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Was ist daran falsch?<br />

Klaus Feuchtinger, der Vorsitzende<br />

des Ausschusses für Umweltschutz<br />

(Grüne) schreibt zum Artikel<br />

„Gefährliche Radfahrer“ in der ZD-<br />

Ausgabe 61:<br />

Wenn schlampig recherchiert wird, bekommen<br />

selbst gutgemeinte Berichte einen<br />

boshaften Zungenschlag! Mit dem Siebert-<br />

Zitat „mit dieser Baumaßnahme kommt der<br />

Magistrat auch einem Antrag der Grünen<br />

nach“ soll der Eindruck erweckt werden,<br />

daß auf Wunsch der Grünen eine Baumaßnahme<br />

an der Heidelberger Straße in Fahrtrichtung<br />

Eberstadt ausschließlich für den<br />

motorisierten Kraftverkehr durchgeführt<br />

werden soll. Hätte sich die Autorin den von<br />

Siebert erwähnten grünen Antrag nicht erst<br />

einmal durchlesen sollen? Dann wäre ihr<br />

sicher aufgefallen, daß wir darin eine längst<br />

überfällige Entsiegelungsmaßnahme beantragt<br />

haben, um das Wurzelwerk der<br />

Straßenbäume von der Asphaltabdeckung<br />

zu befreien, um wenigstens eine Ursache<br />

für das reihenweise Absterben der dortigen<br />

Alleebäume zu beseitigen <strong>und</strong> den nachgepflanzten<br />

Bäumen bessere Überlebenschancen<br />

zu gewähren.<br />

Euer Foto zeigte übrigens eine ganz andere<br />

Stelle, die von der Maßnahme nicht betroffen<br />

ist. Das hätte man der betreffenden<br />

Magistratsvorlage unschwer entnehmen<br />

können! Erst im weiteren Verlauf der Heidelberger<br />

Straße – (da hätte die Autorin<br />

noch ein paar Schritte gehen müssen!) –<br />

folgt ein breiter asphaltierter Randstreifen,<br />

der wohl zu Zeiten benutzt wurde, als die<br />

Heidelberger Straße noch als einzige Nord-<br />

Süd-Verbindung (B3) vom Durchgangsverkehr<br />

befahren wurde. Auf diesem bilden<br />

sich tiefe Wasserlachen, die noch lange<br />

nach Regenfällen stehen bleiben, den<br />

Straßenbäumen vorenthalten werden <strong>und</strong><br />

mit den von Euch zitierten Ursachen für<br />

Aquaplaning nichts zu tun haben. Diese<br />

haben nämlich den Effekt, daß die Autos<br />

schon bei Geschwindigkeiten deutlich unter<br />

50 km/h Radfahrer <strong>und</strong> Fußgänger auf den<br />

parallel geführten Wegen in hohem Bogen<br />

bespritzen!<br />

Eben dieser Streifen soll nun zurückgebaut<br />

<strong>und</strong> – was die Autorin ebenfalls verschweigt<br />

– auch begrünt werden. Solche<br />

Rückbaumaßnahmen, verb<strong>und</strong>en mit Entsiegelung<br />

<strong>und</strong> Begrünung sowie mit mehr<br />

Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, sollten<br />

wir uns auch in anderen Straßen Darmstadts<br />

wünschen – was ist falsch daran?<br />

Klaus Feuchtinger, Die Grünen<br />

In der Ausgabe 61 hatte unser Fotograf die Heidelberger Straße etwa zweih<strong>und</strong>ert Meter zu weit stadteinwärts aufgenommen.<br />

Auf diesem Bild ist deutlich der überflüssige Asphaltstreifen zu erkennen. Übrigens auch der parallel<br />

verlaufende Radweg – bis dorthin spritzt nach Ansicht Feuchtingers das Wasser vorbeifahrender Autos. Wie<br />

schnell wird dann gefahren? (mg/Foto Heiner Schäfer)<br />

Eine offene Antwort<br />

Hallo Klaus Feuchtinger,<br />

die Aquaplaning-Meldung stammte vom<br />

Presseamt (Nr. 11492, 12.93), das zitiert<br />

worden ist <strong>und</strong> sich wiederum auf den<br />

Magistrat, auf Michael Siebert bezog. Die<br />

Pressemeldung ist wie die sieben anderen<br />

zitierten selbstverständlich nur in Ausschnitten<br />

wiedergegeben, sonst hätte dies<br />

eine Zeitungsseite gefüllt. Der satirische<br />

Charakter, der in den offiziellen Verlautbarungen<br />

zum Vorschein kommt, dürfte auch<br />

für LeserInnen unübersehbar sein. Es handelte<br />

sich also keineswegs um eine Recherche,<br />

sondern um den zusammenfassenden<br />

Abdruck offizieller Darstellungen.<br />

Wenn das Presseamt das Aquaplaning in<br />

den Vordergr<strong>und</strong> rückt, steht dies in direktem<br />

Kontext zum Ausbau des Radwege<strong>net</strong>zes,<br />

das seit 1978 bis ins Jahr 2050 auf sich<br />

warten lassen wird. Das ist falsch.<br />

Den Fotografen haben wir noch einmal hingeschickt,<br />

denn in der Tat war das Foto<br />

nicht gegenüber der Kiesgrube, sondern<br />

weiter stadteinwärts gegenüber der Radrennbahn<br />

aufgenommen worden – wir danken<br />

für die Richtigstellung.<br />

Es sollte keineswegs „der Eindruck erweckt<br />

werden, daß auf Wunsch der Grünen eine<br />

Baumaßnahme an der Heidelberger Straße<br />

in Fahrtrichtung Eberstadt ausschließlich<br />

für den motorisierten Kraftverkehr durchgeführt<br />

werden soll.“ Wenn Siebert selbst<br />

melden läßt, zitieren wir nicht als Meinungsmacher.<br />

Das wäre falsch. Der Antrag<br />

der Grünen mag wohl andere Ziele artikulieren,<br />

was zählt ist doch das, was gemacht<br />

wird?<br />

Die Entsiegelung ist sicherlich ein lobenswerter<br />

Zug, jedoch von Begrünung stand in<br />

der Meldung nichts zu lesen, sondern: Es<br />

„wird ein Hochbordstein mit Rinne zur<br />

Ableitung des Oberflächenwassers eingebaut“<br />

– in die Kanalisation? Und wozu dann<br />

die Entsiegelung? Das wäre falsch. Die<br />

Magistratsvorlage ist der ZD im übrigen<br />

nicht zugestellt worden, womit die Verwal-<br />

tung so die Darstellung Ihrer Aktivitäten in<br />

der Öffentlichkeit selbst gestaltet.<br />

Zur Information folgende Pressemeldung<br />

vom 24.7.1990. „Für die stark befahrene<br />

Bismarckstraße ist seit langem ein durchgehender<br />

Radweg geplant… Im Haushaltsplan<br />

1990 waren für den Ausbau 100.000<br />

Mark beantragt, wurden dann aber erst für<br />

1992 vorgemerkt. … Wie Stadtrat Swyter<br />

mitteilt, wird zunächst mit geringem Aufwand<br />

<strong>und</strong> weitgehend provisorischen Mitteln<br />

versucht, den Radverkehr zu verbessern.<br />

Dabei ist bereits jetzt zu erwarten, daß<br />

die ursprünglich geschätzte Summe von<br />

100.000 Mark nicht ausreichen wird. Bis<br />

1992 wird aber eine detaillierte Kostenschätzung<br />

durchgeführt“. Es wird noch<br />

immer geplant, geschätzt <strong>und</strong> von Provisorien<br />

ist nichts zu sehen – bis 2050?<br />

Der Herausgeber<br />

BRIEFE AN DIE REDAKTION II<br />

Die deutsche Atomschmiede stoppen<br />

Ein breites Bündnis von Anti-Atom-<br />

Initiativen aus dem B<strong>und</strong>esgebiet<br />

<strong>und</strong> Österreich formiert seinen<br />

Widerstand gegen die Fortsetzung<br />

der Atomwirtschaft in Deutschland.<br />

Zentraler Angriffspunkt ist der „Siemens“-Konzern,<br />

der als Monopolist<br />

für den Bau von Atomkraftwerken<br />

die Triebfeder der deutschen Atomlobby<br />

ist. Das Bündnis der Atomkritiker<br />

ruft zum Boykott aller Siemens-<br />

Produkte auf, bis der Konzern seine<br />

Atomgeschäfte beendet<br />

Die Zukunft der Atomenergie in Deutschland<br />

ist alles andere als besiegelt; aber der Kampf<br />

um eine endgültige Entscheidung tobt. Offen<br />

<strong>und</strong> hinter verschlossenen Türen werden die<br />

Vertreter der Atomwirtschaft nicht müde,<br />

ihren politischen Einfluß für eine „Referenzanlage“<br />

eines vermeintlich neuen Reaktortyps<br />

auf deutschem Boden einzusetzen. Die<br />

neue Anlage wäre der weltweit erste Neubau<br />

eines Atomkraftwerks seit der Katastrophe<br />

von Tschernobyl.<br />

Profitieren würde in erster Linie der Siemens-Konzern.<br />

Als einziger deutscher<br />

Anbieter von „schlüsselfertigen“ Atomkraftwerken<br />

möchte er seine seit Jahren schlummernde<br />

Sparte „Energieerzeugung (KWU)“<br />

mit diesem Auftrag wieder zum Leben<br />

erwecken. Als „Referenz“ soll der Meiler vor<br />

allem ausländischen K<strong>und</strong>en erscheinen.<br />

Denn ohne ein funktionierendes Anschauungsobjekt<br />

sind Atomkraftwerke derzeit<br />

selbst in der sogenannten Dritten Welt<br />

unverkäuflich, wie Siemens-Aufsichtsratsvorsitzender<br />

Hermann Franz eingestehen<br />

mußte.<br />

Einen „qualitativen Sprung in der Sicherheit“<br />

verspricht Siemens denn auch für die neue<br />

Reaktorlinie, die sie derzeit zusammen mit<br />

der französischen Atomfirma „Framatome“<br />

entwickelt. Die „Nuclear Power International“<br />

(NPI) – gemeinsame Tochter beider<br />

Konzerne – führt das Projekt unter der<br />

Bezeichnung „European Pressurized Water<br />

Reactor“ (EPR, Europäischer Druckwasser-<br />

Reaktor). Er „soll die Erfahrungen beider<br />

Länder auf dem Gebiet der Druckwasserreaktor-Kernkraftwerke<br />

in einer gemeinsamen<br />

Weiterentwicklung zusammenführen <strong>und</strong> die<br />

deutsche Konvoi-Baulinie sowie die französische<br />

N4-Baureihe ablösen“, teilte Siemens<br />

mit. Ein revolutionär neues Atomkraftwerkskonzept<br />

ist somit nicht zu erwarten.<br />

Wirtschaftlich wichtig ist für Framatome <strong>und</strong><br />

Siemens, daß der EPR sowohl in Frankreich<br />

als auch in Deutschland genehmigungsfähig<br />

sein soll. Gemäß einem bereits mehrfach<br />

verlängerten Zeitplan sieht Siemens jetzt von<br />

einen „frühest möglichen Baubeginn“ für<br />

1998/99 vor. Dabei sind die nationalen<br />

Genehmigungsfristen bereits Bestandteil der<br />

Planung. Die „erhöhte Sicherheit des EPR“<br />

wollen seine Entwickler unter anderem<br />

„durch die Weiterentwicklung im Vorsorgebereich“<br />

erreichen. Ziel sei es, „das Eintreten<br />

von Störfällen so unwahrscheinlich zu<br />

machen, daß sie nach den Maßstäben der<br />

praktischen Vernunft ausgeschlossen werden<br />

können“, verlautete Siemens.<br />

„Etwas wirklich neues ist nicht zu erkennen“,<br />

kontert Lothar Hahn diese Versprechungen.<br />

Der Atomkraft-Experte am Öko-Institut in<br />

Ein unerträglicher Parteienstreit<br />

Darmstädter Sezession erwartet in<br />

zwei Erklärungen eine sach- <strong>und</strong><br />

fachgerechte Diskussion über die<br />

Absage der Sironi-Ausstellung<br />

Die Darmstädter Sezession<br />

verwahrt sich mit<br />

aller Entschiedenheit<br />

gegen das Ansinnen<br />

der B<strong>und</strong>estagsabgeord<strong>net</strong>en<br />

Frau Dr. Sissy<br />

Geiger, einem Neofaschisten<br />

die Ausstellungshallen der Mathildenhöhe<br />

als Selbstdarstellungsforum anzubieten.<br />

Die Diskussion um Sironi eskaliert zu einem<br />

Höhepunkt schädlicher, mittlerweile nur<br />

politischer Argumente <strong>und</strong> eifert aus in unerträglichem<br />

parteipolitischen Streit. Mit diesen<br />

Querelen wird die Darmstädter kulturelle<br />

Szene nicht nur hier, sondern darüberhinaus<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik in Mißkredit gebracht.<br />

Der Vorstand der Darmstädter Sezession<br />

Sämtliche Aktivitäten im Umkreis der zu<br />

Recht umstrittenen Sironi-Ausstellung legen<br />

die Vermutung nahe, die Darmstädter Kunstszene,<br />

federführend durch Institutionen wie<br />

die Mathildenhöhe <strong>und</strong> die Darmstädter<br />

Sezession, zu demontieren. Die parteipolitischen<br />

Auseinandersetzungen sollten auf<br />

anderen Schultern, als denen der Kunst ausgetragen<br />

werden. Ausstellungsmacher, ob<br />

die der Darmstädter Sezession oder der<br />

Mathildenhöhe, werden immer umstritten<br />

sein. Das bisherige Darmstädter Kunstgeschehen<br />

hat stets weiterreichendere Wirkung<br />

gezeigt, als die notwendige Lokalpolitik.<br />

Um schädliche, unnötige Auseinandersetzungen<br />

zu vermeiden, erwartet die Darmstädter<br />

Sezession eine sach- <strong>und</strong><br />

fachgerechte Diskussion.<br />

Der Vorstand der Darmstädter Sezession<br />

Die Zeitung für Darmstadt druckt Briefe an die Redaktion<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich unverändert.<br />

!<br />

Ausgenommen sind Schreib- <strong>und</strong><br />

Grammatikfehler sowie Wiederholungen. Für Kürzungen wird die<br />

Zustimmung der AutorInnen eingeholt. Inhaltliche auch politische<br />

Änderungen werden nicht angebracht <strong>und</strong> auch nichts hinzugefügt.<br />

Die Briefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.<br />

Darmstadt sieht „bislang nicht plausibel dargelegt“,<br />

weshalb Kernschmelzunfälle beim<br />

EPR deutlich seltener auftreten werden, als<br />

bei den derzeit betriebenen Druckwasser-<br />

Reaktoren.<br />

Tatsächlich kann Siemens – nach den Worten<br />

ihres Sprechers Hans-Joachim Preuss –<br />

„zu technischen Details“ wegen des frühen<br />

Planungsstands „noch nicht seriös Stellung<br />

nehmen“. Hahn wirft der Firma deshalb vor:<br />

„Man kann nicht behaupten, daß man die<br />

Ziele erreicht, ohne etwas konkretes vorzulegen.“<br />

Ähnlich vage wird die Diskussion darüber<br />

geführt, was im EPR passiert, wenn sich<br />

trotz aller „Vorsorgemaßnahmen“ ein<br />

schwerer Unfall ereig<strong>net</strong>, bei dem der Reaktorkern<br />

zu schmelzen beginnt. „Bei den<br />

Druckwasser-Reaktoren derzeitiger Bauart<br />

muß damit gerech<strong>net</strong> werden“, warnt Atomkritiker<br />

Hahn, „daß im Verlauf eines Kernschmelzunfalls<br />

der Sicherheitsbehälter<br />

bereits wenige St<strong>und</strong>en nach Unfallbeginn<br />

versagt <strong>und</strong> daß es zu massiven Radioaktivitätsfreisetzungen<br />

kommt.“<br />

Siemens-Sprecher Preuss widerspricht dieser<br />

Befürchtung, denn Betriebserfahrung<br />

<strong>und</strong> Sicherheitsforschung hätten für die<br />

deutschen Atomkraftwerke „hohe Sicherheitsreserven<br />

ausgewiesen“. Selbst bei<br />

schweren Störfällen könnten massive Radioaktivitätsfreisetzungen<br />

daher ausgeschlossen<br />

werden.<br />

„Wer das behauptet“, entgeg<strong>net</strong> ihm Hahn,<br />

„ist nicht auf dem Stand der Dinge oder will<br />

die Öffentlichkeit wider besseres Wissen täuschen.“<br />

Zwischen Gegnern <strong>und</strong> Befürwortern<br />

der Atomenergienutzung bestehe Einigkeit<br />

darüber, daß bei einem Unfall mit Kernschmelze<br />

die Freisetzung großer Radioaktivitätsmengen<br />

zu befürchten sei. Für die<br />

Beherrschung der Phänomene während<br />

eines Kernschmelzunfalls „sind im EPR-Konzept<br />

noch keine überzeugenden Lösungen<br />

beschrieben, die einer ernsthaften Überprüfung<br />

standhalten könnten“, urteilt Hahn.<br />

„Insofern ist in keiner Weise plausibel dargelegt,<br />

daß mit dem EPR das verschiedentlich<br />

vorgegebene Sicherheitsziel erreicht werden<br />

könnte.“<br />

Wenn es eine Zukunft der Atomenergie in<br />

Deutschland geben sollte, wird der Siemens-<br />

Konzern in jedem Fall der zentrale Technologielieferant<br />

sein. Nicht nur für die Kraftwerke<br />

selbst, sondern auch für die Produktion der<br />

atomaren Brennelemente besitzt Siemens in<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik faktisch ein Monopol.<br />

Das Ultragift Plutonium wird ebenfalls nur<br />

von Siemens verarbeitet. Im skandalumwitterten<br />

Brennelemente-Werk Hanau verarbeitet<br />

es der Konzern mit Uran zu den besonders<br />

gefährlichen „MOX-Brennelementen“.<br />

Zudem will Siemens die Laufzeit alter unsicherer<br />

Atomkraftwerke in den ehemaligen<br />

Ostblockstaaten durch vermeintliche technische<br />

Nachbesserungen verlängern.<br />

Das Bündnis der Anti-Atom-Initiativen hat<br />

deshalb sehr bewußt den Siemens-Konzern<br />

als Angriffspunkt gewählt. Die Atomkritiker<br />

rufen alle Verbraucherinnen <strong>und</strong> Verbraucher<br />

auf, Siemens-Produkte zu boykottieren.<br />

Damit wollen sie einen wirtschaftlichen<br />

Druck erzeugen, der den Atommonopolisten<br />

zum Ausstieg zwingt. „Wir fordern vom Siemens-Konzern,<br />

das Atomgeschäft aufzugeben<br />

<strong>und</strong> alle seine Atombetriebe zu<br />

schließen“, heißt es in ihrem Boykottaufruf.<br />

„Siemens darf weder neue Atomkraftwerke<br />

planen, entwickeln oder bauen, noch die<br />

Laufzeit bestehender Atomanlagen verlängern.<br />

Wir fordern, jede Verarbeitung von<br />

Uran <strong>und</strong> Plutonium zu beenden.“<br />

Unterzeich<strong>net</strong> wurde der Boykottaufruf bislang<br />

von mehr als siebzig Organisationen,<br />

darunter der federführende Anti-Atom-Laden<br />

Berlin, die Arbeitsstelle für Umweltfragen der<br />

Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, der<br />

B<strong>und</strong>esverband Bürgerinitiativen Umweltschutz,<br />

die Christlichen Demokraten gegen<br />

Atomkraft, der B<strong>und</strong>esverband Bündnis<br />

90/Die Grünen, der Dachverband der Kritischen<br />

Aktionärinnen <strong>und</strong> Aktionäre, die B<strong>und</strong>esverbände<br />

der Evangelischen StudentInnengemeinden<br />

<strong>und</strong> der Katholischen Jungen<br />

Gemeinden, die Berliner Jusos, die Mütter<br />

gegen Atomkraft, die Oberösterreichische<br />

überparteiliche Plattform gegen Atomgefahr<br />

sowie der Ökologische Ärzteb<strong>und</strong> <strong>und</strong> Pax<br />

Christi.<br />

Für einen Verbraucherboykott bietet Siemens<br />

zahllose Angriffspunkte, denn von der<br />

Glühbirne bis zum Atomkraftwerk produziert<br />

der Konzern fast alles, was mit Strom zu tun<br />

hat. Größter Geschäftsbereich ist die Fern-<br />

Nummer 62 · 28.1.1994 · Seite 18<br />

meldetechnologie. Weltweit errichtet der<br />

Konzern für Telefongesellschaften schlüsselfertige<br />

Vermittlungsanlagen. Aber auch Endgeräte<br />

für den privaten Telefonk<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

Nebenstellenanlagen für Firmen <strong>und</strong> Behörden<br />

gehören zum Sortiment von Siemens<br />

<strong>und</strong> ihrer bedeutendsten Tochter auf diesem<br />

Gebiet, der amerikanischen Rolm. Für die<br />

digitalen Mobiltelefone der sogenannten „D-<br />

Netze“, die in zwölf europäischen Ländern<br />

betrieben werden, ist der deutsche Elektronikriese<br />

ebenfalls einer der führenden Lieferanten.<br />

Waschmaschinen, Kühlschränke, Staubsauger<br />

<strong>und</strong> andere Haushaltshilfen finden sich<br />

im Siemens-Sortiment als Produkte der<br />

„Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH“<br />

(BSHG). Die 1967 gegründete Firma gehört<br />

je zu Hälfte den beiden Mutterkonzernen, die<br />

baugleiche Geräte unter den jeweils eigenen<br />

Firmenbezeichnungen verkaufen. Der Autoindustrie<br />

liefert Siemens elektrische <strong>und</strong><br />

elektronische Bauteile zu – für Motorsteuerung,<br />

Heizung, Klimaanlage <strong>und</strong> Airbag beispielsweise.<br />

Zumindest beim Kauf von<br />

Ersatzteilen können also auch boykottwillige<br />

Autofahrer den Atomausstieg unterstützen.<br />

Gut 13 Prozent vom Konzernumsatz trägt<br />

das Computergeschäft der „Siemens Nixdorf<br />

Informationssysteme AG“ (SNI). Fast acht<br />

Milliarden Mark Umsatz machen die Medizintechnik<br />

zum viertgrößten Siemens-Konzernbereich.<br />

Bei jeder einzelnen Kaufentscheidung<br />

in diesem Geschäftsbereich geht<br />

es um fünf- bis siebenstellige D-Mark-Beträge.<br />

Die Atomkritiker hoffen deshalb vor allem<br />

auf die Teilnahme vieler niedergelassener<br />

Ärzte am Boykott. Und daß ihr Ziel erreichbar<br />

ist, haben sie in Ihrem Aufruf beziffert: „Das<br />

Atomgeschäft betrug 1991/92 zweieinhalb<br />

Prozent vom Umsatz des gesamten Konzerns.<br />

Senken wir den Siemens-Umsatz in<br />

ähnlicher Höhe.“<br />

Mit einem konkreten Handlungsvorschlag<br />

appelliert das Boykottbündnis an die Verbraucher:<br />

„Zwingen wir Siemens, die Atombetriebe<br />

stillzulegen <strong>und</strong> in zukunftsweisende<br />

Techniken zu investieren. Verzichten wir<br />

deshalb auf Siemens-Produkte – so lange<br />

wie nötig <strong>und</strong> so konsequent wie möglich.<br />

Und informieren wir die Konzernleitung in<br />

80312 München, Wittelsbacherplatz 2,<br />

Fax: 089/2344242 über jede einzelne Kaufentscheidung<br />

gegen einen Siemens-Artikel.“<br />

Henry Mathews<br />

Weitere Informationen: Koordinationskreis<br />

Siemens-Kampagne, Postfach 610285,<br />

10924 Berlin, Fax: 030/2291822. Spenden<br />

zur Unterstützung der Boykottkampagne auf<br />

das Konto des Anti-Atom-Laden Berlin, Konto:<br />

331 68 00, bei der Bank für Sozialwirtschaft,<br />

BLZ 100 205 00.<br />

IPPNW beschließt Boykott<br />

Vergangenes Wochenende (22./23.) hat sich<br />

die „Vereinigung Internationale Ärzte für die<br />

Verhütung des Atomkrieges“ (IPPNW) in<br />

Mainz einem Boykott gegen Siemens angeschlossen.<br />

Zunächst sollen die b<strong>und</strong>esweit<br />

10.000 IPPNW-ÄrztInnen <strong>und</strong> dann nach<br />

<strong>und</strong> nach alle niedergelassenen ÄrztInnen in<br />

Deutschland schriftlich aufgefordert werden,<br />

keine medizinisch-technischen Geräte von<br />

Siemens – wie Röntgengeräte, Zahnarztausrüstungen<br />

oder Ultraschallgeräte – mehr zu<br />

kaufen. Der Boykott soll so lange gelten, bis<br />

Siemens „auf Planung <strong>und</strong> Bau von Atomkraftwerken<br />

verzichtet <strong>und</strong> aus der Plutoniumwirtschaft<br />

aussteigt“. („FR“ vom 25.1.)<br />

Partnership<br />

for Peace<br />

Ein „Dreckfuler-Teufel“ in der ZD-<br />

Ausgabe 61<br />

Leider war es nicht, wie so oft der „Dreckfuler-Teufel“,<br />

sondern ein Abtipp-Fehler von<br />

mir, der eine Sinnentstellung des Zitats von<br />

Präsident Clinton hervorgerufen hat. Es muß<br />

natürlich „Investition“ (letzter Absatz) <strong>und</strong><br />

nicht „Invention“ heißen. Es ist von ihm wirklich<br />

Kurswechsel <strong>und</strong> nicht nur ein launiger<br />

Einfall gemeint. Clinton <strong>und</strong> seine Frau haben<br />

das Dorfbank-Modell studiert <strong>und</strong> den Initiator<br />

Prof. Yunus für den Friedens-Nobelpreis<br />

vorgeschlagen, weil es ihm gelungen ist, die<br />

Ärmsten zu Geschäftspartnerschaft – Partnership<br />

for Peace – einzuladen, <strong>und</strong> sie nicht<br />

mit Almosen zu demütigen.<br />

Ruth Ruhemann, Bürgerlobby Resultate

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