Download | PDF - IFSH
Download | PDF - IFSH
Download | PDF - IFSH
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Hans J. Gießmann/Patricia Schneider<br />
Vorwort der Herausgeber<br />
Mehr als acht Jahre nach der Beendigung des Kosovo-Krieges ist weiter ungeklärt, ob und wie eine<br />
abschließende politische Regelung für das umstrittene Gebiet zwischen den serbischen und Kosovo-albanischen<br />
Konfliktparteien erreicht werden kann. Unversöhnlich stehen die gegensätzlichen<br />
Stanpunkte einander gegenüber. Die Regierung Serbiens und der überwiegende Teil der serbischen<br />
Bevölkerung lehnt die Entlassung der abtrünnigen Provinz in eine wie auch immer abgestufte Unabhängigkeit<br />
weiter entschieden ab. Ebenso entschlossen steht die Mehrheit der Kosovo-Albaner<br />
hinter ihrer Führung, die ein Verbleiben innerhalb des serbischen Staates – gleichfalls in welcher<br />
Form auch immer – ablehnt. Die Verhandlungen sind verfahren, weil eine Lösung des Problems<br />
nicht erreicht werden kann, ohne dass sich mindestens eine der beiden Parteien bewegt. Die internationale<br />
Einbettung der Suche nach einer Überwindung der Sackgasse vereinfacht das Problem<br />
nicht, sondern hat ihm eine Dimension verliehen, die, weit über den eigentlichen Konflikt und die<br />
Balkan-Region hinausgehend, friedenspolitische Bedeutung besitzt. Die Regierung der Vereinigten<br />
Staaten hat angedeutet, die Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen, vorausgesetzt, es sollte kein<br />
Einlenken auf serbischer Seite geben, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu keinem<br />
verbindlichen Beschluss gelangen und die Führung der Kosovo-Albaner nicht einseitig Fakten<br />
schafft. Derweil hat Russland eine Prätorianerrolle für die serbischen Interessen übernommen und<br />
die Verabschiedung des vom ehemaligen finnischen Ministerpräsidenten Martti Ahtisaari<br />
unterbreiteten Lösungsvorschlags im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen blockiert. Die<br />
Europäische Union hat ihrerseits Unterstützung für den Athisaari-Plan bekundet, gleichzeitig<br />
jedoch skeptisch auf die Idee einer rücksichtslosen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit<br />
Kosovos reagiert. Eine offene Konfrontation mit Russland zu vermeiden, bleibt allein schon wegen<br />
gemeinsamer Interessen auf anderen Gebieten vorrangig. Auch sehen manche europäische Staaten<br />
in einer international protegierten Sezession langfristig durchaus Risiken, die sie selbst betreffen<br />
könnten. Insofern überrascht die Initiative der EU nicht, ihre bestehenden Verhandlungskanäle und<br />
die Kontaktgruppe zu nutzen, um doch noch einen Ausweg zu finden.<br />
Die Statusfrage wird, über den bilateralen Streit der beiden Vetomächte hinausgehend, auch durch<br />
Staaten jenseits Europas kritisch gesehen. Soll die internationale Gemeinschaft einer Gebietssezession<br />
gegen den Willen der Regierung des betroffenen Staates Vorschub leisten? Wäre die erzwungene<br />
Abtrennung des Staatsgebietes als ein Präzedenzfall für andere Staaten anzusehen? Welche<br />
Auswirkungen auf rechtliche Grundlagen und praktisches Staatenhandeln wären zu erwarten? Welcher<br />
Legitimation bedarf die Unterstützung einer Sezession durch die internationale Gemeinschaft?<br />
Überragt die übernommene moralische Verantwortung von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen,<br />
die Bindekraft von Entscheidungen ihrer gemeinsamen Organe? Wie kann der Gefahr eines<br />
doppelten Standards in der Anwendung des völkerrechtlichen Prinzips der Selbstbestimmung begegnet<br />
werden? Diese und andere offene Fragen für die internationalen Beziehungen überlagern<br />
jedoch nur die Erfahrungen der betroffenen Menschen, die diese in Jahrzehnten der Unterdrückung<br />
machen mussten. Selbst wenn noch nicht schlüssig zu beantworten ist, welcher völkerrechtliche<br />
Status die Zustimmung der politisch Verantwortlichen erhält, bleibt doch dahinter die viel wichtigere<br />
Frage verborgen, ob die zerstrittenen Bevölkerungsgruppen zu einer Basis für zunächst friedliches<br />
Nebeneinander finden können.<br />
Während die Eliten diesseits und jenseits der Grenzen sich streiten, versucht eine sich im Aufbau<br />
befindende Zivilgesellschaft im Kosovo die Folgen des Konflikts und des Krieges aufzuarbeiten<br />
und zur Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse und Beziehungen beizutragen. Um eine stabile,<br />
friedliche und gerechte Gesellschaftsordnung zu erreichen, bedarf es jedoch langwieriger, gesellschaftlicher<br />
Transformationsprozesse, deren Dynamiken oft unvorhersehbar sind. Versöhnung<br />
als politisches Ziel besitzt noch immer nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung, zu einschneidend<br />
wirken die Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit nach. Andererseits gibt es kein Entrinnen<br />
aus bestehender Nachbarschaft, und selbst scharfe Trennungen lassen gemeinsame nachbarschaftliche<br />
Interessen nicht völlig verblassen. Die Suche nach neuem Miteinander braucht Zeit und die<br />
Bereitschaft der Betroffenen, gemeinsame Ziele über frühere Feindschaften zu stellen. Ethnische<br />
4