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Patrick de Bana träumt. Eine<br />
weite Ebene mit sanften<br />
Hügeln, ein Adler steigt auf,<br />
kreist über der unendlichen<br />
Landschaft, schwebt<br />
über den Wolken, dort, wo<br />
die Freiheit grenzenlos sein<br />
muss. Die Geige erhebt sich jubelnd über<br />
den Streicherchor, Allegro vivacissimo. De<br />
Bana hört Tschaikowskis Violinkonzert<br />
und sieht den Glanz des Zarenhofs in<br />
St. Petersburg, denkt an das imperiale<br />
Russland, an den letzten Kaiser, Nikolaus<br />
II., in all seiner Macht und Pracht, an<br />
„Les Ballets Russes“ und an Waclaw<br />
Nijinsky (1889–1950). Der Star der Truppe<br />
des Impresarios Serge Daghilew, der mit<br />
seinen Virtuosen von Paris aus Europa<br />
eroberte, war vor allem berühmt für den<br />
sogenannten „Ballon“: die Fähigkeit, bei<br />
Sprüngen quasi in der Luft anzuhalten. Die<br />
Leichtigkeit (und die Leidensfähigkeit) russischer<br />
Tänzer wird bis heute gerühmt.<br />
„Schneller, schneller“, lässt Patrick de<br />
Bana, gebürtiger Hamburger mit deutscher<br />
Mutter und nigerianischem Vater, der bei<br />
John Neumeier studiert hat und bei Maurice<br />
Béjart Solotänzer gewesen ist, seine<br />
Künstler durch den Probensaal wirbeln:<br />
Der Zar dreht sich im Sprung, der Adler<br />
fliegt. Kirill Kourlaev atmet keuchend, zerrt<br />
an der rutschenden Hose. Der seidige<br />
Hosenrock ist noch provisorisch, die kraftvolle<br />
Tour en l’air keineswegs. Noch ist es<br />
schwierig, die schillernden Träume des<br />
Choreografen auf den Boden zu bringen.<br />
Doch am 20. Februar müssen sie Realität<br />
sein: „Windspiele“, die jüngste Choreografie<br />
de Banas, hat Weltpremiere. Als eines<br />
von vier Beispielen im Programm „Tanzperspektiven“.<br />
De Banas Fantasie ist so<br />
grenzenlos wie sein Traum von Freiheit.<br />
„Ich versuche das Unsichtbare sichtbar zu<br />
machen, die Energie freizulegen. Deshalb<br />
ist das Ballett auch sehr physisch, die Körper<br />
sind in vollem Einsatz. Ich will an die<br />
Essenz kommen, diese Atome freilegen, die<br />
auch Bewegung haben und Farben, die<br />
atmen. Wir müssen den menschlichen Körper<br />
bis an die Grenzen treiben, bis zur<br />
Erschöpfung. Wenn der Körper erschöpft<br />
ist, dann ist der Moment da, an dem er sich<br />
von selbst weiterentwickelt. Der Tänzer<br />
fängt an aufzublühen wie eine Blume, und<br />
die Muskeln fangen an zu verstehen. Wenn<br />
der Körper anfängt zu brennen, fast zu zittern,<br />
dann ist der Moment da, in dem die<br />
Muskeln zu denken beginnen. Das ist sehr<br />
wichtig für einen Tänzer und sehr wichtig<br />
für ‚Windspiele‘, dass die Muskeln denken,<br />
dass die Muskeln fühlen und den Tänzer<br />
wie den Adler durch den Raum, in die Luft<br />
tragen.“<br />
Zu allem bereit sein.