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Gerald Kurdian. Ein-Mann-Show des<br />

französischen Performancekünstlers<br />

bei Imagetanz. (11./12. 3.)<br />

Was ist mit „Empört euch“?<br />

Pfost: Das ist auch nur ein ganz kleiner Kreis von Menschen, die<br />

sich in diesem Aufruf zum Widerstand finden. Und das ist auch extrem<br />

wichtig, denn kritische Auseinandersetzung findet in den<br />

meisten Massenmedien ja in Wahrheit nicht mehr wirklich statt,<br />

sondern in ganz anderen Feldern, wie im Internet oder im Theater.<br />

Frank: Die Grundsetzung von Theater ist, dass Menschen zusammenkommen,<br />

um sich zu verständigen. Gerade in Zeiten von Facebook<br />

und anderen Social Media gibt es ein großes Bedürfnis, live<br />

zusammen zu sein und sich auszutauschen. Ich glaube, eine kohärente<br />

städtische Öffentlichkeit gibt es heute nicht<br />

mehr, sondern es gibt Szenen, Communitys. Wir<br />

kommunizieren in diese partikularen Öffentlichkeiten<br />

hinein. Wie zum Beispiel mit den polnischen<br />

Putzfrauen in den „Lustigen Witwen“ von Cesary<br />

Tomaszewski oder die Auseinandersetzung mit dem<br />

Wohnpark Alterlaa mit Nadja Ross sowie die queeren<br />

Theaterproduktionen von Gin Müller.<br />

Die Vereinbarung zwischen Theater und Zuschauern<br />

wie im bürgerlichen Theater, zum Beispiel in<br />

der Josefstadt, existiert nicht mehr?<br />

Pfost: Doch, das funktioniert natürlich schon noch.<br />

Aber es ist eben auch ein ganz beschränkter Ausschnitt,<br />

was im bürgerlichen Theater repräsentiert<br />

wird, in dem sich bestimmte gesellschaftliche Schichten klar und<br />

eindeutig erkennen können. Da habe ich manchmal den Eindruck,<br />

dass man sich eine einfachere Welt zurückwünscht. Ich erlebe<br />

unsere gesellschaftliche Realität als viel fragmentierter und uneindeutiger,<br />

und ich möchte das in der ganzen Vielfalt auch auf dem<br />

Theater abgebildet sehen.<br />

Was hält denn die Gesellschaft noch zusammen?<br />

Frank: Ich möchte das nicht so generalisiert beantworten. Die<br />

Frage stellt sich etwa in den Ländern des Arabischen Frühlings<br />

anders als in sogenannten Schwellenländern. Wir erleben in<br />

Europa einen Grundwiderspruch: Wir versuchen eine europäische<br />

„Theater muss<br />

erschüttern.<br />

Es ist aber nicht<br />

dazu<br />

da, Ordnung<br />

zu schaffen.“<br />

Spirit. Florentina Holzinger und Vincent<br />

Riebeek erkunden die vielen<br />

Formen der Spiritualität. (8./9. 3.)<br />

Identität zu formulieren, kämpfen aber tagtäglich mit dem Zerfall<br />

Europas. Theater ist ein politischer Versammlungsraum, dort können<br />

Widersprüche ausgehalten und verhandelt werden.<br />

Wie sind Sie beide zum Theater gekommen?<br />

Pfost: Ich habe früh Stücke von Christoph Schlingensief gesehen. Es<br />

gab die Schlossfestspiele Ludwigsburg, die hatten in den 1990er-<br />

Jahren ein sehr avanciertes Programm, zum Beispiel zeigten sie die<br />

legendäre Faust-Inszenierung von Christoph Marthaler. Das hat<br />

mich extrem fasziniert. Ich habe Theaterwissenschaften studiert<br />

und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg als Assistent von<br />

Tom Stromberg angefangen. Er hat damals sehr<br />

junge Regisseure gefördert, die heute zu den Etablierten<br />

gehören – und auch am Burgtheater inszenieren:<br />

Jan Bosse, Stefan Pucher, René Pollesch. Eine<br />

der Eröffnungsinszenierungen der Intendanz von<br />

Stromberg war „The Show Must Go On“ von Jérôme<br />

Bel. Mit diesem Stück hat sich das gesamte Ensemble<br />

des Schauspielhauses vorgestellt und Songs aus<br />

30 Jahren Pop-Geschichte choreografisch interpretiert<br />

bzw. eben nicht interpretiert. Das war ein sehr<br />

verstörendes Erlebnis für ein Publikum, das an<br />

Repertoire-Theater gewöhnt war und so etwas von<br />

Schauspielern nicht erwartet hat. Es gab bei vielen<br />

Vorstellungen richtige Kämpfe im Parkett, die Leute<br />

haben sich angeschrien, sie riefen: „Aufhören!“ oder haben sogar<br />

die Bühne gestürmt. Es gab gleichzeitig auch eine Tourversion, mit<br />

Performern bzw. Tänzerinnen, die extrem erfolgreich war, weil sie<br />

in einem anderen Kontext gezeigt wurde. Im Februar 2012 war<br />

dann eine „Wiener Version“ im Tanzquartier zu sehen. Ich wollte<br />

erst gar nicht hingehen, weil dieses Stück vor 10 Jahren so wichtig<br />

für mich war, bin dann aber doch hin. Da gab es keine Reibung<br />

mehr, es gab einen Common Sense zwischen Performern und<br />

Zuschauern, ja es herrschte fast schon Bierzelt-Atmosphäre. Das ist<br />

eben das Schöne am Theater, man kann nichts konservieren. Theater<br />

ist immer sehr flüchtig.<br />

Schaufenster 35<br />

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