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Zweieinhalb St<strong>und</strong>en lang diskutierten<br />

die Darmstädter Stadtverord<strong>net</strong>en am<br />

Montag (17.1.) im Kongreßsaal über eine<br />

große Anfrage der <strong>CDU</strong>. Da war die Rede<br />

von „der deutschen Psychose“, von „Rufmord<br />

an einer untadeligen Kollegin“, von<br />

einem „kulturpolitischen Desaster“ <strong>und</strong> daß<br />

„Darmstadts Ruf in Deutschland <strong>und</strong> Italien<br />

einen großen Schaden genommen habe“ –<br />

es ging um die abgesagte Sironi-Ausstellung<br />

auf der Mathildenhöhe.<br />

Was war passiert? Dr. Klaus Wolbert, Direktor<br />

des Instituts Mathildenhöhe, wollte<br />

die renovierten Ausstellungshallen am 27.<br />

März mit ausgewählten Bildern des italienischen<br />

Malers Mario Sironi wiedereröffnen.<br />

Sironi (1885 bis 1961) war einer der Lieblingsmaler<br />

Mussolinis <strong>und</strong> gehörte, ausgehend<br />

vom Futurismus, der italienischen<br />

Künstlergruppe „Novecento“ an. In der Öffentlichkeit<br />

hieß es, Wolbert wolle die Bilder<br />

des „faschistischen Malers“ unkommentiert<br />

zeigen, einzig seine Kunst wirken lassen.<br />

Und: Oberbürgermeister Peter Benz<br />

<strong>und</strong> der SPD-Unterbezirk seien mit einer<br />

unkritischen Präsentation nicht einverstanden.<br />

Wolbert sagte daraufhin die Ausstellung<br />

im Einverständnis mit Benz am<br />

23.11.93 ab.<br />

Und wie es weiterging<br />

Doch damit war die Sache nicht zu Ende:<br />

Auf den Institutsleiter sei politischer Druck<br />

gie zu tun“, die SPD erlasse neue Kunst<strong>und</strong><br />

Denkverbote. OB Benz griff er direkt an:<br />

„Sie sind noch keine zwölf Monate im Amt<br />

<strong>und</strong> haben schon ihren ersten großen Skandal…<br />

Wir werden nicht zulassen, daß sie<br />

den Ruf Darmstadts immer weiter runterwirtschaften.“<br />

Seine Partei erwarte, daß der<br />

Schaden beseitigt <strong>und</strong> begrenzt werde.<br />

SPD: Freie Entscheidung<br />

„Sie erheben Vorwürfe, die auf ihre Partei<br />

<strong>und</strong> ihre Mitglieder viel eher zutreffen“,<br />

konterte Benz <strong>und</strong> erinnerte an Vorfälle aus<br />

der Vergangenheit: Staeck-Ausstellung,<br />

Büchnerpreis-Verleihung, Staatstheater<br />

<strong>und</strong> Hrdlickas Büchner-Woyzeck-Zyklus –<br />

damals rissen <strong>CDU</strong>-Politiker Plakate von<br />

den Wänden, verließen den Saal oder protestierten<br />

lautstark. „Wer solche Verhaltensweisen<br />

zeigt, der darf hier nicht so argumentieren,<br />

als habe er für sich die Verteidigung<br />

der Kultur gemacht.“<br />

Die Vorgänge um die Sironi-Ausstellung<br />

seien anders abgelaufen. „Die Absage war<br />

eine Entscheidung des Leiters des Instituts<br />

Mathildenhöhe, seine freie Entscheidung,<br />

<strong>und</strong> nicht nachdem ich ihn ins Gebet<br />

genommen hatte. Weder SPD noch Unterbezirk<br />

haben Druck auf Wolbert ausgeübt.“<br />

Aufnahme <strong>und</strong> Absage einer Ausstellung<br />

sei Aufgabe Wolberts <strong>und</strong> seine autonome<br />

Angelegenheit. Wolbert sei für ihn ein<br />

„untadeliger Amtsleiter“.<br />

Grüne: Wendehals Wolbert<br />

Auch Christel Thorbecke von den Grünen<br />

bezeich<strong>net</strong>e den „bestenfalls als fahrlässignaiv<br />

zu wertenden Brief von Geiger“ als<br />

„Tiefpunkt der Diskussion“. Scharfe Vorwürfe<br />

erhob sie auch gegen Wolbert: „Es<br />

wäre besser gewesen, wenn Wolbert in der<br />

Öffentlichkeit zuverlässige <strong>und</strong> kompetente<br />

Position bezogen hätte, anstatt seine Meinung<br />

täglich zu wechseln <strong>und</strong> dazu noch<br />

den Eindruck zu erwecken, doch einer<br />

gewissen Zensur ausgeliefert zu sein.“ Ihr<br />

Fazit: „Wir haben wirklich alle kein Ruhmesblatt<br />

erworben, weder Wagner, noch<br />

Benz, noch Grüne…“ „Was ist aus dieser<br />

Affäre zu lernen?“ fragte Thorbecke, „eines<br />

sicherlich, daß uns in Deutschland eine differenzierte<br />

Diskussion über das Verhältnis<br />

von Totalitarismus <strong>und</strong> Kunst schwer fällt,<br />

denn wir tragen noch immer an unserer<br />

eigenen nationalsozialistischen Geschichte“<br />

– Thorbecke ist am 3.9.48 geboren.<br />

Geiger: faschistische Methode<br />

Sissy Geiger (<strong>CDU</strong>) beharrte darauf, Wolbert<br />

habe ihrer Partei gegenüber geäußert,<br />

die Entscheidung des SPD-Unterbezirks sei<br />

der Auslöser der Absage gewesen, er habe<br />

gewußt, daß Benz die Ausstellung nicht<br />

wollte. Für sie war das Zensur <strong>und</strong> Intoleranz:<br />

„Das ist eine faschistische Methode,<br />

einen Künstler wegen seiner politischen<br />

Überzeugung auszugrenzen.“<br />

habe mir im Gegensatz zu Ebert gewünscht,<br />

daß die Ausstellung gezeigt wird.“<br />

Die Sicht Wolberts<br />

Für Wolbert freilich spielte sich die Sache<br />

völlig anders ab. Am 19.1. erklärt er<br />

gegenüber der ZD: Das italienische Kulturinstitut<br />

in Frankfurt sei vor zwei Jahren<br />

mit der Bitte an ihn herangetreten, doch<br />

eine Ausstellung über Sironi auf der Mathildenhöhe<br />

zu zeigen. Er, Wolbert, habe sich<br />

sofort bereit erklärt, diese Ausstellung in<br />

Zusammenarbeit mit einem Fre<strong>und</strong>, dem<br />

Stifter <strong>und</strong> Kunstverlagsinhaber Gabriele<br />

Mazzotta, zu machen. Ein Konzept habe es<br />

zu jener Zeit nicht gegeben. Es habe sich<br />

auch nicht um eine konfektionierte Ausstellung<br />

gehandelt, die er lediglich habe übernehmen<br />

wollen. Und: „Es ist falsch, daß ich<br />

gesagt haben soll, Metzger hat die Ausstellung<br />

geholt. Er hat inhaltlich nie in mein<br />

Programm eingegriffen, wenn er auch<br />

manchmal gesagt hat, daß es ihm nicht<br />

gefällt.“<br />

Ein inhaltlicher Eingriff<br />

Daß die Mathildenhöhe Sironi zeigen wollte,<br />

sei schon seit einem Jahr bekannt, doch<br />

erst im September, auf einer Sitzung des<br />

Kulturausschusses, sei erstmals von der<br />

Grünen Thorbecke daran Kritik geübt worden<br />

– Wolbert nennt dies den ersten Versuch<br />

überhaupt, in sein Programm „inhaltlich<br />

einzugreifen“. Ihm habe es nicht<br />

„Wie reif sind wir eigentlich?“<br />

„Diese Stadt will nichts mit Faschisten zu tun haben“: Öffentliche Streit-Debatte über die abgesagte<br />

Sironi-Ausstellung – Klaus Wolbert äußert sich<br />

ausgeübt worden, so lautete eine neue Variante,<br />

gar von Zensur war die Rede. Das<br />

Resultat: Die Geschichte uferte zu parteipolitischem<br />

Gezänk aus, dessen vorläufiger<br />

Höhepunkt ein Brief der <strong>CDU</strong>-Politikerin<br />

Sissy Geiger an Bruno Zoratto (siehe Faksimile<br />

<strong>und</strong> Artikel auf folgender Seite) <strong>und</strong><br />

eben jene parteipolitische Debatte in der<br />

Stadtverord<strong>net</strong>ensitzung (StaVo) war.<br />

Wolbert – so die Meinung Vieler – offenbarte<br />

in der Öffentlichkeit ein schwaches Bild:<br />

Heute sage er dies, morgen jenes, mal<br />

erwecke er den Eindruck, er sei zensiert<br />

worden, dann wieder erkläre er, Alt-OB<br />

Günther Metzger habe ihm die Ausstellung<br />

aufgedrückt. Darauf reagierten PolitikerInnen<br />

verschiedener Parteien mit harscher<br />

Kritik – allen voran Eike Ebert (SPD), der als<br />

Scharfmacher erklärte, Wolbert sei für die<br />

Stadt nicht länger tragbar.<br />

Aus dem Stadtparlament<br />

Mit Kritik an Wolbert wurde auch während<br />

der Stadtverord<strong>net</strong>en-Debatte nicht gespart<br />

– von Parteimitgliedern der SPD <strong>und</strong> der<br />

Grünen. Anders die <strong>CDU</strong>. Sie hielt an ihrer<br />

Sicht der Dinge fest: Auf Wolbert sei politischer<br />

Druck ausgeübt worden – von der<br />

SPD. Und Sironi sei zensiert worden. Zum<br />

ersten Mal überhaupt äußerte sich die FDP<br />

öffentlich zum Sironi-Eklat, dabei war Ruth<br />

Wagner als Vorsitzende des Kulturausschusses<br />

bereits seit September von dem<br />

Vorgang informiert.<br />

<strong>CDU</strong>: Ein Trauerspiel<br />

Michael Bergmann (<strong>CDU</strong>-Stadtverord<strong>net</strong>er)<br />

eröff<strong>net</strong>e die Debatte mit der Attacke, dieses<br />

„Darmstädter Trauerspiel … wurde inszeniert<br />

von SPD, Grünen <strong>und</strong> ,Darmstädter<br />

Echo‘.“ Bergmann sprach von Parteien-<br />

Druck auf Wolbert, davon, daß die SPD<br />

„unverhüllt ihr wahres Demokratieverständnis“<br />

zeige <strong>und</strong> orakelte, „Kunst hat<br />

mehr mit Ästhetik als mit politischer Ideolo-<br />

Im übrigen habe die Diskussion zu einer<br />

Klärung beigetragen: „Daß es in der Kunst<br />

darauf ankommt, politische <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Zusammenhänge immer zu<br />

sehen, <strong>und</strong> sich nicht nur um Ästhetizismus<br />

zu kreisen… Die Kritik in anderen Zeitungen<br />

ist umgekehrt erschreckend: Dort heißt<br />

es, der italienische Faschismus sei nicht<br />

mit dem deutschen zu vergleichen. Diese<br />

Strategie der Verharmlosung ist generell<br />

gefährlich in der derzeitigen europäischen<br />

Entwicklung.“<br />

SPD-Fraktionsvorsitzender Horst Knechtel<br />

räumte ein, daß die Diskussion der Stadt<br />

sehr geschadet habe – „die hätten wir<br />

anders führen müssen“. Wolbert habe die<br />

Ausstellung von sich aus abgesagt <strong>und</strong> die<br />

Meldung im „DE“ vom 1.12. sei falsch, in<br />

der es hieß, Benz sei einer Entscheidung<br />

des SPD-Unterbezirks gefolgt. <strong>CDU</strong>-Vorsitzendem<br />

Gerhard O. Pfeffermann gegenüber<br />

behauptete Knechtel, der Unterbezirk habe<br />

beim „DE“ eine Richtigstellung gefordert –<br />

vergeblich. Das soll laut „DE“ falsch sein,<br />

bei der ZD ist auch nichts eingegangen.<br />

FDP: Peinliche Debatte<br />

„Wir haben uns dieser Debatte geschämt“<br />

erklärte Ruth Wagner das bisherige<br />

Schweigen der FDP. Wolbert habe in der<br />

Kulturausschußsitzung im September geäußert,<br />

er wolle Sironi mit biografischem<br />

<strong>und</strong> kulturhistorischem Hintergr<strong>und</strong> zeigen.<br />

Sie fragte, ob der Rückzug etwa aus<br />

Angst vor dem Beifall aus der falschen<br />

Richtung erfolgt sei. Dies dürfe kein Gr<strong>und</strong><br />

sein. „Die Ausstellung wäre eine Gelegenheit<br />

gewesen, sich mit der Ausprägung des<br />

Neofaschismus kritisch auseinanderzusetzen.<br />

Diese Gelegenheit ist verspielt.“ Als<br />

Schuldigen deutete Wagner den „Echo“-<br />

Redakteur aus, der allerdings nur berichtet<br />

hatte. Den „Gipfel dieses Skandals“ aber<br />

habe Frau Geiger „gelandet“ – „einem solchen<br />

Mann zu antworten“.<br />

SPD <strong>und</strong> „DE“ hätten gemeinsam eine Rufmordkampagne<br />

betrieben. Zu ihrem Brief<br />

an Zoratto greinte sie: das sei lediglich eine<br />

Einladung zur Teilnahme am Diaabend <strong>und</strong><br />

zur Diskussion gewesen. „Wie reif sind wir<br />

eigentlich, daß wir Angst haben vor<br />

Gesprächen?“<br />

Ebert: hymnische Ausstellungen<br />

Eike Ebert (SPD) konterte: „Die ganze Richtung<br />

paßt mir nicht – sich da weinerlich hinzustellen.<br />

Ich bin froh <strong>und</strong> stolz darauf, daß<br />

diese Ausstellung abgesagt wurde… Diese<br />

Stadt will nichts mit Faschisten zu tun<br />

haben… Als wir unseren Beschluß umsetzen<br />

wollten, da hatte Wolbert dies am Morgen<br />

schon getan. Wenn er hört, was wir<br />

abends besprochen haben, <strong>und</strong> dann reagiert,<br />

ist das keine Zensur.“<br />

Ebert über Wolbert: „Jedem Zirkel hat er<br />

etwas anderes gesagt. So geht das nicht.“<br />

Er demontierte ihn auch als Ausstellungsmacher:<br />

Bei der Adolfo Wildt-Ausstellung<br />

habe er eine Mussolini-Büste altarähnlich<br />

aufgestellt. „Wolbert neigt leider dazu, seine<br />

Ausstellungen als hymnische Verherrlichung<br />

zu zeigen.“ Daher die Befürchtung<br />

des Unterbezirks, Wolbert zeige Sironi nicht<br />

kritisch, sondern „hymnisch verherrlicht“;<br />

es hätten die „falschen Leute auf die Mathildenhöhe<br />

pilgern können“.<br />

Seidler: eine Zeitungsente<br />

Für Parteikollegin Sabine Seidler ist die<br />

Sironi-Debatte „ein Exempel, was aus einer<br />

kleinen Zeitungsente alles werden kann.“<br />

Zu Geiger sagte sie: „Das war schlicht grauenvoll,<br />

was Sie gesagt haben.“ Es gebe keine<br />

Kunst losgelöst von Politik – „Ihr Kunstverständnis<br />

kann nur zum Mißbrauch <strong>und</strong><br />

zur Vereinnahmung führen.“ Außerdem<br />

habe es auf der Sitzung des Unterbezirks<br />

keine sich durchsetzende Meinung gegeben<br />

– damit wiedersprach sie Ebert –, es sei nur<br />

leidenschaftlich diskutiert worden. „Ich<br />

gepaßt, den Maler Sironi „einseitig auf das<br />

Faschismusthema zu reduzieren“. Außerdem<br />

habe der Kulturausschuß sein Programm<br />

lediglich zur Kenntnis zu nehmen.<br />

Dennoch habe er sich bemüht, vor diesem<br />

Gremium sein Ausstellungskonzept zu<br />

erläutern, was aber nicht möglich gewesen<br />

wäre, da das Gespräch „plötzlich eine andere<br />

Ebene bekam“ <strong>und</strong> aus dem „Du“ ein<br />

„Angriff einer Parlamentarierin“ wurde, vor<br />

dem er sich „rechtfertigen“ mußte. Das<br />

habe ihn zu seiner „berühmten Äußerung:<br />

Christel, davon verstehst du nichts“ verleitet<br />

– zu der Frau eines Malers.<br />

Der Stand der Dinge im November: „Ich<br />

wollte von Sironi ausschließlich ,urbane<br />

Szenarien‘ zeigen, einen Schwerpunkt seiner<br />

Arbeit rausnehmen.“ Jene Gemälde<br />

stammen alle aus der Zeit vor dem italienischen<br />

Faschismus. „Wir hatten den Ehrgeiz,<br />

Werke zu zeigen, die bisher noch nie<br />

aus Privatsammlungen geholt worden<br />

waren, erste Kontakte waren Dank unserer<br />

guten Verbindungen zu Italien geknüpft.<br />

Auch für den Katalog hatten wir schon einige<br />

Autoren <strong>und</strong> Autorinnen bestimmt, die<br />

sich unter anderem mit der Faschismustheorie<br />

auseinandersetzen wollten.“<br />

Sironi als Faschist<br />

Hatte es in der Öffentlichkeit den Anschein,<br />

als wollte Wolbert die Ausstellung unkommentiert<br />

präsentieren, so erklärt er am<br />

19.1.: „In der Ausstellung selbst wollte ich<br />

die Kunst als Kunst zeigen. Aber selbstverständlich<br />

wäre der Komplex Sironi –<br />

Moderne – Faschismus thematisiert <strong>und</strong><br />

vermittelt worden, im Katalog, bei Führungen<br />

<strong>und</strong> Vorträgen, am Eingang auf Zeittafeln<br />

<strong>und</strong> in einem Video. Dabei wäre herauszuarbeiten<br />

gewesen, was bereits an den<br />

frühen Bildern Sironis – seinen trostlosen<br />

<strong>und</strong> melancholischen Stadtansichten –<br />

faschistisch gewesen war.“ Wer jedoch bei<br />

Wolberts Präsentation des Adolfo Wildt<br />

Nummer 62 · 28.1.1994 · Seite 10<br />

(Sommer 90) nach Hinweisen auf den<br />

italienischen Faschismus gesucht haben<br />

sollte, wurde enttäuscht.<br />

Das Mißverständnis hätte sich daran entzündet,<br />

so Wolbert, daß er erklärt habe, die<br />

Ausstellung nicht mit Schrifttafeln zu<br />

durchsetzen. „Das ist ein Konzept der 70er<br />

Jahre – wie ich es damals auch gemacht<br />

habe –, nämlich die Bilder im Moment des<br />

Anschauens bereits zu konterkarieren, <strong>und</strong><br />

sie zu Erläuterungen von Schrifttafeln zu<br />

degradieren.“ Und fügt hinzu: „Das wäre<br />

auch mit den Leihgebern nicht zu machen<br />

gewesen, die hätten eingewendet: ,Dann<br />

hängen Sie doch Reproduktionen auf‘.“<br />

Der Gr<strong>und</strong> für die Absage<br />

Warum sagte Wolbert die Ausstellung ab?<br />

„Die ganze Richtung der Debatte war unerträglich.<br />

Auch Mazzotta war ärgerlich über<br />

die Art der Reaktion <strong>und</strong> gab den Hinweis,<br />

daß wir mitten in Verhandlungen mit Leihgebern<br />

stecken, die sich zurückziehen würden.<br />

Die Diskussion eskalierte derart, daß<br />

es denkbar geworden war, daß zur Eröffnung<br />

sowohl rechtsradikale, neofaschistische<br />

wie antifaschistische Gruppierungen<br />

auf die Mathildenhöhe marschieren könnten.<br />

Wer hätte da ausschließen können, daß<br />

Bilder in Mitleidenschaft gezogen würden.<br />

Diese Risiken hätten wir sowohl den Leihgebern,<br />

als auch der Versicherung mitteilen<br />

müssen. Es hing noch kein einziges Bild an<br />

der Wand, <strong>und</strong> schon gab es eine Vorverurteilung.<br />

Ich hatte keine Lust mehr, die Ausstellung<br />

zu machen.“<br />

Ausdrücklich betont er, er habe sie nicht auf<br />

Druck der SPD abgesagt, der er ja selbst<br />

angehöre. Seine Entscheidung sei auch<br />

nicht etwa eine Reaktion auf die Sitzung des<br />

SPD-Unterbezirks gewesen – dieser hatte<br />

am Abend zuvor beschlossen, ihn zu einem<br />

Gespräch zu laden. „Meine Absage stand da<br />

schon fest.“ Benz sei mit einer Absage<br />

sofort einverstanden gewesen, er „stand<br />

der Ausstellung schon vorher kritisch<br />

gegenüber“.<br />

Wolbert räumt Fehler ein: „Richtiger wäre<br />

gewesen, sofort eine eigene Pressekonferenz<br />

zu machen <strong>und</strong> offiziell zu begründen,<br />

wie <strong>und</strong> warum ich Sironi zeigen werde.<br />

Vielleicht bin ich zu früh eingeknickt, aus<br />

einer deprimierten Situation heraus.“<br />

Zu Sissy Geigers Behauptung, er habe der<br />

<strong>CDU</strong> gegenüber später von Zensur gesprochen,<br />

sagt Wolbert: „Eine absolute Lüge.<br />

Das ist wirklich bitter, daß da versucht wird,<br />

parteipolitischen Profit rauszuziehen.“ Tief<br />

getroffen ist er über das, was in der Öffentlichkeit<br />

gesprochen wird: „Die wissen plötzlich<br />

alle, was ich wann gesagt habe, ohne<br />

mit mir zu sprechen. Immer mehr Leute<br />

reden mit <strong>und</strong> werfen mir einen Schlingerkurs<br />

vor.“ An diesem Bild, so Wolbert<br />

mehrfach, sei einzig die Berichterstattung<br />

im „DE“ schuld. Er habe immer eine klare<br />

Linie gehabt.<br />

„Das Vertrauensverhältnis zu Benz hat sich<br />

verstärkt <strong>und</strong> gefestigt“, meint Wolbert, der<br />

ja auch Kulturreferent ist. Kopfzerbrechen<br />

aber bereiten ihm Eberts Angriffe. „Das verstehe<br />

ich nicht. Wir kennen uns ja gut; Ebert<br />

sagte zu mir, das sei jetzt Politik, privat<br />

habe er ja eine andere Meinung.“<br />

Verärgert, deprimiert<br />

Verärgert ist Wolbert auch darüber, daß die<br />

Kritik an seiner Sironi-Ausstellung sich zu<br />

einer an seiner gesamten Arbeit, vor allem<br />

an seinen italienischen Ausstellungen, ausweitete.<br />

„Die Mathildenhöhe hat den kulturpolitischen<br />

Auftrag, den internationalen<br />

Dialog zu pflegen <strong>und</strong> mit eigenen Beiträgen<br />

<strong>und</strong> Stellungnahmen an der aktuellen<br />

Kunst-Debatte teilzunehmen“, erklärt er das<br />

Konzept. Einerseits werde die Tradition der<br />

Mathildenhöhe fortgeführt, andererseits sei<br />

das Institut offen für das Heutige. Der kulturelle<br />

Anspruch Darmstadts sei schon lange,<br />

„als geistesoffene, tolerante Stadt der<br />

Kunst zu gelten, als diskussionsoffen –<br />

denken wir an die ,Darmstädter Gespräche‘<br />

<strong>und</strong> als ein Forum für Neues – etwa für<br />

Neue Musik. Doch in der Realität sieht der<br />

Umgang mit den Kulturschaffenden doch<br />

oft anders aus.“ Verbittert sagt Wolbert:<br />

„Kritik gibt es an Ausstellungsmachern<br />

immer, daß ich hier aber nicht verstanden<br />

werde – was außerhalb ganz anders ist , das<br />

deprimiert <strong>und</strong> lähmt.“ Denn in Italien, so<br />

versichert er, hätte sein Ruf wegen des<br />

Sironi-Eklats nicht gelitten. Daß Darmstadts<br />

Ruf nicht gelitten habe, beschwören<br />

einige Politiker viel zu häufig.<br />

Eva Bredow<br />

Bilder von links nach rechts: Klaus Wolbert, Eike Ebert<br />

(Fotos: H. Schäfer), Sissy Geiger (Foto: <strong>CDU</strong>), Ruth<br />

Wagner, (Foto: FDP) Christel Thorbecke (Foto: Privat)

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