendung von Methoden zur Dynamisierung kann die Prüffrequenz<br />

aufgrund von Erfahrungswerten deutlich reduziert werden. Diese Funktionen<br />

kommen hauptsächlich in der Wareneingangsprüfung zum Einsatz. Für eine Dynamisierung<br />

muss im Vorfeld geplant werden, nach welchen Regeln sie erfolgen<br />

soll. Außer der Verwendung gebräuchlicher Normen (ISO 2859, ISO 3951 etc.)<br />

Abb. 8.2. Dynamisierungshistorie


176 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

stellt das <strong>MES</strong> dem Prüfplaner Mittel zur Verfügung, um eigene Regelwerke zu<br />

erstellen. Alternativ kann eine dynamisierte Prüfung auch in der Fertigung eingesetzt<br />

werden, um beispielsweise das Prüfintervall nach dem Auftreten eines Fehlers<br />

zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Korrekturmaßnahme temporär zu erhöhen.<br />

Um den Forderungen nach einer lückenlosen Dokumentation aller qualitätsrelevanter<br />

Daten über die gesamte Wertschöpfungskette nachzukommen, besteht<br />

für den Anwender eines <strong>MES</strong> die Möglichkeit, einen Control-Plan zu verwenden.<br />

Diese beinhalten alle Planungsdaten der gesamten Produktherstellung. Ein<br />

Control-Plan fasst die Daten mehrerer Prüfpläne zusammen. Dem Anwender bietet<br />

sich die Möglichkeit, seine Daten entweder im Control-Plan oder in den spezifischen<br />

Prüfplänen zu pflegen.<br />

Alle Änderungen an den Planungsvorgaben müssen nachvollziehbar dokumentiert<br />

werden. Aus diesem Grund werden alle relevanten Daten (Control-Plan,<br />

Prüfpläne, Spezifikationslisteneinträge etc.) vom <strong>MES</strong> mit Versionsnummern und<br />

Änderungsgründen versehen. Das Freigeben und Aktivieren eines Versionsstandes<br />

stellt sicher, dass nur ein berechtigter Personenkreis Modifikationen in den Produktionsprozess<br />

übergeben kann. Außerdem können Änderungen im Vorfeld geplant<br />

und gezielt zu einem festen Zeitpunkt aktiviert werden. Durch die Verwendung<br />

der Versionsverwaltung wird automatisch dokumentiert, wann, warum und<br />

von wem Veränderungen durchgeführt wurden. Diese Daten stellt das <strong>MES</strong> für<br />

Recherchen z. B. im Teilelebenslauf zur Verfügung.<br />

Beinhaltet das <strong>MES</strong> eine Erstmusterprüfung, wird der Anwender beim Import<br />

der zugehörigen Merkmale in Fertigungsprüfpläne unterstützt. Alle relevanten<br />

Einstellungen werden übernommen und können optional bearbeitet werden. Auch<br />

dies reduziert den Planungsaufwand und verhindert Fehler, welche beim manuellen<br />

Kopieren von Qualitätsmerkmalen auftreten können.<br />

8.2.4 Prüfmittel – Reduktion von Messunsicherheiten<br />

Prüfmittel unterliegen dem Verschleiß. Der Einsatz von Prüfmitteln ist nur dann<br />

zuverlässig, wenn diese fähig sind, dass heißt den Hersteller- und Prozessvorgaben<br />

entsprechen. Um diese Fähigkeit sicherzustellen, müssen in regelmäßigen Abständen<br />

Untersuchungen nach bestimmten Normen (QS9000, VDI 2618 etc.) durchgeführt<br />

werden. Daraus ergibt sich, dass vor dem produktiven Einsatz Tätigkeiten,<br />

Mittel und Termine zur Sicherstellung der Prüfmittelfähigkeit definiert werden<br />

müssen.<br />

Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> werden die Möglichkeiten eines effizienten Prüfmittelmanagements<br />

voll ausgeschöpft. Im Rahmen der Qualitätsplanung wird für<br />

Prüfmittelfähigkeitsuntersuchungen definiert, welche Merkmale mit welchen Ressourcen<br />

nach welchen Spezifikationen kontrolliert werden. Je nachdem, welche<br />

Norm zugrunde liegt, muss im Vorfeld festgelegt werden, anhand welcher statistischer<br />

Kennwerte (Wiederholbarkeit/Messmittelstreuung, Vergleichbarkeit/Prüferstreuung,<br />

Wiederholbarkeit/Vergleichbarkeit, Streuung von Teil zu Teil und Gesamtstreuung)<br />

der Fähigkeitsnachweis erfolgen muss.


8.2 Geplante Qualität 177<br />

Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> Prüfmittelmanagements wird die Planung von<br />

Fähigkeitsuntersuchungen vereinfacht. Während der Kalibrierplanung wird festgelegt,<br />

in welchen Intervallen diese anstehen. Dabei können neben Zeit- auch Stückintervalle<br />

verwendet werden. Bei Ermittlung der Fälligkeit nach Stückintervallen<br />

werden die der Messwerterfassung vorliegenden Informationen über verwendete<br />

Prüfmittel benutzt. Für jeden Arbeitsplatz, an dem Prüfungen durchgeführt werden,<br />

kann mit Hilfe eines Verschleißfaktors definiert werden, wie stark das Prüfmittel<br />

in dieser Umgebung in Mitleidenschaft gezogen wird. So wird ein Prüfmittel<br />

an einer Maschine unter dem Einfluss von Öl und Kühlmitteln schneller<br />

verschleißen als beim Einsatz im Reinraum. Mit Hilfe dieser Funktionalitäten<br />

kann das <strong>MES</strong> die Anzahl durchzuführender Kalibrierungen deutlich verringern,<br />

da eine realitätsnahe, am Verschleiß orientierte Terminplanung möglich ist. Durch<br />

die Verwendung von Vorwarnzeiten kann der Zeitpuffer von der ersten Benachrichtigung<br />

bis zur Fälligkeit der Kalibrierung individuell definiert werden.<br />

8.2.5 Lieferantenbewertung – Optimierung des Beschaffungsprozesses<br />

Die Qualität der in die Produktion einfließenden Materialien hat, gerade in Bezug<br />

auf die steigende Spezialisierung und die Verringerung der Fertigungstiefe, einen<br />

großen Einfluss auf die Qualität der Produkte. Um im Einkauf die besten Lieferanten<br />

selektieren zu können, müssen effektive Methoden zur Beurteilung angewandt<br />

werden. Eine dieser Methoden ist die Lieferantenbewertung.<br />

Die Lieferantenbewertung ist eine klassische Domäne von ERP-/PPS-<br />

<strong>System</strong>en. Dabei werden alle einfließenden Faktoren gesammelt. Daten von Subsystemen<br />

werden über Schnittstellenfunktionen eingelesen. Aus all diesen Einzelfaktoren<br />

und eventuellen subjektiven Kriterien werden Kennzahlen für unterschiedliche<br />

Lieferanten ermittelt. Diese werden zur Bewertung der Lieferanten<br />

benutzt. Darüber hinaus sind sie bei Lieferantengesprächen von großem Nutzen.<br />

Durch diese Methoden lässt sich die Qualität der gelieferten Waren kontinuierlich<br />

verbessern.<br />

Wenn alle in die Lieferantenbewertung einfließenden Daten bereits im <strong>MES</strong><br />

vorliegen, kann die Lieferantenbewertung in einfachen Fällen auch im <strong>MES</strong> selber<br />

erfolgen. Durch die dem <strong>MES</strong> vorliegenden zeitnahen Daten ist auch ein<br />

‚Schnappschuss’ der aktuellen Qualitätslage eines Lieferanten möglich.<br />

Um die Lieferantenbewertung im <strong>MES</strong> durchführen zu können, müssen vorher<br />

die zugehörigen Kriterien definiert bzw. vom ERP-/PPS übernommen werden.<br />

Dies erfolgt in Form von Bewertungskatalogen. Hier können, in einer frei definierbaren<br />

Hierarchie, verschiedene Bewertungsblöcke definiert werden. Diesen<br />

werden die Bewertungskriterien zugeordnet. Dabei erfolgt eine Unterteilung in die<br />

Kategorien ‚subjektiv’ und ‚automatisch ermittelbar’. Während die subjektiven<br />

Kriterien manuell beurteilt werden müssen, ermitteln die automatischen ihr Ergebnis<br />

direkt aus dem Datenpool des <strong>MES</strong>.<br />

Sowohl die Bewertungskriterien als auch deren Blöcke können unterschiedlich<br />

gewichtet werden. Aus der aktuellen Einstufung eines Kriteriums und dessen Ge-


178 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

wichtung ergibt sich die Einstufung des Blocks. Das Lieferantenergebnis berechnet<br />

sich aus den Bewertungen und Gewichtungen der zugehörigen Blöcke.<br />

Auch bei den Bewertungskatalogen verwendet das <strong>MES</strong> die, schon aus der<br />

Prüfplanung bekannte, Versionisierung und Aktivierung. Damit wird auch in diesem<br />

Bereich sichergestellt, dass alle Änderungen an den Planungsgrundlagen lückenlos<br />

dokumentiert werden.<br />

Der entscheidende Vorteil beim Einsatz eines <strong>MES</strong> ist die Möglichkeit, alle im<br />

<strong>System</strong> vorhanden Daten direkt zur Beurteilung von Lieferanten heranziehen zu<br />

können. Das Ergebnis der <strong>MES</strong>-Lieferantenbewertung ist entweder direkt verwendbar<br />

oder kann im ERP-/PPS zur ganzheitlichen Beurteilung eines Lieferanten<br />

herangezogen werden.<br />

8.2.6 Aufbau von Workflows mit Eskalationsszenarien<br />

Um die Qualitätsanforderungen an Produkte erfüllen zu können, müssen alle<br />

Maßnahmen, welche der Qualitätssicherung dienen, geplant werden. Dazu gehören<br />

auch Führungs- und Ausführungstätigkeiten sowie die Reaktion auf qualitätsbeeinflussende<br />

Ereignisse.<br />

Qualitätsrelevante Abläufe werden im Bereich der Planung in Form von<br />

Workflows definiert. Durch den Funktionsumfang des <strong>MES</strong> stehen der Definition<br />

dieser Workflows deutlich mehr Möglichkeiten als bei monolithischen Standardprodukten<br />

zur Verfügung. So kann das Festellen von Fehlern in der nachgelagerten<br />

Qualitätsprüfung direkte Auswirkungen auf die laufende Produktion haben. Im<br />

einfachsten Fall werden Meister/Schichtführer, bei welchen Aufträge des fehlerhaften<br />

Artikels produziert werden oder zur Produktion anstehen, über die Probleme<br />

informiert<br />

Auch Reklamationen können anhand von hinterlegten Workflows gezielter bearbeitet<br />

werden. Damit stellt das <strong>MES</strong> sicher, dass bewährte Abläufe bei der Bearbeitung<br />

berücksichtigt werden. Ein weiterer Vorteil dieser Art der strukturierten<br />

Reklamationsbearbeitung ist, dass der aktuelle Status und der historische Verlauf<br />

der Handlungen anhand der im Workflow durchlaufenen Schritte jederzeit dargestellt<br />

werden kann.<br />

Um alle diese Möglichkeiten ausnutzen zu können, müssen die zugrunde liegenden<br />

Workflows erst einmal definiert werden. Dies sollte möglichst in grafischer<br />

Form erfolgen. Nur so bleiben komplexe Abläufe transparent und pflegbar.<br />

Fortgeschrittene <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e bieten die Flexibilität, für einen unterschiedlichen<br />

Datenkontext (Kundenreklamationen, interne Reklamationen etc.) auch unterschiedliche<br />

Formen von Workflows zu verwenden. Durch die Überwachung des<br />

Workflows in Verbindung mit einer zeitlichen Steuerung stellt das <strong>MES</strong> sicher,<br />

dass der Ablauf nicht zum Stillstand kommt. Bei der Planung können auch Funktionen<br />

des Eskalationsmanagements angesprochen werden. Damit können später<br />

bestimmte Personen(gruppen) gezielt benachrichtigt werden.


Abb. 8.3. Workflow gestützte Reklamationsbearbeitung<br />

8.2 Geplante Qualität 179<br />

Die kontinuierliche Verbesserung der Workflows führt zu einer deutlichen Effizienzsteigerung<br />

innerbetrieblicher Abläufe. Eine flexible Workflowsteuerung<br />

und -überwachung mit mannigfaltigen Möglichkeiten der bereichsübergreifenden<br />

Kommunikation ist die Stärke eines <strong>MES</strong>.<br />

8.2.7 Qualitätsplanung innerhalb der Fertigungsvorbereitung<br />

Durch die Tatsache, dass die Qualitätsplanung Bestandteil eines <strong>MES</strong> ist, ergeben<br />

sich einige Funktionen, welche bei monolithischen Standardprodukten, wenn überhaupt,<br />

nur durch den Einsatz von Schnittstellen erkauft werden können. So<br />

können, gerade in der Fertigungsplanung, historische Daten aus der Qualitätssicherung<br />

verwendet werden. Einige Möglichkeiten, welche das <strong>MES</strong> dadurch zur<br />

Verfügung stellen kann, werden nachfolgend aufgelistet:<br />

− Vor der Freigabe eines Fertigungsauftrags kontrolliert das <strong>MES</strong>, ob für den Artikel<br />

und/oder Kunden Reklamationen vorliegen. In diesem Fall wird der Fertigungsplaner<br />

auf diesen Umstand hingewiesen. In weiteren Recherchen (zum<br />

Beispiel einer Analyse, ob die Fehlerursache mit der verplanten Maschine zu-


180 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

sammenhängt) kann eine Entscheidung getroffen werden, ob der Fertigungsauftrag<br />

wie geplant freigegeben werden soll.<br />

− Vor der Freigabe von Fertigungsaufträgen auf bestimmten Maschinen testet das<br />

<strong>MES</strong>, ob für den Prozess durch die Qualitätssicherung eine entsprechende Maschinenfähigkeit<br />

nachgewiesen wurde. Ist dies nicht der Fall, sind folgende<br />

Szenarien vorstellbar:<br />

− Der Fertigungsauftrag kann an dieser Maschine nicht freigegeben werden.<br />

− Eine entsprechende Maschinenfähigkeitsprüfung wird veranlasst.<br />

− Eine Hinweismeldung erscheint. Optional kann der Fertigungsauftrag freigegeben<br />

werden.<br />

− Vor der Freigabe eines Fertigungsauftrags wird durch das <strong>MES</strong> geprüft, ob bei<br />

dem zu fertigenden Artikel für den Kunden eine Erstmusterfreigabe vorliegt.<br />

Bei Defiziten kann eine der folgenden Reaktionen erfolgen:<br />

− Der Fertigungsauftrag kann nicht freigegeben werden.<br />

− Die Erstmusterfreigabe wird eingeholt.<br />

− Eine entsprechende Erstmusterprüfung wird veranlasst.<br />

− Eine Hinweismeldung erscheint. Dennoch kann der Fertigungsauftrag freigegeben<br />

werden.<br />

− Bei der Fertigungsplanung kann das <strong>MES</strong> auf cm- und cmk-Werte aus der Qualitätssicherung<br />

zugreifen. Diese Daten stehen für eine optimale Maschinenzuordnung<br />

zur Verfügung.<br />

Ein <strong>MES</strong> ist monolithischen Standardprogrammen nicht nur durch die Analyse<br />

historischer Daten überlegen. So können bereits in der Fertigungsplanung eventuelle<br />

Defizite der Prüfplanung erkannt werden. Durch entsprechende Maßnahmen<br />

kann bereits vor Produktionsbeginn reagiert werden, um diese Lücken zu schließen.<br />

Beispiele hierfür sind nachfolgend aufgelistet:<br />

− Durch die Verbindung aus Fertigungs- und Qualitätsplanung können Prüfer und<br />

Messmittel verplant werden. Engpässe werden rechtzeitig aufgezeigt und können<br />

durch Korrekturen vermieden werden. Ein zusätzlicher Nutzen ergibt sich<br />

aus der Möglichkeit, die Prüfer entsprechend ihrer Qualifikation zu verplanen.<br />

Hinweise und Assistenten des <strong>MES</strong> unterstützen den Fertigungsplaner und weisen<br />

auf potenzielle Probleme hin.<br />

− Bei der Berechnung der Laufzeit eines Fertigungsauftrags kann das <strong>MES</strong> auf<br />

Informationen ein- oder nachgelagerter Prüfungen zurückgreifen. Aus diesen<br />

Angaben lassen sich realistischere Aussagen über die Produktionszeiten ableiten.<br />

− Bei der Freigabe von Fertigungsaufträgen wird sichergestellt, dass die zugehörige<br />

Planungsebene der Qualitätssicherung vollständig vorhanden ist. Defizite<br />

(fehlende Prüfpläne etc.) können durch die rechtzeitige Einleitung entsprechender<br />

Korrekturmaßnahmen behoben werden.<br />

− Bei der Fertigungsplanung ermittelt das <strong>MES</strong>, ob während der Produktion Kalibrierungen<br />

für die durch die Prüfplanung zugewiesene Messmittel fällig werden.<br />

Diese Informationen werden durch das <strong>MES</strong> angezeigt und können dann<br />

entsprechende Maßnahmen auslösen. Daraus entstehende Verzögerungen der


8.3 Integrierte Qualität 181<br />

Fertigung werden bereits im Vorfeld visualisiert. Diese Funktionalität entfaltet<br />

ihre ganze Effektivität bei Verwendung stückbezogener Kalibrierintervalle.<br />

8.3 Integrierte Qualität<br />

Prozessqualität ist die Voraussetzung für Produktqualität. Nur durch fähige und<br />

beherrschte Prozesse können qualitativ hochwertige Produkte gefertigt werden.<br />

Wird ein Fehler rechtzeitig, zum Beispiel schon in der Konstruktion, erkannt, entstehen<br />

wesentlich geringere Kosten als bei der Entdeckung in der Produktion, der<br />

Endkontrolle oder, noch unangenehmer, durch den Kunden. Dies wird durch die<br />

Zehnerregel der Fehlerkosten eindrucksvoll veranschaulicht. Hiernach steigern<br />

sich die Kosten mit jeder Phase, in der er später, in Bezug auf seinen Entstehungszeitpunkt,<br />

aufgedeckt und beseitigt wird. Um Fehler zu vermeiden, müssen qualitätssichernde<br />

Methoden im gesamten Prozessablauf, vom Wareneingang über die<br />

Fertigung bis hin zum Warenausgang, zum Einsatz kommen.<br />

In der Fertigung sichern Fähigkeitsuntersuchungen die Eignung von Fertigungsprozessen<br />

und den daran beteiligten Maschinen. Damit ist sichergestellt,<br />

dass qualitätsrelevante Merkmale innerhalb der vorgegebenen Toleranzen gefertigt<br />

werden können. Die in diesen Untersuchungen gewonnen Erkenntnisse können<br />

mit Hilfe des <strong>MES</strong> für die statistische Prozesskontrolle (SPC) der Fertigung<br />

herangezogen werden.<br />

Um die Prüfmittelfähigkeit nachzuweisen und die Herstellerangaben zu überwachen,<br />

ist der Einsatz eines Prüfmittelmanagements notwendig. Nur mit Hilfe<br />

regelmäßiger Kalibrierungen kann sichergestellt werden, dass die gemessenen<br />

Werte realistisch sind. Das <strong>MES</strong> unterstützt den Anwender bei der Verwaltung<br />

von Prüfmitteln, deren Kalibrierung und der Bereitstellung für die Anwender.<br />

Darüber hinaus werden Fälligkeiten überwacht, wodurch auf anstehende Kalibrierungen<br />

bereits rechtzeitig hingewiesen werden kann.<br />

Das Reklamationsmanagement regelt die Bearbeitung von Reklamationen, deren<br />

Fehleranalyse und die Ergreifung und Überwachung von Sofort- und Abstellmaßnahmen.<br />

Um sicherzustellen, dass in Reklamationen analysierte Fehler keine<br />

Auswirkungen auf aktuelle oder zukünftige Produktionsprozesse haben, unterstützt<br />

die Workflow-Steuerung des <strong>MES</strong> den Anwender durch Einflussnahme auf<br />

die Prüfplanung und die laufenden Wareneingangs-, Fertigungs- und Endprüfungen.<br />

Durch die konsequente Anwendung eines <strong>MES</strong> kann nach einiger Zeit auf eine<br />

breite Wissensbasis zurückgriffen werden. Dadurch wird vorhandenes Wissen benutzt,<br />

um im Falle einer Wiederholung durch Verwendung bereits erfolgreich angewendeter<br />

Problemlösungsstrategien schneller und damit kostengünstiger reagieren<br />

zu können. Mit der Bildung von Qualitätsregelkreisen trägt das <strong>MES</strong> durch<br />

Fehlervermeidung maßgeblich zur Reduktion der Kosten bei steigender Produktqualität<br />

und Kundenzufriedenheit bei.


182 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

8.3.1 Qualität durch Informationsmanagement<br />

Durch die Integration von Fertigungs- und Qualitätsmanagement können alle relevanten<br />

Daten übersichtlich in einer Anwendung dargestellt werden. Anwender<br />

müssen nicht mehrere <strong>System</strong>e parallel betreiben, um Informationen einzusehen<br />

und zu pflegen. Redundante Eingaben und/oder teure Schnittstellen können entfallen.<br />

Mit dem Einsatz eines in das <strong>MES</strong> integrierten Maßnahmen- und Eskalationsmanagements<br />

stehen einheitliche Werkzeuge zur zielgerichteten und dokumentierten<br />

Benachrichtigung und Aufgabenverteilung zur Verfügung. Damit ergeben<br />

sich kurze Informationswege zwischen Schichtführern, Maschinenbedienern, Prüfern<br />

und den Qualitätsverantwortlichen. Die integrierte Terminüberwachung unterstützt<br />

die Anwender dabei, wichtige Tätigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren.<br />

Mit Hilfe der workflow-basierten Prozesssteuerung kann firmeninternes Knowhow<br />

transparent abgebildet und effizient genutzt werden. Bei der Krankmeldung<br />

eines Mitarbeiters des QS-Labors wird beispielsweise der Vorgesetzte informiert,<br />

bei welchen Aufträgen durch den Ausfall Prüfungen gefährdet sind. Als Konsequenz<br />

daraus könnten in der Personalplanung die anstehenden Aufgaben auf andere<br />

Kollegen mit gleicher Qualifikation verteilt werden.<br />

8.3.2 Sicherstellung der Zulieferqualität<br />

Die Produktqualität wird entscheidend vom Qualitätsniveau der Zulieferungen bestimmt.<br />

Wurde mit den Lieferanten keine Qualitätsvereinbarung getroffen, reduziert<br />

die Wareneingangsprüfung das Risiko, dass fehlerhafte Materialien oder<br />

Komponenten in die Fertigung einfließen. Eine Dynamisierung hilft, den daraus<br />

entstehenden Prüfaufwand herabzusetzen. Hierbei wird nach mehreren fehlerfreien<br />

Lieferungen eines Artikels von einem Lieferanten die Prüfung reduziert. Im<br />

Fall eines festgestellten Fehlers kann diese wieder verschärft werden.<br />

Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong> kann in der Fertigung auf die Ergebnisse der Wareneingangsprüfung<br />

zugegriffen werden. Die Daten, aus welchem Wareneingang<br />

die einfließenden Materialen bzw. Komponenten stammen, stellt die Material- und<br />

Produktionslogistik zur Verfügung. Sollten während der Produktion Probleme auftreten,<br />

welche auf einen mangelhaften Wareneingang zurückzuführen sind, kann<br />

das <strong>MES</strong> sofort Maßnahmen ergreifen, um die Prüfung der Zulieferungen zu verschärfen.<br />

Wenn Lieferungen, resultierend aus der Wareneingangsprüfung, zurückgewiesen<br />

werden, besteht im <strong>MES</strong> die Möglichkeit der direkten Erstellung einer Lieferantenreklamation.<br />

Umgekehrt kann bei einem Wareneingang anhand der aktuellen und historischen<br />

Lieferantenreklamationen sofort geprüft werden, ob die Lieferung als potenziell<br />

kritisch einzustufen ist. Eine Benachrichtigung sorgt für die nötige Sensibilisierung<br />

der Mitarbeiter.


8.3.3 Fertigungsbegleitende Qualitätssicherung<br />

8.3 Integrierte Qualität 183<br />

Um sicherzustellen, dass der Fertigungsprozess qualitätsfähig und beherrscht ist,<br />

wird meist eine statistische Prozessregelung eingesetzt. Alternativ kann auch die<br />

zufällige Stichprobenprüfung, die sog. Annahmestichprobenprüfung Anwendung<br />

finden. Beiden Methoden ist gemein, dass sie durch statistische Berechungen Aussagen<br />

über die aktuelle Qualitätslage des Fertigungsprozesses liefern. Diese können<br />

verwendet werden, um im Bedarfsfall mit Hilfe von Fehleranalysen und den<br />

daraus abgeleiteten Korrektur- und Abstellmaßnahmen den Produktionsprozess direkt<br />

zu beeinflussen. Die Prüfungen dienen damit als Grundlage von Regelkreisen,<br />

welche einen abgeschlossenen Wirkungsablauf darstellen, um innerhalb eines<br />

Prozesses ein Qualitätsprodukt zu erzeugen.<br />

Gerade in der fertigungsbegleitenden Prüfung bringt der Einsatz eines <strong>MES</strong> gegenüber<br />

monolithischen Standardprodukten wesentliche Vorteile. So werden<br />

durch eine entsprechende Kennzeichnung qualitätsrelevanter Objekte (Artikel,<br />

Arbeitsgänge, Lose) bedarfsgerecht Funktionen und Anzeigen des Qualitätsmanagements<br />

aktiviert. Die Zusammenführung von Fertigungs- und Qualitätsmanagement<br />

durch ein <strong>MES</strong> ermöglicht eine einheitliche Sichtweise auf den Herstellungsprozess.<br />

Statt der bisherigen Teilung von produktiven Arbeitsgängen und<br />

Prüfschritten entsteht durch eine uniforme Betrachtung ein planbares und transparentes<br />

Gesamtgebilde. Dabei kann ein Fertigungsauftrag mehrere Arbeitsgänge<br />

unterschiedlicher Ausprägung enthalten.<br />

Fertigungsauftrag 34581<br />

Arbeitsgang 0100 0100<br />

Drehen Drehen<br />

ADE: Startdatum: 21.03.2005<br />

Durchlaufzeit: 18,5Std<br />

Prioriät: 3<br />

Arbeitsgang 0200 0200<br />

Oberflächenveredelung<br />

ADE: Startdatum: 23.03.2005<br />

Durchlaufzeit: 103 Std.<br />

Prioriät: 3<br />

Arbeitsgang 0250 0250<br />

Laborprüfung<br />

Sollmenge: 2200<br />

Gutmenge: 2212<br />

Ausschuss: 78<br />

CAQ: Durchmesser: 20mm ± 3mm<br />

Breite: 12,3cm ± 0,3cm<br />

Grat: i.O. / n.i.O.<br />

Sollmenge: 2200<br />

Gutmenge: 2203<br />

Ausschuss: 9<br />

Sollmenge: 2200<br />

Gutmenge: 2198<br />

Ausschuss: 5<br />

CAQ: Schichtdicke 5µm ± 1µm<br />

Kohlenstoffgehalt 0,5% ± 0,04%<br />

Oberfläche i.O. / n.i.O.<br />

Abb. 8.4. Aufträge mit produktions- und prüfungsrelevanten Arbeitsgängen


184 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

Sie können entweder produktiv, prüfend oder produktiv und prüfend sein.<br />

Durch diese Aufteilung entsteht eine einheitliche Basis für Planung, Abarbeitung,<br />

Verbuchung und Auswertung.<br />

Die Ergebnisse der Qualitätsprüfung können dabei nachfolgende Arbeitsgänge<br />

beeinflussen. So kann zum Beispiel bei mangelhaften Merkmalen ein Nacharbeitsschritt<br />

erforderlich werden. Ebenso kann der Prüfentscheid Auswirkungen auf die<br />

Verwendung der entstandenen Halb- oder Fertigprodukte haben.<br />

Weitere Vorteile der Integration von Fertigungs- und Qualitätsmanagement<br />

durch ein <strong>MES</strong> sind nachfolgend aufgelistet:<br />

− Gut- und Ausschussmengen werden einheitlich zurückgemeldet und bewertet,<br />

unabhängig davon, ob die Klassifizierung fertigungs- oder qualitätsbegründet<br />

erfolgte. Einzelne <strong>System</strong>e haben immer wieder Probleme bei der unterschiedlichen<br />

Handhabung.<br />

− In allen Anzeigen und Reports können gleichzeitig der Auftragsfortschritt und<br />

entsprechend die Auftragsqualität visualisiert werden.<br />

− Bei der fertigungsnahen Datenerfassung an der Maschine sind alle relevanten<br />

Daten auf einen Blick ersichtlich. Neben den aktuellen Stückzahlen werden<br />

auch Informationen über anstehende Prüfungen und aufgetretene Grenzwertverletzungen<br />

visualisiert. Der Anwender wird durch farblich hervorgehobene Anzeigen<br />

auf qualitätskritische Informationen gezielt hingewiesen.<br />

− Auch bei der intervallgesteuerten Prüfung stehen alle Auftragsdaten direkt und<br />

ohne Umwege zur Verfügung. Mit dem direkten Zugriff auf die Produktionsmengen<br />

ergeben sich produktionsnahe Stückintervalle.<br />

− Bei Zeitintervallen kann die Berücksichtigung des Maschinenstatus zum Aussetzen<br />

der Prüfung führen. Damit werden realistische Zeitintervalle erreicht,<br />

welche bei getrennter Auftrags-, Maschinen- und Qualitätsdatenerfassung so<br />

nicht realisierbar wären.<br />

− Eine entsprechende Anbindung vorausgesetzt, kann bei einer Verschlechterung<br />

der Qualitätslage Einfluss auf die Maschine ausgeübt werden. Wird zum Beispiel<br />

bei einer automatisierten Qualitätsprüfung eine Eingriffsgrenze verletzt,<br />

kann dies zum Maschinenstillstand führen.<br />

8.3.4 Optimierung der Prüfmittelüberwachung<br />

Der Einsatz eines Prüfmittelmanagements ist nötig, um sicherzustellen, dass in<br />

Unternehmen nur Messmittel eingesetzt werden, welche eindeutig gekennzeichnet<br />

sind. Diese müssen kontrolliert und freigegeben sein. Durch eine Prüfung wird<br />

gewährleistet, dass das Messmittel den Vorgaben des Herstellers entspricht. Die<br />

Messwerte müssen in einem definierten Toleranzbereich liegen. Die aus der Prüfung<br />

resultierenden Ergebnisse müssen reproduzierbar sein. Sollte die ermittelte<br />

Messungenauigkeit nicht mit den Qualitätsforderungen vereinbar sein, muss das<br />

Prüfmittel gesperrt werden.<br />

Das <strong>MES</strong> unterstützt den Anwender bei der Verwaltung und Überwachung seiner<br />

Prüfmittel. Durch die Tatsache, dass auch die Prüfungen im <strong>MES</strong> erfolgen,


8.3 Integrierte Qualität 185<br />

stehen alle Informationen über die Einsatzhäufigkeit zur Verfügung. Diese können<br />

zum Beispiel für die Ermittlung von verschleißabhängigen Kalibrierintervallen<br />

verwendet werden. Eine Überwachung der Fälligkeit kann bei stückbezogenen<br />

Kalibrierintervallen zeitnah und direkt an der Maschine erfolgen.<br />

Sollte ein Messmittel während des Einsatzes fällig werden, so wird der Prüfer<br />

direkt benachrichtigt. Eine weitere Verwendung des fälligen Prüfmittels wird optional<br />

unterbunden. Durch die Integration des Qualitätsmanagements können<br />

Messmittel bei Bedarf vor Ort kalibriert werden. Diese Handhabung ist vorwiegend<br />

bei unbeweglichen Prüfmitteln, wie zum Beispiel Messmaschinen sinnvoll.<br />

8.3.5 Transparentes Reklamationsmanagement<br />

Eine Reklamation ist immer das Ergebnis schlechter Qualität. Sei es durch fehlerhafte,<br />

unzureichende Information oder durch ungenügende Produktqualität. Dabei<br />

spielt es keine Rolle, ob es sich um eine interne, Kunden- oder Lieferantenreklamation<br />

handelt.<br />

Das Reklamationsmanagement des <strong>MES</strong> unterstützt bei der Erfassung und der<br />

Bearbeitung von Reklamationen. Ferner werden ergriffene Sofort- und Korrekturmaßnahmen<br />

überwacht. Das <strong>System</strong> ist dem Anwender bei der Fehleranalyse behilflich.<br />

Selbstverständlich stehen alle einer Reklamation zugeordneten Daten,<br />

einschließlich der Kosten, späteren Auswertungen zur Verfügung.<br />

Bewährte Abläufe werden durch die workflow-gestützte Bearbeitung von Reklamationen<br />

berücksichtigt. Gleichzeitig wird die Bearbeitung einer Reklamation<br />

lückenlos dokumentiert. Durch den Funktionsumfang des <strong>MES</strong> ergeben sich gegenüber<br />

monolithischer Standardsoftware zusätzliche Synergien. Bei bestimmten<br />

Störgründen einer Maschine wird automatisch eine interne Reklamation erzeugt.<br />

Durch die eingeleitete Fehleranalyse mit den daraus resultierenden Maßnahmen<br />

können zukünftig gleichartige Fehler vermieden oder zumindest minimiert werden.<br />

Abb. 8.5. Beispiel für eine strukturierte Fehleranalyse


186 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

Auch das integrierte Eskalationsmanagement eröffnet neue Möglichkeiten. Bei<br />

der Anlage einer Reklamation eines Artikels, für den geplante Fertigungsaufträge<br />

vorliegen, kann der Qualitätsverantwortliche benachrichtigt werden, um durch geeignete<br />

Maßnahmen präventiv Folgereklamationen auszuschließen.<br />

8.4 Dokumentierte Qualität<br />

Der sinnvolle Umgang mit der Ware „Information“ ist ein zunehmend wichtiger<br />

Faktor für die Wettbewerbsituation im Markt. Immer mehr Unternehmen sehen<br />

daher in ihrer Dokumentation ein wesentliches Qualitätskriterium der eigenen<br />

Produkte. Verstärkte Bedeutung hat die Anforderung, entscheidende Informationen<br />

ohne großen Zeitverlust und Kostenaufwand sofort abrufen zu können. Dies<br />

ist insbesondere bei Reklamationen, Produkthaftungen, Lieferanten- und Kundengesprächen<br />

von Interesse. Die breite Datenbasis eines <strong>MES</strong>, geschaffen durch die<br />

Interaktion verschiedener Module, ermöglicht den Unternehmen eine effektive<br />

Bearbeitung der jeweiligen Aufgaben.<br />

Die Interpretation des Begriffs „Dokumentation“ hinsichtlich der Qualitätssicherung<br />

ist dabei vielschichtig. Grundsätzlich ist darunter die effiziente und lückenlose<br />

Erfassung, Verwaltung, Archivierung und Aufbereitung von qualitätsrelevanten<br />

Daten zu verstehen.<br />

Bei genauerer Betrachtung ergeben sich verschiedene Aspekte des Begriffs<br />

„Dokumentierte Qualität“. Einerseits geht es um den zentralen Zugriff auf Belege,<br />

welche in den unterschiedlichen Bereichen der Qualitätssicherung benötigt werden<br />

oder dort entstehen. Zu beachten ist, dass diese Dokumente keinesfalls ausschließlichen<br />

Qualitätsbezug haben müssen. Vielmehr geht es auch um den Zugriff auf<br />

Informationen aus Abteilungen außerhalb dieses Fachbereichs, den „qualitätsfernen“<br />

Abteilungen. Umgekehrt müssen Dokumente, welche in der Qualitätssicherung,<br />

z. B. durch die Erfassung von Messwerten, entstehen, übergreifend zur Verfügung<br />

gestellt werden. Der Einsatz eines <strong>MES</strong> ermöglicht die gegenseitige<br />

Informationsbereitstellung in geeigneter Art und Weise. Entscheidend ist dabei die<br />

Vernetzung innerhalb eines <strong>MES</strong> (horizontale Integration), denn der effiziente Datenzugriff<br />

verschlechtert sich mit der Anzahl der installierten <strong>System</strong>e aus denen<br />

diese stammen.<br />

Zusätzlich sind die direkt mit den Qualitätsdaten in Korrelation stehenden Informationen<br />

einzubeziehen. Dabei sind im Vorfeld die Einflussgrößen zu ermitteln,<br />

welche für die Dokumentation der Qualitätssicherung von Bedeutung sind.<br />

Umgekehrt muss die Auswirkung von Änderungen der eigentlichen Qualitätsdaten<br />

auf „qualitätsferne“ Unternehmens- und Produktprozesse berücksichtigt werden.<br />

Eine besondere Bedeutung kommt der Traceability zu. Diese ist hinsichtlich der<br />

Produkthaftung, insbesondere der seit 1990 gültigen Gesetzgebung mit der Neuerung<br />

der Beweisumkehr, der Haftungsdauer von 10 Jahren und dem erweiterten<br />

Produktbegriff wichtig. Hinzu kommt dass seit dem 1. August 2002 gültige Gesetz<br />

zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, welches auch Schmerzensgeldansprüche<br />

in die Produkthaftung einbezieht.


8.4 Dokumentierte Qualität 187<br />

Ein weiterer Grund zur Einführung eines Traceability-Managements ist die<br />

Verordnung (EU) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und Rates. Diese<br />

besagt, dass bis zum 01. Januar 2005 alle Betriebe der Lebensmittelbranche ein<br />

<strong>System</strong> zur Rückverfolgbarkeit implementieren müssen.<br />

8.4.1 Vernetzung von Informationen<br />

In der Qualitätsdatenerfassung eines <strong>MES</strong> kann sowohl auf Auftragsdokumente,<br />

Werkzeug- und Maschineninformationen als auch auf Daten bzgl. der Fertigungsplanung<br />

zugegriffen werden. Dadurch wird der beschränkte Informationsabruf einer<br />

Insellösung „Qualitätssicherung“ durchbrochen. Die geplante Fertigungsdauer<br />

und damit der Fertigstellungstermin sind ebenso abrufbar wie der Fertigstellungsgrad<br />

des aktuellen Auftrags. Des Weiteren hat der Prüfer Einsicht in hinterlegte<br />

Arbeitspläne und damit einen Überblick über den nachfolgenden Fertigungsprozess.<br />

Nur dieser umfassende Zugriff auf alle relevanten Informationen ermöglicht<br />

bei Qualitätsproblemen die Einleitung der richtigen Maßnahmen. Bei Schwachstellen,<br />

welche z. B. auf Werkzeugverschleiß zurückzuführen sind, kann sofort<br />

ermittelt werden, ob ein Ersatzwerkzeug vorhanden ist oder eine komplette Umrüstung<br />

auf ein anderes Produkt erforderlich wird. Durch den globalen Zugriff auf<br />

die Information der nächsten geplanten Maschinenwartung kann sofort entschieden<br />

werden, diese vorzuziehen. Ein <strong>MES</strong> liefert alle erforderlichen Information in<br />

der notwendigen Aktualität.<br />

Das <strong>MES</strong> ermöglicht jedem Anwender den Zugriff auf die für ihn relevanten<br />

Daten. Dokumente müssen nur einmal erstellt und anschließend lediglich mit den<br />

einzelnen Funktionsbausteinen vernetzt werden. Dadurch entfällt eine redundante<br />

Pflege und Zuweisung. Eine Artikelzeichnung kann zum Beispiel zentral beim Artikelstamm<br />

hinterlegt werden und steht allen <strong>MES</strong>-Modulen zur Verfügung. Sowohl<br />

bei Erfassung von Messwerten im Prüflabor als auch bei den Arbeitsgang-<br />

und Auftragsinformationen an der Maschine kann auf dieses zentral hinterlegte<br />

Dokument zurückgegriffen werden.<br />

8.4.2 Qualitätsdaten zielgerecht nutzen<br />

Es wird immer wichtiger, Informationen aus verschiedenen Unternehmensbereichen<br />

in einer übersichtlichen Form bereitzustellen und funktional zu verknüpfen.<br />

Der ausschließliche Zugriff auf Qualitätsdaten reicht nicht mehr aus. Der<br />

Zugriff auf alle Daten ermöglicht die Rückverfolgung von Qualitätsdaten bis zum<br />

Entstehungszeitpunkt. Reibungsverluste werden minimiert, da alle Berechtigten<br />

die Informationen zu jeder Zeit von jedem Ort abrufen können. Neben den Qualitätsmanagern<br />

können alle anderen Abteilungen, vom Einkauf und der Entwicklung<br />

bis hin zum Servicemitarbeiter beim Kunden, auf einer einheitlichen Datenbasis<br />

arbeiten. Dadurch ist die notwendige Flexibilität, insbesondere der funktionalen<br />

Verknüpfung, ohne Zusatzkosten gewährleistet.


188 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

Ein Beispiel hierfür ist die Einbeziehung des Mitarbeiterführerscheins aus dem<br />

Personalmanagement. Reichte früher die Dokumentation „Wer hat was geprüft“<br />

aus, wird es heute immer wichtiger, die notwendige Prüferqualifikation zu berücksichtigen.<br />

Unter der Einbeziehung des Mitarbeiterführerscheins ist es möglich,<br />

Prüfungen von Personen, welche nicht die notwendige Qualifikation besitzen, zu<br />

unterbinden. Unter Berücksichtigung der Gültigkeitskriterien besteht sogar die<br />

Möglichkeit zu kontrollieren, ob der Prüfer einen bestimmten Artikel in den letzten<br />

Monaten häufig genug geprüft hat, um die Qualifikation zur Prüfung dieses<br />

Artikels weiterhin zu behalten. Gegebenenfalls muss die Qualifikation neu erbracht<br />

werden.<br />

Eine klassische Dokumentation von Qualitätsdaten sind die Prüfbescheinigungen<br />

nach der EN 10204, wie z. B. das Abnahmeprüfzeugnis 3.1, 3.2<br />

und das Werksprüfzeugnis 2.1, 2.2. Seitens der Kunden besteht sehr häufig die<br />

Anforderung nach speziellen Zertifikaten mit erweitertem Inhalt. Die Form und<br />

der Inhalt können dabei von Kunde zu Kunde variieren. Oft beschränkt sich die<br />

Vereinbarung darauf, dass z. B. im Reklamationsfall ein Zertifikat mit den gewünschten<br />

Informationen zur Verfügung gestellt werden muss. Spätestens bei der<br />

Ausweitung des Inhalts auf relevante Daten von zugehörigen Prozessmerkmalen<br />

gibt es meistens Probleme. Nicht so beim Einsatz eines <strong>MES</strong>. Hier sind die geforderten<br />

Dokumente vom Inhalt flexibel gestaltbar und können an Kundenanforderungen<br />

angepasst werden.<br />

Die Einbeziehung aller qualitätsrelevanten Ereignisse, welche die Produktqualität<br />

beeinflussen, stellt eine Erweiterung der klassischen Dokumentation dar.<br />

Darunter fällt die Verbindung von Produktions- und Qualitätsdaten. Einen großen<br />

Einfluss auf die entstehende Produktqualität haben Störungen, welche während<br />

des Entstehungsprozesses auftreten. Gleiches gilt für die Kennwerte der Prozess-,<br />

Maschinen- und Werkzeugparameter. Insgesamt können fünf Ursachengruppen<br />

für abweichende Qualität verantwortlich sein:<br />

− der Mensch als Bedien- und Prüfpersonal,<br />

− das eingesetzte Material als Ergebnis eines vorgelagerten Fertigungsprozesses,<br />

− die Maschine mit der elementaren Einflussgröße Werkzeug,<br />

− die Methode, welche maßgebend das Zusammenspiel von Mensch und Maschine<br />

bestimmt und<br />

− die Mitwelt mit verschiedenen Umgebungseinflüssen, wie z. B. Temperatur<br />

und Staub.<br />

Ein Beispiel für die Bedeutung der Einflussgröße „Werkzeug“ ist die Gefahr der<br />

Lunkerbildung bei Unterschreitung einer vorgegebenen Werkzeugtemperatur. Auf<br />

Grund der Abhängigkeit der Produktqualität von den vielfältigen Einflussgrößen<br />

der genannten Ursachengruppen kommt der Verknüpfung aller Informationen eine<br />

große Bedeutung zu. Dies verdeutlicht die, im Rahmen der Produkthaftung erforderliche,<br />

lückenlose Dokumentation des Teilelebenslaufs, welcher Bestandteil eines<br />

<strong>MES</strong> ist.<br />

Im Teilelebenslauf müssen zu den bekannten Einflussgrößen noch weitere Informationen<br />

enthalten sein. Es sind grundsätzlich alle wichtigen Ereignisse, von


8.4 Dokumentierte Qualität 189<br />

der Zeichnungserstellung bis zur Verschrottung der Werkzeuge, aufzuführen. Bei<br />

Änderungen sind diese zu beschreiben und zu begründen. Mögliche Inhalte eines<br />

Teilelebenslaufs sind:<br />

− das Datum der Bemusterung und der Beginn der Serienlieferung,<br />

− Angaben zur Werkzeugreparatur,<br />

− zu Prozessoptimierungen,<br />

− zu Indexänderungen und<br />

− der Verwendung neuer Werkstoffe.<br />

Bei komplexen Produkten, wie Maschinen oder Autos, kommt zur historischen<br />

Betrachtung noch die Anforderung, Ereignisse nach der Produktfertigstellung in<br />

den Teilelebenslauf zu integrieren. Wird ein sicherheitsrelevantes Bauteil ausgetauscht,<br />

muss auf Grund der Rückverfolgbarkeit im Rahmen der Produkthaftung<br />

diese Änderung dokumentiert werden. Um im Schadensfall die richtigen Maßnahmen<br />

ergreifen zu können, wird festgelegt, wer bei welchen Ereignissen aktiv<br />

werden muss. Tritt der Schadensfall ein, ist eine Terminüberwachung aller Aktivitäten<br />

gefordert. Diese sind wiederum in den Teilelebenslauf zu integrieren.<br />

Keinesfalls dürfen die in einem Teilelebenslauf dokumentierten Änderungen<br />

von qualitätsrelevanten Daten isoliert betrachtet werden. Vielmehr gilt es zu berücksichtigen,<br />

dass jede Änderung auch Auswirkungen auf andere Unternehmensbereiche<br />

bzw. Prozesse haben kann. Während in einer monolithischen Qualitätssicherung<br />

die Gefahr besteht, dass diese unerkannt bleiben oder sich nicht<br />

notwendigerweise automatisch auf andere Bereiche auswirken, gewährleistet ein<br />

<strong>MES</strong> die sofortige Informationsweiterleitung. Allen Unternehmensbereichen stehen<br />

die geänderten Inhalte bzw. Dokumente unmittelbar zur Verfügung. Folgekosten,<br />

verursacht durch eine verzögerte Einbeziehung geänderter und qualitätsrelevanter<br />

Daten, werden vermieden. Eine nachträglich erforderliche Korrektur von<br />

Messwerten kann den Prüfentscheid und damit den Qualitätsstatus des zugehörigen<br />

Produktionsloses beeinflussen. Das <strong>MES</strong> unterbindet in diesem Fall eine Weiterverarbeitung<br />

des gesperrten Loses in allen nachgelagerten Produktionsprozessen.<br />

Alle Lose, in welches das gesperrte Los bereits eingeflossen ist, werden<br />

ebenfalls gesperrt und eine Auslieferung wird verhindert. Im schlimmsten Fall<br />

müssen bereits versandte Produkte im Rahmen einer Rückrufaktion aus dem Umlauf<br />

gebracht werden. Um den Schaden und die damit verbundenen Kosten zu begrenzen,<br />

sind die Automatismen eines <strong>MES</strong> nötig. Durch den übergreifenden<br />

Zugriff auf alle relevanten Daten kann schnell und effektiv reagiert werden.<br />

Ähnliche Auswirkungen haben die im Rahmen einer Prüfmittelkalibrierung oder<br />

Maschinen-/Werkzeugwartung festgestellten unzulässigen Abweichungen. Die<br />

mit diesem Prüfmittel dokumentierten Ergebnisse können auf falsch erfassten<br />

Messwerten basieren. Auch in diesem Fall müssen die Produktionslose, bei welchen<br />

das Prüfmittel zum Einsatz kam, gesperrt oder mit einem Weiterverarbeitungshinweis<br />

versehen werden. Sofern die festgestellten unzulässigen Abweichungen<br />

nicht korrigiert werden können, ist das Objekt zu sperren und steht damit<br />

nicht mehr als Ressource zur Verfügung. Mit der Sperrung muss durch das <strong>MES</strong><br />

sofort überprüft werden, ob diese bereits in zukünftigen Fertigungsaufträgen ver-


190 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

plant ist. Stehen keine Alternativressourcen zur Verfügung muss umgeplant werden.<br />

Auch die im Rahmen einer Reklamation ermittelten Fehlerursachen können direkte<br />

Auswirkungen auf die aktuelle oder anstehende Fertigung haben. Wird als<br />

Fehlerursache ein falsch zugewiesenes DNC Programm oder eine nicht durchgeführte<br />

Wartung ermittelt, sind umgehend entsprechende Maßnahmen einzuleiten.<br />

Gegebenenfalls sind die aktuellen Maschineneinstellungen und die eingesetzten<br />

Werkzeuge zu überprüfen. Wichtig ist, dass die Überprüfungsprozesse schnell angestoßen<br />

werden und weitestgehend automatisiert ablaufen, wodurch Folgekosten<br />

vermieden werden. Dazu trägt auch der Einsatz des <strong>MES</strong> übergreifenden Eskalationsmanagements<br />

bei. Diese ermöglicht bei der Anlage einer Reklamation die automatische<br />

Überprüfung, ob für den reklamierten Artikel geplante oder aktuelle<br />

Fertigungsaufträge vorliegen. Ist die Überprüfung positiv, erfolgt eine Benachrichtigung<br />

des Fertigungsleiters oder des Planungsverantwortlichen. Bei der Zuweisung<br />

bestimmter Fehlerursachen oder Maßnahmen kann wiederum eine Eskalation<br />

mit automatischer Benachrichtigung ausgelöst werden. Bei nicht erfolgter Bestätigung<br />

des Nachrichtenempfangs werden automatisch weitere Personen, zum Beispiel<br />

Stellvertreter, informiert.<br />

Diese Beispiele verdeutlichen die Auswirkung der Änderung qualitätsrelevanter<br />

Daten oder Entscheide auf andere Unternehmensbereiche und Prozesse und offenbaren<br />

die Notwendigkeit eines <strong>MES</strong> als Integrationsplattform für frühere Insellösungen.<br />

8.4.3 Traceability<br />

Zur Rückverfolgbarkeit müssen alle Lose bzw. Chargen oder sogar einzelner Produkte<br />

eindeutig gekennzeichnet werden. Dies ist über alle Herstellungsphasen und<br />

logistischen Prozessen aufrecht zu erhalten. Nur dadurch ist die Ermittlung der<br />

Herkunft von Produkten entlang der Wertschöpfungskette möglich.<br />

Abb. 8.6. Tracing


8.4 Dokumentierte Qualität 191<br />

Die Traceability beinhaltet neben der Rückverfolgung („Tracing“) auch die<br />

Verfolgung („Tracking“) eines Produkts im Entstehungs-/Lieferprozess, was die<br />

Verbindung des Informationsflusses mit dem physischen Warenfluss voraussetzt.<br />

Lager / Materialpuffer<br />

Auftrag 1 AVO 100<br />

Abb. 8.7. Tracking<br />

Lager / Materialpuffer<br />

Auftrag 1 AVO 200<br />

Auftrag 2 AVO 100<br />

Auftrag 3 AVO 100<br />

Auftrag 1 AVO 300<br />

Warenausgang<br />

Die Gründe für die Einführung einer Traceability sind gesetzliche Vorschriften<br />

im Rahmen der Produkthaftung sowie allgemeine Kundenforderungen. Nicht nur<br />

unter dem Gesichtspunkt gesetzlicher Vorschriften gewinnt die Traceability an<br />

Bedeutung. Sie wird auch hinsichtlich der Produktionskostensenkung immer<br />

wichtiger, was sie zunehmend zu einem strategischen Unternehmensfaktor macht.<br />

In vielen Firmen sind Qualitätssicherungssysteme in Form einer Insellösung etabliert.<br />

Diese sind jedoch für eine vollkommene Rückverfolgbarkeit nicht ausreichend,<br />

was im Schadensfall zu Problemen führen kann. Verbunden mit den gesetzlichen<br />

Vorschriften ist die Einführung eines Traceability-<strong>System</strong>s unentbehrlich.<br />

Die Unterstützung der Anwender zur Bewältigung dieser Anforderung<br />

ist die elementare Aufgabe eines <strong>MES</strong>. Anders ausgedrückt: <strong>MES</strong> ist die Sicherstellung<br />

der Traceability von Produkten.<br />

In einem Traceability-<strong>System</strong> werden alle Details einer Produktentstehung<br />

rückverfolgbar dokumentiert. Dazu gehören Informationen aus allen Modulen eines<br />

<strong>MES</strong>, z. B.:<br />

− einfließende und entstehende Lose bzw. Chargen,<br />

− materialbeschreibende Los- und Chargenattribute (z. B. Gewicht, Länge, Klebstellen,<br />

Herstellungsdatum, Verfallsdatum),<br />

− verwendete Betriebsstoffe,


192 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

− eingesetzte Maschinen,<br />

− ermittelte Prozessdaten,<br />

− am Fertigungsprozess beteiligte Personen,<br />

− verwendete Werkzeuge,<br />

− Reparaturen von Maschinen und Werkzeugen,<br />

− Qualitätsdaten (z. B. Messwerte, verwendete Prüfmittel und Prüfentscheide.<br />

Vom Wareneingang über die Zwischenprodukte/Halbfabrikate bis zum Endprodukt,<br />

Bemusterungen) werden alle Vorgänge im <strong>System</strong>hintergrund erfasst.<br />

Zentrale Bedeutung haben hierbei die Los- bzw. Produktverfolgung, die Prozessabbildung,<br />

die Dokumentation der Teileverwendung und die Verbindung aller<br />

qualitätsrelevanten Daten.<br />

Bei der Gesamtbetrachtung wird der Nutzen eines Traceability-<strong>System</strong> deutlich.<br />

Durch seinen Einsatz kann dort aktiv in den Prozess eingegriffen werden, wo<br />

Fehler entstehen. Dies wird durch die ausführliche Dokumentation, Überwachung<br />

und Visualisierung des gesamten Fertigungsprozesses möglich. Hinzu kommt die<br />

Vernetzung der Produktionsprozesse mit den Produktionssystemen.<br />

Nur der Einsatz eines <strong>MES</strong> schafft die notwendige Datenvernetzung, wodurch<br />

die Anforderungen an alle Anforderungen erfüllt werden. Traceability ist mehr als<br />

pure Qualitätssicherung und bringt entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />

unmittelbare wirtschaftliche Vorteile. Prozesse können optimiert, die Durchlaufund<br />

Prüfungszeiten der Produkte reduziert werden.<br />

8.5 Analysierte und bewertete Qualität<br />

Heute ist es wichtiger denn je, entscheidungsrelevante Informationen in einer übersichtlich<br />

aufbereiteten Form zu erhalten. Auswertungen und Analysen in Echtzeit<br />

liefern wichtige Informationen, um fundierte Entscheidungen oder Maßnahmen<br />

im täglichen betrieblichen Ablauf zeitnah zu treffen. Für jede Unternehmensebene<br />

(vom Einkauf, Verkauf, Produktion bis hin zur obersten Managementebene)<br />

müssen die Daten schnell und zielgerichtet zur Verfügung stehen.<br />

In den Zeiten der globalen Informationsbeschaffung spielt die isolierte Betrachtung<br />

und Analyse von Qualitätsdaten nur eine untergeordnete Rolle. Dies bedeutet<br />

nicht, dass die statistischen Kennwerte und Analysen von reinen Qualitätsdaten<br />

nicht mehr wichtig sind. Sie werden weiterhin benötigt, bilden sie doch oft die<br />

Grundlage übergreifender Bewertungen. Um immer kürzer werdende Produktzyklen<br />

zu realisieren, Prozesse zu optimieren und dem Wettbewerb stets einen Schritt<br />

voraus zu sein, müssen jedoch alle Bewertungspotenziale ausgeschöpft werden.<br />

Auf schnell ändernde Rahmenbedingungen muss flexibel reagiert werden können.<br />

Monolithische Standardprodukte mit fest definierten Integrationspunkten haben<br />

hier ihre Grenzen schnell erreicht. Notwendige Erweiterungen der Schnittstellen<br />

müssen, abgesehen von der nicht vorhandenen Flexibilität, teuer erkauft werden.<br />

Ein integriertes <strong>System</strong> bietet die geforderte Flexibilität, da es von seiner<br />

Grundstruktur her bereits Zugriff auf alle Daten aus „qualitätsfernen“ Bereichen,<br />

wie z. B. Maschinen-, Werkzeug-, Personal- und Prozessdaten ermöglicht. Die In-


8.5 Analysierte und bewertete Qualität 193<br />

formationsgewinnung im Unternehmen wird verbessert, bildet die Grundlage für<br />

Prozessoptimierungen und den zukünftigen Unternehmenserfolg.<br />

8.5.1 Verbesserungspotenziale in der Fertigung<br />

Die Qualität von Produkten wird von vielen Faktoren beeinflusst. Eine ausschließliche<br />

Analyse der Qualitätsdaten durch<br />

− Regelkarten,<br />

− statistische Kennwerte,<br />

− Verteilungstests,<br />

− Fehlerschwerpunkte,<br />

− Reklamationen,<br />

− Prüfmittelkalibrierungen, etc.<br />

trägt nur einen kleinen Teil zur Verbesserung des Fertigungsprozesses und der<br />

Produktqualität bei. Das Optimierungspotenzial wird damit nicht vollständig ausgeschöpft.<br />

Entscheidend ist die Einbeziehung der externen Einflussgrößen, auch<br />

als „qualitätsferne“ Parameter bezeichnet. Dazu gehört<br />

− die Erfassung und Verarbeitung von Prozessdaten,<br />

− das Betriebsmittelmanagement,<br />

− das Materialmanagement und<br />

− das Personalmanagement.<br />

Mit einem vertretbaren Aufwand und geringen Kosten gelingt dies durch den<br />

Einsatz eines <strong>MES</strong>. Während in einem CAQ-<strong>System</strong> die Ermittlung von Korrelationen<br />

innerhalb der Produktmerkmale ohne großen Aufwand durchführbar ist,<br />

stoßen diese bei der Einbeziehung von Prozessmerkmalen schnell an ihre Grenzen.<br />

Dabei beinhaltet gerade die übergreifende Analyse von Produkt- und Prozessmerkmalen<br />

ein erhebliches Verbesserungspotenzial. Der Druck oder die Temperatur<br />

einer Maschine kann bestimmte Produktmerkmale maßgebend beeinflussen.<br />

Wird eine derartige Abhängigkeit anhand einer übergreifenden Korrelationsanalyse<br />

erkannt, kann die Fehlerquote durch eine Überwachung des<br />

Drucks oder der Temperatur nachhaltig gesenkt werden. Es ist denkbar, dass<br />

durch die automatische Überwachung das Prüfintervall von Produktmerkmalen<br />

verlängert werden kann, wodurch Prüfkosten eingespart werden.<br />

Die übergreifende Analyse der Maschinendaten ermöglicht eine zusätzliche<br />

Optimierung des Fertigungsprozesses. Durch die Auswertung der Stillstandsgründe<br />

oder des Nutzungsgrads, bezogen auf die dort produzierten Artikel und Artikelgruppen,<br />

kann die für die Fertigung jeweils optimale Maschine ermittelt werden.<br />

Betrachtet man die maschinenbedingten Stör- und Ausschussgründe hinsichtlich<br />

der während der Prüfung festgestellten Produktfehler und Fehlerursachen,<br />

ist eine weitere Verbesserung möglich. Neben der Untersuchung der<br />

Durchlaufzeit gibt es weitere „qualitätsferne“ Faktoren, welche die Wertschöpfung<br />

optimieren können.


194 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

Ein weiteres Beispiel für die Vorteile eines umfassend vernetzten Datenpools<br />

ist die nestbezogene und nestvergleichende Analyse unter Einbeziehung der gesamten<br />

Werkzeughistorie. Dadurch wird erkennbar, wie sich Reparaturen/Wartungen<br />

einzelner Nester auf die Produktqualität auswirken bzw. ob einzelne Nester<br />

bei der Wartung/Reparatur häufig nachgearbeitet werden müssen.<br />

Ein Vorteil eines <strong>MES</strong> ist, dass für Analysen die notwendigen Daten aus allen<br />

Bereichen schnell, zielgerichtet und kostengünstig zur Verfügung stehen. Da die<br />

gesamte Datenerfassung und Verarbeitung auf einheitlichen Stammdaten beruht,<br />

gelten diese Auswertungen als gesichert. Es gibt keine doppelte Stammdatenpflege<br />

von z. B. Ausschuss- und Störgründen, Fehlerarten, Fehlerursachen. Dadurch<br />

besteht nicht die Gefahr, dass Fehler im Qualitätsmanagement und im Rahmen<br />

der Störgrundzuweisung in der Maschinendatenerfassung doppelt oder<br />

unvollständig erfasst und getrennt analysiert werden. Ohne diese einheitliche Betrachtung<br />

ist es schwierig, eine klare Struktur zur Ermittlung der Anzahl von Ausschussteilen<br />

zu definieren.<br />

8.5.2 Aus Reklamationen lernen<br />

Für eine umfassende Reklamationsanalyse ist es unerlässlich, dass auch auf die<br />

Werkzeugdaten (Wartungsergebnisse und Reparaturen) sowie auf die Maschinenauswertungen<br />

(z. B. Stör-, Ausschuss-, Maschinenstillstandsgründe) zurückgegriffen<br />

werden kann. Es ist wichtig zu klären, ob es während des Produktionszeitraums<br />

Schwierigkeiten an der Maschine gegeben hat oder aufgrund von<br />

Problemen ein Werkzeugwechsel erfolgt ist. Dadurch können Fehlerursachen<br />

schnell erkannt und Abstellmaßnahmen zur künftigen Vermeidung ergriffen werden.<br />

Im Rahmen der Rückverfolgung besteht ein schneller Zugriff auf alle eingesetzten<br />

Materialien, inklusive der zugehörigen Detailinformationen. Die Frage<br />

„auf welcher Maschine, mit welchem Werkzeug und durch welche Schicht bzw.<br />

Person das fehlerhafte Produkt gefertigt wurde“ kann dadurch schnell beantworten<br />

werden. Infolgedessen ergibt sich eine verkürzte Bearbeitungsdauer von Reklamationen,<br />

was wiederum im Sinne der Kundenorientierung ist.<br />

8.5.3 Six Sigma – der Verschwendung Einhalt gebieten<br />

Trotz der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen z. B. nach ISO<br />

9000:2000, QS-9000, VDA 6.1 oder ISO/TS 16949:2002 gibt es noch erhebliches<br />

Verbesserungspotenzial der Prozesse und Produkte. Erfahrungen zeigen, dass sich<br />

in den Unternehmen die Fehlerkosten auf bis zu 30% des Jahresumsatzes belaufen.<br />

Diese Reserve gilt es auszuschöpfen. Weitere Optimierungen können durch<br />

− die Reduzierung der Durchlaufzeiten,<br />

− die Reduzierung von Beständen,<br />

− die Erhöhung der Produktivität und<br />

− die Steigerung der Termintreue<br />

erreicht werden.


8.5 Analysierte und bewertete Qualität 195<br />

Six Sigma ist eine geeignete Methode zur Verbesserung der Qualität von Produkten<br />

und Prozessen. Es ist die Basis zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit und<br />

zur nachhaltigen Ergebnisverbesserung. Die Idee von Six Sigma ist es, die Anzahl<br />

von Fehlern in Prozessen zu erkennen, zu messen und danach systematisch zu eliminieren.<br />

Auch wenn Six Sigma im Kern auf der Anwendung statistischer Methoden<br />

basiert, ist das Konzept, unter anderem durch die Einbeziehung von Erkenntnissen<br />

über Prozesse, wesentlich umfassender. Dies belegt der erfolgreiche<br />

Einsatz in administrativen Bereichen, wie dem Kundenservice und der Auftragsabwicklung.<br />

Eine Begrenzung von Six Sigma auf die Daten des Qualitätsmanagements<br />

ist nicht ausreichend. Vielmehr müssen Informationen aus allen Bereichen<br />

eines Unternehmens, wie dem Betriebsmittel-, Material- und Personalmanagement,<br />

zur Verfügung stehen. Beispiele hierfür sind die Durchlaufzeiten<br />

von Aufträgen und die Stör- und Stillstandsgründe bei Produktionsstopp. Dies belegt,<br />

wie wichtig der Einsatz eines <strong>MES</strong> mit seinen vernetzten Informationen ist.<br />

Zur Erreichung der Prozess- und Produktverbesserungen wird häufig nach dem<br />

DMAIC-Zyklus gearbeitet. Der DMAIC-Zyklus gliedert sich in fünf Phasen.<br />

Durch sie wird gewährleistet, dass ein Verbesserungsprojekt richtig definiert und<br />

mit den geeigneten Methoden durchgeführt wird.<br />

Definition des Projektzieles,<br />

Überprüfung der<br />

Messsysteme und<br />

Sammeln der Daten<br />

Aufzeigen der<br />

Ursachen für<br />

die Prozessstreuung<br />

Optimierung<br />

des<br />

Prozesses<br />

hinsichtlich<br />

der Zielgröße<br />

Überwachung<br />

der kritischen<br />

Prozessparameter<br />

Define Measure Analyze Improve Control<br />

Symptom<br />

Ursache<br />

Natürliche<br />

Streuung<br />

Abb. 8.8. Die fünf Six Sigma Projektphasen nach DMAIC<br />

Das Erreichte<br />

halten<br />

Erfahrungen belegen, dass die Verschwendung in einem Unternehmen auf<br />

Grund von Fehlern, zu langen Durchlaufzeiten und zu hohen Kosten mittels Six<br />

Sigma innerhalb weniger Monate drastisch gesenkt werden konnte. Hinzu kommt,<br />

dass die Ergebnisse von Six Sigma Projekten in vielen <strong>MES</strong>-Funktionen, wie der<br />

Ressourcen- und Auftragsplanung, direkt verwendet werden können.


196 8 Qualitätssicherung mit <strong>MES</strong><br />

8.5.4 Qualitätsinformationen – Mehrwert im <strong>MES</strong><br />

Im Bereich der Auswertungen bietet ein <strong>MES</strong> gegenüber monolithischen Standardsystemen<br />

mehrere Vorteile. Zum einen können Daten aus „qualitätsfernen“<br />

Modulen direkt in den Qualitätsauswertungen verwendet werden. Ferner erlangen<br />

viele Auswertungen anderer <strong>MES</strong>-Module erst durch die direkte Verknüpfung mit<br />

den Daten der Qualitätssicherung die erforderliche Aussagekraft und Präzision.<br />

Ein Beispiel hierfür ist die Ermittlung der Auftragskosten. Zu den Auftragskosten<br />

gehören, neben dem zur Produktion eingesetzten Personal, den verwendeten<br />

Werkzeugen, dem verbrauchten Material auch die Prüfkosten und eventuell anfallende<br />

interne Reklamationskosten. Die Prüfkosten setzen sich wiederum aus dem<br />

eingesetzten Personal kombiniert mit der Prüfdauer und den eingesetzten Messmitteln<br />

und -maschinen zusammen. Bei einer integrierten Lösung können die<br />

durch die Prüfung verursachten Kosten mit Auftragsbezug automatisch und in<br />

Echtzeit einer zentralen Kostenstelle zugebucht werden. Da die eingesetzten<br />

Messmittel und -maschinen bekannt sind, können bei Bedarf die anfallenden Kalibrierkosten<br />

anteilig auf den jeweiligen Auftrag gebucht werden. Über die<br />

Abb. 8.9. grafischer Maschinenpark mit Qualitätsinformationen


8.5 Analysierte und bewertete Qualität 197<br />

Schnittstelle des <strong>MES</strong> zum ERP-/PPS-<strong>System</strong> erfolgt abschließend die Rückmeldung<br />

aller Auftragskosten. Anhand des umfassenden Informationsgehalts kann im<br />

ERP-/PPS-<strong>System</strong> eine bessere und genauere Kostenkalkulation erfolgen.<br />

Die Einbeziehung der Qualitätsdaten in andere <strong>MES</strong>-Auswertungen ermöglicht<br />

eine höhere Fertigungstransparenz. Dadurch können bei laufenden Prozessen ad-<br />

hoc Entscheidungen besser getroffen werden. In einem grafischen Maschinenpark<br />

kann das <strong>MES</strong> neben dem aktuellen Maschinen- und Auftragsstatus auch die Qualitätslage<br />

anzeigen. Der direkte Abruf von Detailinformation in Form von Regelkarten,<br />

festgestellten Qualitätsfehlern, eingeleiteten Maßnahmen und ppm-Werten<br />

unterstützt den Anwender bei zu treffenden Entscheidungen.<br />

Hinzu kommt, dass für die Qualitätssicherung wichtige Maßnahmen meist über<br />

den Benutzerkreis eines CAQ-<strong>System</strong>s hinaus von Bedeutung sind. Durch ein systemweites<br />

Maßnahmen- und Eskalationsmanagement wird eine optimale Verteilung<br />

und Bearbeitung von Aufgaben und die Ermittlung der „wahren“ Wirksamkeit<br />

gewährleistet.<br />

Ein <strong>MES</strong> ermöglicht jederzeit den Vergleich des aktuellen ppm-Wertes (Anzahl<br />

Fehler je eine Millionen Möglichkeiten) mit den in der Qualitätssicherung vorgegebenen<br />

Grenzwerten. Über eine automatische Erfassung der Anzahl gefertigter<br />

Teile über das <strong>MES</strong> ist, unter Einbeziehung der Anzahl fehlerhafter Einheiten, eine<br />

sofortige Berechnung der produzierten ppm-Rate möglich. Bei einer Verletzung<br />

des Grenzwertes kann sofort gewarnt und eine Eskalation ausgelöst werden.<br />

Voraussetzung dafür ist, dass die Erfassung der Anzahl gefertigter und fehlerhafter<br />

Teile zentral und nicht doppelt, d.h. in der Qualitätssicherung und der Fertigung,<br />

erfolgt.


9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

9.1 Überblick<br />

8.5 Analysierte und bewertete Qualität 199<br />

Personal ist eine wichtige, wenn nicht „die wichtigste Ressource“ in einem Fertigungsunternehmen.<br />

Die Personalkapazitäten für den Einsatz in der Fertigung effektiv<br />

und flexibel zu verplanen, ist eine Domäne eines <strong>MES</strong>. In einer vernetzt arbeitenden<br />

Fertigung ist es wichtig, nicht nur Anlagen und Maschinen, Aufträge<br />

und Qualitäten, sondern auch im besonderen Maße die Personalkapazitäten in Planungen<br />

und Optimierungen einzubeziehen.<br />

Die steigende Bedeutung der „Ressource“ Personal im Fertigungsprozess hängt<br />

vornehmlich mit zwei Ursachen zusammen:<br />

1. Da die Lohn- und Lohnnebenkosten in den Industrieländern sehr hoch sind, haben<br />

sie einen großen Einfluss auf die Produktionskosten. Durch den allgemeinen<br />

Trend zur Globalisierung und die wirtschaftliche Öffnung vieler Staaten im<br />

Osten stehen die Mitarbeiter in unseren Breiten in direkter Konkurrenz zu Mitarbeitern<br />

in anderen Ländern. Um diesem Standort-Nachteil entgegenzuwirken<br />

ist es wichtig, das Personal möglichst effektiv einzusetzen.<br />

2. Der Einsatz hoch entwickelter und spezialisierter Maschinen erfordert eine<br />

gleichermaßen hohe Qualifizierung des Bedienpersonals. Daraus ergibt sich die<br />

steigende Notwendigkeit, die Mitarbeiter gezielt auf Basis ihrer Fähigkeiten<br />

und ihres Wissens einzusetzen.<br />

Um die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, erfolgreich meistern zu können,<br />

bedarf es effektiver Lösungen, welche die Anforderungen abbilden. Zur effektiven<br />

Umsetzung dieser Aufgaben stellt der Bereich Personalmanagement innerhalb<br />

eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s Werkzeuge bereit. Eine besonders wichtige Rolle<br />

spielt hierbei die nahtlose Integration des Teilbereichs Personal in die Gesamtlösung<br />

<strong>MES</strong>, um einen vollständigen umfassenden Blick auf die Planung, die Abläufe<br />

und die Ergebnisse der Fertigung zu erhalten.<br />

Neben der Einsatzplanung von Mitarbeitern hat ein Unternehmen weitere Anforderungen<br />

an das Personalmanagement in den Bereichen Sicherheit, Zeiterfassung<br />

und Mitarbeiterführung. Für diese Punkte bieten leistungsfähige <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong>e ebenfalls Lösungen, um die anstehenden Aufgaben elegant und mit geringem<br />

Aufwand zu meistern.


200 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

9.2 Personalzeiterfassung<br />

Eine wichtige Funktion des Personalmanagements in einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist die<br />

Personalzeiterfassung, deren Bedeutung sich in den letzten Jahren von der Verwaltung<br />

der Anwesenheits- und Fehlzeiten der Mitarbeiter zu einem Steuerungssytem<br />

für die Personalressourcen entwickelt hat.<br />

9.2.1 Aufgaben der Personalzeiterfassung<br />

Die Personalzeiterfassung beschäftigt sich mit den drei Schwerpunkten Zeiterfassung,<br />

Zeitwirtschaft und Personaleinsatzplanung.<br />

9.2.1.1 Zeiterfassung<br />

Als Ersatz für die früheren Stempeluhren werden die Kommt- und Geht-<br />

Stempelungen der Mitarbeiter an Computer-Terminals erfasst. Zusätzlich können<br />

auch Pausen und Gründe für verspäteten Arbeitsbeginn und verfrühtes Ende der<br />

Arbeitszeit gemeldet werden. Aktuelle Informationen über den Resturlaub und<br />

Zeitguthaben oder die Stempelungen der letzten Tage können am Terminal abgefragt<br />

werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, den Mitarbeitern Nachrichten an<br />

das Terminal zu schicken und diese beispielsweise bei einer Kommt-Stempelung<br />

anzuzeigen.<br />

9.2.1.2 Zeitwirtschaft<br />

Die Aufgabe der Zeitwirtschaft ist es, die Arbeitszeit durch Rundung der Stempelungen<br />

und Verrechnung der Pausen zu ermitteln. Über den Abgleich mit der im<br />

Arbeitszeitmodell hinterlegten Sollzeit errechnet sich die eventuell vorhandene<br />

Mehr- oder Minderarbeit. Diese kann ausgezahlt oder auf einem Zeitkonto gesammelt<br />

werden. Neben den Zeitkonten wird auch das Urlaubskonto geführt. Die<br />

Zeitwirtschaft verbucht die vom Mitarbeiter geleistete Arbeitszeit anhand frei konfigurierbarer<br />

Entlohnungsvorschriften auf Lohnarten, die am Monatsende summiert<br />

und an die Lohnbuchhaltung übergeben werden. Arbeitszeitmodelle werden<br />

hier in einem weiten Sinne verstanden: von der bekannten Tages-Schichtzeit über<br />

Gleitzeit bis hin zur Monats-, Jahres-, oder gar Lebensarbeitszeit. Mit dem<br />

Workflow-Management können Abläufe wie die Beantragung von Urlaub oder die<br />

Korrektur fehlerhafter Stempelungen papierlos abgebildet werden. Darüber hinaus<br />

zeigen aktuelle Übersichten an- und abwesende Mitarbeiter, die Entwicklung der<br />

Arbeitszeit und Statistiken über Fehlzeiten.


Abb. 9.1. An- und Abwesenheitsübersicht<br />

9.2.1.3 Personaleinsatzplanung<br />

9.2 Personalzeiterfassung 201<br />

Die Personaleinsatzplanung beschäftigt sich damit, welcher Mitarbeiter zu welchen<br />

Zeiten und Schichten arbeitet. Hierbei spielen die Tätigkeit und die Qualifikationen<br />

der einzelnen Mitarbeiter eine große Rolle. Wenn eine ausreichende<br />

Schichtstärke sichergestellt ist, kann im nächsten Schritt geplant werden, an welchem<br />

Arbeitsplatz bzw. an welchem Auftrag die Mitarbeiter arbeiten sollen. Auch<br />

bei der Einplanung der Aufträge im Leitstand kann über die Personaleinsatzplanung<br />

geprüft werden, ob für die aktuelle Auftragssituation genügend Personal mit<br />

den entsprechenden Fähigkeiten vorhanden ist.<br />

9.2.2 Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>- oder ERP-<strong>System</strong><br />

Während die Zeiterfassung fester Bestandteil eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ist, kann die<br />

Zeitwirtschaft oftmals auch im ERP- oder Lohnbuchhaltungssystem durchgeführt<br />

werden. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass keine Schnittstelle zur Lohnbuchhaltung<br />

benötigt wird und eine einfache Integration zur Finanzbuchhaltung


202 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

und zum Controlling besteht. Demgegenüber stehen die Vorteile der Nutzung der<br />

Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>:<br />

− Die ermittelte Anwesenheitszeit kann den in der BDE gemeldeten Auftragszeiten<br />

gegenübergestellt werden. Dieser Abgleich ist wichtig, um sicherzustellen,<br />

dass die gesamte Arbeitszeit des Mitarbeiters in der BDE erfasst wurde, da diese<br />

Daten für das Controlling oder eine Leistungsentlohnung benötigt werden.<br />

− Die Durchführung der Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ermöglicht die Erfassung<br />

von Fehlzeiten, die Korrektur fehlerhafter Stempelungen und die Genehmigung<br />

von Überstunden dezentral durch den Meister in der ihm beispielsweise aus der<br />

BDE bekannten Oberfläche. Die Installation eines weiteren Arbeitsplatzes entfällt.<br />

− Für die Personaleinsatzplanung ist es erforderlich, dass die geplanten Arbeitszeiten<br />

der Mitarbeiter im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> hinterlegt sind. Damit ist es beispielsweise<br />

möglich, bei der Planung der Aufträge im Leitstand die Ressource Personal<br />

zu berücksichtigen.<br />

− Während die Lohnbuchhaltungssysteme eine standardisierte Schnittstelle zur<br />

Übergabe der Monatslohnarten besitzen, müssen Schnittstellen zur Übernahme<br />

der geleisteten Arbeitzeiten aus dem Zeitwirtschaftssystem für den Abgleich<br />

mit der BDE und der geplanten Arbeits- und Fehlzeiten für die Personaleinsatzplanung<br />

meistens projektspezifisch realisiert werden.<br />

Ein Beispiel für ein ERP-<strong>System</strong>, das eine Zeitwirtschaft beinhaltet ist SAP-HR.<br />

Beim Einsatz von SAP muss die Entscheidung getroffen werden, ob das <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> als Subsystem zur Erfassung der Stempelungen eingesetzt wird oder ob<br />

die Zeitwirtschaft im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zum Einsatz kommt. Für beide Alternativen<br />

kommt die Schnittstelle HR-PDC zum Einsatz.<br />

9.2.3 Flexibilisierung der Arbeitszeit<br />

Trends wie „Just in time“ beschäftigen sich damit, die Kosten für Lagerhaltung<br />

und das Umlaufvermögen zu reduzieren, indem immer genau das gefertigt wird,<br />

was der Kunde gerade braucht. Eine Folge davon sind große Schwankungen der<br />

Auslastung in der Fertigung und mancher Abteilungen in der Verwaltung.<br />

Auch die saisonale Schwankung der Nachfrage nach bestimmten Produkten<br />

sorgt für eine unterschiedliche Verteilung des Bedarfs an Arbeitskräften. Gleichzeitig<br />

nehmen die Personalkosten einen großen Teil der Produktionskosten ein, so<br />

dass die Vermeidung von unproduktiven Löhnen eine immer wichtigere Aufgabe<br />

der Personalplanung darstellt. Diese und viele weitere Gründe machen eine zunehmende<br />

Flexibilisierung der Arbeitszeit erforderlich.<br />

Eine einfache Möglichkeit, dieser Anforderung zu begegnen, ist die Einführung<br />

eines Zeitkontos. Unabhängig davon, ob die Mitarbeiter die Bewegungen ihres<br />

Zeitkontos aufgrund des Arbeitsanfalls selbst entscheiden oder ob der Auf- und<br />

Abbau des Kontos vom Unternehmen gesteuert wird, bietet ein Zeitkonto die<br />

Möglichkeit, den Einsatz von Arbeitskräften an den Bedarf anzupassen.


9.2 Personalzeiterfassung 203<br />

Dementsprechend kommen unterschiedliche Konten zum Einsatz. Wenn der<br />

Mitarbeiter den Verlauf des Kontos selbstverantwortlich bestimmt, spricht man<br />

von einem Gleitzeitkonto. Ein Flexzeitkonto nutzen Unternehmen, um ihrerseits<br />

Mehr- und Minderarbeit zu steuern. Bei saisonal schwankendem Auftragseingang<br />

kann über ein Jahreskonto gesteuert werden, dass sich die Arbeitszeit auf Jahressicht<br />

ausgleicht. Ein über eine längerer Zeit anhaltendem hohen Bedarf an Arbeitskräften<br />

kann über ein Lebensarbeitszeitkonto abgebildet werden. Hierbei<br />

kann die erbrachte Mehrarbeit dazu führen, dass ein Mitarbeiter früher die Möglichkeit<br />

hat, seine Rente zu beantragen.<br />

Abb. 9.2. Flexibler Schicht-Tagestyp<br />

Erforderliche Mehrarbeit kann vor oder nach der regulären Arbeitszeit geleistet<br />

werden. Bei Unternehmen, die, um eine hohe Maschinenauslastung zu erreichen,<br />

bereits in 3 Schichten arbeiten, können zusätzliche Schichten am Wochenende<br />

eingeplant werden.<br />

Aber auch im 3-Schichtbetrieb besteht die Möglichkeit, gleitende Arbeitszeiten<br />

einzuführen. Entscheidend für die Produktion ist nicht, dass die Mitarbeiter ihre<br />

Arbeitszeit zu bestimmten Uhrzeiten pünktlich beginnen und beenden, sondern<br />

dass genügend Personal zur Bedienung der Maschinen anwesend ist. Mit einer<br />

gleitenden Schichtübergabe, bei der sich die Mitarbeiter bzgl. der Ablösung ab-


204 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

sprechen, kann sowohl den Anforderungen des Unternehmens, als auch den Wünschen<br />

der Mitarbeiter entsprochen werden.<br />

9.3 Motivation und Mitarbeiterführung<br />

Eine Studie des Gallup-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland im<br />

Jahr 2002 nur 15 Prozent der Arbeitnehmer motiviert bei der Arbeit waren. 67<br />

Prozent der Werktätigen gehen unmotiviert zur Arbeit und 18 Prozent arbeiteten<br />

sogar bewusst destruktiv. Vergleiche mit den Vorjahren zeigen, dass die Anzahl<br />

der motivierten Mitarbeiter abnimmt. Diese Entwicklung ist erschreckend, wenn<br />

man weiß, welches Potenzial in motivierten Arbeitskräften steckt und wenn man<br />

sich vorstellt, was passiert, wenn diese Kraft teilweise sogar gegen das Unternehmen<br />

eingesetzt wird.<br />

Automatisch drängt sich die Frage auf, wie die Motivation der Mitarbeiter gesteigert<br />

werden kann, doch viele Führungskräfte wissen nicht, dass es ihre Aufgabe<br />

ist, dieses Potenzial freizusetzen. Hier sind Führungsseminare auf allen Führungsebenen<br />

erforderlich, um diese Aufgabe zu verdeutlichen.<br />

Es gibt verschiedene Motivatoren für Mitarbeiter. Die Übertragung von Verantwortung<br />

an seine Mitarbeiter ist eine Möglichkeit, die Motivation zu verbessern.<br />

Dies kann beispielsweise durch die Einführung von gleitenden Arbeitszeiten<br />

erfolgen: Der Arbeitnehmer ist selbst dafür verantwortlich, seine Arbeitszeiten an<br />

das Arbeitsaufkommen anzupassen und hat zusätzlich die Möglichkeit auch private<br />

Wünsche mit einfließen zu lassen.<br />

Daraus resultiert direkt die nächste Führungsaufgabe: Damit der Mitarbeiter die<br />

ihm übertragenen Aufgaben erfolgreich bearbeiten kann, ist es erforderlich, die<br />

Ziele zu definieren und die Ergebnisse zu prüfen. Für eine objektive Beurteilung<br />

sind messbare Zielgrößen erforderlich. Durch den Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

werden Auftrags- und Maschinendaten erfasst, die als Zielgrößen eingesetzt werden<br />

können. Die Manufactoring Scorecard (<strong>Kletti</strong> u. Brauckmann 2004) dient als<br />

Werkzeug zur Visualisierung der Ziele und des aktuellen Stands der Zielerreichung.<br />

9.3.1 Leistungs- und Prämienentlohnung<br />

Die Bezahlung kann auch als Motivationsfaktor für die Mitarbeiter eingesetzt<br />

werden. Anhand bestimmter Vorgaben, die mit den erreichten Leistungen ins Verhältnis<br />

gesetzt werden, kann beispielsweise ein prozentualer Leistungsgrad ermittelt<br />

werden, der die Höhe einer Prämie bestimmt.<br />

Während früher eher Einzelakkord, bei dem die Leistung des einzelnen Arbeiters<br />

für seine eigenen Zulagen ausschlaggebend ist, eingesetzt wurde, stehen heute<br />

Gruppenprämien bei vielen Firmen im Vordergrund. Ein Vorteil der Leistungsentlohnung<br />

auf Gruppenbasis liegt darin, dass bei diesem Ansatz die Zusammenarbeit<br />

der Mitarbeiter gefördert wird. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, auch Mitarbei-


9.3 Motivation und Mitarbeiterführung 205<br />

ter wie Vorarbeiter oder Staplerfahrer, die nur indirekt am Fertigungsprozess beteiligt<br />

sind, in die Prämie mit einzubeziehen.<br />

Die Datengrundlage für die Leistungslohnermittlung bilden in erster Linie die<br />

Auftragsmeldungen. In einem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> können aber auch Maschinendaten,<br />

Daten aus der Personalzeiterfassung oder Qualitätsdaten aus dem CAQ-Modul in<br />

den Leistungslohn einfließen, ohne dass dafür Schnittstellen benötigt werden. Gegenüber<br />

einer Leistungsprämie, bei der die Vorgabe- und die Ist-Zeit ins Verhältnis<br />

gesetzt werden, verrechnet eine Nutzungsprämie zusätzlich Werte wie Gutmenge<br />

und Ausschuss. Nutzungsprämien sind dann sinnvoll, wenn die Ist-Zeit<br />

hauptsächlich vom Takt der Maschine bestimmt wird und der Werker nahezu keinen<br />

Einfluss darauf hat.<br />

Abb. 9.3. Zeitgradentwicklung<br />

Eine weitere Integration der Leistungslohnermittlung zur Zeiterfassung bildet<br />

die Abgleichliste, in der geprüft werden kann, ob die gesamte Anwesenheitszeit<br />

der Mitarbeiter auf Aufträge verbucht wurde und damit die Datengrundlage für<br />

den Leistungslohn vollständig ist.<br />

Da die Tarifverträge in verschiedenen Branchen und Regionen sehr unterschiedlich<br />

sind und die Berechnung des Leistungslohns in den einzelnen Betrieben<br />

stark variiert, bedarf es in der Leistungslohnermittlung einer hohen Flexibilität<br />

und einer leichten Anpassbarkeit der Verrechnungsvorschriften. Die Zeitgradent-


206 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

wicklung liefert einen grafischen Überblick über den Verlauf der Leistungen der<br />

einzelnen Prämiengruppen.<br />

9.3.2 Qualifizierung der Mitarbeiter<br />

Damit die Mitarbeiter ihre Aufgaben erfolgreich meistern können, ist es erforderlich,<br />

das notwendige Wissen und die erforderlichen Fähigkeiten durch Weiterbildung<br />

zu erwerben und auszubauen. Gleichzeitig zeigt die Fortbildung dem Arbeitsnehmer,<br />

dass er dem Unternehmen die Weiterbildungskosten wert ist und<br />

fördert damit seine Zufriedenheit und Motivation.<br />

Gerade der anhaltende Trend zur Automatisierung in der Fertigung erfordert<br />

eine ständige Weiterbildung des Bedienpersonals. Nur durch die Spezialisierung<br />

auf bestimmte Aufgabenbereiche kann sichergestellt werden, dass die komplexen<br />

Maschinen und <strong>System</strong>e richtig bedient werden und sie damit eine hohe Produktivität<br />

erreichen.<br />

Wichtig für das Unternehmen ist es, die Investitionen in seine Mitarbeiter gewinnbringend<br />

umzusetzen. Deshalb ist es eine Aufgabe des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s, die<br />

Qualifikationen zu erfassen und fertigungsnah anzuzeigen. Beispielsweise durch<br />

eine Plausibilitätsprüfung beim Anmelden eines Auftrags kann sichergestellt werden,<br />

dass der Bearbeiter des Auftrags die notwendigen Qualifikationen hat. Durch<br />

diese Maßnahme wird die zu erwartende Qualität der erzeugten Produkte verbessert,<br />

aber auch die Motivation der Mitarbeiter gesteigert, da sie nicht für Aufgaben<br />

eingesetzt werden, für die ihnen die notwendigen Kenntnisse fehlen.<br />

9.4 Personaleinsatzplanung<br />

Aktuelle Studien zeigen, dass etwa 60 bis 70 Prozent aller Unternehmen ein Standard-Tabellenkalkulationsprogramm<br />

als Werkzeug zur Planung des Personaleinsatzes<br />

einsetzen. Die Zuordnung, welcher Mitarbeiter an welchem Arbeitsplatz die<br />

eingeplanten Aufträge bearbeitet, wird häufig auch an Wandtafeln geplant.<br />

Das Problem dieser Methoden liegt darin, dass Daten wie beispielsweise die<br />

Urlaubsanträge der Mitarbeiter an mehreren Stellen gepflegt werden müssen. Solche<br />

redundante Datenhaltung bedingt unnötigen Mehraufwand und führt dazu,<br />

dass die einzelnen Stände auseinander laufen. Dadurch kommt es zu Fehlern in<br />

der Personalplanung und die Produktion wird aufgrund von Personalmangel oder<br />

Personalüberdeckung unwirtschaftlich. Obwohl die Daten mehrfach gepflegt werden,<br />

sind sie oft an anderen wichtigen Stellen nicht verfügbar. Beispielsweise bei<br />

der Einplanung der Aufträge wäre es sinnvoll, die Planung mit den vorhandenen<br />

Personalkapazitäten abgleichen zu können.<br />

Um die Anforderungen zur Planung des Personaleinsatzes erfolgreich abzubilden,<br />

sind mehrere Werkzeuge notwendig, welche die Personalkapazitäten in unterschiedlichen<br />

Sichten und Abhängigkeiten darstellen.


9.4.1 Urlaubs- und Schichtplanung<br />

9.4 Personaleinsatzplanung 207<br />

Für die Bearbeitung der Urlaubsanträge seiner Mitarbeiter braucht der Vorgesetzte<br />

einen Überblick, ob noch genügend Personal für einen geregelten Arbeitsablauf<br />

vorhanden ist. Bei dieser Betrachtung reicht es nicht aus, die Anzahl der geplant<br />

verfügbaren Mitarbeiter zu berücksichtigen, sondern auch deren Tätigkeit und<br />

Kontostände müssen beachtet werden.<br />

Abb. 9.4. Urlaubs- und Schichtplanung<br />

Während die Urlaubsplanung oft über einen längeren Zeitraum im Voraus erfolgt,<br />

wird die Schichtplanung eher mittel- bis kurzfristig eingesetzt. Aufgabe der<br />

Schichtplanung ist es, sicherzustellen, dass die einzelnen Schichten mit genügend<br />

Personal belegt sind. Da hierbei nur Daten aus der Personalzeiterfassung zugrunde<br />

liegen, wird beim Bedarf mit Erfahrungswerten oder mit Vorgaben aus dem ERP-<br />

<strong>System</strong> gearbeitet.<br />

Die Urlaubs- und Schichtplanung wird hauptsächlich von Meistern und<br />

Schichtführern benutzt. Deshalb ist es erforderlich, dass dieses Modul intuitiv zu


208 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

bedienen ist und einfache Planungsmöglichkeiten bereitstellt. Das Ergebnis der<br />

Planung ist der Schichtplan, der den Mitarbeitern ausgedruckt oder in elektronischer<br />

Form zur Verfügung steht oder den der Werker am Terminal abrufen kann.<br />

9.4.2 Prüfung der Personalkapazitäten bei der Feinplanung<br />

Die Personalbedarfsübersicht zeigt den Bedarf an Mitarbeitern gruppiert nach<br />

Qualifikation. Der Bedarf resultiert aus den an einem Arbeitsplatz eingeplanten<br />

Aufträgen oder kann fest am Arbeitsplatz hinterlegt werden. Demgegenüber stehen<br />

die eingeplanten Personalkapazitäten mit den zugeordneten Qualifikationen.<br />

Daraus resultiert eine Darstellung, welche die Deckung des Personalbedarfs, den<br />

Mangel an Arbeitskräften und die Überdeckung des Bedarfs anzeigt.<br />

Abb. 9.5. Personalbedarf<br />

Da ein Mitarbeiter über mehrere Qualifikationen verfügen kann, wird die Personalbedarfsübersicht<br />

in unterschiedlichen Sichtweisen eingesetzt:<br />

− Bei der Darstellung einzelner Qualifikation kann geprüft werden, ob genügend<br />

Arbeiter mit der entsprechenden Fähigkeit eingeplant sind.


9.4 Personaleinsatzplanung 209<br />

− Die Summendarstellung für mehrere oder alle Qualifikationen zeigt, ob die Anzahl<br />

der Mitarbeiter zur Bearbeitung der eingeplanten Aufträge ausreichend ist.<br />

Diese Prüfung ist erforderlich, da in der Einzeldarstellung nicht berücksichtigt<br />

wird, dass den Mitarbeitern mehrere Qualifikationen zugeordnet sein können.<br />

Die Summendarstellung für mehrere oder alle Qualifikationen zeigt, ob die Anzahl<br />

der Mitarbeiter zur Bearbeitung der eingeplanten Aufträge ausreichend ist.<br />

Diese Prüfung ist erforderlich, da in der Einzeldarstellung nicht berücksichtigt<br />

wird, dass den Mitarbeitern mehrere Qualifikationen zugeordnet sein können. Bei<br />

gleichzeitigem Einsatz des Fertigungsleitstands kann die Personalbedarfsübersicht<br />

genutzt werden, um die aktuelle Planung oder eine Planungssimulation anhand der<br />

Personalkapazitäten zu bewerten. Hier zeigt sich der Vorteil eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s,<br />

bei dem die Integration zwischen den einzelnen Modulen ohne die Definition und<br />

Realisierung von Schnittstellen möglich ist.<br />

9.4.3 Einplanung der Mitarbeiter auf die Arbeitsplätze<br />

Die Personalbelegung wird eingesetzt, um die Mitarbeiter auf die Arbeitsplätze<br />

einzuplanen. Analog zur Personalbedarfsübersicht ermittelt sich der Bedarf an Arbeitern<br />

mit bestimmter Qualifikation anhand der Aufträge oder wird direkt am Arbeitsplatz<br />

definiert.<br />

Die Personalbelegung zeigt im unteren Bereich die verfügbaren Mitarbeiter und<br />

im oberen Bereich die zu belegenden Arbeitsplätze. Durch Auswahl eines Planungsprofils<br />

kann die Darstellung auf eine Planungseinheit mit bestimmten Arbeitsplätzen<br />

und Mitarbeitern eingeschränkt werden. Bei der manuellen Zuordnung<br />

der Personen zu den Arbeitsplätzen erfolgt eine Plausibilitätsprüfung, ob der<br />

Werker über die erforderliche Qualifikation verfügt.<br />

Die Einplanung der Mitarbeiter kann auch automatisch erfolgen. Hier werden<br />

die Arbeiter anhand ihrer Qualifikationen automatisch auf die Arbeitsplätze zugeordnet.<br />

Wenn mehrere Werker die gleiche Qualifikation besitzen, kann anhand einer<br />

Rangstufe festgelegt werden, welcher Mitarbeiter die erforderlichen Fähigkeiten<br />

am besten beherrscht. Mit diesen Daten versucht die Personalbelegung einen<br />

möglichst optimalen Plan zu finden, bei dem die Arbeitsplätze vollständig mit den<br />

qualifiziertesten Arbeitern belegt sind. Das Ergebnis der Personalbelegung ist ein<br />

Personaleinsatzplan, der den Mitarbeitern gedruckt oder über eine Informationstaste<br />

am Terminal bekannt gegeben wird.


210 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

Abb. 9.6. Personalbelegung<br />

9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen<br />

Die Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington haben die<br />

Welt verändert. Eine Folge dieser Ereignisse ist das gestiegene Sicherheitsbedürfnis<br />

vieler Unternehmen. Doch es gibt noch weitere Gründe, die Ein- und Ausgänge<br />

zum Firmengelände und die Türen verschiedener Räume innerhalb des Unternehmens<br />

zu überwachen:<br />

− Im Gegensatz zu einer Schließanlage ermöglicht ein Zutrittskontrollsystem<br />

(ZKS) die Vergabe zeitlicher Berechtigungen. Damit kann beispielsweise gesteuert<br />

werden, dass bestimmte Mitarbeiter nur zu den Arbeitszeiten an Wochentagen<br />

Zutritt bekommen, während andere Mitarbeiter rund um die Uhr und<br />

eventuell auch am Wochenende Zugang zu ihrem Arbeitsplatz haben.<br />

− Bei einer Schließanlage führt ein verlorener Schlüssel oft zum Austausch der<br />

gesamten Anlage, während im Zutrittskontrollsystem der verlorene Ausweis<br />

seine Berechtigungen durch Zuordnung eines neuen Ausweises verliert.<br />

− Besonders in sicherheitsrelevanten Bereichen ist es erforderlich, die Zutritte der<br />

Mitarbeiter zu protokollieren.


9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen 211<br />

− Die Prüfung der Berechtigungen für bestimmte Räume, Hallen und Lagerbereiche<br />

und die Protokollierung der Zutritte erhöht den Diebstahlschutz. Auch in<br />

Bezug auf Werksspionage ist es erforderlich, zu definieren, welche Mitarbeiter<br />

und Besucher welche Bereiche betreten dürfen.<br />

− In Hochsicherheitsbereichen besteht die Anforderung, den Schlüssel vor Missbrauch<br />

zu schützen. Hier ist es möglich, die Identität des Mitarbeiters durch einen<br />

zusätzlichen Pincode oder durch biometrische Merkmale (beispielsweise<br />

ein Fingerabdruck) zu verifizieren.<br />

− Im Feuerfall ist es erforderlich, eine Liste aller Mitarbeiter, die auf dem<br />

Firmengelände sind, zu haben, um feststellen zu können, welche Mitarbeiter<br />

nicht an den Sammelstellen angekommen sind.<br />

− Über das Eskalationsmanagement besteht die Möglichkeit, Alarme bzgl. unerlaubt<br />

geöffneter Türen oder Sabotage an den Zutrittslesern direkt an die zuständigen<br />

Mitarbeiter weiterzuleiten.<br />

Durch den Einsatz eines leistungsfähigen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sind diese Anforderungen<br />

abgedeckt. Zusätzlich können aktuelle Informationen zum Zustand der<br />

einzelnen Zugänge im Sicherheitsleitstand angezeigt werden:<br />

Abb. 9.7. Sicherheitsleitstand


212 9 Personalmanagement mit <strong>MES</strong><br />

9.6 Ausblick<br />

Der Begriff „Humankapital“ wurde 2004 von einer unabhängigen Jury zum Unwort<br />

des Jahres gewählt. Unabhängig davon, ob dieser Begriff gut oder schlecht<br />

gewählt ist, zeigt er die steigende Bedeutung der Mitarbeiter für die Unternehmen.<br />

Nach vielen Jahren, in denen hauptsächlich finanzielle Kriterien zur Beurteilung<br />

eines Unternehmens herangezogen wurden, ist es ein neuer Ansatz, die Mitarbeiter<br />

mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten in die Bewertung einzubeziehen.<br />

Aus dieser wichtigen Bedeutung des Personals folgt zwangsläufig, dass es ebenfalls<br />

als wichtiger Bestandteil in ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> eingebunden sein muss.<br />

Hierbei ist es besonders wichtig, Aufgaben wie Personalzeiterfassung, Personaleinsatzplanung<br />

und Zutrittskontrolle nicht als einzelne Disziplinen zu sehen,<br />

sondern zusammen mit anderen Modulen wie beispielsweise der Feinplanung zu<br />

betrachten. Die Stärke eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s ist es demnach, die Fertigung aus vielen<br />

unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und damit eine ganzheitliche<br />

Abbildung der Fertigung zu erreichen.<br />

Literatur<br />

<strong>Kletti</strong> J, Brauckmann O (2004) <strong>Manufacturing</strong> Scorecard – Prozesse effizienter<br />

gestalten, mehr Kundennähe erreichen – mit vielen Praxisbeispielen. Gabler,<br />

Wiesbaden.


10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

10.1 Motiva<br />

9.5 Sicherheit im Fertigungsunternehmen 213<br />

Durch den hohen Verbreitungs- und Standardisierungsgrad nimmt die SAP in<br />

doppelter Hinsicht einen besonderen Stellenwert unter den ERP-<strong>System</strong>en am<br />

Markt ein: Zum einen „lohnen“ Entwicklungen für <strong>MES</strong>-Anbieter im SAP-<br />

Umfeld durch die hohe Marktdurchdringung, zum anderen ist SAP einer der wenigen<br />

Anbieter im ERP-Umfeld, die ein eigenständiges <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> außerhalb<br />

mySAP-ERP aktiv befürworten, um damit die vertikale Integration ihren Kunden<br />

bieten zu können. Seit Mitte 2004 wurde ein Partner-Konzept gerade im Fertigungsumfeld<br />

für die sog. <strong>Manufacturing</strong>-Anwendungen massiv verstärkt: Allen<br />

Bemühungen voran die Partnerinitiative Adaptive <strong>Manufacturing</strong>.<br />

Durch diese Initiative und entsprechende Veröffentlichungen stellt die SAP<br />

klar, dass für viele Branchen und Anwendungsgebiete der Einsatz eines eigenständigen<br />

<strong>MES</strong> empfehlenswert ist, um die volle Funktionalität der SAP ERP und<br />

Logistik Lösungen nutzen zu können. Man setzt SAP-seitig auf Integration von<br />

<strong>MES</strong>-Lösungen der Partner.<br />

Das Wort Integration eines <strong>MES</strong> in die ERP-Welt gewinnt bei SAP eine neue<br />

Bedeutung und erfordert eine ganze Bandbreite von Schnittstellen und Integrationstechnologien<br />

von einem <strong>MES</strong> und damit natürlich auch von einem <strong>MES</strong> Anbieter.<br />

Entscheidend ist es jedoch für den SAP-Anwender, d.h. das Fertigungsunternehmen,<br />

das mySAP einsetzt, den Blick für das eigentlich Notwendige nicht zu<br />

verlieren, um die Qualität der Anwendung sicherzustellen. Die geeignete Technologie<br />

selbst sollte dabei nur die Grundlage sein, um eine Anwendung realisieren<br />

zu können. SAP bietet eine Technologie-Plattform zur Realisierung einer „breiten“<br />

Anwendungspalette mit sehr tiefer Integration des <strong>MES</strong> in die SAP-Welt. Die<br />

SAP stellt ihre Technologie-Plattform SAP NetWeaver in den Mittelpunkt dieser<br />

Bemühungen. So bedeuten Logos wie „Certified for SAP NetWeaver“ zunächst<br />

einmal nur, dass der jeweilige Anbieter die Technologie anwendet, jedoch nicht,<br />

dass hier ein Mehrwert in der Applikation selbst erzeugt wurde.<br />

Das Zertifikat „Powered by NetWeaver“ zielt dann schon wesentlich mehr in<br />

Richtung Anwendung. Damit wird bestätigt, dass ein Partner seine Anwendung<br />

auf der NetWeaver-Plattform in die SAP Anwendungen integriert.<br />

Technologie und Anwendung zu trennen ist für den Anwender, speziell im SAP-<br />

Umfeld, sehr schwierig. Aufwändige Marketingaktionen der SAP und des SAP-<br />

Umfeldes tragen hier nicht immer zur Erhöhung der Transparenz bei. Allein die<br />

verwendeten Fachbegriffe und Schlagwörter drängen vor allem dem mittelständischen<br />

Fertigungsunternehmen immer mehr die Frage auf: „Was ist der Nutzen für


214 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

mein Unternehmen?“. Die Antwort auf die Frage und die damit vorhandenen Begriffsbestimmungen<br />

für die Einbindung eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s in mySAP ERP ist die<br />

Motivation der folgenden Ausführungen.<br />

10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld<br />

10.2.1 Entwicklung des <strong>MES</strong> in der SAP-Historie<br />

Speziell im SAP-Umfeld, wurde zu Beginn der 90er Jahre ein einfaches Rückmeldesystem,<br />

was nichts anderes war, als ein reiner Datensammler, am Markt als Betriebsdatenerfassung<br />

(BDE) oder später sogar als <strong>MES</strong> angeboten. Häufig bestanden<br />

bzw. bestehen diese <strong>System</strong>e aus einer mehr oder minder komplexen<br />

Rückmeldehardware und einer sehr einfach gehaltenen Schnittstellen-Software zu<br />

SAP R/3. Diese <strong>System</strong>e haben nach der Erfassung die Daten über konventionelle<br />

Dateischnittstellen an das R/3-<strong>System</strong> „abgeliefert“. Beim Einsatz solcher <strong>System</strong>e<br />

wurden die strukturellen Unzulänglichkeiten sichtbar. Aufgrund ihrer Struktur<br />

sind diese <strong>System</strong>e nicht in der Lage, Daten bereits vorzuverarbeiten oder sogar<br />

umfangreichere Plausibilitätsprüfungen vorzunehmen. Über die Erfassungsmechanismen<br />

konnten eigentlich nur die manuellen Aufschreibungen, der sog. Werkstattschreiber,<br />

durch eine elektronische Datenaufnahme ersetzt werden. Die fehlende<br />

Vorverarbeitung und Plausibilitätsprüfung der Daten führte zu einer<br />

mangelhaften Datenqualität der Ist-Daten im SAP-<strong>System</strong>. Um die Datenqualität<br />

zu erhöhen, mussten die erfassten Daten nachbearbeitet werden. Die mangelnde<br />

Objektivität von Daten, die auf solchem Weg ermittelt werden, lässt automatisch<br />

Zweifel an der Richtigkeit von betriebswirtschaftlichen Kenngrößen und Steuerungsvorgaben<br />

für die Fertigung aufkommen, die auf Basis solcher Daten in R/3<br />

„errechnet“ werden. Der Versuch, bei gleicher <strong>System</strong>architektur bessere Datenqualität<br />

zu erreichen, ist mit hohen Kosten für den manuellen Pflegeaufwand der<br />

Daten und für die IT-Infrastruktur zur Erreichung von besserer <strong>System</strong>performance<br />

verbunden. Außerdem führte diese Bemühung dazu, dass das Erfassungs-<br />

/BDE-<strong>System</strong> und die darüber liegende SAP-Anwendung – im Wesentlichen die<br />

Warenwirtschaft (MM) und die Produktionsplanung (PP) – so eng miteinander<br />

verzahnt wurden, dass nur geringfügige Änderungen im Fertigungsprozess eine<br />

aufwändige Softwareänderung im Erfassungssystem, an der Schnittstelle und in<br />

R/3 zur Folge hatten. Aus dieser Zeit stammen auch Ansätze, in der Soll- gleich<br />

Ist-Rückmeldungen generiert wurden, um damit IT-Kosten zu vermeiden. Eine<br />

Verbesserung der Plandaten oder gar eine realistische Nachkalkulation, sind so natürlich<br />

nicht zu erwarten. Für starre Fertigungsprozesse, die in einem eingeschwungenen<br />

Zustand sind, kann ein Fertigungsunternehmen unter Umständen auf<br />

permanent aktuelle Rückmeldungen über die Qualität des Fertigungsprozesses<br />

verzichten. In einer modernen Fertigung im Zeitalter zunehmender Flexibilität, die<br />

von den Kunden gefordert wird, ist dies nicht mehr akzeptabel.


10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld 215<br />

10.2.2 Anforderungen an ein <strong>MES</strong> im SAP-<strong>System</strong>-Umfeld<br />

Die Konsequenz daraus war, das untergelagerte <strong>System</strong> intelligenter, d. h. prozessnäher<br />

zu gestalten, mit dem Ziel, durch prozessnahe Plausibilitätsprüfungen<br />

die Datenqualität zu verbessern.<br />

Prozessnah bedeutet in diesem Zusammenhang reaktiv aufgrund der aktuellen<br />

Fertigungssituation und der Steuervorgaben aus dem ERP (Termine, Sollmengen,<br />

Prüfpläne) Prüfungen vorzunehmen und die Ergebnisse an das ERP zu melden.<br />

Diese lösen dort Aktionen aus, oder versetzen den Anwender durch entsprechende<br />

Information in die Lage, steuernd einzugreifen.<br />

IT-technisches Ziel ist natürlich auch, durch Vorverarbeitung die Datenflut im<br />

mySAP ERP-<strong>System</strong> einzudämmen, um die IT-Kosten für das SAP-<strong>System</strong> zu reduzieren.<br />

Beispiele hierfür sind das Melden von Meilensteinen in der Materialwirtschaft<br />

(MM), während der Materialtransport mit allen Materialbewegungen im<br />

<strong>MES</strong> sichergestellt wird oder das Kumulieren von Mengen und Zeiten und lohnscheinbezogenes<br />

Rückmelden an SAP-PP.<br />

Gleichzeitig ist es wichtig, mySAP ERP und das unterlagerte <strong>MES</strong> so aufeinander<br />

abzustimmen, dass keine Redundanz entsteht. D.h. die <strong>System</strong>e müssen so<br />

miteinander „verzahnbar“ sein, dass sie sich für den Anwender als durchgängige<br />

Lösung darstellen und der Anwender beispielsweise nur in einem <strong>System</strong> die<br />

Stammdatenpflege vornehmen muss. Die Funktion beider <strong>System</strong>e sollte sich also<br />

ergänzen und keinesfalls überlappen. Das ist die Forderung für eine dedizierte<br />

Implementierung in einem Fertigungsunternehmen.<br />

Für ein weitverzweigtes Fertigungsunternehmen, d.h. ein Unternehmen, das<br />

zwar eine zentrale IT besitzt aber mehrere Fertigungsstandorte, die unterschiedlichen<br />

Branchen angehören, ergibt sich eine weitere wichtige Anforderung. Das<br />

<strong>MES</strong> soll so flexibel sein, dass es sich auf die unterschiedlichen Fertigungsorganisationen<br />

einstellen kann, jedoch eine einheitliche Integration zum zentralen SAP-<br />

<strong>System</strong> sicherstellt.<br />

Je nach Fertigungsorganisation oder Branche wird in einem Standort eine<br />

Werkstattsteuerung im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> benötigt. Im anderen Standort des Unternehmens<br />

ist diese Funktion nicht notwendig oder wird im mySAP ERP abgebildet.<br />

10.2.3 Ebenendarstellung eines Fertigungsunternehmens<br />

Aus dieser Fragestellung heraus, ist es zunächst wichtig zu strukturieren, welche<br />

Prozesse und <strong>System</strong>funktionen in einem Fertigungsunternehmen vorliegen und<br />

welches <strong>System</strong> (SAP oder <strong>MES</strong>) diese zugeordnet werden können oder müssen.<br />

In jüngster Zeit hat SAP in Veröffentlichungen die Aufgaben und Funktionen<br />

eines Fertigungsunternehmens unter dem Gesichtspunkt der Zuordnung zum Begriff<br />

<strong>MES</strong> definiert. Aus diesen Veröffentlichungen heraus lässt sich ein Ebenenkonzept<br />

ableiten, das die Prozesse und Funktionen darstellt. Diese Funktionen<br />

werden zu Ebenen zusammengefasst.


216 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

Personal-<br />

Management<br />

Absatzplanung<br />

Kapazitätsplanung<br />

Auftragsverwaltung<br />

Vetrieb / Versand<br />

Materialwirtschaft<br />

Produktionsplanung<br />

Termin / Reihenfolgeplanung<br />

Fertigungssteuerung Qualitätsmanagement<br />

Transportmanagement Lagerverwaltung<br />

Automation<br />

Prozesssteuerung<br />

Maschinensteuerung<br />

Abb. 10.1. Funktionale Ebenen eines Fertigungsunternehmens<br />

Ebene 1a: Unternehmensplanung<br />

Ebene 1a<br />

Ebene 1b<br />

Ebene 2<br />

Ebene 3<br />

Auf der obersten Ebene liegen die klassischen ERP-Funktionen, wie Absatzplanung,<br />

Kapazitätsplanung, Kundenauftragsverwaltung, Vertrieb und Versand.<br />

Ebene 1b: Planung und Disposition der Fertigung<br />

Auf der Ebene 1b liegen die Funktionen für Produktplanung, Produktionsflussplanung<br />

und der Materialwirtschaft. Dazu gehört auch das Supply Chain Management,<br />

mit dem die gesamte logistische Abwicklung auf Unternehmens- und<br />

Konzernebene, aber auch die Logistik zwischen Kunden und Lieferanten gesteuert<br />

wird. In Abgrenzung dazu ist das unten beschriebene Transportmanagement, die<br />

sog. Intra-Logistik, d. h. die Materialsteuerung innerhalb der Fertigung des Unternehmens,<br />

zu sehen. Darüber hinaus sind hier die SAP Anwendungen des APO angesiedelt.<br />

Der Zeithorizont für Planungen ist hier grundsätzlich mittel- und langfristig.


Ebene 2: Fertigungsmanagement<br />

10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld 217<br />

In der Ebene 2 liegen alle Prozesse, die weitgehend der Umsetzung der Fertigungspläne<br />

dienen, die auf der darüber liegenden Ebene erstellt wurde. Hier werden<br />

der Materialfluss und die eigentliche Produktion gesteuert.<br />

Funktionen und Aufgaben wie die reaktive Planung, also die eigentliche Fertigungssteuerung,<br />

auch Werkstattsteuerung genannt, sind hier angesiedelt. Der zeitliche<br />

Horizont ist kurzfristig.<br />

Ebene 3: Automation<br />

Je nach Branche und/oder Fertigungsstruktur finden sich auf der Ebene Funktionen,<br />

die in der Prozessindustrie/Fließfertigung weitgehend von Prozessleitsystemen<br />

übernommen werden. In einer diskreten Fertigung werden diese Funktionen<br />

der Steuerung des Fertigungsprozesses weitgehend auf der Ebene der Fertigungssteuerung<br />

(Werkstattsteuerung) abgebildet. Auf dieser Ebene sind auch alle Funktionen<br />

und Prozesse im Fertigungsunternehmen angesiedelt, die Maschinen und<br />

Anlagen steuern, aber auch für den Austausch von Informationen und Steuerparametern<br />

von und zur Maschine/Aggregat zuständig sind.<br />

10.2.4 Unternehmensprozesse in mySAP ERP und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

Im Folgenden werden den IT-<strong>System</strong>en mySAP ERP und dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> diese<br />

Funktionen und Prozesse zugeordnet. Diese Zuordnung ist für die „außen“ liegenden<br />

Ebenen augenfällig. Die Funktionen der Ebene 1 Unternehmensplanung sind<br />

die klassischen Disziplinen des ERP-<strong>System</strong>s und werden von mySAP ERP abgedeckt.<br />

Auch die Funktionen zur Fertigungsplanung und zur mittelfristigen Disposition<br />

von Material und Ressourcen werden größtenteils durchgängig in mySAP<br />

ERP implementiert.<br />

Die Funktionen der Ebene 4 und 5 sind weitgehend dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zuzuordnen<br />

oder müssen zumindest in ein <strong>MES</strong> integrierbar sein.<br />

Die Steuerung des Fertigungsprozesses erfolgt im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> (Funktion Prozesssteuerung).<br />

Dazu gehören die klassische Erfassungsfunktion und natürlich die<br />

Integration der maßgeblichen Technologien zur Anbindung von Maschinen, Aggregaten<br />

und Prozessanlagen. Die Bereitstellung sämtlicher Daten für die überlagerten<br />

Ebenen ist Grundvoraussetzung. Dies ist die Basis, um die Anforderung der<br />

sog. vertikalen Integration sicherzustellen.<br />

Da jedoch im Fertigungsunternehmen immer mehr davon ausgegangen wird,<br />

dass Prozesse nicht unbedingt vollständig in einem <strong>System</strong> ablaufen, sondern vertikal<br />

über mehrere <strong>System</strong>ebenen hinweg unterstützt werden müssen, ist neben der<br />

Zuordnung der Funktionen zu einem <strong>System</strong> die „Zusammenstellung“ der Funktionen<br />

aus mehreren <strong>System</strong>en zu einer Prozessabbildung der „wesentlich interessantere“<br />

Bestandteil einer <strong>System</strong>integration.


218 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

Transportmanagemnt<br />

Termin- und<br />

Reihenfolgenplanung<br />

Absatzplanung<br />

Kapazitätsplanung<br />

Auftragsverwaltung<br />

Vetrieb / Versand<br />

Produktionsplanung<br />

Materialwirtschaft<br />

mySAP ERP<br />

Fertigungssteuerung<br />

Prozesssteuerung<br />

Maschinensteuerung<br />

Abb. 10.2. Einordnung der Prozesse eines Fertigungsunternehmens in die IT-Landschaft<br />

IT-technisch beinhaltet dieser Bereich von „überlappenden Funktionen“ weitgehend<br />

die der Ebene 3 des vorliegenden Modells. Diese Prozesse können je nach<br />

Fertigungsorganisation oder Branche entweder vollständig in <strong>MES</strong>- oder in SAP-<br />

<strong>System</strong>e implementiert werden. Oder aber, und das scheint die Zukunft zu sein,<br />

sie zerfallen in Teilprozesse und werden sowohl im SAP als auch im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

abgebildet.<br />

Relevante Prozesse im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

Wie bereits oben erwähnt, gibt es Funktionen/Prozesse, die entweder vollständig<br />

oder auch nur teilweise im <strong>MES</strong> abgebildet werden. Die Anbindung des <strong>MES</strong> an<br />

das mySAP ERP muss so flexibel sein, dass folgende Funktionen, je nach Anwendung<br />

und Fertigungsorganisation, in einem Unternehmen „zu- und abschaltbar“<br />

sind.<br />

Termin- und Reihenfolgeplanung, Fertigungssteuerung<br />

Während die Termin- und Reihenfolgenplanung, beispielsweise bei Serienfertigung,<br />

im Sinne einer Fertigungssteuerung mittel- bis langfristig, das heißt, Tage<br />

Zeitwirtschaft<br />

Qualitätsmanagement<br />

Lagerverwaltung


10.2 Einordnung des <strong>MES</strong> im SAP-Umfeld 219<br />

im voraus im Produktionsplan erfolgt, gibt es Branchen- und Fertigungsorganisationen,<br />

bei denen diese Pläne entweder erst kurz vor Produktionsbeginn erstellt<br />

oder während der Produktion geändert werden müssen. Zur Differenzierung dieser<br />

Planungsarten wurde der Begriff „reaktive Planung“ geprägt. Dieser Begriff steht<br />

für die Erstellung eines durchführbaren Produktionsplans, der im Hinblick auf die<br />

Produktionsbedingungen zum Zeitpunkt der Erstellung optimiert wurde. Die reaktive<br />

Planung ist dann notwendig, wenn beispielsweise für verschiedene Aggregate<br />

und Produktionseinrichtungen aufgrund der verwendeten Materialien technische<br />

Einschränkungen vorliegen. Wenn bei der Produktion die dafür verantwortlichen<br />

Eigenschaften der Materialien jedoch erst bekannt werden, dann ist es notwendig,<br />

direkt am Aggregat die Änderung der Planung oder die eigentliche Planung oder<br />

Fertigungssteuerung vorzunehmen.<br />

Ein Beispiel hierfür ist die Stahlindustrie. Hier werden aufgrund der Materialeigenschaften<br />

direkt vor oder während dem Produktionsprozess Planänderungen<br />

entschieden, was zu Mehr- oder Minderlieferungen für den Produktionsauftrag<br />

führen kann.<br />

Sind darüber hinaus weitere Produktionsstufen betroffen, die die übergelagerten<br />

Planungssysteme wie die SAP-Module PP, MM oder APO erfordern, so ist es<br />

notwendig, diese über die betroffenen <strong>System</strong>e anzusteuern. In diesem Fall ist es<br />

die Aufgabe des <strong>MES</strong>, die SAP-Module synchron mit Informationen zu versorgen<br />

bzw. neue Planungsvorgaben oder gar einen neuen Plan dort abzurufen oder dessen<br />

Erstellung auszulösen.<br />

Transportmanagement<br />

Je nach Fertigungsablauf und Infrastruktur eines einzelnen Fertigungsunternehmens<br />

hat der Begriff Transportmanagement ganz unterschiedliche Bedeutungen.<br />

Das Transportmanagement beinhaltet grundsätzlich nicht die Transporte von<br />

Materialien von einem Produktionswerk zum anderen, zu einem Verteilzentrum<br />

oder direkt zum Endkunden. Diese Funktionen werden üblicherweise im SAP-<br />

<strong>System</strong> mit dem Supply-Chain-Management abgehandelt. In bestimmten Fertigungsindustrien,<br />

wie der Stahlindustrie, gibt es darüber hinaus große Entfernungen<br />

zu überbrücken. Zwischen einzelnen Fertigungsbereichen, wie Hochofenstahlwerk<br />

und Warmwalzwerk, ist die Transportlogistik innerhalb des Werkes eine<br />

wichtige und völlig unabhängige Aufgabe zum Supply Chain Management. Dies<br />

gilt aber auch für die Fertigungsunternehmen, die aufgrund des Wachstums über<br />

die Firmenhistorie hinweg sehr schwierige infrastrukturelle Voraussetzungen haben<br />

(Betriebsteile durch öffentliche Straßen getrennt, Betriebsteile zwar am gleichen<br />

Ort, jedoch weit voneinander entfernt).<br />

Hier gehört das Transportmanagement und die Transportlogistik teilweise oder<br />

vollständig zum Fertigungsprozess und muss ähnlich flexibel wie der Fertigungsprozess<br />

selbst gehandhabt werden. In diesem Fall ist es sinnvoll, das Transportmanagement<br />

als eigene Logistikfunktion innerhalb des <strong>MES</strong> abzubilden. Das gleiche<br />

gilt auch für die typischen, während der Produktion entstehenden Materialien<br />

(WIP = work in process). Die entstandenen Zwischenmaterialien haben nur eine


220 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

„kurze Lebensdauer“ und daher ist es nicht notwendig, diese in einer eigenen<br />

Dispostufe in der Materialwirtschaft (MM) zu führen.<br />

Neben der Erfassung und Verfolgung von Zwischenmaterialien im Produktionsprozess,<br />

spielt auf der Ebene Transportmanagement die Dokumentation des<br />

Entstehungsprozesses von Kundenendprodukten eine maßgebliche Rolle. Speziell<br />

in der Pharma-, Lebensmittel- und Automotivindustrie spielt die Los- und Chargenverfolgung<br />

bis hin zur Einzelteilverfolgung eine immer größere Rolle. In den<br />

Bereichen Tracking und Tracing stellt SAP in seinen Branchenlösungen zunehmend<br />

mehr Funktionen zur Verfügung, die jedoch vom <strong>MES</strong> in den Fertigungsprozess<br />

integriert werden müssen.<br />

Qualitätsmanagement<br />

Für alle Branchen gilt immer mehr, dass das Qualitätsmanagement kein eigenständiger<br />

Prozess im Fertigungsunternehmen, sondern in den Fertigungsprozess<br />

selbst zu integrieren ist: die sog. fertigungsbegleitende Qualitätssicherung. Der<br />

Mitarbeiter in der Fertigung selbst soll die Qualität des Produktes prüfen, Einstellungen<br />

korrigieren, die die Qualität des Materials bzw. des Endproduktes beeinflussen<br />

oder einfach Qualitätsdaten erfassen. Dieses bezeichnet man typischerweise<br />

klassisch mit dem Begriff Werkerselbstprüfung.<br />

Zur Unterstützung dieses Prozesses ist es notwendig, dass die Erfassungsfunktionen<br />

an der Maschine oder am Aggregat auch die Überwachungsfunktionen<br />

für die Qualitätssicherung beinhalten. Die Steuerung dieses Qualitätsmanagements<br />

und die Archivierung der Daten, liegt jedoch im SAP-QM. Die<br />

Qualifizierung, ob erfasste Daten oder Vorgänge für die Qualitätssicherung oder<br />

die Produktdokumentation relevant sind, muss direkt im Fertigungsprozess erfolgen.<br />

Der Fertigungsprozess ermöglicht alles, was für die fertigungsbegleitende Produktdokumentation<br />

notwendig ist. Transport- und Qualitätsmanagement laufen im<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> auf einer Ebene. Zum Zeitpunkt der Datenentstehung werden hier<br />

online Beziehungen zwischen Produkt und Qualitätsdaten sowie Messwerten hergestellt.<br />

Zeitwirtschaft in der Fertigung<br />

In einem Unternehmen ist die Zeitwirtschaft bis hin zur Lohnberechnung Bestandteil<br />

des Personalmangementsystems und damit Bestandteil von SAP HR<br />

Von dieser „Regel“ kann dann abgewichen werden, wenn in einem Fertigungsunternehmen<br />

eine Leistungslohnberechnung für die produktiven Mitarbeiter in der<br />

Fertigung erfolgen soll.<br />

Dann ist es wichtig, dass die Vorverarbeitung der Daten direkt zum Zeitpunkt<br />

des Entstehens erfolgt und zeitnah der Workflow für die Datenpflege sichergestellt<br />

wird. Beispiel: Pflegt ein Meister Personalbuchungen bereits während der aktuellen<br />

Schicht und nicht ein Zeitbeauftragter erst in der nächsten Schicht oder gar am<br />

nächsten Tag, so ist ein zeitnaher Abgleich und Plausibilitätstest der Personal- und<br />

Mengen-Meldungen möglich. Dies bedeutet Datenqualität und Sicherheit für den


10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 221<br />

Fertigungsprozess und gerechte und vor allem effektive Entlohnung in Konformität<br />

zur Produktqualität und Produktivität.<br />

Für Unternehmen, in denen die leistungsorientierte Entlohnung in der Produktion<br />

keine Rolle spielt, ist es sinnvoll, die Zeitwirtschaft klassisch im SAP-Umfeld<br />

(Modul HR) abzubilden. Somit reduziert sich die Funktionalität im <strong>MES</strong> auf einfache<br />

Erfassung von Zeitereignissen wie KOMMT, GEHT, Pause oder ähnliches.<br />

Aber auch Anforderungen an Plausibilitätschecks von Mitarbeitern in der Fertigung,<br />

sind an das <strong>MES</strong> zu stellen. Im Sinne einer Gesamtlösung ist es wichtig,<br />

dass das <strong>System</strong> (SAP plus <strong>MES</strong>) die beiden Alternativen unterstützt.<br />

10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong><br />

Das im vorhergehenden Kapitel beschriebene Ebenen-Konzept, vor allem die hier<br />

vorgesehene Überlappung von Funktionen und Prozessen, erfordert eine flexible<br />

und skalierbare Methode, um das SAP-<strong>System</strong> mit dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu verknüpfen.<br />

Hierfür stellt SAP über konventionelle Schnittstellentechnologie, also den bloßen<br />

Austausch von Daten zwischen zwei <strong>System</strong>en, zahlreiche Methoden und<br />

Verfahren zur Verfügung, die für eine Anbindung eines unterlagerten <strong>MES</strong> vielfältige<br />

Integrationsmöglichkeiten bieten.<br />

Seit Mitte 2004 verfolgt die SAP mit der Freigabe des Produktes SAP NetWeaver<br />

das Ziel, alle bestehenden Integrationsverfahren in diesem Produkt zusammenzufassen.<br />

Damit spielt der SAP NetWeaver automatisch eine zentrale Rolle<br />

bei der Integration eines <strong>MES</strong> <strong>System</strong>s im mySAP ERP.<br />

10.3.1 Bedeutung des SAP NetWeaver für die Integration des <strong>MES</strong><br />

Ziel ist es, den NetWeaver als eine Art Integrator für alle Applikationen eines Unternehmens<br />

zu implementieren. Applikationen oder Teilapplikationen sollen beliebig<br />

austauschbar werden. Das heißt auch, dass mySAP ERP automatisch wieder<br />

in Einzelapplikationen (sog. Services) „zerfallen“ muss, um als Anwendung die<br />

notwendige Flexibilität aufzuweisen. In einer SAP Roadmap soll mySAP ERP erst<br />

2007 vollständig „NetWeaver“-fähig sein.<br />

Da die Idee des NetWeaver den ESA * -Definitionen genügt, bedeutet das konsequenterweise<br />

auch, dass die SAP-Applikationen selbst den anderen „nicht SAP“-<br />

Anwendungen des Unternehmens gleich gestellt sind. Damit kommt dem <strong>MES</strong>-<br />

Gedanken eine weitere bedeutende Dimension hinzu. Das <strong>MES</strong> ist damit eine<br />

Sammlung von fertigungsnahen Diensten, die außerhalb der ERP-Applikation liegen,<br />

jedoch über eine geeignete <strong>System</strong>plattform, wie oben dargestellt, zu einer<br />

Gesamtanwendung „verwoben“ werden können.


222 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

mySAP<br />

CRM<br />

mySAP<br />

SRM<br />

mySAP<br />

ERP<br />

mySAP<br />

SCM<br />

mySAP<br />

PLM<br />

SAP NetWeaver Exchange Infrastructure XI<br />

<strong>MES</strong> - <strong>System</strong><br />

SAP Enterprise Portal<br />

<strong>MES</strong> Add On<br />

for SAP NetWeaver<br />

Application Interfaces<br />

PP-PDC, POI,<br />

QM-IDI, PCS<br />

BAPI´s<br />

Automation Layer<br />

OPC RFID Euromap Profibus SIEMENS S7 Prozessanbindung Terminals<br />

Abb. 10.3. Überblick über Integrationsszenarien im SAP NetWeaver<br />

Die Metagroup sagt hierzu: „Der SAP NetWeaver ist das erste funktionsfähige<br />

Produkt, das die Enterprise Service Architektur unterstützt. Danach sollen alle<br />

Anwendungen eines Unternehmens als sog. Services in den SAP Netweaver integriert<br />

werden. Dem Anwender stehen die Services dann über eine einheitliche Architektur<br />

und Oberfläche zur Verfügung. Der Anwender selbst nimmt dann keine<br />

einzelnen <strong>System</strong>e mehr wahr, sondern nur noch eine Lösung, die seine Prozesse<br />

abbildet.“<br />

Laut Aussage der MetaGroup befindet sich SAP mit dem Produkt NetWeaver<br />

im Mitbewerb zu IBM und Microsoft. Diese verfügen über die gleiche Strategie,<br />

nach der ebenfalls auf Betriebssystemebene versucht wird, eine einheitliche Plattform<br />

am Markt einzuführen.<br />

Der IT-Einführungsaufwand für Anwendungen soll durch diese Strategien in<br />

Zukunft stark zurückgehen. Um dies zu erreichen stellt die SAP im Netweaver eine<br />

Art Entwicklungsumgebung für Partner zur Verfügung mit der Workflows und<br />

Lösungen realisiert werden: das Composite Application Framework. Damit können<br />

unter anderem die sog. Cross Applications erzeugt werden.<br />

Die Exchange Infrastructure (XI) steht für die technische Anbindung von <strong>System</strong>en,<br />

auch dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>, an den SAP NetWeaver zur Verfügung. Dies ist<br />

die Kommunikationsebene, über die alle im SAP NetWeaver zu integrierenden<br />

<strong>System</strong>e miteinander kommunizieren.


10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 223<br />

Zum besseren Grundverständnis werden im Folgenden die Begriffe Composite<br />

Application Framework und die Cross Application erläutert.<br />

SAP NetWeaver<br />

Composite Composite Application Application Framework<br />

Framework<br />

PEOPLE INTEGRATION<br />

Multi channel access<br />

Portal Collaboration<br />

INFORMATION INTEGRATION<br />

Bus. Intelligence<br />

Master Data Mgmt<br />

PROCESS INTEGRATION<br />

Integration<br />

Broker<br />

APPLICATION PLATFORM<br />

J2EE<br />

DB and OS Abstraction<br />

Knowledge Mgmt<br />

Business<br />

Process Mgmt<br />

ABAP<br />

Abb. 10.4. Schematische Darstellung des SAP NetWeaver<br />

Composite Application Framework<br />

Eine wichtige NetWeaver-Komponente für das zukünftige Design von Anwendungen<br />

ist das Composite Application Framework. Im SAP NetWeaver soll diese<br />

Entwicklungsumgebung die Abbildung des Geschäftsprozesses als Workflow<br />

(Guided Procedures) ermöglichen. Dieser Idealzustand, sofern man ihn erreicht,<br />

würde das Fertigungsunternehmen in die Lage versetzen, sich seine gesamten Geschäftsprozesse<br />

in einem <strong>System</strong>, der sog. SAP Business Suite, über den SAP<br />

NetWeaver abzubilden. Unabhängig davon, welche Anwendungen im Einsatz<br />

sind, erfahren diese über den SAP NetWeaver eine vollständige Integration. Die<br />

MetaGroup spricht in diesem Zusammenhang nicht mehr von ERP-Beratern, die<br />

ERP-<strong>System</strong>e einführen, sondern von „Geschäftsprozessdesigner“, die mit Hilfe<br />

der in SAP NetWeaver enthaltenen Entwicklungstools die Prozesse des Fertigungsunternehmens<br />

direkt im <strong>System</strong> entwickeln. Die SAP hat aus diesem Grund<br />

die Produkte wie Master Data Management und das Business Warehouse in den<br />

Life Life Cycle Cycle Mgmt Mgmt


224 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

NetWeaver integriert. Mit dem Master Data Management sollen alle Daten eines<br />

Fertigungsunternehmens zentral verwaltet werden, ungeachtet der physikalischen<br />

Datenspeicherung. Dieser Ansatz geht weit über eine „zentrale“ Datenbank hinaus,<br />

da in diesem Datenmanagement auch die logischen Abhängigkeiten und<br />

Zugriffspfade beinhaltet sind.<br />

Cross Applications (XAPPS)<br />

Die SAP-Definition aus der Literatur für die Cross Application lässt sich wie folgt<br />

zusammenfassen: Eine sog. Cross Application verbindet und aggregiert Daten über<br />

die Fertigungslandschaft hinweg. Informationen aus verschiedenen Prozessen,<br />

Linien und Werksanlagen sind damit transparenter. Das zusammengesetzte Anwendungspaket<br />

enthält vorkonfigurierte Inhalte (die sog. iViews) sowie eine direkte<br />

Integration, z. B. mit den Dashboards und dem Alert-Management aus my-<br />

SAP ERP.<br />

Hierfür werden die Services für Datenzugriff, Analyse und Geschäftslogik genutzt,<br />

um beliebige Datenquellen in der Fertigung anzubinden, wie etwa Lösungen<br />

für die Fertigungsautomatisierung und -steuerung oder Wartungsanwendungen.<br />

Das zusammengesetzte Anwendungspaket erlaubt es allen an der Wertschöpfungskette<br />

beteiligten Fachleuten, auftretende Fragen über das SAP Enterprise<br />

Portal gemeinsam zu bearbeiten und in jeder Anwendung der mySAP Business<br />

Suite Maßnahmen zur Problemlösung zu ergreifen.<br />

Das bedeutet für ein Fertigungsunternehmen, um mySAP ERP zukünftig optimal<br />

einsetzen zu können, muss ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> in diesem Umfeld die notwendigen<br />

Funktionen bereitstellen, um dem Anwender mit SAP zusammen eine Gesamtlösung<br />

für seine Fertigung anzubieten.<br />

10.3.2 Schnittstellen zu den mySAP- ERP-Anwendungen<br />

Grundsätzlich muss bei einer Implementierung im SAP-Umfeld der klassische Datenaustausch<br />

zwischen zwei Applikationen, z. B. zwischen der SAP-Produktionsplanung<br />

(PP) oder der SAP-Warenwirtschaft (MM) und dem untergelagerten <strong>MES</strong><br />

möglich sein.<br />

Zu den einzelnen SAP-Modulen in mySAP ERP stellt SAP, ebenfalls basierend<br />

auf der NetWeaver Technologie, Schnittstellen zur Verfügung, über die das untergelagerte<br />

<strong>MES</strong> <strong>System</strong> erfasste Daten an das ERP übermittelt und notwendige Daten<br />

für die Information des Anwenders und vor allem für die Steuerung des <strong>MES</strong><br />

aus dem SAP <strong>System</strong> lädt.<br />

Die Anwendungen in mySAP ERP und dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> werden über die<br />

Anwendungsschnittstellen verbunden.<br />

Über diese Schnittstellen, über die zu bestimmten Zeitpunkten Informationen<br />

zwischen den beiden <strong>System</strong>en ausgetauscht werden, ist es gut möglich, zwei Prozesse,<br />

die in zwei unterschiedlichen <strong>System</strong>en vollständig ablaufen, miteinander<br />

zu verbinden.


10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 225<br />

Im Folgenden sind die wichtigsten Schnittstellen zu der ERP-Anwendung aufgeführt.<br />

Wichtig ist, dass das <strong>MES</strong> die geforderte Schnittstellentechnologie unterstützt.<br />

Maßgebend für den Anwender ist jedoch der Inhalt, der über die Schnittstelle<br />

ausgetauschten Daten.<br />

mySAP<br />

CRM<br />

mySAP<br />

SRM<br />

mySAP<br />

ERP<br />

mySAP<br />

SCM<br />

mySAP<br />

PLM<br />

Abb. 10.5. Überblick Application Interfaces<br />

Plant Data Collection (PP-PDC)<br />

Fertigungsaufträge<br />

PP-PDC<br />

Materialbewegungen<br />

MM-MOB<br />

Terminierungsdaten<br />

PP-POI<br />

Personal-/Lohndaten<br />

HR-PDC<br />

Qualitätsdaten<br />

QM-IDI<br />

.<br />

BAPI´s<br />

HYDRA<br />

<strong>MES</strong><br />

Über diese Schnittstelle werden klassisch Rückmeldungen, Stamm- und Bewegungsdaten<br />

zu Fertigungsaufträgen zwischen mySAP ERP und dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

ausgetauscht. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> meldet über diese Schnittstelle Zeitereignisse oder<br />

verdichtete Daten in Form von Lohnscheinen an das SAP-<strong>System</strong> zurück. Dadurch<br />

wird mySAP ERP zeitnah mit den Produktionsparametern versorgt. Der gebräuchliche<br />

Betriebsmodus dieser Schnittstelle an einem unterlagerten <strong>MES</strong> ist die<br />

Meldung über Lohnscheine. Hier werden aufsummierte bzw. verdichtete Zeiten<br />

und Mengen auftragsbezogen rückgemeldet. Nur so ist eine Vorverarbeitung der<br />

Daten möglich und das SAP-<strong>System</strong> wird, was die Datenmenge und die <strong>System</strong>performance<br />

des untergelagerten <strong>System</strong>s betrifft, entlastet.<br />

Production-Optimizing-Interface (PP-POI)<br />

Über die Schnittstelle PP-POI ermöglicht mySAP ERP dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> sämtliche<br />

Stamm- und Bewegungsdaten für Material wie Stücklisten, Arbeitsplatzin-


226 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

formationen sowie Plan-/Fertigungsaufträge und Lagerbestände auszulesen bzw.<br />

geänderte Informationen an das Produktionsplanungssystem zurück zu schreiben.<br />

Diese Funktion ist von besonderer Bedeutung, wenn das <strong>MES</strong>, Funktionen der<br />

Werkstattsteuerung oder der reaktiven Planung übernehmen soll. In diesem Fall<br />

werden über die POI-Schnittstelle zum einen Plantermine an die Steuerungskomponente<br />

des <strong>MES</strong> als Meilensteintermine gegeben und zum anderen meldet das<br />

<strong>MES</strong> nach erfolgter Planoptimierung die geänderten Termine an das <strong>MES</strong> zurück,<br />

um dort die notwendigen „Konsequenzen“ aus diesen Terminänderungen abzuleiten.<br />

Inspection Data Interface (QM-IDI)<br />

Diese Schnittstelle wird im Bereich des Qualitätsmanagements eingesetzt. Hierüber<br />

werden vom <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die Vorgaben für die Qualitätssicherung „gelesen“.<br />

Die gesamte Prüfabwicklung kann dann im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erfolgen und die<br />

für die Qualitätsdokumentation notwendigen Messwerte und Qualitätsinformationen<br />

werden an mySAP ERP rückgemeldet. Die sehr umfangreiche Schnittstelle<br />

muss natürlich vom untergelagerten <strong>MES</strong> skalierbar bedient werden können. Je<br />

nach Ausprägung des Qualitätsmanagements in den Fertigungsunternehmen muss<br />

die gesamte Bandbreite von einfacher Messdatenerfassung bis hin zur vollständigen<br />

Ausführung und Umsetzung der durch das SAP vorgegebenen Prüfpläne verfügbar<br />

sein.<br />

Process-Control-<strong>System</strong> (PI-PCS)<br />

In der Prozessindustrie ist eine Vielfalt von Steuersystemen im Einsatz. Die Steuerungsszenarien<br />

reichen von vollautomatisierten, durch Prozesssysteme gesteuerten<br />

Anlagen bis zu weitgehend manuell bedienten Anlagen mit geringem Automatisierungsgrad.<br />

Um diese Anlagen und Steuerinformationen zu versorgen bzw. Prozessmeldungen<br />

zu erfassen, stellt SAP die sog. PI-PCS Schnittstelle zur Verfügung.<br />

Die PI-PCS Schnittstelle ermöglicht sowohl den Download von Steuerrezepten<br />

an die untergelagerte Steuerung als auch den Upload prozessbezogener Daten in<br />

Form von Prozessmeldungen. Die Rückmeldungen auftragsbezogener Daten über<br />

die Schnittstelle PI-PCS ersetzt die auftragsbezogenen Rückmeldungen über PP-<br />

PDC.<br />

In Steuerrezepten werden folgende Daten übergeben:<br />

− Prozess- und Steuerungsparameter,<br />

− textuelle Anweisungen für den Anlagenfahrer in teilautomatisierten oder voll<br />

manuell bedienten Anlagen,<br />

− Informationen über rückzusendende Prozessmeldungen.<br />

Prozessmeldungen geben Auskunft über<br />

− den Status von Prozessaufträgen,<br />

− Verbrauch und Produktion von Materialien,


− den Status von Ressourcen,<br />

− ausgewählte Prozessereignisse.<br />

10.3 <strong>MES</strong> als integrierte Lösung im SAP-<strong>System</strong> 227<br />

Business Application Programming Interface (BAPI)<br />

Sollen Prozesse im Unternehmen enger miteinander „verwoben“ werden, ist es<br />

notwendig, dass der Datenaustausch zwischen beiden <strong>System</strong>en intensiver wird.<br />

Sollen die Prozesse kundenspezifisch angepasst werden, bedeutet das häufig eine<br />

Anpassung in beiden <strong>System</strong>en (in <strong>MES</strong> und in SAP). Die Verbindung beider <strong>System</strong>e<br />

wird damit bei steigender Flexibilität des Fertigungsprozesses zur „Belastung“.<br />

Um die <strong>System</strong>e effektiver einzusetzen, bietet SAP mit dem Business Application<br />

Programming Interface (BAPI) die Möglichkeit, Teilprozesse aus SAP<br />

„heraus zu lösen“, um sie vom untergelagerten <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> mitnutzen zu können.<br />

Damit verhält sich das untergelagerte <strong>MES</strong> wie ein virtueller Benutzer im SAP.<br />

Der Vorteil für den SAP Anwender ist, dass die Einbindung des <strong>MES</strong> durch die<br />

Verwendung von ihm bekannten und damit reproduzierbaren Abläufen im SAP<br />

geschieht. Voraussetzung ist, dass das <strong>MES</strong> die SAP Funktionen so unterstützt<br />

und ergänzt, dass die durchgängige Abbildung des Fertigungsprozesses möglich<br />

wird. Bei der Implementierung wird vom <strong>MES</strong>-Hersteller deshalb neben dem<br />

notwendigen Prozess-Know-how des Fertigungsunternehmens auch das notwendige<br />

SAP Anwendungswissen vorausgesetzt.<br />

Mit dieser Vorgehensweise können kundenspezifische Änderungen im <strong>MES</strong><br />

vorgenommen werden, ohne parallel SAP-seitig Änderungen durchführen zu müssen.<br />

10.3.3 Integration von <strong>MES</strong>-Funktionen über das SAP-Portal<br />

Das Enterprise Portal der SAP verfolgt die Zielstellung, Informationen aus nahezu<br />

beliebigen Anwendungen im Web zur Verfügung zu stellen. Neben der SAP gibt<br />

es am Markt weitere Anbieter von Portallösungen, wie beispielsweise die IBM.<br />

Jedoch hat die SAP durch die Verbindung des Portals mit dem NetWeaver und der<br />

ERP-Anwendung selbst Wettbewerbsvorteile bei Unternehmen, die bereits SAP-<br />

Anwendungen im Einsatz haben.<br />

Grundsätzlich ist das SAP-Portal somit eine „anwendungsneutrale Einrichtung“,<br />

die sowohl SAP-Inhalte als auch <strong>MES</strong>-Inhalte darstellen soll.<br />

Für alle Bereiche im Fertigungsunternehmen, in denen dem Anwender kein<br />

Portalzugang zur Verfügung steht oder es sich um Key- oder Poweruser handelt,<br />

die mächtigere Funktionen außerhalb des Portals benötigen, sind darüber hinaus<br />

umfangreiche <strong>MES</strong>-Anwendungen notwendig, die ausschließlich im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

selbst zur Verfügung stehen.<br />

Das SAP-Portal bietet für den Anwender eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s zwei interessante<br />

Integrationsmöglichkeiten. Zum einen die <strong>Manufacturing</strong> Intelligence Dashboards.<br />

Dabei handelt es sich um eine Art Monitore, die dem Anwender Navigations- und<br />

Alarmmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Zum anderen sind die sog. Business


228 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

Packages ganze <strong>MES</strong>-Anwendungspakete, die üblicherweise Bestandteil des<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s sind, jedoch im SAP-Portal ablaufen.<br />

10.3.3.1 <strong>Manufacturing</strong> Intelligence Dashboards<br />

Die SAP oder der SAP-Partner stellt speziell für Auswertungen in Fertigungsunternehmen<br />

ein sog. <strong>Manufacturing</strong> Intelligence Dashboard zur Verfügung. Basierend<br />

auf der Technologieplattform SAP NetWeaver erhalten Anwender über vorkonfigurierte<br />

Portale Informationen aus dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>. Die Dashboards<br />

unterstützen Mitarbeiter in der Fertigung, damit sie qualifizierte Entscheidungen<br />

schneller treffen können. Die SAP stellt vorkonfigurierte Rollen für Werksleiter,<br />

Fertigungsleiter, Wartungsleiter und Qualitätsbeauftragte zur Verfügung.<br />

In der schnelllebigen Arbeitswelt von heute ist die Bereitstellung relevanter und<br />

aktueller Informationen für Gruppen-, Team- und Abteilungsleiter von entscheidender<br />

Bedeutung.<br />

Es steht ein Spektrum an Funktionalitäten zur Verfügung. Dazu gehören die<br />

Anbindung an Fertigungsanwendungen und Datenquellen, die Visualisierung und<br />

Analyse von Fertigungs- und anderen Daten, das KPI- und Alert-Management,<br />

Qualitätsanalysen und eine ereignisbasierte Werk-SAP-Integration.<br />

Über die KPI (Key Performance Indicators) können für die Fertigung beispielsweise<br />

Daten über Fertigungsgrade, Anlagenauslastung und Ausschussraten<br />

bereitgestellt werden. Der sog. Alertmonitor verschickt Warnmeldungen (Alerts),<br />

wenn Sicherheitsbestände unterschritten werden, die Ausschussrate einen bestimmten<br />

Grenzwert überschreitet oder ein Indikator für die Produktqualität auf<br />

ein Problem hinweist. Das <strong>MES</strong> liefert Ereignisbenachrichtigungen, unter anderem<br />

bei einer Änderung des Auftragsstatus, beim Ausfall einer Anlage oder bei<br />

Qualitätsproblemen. Diese Informationen stehen dann im <strong>Manufacturing</strong> Dashboard.<br />

Die Hauptanwendung im Fertigungsumfeld liegt auf Managementebene, die aktuelle<br />

Informationen zur Verfügung stellen. Für die Mitarbeiter in der Fertigung,<br />

die im Detail aktuelle Informationen benötigen, ist der Zugriff auf detaillierte<br />

<strong>MES</strong>-Funktionen nötig.<br />

Hierfür bietet das Dashboard die wichtige Drill-Down-Funktion. So können<br />

Mitarbeiter in der Fertigung direkt in ihre gewohnte <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>umgebung „verzweigen“.<br />

Damit findet eine echte Integration in die SAP Bedienoberfläche statt<br />

ohne dass Funktionen, die im <strong>MES</strong> bereits vorhanden sind in mySAP ERP „nachprogrammiert“<br />

werden müssen.<br />

10.3.3.2 Business Packages<br />

Die SAP bietet verschiedene Anwendungen und Services in Form von benutzer-<br />

und aufgabenorientierten Business Packages. Darüber hinaus können auch SAP-<br />

Partner im SAP-Portal eigene Business Packages anbieten. Sie beruhen auf SAP-<br />

Produkten und Anwendungen von <strong>MES</strong>-Partnern. Im Wesentlichen beinhalten die<br />

Pakete im Fertigungsumfeld Informationen und Workflows für die Managementebene<br />

in der Fertigung.


10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 229<br />

Die Business Packages sind eine Sammlung von sog. iViews (Interactive<br />

Views). Interactive Views sind eigenständige Softwaremodule, die sich in das<br />

SAP Enterprise Portal einfügen und dem Anwender damit alle grundsätzlichen<br />

Features (wie die Rollenorientierung und das Berechtigungskonzept) zur Verfügung<br />

stellen. Der iView bietet somit die Möglichkeit, Informationen (Content) direkt<br />

aus dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> dem Portal-Anwender weiterzuleiten oder diese in einen<br />

vordefinierten Workflow aufzunehmen. Der iView selbst ist aber Bestandteil<br />

des <strong>MES</strong> <strong>System</strong>s.<br />

10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative<br />

der SAP<br />

Der Begriff Adaptive <strong>Manufacturing</strong> steht ab 2005 bei der SAP vor allem für Aktivitäten,<br />

die dem mySAP-ERP Anwender ermöglichen sollen, <strong>MES</strong>-Funktionen<br />

zu nutzen.<br />

Mit einer damit verbundenen Partner-Initiative kündigt die SAP ihren Kunden<br />

an, dass mySAP ERP für einen optimierten Einsatz in der Fertigung durch ein eigenständiges<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ergänzt werden kann bzw. für einige Branchen ergänzt<br />

werden muss. Damit verschafft sich die SAP einen klaren Marktvorteil, da dem<br />

SAP-Anwender Funktionen von lauffähigen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en zur Verfügung stehen<br />

und die SAP-Anwendung sich damit in das teilweise sehr heterogene Fertigungsumfeld<br />

unterschiedlicher Branchen einpassen kann.<br />

SAP forciert mit dieser Initiative darüber hinaus das Partnering und knüpft diese<br />

Initiative an die Verwendung des SAP NetWeaver. Es werden qualifizierte<br />

Partner gesucht, die den SAP-Kunden ein leistungsfähiges <strong>MES</strong> anbieten. Um die<br />

Qualifikation dieser Partner auch für die SAP Kunden transparent zu machen, bietet<br />

die SAP den Partnern den Erwerb des „powered by NetWeaver“-Zertifikat an.<br />

Für das Fertigungsunternehmen, das ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> unterhalb von SAP auswählt,<br />

sind folgende Kriterien relevant.<br />

10.4.1 Skalierbarkeit der <strong>MES</strong>-Lösung<br />

Um die notwendige Flexibilität für eine Anwendung zu erreichen, muss die Architektur<br />

des <strong>MES</strong> sicherstellen, dass unterhalb von mySAP ein <strong>MES</strong> skalierbar ist.<br />

Das gilt auch innerhalb einer Installation bei einem Fertigungsunternehmen. Denn<br />

je nach Fertigungsbereich sind die Anforderungen an ein <strong>MES</strong> ganz unterschiedlich.<br />

In weitgehend automatisiert laufenden Fertigungsbereichen wie dem Kunststoffspritzguss,<br />

steht die technische Anbindung von Maschinen, beginnend, bei<br />

der Datenerfassung von Mengen oder Störungen und Prozessparametern bis hin<br />

zur Übergabe von Maschineneinstelldaten, im Vordergrund. Im personalintensiven<br />

Produktionsbereich, wie der Montage, geht es um Erfassung von Zeiten und<br />

das Anzeigen von Bildinformationen wie Montageanweisungen. Für beide Anwendungen<br />

werden unterschiedliche Erfassungstechnologien benötigt.


230 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

Darüber hinaus muss der Fertigungsprozess sich selbst permanent anpassen.<br />

Zum einen hervorgerufen durch ablauftechnische Optimierungen, zum andern aber<br />

auch durch immer dynamischer ablaufende Produktänderungen, bei immer geringer<br />

werdenden Losgrößen.<br />

Die Dynamik des Fertigungsprozesses in einem Unternehmen erfordert ein anpassungsfähiges<br />

und damit technisch skalierbares <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>:<br />

− Dynamische Erweiterungsmöglichkeit der IT-Infrastruktur durch konsequenten<br />

Einsatz von Standards als Betriebssystem, Datenbank und Netzwerktechnik,<br />

− Unterstützung der gängigen Schnittstellen zu den SAP-Anwendungen (siehe<br />

10.3.2),<br />

− Einbinden in die SAP Integrationsszenarien, um eine bedarfsorientierte Informationsverteilung<br />

im Unternehmen zu ermöglichen (siehe 10.3.3),<br />

− Vom Anwender anpassbare <strong>MES</strong>-Bedienoberfläche, zur Generierung eigener<br />

Auswertungen in der Fertigung.<br />

10.4.2 <strong>MES</strong> für die horizontale Integration<br />

Um sicher zu sein, dass ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> innerhalb eines Fertigungsunternehmens<br />

einen zukunftssicheren Einsatz garantiert, müssen Funktionen vorhanden sein, die<br />

die horizontale Integration für die Anwendung sicherstellen. Grundsätzlich bedeutet<br />

dies, dass Komponenten für:<br />

− Auftragsdatenerfassung,<br />

− Maschinendatenerfassung,<br />

− Leitstand,<br />

− Material- und Produktionslogistik,<br />

− Personalzeiterfassung,<br />

− Leistungslohn,<br />

− Qualitätssicherung,<br />

− Zutrittskontrolle,<br />

− DNC,<br />

− Prozessdaten,<br />

− Werkzeug- und Ressourcenmanagement<br />

vorhanden sein müssen, um in der vollen Anwendungsbreite einem Fertigungsunternehmen<br />

eine durchgängige Lösung bieten zu können.<br />

10.4.3 Anbindung der Maschinen- und Steuerungsebene<br />

Eine weitere entscheidende Eigenschaft mit der das <strong>MES</strong> die Integrierbarkeit von<br />

mySAP ERP in verschiedene Fertigungsorganisationen und Branchen sicherstellt,<br />

ist die Unterstützung von allen gängigen Technologien auf der Automationsebene.<br />

Neben Verwendung von Standards muss hier das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> in der Lage sein,


10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 231<br />

auch sehr individuell programmierte Prozessleitsysteme, Erfassungssysteme oder<br />

gar Maschinen und Aggregate anzubinden, die nach wie vor bei vielen Fertigungsunternehmen<br />

im Einsatz sind. Denn nur so ist eine flächendeckende Lösung<br />

im Unternehmen und die Vermeidung von neuen Insellösungen zu erreichen.<br />

Ganz im Gegenteil soll das <strong>MES</strong> dafür sorgen, dass bestehende Insellösungen in<br />

der Fertigung in das <strong>MES</strong> integrierbar sind und damit eine homogene Schnittstelle<br />

zum SAP-<strong>System</strong> geschaffen wird.<br />

Folgende gängige Technologien und Erfassungsstandards muss ein <strong>MES</strong> dem<br />

SAP-Anwender zur Verfügung stellen:<br />

RFID – Radio Frequency Identification<br />

Während in den vergangenen Jahren die Identifikation von Material, Personal und<br />

Auftragspapieren via Barcodelabels die Erfassung im Produktionsablauf bestimmte,<br />

ist das RFID-Verfahren immer weiter auf dem Vormarsch. Aufgrund der mittlerweile<br />

sehr preiswerten Technologie bietet RFID durch die Möglichkeit, dass die<br />

Datenträger im Fertigungsablauf beschrieben werden können, eine breite Anwendungspalette,<br />

z. B.: bei der Materialverfolgung durch die Nutzung des Datenträgers<br />

als „elektronische“ Etiketten. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass das<br />

<strong>MES</strong> die hierfür notwendige Anwendung für diese Technik zur Verfügung stellt.<br />

OPC-Open-Link-Enabling (OLE) für Process Control<br />

Die Kommunikationstechnik OPC, die mittlerweile viele Hersteller von Fertigungsmaschinen<br />

und Anlagen unterschiedlichster Branchen unterstützen, ist im<br />

Moment auf dem Weg sich als flächendeckender Standard durchzusetzen. Deshalb<br />

ist es notwendig, dass ein <strong>MES</strong> über diesen Weg in der Lage ist, Maschinen-,<br />

Qualitäts- und Prozessdaten aus Maschinen und Aggregaten auszulesen. Darüber<br />

hinaus müssen Steuerinformation (sog. Einstelldaten) vom ERP über das <strong>MES</strong><br />

teilweise auftrags-/produktbezogen an das Fertigungsaggregat gebracht werden.<br />

Wie bereits erwähnt, muss diese Funktionalität vor allem auch im Bereich der<br />

Kunststofffertigung-Standards, wie Euromap, E63 oder herstellerspezifische Kommunikationsprotokolle,<br />

gleichermaßen unterstützt werden.<br />

GFDA und GAMP4 Konformität<br />

Neben den bereits erwähnten technischen Standards ist das <strong>MES</strong> auch für die Umsetzung<br />

von Qualitätsstandards der amerikanischen Food and Drug Administration<br />

(FDA) und daraus abgeleiteten Vorschriften GAMP4 (Good Automation <strong>Manufacturing</strong><br />

Process) und den entsprechenden europäischen Normen maßgeblich.<br />

Diese Qualitätsnorm fordert vor allem von Lebensmittel- und Pharmaherstellern<br />

eine Validierung von eingesetzten ERP- und <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en, die für die Fertigungssteuerung<br />

und in der Produktion eingesetzt werden. Neben den Qualitätsanforderungen,<br />

die an Hersteller der ERP- und <strong>MES</strong>-Software gestellt wird, muss<br />

die Software Sicherheitsanforderungen sicherstellen, die in der Norm 21 CFR Part<br />

11 der FDA vorgeschrieben werden. Dies sind weitgehend funktionale Sicher-


232 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

heitsanforderungen, die die Software erfüllen muss. Heute ist der Einsatz einer<br />

<strong>MES</strong>-Software für ein Fertigungsunternehmen, das eine Validierung nach FDA<br />

erhalten will, Grundvoraussetzung, um die Kosten hierfür in vertretbarem Rahmen<br />

halten zu können.<br />

10.4.4 Beispiele für die Integration von <strong>MES</strong> und mySAP ERP<br />

Gerade im SAP-Umfeld ist es wichtig für den Anwendungsnutzen des Fertigungsunternehmens,<br />

die technologischen Erfordernisse von dem eigentlichen Anwendungsnutzen<br />

zu trennen. Um dies etwas transparenter zu machen, sind die wichtigsten<br />

vorgenannten Möglichkeiten im Folgenden in einem Anwendungsbeispiel<br />

zusammengefasst. Ziel dieser Darstellung ist es, die aufgezeigten technischen<br />

Möglichkeiten mit dem jeweiligen Anwendungsnutzen gegenüber zu stellen.<br />

In diesem einfachen Beispiel wird ein durchgängiges Integrationsszenario des<br />

<strong>MES</strong> HYDRA der Fa. MPDV und mySAP ERP dargestellt.<br />

Das <strong>MES</strong> verfügt über eine vollständige Auftragsdaten- und Maschinendatenerfassung.<br />

Zur Erledigung der Auftragsdatenerfassung und der Werkstattsteuerung<br />

ist das <strong>MES</strong> über die Anwendungsschnittstelle PP-PDC an mySAP ERP angebunden.<br />

Über diese Schnittstelle werden wie im Kapitel 10.3.2 dargestellt, die Auftragsvorgaben<br />

über den Download als Auftragsvorrat an das <strong>MES</strong> übertragen.<br />

Benutzerspezifische Informationen werden direkt am mySAP ERP gelesen. Der<br />

<strong>MES</strong>-Hersteller nutzt in diesem Beispiel ein eigen entwickeltes Modul, das von<br />

der SAP mit dem „powered by NetWeaver“-Logo zertifiziert wurde. Die Auftragsdaten<br />

werden erfasst, teilweise aggregiert, und an mySAP ERP über PP-PDC<br />

zurückgemeldet. Materialbewegungen werden ebenfalls im <strong>MES</strong> erfasst, dabei<br />

werden die Work in Process (WIP) Materialien im <strong>MES</strong> nicht nur erfasst, sondern<br />

Materialbewegungen visualisiert. Die Meldungen an die SAP- Materialwirtschaft<br />

(MM) erfolgen nur zu den vordefinierten Meilensteinen (Dispo Stufen). Somit ist<br />

die Abgrenzung zur SAP-Materialwirtschaft (MM) und dem sog. Transportmanagement<br />

gegeben und damit systemseitig eine optimale Ergänzung von SAP durch<br />

das unterlagerte <strong>MES</strong>. Sollte ein Maschinenstillstand oder ein Bedienereingriff eine<br />

Instandhaltungsmaßnahme notwendig machen, wird im Modul PM direkt über<br />

die Verwendung eines BAPI´s ein Instandhaltungsauftrag ausgelöst. Ob die Erfassung<br />

des PM-Auftrags, also die Aggregation der Zeiten über eine <strong>MES</strong>-Funktion<br />

erfolgt, weil z. B. an den Arbeitsplätzen oder Maschinen über das <strong>MES</strong> bereits eine<br />

Maschinendatenerfassung läuft oder ob diese Zeiten manuell über mySAP ERP<br />

Funktionen erfolgt, hängt allein von der vorhandenen IT-Infrastruktur oder der<br />

Organisation des Anwenders ab. Wichtig für die Flexibilität ist, dass die implementierte<br />

und hier dargestellte <strong>System</strong>konfiguration wahlfrei beide Alternativen<br />

unterstützt.<br />

Neben den klassischen Funktionen eines <strong>MES</strong> stehen in diesem Beispiel dem<br />

SAP-Anwender die folgenden zusätzlichen Funktionen zur Verfügung, deren Realisierung<br />

in diesem Beispiel auf Basis der NetWeaver-Technologie erfolgt ist.


<strong>Manufacturing</strong> Cockpit<br />

10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 233<br />

Da nun die Maschinendatenerfassung fast vollständig als Anwendung im <strong>MES</strong> abläuft,<br />

jedoch bestimmte Informationen im ganzen Unternehmen verfügbar sein<br />

sollen, werden diese Informationen in der SAP-Oberfläche den Anwendern angeboten.<br />

Dies soll je nach Ausprägung des SAP-<strong>System</strong>s im SAP GUI oder im SAP<br />

Portal erfolgen (siehe Abschn. 10.3.3). Im vorliegenden Beispiel wird eine Zustandsübersicht<br />

aller Maschinen, Aggregate und Arbeitsplätze als Statusmonitor<br />

dem Anwender im SAP-Portal angeboten.<br />

Abb. 10.6. Maschinenübersicht im Web<br />

<strong>Manufacturing</strong> Master Data Control (MMDC)<br />

MMDC steht für eine kontinuierliche Verbesserung von Stammdaten. Vor allem<br />

für flexible Fertigungsprozesse, die ständiger Änderung unterliegen, ist es wichtig,<br />

einen permanenten Abgleich zwischen den Planvorgaben und den Istwerten vorzunehmen.<br />

Klassisch wird dieser Soll-Ist-Vergleich auftragsbezogen entweder im<br />

<strong>MES</strong> oder im ERP durch entsprechende Auswertungen unterstützt. Diese Auswertungen<br />

dienen jedoch ausschließlich der klassischen Nachkalkulation. Was jedoch<br />

häufig vollständig fehlt, ist der Rückfluss dieser Informationen zur Verbesserung<br />

der Planvorgaben. Diese Planvorgaben sind Grundlage nicht nur für die Fertigungsplanung,<br />

sondern für die gesamte Unternehmensplanung. Die Aufgabe des<br />

MMDC ist es, diesen Regelkreis nicht nur zu unterstützen, sondern zum Zwangsablauf<br />

für die Anwender zu machen.


234 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

Planung<br />

Terminierung<br />

Vorkalkulation<br />

Planwerte Nachkalkulation<br />

Ausführung im <strong>MES</strong><br />

Abb. 10.7. Regelkreis zur Optimierung der Fertigungsstammdaten<br />

Abb. 10.8. Soll-Ist-Vergleich der Plandaten<br />

Rückmeldung


10.4 Unterstützung der Adaptive <strong>Manufacturing</strong> Initiative der SAP 235<br />

Mit MMDC wird ein Regelprozess aufgebaut, der auftragsübergreifend Planvorgaben<br />

aus dem Arbeitsplan und aus den Ist-Daten ermittelte verbesserte Sollvorgaben<br />

gegenüberstellt. Um den Regelkreis sicherzustellen, werden solche Abweichungen<br />

in einer Übersicht dem Anwender als eine Art To-Do-Liste dargestellt.<br />

Diese Liste muss von dem verantwortlichen Mitarbeiter abgearbeitet werden,<br />

indem jede Abweichung der Ursache zugeordnet werden muss.<br />

Zielverfolgung in der Fertigung: <strong>Manufacturing</strong> ScoreCard<br />

Die <strong>Manufacturing</strong> Scorecard ist eine von MPDV Mikrolab GmbH entwickelte<br />

Methode, um systemgestützt Ziele in der Fertigung zu definieren und deren Erreichungsgrad<br />

zu verfolgen. Im SAP-Umfeld ist dies ein typisches Beispiel zur Anwendung<br />

der Key Performance Indicators (KPI) in einem <strong>Manufacturing</strong> Intelligence<br />

Dashboard. Das jeweilige Ziel aus dem Modul <strong>Manufacturing</strong> Scorecard<br />

wird im Dashboard hinterlegt. In der sog. KPI-Watchlist des Dashboards werden<br />

die definierten Ziele und der jeweilige aktuelle Erfüllungsgrad im Überblick angezeigt.<br />

Für Detailinformationen ist es sinnvoll, in das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu verzweigen.<br />

Zielerreichung:<br />

z. B. Prozessgrad,<br />

Nutzgrad<br />

Abb. 10.9. Kontrolle der Zielerreichung über die <strong>Manufacturing</strong> Score Card


236 10 <strong>MES</strong> unter SAP<br />

Anbindung des Automations-Layers<br />

Für die Anbindung der Maschinen und Prozessanlagen unterstützt in diesem Beispiel<br />

das <strong>MES</strong> moderne Technologien wie den OPC (siehe Abschn. 10.4.3). Entscheidend<br />

ist, dass das <strong>MES</strong> für die Prozessebene eine Standardisierung zur Maschinenanbindung<br />

vornimmt, um das i. Allg. heterogene Steuerungsumfeld integrieren<br />

zu können, ohne viele proprietäre Anbindung an das SAP-<strong>System</strong> realisieren<br />

zu müssen.<br />

Im vorliegenden Beispiel hat der Hersteller mit dem Produkt hierzu den Process<br />

Communication Controller bereitgestellt, der quasi standardisierten Schnittstellen<br />

wie oben beschrieben zum SAP-<strong>System</strong> und zu den Maschinen und den Prozessanlagen<br />

Technologien zur Verfügung stellt wie:<br />

− OPC,<br />

− Direktanbindungen an Steuerungen wie Simens S7,<br />

− Potenzialfreie Kontakte zur Mengenzählung und Störsignalerfassung,<br />

− Treiber zu Feldbussystemen, wie dem Profibus,<br />

− Treiber zu Maschinensteuerungsnetzen,<br />

− Direktanbindung an Waagen oder gesamte Waagensysteme.<br />

OPC<br />

Euromap<br />

z. B.seriell,<br />

LAN,<br />

Profibus,<br />

SINEC H1<br />

Process Communication Controller<br />

Maschinen<br />

steuerung<br />

seriell,<br />

LAN,<br />

Profibus<br />

Waage<br />

LAN,<br />

seriell<br />

Abb. 10.10. Verbindung der Automatisierungsebene<br />

Barcode<br />

RFID<br />

Maschinenanbindung<br />

digital,<br />

analog


10.5 Zusammenfassung<br />

10.5 Zusammenfassung 237<br />

Der Begriff <strong>MES</strong> gewinnt im SAP-Umfeld immer mehr an Bedeutung, da die SAP<br />

gegenüber den Anwendern Ihrer Produkte deutlich kommuniziert, dass die optimale<br />

Einbindung von mySAP ERP in die immer flexibler werdende Fertigungswelt<br />

mit einem eigenständigen <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu erreichen ist.<br />

Mit dem SAP NetWeaver will SAP hierzu die notwendige Technologieplattform<br />

zur Verfügung stellen. Einige dieser Technologien sind noch in der Entwicklung<br />

und die Marktdurchdringung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Bis<br />

dahin gilt es jedoch, die bereits bestehenden Forderungen der Anwender mit den<br />

bereits bestehenden Technologien zu erfüllen und ein <strong>MES</strong> einzusetzen, das zwar<br />

zum einen die zukunftsträchtigen NetWeaver unterstützen wird, jedoch bereits<br />

heute schon seine Leistungsfähigkeit in der Anwendung unter Nutzung der aktuellen,<br />

zur Verfügung stehenden Integrationstechnologien unter Beweis stellt.<br />

Für den SAP-Anwender ist vor allem wichtig, dass neben der technischen Implementierung<br />

des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> in die SAP-Welt, das <strong>MES</strong> die notwendige Flexibilität<br />

in Bezug auf die Anwendung aufweist und die zu mySAP ERP notwendigen<br />

komplementären Funktionen für die Fertigung liefert. Entscheidend ist dabei<br />

auch, dass der Beratungspartner bei der Einführung des <strong>MES</strong> oder des mySAP<br />

ERP über das notwendige Prozess-Know-how der Fertigungsabläufe des Unternehmens<br />

verfügt.


11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

11.1 Besonderheiten der Kunststoffindustrie<br />

10.5 Zusammenfassung 239<br />

Die Kunststoffindustrie, im Besonderen die diskrete Fertigung, war historisch bedingt<br />

ein Vorreiter in den Disziplinen Betriebsdatenerfassung, Feinplanung und<br />

Qualitätssicherung. Das vernetzte Denken eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s bringt wesentliche<br />

Vorteile. Maschinen und Werkzeuge in diesem wichtigen Industriezweig befinden<br />

sich auf einem hohen technischen Niveau und die Fabriken sind modern ausgestattet.<br />

Als Verfahren werden Spitzgießen, Blasformen, Extrusion sowie daraus abgeleitete<br />

Spezialfertigungsarten eingesetzt. Meist ist die Kunststofffertigung mit weiteren<br />

automatisierten Fertigungsbereichen verbunden. Die Endprodukte bestehen<br />

in vielen Fällen aus einer Kombination von Komponenten Kunststoff, Metall und<br />

Kautschuk. Dabei sind die Vorteile eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s auch in weiteren Sparten<br />

anwendbar. Stanzen und Pressen sowie sämtliche taktgebundene Automaten lassen<br />

sich problemlos in das <strong>System</strong> integrieren und es ergeben sich daraus weitere<br />

Vorteile für das gesamte Fertigungssegment.<br />

Bei der Frage der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit stehen in vielen Fällen Investitionen<br />

im Maschinenpark und Werkzeugbereich im Vordergrund einer Diskussion.<br />

Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass es wesentlich wirtschaftlicher<br />

ist, die Planung zu verbessern, sowie alle Stör- und Ausschussgründe<br />

exakt zu erfassen und auszuwerten, als zu versuchen, eine höhere Rentabilität über<br />

technische Maßnahmen zu erzielen. Die Zielsetzung lautet, den vorhandenen Maschinenpark<br />

besser auszulasten und die Qualität zu erhöhen und auf diesem Wege<br />

zu höherer Effizienz zu gelangen. Ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> mit den Funktionen elektronischer<br />

Leitstand, Betriebsdatenerfassung, Maschinendatenerfassung, Werkzeug-<br />

und Materialverwaltung bringt Transparenz in die Fertigung und erhöht die Wirtschaftlichkeit.<br />

In Abschn. 11.11 ist dazu eine detaillierte Berechnung unter Berücksichtigung<br />

der verschiedenen Einflussfaktoren aufgeführt.<br />

Der Einsatz von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en ist immer besonders wirksam, wenn folgende<br />

Voraussetzungen erfüllt sind:<br />

− Möglichkeit der automatischen Erfassung direkt an den Maschinen,<br />

− Automatikbetrieb,<br />

− Vorhandensein einer größeren Anzahl gleichartiger Maschinen,<br />

− Fertigung mit hochinvestiven Maschinen und Werkzeugen,<br />

− Betrieb über 7 Tage mit 24 Stunden,<br />

− Forderung nach hohem Nutzungs- und Auslastungsgrad,


240 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

− Produktion von großen Stückzahlen,<br />

− Forderung nach Lieferfähigkeit „Just In Time“.<br />

Bei der Fertigung von Kunststoffteilen im Spritzgießprozess sind all die genannten<br />

Voraussetzungen gegeben. Bedeutende Anwendungsbereiche im Bereich<br />

Kunststoff sind<br />

− Automobilindustrie,<br />

− Technische Teile,<br />

− Verpackung,<br />

− Medizintechnik,<br />

− Elektroindustrie.<br />

Die Produkte im Kunststoffbereich sind komplex, laufen in hohen Stückzahlen<br />

und haben erhebliche Anforderungen an Qualität, Preiswürdigkeit und Liefertreue.<br />

Da Technologien, Maschinen und Werkzeuge bereits auf einem hohen Standard<br />

angelangt sind, ergeben sich an dieser Stelle nur evolutionäre Verbesserungsmöglichkeiten.<br />

Es ist daher wesentlich effizienter mit Hilfe eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s<br />

dafür zu sorgen, dass die Produktion mit hohem Nutzungsgrad, geringem Ausschuss<br />

und hoher Qualität arbeitet.<br />

11.2 Einsetzbare <strong>MES</strong>-Module<br />

Im Bereich der kunststoffverarbeitenden Industrie können alle <strong>MES</strong>-Module eingesetzt<br />

werden. Im Folgenden wird für die Bezeichnung der Module die Terminologie<br />

der VDI-Richtlinie VDI 5600 benutzt.<br />

Tabelle 11.1. VDI Richtlinie Kunststoffbereich<br />

VDI Richtlinie Kunststoffbereich<br />

Feinplanung und Steuerung Leitstand<br />

Materialmanagement Materialverwaltung<br />

Betriebsmittelmanagement Werkzeugverwaltung<br />

Personalmanagement Personalzeiterfassung<br />

Datenerfassung- und Verarbeitung Betriebsdatenerfassung<br />

Schnittstellenmanagement Schnittstellen zu ERP-/PPS/LuG<br />

Leistungsanalyse Auswertungen<br />

Qualitätsmanagement Qualitätssicherung<br />

Informationsmanagement Management Informationen<br />

Beim integralen Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s kommen vor allem die Interaktionen<br />

zwischen den verschiedenen Modulen zum Tragen, die es erlauben einmal erfasste<br />

Daten in verschiedenen Modulen zu bearbeiten und daraus die entsprechenden<br />

Maßnahmen zu ergreifen. Das soll hier am Beispiel einer der Reaktionen auf<br />

eine Ausschussbearbeitung gezeigt werden.


Leitstand<br />

Meister,<br />

Abb. 11.1. <strong>MES</strong> Module<br />

PL<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

Controlling<br />

Konstruktion<br />

11.3 Leitstand 241<br />

Der Ausschuss wird erkannt und im <strong>System</strong> quantitativ und mit Angabe des<br />

Ausschussgrundes registriert. Im QS-<strong>System</strong> geht der Ausschussgrund in die<br />

Auswertungen und Statistiken ein, und es werden daraus die notwendigen Maßnahmen<br />

eingeleitet. Dem Leitstand wird die Stückzahl gemeldet und von dort wird<br />

die entsprechende Nachfertigung veranlasst und es werden automatisch alle Konsequenzen<br />

durch die verlängerte Bearbeitungszeit auf die Folgeaufträge gezeigt.<br />

Das Materialmanagement prüft, ob die entsprechende Materialmenge für die<br />

Nachfertigung vorhanden ist. Im Bereich Werkzeugverwaltung werden die Fehlteile<br />

dem Werkzeug zugeordnet und es kann dadurch untersucht werden, inwieweit<br />

die Ausschussteile in der Verantwortung des Werkzeugs liegen. Besonders<br />

wichtig ist die wirtschaftliche Bewertung der Fehlteile, die über die Schnittstelle<br />

zum ERP-/PPS <strong>System</strong> gemeldet werden. Damit wird das ERP-/PPS <strong>System</strong> in die<br />

Lage versetzt, unter Echtzeitbedingungen sofort den finanziellen Aufwand zu ermitteln,<br />

der durch die Ausschussproblematik entstanden ist.<br />

11.3 Leitstand<br />

Der Einsatz eines Leitstandes ist bei der Kunststoffverarbeitung besonders effektiv.<br />

Aus den Vorgaben der Stammdaten kann die Auftragsdauer über Stückzahl,<br />

Rüstzeit, Zykluszeit und Werkzeugkavität exakt berechnet werden. Über den Fabrikkalender<br />

wird die zur Verfügung stehende Kapazität ermittelt, wobei je nach


242 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

Ersatzfall sogar teile- oder maschinenspezifische Schichtmodelle berücksichtigt<br />

werden können. Die Funktionen arbeiten auf Knopfdruck in Echtzeit und jede Änderung<br />

wird sofort mit einbezogen. Bei der im Betrieb vorhandenen Anzahl von<br />

Maschinen und Aufträgen ist es nicht möglich diese Aufgaben manuell durchzuführen.<br />

Man denke nur an eine Fertigung mit 30 Maschinen und einer Anzahl von<br />

5 geplanten Aufträgen pro Maschine. Das ergibt schon die Menge von über 150<br />

Aufträgen, die bei der Einplanung durchgerechnet und bei jeder Veränderung<br />

nachgerechnet werden müssten.<br />

Abb. 11.2. Leitstand mit Kapazitätsprofil<br />

Auf Basis seiner Daten kann ein Leitstand noch wesentliche komplexere Funktionen<br />

ausführen. Über Statusmeldungen berücksichtigt er, ob ein Werkzeug verfügbar<br />

ist. Er kann über die Materialbeziehung eine günstige Farbreihenfolge anzeigen<br />

und kann gleichzeitig prüfen, ob nicht vorgeschriebene Wartungsintervalle<br />

in einen Fertigungszyklus fallen.<br />

Die Vorteile der papierlosen Planung gegenüber dem konventionellen Vorgehen<br />

liegen auf der Hand. Der Leitstand verarbeitet alle Informationen in Echtzeit<br />

und deshalb ist der Planungshintergrund immer auf dem aktuellen Stand. Die Planung<br />

am Leitstand ist durch die grafische Unterstützung wesentlich einfacher als<br />

das Handling mit einer Vielzahl von Papierdokumenten, die bei jeder Umplanung<br />

mühsam zusammengesucht und völlig neu erstellt werden müssen. Da der Leit-


11.6 Visualisierung und Auswertungen 243<br />

stand in der Lage ist, Vorschläge zu machen und bei ungünstigen Konstellationen<br />

Warnungen ausgibt, ist die Einarbeitung in die Planung wesentlich erleichtert.<br />

Dieser Vorteil kommt bei Personalwechsel und kurzfristigem Ausfall eines Planers<br />

zum Tragen.<br />

Der Leitstand stellt die Auftragsreihenfolge in Balkenform dar. Die dazugehörige<br />

Auslastungsgrafik zeigt auf, zu welchem Zeitpunkt freie Fertigungskapazitäten<br />

verfügbar sind und wo Überbelegungen eine Umplanung der Arbeitsgänge erforderlich<br />

machen.<br />

11.4 Erfassung der Maschinen- und Betriebsdaten<br />

Eine besondere Bedeutung für die Planung kommt der Maschinendatenerfassung<br />

(MDE) zu. Da jede Planung nur so gut ist, wie der Istzustand auf dem sie basiert,<br />

ist die automatische Bereitstellung der Stückzahlen einer der wesentlichen Grundlagen<br />

für eine saubere Planung. Da die gefertigten Teilestückzahlen exakt und<br />

vollautomatisch vom BDE-Part des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s geliefert werden, ist die Planung<br />

von hoher Aktualität und Güte.<br />

Die Planung partizipiert weitgehend von der Maschinendatenerfassung (MDE).<br />

Zusätzlich werden über BDE (Betriebsdatenerfassung) weitere Informationen manuell<br />

erfasst und an Terminals in der Fabrik eingegeben. Dazu gehören Rüst- und<br />

Servicezeiten sowie Ausschussstückzahlen. Diese direkte Erfassung an den Terminals<br />

ist sicherer und aktueller und mit wesentlich geringeren Kosten verbunden<br />

als manuelle Aufschriebe, die dann weitergeleitet und später in EDV-<strong>System</strong>e<br />

eingegeben werden müssen. Durch die sofortige Eingabe wird ein Echtzeitbezug<br />

geschaffen und optional kann über die Bestätigung durch Kartenleser auch ein<br />

Personenbezug geschaffen werden. Die elektronische Form der Erfassung und<br />

Übermittlung ist der manuellen Handaufschreibung in punkto Genauigkeit und Effizienz<br />

weit überlegen. Dabei ist in den Firmen, die noch manuell arbeiten, meist<br />

bekannt, wie schwach das Datengerüst ist, auf dem man über Nutzungsgrade und<br />

Ausschusszahlen diskutiert.<br />

Als Erfassungsstationen werden spezielle Terminals an den Maschinen oder<br />

PC-Rechner mit Windows-Oberfläche eingesetzt. Diese Terminals können als<br />

Einzel- oder Gruppenterminal verwendet werden. Die Oberfläche ist grafisch gestaltet<br />

und die Funktionen werden durch Berührung von Symbolflächen (Touch-<br />

Screen) ausgelöst. Entsprechend dem Einsatzfall kann die Bedienung durch Konfiguration<br />

an verschiedene Anforderungen angepasst werden.<br />

Zur Identifikation von Bediener, Material oder Charge können Lesestationen<br />

angeschlossen werden. Dazu kann die gesamte Palette (Magnetkarte, Barcode,<br />

Chipkarte, RFID etc.) zum Einsatz kommen.


244 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

11.5 Anschluss der Spritzgießmaschinen<br />

Die Maschinen in der Kunststoffverarbeitung können sicherlich als der Idealpartner<br />

der Maschinendatenerfassung bezeichnet werden. Es gibt verschiedene Arten<br />

der Integration, wobei es von Vorteil ist, dass grundsätzlich jede Maschine unabhängig<br />

vom Typ, Hersteller, oder Alter auf einfache Weise angeschlossen werden<br />

kann. Wir unterscheiden folgende Möglichkeiten:<br />

− Zyklussignal,<br />

− Zyklus plus zusätzlich weitere Digitalsignale,<br />

− Leitrechnerprotokolle über Feldbussysteme,<br />

− Euro Map 63 als definierter Standard für Spritzgießmaschinen,<br />

− OPC als Standard der Maschinenintegration im Windows-Umfeld.<br />

Abb. 11.3. Anschluss von Spritzgießmaschinen über Zyklussignal<br />

Sehr einfach und mit hohem Nutzen/Aufwandsverhältnis verbunden ist der Anschluss<br />

des Zyklussignals, das an jeder Maschine standardmäßig zur Verfügung<br />

steht. Aus diesem Signal kann automatisch erkannt werden:<br />

� Maschine läuft/steht Signal kommt/kommt nicht<br />

� Maschine läuft zu schnell/zu langsam Vergleich mit Sollzykluszeit<br />

� produzierte Stückzahl Zyklus x Werkzeugkavität


11.6 Visualisierung und Auswertungen 245<br />

Parallel werden Stillstandsgründe und Ausschussstückzahlen an den Terminals<br />

erfasst und registriert. Damit ist der Status der Maschinen lückenlos dokumentiert<br />

und die Informationen stehen in Echtzeit für die entsprechenden Auswertungen<br />

zur Verfügung.<br />

Diese Art der Datenerfassung ist den konventionellen Hilfsmitteln wie Bleistift<br />

und Papier in allen Belangen überlegen. Manuell erstellte Aufschreibungen kommen<br />

nicht annähernd an die Qualität und Aktualität von Daten, die durch ein<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> automatisch und unbestechlich erfasst werden. Außerdem liegt der<br />

Aufwand für eine manuelle Erfassung wesentlich höher. Im heutigen Produktionsumfeld<br />

ist die Notwendigkeit, Daten aus dem Betriebsgeschehen zu erfassen, sicherlich<br />

unbestritten. Dazu sei ein Satz eines Vortrags einer Fachtagung erwähnt:<br />

„Fertigung ohne Betriebsdaten ist wie Autofahren mit zugeklebter Windschutzscheibe.“<br />

11.6 Visualisierung und Auswertungen<br />

Die Fülle der Informationen, die in ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> einfließen, verlangt nach einer<br />

Vorverarbeitung, damit der Bediener komfortabel mit dem <strong>System</strong> umgehen<br />

kann. Für viele Anwendungsfälle bieten sich Visualisierung und grafische Auswertungen<br />

an. Warnfunktionen und Statusveränderungen können sehr plakativ über<br />

Farbinformation angezeigt werden. So zeigt beispielsweise die Farbe „grün“,<br />

dass sich alles im zugelassenen Bereich bewegt. „Gelb“ deutet eine Warnfunktion<br />

an und „rot“ markiert, dass die zugelassenen Grenzen bereits überschritten wurden.<br />

Der Bediener kann seine Aktionen entsprechend planen und für die kritischen<br />

Fälle weitere Auswertungen in Anspruch nehmen. Dabei stehen ihm Grafiken in<br />

Torten- oder Balkenform, sowie Kurvendarstellungen zur Verfügung. Der Einsatz<br />

der numerischen Ausgaben, die über Datenbankauswahl gesteuert wird, erlaubt,<br />

die Störungen sukzessive bis an den Ursprung zu verfolgen. Für eigene Auswertungen<br />

und Berichte gibt es einen Reportgenerator. Ebenso ist die Exportfunktion<br />

in Excel standardmäßig vorhanden, so dass auf dieser Basis spezifische Berichte<br />

erstellt werden können. Abbildung 11.4 zeigt eine typische Darstellung.<br />

Die Auswertungen dienen zur Ursachenforschung und zur Dokumentation. Zusätzlich<br />

ist es aber notwendig, die Fertigung aktuell im Griff zu haben. Dazu dient<br />

der grafische Maschinenpark, der über den Bildschirm einen Blick in die Fertigung<br />

ermöglicht. In grafischer Form wird die Halle mit den Maschinen präsentiert<br />

und farbige Anzeigen geben Warnungen aus und zeigen den jeweiligen Status. Die<br />

Darstellung kann vom Anwender leicht erzeugt und bei Maschinenumstellungen<br />

geändert werden. Über das Netzwerk und über Internet ist von jedem Ort aus ein<br />

Blick auf die Fertigung möglich. Durch einen Klick auf eine Maschine kann man<br />

weitere Daten erhalten. Der Zugriff ist durch entsprechende Schutzmechanismen<br />

auf die berechtigten Nutzer begrenzt. Damit schafft ein <strong>MES</strong> erstmalig die Mög-


246 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

lichkeit, Wertschöpfungsprozesse messbar transparent zu machen: Nur was man<br />

messen kann, kann man auch verändern.<br />

Abb. 11.4. Störgrundverteilung<br />

Im Zuge der Ausrichtung der Mitarbeit am Prozessergebnis besteht zunehmend<br />

die Anforderung, die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen zu beurteilen. Das<br />

führt in der Praxis dazu, die in die Zielvereinbarungen einfließenden Messgrößen<br />

sowohl im aktuellen Erreichungsgrad, als auch den Entwicklungsverlauf im Reviewing<br />

darzustellen. Während Statistiken normalerweise keinen Adressaten haben,<br />

ist das Reviewing konkret auf die Mitarbeiter und ihre Leitung bezogen. Allgemein<br />

lässt sich daher sagen: Ein Unternehmen ist erst dann prozessfähig, wenn<br />

Statistiken flächendeckend durch Reviewing ersetzt worden sind.<br />

Der grafische Maschinenpark bietet einen schnellen Überblick zu den Maschinen<br />

und auf die Produktivität. Mit einfachen Hilfsmitteln kann jeder Bediener seine<br />

spezielle Maschinenhalle zusammenstellen.


Abb. 11.5. Grafischer Maschinenpark<br />

11.7 Verbindung Qualitätssicherung und Prozessdaten 247<br />

11.7 Verbindung Qualitätssicherung und Prozessdaten<br />

Eine besonders interessante Anwendung im <strong>MES</strong>-Bereich gewährleistet die Verbindung<br />

der Qualitätssicherung mit den Prozessdaten, die direkt aus der Maschinensteuerung<br />

entnommen werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass wichtige<br />

Materialeigenschaften während des Prozesses bei der Fertigung entstehen. Neben<br />

den Grundeigenschaften des Granulats spielen hier Einflüsse wie Temperatur,<br />

Druck, Luftfeuchtigkeit, Trocknungsgrad, etc. eine wichtige Rolle. Die nachfolgend<br />

aufgebaute Qualitätssicherung kann auf zwei Fundamenten aufgebaut werden,<br />

zum einen durch die objektiven Merkmale, die in einem der Produktion folgenden<br />

Schritt erfasst oder gemessen werden, zum anderen über die Einflussgrößen,<br />

die durch das Erfassen der Prozessparameter dokumentiert sind.<br />

Als Beispiel soll hier die Überwachung der Werkzeugtemperatur bei dickwandigen<br />

Teilen dienen. Die Gefahr der Lunkerbildung besteht dabei ab Unterschreitung<br />

eines kritischen Temperaturwertes. Durch die Prozessdatenerfassung<br />

werden die Temperaturwerte überwacht und bei einer Abweichung kann sofort<br />

eingegriffen werden. Ein Fehler dieser Art kann messtechnisch nur mit hohem<br />

Aufwand oder bei Zerstörung des Teils analysiert werden. Ähnliches gilt auch bei<br />

sicherheitsrelevanten Teilen für die Nachdruckzeit.


248 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

Die Erfassung der Prozessparameter ist bei allen Maschinen mit moderner<br />

Steuerung möglich. Eine solche Art der Überwachung ausgewählter Werte kann<br />

als wesentlicher Faktor benutzt werden, Informationen zu erhalten, die durch eine<br />

spätere Begutachtung nur aufwendig oder überhaupt nicht ermittelt werden können.<br />

In Bezug auf den Aufwand sind die Methoden der automatischen Parameterüberwachung<br />

besonders vorteilhaft. Da in vielen Fällen die Schnittstellen für BDE<br />

und DNC schon vorhanden sind, bietet sich an dieser Stelle ein hochinteressanter<br />

Aspekt in Richtung der Devise an:<br />

„Qualität fertigen – statt Qualität prüfen“<br />

Die Informationen des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s garantieren eine Herstellumgebung, auf der<br />

die heute notwendige Qualität basiert.<br />

11.8 Werkzeugbau<br />

Für den Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s im Werkzeugbau ergeben sich zwei Ansatzpunkte.<br />

11.8.1 Überwachung der Wartungsintervalle durch ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong><br />

Durch die Zuordnung der Fertigungsaufträge zu Werkzeug und Maschine, sowie<br />

die lückenlose Erfassung aller Informationen ist die komplette Produktionshistorie<br />

eines Werkzeugs von Anfang an im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> hinterlegt. Die vorgeschriebenen<br />

Wartungsintervalle werden zusätzlich eingegeben und es erfolgt eine automatische<br />

Überwachung mit Vorwarnung und grafischer Anzeige für die Notwendigkeit<br />

eines Wartungsvorgangs. Die Bedienmannschaft muss die durchgeführte<br />

Wartung im <strong>System</strong> quittieren und damit ist die Nachweispflicht erfüllt und der<br />

Vorgang vollständig dokumentiert. Reparaturen, Überholungen und Reinigungsprozesse<br />

werden ebenfalls im <strong>System</strong> dokumentiert und stehen im Netzwerk für<br />

alle am Fertigungsprozess beteiligten Personen online zur Verfügung.<br />

Die Investitionen in Werkzeug und Maschinen stellen in der Kunststoffverarbeitung<br />

einen mehrstelligen Millionenbetrag dar. Die Personalkosten, die für die<br />

Dokumentation, Wartung und Reparatur aufgebracht werden müssen, sind ebenfalls<br />

hoch anzusetzen. Regresskosten oder Teilerückgabe, die beispielsweise in der<br />

Automobilindustrie sofort anfallen, wenn zugesagte Servicevorgänge nicht eingehalten<br />

werden können oder nicht belegbar sind, gefährden die Rentabilität. Bei<br />

händischer Verwaltung ist der Aufwand noch immens und trotzdem ist nicht sichergestellt,<br />

dass alle Vorgaben eingehalten werden, da in einem solchen <strong>System</strong><br />

zu viele Fehlerquellen liegen.


Artikel<br />

Werkzeug<br />

Abb. 11.6. Überwachung der Wartungs- und Serviceintervalle<br />

11.8 Werkzeugbau 249<br />

Maschine<br />

Nur wenn alle Informationen im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> hinterlegt sind und die Vorgänge<br />

automatisch über Warn- und Ausführungsaktionen angeregt werden, ist eine sichere<br />

Einhaltung der Vorgaben möglich.<br />

11.8.2 BDE und Leitstand im Werkzeugbau<br />

Ein Großteil der Kunststoffbetriebe hat einen eigenen Werkzeugbau, in dem die<br />

Werkzeuge erstellt und gewartet werden. Die Maschinen im Werkzeugbau müssen<br />

ebenfalls terminlich geplant und effizient eingesetzt werden. Auf Grund der engen<br />

Terminlagen ist hierbei besonders wichtig, die Engpassmaschinen optimal einzusetzen.<br />

In jedem Fall ist eine Überwachung der Vorgabezeiten für die Werkzeugerstellung<br />

notwendig, um auch hier die Kostensituation im Griff zu halten. Zusätzlich<br />

zu den Maschinenzeiten müssen die Personalzeiten erfasst und den<br />

Kostenträgern zugewiesen werden. Da ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die Module Maschinendatenerfassung<br />

und Personalzeiterfassung enthält, kann das <strong>System</strong> für den Einsatz<br />

im Werkzeugbau eingesetzt werden.<br />

Auf Basis der Installation in der Fertigung kann eine Erweiterung im Werkzeugbau<br />

erfolgen. Dabei wird das vorhandene Netzwerk benutzt und die bereits<br />

vorhandenen Stammdaten für Teile und Werkzeug können verwendet werden. Die<br />

Datenerfassung an den Werkzeugmaschinen kann automatisch erfolgen oder wer-


250 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

den manuelle Erfassungsterminals auf PC-Basis benutzt, an denen sich der Bediener<br />

an- und abmeldet.<br />

11.9 DNC, Chargenverfolgung und Nachweispflicht<br />

Im Rahmen der Dokumentationspflicht wird ein Nachweis aller Vorgänge über<br />

den gesamten Lebenszyklus eines Produkts gefordert. Durch die Fülle der geforderten<br />

Daten und die Anforderungen an sofortige Verfügbarkeit, ist nur eine Realisierung<br />

mit automatischen Mitteln möglich. Dabei kommt zum Tragen, dass<br />

durch die lückenlose BDE-Erfassung alle Informationen in Bezug auf Maschine,<br />

Werkzeug und Material bereits vorliegen. Durch Eingabe der Chargennummern<br />

wird materialseitig ein Bezug zur Charge hergestellt und die Nachweispflicht für<br />

diesen Part erfüllt.<br />

Die Kommunikation zwischen dem <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> und den Maschinen über<br />

Schnittstellen kann neben der Übermittlung für BDE- und Prozessdaten auch für<br />

die Übertragung der Einstelldaten an die Steuerung dienen. Somit ergeben sich<br />

Einsparungen beim Handling und darüber hinaus können auch die individuellen<br />

Fertigungsdaten eines Auftrags vollständig dokumentiert werden.<br />

Abb. 11.7. Chargendokumentation


11.10 Management Information <strong>System</strong> (MIS) 251<br />

Der immense Zeitaufwand, der ansonsten für die manuelle Dokumentation aufgewendet<br />

werden muss, entfällt komplett und gleichzeitig wird die Güte der registrierten<br />

Daten wesentlich erhöht. Der Nachweis, dass alle dokumentationspflichtigen<br />

Daten tatsächlich erfasst werden, ist gegenüber dem Kunden leicht zu<br />

erbringen. Kundenanfragen in dieser Richtung können über Datenbankauswertungen<br />

leicht mit minimalem Aufwand erfüllt werden. Bei Qualitätsproblemen können<br />

behaftete Teile über eine Chargenrückverfolgung leicht identifiziert und ausgesondert<br />

werden.<br />

Abbildung 11.7 zeigt, aus welchen Chargen und Losnummern ein Produkt besteht.<br />

Damit ist eine Rückverfolgung auf das eingesetzte Material und die dazugehörige<br />

Losnummer möglich. Weiterhin kann festgestellt werden, in welche Lose<br />

dieses Material ebenfalls eingeflossen ist.<br />

11.10 Management Information <strong>System</strong> (MIS)<br />

Eine aussagekräftige Informationsstruktur ist ohne ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> undenkbar.<br />

Nur wenn alle Daten über Fertigungszeiten, Störzeiten und Ausschussstückzahlen<br />

lückenlos in Echtzeit vorliegen, verfügt das Management über einen aussagekräftigen<br />

Informationshintergrund und kann auf dieser Basis Entscheidungen treffen.<br />

Dies erfordert eine leistungsfähige Schnittstelle zum ERP-/PPS-<strong>System</strong>. Die Daten<br />

werden dabei in beiden Richtungen ausgetauscht. Zwischen den beiden <strong>System</strong>en<br />

gibt es eine klare Aufgabenverteilung. Das ERP-/PPS-<strong>System</strong> führt die<br />

Stücklistenauflösung durch und generiert die Fertigungsaufträge für die einzelnen<br />

Arbeitsplätze bzw. Arbeitsplatzgruppen. Dabei werden Teilenummer, Stückzahl<br />

und Auftragsende im Rahmen einer Grobplanung vorgegeben und an den Leitstand<br />

übermittelt. Der Datentransfer findet im Normalfall täglich oder habtäglich<br />

statt. Die Feinplanung mit grafischen Mitteln erfolgt direkt im Leitstand. Dabei<br />

wird auf die Unterstützung der BDE- Daten zurückgegriffen. Im <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist<br />

beispielsweise der Status eines Werkzeuges bekannt (frei, anderweitig eingeplant,<br />

in Reparatur) und auf diese Information wird bei der Feinplanung in Echtzeit zurückgegriffen.<br />

Für die betriebswirtschaftliche Bewertung der Prozesse ist die Datenübertragung<br />

vom <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zum ERP-/PPS verantwortlich. Erst die Verbindung<br />

objektiver Daten in Echtzeit mit der finanziellen Bewertung aus dem<br />

ERP-/PPS-<strong>System</strong> ergibt ein echtes Management Information <strong>System</strong> (MIS). Der<br />

Übertragungszyklus kann vom ERP-/PPS-<strong>System</strong> bestimmt werden, da innerhalb<br />

des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s alle Informationen in Echtzeit vorliegen.<br />

Es soll an dieser Stelle konkret dargelegt werden, dass die Planung und Steuerung<br />

nicht allein vom ERP-/PPS-<strong>System</strong> ausgeführt werden kann. Hierzu sind<br />

zwei Argumente zu betrachten. Zum einen sind die ERP-/PPS-<strong>System</strong>e meist<br />

nicht in der Lage, in Echtzeit zu agieren. Bei den heutigen Maschinenstundensätzen<br />

sind Minuten bereits kostenrelevant und Entscheidungen müssen in kürzester<br />

Zeit fallen. Andererseits bezieht sich das Planungsszenario eines ERP-/PPS-<br />

<strong>System</strong>s stets auf einer theoretischen Basis, da der direkte Bezug zu den Fertigungsdaten<br />

fehlte. Damit ist eine aktive Steuerung des Betriebsgeschehens nur in


252 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

sehr eingeschränktem Maße möglich. Aus diesem Grund ist der Einsatz eines<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s für eine moderne und effektive Fabrik unabdingbar.<br />

11.11 Rentabilität (Return on Investment)<br />

Der Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s in der kunststoffverarbeitenden Industrie bringt<br />

folgende Vorteile:<br />

− besserer Informationsfluss,<br />

− Betriebsdaten mit hoher Güte und Aktualität,<br />

− Schaffung der notwendigen Transparenz in allen Bereichen,<br />

− Offenlegung der Schwachstellen,<br />

− Abkehr von der papierorientierten Fertigung,<br />

− Verkürzung der Durchlaufzeiten,<br />

− Verminderung der Ausschussstückzahlen,<br />

− Durchführung der Nachweispflicht,<br />

− Erhöhung der Produktivität.<br />

Im Folgenden wird die Wirtschaftlichkeit beim Einsatz in einem Spritzgussbetrieb<br />

mit 25 Maschinen dargestellt Die Berechnung basiert auf der Einsparung in<br />

vier Bereichen. Durch die automatische Datenerfassung von Stückzahlen und<br />

Störzeiten an den Maschinen wird der ansonsten manuell notwendige Aufwand<br />

drastisch reduziert. Dies kann mit einer Einsparung von 25.000,– € gleichgesetzt<br />

werden kann. Das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> erhöht den Nutzungsgrad durch die Aktualität der<br />

Daten und die volle Transparenz in der Fertigung. Aus der Erfahrung von Firmen,<br />

die ein solches <strong>System</strong> einsetzen, sind Verbesserungen zwischen 1% – 4% bekannt.<br />

In der Betrachtung wird lediglich eine Erhöhung des Nutzungsgrades um<br />

1 % angenommen. Bezogen auf die Wertschöpfung von 25 Maschinen ergibt dies<br />

eine Einsparung von 30.000,– €. Die Planung wird wesentlich vereinfacht und<br />

daraus resultiert im betrachteten Fall eine Personaleinsparung von 16.000,– €.<br />

Die quantitative und qualitative Erfassung, Registrierung und Auswertung aller<br />

Ausschussteile führt zu einer deutlichen Reduzierung. Wenn nur eine Ausschussreduzierung<br />

um 0,4 % angenommen wird, so führt dies bezogen auf den Umsatz<br />

zu einer Einsparung von 15.000,– €. Wesentliche Einsparungen ergeben sich<br />

durch die Möglichkeit, die komplette Wartungs- und Serviceverwaltung dem<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong> zu übergeben. Die Vorgaben sind im Stammdatenteil enthalten und<br />

vom <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> wird immer der aktuelle Status gemeldet. Alle notwendigen<br />

Aktionen werden somit automatisch überwacht und grafisch am Bildschirm angezeigt.<br />

Wenn zugrunde gelegt wird, dass man sich 15 Minuten im Monat pro Produktionsressource<br />

kümmern muss, ergeben sich jährliche Einsparpotenziale von<br />

mindestens 9.000,– €.<br />

Mit den hier im Beispiel aufgeführten Werten ergibt sich eine jährliche Einsparung<br />

von 95.000,– €. Eine detaillierte Aufstellung mit parametrierbaren Einflussfaktoren<br />

wird vom Verfasser auf Anfrage gerne zur Verfügung gestellt.


11.11 Rentabilität (Return on Investment) 253<br />

Wirtschaftlichkeit eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> © WN-Consult Dim Wert<br />

Arbeitswochen pro Jahr Wo 53<br />

Arbeitstage pro Woche Tg 7<br />

Arbeitsstunden pro Tag h 24<br />

Anzahl Maschinen St 25<br />

Anzahl Werkzeuge aktiv St 60<br />

Anzahl Peripherigeräte St 13<br />

1. Aufwand für Datenerfassung und Auswertung<br />

1.1 Zeit manuelle Erfassungen pro Maschine pro Tag Min 7<br />

Stückzahlen, Ausschuss, Stillstände, Störgründe<br />

1.2 Wegezeiten, schichtweise Erfassung alle Maschinen Min 91<br />

1.3 Zeit für Eingaben, Berichte, Analysen aller Maschinen Min 45<br />

Zeitbedarf pro Tag h 2,27<br />

Stundensatz Mitarbeiter €/h 30,00 €<br />

1.4 Erfassungs- und Auswertungsaufwand gesamt € 25.228 €<br />

2. Nutzungsausfall durch zu spät oder nicht erkannte Probleme<br />

2.1 durch zu spät erkannte Stillstände % 0,5<br />

2.2 durch unerkannte Schwachstellen % 0,5<br />

Wertschöpfung Spritzerei pro Jahr € 3.000.000 €<br />

2.3 Nutzungsausfall gesamt € 30.000 €<br />

3. Aufwand für manuelle Planung<br />

3.1 Rüstvorgänge pro Maschine pro Woche Anz. 3<br />

Planungsvorgänge für alle Maschinen pro Woche Anz. 75<br />

3.2 Laufzeitberechnung für einen Planungsvorgang Min 8<br />

Rüstzeit, Zyklus, Nesterzahl, Werkzeug, Farbe<br />

Gesamtzeit pro Jahr h 530<br />

Stundensatz Planer €/h 30,00 €<br />

3.3 Planungsaufwand gesamt € 15.900 €<br />

4. Ausschussreduzierung<br />

4.1 Prozessüberwachung Vermeidung Ausschuss Option % 0<br />

4.2 Ausschussanalyse Verringerung Ausschuss % 0,4<br />

4.3 Vermeidbare Ausschusskosten gesamt € 15.600 €<br />

5. Reduzierung des Verwaltungsaufwands für Service und Wartung<br />

5.1 Service für Maschinen, Werkzeuge, Peripherie St 98<br />

Zeitaufwand Überwachung pro Ressource pro Monat h 0,25<br />

Stundensatz €/h 30,00 €<br />

5.2 Verwaltungsreduzierung pro Jahr 8.820 €<br />

6. Zusammenfassung pro Jahr<br />

6.1 Erfassungs- und Auswertungsaufwand gesamt € 25.228 €<br />

6.2 Nutzungsausfall gesamt € 30.000 €<br />

6.3 Planungsaufwand gesamt € 15.900 €<br />

6.4 Vermeidbare Ausschusskosten gesamt € 15.600 €<br />

6.5 Reduzierung Verwaltung Service und Wartung € 8.820 €<br />

6.6 Summe pro Jahr € 95.548 €<br />

Abb. 11.8. Beispiel für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung


254 11 <strong>MES</strong> in der Kunststoffverarbeitung<br />

11.12 Zusammenfassung<br />

Steigender Wettbewerbsdruck und die hohen Qualitätsanforderungen zwingen die<br />

Firmen der kunststoffverarbeitenden Industrie, alle Möglichkeiten zur Erhöhung<br />

der Wirtschaftlichkeit auszunutzen. Der Einsatz eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s stellt dabei<br />

eine der wichtigsten Ressourcen zur Effizienzsteigerung dar. Zeitnahe Steuerung<br />

der Geschäftsprozesse und Controlling sind die wichtigsten Voraussetzungen, um<br />

Marktanteile zu halten oder auszubauen. Dazu sind exakte Informationen, die in<br />

Echtzeit vorliegen müssen, notwendig. Nur ein <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ist in der Lage, diese<br />

Daten zu liefern.<br />

Dass die Vorteile des Einsatzes solcher <strong>System</strong>e in Zukunft genutzt werden,<br />

zeigen auch die Studien der führenden Marktforschungsinstitute, die den <strong>MES</strong><br />

Markt Zuwachsraten im zweistelligen Bereich für die nächsten Jahre prognostizieren.


Abkürzungsverzeichnis<br />

11.11 Rentabilität (Return on Investment) 255<br />

Abkürzung Bezeichnung<br />

APO Advanced Planner and Optimizer (SAP APO)<br />

BAPI Business Application Programming Interface<br />

BDE Betriebsdatenerfassung<br />

Bus elektrische Sammelleitung<br />

Business Service Art einer Software-Architektur, speziell geeignet für<br />

Architecture Geschäftsmodelle<br />

CAQ Computer aided Quality Assurance<br />

DNC Distributed Numerical Control<br />

DNC Dirct Numeric Control<br />

EDI Electronic Data Interchange; Standardisiertes Verfahren<br />

zum Datenaustausch zwischen Geschäftspartnern<br />

EDV Elektronische Datenverarbeitung<br />

ERP Enterprise Resource Planning<br />

ESA Enterprise Solution/<strong>System</strong> Architecture<br />

Enterprise Service Art einer Software-Architektur, speziell geeignet für<br />

Architecture Geschäftsmodelle<br />

FDA Food and Drug Administration<br />

(USA; Nahrungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde)<br />

GAMP Good Automation <strong>Manufacturing</strong> Process<br />

IDOC Intermediate Document; spezielles Datenformat im SAP-<br />

Umfeld<br />

JDBC Java Database Connectivity; Datenbankzugriffsverfahren<br />

für die Programmiersprache JAVA<br />

KPI Key Performance Indicators<br />

MDE Maschinendatenerfassung<br />

<strong>MES</strong> <strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong> <strong>System</strong><br />

MIS Management Information <strong>System</strong>


256 Abkürzungsverzeichnis<br />

MM Materialwirtschaft<br />

MMDC Open Link Enabling<br />

ODBC Open DataBase Connectivity; Standardisiertes Daten<br />

bankzugriffsverfahren unter Microsoft Windows<br />

OLE Object Linking and Embedding<br />

OLTP Online Transaction Processing: Verfahren für den<br />

zeitnahen Datenzugriff Gegenteil von Data Warehouse)<br />

OPC OLE for Process Control windowsbasierte Schnittstelle<br />

zum Datenaustausch zwischen zwei <strong>System</strong>en<br />

OPC OLE Process Communication<br />

PI-PCS Prozess Control <strong>System</strong><br />

PM SAP Instandhaltung<br />

PP SAP Produktionsplanung<br />

PP-PDC Plant Data Collection<br />

PP-POI Production Optimizing Interface<br />

PPS Produktion Planungs- und Steuerungssystem<br />

QM-IDI Inspection Data Interface<br />

QS Qualitätssicherung<br />

RFC Remote Function Call; Schnittstelle zum Datenaustausch<br />

zwischen zwei <strong>System</strong>en<br />

RFI Radio Frequency Identification<br />

RFID Radio Frequency Identification<br />

ROI Return Of Invest<br />

SAP GUI SAP Bedienoberfläche<br />

SAP-HR SAP Personalmanagement<br />

SAP-QM SAP-Qualitätsmanagement<br />

SQL Structured Query language, Abfragesprache für<br />

relationale Datenbanken<br />

TCP/IP Netzwerkprotokoll, tauglich für Intranet und Internet<br />

VDI Verein Deutscher Ingenieure<br />

WIP Work in Process<br />

WLAN Wireless LAN; Netzwerk auf Basis von Funkwellen<br />

XAPPS Cross Application<br />

XI Exchange Infrastructure


Checkliste<br />

Vorbemerkung für den Bearbeiter<br />

Checkliste 257<br />

Die Aufgabe, Kriterien für die Auswahl eines <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> und damit eines <strong>MES</strong>-<br />

Anbieters zu finden, ist in der Regel schwierig und kann den Bearbeiter schnell<br />

überfordern. Je mehr dieser von der Materie versteht, umso schwieriger wird es,<br />

den Überblick zu behalten. Wo anfangen und wo aufhören? Nachdem man verschiedene<br />

<strong>System</strong>vorführungen erlebt hat, ist es schwer, Unterschiede zu erkennen;<br />

dann sehen plötzlich alle Oberflächen gleich aus.<br />

<strong>MES</strong>-<strong>System</strong>e sind komplexe IT-Einrichtungen, die je nach Ausprägung viele<br />

Bereiche eines Fertigungsunternehmens berühren können. Von der einfachen BDE<br />

– Rückmeldung über Qualitätssicherung und Personalmanagement bis hin zum<br />

komplexen Feinsteuerungssystem reichen die Einsatzmöglichkeiten.<br />

Ausgehend von den Zielsetzungen lässt sich der Leistungsumfang unterschiedlicher<br />

<strong>System</strong>e und Anbieter sehr viel besser beurteilen: Will man z.B. mit der<br />

Maschinendatenerfassung beginnen, weiß aber heute schon, dass man in 1-2 Jahren<br />

das Thema Leistungslohn aufgreifen wird,, kann man sofort k.o. Kriterien finden,<br />

weil damit sofort alle Anbieter herausfallen, die eine PZE und Leistungsentlohnung<br />

nicht integrieren können.<br />

Absicht dieses Vorschlages ist es, zum einen die möglichen Zielsetzungen , die<br />

durch die Einführung von <strong>MES</strong> erreicht werden können, noch einmal herauszustellen.<br />

Dadurch lassen sich in der Regel auch quantifizierbare Ansätze finden, die<br />

dann die Grundlage zur Berechnung eines return on investment bilden.<br />

Dieses Vorgehen ist effizienter und macht weniger Arbeit Zusätzlich lässt sich<br />

damit auch der Zielerreichungsgrad für eine nachträgliche Investitionskontrolle<br />

besser überprüfen.<br />

Die folgende Checkliste soll einige Anhaltspunkte geben, die bei der Gestaltung<br />

und der Auswahl von <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>en Hilfestellung leisten können.<br />

Dies ist als Vorschlag zur systematischen Beurteilung unterschiedlicher <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong>e und zur daraus folgenden Erstellung von Auswahlkriterien zu verstehen.<br />

Allgemeine Kriterien<br />

Hat das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> ein voll integriertes Fertigungs-, Personal- und Qualitätsmanagement?<br />

Unterstützt das <strong>MES</strong> eine papierlose (papierarme) Fertigung?


258 Checkliste<br />

Verfügt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> alle notwendigen Standardprodukte?<br />

Bietet Das <strong>MES</strong> ein Eskalationsmanagement und Workflow-Funktionen?<br />

Welche Referenzen und Branchenkenntnisse hat der Anbieter?<br />

Wie einfach können die Funktionalitäten an die Prozesse des Kunden angepasst<br />

werden?<br />

Verfügt der <strong>MES</strong>-Hersteller über eine klare Standardprodukt und Release-<br />

Strategie?<br />

<strong>System</strong>konzept<br />

Ist die komplette <strong>MES</strong> Funktionalität in einem <strong>System</strong> gegeben?<br />

Sind die einzelnen Komponenten modular einsetzbar?<br />

Sind die Funktionen konfigurierbar?<br />

Verfügt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> über eine ESA-orientierte Architektur?<br />

Orientiert sich das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> an gängigen Industrie-Standards?<br />

Unterstützt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die notwendigen Plattformen?<br />

Unterstützt das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> die notwendigen Schnittstellen?<br />

Wie leicht lassen sich Schnittstellen an die Bedürfnisse des Kunden anpassen?<br />

Wie leicht lassen sich die Clients an die Bedürfnisse des Kunden anpassen?<br />

Welche Möglichkeiten bietet das <strong>MES</strong>-<strong>System</strong> für kundeneigene Entwicklungen?<br />

Sind diese Anpassungen zu einem späteren Zeitpunkt genauso einfach?<br />

Welche Hilfsmittel gibt es zur Erstellung eigener Auswertungen?<br />

Sind die vorhandenen Auswertungen in verschiendenen Verdichtungsstufen für alle<br />

Unternehmensebenen einstellbar?<br />

Gibt es Schnittstelle zu den führenden ERP- und PPS-<strong>System</strong>en?<br />

Ermöglicht die modulare Architektur des <strong>MES</strong>-<strong>System</strong>s die stufenweise Erweiterung<br />

auf andere Funktionen?<br />

Ist die <strong>System</strong>architektur offen?<br />

Fertigung<br />

Gibt es integrierte Funktionen, die einen Blick auf alle an der Fertigung beteiligten<br />

Ressourcen bieten?<br />

Gibt es Übersichten zur Beurteilung der aktuellen Situation?<br />

Setzen die Feinplanungsfunktionen auf die aktuellen BDE-Daten auf?<br />

Verwaltet die Feinplanung primären und sekundären Ressourcen?<br />

Gibt es eine Belegungsplanung für unterschiedliche Arten sekundärer Ressourcen?<br />

Können verschiedene Möglichkeiten technologischer Beziehungen modelliert<br />

werden?<br />

Ist eine auftragsübergreifende Vernetzung möglich?<br />

Sind die Kapazitätsarten variabel?<br />

Werden verschiedene Planungsstrategien unterstützt?<br />

Können die Feinplanungen durch flexible und kombinierbare Kennzahlen bewertet<br />

werden?


Checkliste 259<br />

Lassen sich alternative Planvarianten simulieren?<br />

Lassen sich verschiedene Optimierungsstrategien einstellen?<br />

Unterstützt das <strong>MES</strong> verschiedene Fertigungsstrukturen (Mehrmaschinenbedienung,<br />

Mehrbedienerbearbeitung….)?<br />

Ist eine Materialverfolgung (z. B. In Losen und Materialpuffern) möglich?<br />

Qualität<br />

Können Qualitätsprüfungen wie Arbeitsgänge in einer Gesamtauftragsstruktur<br />

hinterlegt werden?<br />

Gibt es eine dynamisierte Prüfmittelüberwachung?<br />

Ist das Reklamationsmanagement Workflowgestützt?<br />

Ist eine lückenlose Rückverfolgbarkeit des Produktionsprozesses möglich?<br />

Hat die Fertigungsplanung Zugriff auf die Qualitätsdaten?<br />

Lassen sich auch Prozess- (Mess-) daten als Qualitätsmerkmale verwenden?<br />

Wird die automatische Messdatenübernahme nach Standard-Schnittstellen unterstützt?<br />

Personal<br />

Ist eine Personalzeiterfassung mit Informations- und Nachrichtenfunktion am<br />

Terminal verfügbar?<br />

Gibt es eine einfache Konfiguration der Arbeitszeit- und Entlohnungsmodelle für<br />

die Personalzeitwirtschaft?<br />

Gibt es einen Workflow zur papierlosen Bearbeitung von Anträgen und Genehmigungen?<br />

Ist die Leitstungslohnermittlung an die Tarifvereinbarungen einfache anpassbar?<br />

Gibt es eine Personaleinsatzplanung mit direkter Kopplung zur Fertigungsbelastung?<br />

Gibt eine Personaleinsatzplanung mit automatischer Zuordnung der Mitarbeiter<br />

auf die Arbeitsplätze, an denen Aufträge eingeplant sind, anhand der Qualifikation?<br />

Datenerfassung<br />

Ermöglicht das <strong>MES</strong> eine lückenlose und automatisierte Datenerfassung und -verarbeitung?<br />

Existieren Standardschnittstellen zu Maschinen und Automaten?<br />

Können alle aller Erfassungsfunktionen an einem Erfassungsterminal integratiert<br />

werden?<br />

Sind die Erfassungsfunktionen für mehr Ergonomie und damit Akzeptanz konfigurierbar?<br />

Werden Standarderfassungsschnittstellen, wie z.B. OPC oder E63 unterstützt?


260 Checkliste<br />

Sind die Erfassungsfunktionen auf unterschiedlichen Plattformen: Touch-<br />

Terminal, mobiles Terminal, PC, WEB verfügbar?<br />

Wird die Erfassung durch geeignete Peripheriegeräte, wie Identleser unterschiedlichster<br />

Ausführung, Labeldruckern, etc. unterstützt?<br />

<strong>MES</strong> im SAP-Umfeld<br />

Verfügt der Hersteller des <strong>MES</strong> über das entsprechende SAP-Know How?<br />

Wie hoch ist die Anzahl der Implementierungen im SAP-Fertigungsumfeld?<br />

Hat der <strong>MES</strong>-Hersteller Berater mit SAP-Anwendungs-Know-How?<br />

Ist der Hersteller für Anwendungsschnittstellen, wie PP-PDC zertifiziert?<br />

Ist das Zertifikat „powered by NetWeaver“ vorhanden?<br />

Werden folgende SAP-Schnittstellen systemtechnisch unterstützt?<br />

− Fertigungsteuerung PP-PDC, PP-POI<br />

− Materialwirtschaft MM-MOB<br />

− Qualitätsmanagement QM-IDI<br />

− Fertigung Prozessindustrie PI-PCS<br />

− Serienfertigung BAPI für Planaufträge<br />

Können BAPI´s genutzt werden?<br />

Verfügt Hersteller über ein eigenens SAP-Entwicklungs- und Testsystem für kundenspezifische<br />

Implementierungen und Support?<br />

Aktualisierungen<br />

In der Praxis ergeben sich fortlaufend Weiterentwicklungen in Bereichen wie<br />

Schnittstellen, gesetzliche Vorgaben, Softwaretools, Anforderungen aus dem Tagesgeschäft<br />

etc. Checklisten, die auf aktuellen Anforderungen oder Erkenntnissen<br />

basieren, werden permanent gepflegt und können unter der nachstehenden E-Mail<br />

Adresse unentgeltlich angefordert werden.<br />

j.kletti@mpdv.de


Autorenverzeichnis<br />

Berres, Bernd, Jahrgang 1971, Dipl.-Ing. (BA)<br />

Nach der Ausbildung an der Berufsakademie in<br />

Mosbach „Technische Informatik“ Produktmanager<br />

für die Personalzeiterfassung im <strong>MES</strong><br />

HYDRA bei der Firma MPDV Mikrolab<br />

GmbH. Weitere Zuständigkeiten für Zutrittskontrolle,<br />

Personaleinsatzplanung und Leistungslohnermittlung<br />

sowie deren Weiterentwicklung.<br />

B.Berres@mpdv.de<br />

Brauckmann, Otto, Jahrgang 1938, Dipl.-Kfm.<br />

Studium der BWL an der Ludwig-Maximilian-<br />

Universität in München mit dem Schwerpunkt<br />

Kostenrechnung.<br />

Seit 1984 selbstständig in Beratung und Vertrieb<br />

von <strong>System</strong>en zur Betriebsdatenerfassung<br />

und Qualitätssicherung.<br />

2002 Veröffentlichung des Buches Integriertes<br />

Betriebsdatenmanagement im Gabler Verlag.<br />

Mitautor des 2004 erschienenen Buch <strong>Manufacturing</strong><br />

Scorecard im Gabler Verlag<br />

Otto.Brauckmann@Sauerland-online.de<br />

Autorenverzeichnis 261


262 Autorenverzeichnis<br />

Cordt, Andreas, Jahrgang 1966, Dipl.-Stat. an<br />

der Universität Dortmund mit Schwerpunkt<br />

Qualitätsmanagement.<br />

Anschließend Tätigkeit in einem Softwareunternehmen;<br />

für den Vertrieb der CAQ-Software<br />

verantwortlich. Seit Januar 2004 bei der<br />

MPDV-Mikrolab GmbH mit dem Schwerpunkt<br />

Consulting tätig.<br />

a.cordt@mpdv.de<br />

Deisenroth, Rainer, Jahrgang 1953, Dipl.-Ing.<br />

Nach dem Abschluss des Studiums der Technischen<br />

Informatik in der Hard- und Software-<br />

Entwicklung von Messgeräten und Computersystemen<br />

tätig, unter anderem bei der Bopp &<br />

Reuther GmbH in Mannheim. Nach dem Wechsel<br />

in die Bereiche Produktmanagement und<br />

Vertrieb 1990 Eintritt in die MPDV Mikrolab<br />

GmbH. Dort für den Aufbau einer Vertriebsorganisation<br />

verantwortlich. Heute Prokurist und<br />

Leiter des MPDV-Vertriebs.<br />

r.deisenroth@mpdv.de<br />

Fleischer, Leonhard, Jahrgang 1964. Dipl.-Ing.<br />

(BA)<br />

Maschinenbaustudium an der Berufsakademie<br />

Mosbach mit dem Schwerpunkt Konstruktionstechnik.<br />

Spezialisierung im Bereich Kunststoffverarbeitung<br />

mit dem Schwerpunkt Spritzguss.<br />

Seit 1987 bei der Fa. MPDV Mikrolab GmbH in<br />

Mosbach.<br />

Seit 1991 Leiter der Softwareentwicklung<br />

L.Fleischer@mpdv.de


Geppert, Martin, Jahrgang 1964, Dipl.-<br />

Informatiker.<br />

Studium der Informatik mit dem Ergänzungsfach<br />

Betriebswirtschaftslehre an der Universität<br />

(TH) Karlsruhe.<br />

Diplomarbeit über wissensbasierte Planung von<br />

Fertigungssystemen.<br />

Seit 1991 bei der MPDV Mikrolab GmbH in<br />

Mosbach tätig im Bereich Supportorganisation<br />

Seit 2001 Leiter der Bereiche Consulting und<br />

Schulung der MPDV Mikrolab GmbH.<br />

M.Geppert@mpdv.de<br />

Glatz, Rainer, Diplominformatik an der Universität<br />

Karlsruhe. Ab 1981 wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am Institut für Rechneranwendung<br />

in Planung und Konstruktion der Universität<br />

Karlsruhe<br />

Ab 1987 Referent in der Abteilung Informatik<br />

im VDMA Frankfurt.<br />

Seit 1990 Leiter der Abteilung Informatik im<br />

VDMA und seit 1999 Geschäftsführer Fachverband<br />

Software.<br />

Seit 2000 Geschäftsführer Fachverband Industrial<br />

Communication.<br />

rainer.glatz@vdma.org<br />

Keil, Torsten, Jahrgang 1971, Elektroniker.<br />

Seit 1993 Softwareentwickler bei der CS Informatik<br />

GmbH. Neben der Programmierung von<br />

Qualitätsmanagementlösungen Projektleiter bei<br />

<strong>System</strong>einführungen.<br />

Seit 2004 Leiter der Softwareentwicklung des<br />

Geschäftsbereichs Qualitätssicherung in der<br />

Niederlassung Stuttgart.<br />

t.keil@mpdv.de<br />

Autorenverzeichnis 263


264 Autorenverzeichnis<br />

<strong>Kletti</strong>, <strong>Jürgen</strong>, Dr., Jahrgang 1948,<br />

Studium der Elektrotechnik mit dem Spezialfach<br />

„Technische Datenverarbeitung“ an der<br />

Universität Karlsruhe. Nach der Promotion<br />

Gründung der Firma MPDV Mikrolab GmbH,<br />

deren Gesellschafter und Geschäftsführer er<br />

heute noch ist. MPDV beschäftigt sich seit 1990<br />

hauptsächlich mit Software-Produkten und<br />

Dienstleistungen für die Fertigungsindustrie.<br />

Das Hauptprodukt von MPDV ist das <strong>MES</strong>-<br />

<strong>System</strong> HYDRA.<br />

J.<strong>Kletti</strong>@mpdv.de<br />

<strong>Kletti</strong>, Wolfhardt, Jahrgang 1958, Dipl.-Informatiker<br />

Fachhochschule Mannheim<br />

Beschäftigung als freier Mitarbeiter bei der IBM<br />

und in Projekten an der ETH Zürich.<br />

Uni Karlsruhe mit dem Schwerpunkt Datenbanken<br />

für technische Anwendungen. Seit 1986<br />

für die MPDV Mikrolab GmbH tätig.<br />

Heute Mitglied der Geschäftsführung mit dem<br />

fachlichen Schwerpunkt Consulting.<br />

w.kletti@mpdv.de<br />

Nonnenmann, Wolfgang, Jahrgang 1945,<br />

Dipl.-Ing.<br />

Studium Maschinenbau mit den Schwerpunkten<br />

Regelungstechnik und EDV an der Universität<br />

Karlsruhe. Nach dem Studium im Entwicklungszentrum<br />

für Kraftfahrzeugausrüstung der<br />

Firma Bosch in Stuttgart.<br />

Gründung der Firma IBN-<strong>System</strong>e, die sich mit<br />

der Betriebsdatenerfassung in den Bereichen<br />

Kunststoff und Automobil befasste. Heute Tätigkeit<br />

als Berater auf dem Gebiet Fertigungsmanagement,<br />

BDE und PPS/ERP.<br />

w.nonnenmann@wn-consult.de


Strebel, Thorsten, Jahrgang 1972, Dipl.-Ing.<br />

(BA),<br />

Studium der Technischen Informatik mit<br />

Schwerpunkt Produktionsinformatik an der Berufsakademie<br />

Mosbach.<br />

Nach dem Studium Unternehmensberater für die<br />

Abwicklung von Entwicklungsprojekten mit<br />

dem Schwerpunkt der Objektorientierung.<br />

Seit 1997 Senior Consultant bei der MPDV<br />

Mikrolab GmbH mit dem Schwerpunkt Betriebsdatenerfassung,Materialflusserfassung<br />

und<br />

Feinplanung. Leiter des SAP Competence Center.<br />

t.strebel@mpdv.de<br />

Autorenverzeichnis 265


Sachverzeichnis<br />

3-Ebenen-Struktur 27<br />

6-R-Regel 24<br />

Agentensteuerung 15<br />

APS-Funktionen 20<br />

Auftragsfreigabe (BOA)<br />

belastungsorientiert 14<br />

Auftragszentrum 61<br />

Automationsebene 17<br />

BDE – Betriebsdatenerfassung 31<br />

CIM (Computer Integrated<br />

<strong>Manufacturing</strong>) 21<br />

C-<strong>MES</strong> (Collaborative <strong>MES</strong>) 26<br />

CONWIP 14<br />

Diskrete oder Werkstattfertigung 18<br />

Druckkosten 57<br />

Einbahnstraßenprinzip 20<br />

Einzelfertigung/Anlagenbau 18<br />

ESK Eslakationsmanagement 34<br />

Fortschrittszahlenkonzept 14<br />

Freiheitsgrade 37<br />

Funktionsgruppe Fertigung 31<br />

Funktionsgruppe Personal 34<br />

Funktionsgruppe Qualität 33<br />

Geschäftsprozesse 59<br />

Grobplanung 16<br />

Gruppenarbeit 44<br />

Informationsstrukturen statt<br />

Führungsstrukturen 59<br />

Sachverzeichnis 267<br />

ISA S 95 27<br />

KANBAN 14<br />

LAN 41<br />

layout by machine 12<br />

LEE Leistungslohn 34<br />

Leitstand, Plantafel 32<br />

Leitstände 20<br />

Linien- und Fließfertigung 13<br />

Linienstruktur 12<br />

<strong>Manufacturing</strong> Operation <strong>System</strong><br />

(MOS) 28<br />

<strong>Manufacturing</strong> Scorecard 43<br />

MDE – Maschinendatenerfassung 32<br />

<strong>MES</strong> (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong><br />

<strong>System</strong>) 11, 21<br />

<strong>MES</strong>A (<strong>Manufacturing</strong> <strong>Execution</strong><br />

<strong>System</strong> Association) 25<br />

MOS – <strong>Manufacturing</strong> Operation<br />

<strong>System</strong> 27, 28<br />

MPL Material- und<br />

Produktionslogistik 33<br />

MRP II (<strong>Manufacturing</strong> Require-<br />

ment Planning) 13<br />

NAMUR 29<br />

Nutzenpotenziale 11<br />

OEE-Index 42<br />

PDC Prozessdatenverarbeitung 34<br />

PEP Personaleinsatzplanung 34<br />

PMC Prüfmittelverwaltung 33<br />

Prämienentlohnung 44


268 Sachverzeichnis<br />

Produktions- und Serviceökonomie 48<br />

Prozesslinien oder Massenfertigung 18<br />

Prozesspotenziale 42<br />

Prozessstreuung 50<br />

Prozesstransparenz 42<br />

Pull-Prinzip 13<br />

Push-Prinzip 13<br />

PZE Personalzeiterfassung 34<br />

REK Reklamationsmanagement 33<br />

Schnittstellenaufwand 58<br />

SPC (Statistische Prozessregelung) 33<br />

Supply-Chain-Management 9<br />

Synchrone Produktion 14<br />

Druck: Strauss GmbH, Mörlenbach<br />

Verarbeitung: Schäffer, Grünstadt<br />

Transparenz 21<br />

Unternehmensnetzwerk 41<br />

VDI (Verein Deutscher Ingenieure) 30<br />

VDI-Richtlinie 30<br />

Verbesserungsprozess 11<br />

Vernetzung 9<br />

WEK Wareneingang 33<br />

Werkstattfertigung 12<br />

Wertschöpfungskette 48<br />

WRM, DNC (Werkzeug- und<br />

Ressourcenmanagement) 32<br />

Zertifizierungsnormen 42<br />

ZKS Zutrittskontrolle 34

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